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Baustelle Sozialstaa.. - Georg-Schlesinger-Schule

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Thema<br />

Lehrerheft 15 15 (2001)<br />

im Unterricht<br />

Gerhart Maier/Bruno Zandonella<br />

Äquiva<br />

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<strong>Baustelle</strong> <strong>Sozialstaa</strong>t


Inhalt<br />

Einführung: <strong>Sozialstaa</strong>t in der Krise _____________________________________ 3<br />

Baustein A:<br />

Ohne <strong>Sozialstaa</strong>t geht es nicht ___________________________________________ 7<br />

Baustein B:<br />

Arbeitslosigkeit - eine Herausforderung für den <strong>Sozialstaa</strong>t ____________________ 11<br />

Baustein C:<br />

Zur Zukunft der Rente - Hält der Gernerationsvertrag? _______________________ 16<br />

Baustein D:<br />

Trotz Sozialhilfe: Armut in Deutschland ___________________________________ 21<br />

Baustein E:<br />

Die Zukunft des <strong>Sozialstaa</strong>tes ___________________________________________ 27<br />

Literaturhinweise ____________________________________________________ 31<br />

Zu diesem Lehrerheft gibt es ein Arbeitsheft für Schülerinnen und Schüler. Das können Sie<br />

(auch im Klassensatz) kostenlos und portofrei bei unserer Versandstelle beziehen unter der Bestell-Nr.<br />

5.331.<br />

Franzis print & media, Postfach 150740, 80045 München<br />

infoservice@franzis-online.de, Fax: 0 89 / 5172 92<br />

Selbstverständlich können Sie kostenlos für jeden Schüler ein eigenes Exemplar des Arbeitsheftes<br />

zugeschickt bekommen. Um Portokosten zu sparen, bitten wir jedoch um Sammelbestellungen<br />

auf einer Postkarte oder per Bestellzettel. Vielen Dank!<br />

„Thema im Unterricht“ (Lieferbar, solange der Vorrat reicht)<br />

2: Parteien, Bürger und Wahlen (Neudruck 2000)<br />

Lehrerheft im Internet: www.bpb.de 5.303 (Arbeitsheft)<br />

(➟ Online-Publikationen)<br />

5: Europa für Einsteiger (Neudruck 1998)<br />

Lehrerheft vergriffen 5.307 (Arbeitsheft)<br />

10: Die öffentliche Meinung (1996)<br />

Bestell-Nr.: 5.318 (Lehrerheft) und 5.319 (Arbeitsheft)<br />

11: Menschenwürde, Menschenrechte (1997)<br />

Bestell-Nr.: 5.320 (Lehrerheft) und 5.321 (Arbeitsheft)<br />

12: Nahaufnahme Bundestag (Neudruck 2000)<br />

Lehrerheft im Internet: www.bpb.de 5.323 (Arbeitsheft)<br />

(➟ Online-Publikationen)<br />

13: Was ist Politik? (1998)<br />

Bestell-Nr.: 5.326 (Lehrerheft) und 5.327 (Arbeitsheft)<br />

14: Nord und Süd – Eine Welt? (1998)<br />

Bestell-Nr.: 5.328 (Lehrerheft) und 5.329 (Arbeitsheft)<br />

15: <strong>Baustelle</strong> <strong>Sozialstaa</strong>t<br />

Bestell-Nr.: 5.330 (Lehrerheft) und 5.331 (Arbeitsheft)<br />

Thema im Unterricht EXTRA<br />

Grundgesetz für Einsteiger<br />

Bestell-Nr.: 5.317 (Arbeitsmappe)<br />

Methoden-Kiste<br />

Bestell-Nr.: 5.350 (24 Karteikarten)<br />

2<br />

Bei Franzis gibt es auch eine aktuelle Liste der lieferbaren Unterrichtsmaterialien.<br />

an: Franzis-Druck, Postfach 150740, 80045 München.<br />

✂ --------------------------------------------------------------------<br />

Name:<br />

Straße:<br />

PLZ und Ort:<br />

Impressum<br />

Herausgegeben von der Bundeszentrale<br />

für politische Bildung, 53111 Bonn,<br />

Berliner Freiheit 7<br />

www.bpb.de<br />

Manuskript:<br />

Prof. i.R. Gerhart Maier, Esslingen und<br />

Bruno Zandonella, Stuttgart<br />

Redaktion:<br />

Iris Möckel (verantw.)<br />

Titelbild:<br />

Foto: Photopool, Lisa: ZAMAS.<br />

Graphische Gestaltung:<br />

Werbeagentur Rechl, Wanfried-Aue.<br />

Druck:<br />

Mitteldeutsche Druckanstalt, Heidenau.<br />

Zu diesem Lehrerheft gehört ein<br />

Arbeitsheft, das Sie bestellen können bei:<br />

infoservice@franzis-online.de<br />

Fax: 0 89 / 51 52 92 (siehe Kasten links)<br />

Der Text kann in <strong>Schule</strong>n zu<br />

Unterrichtszwecken vergütungsfrei<br />

vervielfältigt werden.<br />

Auflage des Arbeitsheftes:<br />

100.000 Exemplare<br />

Auflage des Lehrerheftes:<br />

30.000 Exemplare<br />

Redaktionsschluss: Januar 2001<br />

ISSN 0944-8349<br />

Hinweise der Redaktion<br />

Querverweise im folgenden Text:<br />

Die fettgedruckten Angaben in Klammern<br />

(z. B. C4) beziehen sich auf die<br />

Materialien im Arbeitsheft. Bestellmöglichkeit<br />

siehe links.<br />

Rechtschreibung:<br />

Wir haben bei Zitaten und Quellen<br />

Dritter die jeweilige Originalversion<br />

beibehalten. Das bedeutet, je nach Erscheinungsdatum<br />

finden Sie alte oder<br />

neue Rechtschreibung vor.<br />

Neu ab Dezember 2000<br />

Methoden-Kiste Bestell-Nr. 5.350<br />

Karteikarten mit Beschreibungen verschiedener<br />

methodischer Vorschläge<br />

für einen lebendigen (Politik-)Unterricht.<br />

Themenblätter im Unterricht<br />

Nr. 1: Menschliche Embryonen als Ersatzteillager?<br />

Bestell-Nr. 5.351<br />

Nr. 2: Die Öko-Steuer in der<br />

Diskussion. Bestell-Nr. 5.352<br />

Nr. 3: Was wissen Sie eigentlich vom<br />

Bundestag?/Was aus unserem<br />

Bundesstaat werden könnte und<br />

was nicht. Bestell-Nr. 5.353<br />

Zu bestellen bei Franzis (siehe links)


Einführung<br />

<strong>Sozialstaa</strong>t in der Krise<br />

1. Der <strong>Sozialstaa</strong>t ist unbestreitbar ins Gerede<br />

gekommen. Wissenschaftler, Politiker<br />

und Verbandsvertreter betonen,<br />

dass der deutsche <strong>Sozialstaa</strong>t reformbedürftig<br />

sei. Freilich ist die Kritik<br />

nicht neu: „Seit es ihn gibt, ist der <strong>Sozialstaa</strong>t<br />

umstritten, und zwar paradoxerweise<br />

nicht nur bei denjenigen, die<br />

zu seiner Finanzierung beitragen, ohne<br />

von den Leistungen zu profitieren, sondern<br />

auch bei vielen seiner Nutznießer“.<br />

(Butterwegge, Christoph: Wohlfahrtsstaat im<br />

Wandel, Opladen (Leske + Budrich) 1999,<br />

S.9).<br />

2. Zahlreiche Länder, deren Sozialwesen<br />

früher als beispielhaft galt, haben inzwischen<br />

ihre Sozialleistungen eingeschränkt<br />

oder befinden sich mitten im<br />

Umbau ihres sozialstaatlichen Systems.<br />

Das Ziel solcher Reformen ist<br />

es, den <strong>Sozialstaa</strong>t an die neuen ökonomischen<br />

Bedingungen anzupassen, ohne<br />

dessen bewährte Schutzfunktion für<br />

die sozial schwächeren Gruppen der<br />

Bevölkerung aufzugeben.<br />

3. Spätestens seit den achtziger Jahren hat<br />

die Diskussion über die Krise des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

