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Franziskaner Mission 1-2012

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<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 1 | <strong>2012</strong> — Leben teilen – Brüder in <strong>Mission</strong><br />

Leben helfen<br />

Ein heute schillerndes und für manche<br />

irritierendes Wort: <strong>Mission</strong>, und: Meine<br />

<strong>Mission</strong> als <strong>Franziskaner</strong>. Ist darauf eine<br />

schlüssige Antwort möglich? Als ich<br />

vor über vierzig Jahren ein Bibelwort<br />

für meine Primiz (erste Messe nach<br />

der Priesterweihe) wählte, fiel mir ein<br />

Vers aus dem Römerbrief auf: »Was ich<br />

bin, ist Sein Werk; was ich tue, Sein<br />

Wille; zu allen Menschen zu gehen,<br />

dass sie Ihn hören, dass sie Ihm glauben.«<br />

Zugegeben, dies ist eine freie<br />

Übertragung des Originaltextes (Röm<br />

1,5). Aber ich erfahre mich bis heute in<br />

dieser <strong>Mission</strong>. Damals dachte ich nicht<br />

daran, auf einen anderen Kontinent<br />

zu gehen. Ich hatte aber auch nicht<br />

erwartet, dass mein Heimatland in<br />

absehbarer Zeit »<strong>Mission</strong>sland« würde;<br />

dies hat sich in den zurückliegenden<br />

Jahrzehnten in der Weise ergeben, dass<br />

Kirchenleitungen eine Neu­Evangelisierung<br />

Europas proklamieren.<br />

Mögliche Wege meiner <strong>Mission</strong><br />

Auf andere Kontinente kam ich<br />

erst beim Besuch unserer <strong>Mission</strong>are<br />

in West-Afrika, Brasilien und<br />

Japan von 1989 bis 1997. In<br />

unkomplizierten Begegnungen<br />

sowie im Erleben unmittelbar<br />

ansprechender und bewegender<br />

Gottesdienste kam kurzzeitig, aber<br />

nicht nachhaltig, die Vorstellung<br />

auf, dort als <strong>Franziskaner</strong> leben<br />

und wirken zu können. Sprachbarrieren<br />

waren aber im Lebensalter<br />

um die fünfzig nicht einfach<br />

zu überspringen. Zudem war und<br />

ist mein Engagement zuhause<br />

gefragt.<br />

Ebenso stellte sich mir kurzzeitig<br />

die Frage nach einem Einsatz<br />

östlich des gefallenen Eisernen<br />

Vorhangs. Immerhin hatte ich vor<br />

der Wende wiederholt die <strong>Franziskaner</strong><br />

und <strong>Franziskaner</strong>innen<br />

in der damaligen DDR besucht<br />

und kleine katholische Gemeinden<br />

erlebt. Ein geografischer Wechsel<br />

hat sich nicht ergeben.<br />

»Leben helfen« – und eigene<br />

Erfahrungen sammeln<br />

Heute lebe und arbeite ich in der<br />

<strong>Mission</strong>szentrale der <strong>Franziskaner</strong><br />

(MZF) in Bonn mit ihren weltweiten<br />

Kontakten und Projekten. Auftrag,<br />

also <strong>Mission</strong> dieses Werkes ist die<br />

im Zweiten Vatikanischen Konzil<br />

wieder umfassender erkannte<br />

Sendung Jesu: Gott wendet sich<br />

unserer Welt zur Erlösung und<br />

Befreiung aus menschenunwürdigen<br />

Bedingungen zu – in der<br />

innerweltlichen Realität bis zum<br />

ewigen Heil. Diese Sendung fasse<br />

ich so zusammen: »leben helfen«.<br />

In den zurückliegenden Jahrzehnten<br />

hat die MZF, sensibel für die<br />

Wechselwirkung von christlicher<br />

Verkündigung und sozialer Entwick-<br />

lung, in Tausenden von Projekten<br />

auf allen Kontinenten und für<br />

noch mehr Zehntausende von<br />

Menschen vermitteln können,<br />

was menschenwürdige Existenz<br />

in »Freiheit, Würde und Leben«<br />

ausmacht. Diese Vermittlung ist<br />

keineswegs eine Einbahnstraße<br />

(etwa mit Spenden »in alle Welt«),<br />

sondern durchaus rückwirkend<br />

auf Bewusstsein und christliche<br />

Lebenspraxis hierzulande, also in<br />

Mitteleuropa.<br />

Ich lasse mich dabei von zwei<br />

Grundsätzen leiten, welche die<br />

Möglichkeiten und die Chancen<br />

von <strong>Mission</strong> sowie ihre Zumutungen<br />

umschreiben:<br />

»Christentum ist nicht das, was<br />

wir für Gott tun, sondern was Gott<br />

für uns tut.« (Louis Evely) Und: »Es<br />

kommt auf dich an, aber es hängt<br />

nicht von dir ab.« (nach einem<br />

Gebet von Ignatius von Loyola)<br />

Christliche <strong>Mission</strong> ist zuerst<br />

das Angebot Gottes durch und in<br />

Jesus Christus zu mehr »Freiheit,<br />

Würde und Leben«. Wo immer ich<br />

Menschen begegne, versuche ich<br />

mich so einzubringen.<br />

Orientierung am Evangelium<br />

der Bibel<br />

