Politik beleben, Bürger beteiligen - Charakteristika neuer - BBE
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Allerdings liegt das Letztentscheidungsrecht über die Verwendung der Kommunalbudgets weiter-<br />
hin in den Händen von <strong>Politik</strong> und Verwaltung. Die politischen Gremien entscheiden von Stadt zu<br />
Stadt, von Fall zu Fall, in welchem Umfang die <strong>Bürger</strong> beteiligt werden sollen. Als Folge sind in<br />
der praktischen Umsetzung des Verfahrens unterschiedliche Verbindlichkeitsgrade der Entscheidungen<br />
zu beobachten. Insofern handelt es sich beim <strong>Bürger</strong>haushalt um ein äußerst variantenreiches<br />
Verfahren.<br />
Typische Auftraggeber und Anwendungsbereiche<br />
Das Verfahren wird zur Erstellung kommunaler Haushalte (komplett oder auch nur für einzelne<br />
Teilbudgets) verwendet und soll die Akzeptanz und Legitimation fiskalpolitischer Maßnahmen in<br />
der Bevölkerung verbessern. <strong>Bürger</strong>haushalte beziehen sich auf die lokale bzw. kommunale Ebene<br />
und werden in der Regel von Kommunalpolitikern und -verwaltungen initiiert.<br />
Beispiele<br />
In Porto Alegre, einer brasilianischen Großstadt mit über 1,3 Millionen Einwohnern, werden seit<br />
1989 die Haushalte mit breiter <strong>Bürger</strong>beteiligung erstellt (Herzberg 2002). Porto Alegre war weltweit<br />
eine der ersten Kommunen, die das Verfahren erfolgreich umsetzte. Im Stadtgebiet bilden<br />
sich Initiativen, die möglichst viele Mitstreiter auf <strong>Bürger</strong>versammlungen zusammenbringen und<br />
dort ihre Projekte einbringen. Anschließend entsenden sie Vertreter in ein Gremium, das die Vorschläge<br />
sammelt und eine Vorauswahl trifft. Die Verwaltung und die Lokalpolitik erhalten diesen<br />
Katalog und berücksichtigen ihn bei der Haushaltsentscheidung, soweit dies möglich ist. Jedes<br />
Projekt, das verwirklicht wird, wird von Vertretern der entsprechenden Initiative begleitet und<br />
überwacht. In Porto Alegre ist im Zuge des Beteiligungsverfahrens die Korruption stark zurückgegangen<br />
und das Vertrauen der <strong>Bürger</strong> in die Demokratie gestärkt worden. Besonders erwähnenswert<br />
ist die Tatsache, dass sich auch ärmere und bildungsferne Bevölkerungsschichten am <strong>Bürger</strong>haushalt<br />
<strong>beteiligen</strong>.<br />
In Großbritannien etablierte sich 2007 in Salford ein <strong>Bürger</strong>haushalt nach dem Modell aus Porto<br />
Alegre. In Newcastle startete 2006 das Projekt „U decide“ zur Haushaltserstellung mit <strong>Bürger</strong>beteiligung.<br />
9 Auch zahlreiche deutsche Kommunen (u. a. Köln, Hamburg, Münster, Trier, Potsdam, Freiburg)<br />
haben <strong>Bürger</strong>haushalte inzwischen institutionalisiert oder arbeiten an ihrer Etablierung. 10<br />
2.5 <strong>Bürger</strong>panel<br />
Verfahren und Methoden der <strong>Bürger</strong>beteiligung<br />
Ein <strong>Bürger</strong>panel (engl.: Citizens’ Panel) ist eine regelmäßig (drei bis vier Mal pro Jahr) stattfindende<br />
Befragung von 500 bis 2.500 repräsentativ ausgewählten <strong>Bürger</strong>n. Das Verfahren hat seinen<br />
Ursprung in der Markt- und Meinungsforschung: Im Gegensatz zu konventionellen Meinungsumfragen<br />
werden bei <strong>Bürger</strong>panels jedoch die Umfragen in regelmäßigen Abständen mit<br />
dem gleichen Teilnehmerpool („Panel“) durchgeführt. Während Citizens’ Panels in Großbritannien<br />
weit verbreitet sind, sind sie in Deutschland dagegen kaum bekannt (Klages 2007).<br />
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