auch Deutschland erfasst -<br />

verstärkt seit 1990, als hohe Belastungen<br />

der Sozialversicherungen und des<br />

Staatshaushaltes durch die Wiedervereinigung<br />

hinzugekommen sind. (vgl.<br />

Baustein E) Erweist sich also der<br />

deutsche <strong>Sozialstaa</strong>t als eine „Schönwettereinrichtung“,<br />

die in Krisen nicht<br />

funktionsfähig ist? „Deutschland wird<br />

um eine grundsätzliche Debatte über<br />

die zukünftige Ordnung des <strong>Sozialstaa</strong>ts<br />

nicht herumkommen. Jeder Versuch,<br />

diese Debatte zu verhindern [...]<br />

wird die externen Schocks, die auf die<br />

Bundesrepublik durchschlagen, verstärken<br />

und uns immer weniger in den<br />

Stand versetzen, eine zukunftsfähige<br />

Antwort auf die Veränderungen in der<br />

Welt um uns herum zu formulieren.“<br />

(Rüdiger von Voss; in: Bundesverband deutscher<br />

Banken (Hg.): Dem Land Richtung geben,<br />

Köln 1999, S. 39).<br />

4. Die Kritik am traditionellen <strong>Sozialstaa</strong>t<br />

hat vier Stoßrichtungen:<br />

a) Der <strong>Sozialstaa</strong>t sei nicht länger finanzierbar:<br />

„Der <strong>Sozialstaa</strong>t ist zum<br />

Kostentreiber geworden [...] Das<br />

verteuert die Arbeit durch dauernd<br />

steigende Sozialbeiträge. Die daraus<br />

folgende Arbeitslosigkeit belastet<br />

und entwertet die sozialen Sicherungseinrichtungen“<br />

(Hans D. Barbier; in: Frankfurter Allgemeine<br />

Zeitung vom 8. August 1996, S. 1). (vgl. E 3).<br />

b) Der <strong>Sozialstaa</strong>t helfe nicht hinreichend<br />

den tatsächlich Bedürftigen<br />

(Stichwort: „neue Armut“). „Der<br />

Staat ist ein einziger Verschiebebahnhof,<br />

aber von Jahr zu Jahr ist<br />

das Vermögen ungleichmäßiger verteilt“.<br />

(Roger de Weck; in: DIE ZEIT vom 17. Oktober<br />

1997, S. 1).<br />

c) Der <strong>Sozialstaa</strong>t ersticke Eigenverantwortung,<br />

Eigenvorsorge und eigene<br />

Initiativen. Kritisiert wird, dass<br />

sich durch staatliche Bevormundung<br />

und „Rundumversicherung“ eine<br />

„Vollkaskomentalität“ herausgebildet<br />

habe.<br />

d) Schließlich wird auf die Gefahr hingewiesen,<br />

dass durch überzogene<br />

Eingriffe in das Marktgeschehen<br />

und eine Überbetonung des Faktors<br />

„sozial“ die „Soziale Marktwirtschaft“<br />

beschädigt werden könne.<br />

5. Die Gründe der Krise sind vielfältig:<br />

a) Interne Mängel des <strong>Sozialstaa</strong>tes:<br />

- permanente Kostensteigerung<br />

- Überforderung der sozialen Sicherungssysteme<br />

und des Staatshaushaltes<br />

- Lebensstandardwahrung<br />

- Versorgungsmentalität<br />

- Mitnahmeeffekte (Korrumpierung)<br />

- Verschärfung des Gefälles zwischen<br />

Reich und Arm<br />

- Entstehung eines neuen Subproletariats<br />

(Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende<br />

und andere Marginalisierte)<br />

- Umverteilung von unten nach oben<br />

- aufgeblähter Apparat (Bürokratie)<br />

b) Externe Einflüsse:<br />

-Wertewandel in der Gesellschaft<br />

- Individualisierung und Entsolidarisierung<br />

- Globalisierung<br />

- Wandel der Arbeitswelt<br />

- demografische Veränderungen<br />

- größere Nachfrage nach Arbeitsplätzen<br />

(höhere Beschäftigungsquote)<br />

- hohe Staatsverschuldung)<br />

- Produktivitätszuwächse<br />

- Marktsättigung<br />

- Vereinigungsfolgen („Erblast“ und<br />

Transformationsprozess).<br />

6. Im Unterricht ist die Darstellung aller<br />

Bereiche und Probleme des <strong>Sozialstaa</strong>ts<br />

unzweckmäßig und aus Zeitgründen<br />

auch nicht realisierbar. Sinnvoll<br />

ist vielmehr ein exemplarisches<br />

Vorgehen; für das Schülerheft wurden<br />

deshalb die zentralen Problembereiche<br />

Arbeitsmarktpolitik, Sozialhilfe und<br />

Rentenreform (Baustein B, C und D)<br />

ausgewählt. An diesen Beispielen können<br />

sowohl die Funktionen des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

als auch die wachsenden Probleme<br />

und Herausforderrungen hinreichend<br />

dargestellt werden. Die thematisierten<br />

Bereiche sind auch im Hinblick<br />

auf die Prinzipien des <strong>Sozialstaa</strong>ts -<br />

Sozialversicherung, staatliche Fürsorge<br />

und gesellschaftliche Solidarität - exemplarisch.<br />

Bei den Lösungsvorschlägen und den<br />

Reformansätzen haben sich Redaktion<br />

und Autoren ebenfalls auf eine Auswahl<br />

beschränkt; der gründlichen Analyse<br />

einiger ausgewählter Vorschläge<br />

und ihrer möglichen Folgen für die<br />

Gesellschaft ist zweifellos der Vorzug<br />

gegenüber einer bloß oberflächlichen<br />

Diskussion möglichst vieler Ansätze<br />

zu geben.<br />

7. Andererseits erschien es unumgänglich,<br />

wenigstens Grundinformationen in einigen<br />

Bereichen der Sozialpolitik auch<br />

in einem Heft, das sich schwerpunktmäßig<br />

mit der Krise des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

und den Vorschlägen zu seiner Reform<br />

auseinandersetzt, anzubieten. Nur aus<br />

der Kenntnis des bestehenden sozialen<br />

Sicherungssystems und aus der Auseinandersetzung<br />

mit diesem können<br />

Probleme des <strong>Sozialstaa</strong>tes erkannt<br />

und Reformvorschläge kritisch analysiert<br />

und bewertet werden.<br />

8. Auf folgende Aspekte und Themenkreise<br />

musste aus Platzgründen und wegen<br />

der erforderlichen Reduktion des umfangreichen<br />

Themas für die Belange<br />

des Unterrichts verzichtet werden:<br />

- Europäische Sozialpolitik<br />

- Sozialpolitik im weiteren Sinne (Bildung,<br />

Familie, Jugend)<br />

- unterschiedliche Positionen der politischen<br />

Parteien zum Umbau des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

- Zielsetzungen und Einfluss der Verbände<br />

- Steuerpolitik („Umverteilung“) u.a.<br />

„Umbau“, nicht „Abbau“<br />

1. Die Leistungen des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

sind unbestritten; seine Erfolgsgeschichte<br />

währt inzwischen über 100 Jahre; er hat<br />

die beiden Weltkriege und mehrere Regimewechsel<br />

relativ unbeschädigt überdauert<br />

und wurde nach 1945 sogar in bemerkenswertem<br />

Umfang ausgebaut und zum<br />

Kernelement der Sozialen Marktwirtschaft.<br />

Der Weg des deutschen <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

von der Armenfürsorge zum Garanten<br />

der sozialen Sicherheit ist beispiellos.<br />

Deutschland wurde für viele andere Staaten<br />

wegen seines Sozialsystems zum<br />

Vorbild. „Der Wohlfahrtsstaat ist die bisher<br />

letzte große kulturelle Leistung der<br />

(West-)Europäer. Wer ihn untergehen<br />

ließe, der würde massenpsychologisch die<br />

politischen Grundlagen der Demokratie<br />

gefährden“.<br />

(Helmut Schmidt; in: DIE ZEIT vom 30. März<br />

2000, S.8).<br />

3


2. Folgende Wesensmerkmale des deutschen<br />

<strong>Sozialstaa</strong>tes verdienen eine besondere<br />

Hervorhebung<br />

- Konsensgesellschaft („innerer Frieden“);<br />

Stabilitäts-Anker <strong>Sozialstaa</strong>t;<br />

Solidargemeinschaft<br />

- Korrelation zwischen Demokratie<br />

und <strong>Sozialstaa</strong>t<br />

- soziale Teilhabe: Anspruch des Einzelnen<br />

auf soziale Leistungen<br />

- Sicherung eines Existenzminimums:<br />

Verhinderung unerträglicher Armut<br />

- Verhinderung von „Armutskriminalität“<br />

(anders: USA, Russland).<br />

3. Deshalb dürfen ökonomische „Sachzwänge“<br />

nicht als alleinige Richtschnur<br />

für den Umbau des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

herausgestellt werden. Vielmehr<br />

sind sozialer Frieden und gesellschaftliche<br />

Stabilität als wichtige Faktoren in<br />

der Standortdiskussion - und als Leistungen<br />

des <strong>Sozialstaa</strong>tes - im Unterricht<br />

zu betonen. „Es geht nicht um einen<br />

schlanken Staat generell, sondern<br />

um einen besseren Staat, der zudem eine<br />

soziale Grundsicherung und soziale<br />

Teilhabe sichert“<br />

(Heinze, Rolf G. u.a.: Vom Wohlfahrtsstaat<br />

zum Wettbewerbsstaat, Opladen (Leske + Budrich)<br />

1999, S.215).<br />

„Ohne Sicherheit ist Flexibilisierung<br />

eine Strategie, die ihre eigenen Potenzen<br />

nicht ausschöpft und die Gesellschaft<br />

weiter spaltet. Viele Neoliberale<br />

haben immer noch nicht begriffen,<br />

dass vor allem der Wohlfahrtsstaat das<br />

Fundament für intelligente Deregulierung<br />

schafft. Gerade dort liegen im<br />

übrigen auch die Chancen europäischer<br />

Länder, einen erfolgreicheren<br />

Politik und Unterricht 1991/4, S.24.<br />

4<br />

und stabileren Modernisierungspfad<br />

einzuschlagen als die USA“<br />

(Heinze, Rolf G. u.a.: Vom Wohlfahrtsstaat<br />

zum Wettbewerbsstaat, Opladen (Leske + Budrich)<br />

1999, S.217).<br />

Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik<br />

haben also den Strukturwandel so zu<br />

gestalten, dass die zukünftige Gesellschaft<br />

nicht in Arm und Reich gespalten<br />

wird; ihr Leitbild muss vielmehr<br />

im Sinne der sozialen Marktwirtschaft<br />

eine Gesellschaft des „Wohlstands für<br />

alle“ sein.<br />

4. Andererseits gilt: Mannigfaltige Herausforderungen<br />

des <strong>Sozialstaa</strong>ts und<br />

seiner Sicherungssysteme, die offensichtliche<br />

Krise des <strong>Sozialstaa</strong>ts zeigen,<br />

dass Handlungsbedarf besteht; die<br />

bloße Fortsetzung der tradierten Sozialpolitik<br />

führt in die Sackgasse. Die<br />

Reform des <strong>Sozialstaa</strong>tes muss alle seine<br />

Aspekte auf den Prüfstand stellen,<br />

und der Umbau erfordert auch den<br />

Verzicht auf viele Besitzstände.<br />

5. Es kann nicht die Aufgabe des Politikunterrichts<br />

im besonderen und der<br />

<strong>Schule</strong> im allgemeinen sein, einer Aufkündigung<br />

des Solidarpakts in unserem<br />

Gemeinwesen das Wort zu reden<br />

und einseitig für einen radikalen Neoliberalismus<br />

die Werbetrommel zu<br />

rühren. Es ist vielmehr notwendig,<br />

dass im Unterricht die Gefahren einer<br />

entsolidarisierten Gesellschaft und des<br />

Verzichts auf soziale Gerechtigkeit<br />

aufgezeigt werden.<br />

„In wohlhabenden und immer noch<br />

reicher werdenden Volkswirtschaften ist<br />

es eine Frage der Menschenwürde und<br />

Menschenrechte, also auch ein verfas-<br />

sungsrechtliches Problem, ob der arbeitsteilig<br />

produzierte Reichtum nicht immer<br />

ungleicher verteilt wird, sondern Teile der<br />

Gesellschaft auf ein menschenunwürdiges<br />

sozialökonomisches Niveau heruntergestoßen<br />

werden ..... Wenn in einer wohlhabenden<br />

Volkswirtschaft aufgrund unzulänglicher<br />

Arbeitseinkommen soziale<br />

Armut entsteht, gar noch parallel zum gesamtwirtschaftlichen<br />

Wachstum zunimmt...,<br />

so mag das zwar als beschäftigungspolitischer<br />

„Erfolg“ gelobt werden,<br />

signalisiert aber zugleich den Rückfall in<br />

vorsozialstaatliche Konstellationen“.<br />

(Karl <strong>Georg</strong> Zinn; in: Aus Politik und Zeitgeschichte<br />

B 14-15/99 vom 2. April 1999, S.6 und<br />

S.11).<br />

Freilich darf dabei die Realität einer<br />

fortschreitenden Individualisierung und<br />

eines zunehmenden Verlusts an Solidarität<br />

nicht vertuscht werden; diese Entwicklungen<br />

müssen vielmehr Gegenstand<br />

des Unterrichts sein und auf ihre möglichen<br />

Konsequenzen hin befragt werden.<br />

Die Aufgabe der <strong>Schule</strong><br />

1. Theoretische und abstrakte Wissensvermittlung<br />

über die Errungenschaften<br />

des <strong>Sozialstaa</strong>tes sind zu vermeiden.<br />

Der Unterricht muss vielmehr von den<br />

Schülerinnen und Schülern ausgehen.<br />

Die Jugendlichen sind in mehrfacher<br />

Hinsicht von dem Wandlungsprozess,<br />

in welchem sich die soziale Ordnung<br />

in Deutschland befindet, betroffen:<br />

● Sie und ihre Familien sind in das bestehende<br />

soziale Netz eingebettet; sie<br />

nehmen - ohne dass ihnen das in jedem<br />

Fall bewusst wird - ständig Leistungen<br />

des <strong>Sozialstaa</strong>tes entgegen (Kindergeld,<br />

Fahrpreisermäßigungen, Lehrmittelfreiheit,<br />

Regelungen des Jugendschutzes<br />

usw.; vgl. Baustein A)<br />

● Auch Jugendliche haben Erfahrungen<br />

mit der Beschäftigungskrise und dem<br />

Wandel der Arbeitswelt sowie mit der<br />

Aushöhlung von Normalarbeitsverhältnissen<br />

und den Auswirkungen der Globalisierung.<br />

Bei Befragungen wird der<br />

hohe Stellenwert, den ein hinreichendes<br />

Lehrstellenangebot und ein gesicherter<br />

Arbeitsplatz in ihrer Werteskala<br />

einnehmen, immer wieder deutlich.<br />

● Sozialpolitische Reformen, welche<br />

darauf abzielen, die Funktionsfähigkeit<br />

des <strong>Sozialstaa</strong>tes zu erhalten und auszubauen,<br />

haben unmittelbare Auswirkungen<br />

auf die zukünftige Lebenswelt<br />

der Schülerinnen und Schüler. Deshalb<br />

müssen bei der unterrichtlichen Beschäftigung<br />

mit dem <strong>Sozialstaa</strong>t vor allem<br />

Themen wie das Generationenproblem<br />

bei der Rentenversicherung, die<br />

Finanzierung des Gesundheitswesens


und Maßnahmen zu einer aktiven und<br />

aktivierenden Arbeitsmarktpolitik<br />

erörtert werden.<br />

● Schließlich dürfen auch die Forderung<br />

der Jugendlichen nach sozialer Gerechtigkeit<br />

und ihre Bereitschaft zum<br />

sozialen Engagement nicht unterschätzt<br />

werden, wenn es um den Umbau<br />

des <strong>Sozialstaa</strong>tes geht. Erfahrungsgemäß<br />

interessieren sie sich sehr für<br />

die Gestaltung einer „Bürgergesellschaft“<br />

und Tätigkeiten, bei welchen<br />

sie soziale Kompetenz erwerben können.<br />

(vgl. Baustein E)<br />

2. Der Unterricht soll zunächst und vor allem<br />

Kenntnisse hinsichtlich der Bedeutung<br />

und der Funktionen des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

vermitteln. „Unter funktionalen<br />

Gesichtspunkten lassen sich vier<br />

grundlegende Aufgaben des modernen<br />

Wohlfahrtsstaates identifizieren:<br />

● die Schutzfunktion (durch kollektive<br />

Sicherung gegen die Risiken der Industriegesellschaft),<br />

● die Verteilungs- und Umverteilungsfunktion<br />

(durch Eingriffe etwa in die<br />

Primäreinkommen),<br />

● die Produktivitätsfunktion (durch Erhaltung<br />

und Förderung des Faktors Arbeit)<br />

sowie<br />

● die gesellschaftspolitische Funktion<br />

(durch Integration und Legitimation).“<br />

(Heinze, Rolf G. u.a.: Vom Wohlfahrtsstaat<br />

zum Wettbewerbsstaat, Opladen (Leske + Budrich)<br />

1999, S. 15.)<br />

Christoph Butterwegge nennt drei wesentliche<br />

Aspekte von <strong>Sozialstaa</strong>tlichkeit:<br />

„1.ein Höchstmaß an sozialer Sicherheit<br />

für alle Gesellschaftsmitglieder ...;<br />

2. ein Mindestmaß an sozialer Gerechtigkeit<br />

(im Sinne von Bedarfs- und Leistungsgerechtigkeit),<br />

3. das Streben nach sozialer Gleichheit<br />

(Ausgleich der Einkommens- und Vermögensunterschiede).<br />

Die geforderte Nivellierung bestehender<br />

Unterschiede bedeutet nicht Überkompensation,<br />

sondern die Vermeidung einer<br />

Spaltung der Gesellschaft in Arm und<br />

Reich mit den daraus fast zwangsläufig erwachsenden<br />

Problemen wie zunehmende<br />

Perspektivlosigkeit der Jugend, (Gewalt)<br />

Kriminalität, Verwahrlosung, Sittenverfall,<br />

Steigen der Suizidquote, weiter um sich<br />

greifender Drogensucht usw.“<br />

(Butterwegge, Christoph: Wohlfahrtsstaat im<br />

Wandel, Opladen (Leske + Budrich) 1999,<br />

S.15.)<br />

4. Die Schülerinnen und Schüler müssen<br />

die aktuellen Herausforderungen des<br />

<strong>Sozialstaa</strong>tes beschreiben und gewichten<br />

können und den Reformbedarf<br />

erkennen. Im Vordergrund stehen<br />

dabei der Wandel der Bevölkerungs-<br />

struktur, das veränderte Wertesystem<br />

(Tendenz zur Entsolidarisierung, Auflösung<br />

traditioneller Bindungen,<br />

Emanzipationsprozesse) und die durch<br />

die Europäisierung und die Globalisierung<br />

bedingte Veränderungen ökonomischer<br />

und gesellschaftlicher Strukturen.<br />

5. Schließlich müssen Reformvorschläge<br />

im Unterricht kritisch analysiert werden;<br />

das Pro und Contra zu einzelnen<br />

Vorschlägen ist zu erarbeiten. Dabei<br />

sollen die Schülerinnen und Schüler<br />

die Standortgebundenheit der Reformansätze<br />

identifizieren. „Häufig bleiben<br />

die hinter (...) Vorschlägen zum reformerischen<br />

Um- bzw. Abbau des Wohlfahrtsstaates<br />

verborgenen Interessen<br />

sehr (einfluss)reicher Gesellschaftsgruppen<br />

unerwähnt, obwohl sie erklären<br />

könnten, warum das Soziale<br />

verstärkt unter Druck gerät“.<br />

(Butterwegge, Christoph: Wohlfahrtsstaat im<br />

Wandel, Opladen (Leske + Budrich) 1999, S.9)<br />

6. Die Schülerinnen und Schüler müssen<br />

befähigt werden, einseitige und monokausale<br />

Erklärungen für die Krise des<br />

<strong>Sozialstaa</strong>tes und allzu einfache oder<br />

realitätsferne Konzepte für die Lösung<br />

dieser Krise zu durchschauen und<br />

zurück zu weisen. Eindimensionale<br />

Ursachenbeschreibungen und Lösungsansätze<br />

taugen nicht für das Verständnis<br />

der aktuellen Herausforderungen<br />

des <strong>Sozialstaa</strong>ts und seiner Sicherungssysteme;<br />

sie verstellen vielmehr<br />

die Möglichkeit einer angemessenen<br />

Beurteilung durch die Schülerinnen<br />

und Schüler. „Holzschnittartige Abbilder<br />

dieser Welt geben die Realität<br />

nicht wieder“.<br />

(Wolfgang Roth; in Süddeutsche Zeitung vom<br />

24. Dezember 1999, S.4)<br />

Insbesondere ist davor zu warnen, die<br />

Höhe der Lohn- und Lohnnebenkosten<br />

vorrangig für die aktuellen Probleme des<br />

<strong>Sozialstaa</strong>tes verantwortlich zu machen.<br />

Zahlreiche Autoren weisen darauf hin,<br />

dass gerade die Personalkosten eher<br />

zweitrangig seien und andere Ursachen<br />

stärker zu gewichten seien; hier sind<br />

zunächst die Folgen der Globalisierung,<br />

die fortschreitende Rationalisierung im<br />

Produktions- und Dienstleistungsbereich<br />

mit ihren Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation<br />

sowie der gesellschaftliche<br />

Desintegrationsprozess und der Wertewandel<br />

in der Gesellschaft - Individualisierung,<br />

Funktionsverlust der Familie und<br />

Entsolidarisierungsprozesse - zu nennen.<br />

Der deutsche <strong>Sozialstaa</strong>t leidet zudem unter<br />

den Auswirkungen der Wiedervereinigung,<br />

dem von Politik und Wirtschaftsverbänden<br />

zu verantwortendem Reformstau<br />

in den vergangen Jahren und einem<br />

hohen Maß an Reglementierung und<br />

Bürokratisierung.<br />

Für die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik<br />

ist besonders die Bedeutung der Globalisierung<br />

hervorzuheben. Im Wettlauf<br />

um die günstigsten Standortbedingungen<br />

für multinationale Konzerne verlieren die<br />

Nationalstaaten ihre sozialpolitische Souveränität,<br />

weil die Sozialpolitik zu einer<br />

Typen des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

Der liberale oder angelsächsische <strong>Sozialstaa</strong>tstypus beinhaltet einen vergleichsweise<br />

geringen Grad an arbeitsmarktpolitischen Regulierungen. Zugleich kombiniert<br />

er vergleichsweise niedrige Leistungsniveaus in den staatlichen Sicherungssystemen<br />

mit umfangreichen Fürsorgeleistungen und großer Verarbeitung individueller Bedürftigkeitsprüfungen.<br />

Soziale Sicherung ist damit nahezu ausschließlich auf den<br />

Schutz vor Armut beschränkt, während weitergehende Sicherungsbedürfnisse an den<br />

freien Markt verwiesen sind. Der sozialdemokratische oder skandinavische <strong>Sozialstaa</strong>ttypus<br />

umfasst universalistisch ausgerichtete, primär steuerfinanzierte Sicherungssysteme<br />

mit hohem Sicherungsniveau, bei denen das Ziel der Armutsbekämpfung<br />

mit dem der Lebensstandardsicherung verknüpft ist. Der hohe Stellenwert des<br />

Ziels einer Integration in den Arbeitsmarkt verbindet weitgehende Sicherungsrechte<br />

mit entsprechenden Pflichten zur Teilnahme am Beschäftigungssystem.<br />

Der konservative oder kontinentaleuropäische Sozial- bzw. Wohlfahrtsstaat, dem<br />

auch die Bundesrepublik zuzurechnen ist, weist ebenfalls ein hohes Leistungsniveau<br />

sozialer Sicherung auf und verbindet das Ziel der Lebensstandardsicherung gleichermaßen<br />

mit dem der Armutsverhinderung. Dabei bilden lohnarbeitszentrierte und beitragsfinanzierte<br />

Sozialversicherungssysteme den Kernbereich sozialer Sicherung.<br />

Diese werden ergänzt durch weitgehende Regulierungen des Arbeitsmarkts durch<br />

den Staat und die Sozialpartner. Wenn heute [...] über die Zukunft des <strong>Sozialstaa</strong>ts<br />

im Zeitalter der Globalisierung diskutiert wird, so steht zumeist die Frage im Vordergrund,<br />

ob und inwieweit die kontinentaleuropäische und/oder die skandinavische Variante<br />

von <strong>Sozialstaa</strong>tlichkeit unter den veränderten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

noch eine Zukunft hat; demgegenüber steht die Vereinbarkeit des angelsächsischen<br />

Modells mit einer globalisierten Wirtschaft in der Regel außer Frage.<br />

Hanesch, Walter: Der <strong>Sozialstaa</strong>t in der Globalisierung; in: Aus Politik und Zeitgeschichte,<br />

B 49/99 vom 3. Dezember 1999, S.3f.<br />

5


Funktion der dem globalen Wettbewerb<br />

ausgesetzten Kostenkalkulation wird.<br />

(vgl. Heinze, Rolf G.u.a. (1999), S.42)<br />

Den Schülerinnen und Schülern ist die<br />

Einsicht in die Notwendigkeit des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

zu vermitteln. <strong>Sozialstaa</strong>t und Sozialpolitik<br />

dürfen nicht zu einer Funktion,<br />

einem störenden Anhängsel der Standortfrage<br />

und der wirtschaftlichen Effizienz<br />

degenerieren. Vielmehr muss die Eigenständigkeit<br />

des Sozialen im politischen<br />

Entscheidungsprozess herausgestellt werden:<br />

Der Unterricht muss zeigen, dass <strong>Sozialstaa</strong>tlichkeit<br />

das unverzichtbare Fundament<br />

einer humanen, demokratischen<br />

und stabilen Gesellschaft bildet.<br />

Hinweise zum Einsatz des<br />

Heftes<br />

1. Dem Aufbau des Schülerheftes liegt<br />

folgende Konzeption zugrunde:<br />

Im Baustein A gewinnen die Schülerinnen<br />

und Schüler einen einführenden<br />

Überblick über den Unterrichtsgegenstand:<br />

Sie können sich anhand der angebotenen<br />

Materialien über Funktion,<br />

Wirkungsweise und Geschichte des<br />

<strong>Sozialstaa</strong>tes informieren. Bereits hier<br />

finden sie aber auch Hinweise auf aktuelle<br />

Herausforderungen des <strong>Sozialstaa</strong>tes,<br />

weil auf diese Weise am ehesten<br />

das Interesse am Thema des Heftes<br />

geweckt werden kann. Die abschließende<br />

Analyse und Diskussion<br />

der Lösungsansätze bleibt jedoch dem<br />

letzten Baustein vorbehalten, weil dazu<br />

die ausführliche Beschäftigung mit den<br />

in den mittleren Bausteinen dargestellten<br />

Teilaspekten der sozialen Ordnung<br />

vorausgesetzt werden muss.<br />

Die Bausteine B-D vertiefen exemplarisch<br />

einzelne Teilbereiche der Sozialpolitik,<br />

und zwar Arbeitsmarktpolitik,<br />

Rentenproblematik und Sozialhilfe. Jeder<br />

dieser Bausteine enthält Grundinformationen,<br />

eine Beschreibung der<br />

Krise und deren Ursachen sowie Lö-<br />

6<br />

sungsvorschläge für den jeweils gewählten<br />

Aspekt.<br />

Im abschließenden Baustein E werden<br />

die allgemeinen Strukturprobleme zusammengefasst<br />

und Wege aus der Krise<br />

des <strong>Sozialstaa</strong>tes zur Diskussion gestellt.<br />

Hier ist wie in allen Teilen<br />

des Heftes die Beschränkung auf das<br />

„Exemplarische“ leitendes Prinzip.<br />

(s.S. 3)<br />

Überschneidungen waren bei dieser<br />

Konzeption nicht gänzlich zu vermeiden;<br />

sie lassen sich jedoch produktiv<br />

verwerten, indem man die bereits zuvor<br />

erarbeiteten Informationen vertieft<br />

und das Problembewusstsein fortschreitend<br />

intensiviert.<br />

2. Die Bausteine sind in sich geschlossen.<br />

Falls keine Unterrichtseinheit vorgesehen<br />

ist, in welcher man den <strong>Sozialstaa</strong>t<br />

in der hier vorgeschlagenen Ausführlichkeit<br />

thematisiert und die fünf Bausteine<br />

in der vorgeschlagenen Reihenfolge<br />

behandelt werden, ist es möglich,<br />

einzelne Bausteine in anderem Unterrichtszusammenhang<br />

aufzugreifen.<br />

3. Jeder Baustein beginnt mit einer Auftaktseite;<br />

hier setzt sich die fiktive Familie<br />

Schulze mit Fragen des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

auseinander; dadurch soll eine<br />

altersgemäße Einführung und Präsentation<br />

der Problematik gewährleistet<br />

werden. Die unterrichtliche Beschäftigung<br />

mit den Aussagen und der Situation<br />

der fünf Familienmitglieder kann<br />

die Schülerinen und Schüler zur Diskussion<br />

und zum Sammeln weiterführender<br />

Fragen anregen.<br />

4. Aktivmedien werden von Schülerinnen<br />

und Schülern erfahrungsgemäß gern<br />

bearbeitet. Sie eignen sich zur Bildung<br />

einer eigenen Stellungnahme; der Vergleich<br />

der Ergebnisse der individuellen<br />

Eintragungen führt in der Regel zu einem<br />

lebhaften Unterrichtsgespräch.<br />

(vgl. A3, B9, S. 24, C6, S. 32, C23,<br />

D9, S.49, E1)<br />

5. Am Schluss eines jeden Bausteins findet<br />

man im Schülerheft eine Übung,<br />

welche zur Ergebnissicherung und zur<br />

Auseinandersetzung mit dem jeweiligen<br />

Inhalt anregen soll. (s.S. 5)<br />

6. Um die Aktualität zu verstärken, wird<br />

empfohlen, während der Behandlung<br />

des <strong>Sozialstaa</strong>tes die Schülerinnen und<br />

Schüler Zeitungsmeldungen, Bilder<br />

und Karikaturen zum Thema sammeln<br />

zu lassen und damit eine Wandzeitung<br />

oder eine Dokumentationsmappe zu<br />

gestalten. Vor allem jedoch das Internet<br />

bietet Aktuelles an (siehe unten).<br />

7. Die Bausteine B, C und D kann man jeweils<br />

durch eine Schülergruppe bearbeiten<br />

lassen. Zur Integration der Ergebnisse<br />

der drei Gruppen empfiehlt<br />

sich folgende Systematik:<br />

- Leistungen des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

- Instrumente der Sozialpolitik<br />

- Probleme/Herausforderungen<br />

- Reformvorschläge<br />

- Stellungnahme der jeweiligen Gruppe.<br />

Baustein A und Baustein E wird man<br />

dagegen in jedem Fall gemeinsam bearbeiten.<br />

8. Dringend empfohlen wird die Einladung<br />

von Fachleuten und Politikern in<br />

den Unterricht. Sinnvoll ist auch die<br />

Begegnung mit Betroffenen: Arbeitslosen,<br />

Rentnern, Sozialhilfeempfängern<br />

und Unternehmern sowie der Besuch<br />

von Einrichtungen: Arbeitslosenorganisationen,<br />

Sozialamt, „Armentafel“,<br />

soziale Dienste.<br />

Aktuelle Informationen und Antworten<br />

auf Detailfragen liefert auch<br />

die Recherche im Internet. Hier nur einige,<br />

für das Thema <strong>Sozialstaa</strong>t wichtige<br />

Adressen:<br />

Bundesanstalt für Arbeit:<br />

www.arbeitsamt.de<br />

Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung:<br />

www.bma.de<br />

Bundesministerium für Familien, Senioren,<br />

Frauen und Jugend:<br />

www.bmfsfj.de<br />

Bundesministerium für Gesundheit:<br />

www.bmgesundheit.de<br />

Statistisches Bundesamt:<br />

www.statistik-bund.de<br />

(Über das Internetangebot von Wirtschaftsforschungsinstituten,<br />

Verbänden oder Parteien<br />

informiert Christiane Toyka-Seid, Martin<br />

Bründing: Internet-Wegweiser für die politische<br />

Bildung; hrsg. v. der BpB, Bonn 1999)