Mein Blick geht derzeit in die<br />

weltweiten Kontakte der MZF.<br />

Ich lebe meine <strong>Mission</strong> jetzt<br />

etwas anders als früher. Die sich<br />

ändernde reli giöse und kirchliche<br />

Situation speziell in Mitteleuropa<br />

braucht weitere und andere als<br />

nur die bisherigen Muster, um<br />

der christlichen Weltverantwortung<br />

auch künftig gerecht zu<br />

werden, zu der die <strong>Mission</strong> im<br />

Auftrag Jesu gehört. Mit Franziskus<br />

von Assisi orientiere ich mich<br />

am Evangelium: Die Bergpredigt<br />

gibt die grundlegenden Kriterien<br />

für Gerechtigkeit, Solidarität und<br />

Frieden in allen Gesellschaften und<br />

Kulturen sowie gegenüber jeder<br />

menschlichen Person vor. Franziskus<br />

wusste darum, dass die Achtung<br />

jedweder Geschöpflichkeit<br />

ihre Grundlage und Dringlichkeit<br />

in ihrer göttlichen Herkunft und<br />

Verheißung für die Zukunft hat.<br />

Leben teilen – Brüder in <strong>Mission</strong> — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 1 | <strong>2012</strong><br />

Blick und Herz öffnen<br />

So versuche ich meine <strong>Mission</strong> als<br />

<strong>Franziskaner</strong> zu leben in meiner<br />

Sendung als Begleiter und Bruder,<br />

als Priester und Seelsorger, wo ich<br />

gerade bin und wie ich Menschen<br />

begegne. Mir hilft dabei ein<br />

Bekenntnis von <strong>Franziskaner</strong>n in<br />

dem Dokument »Die Berufung<br />

unseres Ordens heute« (Generalkapitel<br />

Madrid 1973): »Vor uns<br />

soll niemand Angst haben.« Diese<br />

Offenheit ermutigt mich, einladend<br />

auf Menschen zuzugehen<br />

und ein Gottesbild zu vermitteln,<br />

das nach dem Zeugnis Jesu nicht<br />

Zumutung, sondern Verheißung<br />

ist. <strong>Mission</strong>, also Evangelisierung<br />

überhaupt und Neu-Evangelisierung<br />

heute, ist nur aufgrund<br />

eines solchen Zeugnisses möglich<br />

und glaubhaft.<br />

Dazu gehört, auch in unserer<br />

Kirche, Ängsten und deren<br />

unheilvollen Auswirkungen zu<br />

begegnen. Christentum ist nicht<br />

in erster Linie ein Moralsystem,<br />

sondern Vertrauen in Gott, das<br />

uns Menschen dann zum vertrauensvollen<br />

Miteinander und<br />

Füreinander befähigt. Daraus<br />

wächst die weltweite Sendung<br />

der christlichen Kirche, die auch<br />

ethische Konsequenzen zeitigt.<br />

Die bewusste und entschiedene<br />

Rückbindung (lateinisch religio/<br />

Religion) an Gott öffnet den Blick<br />

und das Herz gegenüber allen,<br />

denen ausnahmslos die Verheißung<br />

von »Freiheit, Würde und<br />

Leben« gilt, gerade wenn alle<br />

Lebensumstände dagegen stehen.<br />

»Was ich bin, ist Sein Werk«<br />

In dieser <strong>Mission</strong> erfahre ich mich<br />

gerade in meiner derzeitigen Aufgabe<br />

als Leiter der <strong>Mission</strong>szentrale.<br />

Seit sich ökonomische und<br />

soziale Nöte in Europa und später<br />

weltweit dramatisch multipliziert<br />

haben, waren es oftmals und<br />

zuerst sensible Christinnen und<br />

Christen wie Franziskus von Assisi,<br />

die wirksame Hilfe einbrachten:<br />

in spirituellen Gemeinschaften<br />

bis hin zu den pastoral-sozialen<br />

Impulsen der Befreiungstheologie.<br />

<strong>Franziskaner</strong> sein heißt für mich<br />

deshalb fundamental, in einer<br />

<strong>Mission</strong> zu wirken, die anderen<br />

leben hilft.<br />

Das beginnt in der seelsorgerlichen<br />

Begleitung und gottesdienstlichen<br />

Gemeinschaft und<br />

konkretisiert sich beispielsweise<br />

bei mir in Engagements für Pax<br />

Christi und amnesty international<br />

oder Franciscans International.<br />

Ich lasse mich bis heute darauf<br />

ein in der Überzeugung: »Was ich<br />

bin, ist Sein Werk; was ich tue,<br />

Sein Wille; zu allen Menschen<br />

zu gehen, dass sie Ihn hören,<br />

dass sie Ihm glauben.« Ich bin<br />

»auf <strong>Mission</strong>« nicht in eigener<br />

Ange legenheit, jedoch in einer<br />

persönlichen Sendung, bei der<br />

Gott entscheidend wirkt, dass<br />

Menschen würdig leben können<br />

– ein wenig auch durch mich.<br />

»Es kommt auf mich an, aber es<br />

hängt nicht von mir ab.«<br />

Claudius Groß ofm<br />

Claudius Groß ist Präsident der <strong>Mission</strong>szentrale<br />

der <strong>Franziskaner</strong> in Bonn, Bad<br />

Godesberg.<br />

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