Magazin - Agentur für Text und Bild
Magazin - Agentur für Text und Bild
Magazin - Agentur für Text und Bild
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Der Letzte macht das Licht aus<br />
regjo LeIPZIg/HALLe iMMoBilien 65<br />
Kein B<strong>und</strong>esland leidet so stark unter Bevölkerungsschw<strong>und</strong> wie Sachsen-Anhalt. Dass weniger auch mehr sein kann, zeigen<br />
jetzt 19 Städte auf der IBA Stadtumbau 2010 im Bauhaus Dessau.<br />
Interview: Dajana Trapp Fotografie: IBA-Büro gbr, Michael Uhlmann<br />
„Das Haus wird abgerissen!“ Ein Plakat mit<br />
dieser Aufschrift klebte an allen Häusern der<br />
Straße. Doch zunächst blieb eine Reaktion<br />
der Mieter aus. In der Ludwigstraße in<br />
Köthen sollten 15 Gründerzeithäuser abgerissen<br />
werden, da die Nachfrage fehlte. Eine<br />
Alternative zum Abriss fanden die Köthener<br />
Stadtplaner nun in der Homöopathie.<br />
Der Begründer der Homöopathie, Dr.<br />
Samuel Hahnemann, praktizierte vor r<strong>und</strong><br />
200 Jahren in Köthen. Er entdeckte, dass die<br />
kontrollierbare Verschlimmerung einer<br />
„Die Stadt ist ein stabiles System, wenn sie flexibel<br />
auf Störungen reagieren kann.“ (Ina rauer)<br />
Krankheit einen Selbstheilungsprozess in<br />
Gang setzen kann. Angenommen, der Patient<br />
sei eine Straße, dann müsse dort gezielt<br />
eine Krise hervorgerufen werden, um die<br />
Selbstheilungskraft der Straße <strong>und</strong> ihrer<br />
Bewohner zu aktivieren. Gemeinsam mit<br />
homöopathischen Ärzten entwickelten die<br />
Stadtplaner Maßnahmen, um die Ludwigstraße<br />
zu „behandeln“.<br />
Bei einer dieser Behandlungen schaltete<br />
die Stadt <strong>für</strong> 15 Minuten das Licht ab.<br />
Theaterscheinwerfer beleuchteten die Häuser,<br />
die abgerissen werden sollten. „Das war<br />
der Einstieg, um miteinander ins Gespräch<br />
zu kommen“, erklärt Köthens Baudezernentin<br />
Ina Rauer. An die 50 Vorschläge <strong>und</strong><br />
Anfragen zur Wiederbelebung der Straße<br />
seien nach der Aktion in der Stadt eingegangen.<br />
Die Ideen reichten von Nachbarschaftsgärten<br />
über ein Rucksackhotel bis zu einem<br />
Open-Air Kino. Anwohner kauften <strong>und</strong><br />
sanierten daraufhin Häuser.<br />
Dieser Beitrag Köthens zur Internationalen<br />
Bauaustellung (IBA) Stadtumbau<br />
Sachsen-Anhalt 2010 zeigt: Aus den Betroffenen<br />
wurden Beteiligte. Man habe nicht<br />
viel gebaut, aber doch viel bewegt, resümiert<br />
der Oberbürgermeister Kurt-Jürgen Zander.<br />
Anders als bei den früheren Internationalen<br />
Bauausstellungen ist bei der IBA Sachsen-<br />
Anhalt tatsächlich weniger neu gebaut <strong>und</strong><br />
stattdessen mehr umgebaut <strong>und</strong> abgerissen<br />
worden. Insgesamt 171 Millionen Euro wurden<br />
investiert, um eine Strategie <strong>für</strong> ein ganzes<br />
B<strong>und</strong>esland zu entwickeln, dessen<br />
Bevölkerung langsam, aber stetig schrumpft.<br />
So entstand in Aschersleben eine Freiluftgalerie<br />
– wo ein Abriss notwendig war,<br />
füllt jetzt zeitgenössische Kunst die Lücke.<br />
Das Bauhaus Dessau präsentiert noch bis zum<br />
16. oktober 2010 die ergebnisse der IBA.<br />
Auch Halberstadt kultiviert die Leere. Um<br />
den Blick auf das Wahrzeichen der Stadt zu<br />
öffnen, holzte die Stadt den Domhang ab <strong>und</strong><br />
ließ ihn zum grünen Tableau umgestalten.<br />
„Wir setzen bewusst nicht auf Leuchttürme<br />
oder architektonische Ausrufezeichen“,<br />
erklärt IBA-Geschäftsführer <strong>und</strong><br />
Bauhaus-Direktor Philipp Oswalt. Vielmehr<br />
stehe die Beziehung der Menschen zu ihrer<br />
Stadt im Vordergr<strong>und</strong>. In den vergangenen<br />
acht Jahren haben die 19 beteiligten Städte<br />
ganz unterschiedliche Antworten auf die<br />
Frage gef<strong>und</strong>en: Wie geht es weiter in einer<br />
Stadt, wenn dauerhaft ein Fünftel der Bevölkerung<br />
ausbleibt? Eines ist allen Lösungsansätzen<br />
gemein: Sie konzentrieren sich auf<br />
das Wesentliche <strong>und</strong> auf die Menschen, die<br />
noch in den Städten leben. Einen Überblick<br />
über den gesamten Prozess gibt die zentrale<br />
Ausstellung im Bauhaus Dessau. Dort laden<br />
ein breites Veranstaltungsprogramm, darunter<br />
auch zahlreiche Fachkonferenzen, zu<br />
einem Blick in die Zukunft ein. Denn dass<br />
„weniger“ auch „Zukunft“ sein kann, ist<br />
nicht nur der Ausgangspunkt der IBA Sachsen-Anhalt,<br />
sondern auch die Botschaft<br />
eines ganzen B<strong>und</strong>eslandes an die Stadt von<br />
morgen.<br />
Weitere Informationen hierzu finden Sie im<br />
Internet unter www.iba-stadtumbau.de.