Baustein A<br />

Ohne <strong>Sozialstaa</strong>t<br />

geht es nicht<br />

Was heißt „<strong>Sozialstaa</strong>t“?<br />

„Daran, was Sozialpolitik eigentlich<br />

ist, scheiden sich seit jeher die<br />

Geister. Zwar sind die Versuche einer<br />

Definition längst Legion, aber nie so<br />

weit gediehen, dass die Wissenschaft<br />

hierüber einen Konsens hätte herbeiführen<br />

können.“<br />

Butterwegge, Christoph: Wohlfahrtsstaat<br />

im Wandel, Opladen 1999, S. 11f.<br />

„Mehr als zehn Jahre habe ich mich<br />

intensiv damit befasst, den Sinn des<br />

Begriffs „soziale Gerechtigkeit“ herauszufinden.<br />

Der Versuch ist gescheitert.“<br />

Friedrich August von Hayek<br />

(Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften);<br />

nach: DER SPIEGEL vom 5. Juli<br />

1999, S.72.<br />

„Welcher gesellschaftliche Sachverhalt<br />

als sozial unerwünscht gilt und<br />

sozialpolitisches Handeln notwendig<br />

macht, ist eine Frage, die je nach Gesellschaftssystem<br />

und Gruppenzugehörigkeit<br />

eine andere Antwort erfährt.“<br />

Dietmar Kath; in: Vahlens Kompendium<br />

der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik.<br />

Band 2, München 1992, S.407.<br />

„Als System des sozialen Ausgleichs<br />

zwischen den Starken und den<br />

Schwachen ist der <strong>Sozialstaa</strong>t per se<br />

Umverteilung. Nur in welchem Umfang,<br />

wer die Nutznießer und die Erbringer<br />

der Leistungen sind, das muss<br />

immer neu definiert werden.“<br />

Wolfgang Thierse (Bundestagspräsident;<br />

SPD); in: Vorwärts 1999/8, S.55.<br />

Eine verbindliche Definition für den<br />

<strong>Sozialstaa</strong>t gibt es nicht. Auch die Grenzziehung<br />

zwischen „<strong>Sozialstaa</strong>t“ und<br />

„Wohlfahrtsstaat“ ist fließend. Manche<br />

Autoren verwenden die Begriffe synonym,<br />

andere bezeichnen die Bundesrepublik<br />

Deutschland als einen Wohlfahrtsstaat und<br />

wollen damit zum Ausdruck bringen, dass<br />

die soziale Rundumversicherung längst<br />

über die eigentlichen Funktionen eines <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

hinausgewachsen sei.<br />

Definition für den <strong>Sozialstaa</strong>t sind<br />

standort- und interessengebunden; sie sind<br />

abhängig davon, wo man den <strong>Sozialstaa</strong>t<br />

Was heißt „<strong>Sozialstaa</strong>t“?<br />

- ein Definitionsversuch (vgl. A 1-4)<br />

Verfassungsauftrag „<strong>Sozialstaa</strong>tprinzip“<br />

Aufgaben des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

}<br />

Exkurs: Geschichte des deutschen<br />

<strong>Sozialstaa</strong>tes (vgl. A12-14)<br />

Der <strong>Sozialstaa</strong>t muss erhalten bleiben<br />

Umbau: Ja; Abbau: Nein (vgl. A15-19)<br />

im Spannungsverhältnis von individueller<br />

Freiheit und Eigenverantwortung einerseits<br />

und sozialer Absicherung eines jeden<br />

gegen soziale Risiken in allen Lebenslagen<br />

andererseits ansiedelt.“ Die beiden in<br />

der aktuellen Debatte um den <strong>Sozialstaa</strong>t<br />

dominierenden Grundsatzpositionen lassen<br />

sich letztlich auf die Alternative <strong>Sozialstaa</strong>t<br />

versus Markt oder persönliche<br />

Freiheit und Eigenverantwortung versus<br />

kollektive Sicherung und Solidarität<br />

zurückführen“.<br />

(Klaus Schroeder; in: Breit, Gotthard (Hrsg.):<br />

<strong>Sozialstaa</strong>tsprinzip und Demokratie, Schwalbach/Ts.<br />

1996, S.15f.)<br />

Die Behandlung des <strong>Sozialstaa</strong>ts in der<br />

<strong>Schule</strong> darf diesen Deutungsproblemen<br />

nicht ausweichen; die vorschnelle Festlegung<br />

auf ein bestimmtes Definitionsangebot<br />

widerspricht dem Stand der wissenschaftlichen<br />

Diskussion. Die Offenheit<br />

des <strong>Sozialstaa</strong>tsbegriffs ist nicht nur eine<br />

Herausforderung für den Unterricht, sondern<br />

auch eine große Chance: Die Schüle-<br />

Kosten + Leistungen<br />

des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

(vgl. A5-A11)<br />

rinnen und Schüler versuchen, ihren eigenen<br />

Standort zum Wesen des <strong>Sozialstaa</strong>ts<br />

zu formulieren.<br />

Eine engere Betrachtung des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

betont vorrangig die sozialen Sicherungssysteme,<br />

welche den Betroffenen<br />

in Notlagen, die aus Krankheit, Arbeitslosigkeit,<br />

Alter und Pflegebedürftigkeit entstanden<br />

sind, die erforderliche Hilfe gewähren;<br />

im weiteren Sinne gehören zum<br />

<strong>Sozialstaa</strong>t auch ordnungspolitische Elemente<br />

wie das Tarifsystem und die gesetzlichen<br />

Regelungen der Arbeitszeit sowie<br />

der Jugendschutz, Bildungsangebote<br />

und die Gleichstellung von Mann und<br />

Frau.<br />

Aus diesen Überlegungen ergibt sich<br />

die im ersten Baustein des Schülerheftes<br />

gewählte additive Charakterisierung des<br />

<strong>Sozialstaa</strong>ts; dieser wird als ein aus zahlreichen<br />

Elementen zusammengesetztes<br />

Gebilde vorgestellt und dadurch für die<br />

Adressaten transparent. (vgl. A1 - A5 und<br />

A19)<br />

7


8<br />

<strong>Sozialstaa</strong>t als Auftrag<br />

Freiheit und soziale Sicherheit sind ein Geschwisterpaar. Denn menschliche Geborgenheit<br />

ist ohne soziale Sicherheit ebensowenig denkbar wie ohne persönliche<br />

Freiheit. Der Mensch braucht beides... Soziale Sicherheit bedeutet frei sein von Not<br />

und gewährt damit ein großes Stück Freiheit. Freie Entfaltungsmöglichkeiten wiederum<br />

sind die Voraussetzung für soziale Sicherheit durch leistungsfähige Sozialsysteme.<br />

Beide bedingen einander. Das gilt auch für das Verhältnis von Wirtschafts- und<br />

Sozialpolitik: Eine gute Wirtschaftspolitik ist Grundlage aller Sozialleistungen. Eine<br />

gute Sozialpolitik ist Fundament wirtschaftlicher Stabilität durch sozialen Frieden ...<br />

Einerseits schuldet der <strong>Sozialstaa</strong>t jedem Bürger die Sicherung existentieller Lebensbedingungen.<br />

Diese Schuld ist andererseits immer mit dem Gebot verbunden,<br />

Voraussetzungen für die Entfaltung von Freiheit zu sichern. Ziel des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

kann folglich nicht der allumfassend versorgte und betreute Mensch sein. Im Gegenteil:<br />

Der Einzelne muss die Verantwortung für sich selbst und seine Freiheit zu eigenen<br />

Lebensentscheidungen behalten.<br />

Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.): Sozialrecht, Bonn 1998, S.27f.<br />

Zur Geschichte<br />

„Deutschland ist ein Pionier staatlicher<br />

Sozialpolitik“<br />

(Schmidt, Manfred u.a.: Sozialpolitik in<br />

Deutschland, Opladen 1998, S.23).<br />

Der heutige deutsche <strong>Sozialstaa</strong>t ist<br />

das Ergebnis einer langen Entwicklungsgeschichte.<br />

Mit Recht wird dabei die Bismarcksche<br />

Sozialgesetzgebung als ein<br />

richtungweisender Meilenstein angesehen.<br />

Sie enthielt bereits wichtige Prinzipien<br />

unseres heutigen staatlichen Sicherungssystems,<br />

insbesondere die Pflichtversicherung,<br />

die Beteiligung von Arbeitgebern<br />

und Arbeitnehmern an den Beiträgen,<br />

den Rechtsanspruch der Versicherten<br />

auf soziale Leistungen und die Selbstverwaltung.<br />

Die Geschichte der deutschen Sozialpolitik<br />

ist nicht nur durch die Expansion<br />

der sozialen Sicherung, sondern auch<br />

durch Einschränkungen und Einschnitte in<br />

das „soziale Netz“ gekennzeichnet: Am<br />

Ende der Weimarer Republik kam es zu<br />

weitreichenden Leistungsverkürzungen,<br />

und im Dritten Reich entzogen zahlreiche<br />

Ausnahmebestimmungen ganzen Bevölkerungsgruppen<br />

den sozialen Schutz<br />

durch die Gemeinschaft. Auch in jüngster<br />

Zeit blieben Eingriffe in die sozialen Sicherungssysteme<br />

nicht aus. „Während der<br />

beiden Wirtschaftskrisen 1974/96 bzw.<br />

1980/82 brach der Grundwiderspruch des<br />

bürgerlichen Wohlfahrtsstaates erstmals<br />

in aller Schärfe auf (...) In der politischen<br />

und Fachöffentlichkeit mehrten sich zur<br />

selben Zeit bereits die Kassandrarufe mit<br />

Blick auf angeblich erreichte oder überschrittene<br />

Grenzen des <strong>Sozialstaa</strong>tes (...)<br />

Folgerichtig führte die damalige Wirtschaftskrise<br />

zu einem Kurswechsel in der<br />

Sozialpolitik (...) Das Haushaltsstrukturgesetz<br />

1975 markiert eine historische Zäsur<br />

(...) Es begann eine Phase der Stagnation<br />

und Regression“.<br />

(Butterwegge; Christoph: Wohlfahrtsstaat im<br />

Wandel, Opladen 1999, S.39)<br />

Die unterrichtliche Auseinandersetzung<br />

mit dem <strong>Sozialstaa</strong>t und seinen Problemen<br />

darf dessen Geschichte nicht aussparen,<br />

weil die lange Tradition staatlicher<br />

Sozialpolitik im heutigen Sozialsystem<br />

relevant ist und das sozialstaatliche<br />

Denken und Handeln in Deutschland in<br />

einem solchen Maße geprägt hat, dass das<br />

Sozialwesen zu einem unverzichtbaren<br />

Bestandteil unserer politischen Kultur geworden<br />

ist. Jede Reformdiskussion muss<br />

diesem hohen Stellenwert des Sozialen in<br />

unserer Gesellschaft Rechnung tragen.<br />

Eingriffe in soziale Besitzstände und soziale<br />

Sicherungen sind nur in kleinen<br />

Schritten gerechtfertigt und bedürfen einer<br />

überzeugenden Begründung.<br />

„Tatsächlich ist es eine deutsche Besonderheit,<br />

gegenüber sozialen Ungleichheiten<br />

tendenziell skeptisch eingestellt zu<br />

sein und vom Staat ausgleichende Maßnahmen<br />

zu erwarten“.<br />

(Holger Lengfeld; in: Die Neue<br />

Gesellschaft/Frankfurter Hefte 1999/3, S.202).<br />

Auch wenn aus Platzgründen im<br />

Schülerheft nur ein Überblick über die<br />

Geschichte des <strong>Sozialstaa</strong>tes angeboten<br />

werden kann (A14; vgl. C2), ist doch eine<br />

vertiefte Auseinandersetzung mit seiner<br />

über hundertjährigen Tradition dringend<br />

zu empfehlen. Wo sich die Gelegenheit<br />

dazu anbietet, ist ein fächerverbindendes<br />

Unterrichtsprojekt mit dem Fach Geschichte<br />

zweckmäßig.<br />

Unverzichtbare Werte<br />

Der soziale Rechtsstaat deutscher Ausprägung<br />

verwirklicht in bester Weise die<br />

drei Werte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität.<br />

Diese sind der Kernbestand der<br />

unabänderlichen Wertordnung unseres<br />

Grundgesetzes. Sie verpflichten alle staatliche<br />

Gewalt und verschafften dem Einzelnen<br />

des Freiraum, den er zur Verwirklichung<br />

dieser Werte in seinem persönlichen<br />

Bereich benötigt. Diese Werte ste-<br />

hen zueinander in einem Spannungsverhältnis.<br />

Die Politik muss ausfechten, wie<br />

das Spannungsverhältnis zwischen diesen<br />

Werten zu lösen ist. Der Ausgleich ist oft<br />

schwierig. Denn ein Kennzeichen der gesellschaftlichen<br />

Situation in modernen Industriestaaten<br />

ist das Auseinanderfallen<br />

der Bevölkerung in Interessengruppen.<br />

Hier bildet die <strong>Sozialstaa</strong>tsverpflichtung<br />

einen Schutzwall für die Schwächeren<br />

und lässt den sozialen Rechtsstaat zu ihrer<br />

Interessenvertretung werden.<br />

Nach: Stützle, Hans: Das soziale Netz in<br />

Deutschland, München (Olzog Verlag) 1994,<br />

S.17.<br />

Didaktische und<br />

methodische Hinweise<br />

Bei der Auseinandersetzung mit den<br />

Materialien des Bausteins A sollen sich<br />

die Schülerinnen und Schüler die vielfältigen<br />

Aktivitäten des <strong>Sozialstaa</strong>tes bewusst<br />

machen und gleichzeitig die Notwendigkeit<br />

des Gleichgewichts zwischen individueller<br />

Entfaltungsfreiheit und sozialer<br />

Sicherheit verstehen. In einem auf Solidarität<br />

begründeten Gemeinwesen muss jeder<br />

den Anspruch auf soziale Sicherheit<br />

und wirkungsvolle Hilfe in persönlichen<br />

Notlagen haben; andererseits darf es in einer<br />

offenen Gesellschaft nicht Ziel und<br />

Aufgabe des <strong>Sozialstaa</strong>tes sein, die Menschen<br />

umfassend zu versorgen, zu betreuen<br />

und zu bevormunden. Denn „in dem<br />

Maße, in dem versucht wird, einen perfekten<br />

Wohlfahrtsstaat zu organisieren,<br />

werden die Bürger in eine Vollkasko-<br />

Mentalität entführt“.<br />

(Werner Müller, SPD, (Bundeswirtschaftsminister);<br />

in: DER SPIEGEL vom 11. Oktober<br />

1999, S.29).<br />

Es hat sich bewährt, die Schülerinnen<br />

und Schüler selbstständig eine - vorläufige<br />

- Definition für den <strong>Sozialstaa</strong>t finden<br />

zu lassen, die im weiteren Unterrichtsverlauf<br />

überprüft und gegebenenfalls modifiziert<br />

werden kann. Um hochgradig abstrakte<br />

Definitionsmodelle zu vermeiden,<br />

ist einer additiven Erklärung für den <strong>Sozialstaa</strong>tsbegriff<br />

der Vorrang zu geben. Als<br />

Ausgangspunkt für eine solche Definition<br />

eignen sich die Ergebnisblätter des Spiels<br />

der Familie Schulze (Schülerheft S. 4f.)<br />

sowie die Materialien A1 - A4. Indem<br />

man die gefundenen Elemente der sozialstaatlichen<br />

Ordnung geeigneten Überbegriffen<br />

zuordnen lässt, machen sich die<br />

Jugendlichen die jeweilige Bedeutung und<br />

Funktion dieser Maßnahmen klar.<br />

Soziale Sicherheit gibt es nicht umsonst!<br />

Der leistungsfähige <strong>Sozialstaa</strong>t ist<br />

eine teure Angelegenheit: Etwa ein Drittel<br />

des Bruttoinlandsprodukts der Bundesrepublik<br />

Deutschland wird jährlich für die<br />

verschiedenen sozialen Sicherungssyste-


me aufgewendet (E6; vgl. A8). Freilich<br />

wird der größte Teil davon durch die<br />

Leistungsempfänger selbst aufgebracht,<br />

indem diese Beiträge für die gesetzliche<br />

Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und<br />

Pflegeversicherung entrichten bzw. als<br />

Beamte Anwartschaften erwerben. Sozialhilfe<br />

oder Kinder- und Wohngeld sind daneben<br />

- verhältnismäßig (!) - kleine Ausgabenposten.<br />

Für eine effiziente Bearbeitung dieser<br />

Zahlen werden drei Arbeitsschritte empfohlen:<br />

1) eine Aufstellung der Ausgabenbereiche<br />

nach ihrer absoluten Größe,<br />

2) eine Zuordnung der Ausgabenblöcke<br />

zu den Bereichen „soziale Fürsorge“,<br />

„soziale Vorsorge“ und „Sozialversicherungen,<br />

3) die Berechnung der Beiträge, welche<br />

ein durchschnittlicher Arbeitnehmer in<br />

die gesetzlichen Versicherungen entrichten<br />

muss.<br />

Diese Arbeitsschritte eröffnen den Zugang<br />

zu wichtigen und aktuellen Problemen<br />

des <strong>Sozialstaa</strong>tes. Aus didaktischen<br />

Gründen ist es zweckmäßig, bereits in den<br />

Einführungsstunden auch diese Probleme<br />

unserer sozialen Ordnung zu thematisieren,<br />

weil die Schülerinnen und Schüler<br />

ohnehin in ihrem Alltag mit den Herausforderungen<br />

des <strong>Sozialstaa</strong>tes konfrontiert<br />

werden und weil die Reformdiskussion in<br />

der Regel einen nachhaltigen Motivationsschub<br />

bewirkt (vgl. A15-A18). Dabei<br />

muss freilich stets die enge Verflechtung<br />

zwischen dem <strong>Sozialstaa</strong>t und einer funktionsfähigen<br />

Wirtschaft betont werden<br />

(vgl. auch Baustein B), denn „die soziale<br />

Sicherheit darf nicht zerstört werden,<br />

Das Hauptbuch der Nation<br />

Bundeshaushalt 2001 (Soll)<br />

*Bundesanteil<br />

ebenso dürfen aber auch die Belastungen<br />

nicht die Chancen der Wirtschaft beschädigen“<br />

(Wilfried Herz; in: DIE ZEIT vom 28. Oktober<br />

1994, S.40).<br />

Schon jetzt kann ein Fragenkatalog erstellt<br />

werden, der die weitere Beschäftigung<br />

mit ausgewählten Aspekten des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

