Dominikaner St. Andreas

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10 St. Andreas - Offene Kirche der Dominikaner 2. Ist die Rede vom „natürlichen Tod“ die ganze Wahrheit über den Tod? Sicher: der Zellenhaushalt eines jeden lebenden Organismus kennt einen Anfang und ein Ende. Das genetische Programm hat nun mal für jeden Menschen eine begrenzte Anzahl von Herzschlägen vorgesehen. Der Mensch hat einen sterblichen Leib, gleichzeitig wird er aber von einer unendlichen Sehnsucht umgetrieben, die durch nichts in der Welt ganz gestillt werden kann. Der Schriftsteller und Philosoph Pascal Mercier sagt es in seinem Roman »Nachtzug nach Lissabon« so: „Wenn wir nur einen Teil dessen leben können, was in uns steckt, - was geschieht mit dem Rest?“ Wenn der ewige Gott rein aus Gnade unsere Sterblichkeit in einer unausdenkbaren Neuschöpfung auffangen will und unsere unendliche Sehnsucht in seine Unendlichkeit aufnehmen will, so ist das Gottes Sache – nicht unsere. 3. Betrachtet die Rede vom natürlichen Tod den Tod nicht viel zu individualistisch als den je eigenen Tod? Was aber, wenn wir den Tod mit der Liebe zusammendenken? Öffnet sich da nicht eine ganz neue Dimension? Dass Liebende durch den Tod auseinandergerissen werden, ist das unnatürliche. Denn Liebe, die glückt, verspricht Ewigkeit, mag es auch biologisch natürlich sein, dass wir sterben. Wenn nun der ewige Gott – die Macht und Ohnmacht der Liebe – eine neue unzerstörbare Liebesgemeinschaft unter uns und mit sich will, sollte der Tod Gottes Willen durchkreuzen können? Wäre dann nicht der Tod der heimliche Gott, weil er das letzte Wort behielte? Nun: Wir brauchen und können uns die Auferweckung der Toten nicht vorstellen. Das ist unmöglich, Auferstehung und ewiges Leben finden in einer 10. Dimension
St. Andreas - Offene Kirche der Dominikaner statt, derweilen wir hier und heute über eine 3. oder 4. Dimension nicht hinauszudenken vermögen. Gelegentlich sagen mir Christen, die nicht mehr an die persönliche Auferweckung glauben, dies: „Meine Eltern leben in meinem Gedächtnis weiter, und der Märtyrerbischof Romero von El Salvador lebt im Gedächtnis seines salvadorischen Volkes weiter. Das genügt!“ Mir genügt das nicht; denn das Gedächtnis des Menschen ist sterblich. Mein Ururgroßvater lebt in keinem menschlichen Gedächtnis mehr, und auch das Gedächtnis des salvadorischen Volkes wird nicht ewig bleiben. Wenn wir aber im Gedächtnis des ewigen Gottes weiterleben und wenn wir weiter bedenken, dass Gottes Gedächtnis kreativ schöpferisch ist – uns neu schaffend und erhaltend -, dann dürfen wir hoffen, im schöpferischen Gedächtnis des ewigen Gottes uns ewig aneinander und an Gott freuen zu dürfen. Allerdings keine Rede von einem ewigen Leben nach dem Tod, solange wir nicht hier und heute vor dem Tod einander Leben gönnen und gewähren. Noch ein Letztes: Schreiben wir doch Gott, bitte, nicht vor, was er tun und lassen darf. Wir Theologen haben oft Gott gefangengenommen durch unsere „Dogmen“, aber es gibt auch eine sehr vernünftige, sehr aufgeklärte Gefangennahme Gottes. Wenn Gott für uns ewiges Leben vorgesehen hat – und das hat er uns in Jesu Auferweckung von den Toten gezeigt -, dann lassen wir Gott doch bitte frei. P. Johannes B. Brantschen OP 11
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