strukturiert:<br />

● Warum ist die Charakterisierung der<br />

Bundesrepublik Deutschland als „sozialer<br />

Bundesstaat“ in das Grundgesetz<br />

aufgenommen worden?<br />

● Welche Elemente des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

sind unverzichtbar?<br />

● Wo kann im Sozialwesen gespart werden?<br />

● Warum wird die Forderung nach einer<br />

Reform des <strong>Sozialstaa</strong>tes immer lauter<br />

und dringender?<br />

● Wie kann der <strong>Sozialstaa</strong>t ohne Nachteile<br />

für das gesellschaftliche Zusammenleben<br />

reformiert werden?<br />

usw.<br />

Beispiel eines „Lohnzettels“:<br />

Bei der Berechnung des Nettolohnes<br />

sollten die Schülerinnen und Schüler die<br />

signifikant hohen Kosten des deutschen<br />

Sozialverischerungssystems kennenlernen.<br />

Da die Prozentsätze für die Beiträge<br />

jährlich neu festgesetzt werden und etwaige<br />

zusätzliche Leistungen der Unternehmen<br />

in dieser Modellrechnung unberücksichtigt<br />

bleiben, handelt es sich lediglich<br />

um Annäherungswerte. Man wird nach<br />

der Berechnung der Abzüge vom Bruttolohn<br />

darauf hinweisen, dass die Arbeitgeber<br />

ebenfalls an den Beiträgen zu den gesetzlichen<br />

Sozialversicherungen beteiligt<br />

Einnahmen 477,0 Mrd. DM 477,0 Mrd. DM Ausgaben<br />

135,4 135,4 135,4<br />

169,6 169,6 169,6<br />

Lohn- und<br />

Einkommensteuer*<br />

Stromsteuer<br />

Umsatzsteuer*<br />

Körperschaftsteuer*<br />

Mineralölsteuer<br />

8,2 8,2 8,2<br />

135,4 135,4 135,4<br />

12,0 12,0 12,0<br />

Tabaksteuer<br />

Solidaritätszuschlag<br />

Versicherungsteuer<br />

Bundesbankgewinn<br />

Nettokreditaufnahme<br />

sonstiges sonstiges sonstiges<br />

(Zuweisungen (Zuweisungen (Zuweisungen abgerechnet)<br />

abgerechnet)<br />

abgerechnet)<br />

68,7 68,7 68,7<br />

23,4 23,4 23,4<br />

21,4 21,4 21,4<br />

14,3 14,3 14,3<br />

7,0 7,0 7,0<br />

43,7 43,7 43,7<br />

7,5 7,5 7,5<br />

17,4 17,4 17,4<br />

81,9 81,9 81,9<br />

16,0 16,0 16,0<br />

Arbeit u. Soziales<br />

48,6 48,6 48,6<br />

46,9 46,9 46,9<br />

27,2 27,2 27,2<br />

Versorgung<br />

Bundesschuld<br />

14,3 14,3 14,3<br />

11,0 11,0 11,0<br />

10,8 10,8 10,8<br />

33,3 33,3 33,3<br />

Bildung, Forschung<br />

Verkehr, Bau,<br />

Wohnungswesen<br />

Verteidigung<br />

Allg. Finanzverwaltung<br />

Wirtschaft, Technologie<br />

Ernährung, Landwirtschaft<br />

Familie, Senioren, Frauen,<br />

Jugend<br />

sonstiges<br />

werden, und zwar jeweils in der gleichen<br />

Höhe wie die Arbeitnehmer (Sonderfall:<br />

Pflegeversicherung *) ); Die Unfallversicherung<br />

wird gänzlich von den Unternehmen<br />

bestritten.<br />

Angenommener Bruttolohn 5.000,-<br />

./. Lohnsteuer (15%) 750,-<br />

./. Solidaritätsabgabe<br />

(5% von der Lohnsteuer) 37,50<br />

./. Rentenversicherung (9,65 %) 482,50<br />

./. Krankenversicherung (6,2 %) 337,50<br />

./. Arbeitslosenvers. (3,25 %) 162,50<br />

./. Pflegeversicherung (0,85 %) 1) 42,50<br />

Summe der Abzüge 1.812,50<br />

davon Sozialversicherung 1.025,-<br />

Nettolohn 3.177,50<br />

(alle Angaben in DM)<br />

*) Der Arbeitgeberanteil an der Pflegeversicherung<br />

(0,85 % des Bruttolohnes) wurde durch<br />

die Streichung eines Feiertages kompensiert.<br />

Wiederholen und Stellung<br />

nehmen:<br />

Die vorgeschlagene Übung soll nicht<br />

nur der eigenständigen Überprüfung des<br />

erworbenen Wissens dienen, sondern zu<br />

einer erneuten Reflexion über das Wesen<br />

und die Herausforderungen des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

anregen.<br />

Zum Arbeitsblatt: Folgende<br />

Kästchen sind anzukreuzen:<br />

1: b,c,d<br />

2: a<br />

3: b,c<br />

4: a, d<br />

5: b<br />

6: a,b,c.<br />

© Globus<br />

6804<br />

9


10<br />

Vorschlag für ein Tafelbild zu Baustein A<br />

Aufgaben des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

1. Herstellung der „sozialen Gerechtigkeit“<br />

Verteilungs- und Umverteilungsfunktion<br />

d. h. Eingriffe in das Einkommen und das Vermögen zugunsten<br />

sozial Benachteiligter<br />

Sicherung des Existenzminimums<br />

Chancengleichheit<br />

Ausgleich krasser sozialer Gegensätze<br />

z. B. Sozialhilfe<br />

Mietzuschüsse<br />

2. Absicherung gegen die Risiken<br />

der Industriegesellschaft<br />

Schutzfunktion<br />

z. B. Krankenversicherung<br />

Rentenversicherung<br />

Arbeitslosenversicherung<br />

Pflegeversicherung<br />

Unfallversicherung<br />

Probleme:<br />

● Erzeugung einer<br />

Anspruchs- und<br />

„Vollkasko“-Mentalität<br />

● Rundumversorgung<br />

statt Eigeninitiative<br />

4. Stabilisierung des demokratischen<br />

Gemeinwesens und Sicherung des<br />

sozialen Friedens<br />

Gesellschaftspolitische Funktion<br />

3. Förderung der Beschäftigung<br />

Produktivitätsfunktion<br />

z. B. Umschulung und Fortbildung<br />

Lohnzuschüsse („Kombilohn“)<br />

Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen<br />

BAFÖG<br />

Probleme:<br />

● hohe und ständig<br />

wachsende Kosten<br />

● Grenzen der<br />

Finanzierbarkeit


Baustein B<br />

Arbeitslosigkeit bedroht den<br />

<strong>Sozialstaa</strong>t<br />

„Massenarbeitslosigkeit ist eine Gefahr<br />

für den gesellschaftlichen Frieden.“<br />

Wilfried Herz; in: DIE ZEIT vom 4. Februar<br />

1994, S.1,<br />

„Die eigentliche Krise des westeuropäischen<br />

<strong>Sozialstaa</strong>tes liegt in einer<br />

Beschäftigungskrise, zu deren Lösung<br />

es bis heute keine überzeugende ökonomische<br />

und zugleich soziale Antwort<br />

gibt.“<br />

Joschka Fischer; zitiert nach: Heinze, Rolf<br />

G.u.a.: Vom Wohlfahrtsstaat zum Wettbewerbsstaat,<br />

Opladen 1999, S. 85.<br />

„Den Königsweg zu mehr Beschäftigung<br />

gibt es nicht. Man sollte ihn daher<br />

weder von Politikern noch von<br />

Verbandsfürsten einfordern.“<br />

Nikolaus Piper; in: DIE ZEIT vom 21. Februar<br />

1994, S.1.<br />

„Die gewohnten Bahnen der bisherigen<br />

Lohn- und Arbeitsmarktpolitik<br />

müssen verlassen werden, auch sind<br />

radikal andere Ansätze zu diskutieren.“<br />

Siebert, Horst: Geht den Deutschen die Arbeit<br />

aus?, München 1994, S.23.<br />

Der deutsche <strong>Sozialstaa</strong>t wird durch<br />

die Arbeitslosigkeit in doppelter Weise<br />

herausgefordert und bedroht - trotz des<br />

Rückgangs der Arbeitslosenquote in jünster<br />

Zeit:<br />

1. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten<br />

vom <strong>Sozialstaa</strong>t, dass er für Vollbeschäftigung<br />

eintritt und das kostbare<br />

Gut Arbeit gerecht verteilt. Die Höhe<br />

der Beschäftigung und die Beschäftigungsstruktur<br />

haben daher einen<br />

großen Einfluss auf die Stabilität unserer<br />

Gesellschaft. Die Legitimation von<br />

Demokratie und Marktwirtschaft gründet<br />

zu einem guten Teil auf der Bereitstellung<br />

und Sicherung von Arbeitsplätzen<br />

für möglichst viele.<br />

2. Bei hoher Arbeitslosigkeit steigt die<br />

Beanspruchung der sozialen Sicherungssysteme<br />

in einem Maße, welches<br />

deren Funktionsfähigkeit in Frage stellen<br />

kann, während gleichzeitig die diesen<br />

Sicherungssystemen zur Verfügung<br />

stehenden Mittel schrumpfen,<br />

weil Arbeitslose keine Beiträge entrichten.<br />

Die verbliebenen Arbeitsplatzbesitzer<br />

und ihre Arbeitgeber müssen<br />

infolgedessen immer mehr Arbeitslose<br />

durch ihre Beiträge zu den Sozialversicherungen<br />

und durch ihre Steuern ali-<br />

Arbeitslosigkeit – eine Herausforderung<br />

für den <strong>Sozialstaa</strong>t<br />

Ausmaß und Folgen der Arbeitslosigkeit<br />

passive<br />

Arbeitsmarktpolitik<br />

(vgl. B 10– 13)<br />

mentieren - dies verteuert die Arbeit<br />

und verstärkt die Neigung der Unternehmen,<br />

zu rationalisieren und Arbeitsplätze<br />

einzusparen. Der Verlust an<br />

Wohlstand, der in Deutschland durch<br />

die Arbeitslosigkeit derzeitig entsteht,<br />

wird auf 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts<br />

geschätzt. Die Ausgaben,<br />

welche durch Arbeitslosigkeit entstehen,<br />

weisen die höchste Zuwachsraten<br />

innerhalb des gesamten Sozialbudgets<br />

auf.<br />

(vgl. B1 – 3)<br />

Ursachen und Voraussetzungen<br />

von Arbeitslosigkeit<br />

– Phänomene<br />

– Qualifikationsdefizite<br />

– Veränderung der Beschäftigungsquote<br />

– Sockelarbeitslosigkeit<br />

– jobless growth<br />

(vgl. B 4– 9)<br />

Arbeitsmarktpolitik<br />

Kosten der<br />

Arbeitsmarktpolitik<br />

(vgl. B 14– 15)<br />

aktive<br />

Arbeitsmarktpolitik<br />

(vgl. B 16– 20)<br />

Arbeitsmarktpolitische Grundpositionen<br />

(vgl. B21)<br />

Ergebnisse einer Umfrage des Mannheimer Ipos-Instituts<br />

In der Werteskala der deutschen Bevölkerung<br />

nehmen ein gesicherter Arbeitsplatz<br />

und die Vollbeschäftigung den<br />

vordersten Rang ein. Arbeit ist zunächst<br />

die unverzichtbare Quelle von Einkommen<br />

und Wohlstand; ein gesicherter Arbeitsplatz<br />

trägt dann in unserer Gesellschaft<br />

entscheidend zum Selbstwertgefühl<br />

eines jeden Einzelnen bei und stellt einen<br />

wichtigen Prestigefaktor dar. Arbeit ist<br />

aber vor allem dazu geeignet, für menschliches<br />

Leben Sinn zu stiften; andere Werte<br />

Das Vertrauen der Deutschen in die Leistungsfähigkeit der Demokratie nimmt ab.<br />

Besonders in den neuen Ländern glauben immer weniger Menschen, dass die politische<br />

Ordnung der Bundesrepublik in der Lage sei, die aktuellen Probleme zu lösen<br />

(...) Als besondere Bedrohung für die Demokratie sehen die Befragten die Massenarbeitslosigkeit.<br />

Jeder Zweite ist der Ansicht, die hohe Zahl der Beschäftigungslosen<br />

gefährde die politische Stabilität derart, dass es zu politischen Unruhen kommen<br />

könne. Diese Sorge ist mt 63 Prozent im Osten stärker ausgeprägt als im Westen, wo<br />

nur 47 Prozent mit einer solchen Möglichkeit rechnen.<br />

Berliner Zeitung vom 18. November 1999, S.7.<br />

11


- wie Freizeit, Hobbys und Urlaub - treten<br />

dahinter zurück. Nicht nur in den neuen<br />

Bundesländern, sondern auch in Westdeutschland,<br />

wo die Arbeitslosigkeit nur<br />

halb so hoch ist, hat sich deshalb die Beschäftigungskrise<br />

zum beherrschenden<br />

Thema entwickelt.<br />

Diese Beobachtungen sind bei der unterrichtlichen<br />

Auseinandersetzung mit der<br />

Arbeitsmarktpolitik von großer Bedeutung,<br />

weil die Schülerinnen und Schüler<br />

daraus ableiten können, wie groß die Gefahr<br />

für den <strong>Sozialstaa</strong>t ist, die diesem aus<br />

wachsender und andauernder Arbeitslosigkeit<br />

entsteht. In einem Unterrichtsprojekt,<br />

in welchem Reformen des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

diskutiert werden sollen, kann deshalb die<br />

Arbeitsmarktpolitik nicht ausgespart werden.<br />

Ob und wie der <strong>Sozialstaa</strong>t mit der<br />

Arbeitslosigkeit zu Rande kommt, davon<br />

hängt ganz wesentlich seine zukünftige<br />

Akzeptanz in der Bevölkerung ab.<br />

Zukunftsperspektiven<br />

· Weltwirtschaftliche Trends<br />

· Fortschreitende Globalisierung und<br />

weltwirtschaftliche Verflechtung;<br />

· Wachstum neuer Märkte und Auftreten<br />

neuer Wettbewerber;<br />

· mobiler und älter werdende Weltbevölkerung;<br />

· Zunahme von Wanderungen.<br />

12<br />

Technologische Trends<br />

· Zunehmende Bedeutung der Innovationen<br />

im Technologiewettbewerb;<br />

· wissensbasierte Technologien und<br />

standortunabhängige geistige<br />

Leistungen werden zum strategischen<br />

Produktionsfaktor;<br />

· Entwicklung zur medial vernetzten<br />

Informations-/Wissensgesellschaft.<br />

Gesellschaftliche Trends<br />

· Weiter steigende Erwerbsquote der<br />

Frauen;<br />

· „alternde“ Bevölkerung;<br />

· weitergehende Arbeitszeitverkürzung<br />

und -flexibilisierung;<br />

· Wandel der Wertorientierungen und<br />

der Arbeitsethik;<br />

· Konsolidierung des <strong>Sozialstaa</strong>ts; Ausbau<br />

der ehrenamtlichen Tätigkeiten.<br />

Trends der Arbeitswelt<br />

· Der Trend zur Dienstleistungsorientierung und zu den Dienstleistungstätigkeiten wird anhalten.<br />

· Die Arbeitsinhalte werden sich weiter wandeln: von materialorientiert zu informationsorientiert, von Gegenständen/Werkstücken<br />

zu Prozessen und Zusammenhängen (zur „virtuellen“ Arbeit).<br />

· Das Angebot an „Normalarbeitsverhältnissen“ wird weiter abnehmen, atypische Arbeitsverhältnisse (befristet, Teilzeit-, Projektarbeit,<br />

geringfügige Beschäftigung etc.) werden zunehmen; ebenso „duale Arbeitsverhältnisse“: Erwerbsarbeit im marktwirtschaftlichen<br />

Sektor und Zweittätigkeiten im gemeinwirtschaftlichen Sektor (Fürstenberg; Rifkin).<br />

· Der Trend zur weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeit und der Arbeitsorganisation geht weiter; die Teilzeitbeschäftigung wird<br />

zunehmen, verbunden mit häufigerem Wechsel zwischen Phasen der Beschäftigung, Weiterbildung, Arbeitslosigkeit, Eigenarbeit<br />

etc. Dies führt zu „fragmentierten“ Erwerbsbiographien.<br />

· Der Trend zur Bildung kleiner, selbstverantwortlicher und flexibler Gruppen in Produktion und Dienstleistung wird sich verstärken;<br />

Herstellen und zugehörige Dienste werden stärker integriert.<br />

· Unterstützt durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologien wird ein wachsender Teil der Berufsarbeit flexibel<br />

zuhause und/oder unterwegs geleistet werden können.<br />

· Die Nachfrage nach einfachen, wenig qualifizierten Arbeitsleistungen wird weiter abnehmen.<br />

· Der Bedarf an Fachqualifikationen und technischem Wissen wird weiter zunehmen, aber auch die Anforderungen bezüglich sozialer<br />

Kompetenzen und „Schlüsselqualifikationen“.<br />

· Die Erwerbsquote der Frauen wird weiter steigen, die Bedeutung der Frauenerwerbstätigkeit zunehmen, der Anteil von Frauen in<br />

Führungsprositionen (langsam) steigen.<br />

· Arbeitnehmer werden zunehmend unternehmerische Funktionen im Betrieb übernehmen müssen, d.h. selbstverantwortlich, kreativ<br />

und qualitäts- und ergebnisorientiert arbeiten ( Trend zu „Intrapreneurs“).<br />

· Information, Wissen und Kreativität sind künftig der Motor der Wertschöpfung; der Anteil „wissensbasierten“ Lernens wird immer<br />

wichtiger.<br />

· In den Gruppen/Teams geht der Trend in Richtung Integration von Facharbeiterqualifikationen, Ingenieurwissen und Servicequalifikationen;<br />

es entsteht ein „neuer Typus industrieller Arbeitskraft“ - der „Facharbeiter-Ingenieur“ (B. Lutz).<br />

Gerhard Willke: Die Zukunft unserer Arbeit, Hannover 1998, S. 36<br />

Arbeitslosigkeit im Wohlfahrtsstaat<br />

Heute hat die registrierte Arbeitslosigkeit ... wieder das Niveau erreicht, das sie<br />

1950, d.h. vor dem eigentlichen Beginn des ... sogenannten „deutschen Wirtschafswunders“<br />

hatte. Nur muss man sich einmal klar machen, wie sehr sich die wirtschaftliche<br />

Situation verändert hat. Damals ein kriegsverwüstetes Land, zu wenig Produktionskapazität,<br />

zerstörte Infrastrukturen, zu wenig Kapital, heute ein hochmodernes<br />

Land mit hochgetriebener Produktion und modernen, z.T. hochmodernen Kapazitäten<br />

und Infrastrukturen, mit einem riesigen Überschuss an Kapital, der sich zunehmend<br />

einen Weg über die Grenzen sucht ... Und doch in beiden so unterschiedlichen<br />

Zeiten eine riesige Massenarbeitslosigkeit ...<br />

Die katastrophale Entwicklung am Arbeitsmarkt ist nicht verursacht ... durch die<br />

Wiedervereinigung. Die Massenarbeitslosigkeit ist im modernen Westen einstanden.<br />

Dort hat sie sich verstetigt und ist - lange vor der Wiedervereinigung - weiter eskaliert<br />

und offensichtlich der politischen Gegensteuerung entglitten ... Weder die ökonomische<br />

Katastrophe der früheren DDR noch die deutsch-deutschen Veränderungen<br />

nach 1989 haben ursächlich etwas mit dem Entstehen der Massenarbeitslosigkeit zu<br />

tun.<br />

Briefs, Ulrich: High-Tech und sozialer Verfall? Bonn (Pahl-Rugenstein Verlag) 1997, S.25f.


Didaktische und<br />

methodische Hinweise<br />

Auch Schülerinnen und Schüler sind<br />

von den Problemen, welche aus der Arbeitslosigkeit<br />

entstehen, betroffen. Viele<br />

von ihnen erfahren Auswirkungen der Arbeitslosigkeit<br />

in ihrem sozialen Umfeld,<br />

viele wissen um die Schwierigkeit, den<br />

gewünschten Ausbildungsplatz auch<br />

tatsächlich zu erhalten. Es ist deshalb<br />

sinnvoll, bei der Auseinandersetzung mit<br />

dem <strong>Sozialstaa</strong>t die Arbeitsmarktpolitik<br />

schwerpunktmäßig zu thematisieren. Dabei<br />

muss die Beschäftigungskrise sachlich<br />

bilanziert werden, freilich nicht ohne Auswege<br />

aus der Arbeitslosigkeit aufzuzeigen.<br />

Auch wenn es keinen Königsweg zur<br />

Vollbeschäftigung gibt, verfügen Gesellschaft<br />

und Politik doch über zahlreiche<br />

und sehr unterschiedliche Instrumente zur<br />

Eindämmung der Arbeitslosigkeit. In einem<br />

Unterrichtsprojekt über die Zukunft<br />

des <strong>Sozialstaa</strong>tes sollten diese Möglichkeiten<br />

kontrovers erörtert werden. Dabei<br />

kann auf einer insgesamt positiven<br />

Grundeinstellung der Jugendlichen aufgebaut<br />

werden: „Wenig (spricht) für die<br />

manchmal zu hörende Unterstellung, die<br />

Jugendlichen wüssten angesichts von fortdauernder<br />

Arbeitslosigkeit, von Flexibilisierung<br />

und Globalisierung ... nicht mehr<br />

aus noch ein. Eher im Gegenteil: Relativ<br />

zuversichtlich und überzeugt von der eigenen<br />

Leistungsfähigkeit versuchen sie<br />

mehrheitlich, aktiv ihre Lebensperspektive<br />

vorzubereiten. Sie sind ... entschlossen,<br />

die Herausforderungen, die sie realistisch<br />

vor sich sehen, zu meistern.“<br />

Deutsche Shell (Hg.): Jugend 2000. Band 1,<br />

Opladen 2000, S. 13<br />

Allerdings können tradierte Vorstellungen<br />

von lebenslanger Vollbeschäftigung<br />

mit anschließendem Rentenanspruch<br />

für die Mehrzahl der Schülerinnen und<br />

Schüler nicht mehr länger als Leitbild dienen.<br />

„Arbeitslosigkeit kann jeden Beschäftigten<br />

treffen. Faktisch sind alle Arbeitnehmer<br />

potentielle Arbeitslose“.<br />

ÖTV-Hauptverwaltung (Hg.): Arbeitslos, Stuttgart<br />

1990, S. 19<br />

Deshalb müssen temporäre Arbeitslosigkeit<br />

und Patchwork-Biografien ebenso<br />

thematisiert werden wie Zeitarbeit, Jobsharing<br />

und neue Formen von Arbeit (vgl.<br />

E 26 - E 32: Zivilgesellschaft).<br />

Nachdrücklich ist vor der verbreiteten<br />

Meinung zu warnen, die auch Schülerinnen<br />

und Schüler häufig vortragen, dass<br />

Arbeitslosigkeit selbstverschuldet sei und<br />

dass jeder, der arbeiten wolle, auch Arbeit<br />

finde. Die Massenarbeitslosigkeit in den<br />

neuen Bundesländern und die bei Betreibsstilllegungen<br />

in die Höhe schießenden<br />

regionalen Arbeitslosenquoten beweisen<br />

das Gegenteil. Die Schülerinnen und<br />

Schüler sollen sich vielmehr mit dem<br />

Schicksal von Arbeitslosen und deren<br />

häufig verzweifelten Versuchen, eine<br />

neue Beschäftigung zu finden, vertraut<br />

machen und dabei die Notwendigkeit einer<br />

Neueinsteuerung der Arbeitsmarktpolitik<br />

im modernen <strong>Sozialstaa</strong>t erkennen.<br />

(B1 - B3)<br />

Das Materialangebot im Baustein B<br />

ermöglicht eine umfassende Beschäftigung<br />

mit den Ursachen und Folgen der<br />

Arbeitslosigkeit sowie den arbeitsmarktpolitischen<br />

Möglichkeiten zu deren Linderung.<br />

Im Vordergrund steht jedoch die<br />

Herausforderung des <strong>Sozialstaa</strong>tes durch<br />

eine lang andauernde Beschäftigungskrise.<br />

Wichtig erscheint es, dass die Adressaten<br />

dazu angeregt und ermutigt werden,<br />

eine eigenständige Meinung zu formulieren<br />

und eine fundierte Position in der Diskussion<br />

über arbeitsmarktpolitische Maßnahmen<br />

zu beziehen. Dazu dient zunächst<br />

das fiktive Gespräch in der Familie Schulze<br />

(s. Einleitung in den Baustein B); die<br />

Jugendlichen werden aufgefordert, die<br />

dort geäußerten Meinungen zu charakterisieren<br />

und sich gegebenenfalls einer der<br />

Positionen anzuschließen. Auch das<br />

Aktivmedium (B9) kann bei der Standortfindung<br />

nützlich sein.<br />

Fast alle entwickelten Industriestaaten<br />

und auch die Reformstaaten Mittel- und<br />

Osteuropas leiden unter einer mehr oder<br />

weniger bedrückenden Arbeitslosigkeit.<br />

Die Ursachen dafür sind vielfältig und unterscheiden<br />

sich von Land zu Land. eine<br />

monokausale Erklärung für die Arbeitslosigkeit<br />

ist deshalb nicht zulässig; die verschiedenen<br />

Gründe müssen für jede Region<br />

unterschiedlich gewichtet werden. Es<br />

ist notwendig, dass man den Schülerinnen<br />

und Schülern eine breite Palette von Ursachen<br />

vorstellt; dabei hat es sich bewährt,<br />

diese Ursachen durch die Klasse geeigneten<br />

Oberbegriffen zuordnen zu lassen,<br />

z.B.<br />

● Rationalisierung und Automatisierung<br />

● Globalisierung und Veränderung der<br />

Nachfragestruktur<br />

● gesellschaftlicher Wandel/Wertewandel<br />

● „Reformstau“<br />

● Produktions- und Lohnkosten<br />

für Deutschland zusätzlich:<br />

● Vereinigungsfolgen.<br />

(vgl. B5-B8)<br />

Reichlich provokant und für eine Diskussion<br />

in einer leistungsfähigen Klasse<br />

geeignet sind die Forderungen des Präsidenten<br />

des Kieler Instituts für Weltwirtschaft<br />

Horst Siebert. Er schlägt folgende<br />

Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit<br />

vor:<br />

● Abschaffung der Arbeitslosenhilfe<br />

● Begrenzung des Arbeitslosengeldes<br />

auf 12 Monate (statt bisher 36)<br />

● Kürzung der Sozialhilfe für Arbeitsfähige<br />

und junge Arbeitslose<br />

● Niedriglöhne, um Arbeitslosen den<br />

Schritt in die Erwerbstätigkeit zu erleichtern<br />

● Einstiegslöhne unterhalb der tariflichen<br />

Grenzen (Abschläge vom Tariflohn<br />

von etwa 20 Prozent).<br />

(nach: Esslinger Zeitung vom 20./21. April<br />

2000, S.1f.)<br />

„Recht auf Arbeit“<br />

Mit besonders interessierten und qualifizierten<br />

Lerngruppen kann man zusätzlich<br />

erörtern, ob das „Recht auf Arbeit“ in<br />

der Verfassung verankert werden sollte.<br />

Plädoyer für das verfassungsmäßige<br />

Recht auf Arbeit<br />

Die anhaltende Massenarbeitslosigkeit<br />

ist eine Gefahr für den Bestand der demokratischen<br />

Industriegesellschaft.<br />

Wir brauchen deshalb ein Recht auf<br />

Arbeit in der Verfassung ...<br />

Über den Inhalt eines Rechts auf Arbeit<br />

muss .. noch einmal neu nachgedacht<br />

werden. Ein Recht auf Arbeit<br />

kann niemals als individuelles, subjektives<br />

Recht des Einzelnen verstanden<br />

werden, vom Staat einen bestimmten<br />

Arbeitsplatz zugewiesen zu bekommen.<br />

Die Aufnahme des besonderen<br />

Staatszieles „Recht auf Arbeit“ hat ...<br />

nur Sinn, wenn es gegenüber den übrigen<br />

Elementen des gesamtwirtschaftlichen<br />

Gleichgewichts (Preisstabilität,<br />

Wirtschaftswachstum und aktive<br />

Außenhandelsbilanz) einen hervorgehobenen<br />

Rang erhält ...<br />

Das Recht auf Arbeit müsste, wenn es<br />

tatsächlich etwas bewirken sollte, die<br />

Verpflichtung des Staates zu einer aktiven<br />

Arbeitsmarktpolitik aussprechen -<br />

bis hin zu einem offenen Bekenntnis<br />

zur öffentlichen Subvention von Arbeitsplätzen.<br />

Die besondere Betonung<br />

eines Rechts auf Arbeit in der Werteordnung<br />

der Verfassung ist freilich mit<br />

umfangreichen staatlichen Eingriffen<br />

in die Wirtschaft ... verbunden.<br />

Gerhard Hofe; in: DIE ZEIT vom 11. März<br />

1994, S.26.<br />

Folgende Gesichtspunkte sind dabei zu<br />

erörtern:<br />

● Im Grundgesetz der Bundesrepublik<br />

Deutschland ist das Recht auf Arbeit<br />

nicht ausdrücklich garantiert.<br />

13


● Ein gesetzlicher und einklagbarer Anspruch<br />

auf einen Arbeitsplatz setzt die<br />

staatliche Bewirtschaftung der Arbeitsplätze<br />

voraus.<br />

● Ein Recht auf Arbeit ist ohne eine<br />

staatliche Berufslenkung nicht realisierbar.<br />

(So wurden Schulabgänger in<br />

der DDR über ihre Lehrerinnen und<br />

Lehrer in Lehrstellen vermittelt je nach<br />

Bedarf der Produktionspläne und ohne<br />

Berücksichtigung der individuellen<br />

Wünsche der Jugendlichen.)<br />

● Das Recht auf Arbeit beinhaltet in der<br />

Regel eine „Pflicht zur Arbeit“.<br />

● Die erforderlichen Eingriffe des Staates<br />

in den Wirtschaftsprozess und die<br />

individuelle Lebensgestaltung widersprechen<br />

der marktwirtschaftlichen<br />

Ordnung der Bundesrepublik Deutschland.<br />

(1)<br />

Mögliche Aufgaben:<br />

a) Soll das „Recht auf Arbeit“ durch die<br />

Verfassung garantiert werden? Begründen<br />

Sie Ihre Meinung.<br />

b) Warum ist das „Recht auf Arbeit“ ohne<br />

die „Verpflichtung zur Arbeit“ nicht<br />

realisierbar?<br />

c) Zeigen Sie das Spannungsverhältnis<br />

zwischen einem garantierten Recht auf<br />

Arbeit und der sozialen Marktwirtschaft<br />

auf.<br />

Anmerkungen zu einzelnen<br />

Materialien<br />

Streitgespräch bei Familie Schulze:<br />

Die thesenartige Zusammenfassung der<br />

fünf Stellungnahmen kann folgendermaßen<br />

lauten:<br />

Großmutter: Das Arbeitsleben in den<br />

fünfziger Jahren war gegenüber heute<br />

zwar anstrengender, aber alle hatten Arbeit<br />

und ein (bescheidenes) Auskommen;<br />

dies sollte uns heute als Beispiel dienen.<br />

14<br />

Timo: Wer keine Arbeit hat, ist einfach zu<br />

anspruchsvoll und bemüht sich zu wenig<br />

um einen Arbeitplatz.<br />

Sabine: Die Verantwortung liegt bei den<br />

Unternehmen; sie müssen - auch unter<br />

Verzicht auf hohen Gewinn - mehr Arbeitsplätze<br />

und Lehrstellen anbieten.<br />

Vater: Bei niedrigen Lohn- und Lohnnebenkosten<br />

gibt es keine Arbeitslosigkeit.<br />

Mutter: Durch steuerfinanzierte Staatsaufträge<br />

kann Nachfrage geschaffen und die<br />

Arbeitslosigkeit behoben werden.<br />

Arbeitszeitverkürzung<br />

Unterschied zwischen Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe<br />

Aus der Verfassung der ehemaligen DDR<br />

In der Diskussion über die Wege aus<br />

der Arbeitslosigkeit spielt die Arbeitszeitverkürzung<br />

eine wichtige Rolle; insbeson-<br />

Arbeitslosengeld<br />

Leistung der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung<br />

Anspruchberechtigung des Arbeitslosen (unter bestimmten Voraussetzungen)<br />

Höhe abhängig von dem früheren Lohn und von der Dauer der Arbeitslosigkeit<br />

Finanzierung durch die Bundesanstalt für Arbeit (Arbeitslosenversicherung)<br />

Arbeitslosenhilfe<br />

Fürsorgeleistung<br />

nur bei Bedürftigkeit<br />

anhängig vom Vermögen und anderen Einnahmen (auch der Familienangehörigen)<br />

steuerfinanziert durch den Bund<br />

(vgl. Baustein A)<br />

Artikel 24<br />

(1) Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht auf Arbeit.<br />

Er hat das Recht auf einen Arbeitsplatz und dessen freie Wahl entsprechend den gesellschaftlichen<br />

Erfordernissen und der persönlichen Qualifikation ...<br />

(2) Gesellschaftlich nützliche Tätigkeit ist eine ehrenvolle Pflicht für jeden arbeitsfähigen<br />

Bürger. Das Recht auf Arbeit und die Pflicht zur Arbeit bilden eine Einheit.<br />

(....)<br />

Aus dem Kommentar zur Verfassung (Artikel 24)<br />

Wie im Absatz 2 festgelegt wird, ist gesellschaftlich nützliche Tätigkeit eine ehrenvolle<br />

Pflicht für jeden arbeitsfähigen Bürger, bilden das Recht auf Arbeit und die<br />

Pflicht zur Arbeit eine Einheit (...)<br />

Die Fälle, in denen die sozialistische Gesellschaft als letztes Mittel staatlichen<br />

Zwang anwendet, um einen Bürger an geregelte nützliche Arbeit heranzuführen und<br />

die Pflicht zur Arbeit durchzusetzen, sind im Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen<br />

Republik geregelt. (...) Nach § 249 des Strafgesetzbuches macht sich<br />

strafbar, „wer das gesellschaftliche Zusammenleben der Bürger oder die öffentliche<br />

Ordnung dadurch gefährdet, dass er sich aus Arbeitsscheu einer geregelten Arbeit<br />

hartnäckig entzieht, obwohl er arbeitsfähig ist (...)“ Die Mittel des Strafrechts kommen<br />

zur Anwendung, wenn alle anderen Bemühungen der Gesellschaft zur Erziehung<br />

arbeitsscheuer Personen keinen Erfolg haben.<br />

Sorgenicht, Klaus u.a. (Hg.): Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik. Dokumente-<br />

Kommentar, Band II, Berlin (Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik) 1969, S.<br />

64 f., S. 76 und S. 78.<br />

dere die Gewerkschaften erwarten davon<br />

einen regelrechten Beschäftigungsboom.<br />

„Ohne intelligente Modelle der Arbeitszeitverkürzung<br />

werden die Massenarbeitslosigkeit<br />

und die mit ihr wachsende Armut<br />

nicht zu überwinden sein. Denn<br />

selbst bei optimaler Ausnützung der<br />

Wachstumschancen führt die hohe Produktivitätsentwicklung<br />

nicht zu ausreichendem<br />

Jobwachstum<br />

(Rudolf Hickel; zitiert nach Butterwegge, Christoph:<br />

Wohlfahrtsstaat im Wandel, Opladen<br />

1999, S. 163).<br />

Freilich ist auch dieser Vorschlag nicht<br />

frei von Problemen. Die Schülerinnen und<br />

Schüler können selbstständig die Auswirkung<br />

unterschiedlicher Formen der Arbeitszeitverkürzung<br />

- aufgeschlüsselt nach<br />

den Betroffenen - zusammenstellen. Das<br />

Schema auf S. 15, das man gegebenenfalls<br />

auch als Vorschlag für ein Tafelbild<br />

verwenden kann, strukturiert die Ergebnisse.<br />

(Die kursiv gesetzten Eintragungen<br />

geben die erwarteten Antworten der Schülerinnen<br />

und Schüler wieder.)<br />

Wiederholen – Stellung<br />

nehmen<br />

Die von den Schülerinnen und<br />

Schülern vorgeschlagenen Überschriften<br />

für die zwei Karikaturen sollen das gewonnene<br />

Problembewusstsein nachweisen;<br />

den Originalen waren folgende Texte<br />

beigegeben:<br />

(1) Vgl. Friedrich, Horst/Wiedemeyer, Michael: Arbeitslosigkeit ein Dauerproblem im vereinten Deutschland, Opladen 1994, S. 51 - 53.


a) „Es geht zu Ende. Schon ein Zentimeter<br />

geschrumpft“ (S. 23)<br />

b) „Das Experiment“ (S. 24)<br />

Bei der Übung sollten folgende Spalten<br />

angekreuzt werden:<br />

Richtig: 3, 7, 8, 11, 13, 14<br />

Falsch: 1, 2, 4, 5, 6, 9, 10, 12.<br />

Die Situation auf dem ostdeutschen<br />

Arbeitsmarkt<br />

Ab 1996 verschlechterte sich der<br />

(ostdeutsche) Arbeitsmarkt erneut, und<br />

seitdem ist keine entscheidende Wende<br />

eingetreten ... Die wesentlichen Gründe<br />

für die anhaltenden Schwierigkeiten<br />

sind: Die überdimensionale Bauwirtschaft,<br />

die zwischendurch die Lokomotive<br />

des Aufholprozesses war,<br />

schrumpft nach Einschränkungen der<br />

Subventionen entsprechend stark.<br />

Auch der öffentliche Dienst baut weiter<br />

Personal ab. Dass sich das verarbeitende<br />

Gewerbe inzwischen kräftig belebt<br />

und zuletzt auch bei der Beschäftigung<br />

zugelegt hat, stellt - wegen seiner<br />

geringen gesamtwirtschaflichen Bedeutung<br />

- kein ausreichendes Gegengewicht<br />

dar. Der Dienstleistungsbereich<br />

expandiert ebenfalls, aber auch<br />

nicht stark genug ...<br />

Zehn Jahre nach der Wiedervereinigung<br />

krankt der Arbeitsmarkt in den<br />

neuen Ländern immer noch. Weitere<br />

Hilfen sind also von Nöten, insbesondere<br />

zur Schaffung von Arbeitsplätzen<br />

am ersten Arbeitsmarkt ... Erforderlich<br />

ist aber auch der Abbau von Kostennachteilen<br />

sowie von Wettbewerbsund<br />

Produktivitätsrückständen aus eigener<br />

Kraft. So lange z.B. die ostdeutschen<br />

Lohnstückkosten durchschnittlich<br />

gut 10 Prozent über denen des<br />

Westens liegen, kann ein breiter selbsttragender<br />

Aufschwung nicht erwartet<br />

werden.<br />

Bundesanstalt für Arbeit (Hg.): Presseinformation<br />

vom 5. Oktober 2000, S. 20f.<br />

Möglichkeit<br />

Arbeitszeitverkürzung<br />

Folgen und Probleme für<br />

Arbeitnehmer Unternehmen Gesellschaft<br />

Teilzeitbeschäftigung/ unzureichende höhere Investitions- Verringerung<br />

Jobsharing soziale Absicherung kosten der Arbeitslosigkeit<br />

weniger Lohn Störung des Einsparung von<br />

Produktionsprozesses für die Arbeitslosen<br />

freiere Zeitgestaltung höhere Produktivität<br />

(belastbarere Mitarbeiter)<br />

Senkung der Wochen- weniger Lohn Zwang zur ungewisser Bearbeitszeit<br />

Rationalisierung schäftigungseffekt<br />

Verlängerung der mehr Freizeit höhere Kosten höhere Belastung<br />

Jahresurlaubszeit<br />

Probleme bei der<br />

Anpassung der Arbeitsorganisation<br />

Nachteile für Kleinbetriebe<br />

der gesetzlichen Versicherungssysteme<br />

Verkürzung der Einbußen bei den Missverhältnis zwischen Verringerung der<br />

Lebensarbeitszeit Löhnen und bei der Ausbildungsaufwen- Arbeitslosigkeit<br />

Altersversicherung dungen und Lebensleistung<br />

der Arbeitnehmer<br />

längerer „Lebens- jüngere und leistungs- vermehrte Freizeitabend“<br />

fähigere Mitarbeiter angebote für ältere<br />

Menschen<br />

Die Kluft zwischen West und Ost<br />

im Jahr 2000<br />

West<br />

Ost<br />

West<br />

Ost<br />

Wochenarbeitszeit<br />

37,4 Stunden<br />

39,1<br />

Stunden<br />

Arbeitslosenquote<br />

7,8 %<br />

17,4 %<br />

Wirtschafts-<br />

Wirtschafts-<br />

leistung*<br />

je Einwohner<br />

100<br />

= West- West-<br />

deutschland<br />

73<br />

West Ost<br />

Tarif- Tarif-<br />

verdienste<br />

91<br />

Rente<br />

© Globus<br />

87<br />

*Bruttoinlandsprodukt<br />

6896<br />

15


Baustein C<br />

Zur Zukunft der<br />

Rente - Hält der Generationenvertrag?<br />

Die Ziele des Bausteins<br />

Wer als Politiklehrer versucht, die aktuelle<br />

Rentendiskussion mit ihren schwer<br />

durchschaubaren Begriffen wie „Rentenniveau“<br />

, „Eckrentner“ oder „demografischer<br />

Faktor“ für Schüler anschaulich aufzubereiten,<br />

fragt sich sehr schnell, ob das<br />

„schwierigste sozialpolitische Thema“ 1<br />

überhaupt für die <strong>Schule</strong> geeignet ist. Und<br />

bringen Jugendliche, die vielleicht gerade<br />

beginnen, sich über Studium oder Berufsausbildung<br />

Gedanken zu machen, dem<br />

Thema Altersvorsorge genügend Interesse<br />

entgegen?<br />

Eine Flut von teilweise dramatisierenden<br />

Berichten und Büchern zum Thema<br />

Rente (vgl. C 1) hat inzwischen die Aufmerksamkeit<br />

auch vieler junger Menschen<br />

geweckt: Nach allgemein verbreiteter Ansicht<br />

braucht sich zwar die heutige Rentnergeneration<br />

um ihre Rente keine gravierenden<br />

Sorgen zu machen, aber viele junge<br />

Menschen fragen sich mittlerweile, ob<br />

sie zur Finanzierung der steigenden Rentenlast<br />

nicht über Gebühr zur Kasse gebeten<br />

werden, ob die Rente auch in ferner<br />

Zukunft sicher und ausreichend sein wird.<br />

Die demografische Entwicklung und der<br />

„Generationenvertrag“ bewirken, dass die<br />

Menschen in Deutschland bereits in jungen<br />

Jahren von diesem Thema betroffen<br />

sind; und zunehmend macht es sie auch<br />

betroffen.<br />

• Der Baustein C möchte diese Betroffenheit<br />

aufgreifen; die Frage nach dem<br />

Generationenverhältnis steht deshalb<br />

am Anfang (vgl. C 1-6).<br />

• Um der Problemtiefe einigermaßen gerecht<br />

zu werden, muss in einem zweiten<br />

Schritt über die Gesetzliche Rentenversicherung<br />

in Deutschland (als<br />

Teil des gesamten Sozialversicherungssystems)<br />

informiert werden (vgl.<br />

C 7-11).<br />

• Ausmaß und Ursachen der Finanzierungsprobleme<br />

der Rentenkasse können<br />

die Schüler anschließend anhand<br />

von Statistiken selbst erarbeiten (vgl.<br />

C 12-16).<br />

• Sie sollen sich aber auch Gedanken<br />

über die Gerechtigkeit unseres Rentensystems<br />

machen. Sind die Lasten zwischen<br />

Jung und Alt, zwischen Mann<br />

und Frau gerecht verteilt? (vgl. C 17-<br />

21)<br />

16<br />

Struktur des Bausteins -<br />

Möglicher Unterrichtsverlauf<br />

Einstiegsmöglichkeiten<br />

Basiswissen aneignen<br />

Die sozialpolitische<br />

Problematik erarbeiten<br />

und beschreiben<br />

Die Notwendigkeit<br />

einer<br />

Veränderung erkennen<br />

Reformalternativen<br />

kennenlernen<br />

und vergleichen<br />

Reformmodelle bewerten;<br />

den eigenen<br />

Standpunkt begründen<br />

• Schließlich sollen die Schüler Lösungsansätze<br />

kennenlernen und diskutieren.<br />

In Baustein C werden Reformmöglichkeiten<br />

innerhalb des gesetzlichen<br />

Rentensystems (z.B. Rentenalter)<br />

als auch systemsprengende Alternativen<br />

(z. B. Grundrente) vorgestellt (vgl.<br />

C 22-28).<br />

• Am Ende sollten die Schüler eine eigene<br />

begründete Position zur Zukunft der<br />

Altersvorsorge in Deutschland formulieren<br />

und verteidigen können.<br />

„Krise“ der Rentenversicherung?<br />

Wie sicher sind die Renten? Hält der<br />

Generationenvertrag? Befindet sich unser<br />

Rentensystem in einer Krise? Um diese<br />

Fragen beantworten zu können, muss man<br />

sich zunächst die Struktur und Funktionsweise<br />

der Alterssicherung in Deutschland<br />

vergegenwärtigen.<br />

Familie Schulze diskutiert:<br />

Generationenverhältnis (C1,2)<br />

Rente früher und heute (C3-5);<br />

Meinungen der Schüler (C6)<br />

Die Prinzipien der Gesetzlichen<br />

Rentenversicherung: leistungsbezogene<br />

und dynamische Rente;<br />

Generationenvertrag (C7-11)<br />

Ist die GRV<br />

zukünftig<br />

noch<br />

finanzierbar?<br />

(C12-17)<br />

Reformbedarf in der<br />

Altersvorsorge (C22)<br />

- Grundrente<br />

- Kapitaldeckung<br />

- Änderungen im<br />

Umlageverfahren<br />

(C23-29)<br />

Ist die<br />

GRV gerecht?<br />

(C18-21)<br />

Beurteilen anhand der Kriterien:<br />

(1) Effizienz, Rendite<br />

(2) intergenerative Gerechtigkeit<br />

(3) innergenerative Gerechtigkeit<br />

Die Altersvorsorge erfolgt in Deutschland<br />

durch die Gesetzliche Rentenversicherung,<br />

durch Betriebsrenten und ergänzende<br />

Privatvorsorge, was oftmals als<br />

„Drei-Säulen-System“ bezeichnet wird.<br />

Der Begriff verdeckt allerdings die Tatsache,<br />

dass diese drei Säulen sehr unterschiedlich<br />

ausgeprägt sind. Rund 70 Prozent<br />

aller Aufwendungen für die Alterssicherung<br />

entfallen auf die Gesetzliche<br />

Rentenversicherung. Dies entspricht etwa<br />

einem Drittel der gesamten Sozialausgaben.<br />

(siehe Seite 17)<br />

1 Schmähl, Winfried: Auf dem Weg zur nächsten<br />

Rentenreform in Deutschland; in: Aus Politik<br />

und Zeitgeschichte, B35–36/2000, S. 2


Die Zeit Nr. 26, vom 21. Juni 2000, S. 22<br />

(in Prozent; bezogen auf alle, die Privatvorsorge<br />

getroffen haben)<br />

Die mit Abstand wichtigste „Säule“<br />

der Alterssicherung ist 1889 im Rahmen<br />

der Bismarckschen Sozialgesetzgebung<br />

eingeführt worden und bis heute am Modell<br />

der Sozialversicherung ausgerichtet:<br />

Pflichtversichert sind alle abhängig Beschäftigten<br />

mit einem Einkommen bis zu<br />

einer gesetzlich festgelegten Bemessungsgrenze<br />

(vgl. A8). Finanziert wird die Rente<br />

durch gleiche Beiträge der Arbeitgeber<br />

und Arbeitnehmer (19,3 Prozent im Jahr<br />

2000; vgl. A8) nach dem Umlageverfahren;<br />

das heißt, die Rentenbeiträge der Erwerbstätigen<br />

werden unmittelbar an die<br />

Ruheständler weitergereicht. Darüber hinaus<br />

leistet der Bund Zuschüsse aus Steuermitteln.<br />

Es handelt sich um eine leistungsbezogene<br />

Rente, da die Höhe des<br />

monatlichen Ruhegeldes sich im Wesentlichen<br />

nach den geleisteten Beiträgen und<br />

damit dem jeweiligen Bruttolohn des Versicherten<br />

richtet. Ziel der gesetzlichen<br />

Rentenversicherung ist es, den Lebensstandard<br />

der Erwerbstätigen auch im Alter<br />

und bei Invalidität zu sichern.<br />

Die Rentenversicherung wurde zwar<br />

häufig reformiert (vgl. C2), blieb aber im<br />

Kern über ein Jahrhundert erhalten. Heute<br />

sind ihre (Finanzierungs-)Probleme aber<br />

derart gewachsen, dass manche Kommentatoren<br />

bereits das Ende der gesetzlichen<br />

Rentenversicherung prophezeien: So<br />

mahnte der Rentenexperte Wolfgang Borchert<br />

mit dem bewusst provokativen Titel<br />

„Rente vor dem Absturz. Ist der <strong>Sozialstaa</strong>t<br />

am Ende?“ bereits vor Jahren eine<br />

grundlegende Reform der Alterssicherung<br />

in Deutschland an. 2 Auch die von der<br />

Bundesregierung eingesetzte Rentenreformkommisssion<br />

spricht in ihrem Gutachten<br />

von einer dramatischen Lage: „Die<br />

gesetzliche Rentenversicherung, ein Kernstück<br />

des deutschen <strong>Sozialstaa</strong>tes, treibt in<br />

die Krise, wenn nicht eine grundlegende<br />

Reform vorgenommen wird. Demographische<br />

und wirtschaftliche Veränderungen<br />

setzen das überkommene System der Umlagefinanzierung<br />

hohen Gefahren aus, die<br />

es nicht unbeschadet überstehen kann.“ 3<br />

Weshalb ist die Rentenversicherung in<br />

eine Krise geraten? Während die Politik<br />

am Generationenvertrag festgehalten hat,<br />

haben sich seit Einführung der Gesetzlichen<br />

Rentenversicherung (am Ende des<br />

vorletzten Jahrhunderts!) die Rahmenbedingungen<br />

für die Alterssicherung tiefgreifend<br />

verändert:<br />

Zeichnung: Mester Stuttgarter Zeitung vom 24.5.2000<br />

● Aufgrund der demografischen Entwicklung<br />

in Deutschland stehen immer<br />

mehr Rentner immer weniger Beitragszahlern<br />

gegenüber. Seit Mitte der 60er<br />

Jahre sinken die Geburtenzahlen,<br />

während die steigende Lebenserwartung<br />

zu einer Alterung der Bevölkerung<br />

beiträgt. Die Deutschen gehören<br />

mit einem durchschnittlichen Alter von<br />

39,7 Jahren zu den ältesten Bevölkerungen<br />

auf der Welt (Weltbevölkerung<br />

im Durchschnitt: 26,4 Jahre). Auf hundert<br />

Einwohner zwischen 20 und 60<br />

Jahren kommen in Deutschland heute<br />

40 Menschen, die über 60 Jahre alt<br />

sind. Im Jahr 2050 werden es doppelt<br />

so viele alte Menschen sein.<br />

● Die jüngere und mittlere Generation<br />

sieht sich durch diese Entwicklung<br />

steigenden Belastungen ausgesetzt und<br />

muss gleichzeitig damit rechnen, dass<br />

sie mit dem Eintritt ins Rentenalter<br />

nicht annähernd so viel ausbezahlt bekommt,<br />

wie sie an Beiträgen einbezahlt<br />

hat. Die Forderung nach intergenerativer<br />

Gerechtigkeit, einer gleichmäßigen<br />

Belastung aller Generationen<br />

bei der Alterssicherung, wird deshalb<br />

immer lauter.<br />

● Zu den aktuellen Herausforderungen<br />

zählt auch die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit<br />

(vgl. Baustein B), die für die<br />

Rentenversicherung nicht nur geringere<br />

Einnahmen bedeuten, sondern auch<br />

größere Ausgaben infolge der „Frühverrentung“<br />

(vgl. C 14).<br />

● Vor dem Hintergrund der Globalisierung<br />

wird die Senkung der Lohnnebenkosten<br />

und damit auch der Rentenbeiträge<br />

angemahnt. International<br />

wettbewerbsfähig bleibe Deutschland<br />

nur, wenn die Sozialabgaben spürbar<br />

gesenkt würden.<br />

● Der Wandel der Arbeitswelt hat zu einer<br />

deutlichen Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit,<br />

der Teilzeitarbeit und<br />

der flexiblen Beschäftigungsformen<br />

(z.B. zeitweilige Selbstständigkeit) geführt.<br />

● Daneben sind soziale Veränderungen<br />

(z.B. die Zunahme alleinerziehender<br />

Frauen) Grund für die Forderung nach<br />

einer eigenständigen und gerechten Alterssicherung<br />

der Frauen und einer individuell<br />

zu gestaltenden Altersvorsorge.<br />

17


Welche Alternativen gibt es?<br />

Wenn heute auch von allen Seiten die<br />

Notwendigkeit einer Rentenreform betont<br />

wird, so gehen die Vorstellungen, wie die<br />

Altersvorsorge zukünftig zu gestalten sei,<br />

doch erheblich auseinander. Neben vielen<br />

Vorschlägen, die einen „Kurswechsel von<br />

fünf Prozent“ (vgl. E23), also eine schrittweise<br />

und behutsame Anpassung befürworten,<br />

gibt es auch Stimmen, die eine<br />

grundsätzliche Kehrtwende bei der Altersvorsorge<br />

fordern. Die am häufigsten genannten<br />

Alternativen sind das Kapitaldeckungsverfahren<br />

und die Grundrente.<br />

Auch wenn eine radikale Abkehr vom<br />

Umlageverfahren politisch derzeit nicht<br />

mehrheitsfähig ist, so scheint die Behandlung<br />

klarer Alternativen zum hergebrachten<br />

System der Alterssicherung aus didaktischen<br />

Gründen durchaus sinnvoll. Durch<br />

den Vergleich von deutlich unterschiedlichen<br />

Reformmodellen können Vor- und<br />

Nachteile - auch des bisherigen Rentensystems<br />

- am besten erfasst werden.<br />

Im folgenden sind die wichtigsten Argumente<br />

für und gegen die beiden Alternativmodelle<br />

aufgelistet (vgl. auch C25-<br />

27; E 22):<br />

1) Der erste Vorschlag sieht vor, die gesetzliche<br />

Rentenversicherung in ein<br />

System der steuerfinanzierten Grundrente<br />

umzuwandeln, bei dem alle Bürger<br />

- ungeachtet ihres Einkommens -<br />

den gleichen Rentenanspruch haben.<br />

Die staatliche Altersvorsorge soll nach<br />

diesem Modell ausschließlich Altersarmut<br />

vermeiden (Mindestsicherung),<br />

nicht aber den im Berufsleben erworbenen<br />

Lebensstandard sichern.<br />

Für die Grundrente spricht:<br />

● Die Grundrente bewahrt alle Bürger<br />

vor existentieller Not im Alter, und<br />

zwar unabhängig von den demografischen<br />

und wirtschaftlichen Entwicklungen.<br />

● Die Beschränkung auf eine Grundsicherung<br />

im Alter ermöglicht eine individuell<br />

unterschiedliche, frei gewählte<br />

Privatvorsorge.<br />

● Dadurch wird die Eigenverantwortlichkeit<br />

gestärkt.<br />

● Die Senkung der Lohnnebenkosten<br />

stärkt den Wirtschaftsstandort<br />

Deutschland.<br />

● Männer und Frauen, Erwerbstätige und<br />

Nichterwerbstätige, Beschäftigte in der<br />

Privatwirtschaft und im öffentlichen<br />

Dienst, Selbständige und abhängig Beschäftige<br />

werden gleichbehandelt.<br />

Einwände gegen die Einführung einer<br />

Grundrente:<br />

● Steigende Lebenserwartung und hohe<br />

Arbeitslosigkeit erhöhen auch bei der<br />

18<br />

Grundrente die Finanzierungskosten.<br />

Sie löst keines der beiden wichtigsten<br />

Probleme der gesetzlichen Rentenversicherung.<br />

● Eine Übergangsphase würde erhebliche<br />

Mehrbelastungen mit sich bringen:<br />

Niedrige Renten müssten angehoben<br />

werden, höhere müssten wegen des<br />

Besitzschutzes weiterbezahlt werden.<br />

Außerdem würden auch bislang nicht<br />

versicherte Personen eine Grundrente<br />

erhalten.<br />

● Eine zusätzliche private Vorsorge wäre<br />

in der Übergangsphase wegen dieser<br />

erhöhten Abgabenbelastung kaum finanzierbar.<br />

● Vielfach fehlen auch die Bereitschaft<br />

und die Möglichkeit, freiwillig einen<br />

Teil des Einkommens für die Altervorsorge<br />

aufzuwenden.<br />

● Ausstieg aus dem Erwerbsleben und<br />

Schwarzarbeit, nicht aber Leistung<br />

würden durch die Grundrente belohnt.<br />

● Die Grundrente wird auch an die (Reichen)<br />

bezahlt, die sie nicht benötigen.<br />

2) Im Unterschied zum Umlageverfahren<br />

der gesetzlichen Rentenversicherung<br />

werden beim Kapitaldeckungsverfahren<br />

die Beiträge der Erwerbstätigen<br />

nicht für die Finanzierung der laufenden<br />

Renten verwendet, sondern zu einem<br />

Kapitalvermögen angespart; aus<br />

diesem Vermögen und den Kapitalerträgen<br />

(z.B. Zinsen) werden dann die<br />

laufenden Renten finanziert.<br />

Für das Kapitaldeckungsverfahren sprechen<br />

folgende Argumente:<br />

● Bei einer Umstellung der Alterssicherung<br />

auf das Kapitaldeckungsverfahren<br />

muss das Sparaufkommen erhöht werden.<br />

Dies stärkt die Investitionskraft<br />

der Unternehmen und trägt zum<br />

Wirtschaftswachstum bei.<br />

● Die Rendite einer kapitalgedeckten<br />

Rente ist höher (als beim Umlageverfahren).<br />

● Das Kapitalstockverfahren vermeidet<br />

intergenerative Ungerechtigkeiten,<br />

weil man nur für seine eigene Rente<br />

aufkommt.<br />

Gegen das Kapitaldeckungsverfahren<br />

spricht:<br />

● Die Generation, die den Kapitalstock<br />

für ihre eigene Altersvorsorge aufbaut,<br />

müsste gleichzeitig nach dem Umlageverfahren<br />

die Ansprüche der Rentner<br />

finanzieren und wäre doppelt belastet.<br />

● Eine vollständige Umstellung auf das<br />

Kapitaldeckungsverfahren würde einen<br />

Kapitalstock von ca. 10 bis 15 Billionen<br />

DM(!) erfordern. Das entspricht<br />

dem zwei- bis dreifachen des gesamten<br />

gesparten Geldvermögens aller priva-<br />

ten Haushalte in Deutschland. Eine so<br />

große Kapitalmenge könnte zusätzlich<br />

weder angespart, noch sinnvoll angelegt<br />

oder bei Bedarf wieder „entspart“ ,<br />

werden.<br />

● Anlagemöglichkeiten in diesem Umfang<br />

sind im Inland nicht ausreichend<br />

vorhanden und im Ausland mit (Wechselkurs-)Risiken<br />

behaftet.<br />

● Kapitalanlagen sind langfristig inflationsanfällig<br />

und unterliegen Wertschwankungen.<br />

● Auch beim Kapitaldeckungsverfahren<br />

muss bei steigender Lebenserwartung<br />

mit höheren Beiträgen und geringeren<br />

Leistungen gerechnet werden.<br />

● Bei einer schrumpfenden Bevölkerung<br />

muss mehr Kapital „entspart“ werden,<br />

was zu einem Wertverfall des Kapitals<br />

führen kann.<br />

● Wenn die Wirtschaft nicht zu einer<br />

ständigen Wohlstandsvermehrung<br />

führt (Grenzen des Wachstums) halten<br />

sich Beitragszahlungen und Rentenauszahlungen<br />

letztlich die Waage; d.h.<br />

es besteht kein Vorteil gegenüber dem<br />

Umlageverfahren.<br />

Rentenreform 2000/2001<br />

Unter dem Begriff „Rentenreform<br />

2000“ hat die Bundesregierung ein<br />

Mischsystem aus gesetzlicher Rentenversicherung<br />

und kapitalgedeckter privater<br />

Eigenvorsorge zur Diskussion gestellt und<br />

ein entsprechendes Gesetz auf den Weg<br />

gebracht (Stand: Januar 2001). Geplant ist<br />

eine schrittweise Senkung des Rentenniveaus,<br />

verbunden mit dem Aufbau einer<br />

privaten, freiwilligen Altersvorsorge, die<br />

aus Steuermitteln gefördert wird (vgl.<br />

C28). Mit dem Einstieg in die private<br />

Vorsorge als Ergänzung zur gesetzlichen<br />

Rente nähert sich die Altersvorsorge in<br />

Deutschland dem niederländischen System,<br />

das mit einem „Renten-Mix“ aus<br />

gesetzlicher Rente, obligatorischer Betriebsrente<br />

und privater Zusatzvorsorge<br />

gute Erfahrung gemacht hat.<br />

Eine Unterrichtseinheit zum Thema<br />

Altervorsorge sollte am Ende in eine fundierte<br />

Diskussion der aktuellen Rentenreform<br />

münden. Die Erörterung der oben<br />

beschriebenen Alternativen ist dafür eine<br />

gute Grundlage und Vorbereitung.<br />

Aktuelle und ausführliche Informationen<br />

zur Rentenreform enthält die<br />

Internet-Seite des Bundensministeriums<br />

für Arbeit und Sozialordnung:<br />

www.bma.bund.de)


Unterrichtspraktische Hinweise (Anmerkungen zu einzelnen Materialien)<br />

1) Die Rentenformel (C 10)<br />

Sollte für eine eingehende Behandlung der Rentenformel, wie in C 10 vorgesehen, keine Zeit zur Verfügung stehen, so kann das<br />

folgende Tafelbild* eine schnelle Orientierung über die Faktoren bieten, welche die Rentenhöhe bestimmen.<br />

Zahl der Arbeitsjahre<br />

Bruttolohn<br />

Kindererziehung<br />

Zeiten der Ausbildung,<br />

des Wehr- oder<br />

Ersatzdienstes u.a.<br />

Persönliche Entgeltpunkte<br />

Altersrente<br />

(= 100 %)<br />

oder<br />

* vgl. Frankfurter Rundschau v. 14.4.2000, S. 13<br />

2) Die „Rentenkasse“ (H15)<br />

Das Arbeitsblatt auf S. 32 kann den<br />

Schülern die Konsequenzen des Generationenvertrags<br />

verdeutlichen. Die Renten<br />

werden nach dem Umlageverfahren laufend<br />

durch die Beiträge der Versicherten<br />

(ergänzt durch einen Staatszuschuss) finanziert.<br />

Die Aufstellung soll der<br />

falschen, aber verbreiteten Ansicht entgegenzutreten,<br />

die Beiträge der Erwerbstätigen<br />

würden in einer „Rentenkasse“ angespart<br />

und bei Eintritt ins Rentenalter mit<br />

entsprechenden Erträgen ausbezahlt. Die<br />

gesetzlich vorgeschriebene Reserve der<br />

Rentenversicherer beträgt lediglich die<br />

Rentenzahlung eines Monats; weitere<br />

Rücklagen sind nicht vorhanden.<br />

Die Schüler können mittels C 15 die<br />

verschiedenen Ursachen für die „Krise<br />

der Rente“ (z.B. Bevölkerungsentwicklung,<br />

Renteneintrittsalter, Arbeitslosigkeit)<br />

selbstständig zusammentragen. Sie<br />

erkennen in der Aufstellung leicht, dass es<br />

ganz unterschiedliche Ursachen für die<br />

Finanzierungsprobleme in der Rentenversicherung<br />

gibt.<br />

Schließlich können die Schüler mit<br />

Hilfe des Arbeitsblatts auch gezielt Maßnahmen<br />

zur Reform der Rentenversicherung<br />

entwickeln, die jeweils bei einer der<br />

genannten Ursachen ansetzen. Dabei werden<br />

auch „Verteilungskämpfe“ zwischen<br />

Jung und Alt, zwischen Rentnern und<br />

Beitragszahlern deutlich.<br />

Berufsunfähig-keitsrente<br />

(=66 %)<br />

Mit diesem Betrag wird<br />

die Rente jährlich an die<br />

Nettolöhne angepasst.<br />

x Rentenart<br />

x aktueller Rentenwert = monatliche Rente<br />

3) Berechnung der Entgeltpunkte<br />

Lösungen zu Aufgabe 2, Schülerheft Seite 38<br />

Herr Müller Frau Niedermayer<br />

1955 - 1964 10 Jahre x 1,0 EP = 10 1960 - 1969 10 Jahre x 0,75 EP = 7,5 EP<br />

1965 -1969 – 1970 - 1984 2 Kinder x 3 Jahre x 1 EP = 6 EP<br />

Studium (Kindererziehungszeiten)<br />

1970 - 1984 15 Jahre x 1,3 EP = 19,5 1985 - 1989 5 Jahre x 0,5 EP = 2,5 EP<br />

15 Jahre x 1,75 EP = 26,25 1990 - 1999 10 Jahre x 1,2 EP = 12 EP<br />

insg. 55,75 EP insg. 28 EP<br />

Monatsrente Herr Müller:<br />

55,75 EP X 0,892 Zf x 1 (RAF) x 48,29 (aRW 99/00) = 2401,41 DM (Bruttorente West)<br />

Monatsrente Frau Niedermayer:<br />

28 EP x 0,892 Zf x 1 (RAF) x 48,29 (aRW 99/00) = 1206,09 DM (Bruttorente West)<br />

Die Rechenaufgaben sind aufgrund der Komplexität des Themas stark vereinfacht, aber dennoch<br />

eine Möglichkeit, die Prinzipien der gesetzlichen Rentenversicherung an Beispielen zu<br />

konkretisieren und zu prüfen, ob der Schüler die Rentenformel verstanden hat. Im Anschluss an<br />

den Vergleich der beiden ausgewählten Beispiele kann auch die Frage nach Benachteiligung<br />

von Frauen (Familien) in der Gesetzlichen Rentenversicherung diskutiert werden.<br />

19


Die Rentenkasse<br />

zu C 15<br />

20<br />

Einnahmen = Ausgabe<br />

durchschnittliche<br />

Rentenhöhe<br />

Beiträger zu Staatszuschuss Zahl der<br />

x<br />

Rentenversicherung<br />

+ =<br />

Rentenempfänger/innen<br />

x<br />

Zahl der<br />

Beitragszahler<br />

Finanzierungsprobleme und ihre Ursachen:<br />

höhere Renten wegen<br />

a. dynamischer<br />

Rentenanpassung<br />

b. versicherungsfremden<br />

Leistungen<br />

mehr Rentner durch<br />

3. Frühverrentung<br />

Belastung des<br />

Bundeshaushaltes<br />

bei hoher Staatsverschuldung<br />

4. steigende Lebenserwartung<br />

hohe Rentenbeiträge<br />

belasten deutsche<br />

Unternehmen<br />

im internationalen<br />

Wettbewerb<br />

1. weniger Erwerbstätige<br />

infolge hoher<br />

Arbeitslosigkeit<br />

2. weniger Erwerbsfähige<br />

infolge des<br />

Geburtenrückgangs<br />

Mögliche Gegenmaßnahmen:<br />

– Rentenkürzungen bzw.<br />

verlangsamte Erhöhung<br />

– keine Frühverrentung mehr<br />

– Erhöhung des Staatszuschusses<br />

– Steuererhöhung<br />

– Erhöhung des Rentenbeitrages<br />

– allgemeine Leistungskürzungen<br />

bei Renten (z. B. bei der<br />

Krankenversorgung)<br />

– Verlängerung der Lebensarbeitszeit<br />

mehr Erwerbstätige<br />

– Bekämpfung der Arbeitslosigkeit<br />

– Gebrutenzunahme<br />

durch Familienförderung<br />

– Einwanderung


Baustein D<br />

Trotz Sozialhilfe:<br />

Armut in<br />

Deutschland<br />

Ziele des Bausteins<br />

Armut und ihre Folgen sind Schülern<br />

durchaus geläufig und auch im Schulalltag<br />

sichtbar, wenn z.B. Eltern ihren Kindern<br />

die „angesagte“ Markenkleidung, eine<br />

aufwendige Freizeitkultur oder die<br />

Klassenfahrt ins Ausland nicht bezahlen<br />

können. Betroffene Schüler werden im<br />

Unterricht aber kaum ihre eigene Situation<br />

thematisieren wollen und dürfen dazu<br />

vom Lehrer auch nicht gezwungen werden.<br />

Um Armut aber nicht nur als statistische<br />

Größe zu behandeln, sind konkrete<br />

Fallbeispiele an den Anfang des Baustein<br />

gestellt. Die Beschreibung dreier „Armutskarrieren“<br />

soll zeigen, dass sich hinter<br />

den Zahlen sehr unterschiedliche<br />

menschliche Schicksale verbergen(vgl. D<br />

1a-c).<br />

Bevor die Schülerinnen und Schüler<br />

sozialstaatliche Maßnahmen zur Bekämpfung<br />

von Armut erörtern, ist es sinnvoll,<br />

das Ausmaß, die Ursachen und die Folgen<br />

der Armut wenigstens in Grundzügen exemplarisch<br />

kennenzulernen (vgl. D 2-8).<br />

Dabei stößt man unwillkürlich auf das<br />

Problem, dass der Begriff „Armut“ in der<br />

wissenschaftlichen wie öffentlichen Diskussion<br />

sehr unterschiedlich gebraucht<br />

wird. Die Schülerinnen und Schüler können<br />

anhand der Materialien D11 und D12<br />

die wichtigsten Armutsdefinitionen erarbeiten<br />

und ihre Berechtigung und<br />

Brauchbarkeit einschätzen lernen.<br />

In einem weiteren Schritt werden die<br />

Prinzipien und konkrete Ausgestaltung<br />

der Sozialhilfe in Deutschland vorgestellt.<br />

Die Schüler sollen erkennen, dass Sozialhilfe<br />

kein Almosen ist, sondern einen<br />

Rechtsanspruch darstellt, der aus dem Art.<br />

1 des Grundgesetzes abgeleitet wird.<br />

Mit diesen Unterrichtsschritten ist eine<br />

sachliche Diskussion über die Reform der<br />

Sozialhilfe (vgl. D 22-26) solide vorbereitet.<br />

Die Jugendlichen sollten Reformvorschläge<br />

aus der Sicht der Betroffenen,<br />

aber auch aus gesamtgesellschaftlicher<br />

Perspektive beurteilen können.<br />

Armut im <strong>Sozialstaa</strong>t<br />

Was ist überhaupt Armut?<br />

Die Forschung verwendet verschiedene<br />

Armutsdefinitionen, je nachdem was<br />

Struktur des Bausteins -<br />

Möglicher Unterrichtsverlauf<br />

Möglicher Einstieg (I):<br />

Häufig geäußerte<br />

(Vor-)Urteile über Arme<br />

Möglicher Einstieg (II):<br />

Beschreibungen<br />

von Armut/erste<br />

Überprüfung der<br />

(Vor-)Urteile<br />

Basiswissen und<br />

Kontroverse (I)<br />

Basiswissen und<br />

Kontroverse (II)<br />

Diskussion<br />

mit einer wissenschaftlichen Untersuchung<br />

bezweckt werden soll:<br />

1. Wenn man wissen möchte, wieviel<br />

Geld jemand braucht, um zu überleben,<br />

dann benötigt man ein absolutes Armutsmaß.<br />

Es gibt an, was jemand braucht, um<br />

ausreichend Nahrung und Kleidung einkaufen<br />

und sich eine Wohnung leisten zu<br />

können. Wenn von Armut in Entwicklungsländern<br />

die Rede ist, so ist meist die<br />

absolute Armut gemeint, also ein Mangelzustand,<br />

der es nicht erlaubt, die physische<br />

Existenz dauerhaft zu sichern. Auch<br />

die Sozialhilfe in der Bundesrepublik beruht<br />

letztlich auf einem absoluten Armutsbegriff.<br />

Allerdings legt man bei ihrer Berechnung<br />

nicht nur das physische Existenzminimum<br />

zugrunde. Auch soziale<br />

und kulturelle Bedürfnisse, die Vereinsmitgliedschaft<br />

oder der Kinobesuch, werden<br />

berücksichtigt. Sozialhilfe muss auch<br />

die „Beziehungen zur Umwelt und eine<br />

Teilnahme am kulturellen Leben“ (§ 12,1<br />

Bundessozialhilfegesetz) ermöglichen,<br />

Ausmaß und Ursachen<br />

der Armut (D2,7)<br />

Familie Schulze:<br />

Ein Gespräch über Armut<br />

Fallbeispiele:<br />

Drei Armutskarieren<br />

(D1a –c)<br />

Von Armut besonders<br />

betroffene Gruppen<br />

(Beispiel: Kinder; D2, 6)<br />

Was ist Armut?<br />

Der Streit um die<br />

Definition (D 9 – 14)<br />

Sozialhilfe: Regelungen<br />

und Auseinandersetzung<br />

(D15 – 21)<br />

Müssen wir mit Armut<br />

leben? Vorschläge zur<br />

Bekämpfung der Armut<br />

(Beispiele, D22–26)<br />

Folgen der Armut<br />

(Beispiel: Krank durch<br />

Armut, D5)<br />

denn nur so ist die Führung eines Lebens<br />

möglich, das der Würde des Menschen<br />

entspricht.<br />

2. Anders verhält es sich, wenn man<br />

Armut unter dem Aspekt der Ungleichheit<br />

untersuchen möchte. Dann muss man die<br />

Armen mit der Mittelschicht und den<br />

Wohlhabenden einer bestimmten Gesellschaft<br />

vergleichen. Armut ist in dieser<br />

Sichtweise eine relative Größe, in der<br />

Schweiz anders zu definieren als in Portugal<br />

oder Rumänien. Um Armut überhaupt<br />

international vergleichen zu können, setzt<br />

die Europäische Union die Armutsgrenze<br />

bei 50 Prozent des Durchschnittseinkommens<br />

im jeweiligen Land fest. Jeder, der<br />

im Rahmen des Familieneinkommens weniger<br />

als die Hälfte eines Durchschnittsbürgers<br />

seines Landes zur Verfügung hat,<br />

gilt als arm. Nach dieser Definition gibt es<br />

in Westdeutschland 9,1 Prozent Arme. In<br />

Ostdeutschland sind es 6,2 Prozent - bezogen<br />

auf das ostdeutsche Einkommen.<br />

Angaben für 1997; Statistisches Bundes-<br />

21


amt (Hrsg.): Datenreport 1999, Schriftenreihe<br />

der Bundeszentrale für politische<br />

Bildung Nr. 365, S. 589 f. Vgl. D 13<br />

Würde sich diese Berechnung auf das<br />

westdeutsche Durchschnittseinkommen<br />

beziehen, so wären dagegen 10,1 Prozent<br />

der Ostdeutschen arm.<br />

vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Datenreport<br />

1999. Schriftenreihe der Bundeszentrale<br />

für politische Bildung Band 365, S.589 f.<br />

3. Wenn man Armut empirisch erfassen<br />

und den Anteil der Armen an der Gesamtbevölkerung<br />

feststellen möchte, so<br />

muss man eine - absolute oder relative -<br />

Armutsgrenze festlegen. Zumeist geht<br />

man dabei vom Einkommen und Vermögen<br />

aus. Nach dem Ressourcen-Ansatz<br />

gelten alle Personen als arm, die über kein<br />

ausreichendes Einkommen verfügen, um<br />

das soziokulturelle Existenzminimum zu<br />

sichern. Wo die Schwelle des ausreichenden<br />

Einkommens liegt, ist zwar umstritten,<br />

aber wenn sie einmal politisch festgelegt<br />

wurde, folgt daraus eine einfache und<br />

klare Richtlinie für die Armutsbekämpfung:<br />

Der <strong>Sozialstaa</strong>t muss das zu niedri-<br />

Die Zeit v. 5. 10. 2000, Seite 6<br />

22<br />

Zeichnung:<br />

G. Mester, in:<br />

EU-Magazin<br />

Nr. 5/ 1996, S.<br />

23<br />

ge oder fehlende Einkommen auf die<br />

Höhe des Existenzminimums aufstocken.<br />

4. Schwieriger ist diese Aufgabe, wenn<br />

man nicht nur vom Einkommen ausgeht,<br />

sondern seine Aufmerksamkeit auf die<br />

tatsächliche Lebenslage von Armen richtet.<br />

Die Lebenslage eines Menschen ist<br />

nicht nur vom Einkommen, sondern auch<br />

von der Wohnsituation, den Bildungsmöglichkeiten,<br />

dem Gesundheitszustand,<br />

den Kontaktmöglichkeiten u.a.m. abhängig.<br />

Nach dem Lebenslagen-Konzept gelten<br />

alle jene als arm, die in einer oder<br />

mehrerer Hinsicht an Unterversorgung<br />

leiden, z.B. in unzumutbaren Wohnverhältnissen<br />

leben, unter gesundheitlichen<br />

Beeinträchtigungen leiden oder nur unzureichend<br />

an Lernangeboten oder gesellschaftlichen<br />

Aktivitäten teilnehmen können.<br />

Was Arme in ihrem Alltag an Diskriminierung<br />

und Benachteiligung erleben<br />

und erfahren müssen, ist mit dem Begriff<br />

der „sozialen Ausgrenzung“ sicher angemessener<br />

beschrieben als nur mit dem Begriff<br />

der „Verarmung“. Aber „so richtig<br />

es ist, den Armutsbegriff...auf die verschiedenen<br />

Dimensionen einer Lebensla-<br />

ge auszudehnen und die Multidimensionalität<br />

von Armut zu unterstreichen, so richtig<br />

ist auch: Je stärker der Armutsbegriff<br />

ausgeweitet wird, desto mehr entzieht sich<br />

die Bekämpfung der Armut staatlicher<br />

Sozialpolitik.“<br />

Huster, Ernst-Ulrich, Armut in Europa. Opladen<br />

(Leske+Budrich) 1996, S. 28 f.<br />

Armut in Deutschland<br />

Am Jahresende 1998 erhielten in der<br />

Bundesrepublik 2,91 Millionen Menschen<br />

in 1,51 Millionen Haushalten Sozialhilfe<br />

in Form der „laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt“<br />

zur Deckung ihres Grundbedarfs.<br />

Das waren rund 3,5 Prozent der<br />

Bevölkerung.<br />

Alle Zahlenangaben vgl. Statistisches Bundesamt<br />

(www.statistik-bund.de)<br />

Die Sozialhilfequote, das ist der Anteil<br />

der Hilfebezieher an der Bevölkerung, ist<br />

in den alten Bundesländern mit 3,7 Prozent<br />

nach wie vor höher als in den neuen<br />

Ländern und Ostberlin (2,7 %). Die<br />

höchsten Sozialhilfequoten wurden in den<br />

drei Stadtstaaten Bremen (10,0 %), Berlin<br />

(8,3%) und Hamburg (8,3 %) festgestellt.<br />

Die niedrigsten Sozialhilfequoten hatten<br />

Bayern (2,0 %) und Thüringen (2,1,%).<br />

Die Zahl der Sozialhilfeemfpänger ist<br />

über fast zwei Jahrzehnte hinweg gestiegen<br />

und 1998 erstmals wieder geringfügig<br />

rückläufig (0,4 % weniger Hilfeempfänger<br />

als 1997). Der Rückgang 1994 ist ausschließlich<br />

auf eine Änderung im Asylbewerberleistungsgesetz<br />

zurückzuführen,<br />

wonach Asylbewerber, Kriegsflüchtlinge<br />

und ausreisepflichtige Ausländer anstelle<br />

von Sozialhilfe Leistungen nach dem<br />

Asylbewebergesetz erhalten und damit in<br />

der Sozialhilfestatistik nicht mehr geführt<br />

werden.<br />

Ende 1998 gab es in Deutschland 2,23<br />

Millionen deutsche und 676 000 ausländi-


sche Emfpänger von laufender Hilfe zum<br />

Lebensunterhalt. Der Ausländeranteil an<br />

den Sozialhilfeempfängern lag damit bei<br />

23,3 Prozent.<br />

56,2 Prozent aller Sozialhilfeempfänger<br />

sind Frauen. Über eine Million Kinder<br />

und Jugendliche leben in der Bundesrepublik<br />

von Sozialhilfe (vgl. D 4, D 5).<br />

Sozialhilfe = „bekämpfte Armut“?<br />

Besonders umstritten ist die Frage, ob<br />

die Empfänger von laufender Hilfe zum<br />

Lebensunterhalt im Rahmen der Sozialhilfe<br />

noch als „arm“ einzustufen oder als bereits<br />

der Armutslage enthoben und damit<br />

als „nicht-arm“ zu bezeichnen sind. Dies<br />

hängt offensichtlich von dem persönlichen<br />

Werturteil ab, ob man die Höhe der<br />

Sozialhilfe als ausreichend zur Sicherung<br />

eines sozio-kulturellen Existenzminimums<br />

ansieht und ob man die Umstände<br />

der Antragsstellung und des Bezugs<br />

(scharfe Einkommensüberprüfung, Pflicht<br />

zum fast völligen vorhergehenden Vermögensverbrauch,<br />

Erstattungsanspruch des<br />

Sozialamts gegenüber Verwandten ersten<br />

Grades in gerader Linie, Stigmatisierung<br />

in der öffentlichen Meinung) mit der<br />

grundgesetzlich geschützten Würde des<br />

Menschen für vereinbar hält.<br />

Hauser, Richard: Das empirische Bild der Armut<br />

in der Bundesrepublik Deutschland - ein<br />

Überblick. Aus Politik und Zeitgeschichte B 31-<br />

32/95 , S. 5<br />

Hat der <strong>Sozialstaa</strong>t versagt?<br />

Das soziale Netz soll vor Lebensrisiken<br />

schützen und Armut verhindern. Ein<br />

Blick auf die Sozialhilfestatistik (vgl. D3,<br />

D7) offenbart aber Missstände im Sozialsystem:<br />

● Arbeitslosigkeit ist inzwischen die<br />

wichtigste Ursache für Armut. Jeder<br />

Dritte Empfänger von laufender Hilfe<br />

zum Lebensunterhalt bekommt diese<br />

Hilfe, weil er arbeitslos ist. Ein besonders<br />

großes Problem ist die Langzeitarbeitslosigkeit.<br />

Wenn das Arbeitslosengeld<br />

und die Arbeitslosenhilfe endet,<br />

werden diese Menschen in die Sozialhilfe<br />

abgedrängt. Aber schon wer Arbeitslosengeld<br />

bezieht und kinderreich<br />

ist, braucht zusätzlich Sozialhilfe. Hier<br />

versagt die Arbeitslosenversicherung<br />

(vgl. B 10 - B 14).<br />

● Auch die Altersvorsorge reicht in vielen<br />

Fällen nicht aus: Jeder Zehnte<br />

Empfänger von Sozialhilfe hat eine zu<br />

geringe Rente (vgl. D 3).<br />

● Ein weiterer Grund für den Sozialhilfe<br />

bezug ist ein unzureichender Familien-<br />

lastenausgleich besonders bei großen<br />

Familien. 37 Prozent aller Bezieher<br />

von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt<br />

sind inzwischen Kinder. Hier ist<br />

der Familienlastenausgleich gefragt.<br />

Um Armut zu bekämpfen müssten also<br />

zunächst einmal die sozialen Sicherungssysteme<br />

„armutsfest“ gemacht werden,<br />

die der Sozialhilfe als „letztem Auffangnetz“<br />

vorgeschaltet sind. So könnte beispielsweise<br />

eine ausreichende Mindestsicherung<br />

innerhalb der Rentenversicherung<br />

Armut im Alter zumindest soweit<br />

bekämpfen, dass den Rentnern der Gang<br />

zum Sozialamt erspart bliebe. Die Arbeitslosigkeit<br />

als wichtigste Ursache für<br />

den Bezug von Sozialhilfe wird sich aber<br />

mit sozialstaatlichen Maßnahmen nur<br />

schwer bekämpfen lassen (vgl. Baustein<br />

B). In diesem Zusammenhang wird häufig<br />

der Vorwurf erhoben, dass Arbeit sich<br />

wegen zu hoher Sozialhilfeleistungen<br />

nicht lohne. Fehle aber ein starker Anreiz,<br />

sich Arbeit zu suchen, weil sich mit Sozialhilfe<br />

vermeintlich „besser“ leben<br />

ließe, so schaffe der <strong>Sozialstaa</strong>t erst jene<br />

Probleme, zu deren Linderung er angetreten<br />

sei. Deshalb wird häufig eine reale<br />

Absenkung der materiellen Hilfsleistungen<br />

gefordert. Zusätzlich solle die Verpflichtung<br />

zur Annahme „zumutbarer“<br />

Arbeit verschärft werden. Nur wenn ein<br />

ausreichender „Lohnabstand“ zwischen<br />

den unteren Lohngruppen und der Sozialhilfe<br />

gewährleistet sei, würde die Arbeitssuche<br />

ernsthaft genug betrieben. Hinter<br />

dieser Forderung steht allerdings die Vorstellung,<br />

dass auch in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit<br />

die Beschäftigungslosigkeit<br />

letztlich individuell verschuldet sei.<br />

Wer arbeiten wolle, finde auch Arbeit,<br />

werde aber durch zu „üppig“ ausgestaltete<br />

Sozialleistungen daran „gehindert“. Bei<br />

dieser Frage muss allerdings berücksichtigt<br />

werden, dass die Sozialhilfe nur eine<br />

solche Hilfe zum Lebensunterhalt leistet,<br />

die nötig ist, um ein menschenwürdiges<br />

Leben zu führen (§ 1 Bundessozialhilfegesetz).<br />

Damit ist eine Untergrenze definiert,<br />

die nicht ohne weiteres unterschritten<br />

werden kann.<br />

Eine neue Sozialhilfe?<br />

„In Deutschland liegt der niedrigste<br />

Lohn bei 70 % des Durchschnittslohns, in<br />

den USA bei 30 %. Dies ist der eigentliche<br />

Grund dafür, dass die Unterbeschäftigung<br />

im Bereich der einfachen Arbeit in<br />

Deutschland so groß und in den USA so<br />

klein ist. Einfache Arbeit kostet mehr, als<br />

sie an Werten schaffen kann, und genau<br />

deshalb gibt es von ihr nicht genug.<br />

Der hohe Lohn für die einfache Arbeit<br />

kann auf die Konstruktion der deutschen<br />

Sozialhilfe zurückgeführt werden. Da<br />

man die Sozialhilfe nur dann in voller<br />

Höhe zugesprochen bekommt, wenn man<br />

kein Arbeitseinkommen erhält und da sie<br />

in weiten Bereichen eins zu eins gekürzt<br />

wird, kann der niedrigste Lohn nicht unter<br />

dem Satz der Sozialhilfe liegen.<br />

Eine Sozialhilfe, die nur bezahlt wird,<br />

wenn man eine Arbeit aufnimmt, und die<br />

zudem bis zu einer gewissen Einkommensgrenze<br />

mit dem selbstverdienten<br />

Einkommen steigt, schafft den Anreiz,<br />

auch niedrigbezahlte Jobs anzunehmen.<br />

Der Tariflohn im Bereich der einfachen<br />

Arbeit fällt, und neue Arbeitsplätze werden<br />

geschaffen.<br />

Sinn, Hans-Werner: Institut für Wirtschaftsforschung<br />

e.V., München 15.11.1999<br />

(www.ifo.de)<br />

Die Forschung hat Tendenzen in der<br />

Armutsentwicklung* ausgemacht, die unabhängig<br />

von der Auseinandersetzung<br />

über eine angemessene Höhe der Sozialhilfe<br />

jeden Bürger und politisch Verantwortlichen<br />

in der Bundesrepublik aufrütteln<br />

müssten:<br />

1. die hohen Armutsquoten von Kindern,<br />

die zu sehr ungleichen Startchancen<br />

führen;<br />

2. das hohe Armutsrisiko von Ausländern,<br />

die deren Integrationschancen<br />

verschlechtern;<br />

3. die Konzentration von armen Haushalten<br />

in einzelnen Stadtvierteln, die eine<br />

Herausforderung für den sozialen<br />

Wohnungsbau und die Stadtplanung<br />

darstellt;<br />

4. ein hoher Anteil von „verdeckter Armut“,<br />

d.h. von Personen, die zwar Anspruch<br />

auf Sozialhilfe haben, ihn aber<br />

nicht wahrnehmen (nach Schätzungen<br />

20 bis 50 Prozent!);<br />

5. die zunehmende Anzahl von Wohnungslosen<br />

bzw. Nichtsesshaften (ca.<br />

690 000 Menschen) in der Bundesrepublik<br />

Deutschland.<br />

* In Anlehung an Hauser, Richard: Das empirische<br />

Bild der Armut in der Bundesrepublik<br />

Deutschland - ein Überblick. Aus Politik und<br />

Zeitgeschichte B 31-32/95, S. 3 - 13.<br />

23


Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 6046, Juli/August 1997.<br />

Institut für Demoskopie Allensbach. FAZ vom 13. August 1997, Seite 5 (vgl. Arbeitsheft Seite 49).<br />

Unterrichtspraktische<br />

Hinweise - Anmerkung zu<br />

einzelnen Materialien<br />

Populäre Ansichten über Arme<br />

Arme haben infolge fehlender finanzieller<br />

Mittel nicht nur mit Benachteiligungen<br />

zu kämpfen, sie stoßen nicht selten<br />

auch auf Vorbehalte und Vorurteile im<br />

persönlichen Umfeld und in der Gesellschaft.<br />

Zu Beginn der Unterrichtseinheit<br />

ist es sinnvoll, sich die häufig geäußerten<br />

(Vor-) Urteile über Arme bewußt zu machen.<br />

Im Gespräch der Familie Schulze (<br />

vgl. Schülerheft, Seite 39) werden folgende<br />

populäre Ansichten über Arme genannt:<br />

● „Sie sind arm, weil sie faul sind.“<br />

● „Sie sollten dazu gebracht werden,<br />

sich eine Arbeit zu suchen.“<br />

● „Wenn sie nur ihr Geld gespart hätten,<br />

statt es zum Trinken und Spielen zu<br />

verschwenden, wären sie nicht arm.“<br />

24<br />

● „Warum reden sie von der Armut bei<br />

uns? Die wirklichen Probleme gibt es<br />

doch in der Dritten Welt.“<br />

● „Jeder ist seines Glückes Schmied.<br />

Wenn ich es geschafft habe, warum sie<br />

denn nicht auch?“<br />

● „Einmal arm, immer arm. Die Gesellschaft<br />

läßt den Armen keine Chance.“<br />

● „Die Armen sind selbst schuld an ihrer<br />

Lage, weil sie zu passiv und unselbstständig<br />

sind.“<br />

Es empfiehlt sich, dass die Schülerinnen<br />

und Schüler diese (Vor-)Urteile herausarbeiten<br />

und thesenartig zusammenfassen.<br />

Das Familiengespräch motiviert sie,<br />

ihre eigene Meinung frei zu äußern und<br />

die Liste der (Vor-)Urteile zu ergänzen.<br />

In einem weiteren Unterrichtsschritt<br />

sollten dann die aufgeführten Ansichten<br />

mit den biografischen Schilderungen der<br />

Sozialhilfe-Empfänger (D 1a-c) verglichen<br />

werden. Dies könnte ebenso eine Korrektur<br />

der eigenen Einstellung bewirken wie die<br />

Überprüfung der getroffenen Urteile mit<br />

den Statistiken D3, D4 und D7.<br />

Wird das Meinungsbild der Klasse<br />

schriftlich festgehalten, kann am Ende der<br />

gesamten Unterrichtseinheit festgestellt<br />

werden, inwieweit die Beschäftigung mit<br />

dem Thema Armut bei den Schülerinnen<br />

und Schülern eine Einstellungsänderung<br />

bewirkt hat.


Zu D9: Was gehört zu einem menschenwürdigen Leben?<br />

Diese Frage stellte eine Forschungsgruppe 1204 Bürgern in West- und Ostdeutschland. Siehe: Andreß Hans-Jürgen / Lipsmeier, Gero: Was gehört<br />

zum notwendigen Lebensstandard und wer kann ihn sich leisten? Ein neues Konzept zur Armutsmessung. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B 31-<br />

32/95, S. 35-49.<br />

Sie sollten die aufgelisteten Güter als „notwendig zum Leben“ oder als „zwar wünschenswert, aber entbehrlich“ charakterisieren (vgl. D 9).<br />

Ausgewählte Ergebnisse der Umfrage: Anteil der Befragten, Anteil der Befragten. Anteil der Sozialhilfeempfänger,<br />

die das Gut für die das Gut für die sich das Gut nicht leisten<br />

unbedingt notwendig halten entbehrlich halten können<br />

(in Prozent) (in Prozent) (in Prozent)<br />

Notwendige Dinge:<br />

11) keine feuchten Wände 87,5 12,3 6,5<br />

12) WC in der eigenen Wohnung 87,2 12,3 2,8<br />

13) Bad oder Dusche in der Wohnung 85,4 14,2 4,7<br />

14) Gas, Wasser, Strom bezahlen können 85,0 14,9 14,4<br />

15) ausreichende Heizung 83,2 16,6 8,3<br />

16) ein Berufsabschluss 81,7 17,5 2,2<br />

17) Mieten/Zinsen zahlen können 79,7 20,1 16,9<br />

18) eine Waschmaschine 79,0 19,5 11,9<br />

19) ein Radio 74,8 22,2 4,9<br />

10) gesunder Arbeitsplatz 68,2 31,8 40,3<br />

11) sicherer Arbeitsplatz 65,6 33,9 60,4<br />

12) gesund leben 65,3 34,4 12,6<br />

13) Altersversorgung (Arbeit) 58,8 40,2 50,7<br />

14) warme Mahlzeit 51,3 42,7 6,0<br />

15) ein Telefon 50,4 39,0 16,5<br />

Entbehrliche Dinge:<br />

16) Spielzeug 49,6 48,6 13,1<br />

17) Kindergarten/Kindergrippe 44,1 54,2 7,5<br />

18) einwöchiger Jahresurlaub 40,8 47,1 48,9<br />

19) Kontakt mit der Nachbarschaft 39,1 55,5 3,4<br />

20) ein Auto 33,8 42,8 44,8<br />

21) auf die Qualität achten 31,5 62,5 44,9<br />

22) guter baulicher Zustand 30,8 65,4 33,9<br />

23) Kinderzimmer 30,4 63,9 29,2<br />

24) alle zwei Tage Fleisch 22,0 53,7 21,7<br />

25) Garten, Balkon, Terrasse 21,5 66,3 13,3<br />

26) gute Wohngegend 20,1 73,2 24,2<br />

27) abends ausgehen 8,1 50,0 40,4<br />

28) neue Möbel 7,6 70,0 56,2<br />

29) neue Kleider kaufen 7,2 60,8 59,1<br />

Die Ergebnisse der repräsentativen Umfrage<br />

können im Unterrichtsgespräch zu<br />

verschiedenen Zwecken genutzt werden:<br />

● Interessant ist sicherlich ein Vergleich<br />

der Umfrage-Ergebnisse mit den Entscheidungen<br />

der Schülerinnen und<br />

Schüler.<br />

● Dieser Vergleich dürfte zwangsläufig<br />

zu einer Diskussion über die Rangfolge<br />

der einzelnen Positionen führen<br />

(Beispiel: Ist ein Radio (Nr. 9) wichtiger<br />

als ein Kindergartenplatz (Nr. 17)<br />

oder ein Kinderzimmer (Nr. 23)?)<br />

● Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang<br />

auch, welche Güter bzw. Lebensbereiche<br />

für die Menschen besonders<br />

wichtig sind (Beispiel: Wohnung<br />

Nr. 1-5,7; Beruf und Arbeit Nr. 6, 10,<br />

11, 13).<br />

● Entscheidend für den Fortgang unserer<br />

Unterrichtseinheit ist aber die Frage:<br />

Was leistet dieser Ansatz für die<br />

schwierige Definition von Armut? Als<br />

arm gilt hier, wer mindestens drei der<br />

genannten „Güter“ nicht hat bzw. sich<br />

nicht leisten kann*. Armut wird somit<br />

als Deprivation, d.h. als Ausschluss eines<br />

Menschen von mehr oder minder<br />

großen Teilen eines allgemein akzeptierten<br />

Lebensstandard definiert. Für<br />

die Beurteilung der Sozialhilfe (vgl. D<br />

15 - 21) ist dieser Gedanke interessant,<br />

weil Lebensstil bzw. Lebenschancen<br />

auch vieler Sozialhilfe-Empfänger erheblich<br />

beeinträchtigt sind (vgl. Umfrage-Ergebnis<br />

Spalte 3). Die amtliche<br />

Auffassung, dass mit der rechtlich garantierten<br />

Zahlung von Sozialhilfe die<br />

*Ebd., S. 47<br />

Armut in Deutschland „bekämpft“ sei,<br />

wird durch diese Untersuchung in Frage<br />

gestellt. Das umfangreiche Zahlenmaterial<br />

kann aus Zeitgründen im Unterricht<br />

natürlich nicht detailliert ausgewertet<br />

werden. Es lohnt sich aber,<br />

mit Hilfe der konkreten Angaben die<br />

Frage zu erörtern, ob auch ohne die als<br />

notwendig eingestuften Güter ein Leben<br />

geführt werden kann, das der Würde<br />

des Menschen entspricht (Art 1 GG;<br />

§ 1 Bundessozialhilfegesetz).<br />

Was ist eigentlich Armut?<br />

Die widerstreitenden Armutsdefinitionen<br />

können in einem Tafelanschrieb zuammengefasst<br />

werden (vgl. D11, D12):<br />

25


Wie Sozialhilfe-Empfänger ihre Situation bewältigen:<br />

(Ergebnis der Aufgaben 3 und 4 auf Seite = Aufgaben nach D21, Seite 48).<br />

Drei Beispiele / Bewältigungsmuster Herr Sylvester (D 1a) Herr Wedemayer (D 1b) Frau Haferkamp (D 1c)<br />

Wie bewältigen die Sozialhilfe- Ein dauerhafter Bezug von Das Leben mit Sozialhilfe Der Wille, den Bezug von<br />

Empfänger ihre Situation? Sozialhilfe scheint unum- wird auf Dauer aktiv Sozialhilfe zu überwinden,<br />

gänglich Die Situation wird bewältigt, weil Lebensinhalt führt früher oder später zum<br />

als hoffnungslos empfunden. und Bestätigung auch Erfolg. Der Lebensunterhalt<br />

(vgl. D19/1). außerhalb der Arbeitswelt wird meist sogar nach kurzer<br />

gefunden werden Zeit wieder aus eigenen<br />

(vgl. D19/2). Kräften bestritten<br />

(vgl. D19/3)<br />

Wie müsste der Staat helfen? Eine intensive psycho-soziale Eine finanzielle Unterstützung Vorübergehende, oft nur<br />

Betreuung wäre nötig, um reicht aus. kurzfristige, finanzielle<br />

eine Integration in die Unterstützung ist wichtig.<br />

Arbeitswelt und Gesellschaft Umschulungs- und Fortzu<br />

ermöglichen. bildungsmaßnahmen sind<br />

in diesen Fällen besonders<br />

gefragt.<br />

Die biographischen Berichte (D1) und<br />

die Beschreibung typischer Bewältigungsmuster<br />

von Sozialhilfe-Empfängern (D19)<br />

kann zwar die vorhandene Problemvielfalt<br />

nicht einfangen, schärft aber immerhin<br />

den Blick dafür, dass die finanzielle Unterstützung<br />

nicht in jedem Falle ausreicht,<br />

26<br />

Der absolute Armutsbegriff orientiert sich am<br />

Existenzminimum. Arm ist, wer die Grundbedürfnisse<br />

wie Nahrung, Wohnung, Kleidung nicht ausreichend<br />

befriedigen kann.<br />

... ein absolutes Maß oder … relativ?<br />

Ist Armut …<br />

… ein zu geringes Einkommen oder eine Lebenslage?<br />

Der Ressourcenansatz orientiert sich am<br />

(Haushalts-)Einkommen. Arm ist, wer nicht über ein<br />

ausreichendes Einkommen bzw. Vermögen verfügt<br />

um die Betroffenen zu befähigen, ein Leben<br />

unabhängig von der Sozialhilfe zu<br />

führen (vgl. § 1 Bundessozialhilfegesetz,<br />

D15). Dabei sollte die „Erkenntnis, dass<br />

die Sozialhilfe in den meisten Sozialämtern<br />

nur verwaltet wird und somit erheblich<br />

mehr Ressourcen kostet als intensive<br />

Der relative Armutsbegriff orientiert sich am durchschnittlichen<br />

Wohlstandsniveau einer Gesellschaft.<br />

Arm ist, wer weniger als 50 Prozent eines Durchschnittsbürgers<br />

zur Verfügung hat.<br />

Nach dem Lebenslagenansatz gilt als arm, wer in zentralen<br />

Lebensbereichen nicht ausreichend versorgt ist,<br />

d. h. nur unzureichend gekleidet ist, in unzumutbaren<br />

Wohnverhältnissen lebt oder nicht genug am gesellschaftlichen<br />

Leben teilnehmen kann.<br />

Beratung und Betreuung“ (Schiewer,<br />

Günter: Sozialhilfe. Leitfaden für die Praxis.<br />

Freiburg (Lambertus-Verlag): 1999,<br />

S. 16) die politisch Verantwortlichen (in<br />

Städten und Gemeinden) nachdenklich<br />

stimmen.


Baustein E<br />

Die Zukunft des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

Thesen: Ursachen für die Krise des <strong>Sozialstaa</strong>tes (vgl. E1 – 12):<br />

Die „Rundumversorgung“ des<br />

<strong>Sozialstaa</strong>tes hat den<br />

Menschen die Selbsthilfefähigkeit<br />

genommen.<br />

Die Wiedervereinigung<br />

belastet den <strong>Sozialstaa</strong>t in<br />

Deutschland.<br />

Die Globalisierung drängt<br />

auf günstige Standortfaktoren<br />

(geringe Sozialkosten).<br />

Der Faktor Arbeit wird übermäßig<br />

belastet (Lohnnebenkosten).<br />

<strong>Sozialstaa</strong>t<br />

in der Krise<br />

Reform des bundesdeutschen <strong>Sozialstaa</strong>ts:<br />

Abbau des <strong>Sozialstaa</strong>tes nach<br />

amerikanischen Vorbild (vgl. E13 –17)<br />

Zuwanderung<br />

verstärken (E25)<br />

Der <strong>Sozialstaa</strong>t ist nicht mehr<br />

finanzierbar (z.B. „Kostenexplosion“)<br />

im Gesundheitswesen.<br />

<strong>Sozialstaa</strong>t unterstützt die<br />

Bedürftigen zu wenig, weil er<br />

an alle umverteilt.<br />

Reformdiskussion<br />

Ehrenamtliches Engagement<br />

verstärken (vgl. E26 – 32)<br />

Die Belastung durch die<br />

Massenarbeitslosigkeit<br />

ist zu groß.<br />

Die demografische Entwicklung<br />

(Alterung der Bevölkerung)<br />

steigert langfristig die Sozialausgaben.<br />

Umbau des <strong>Sozialstaa</strong>tes:<br />

Staat garantiert nur Grundsicherung<br />

(vgl. C22, E26)<br />

Private Vorsorge<br />

ausweiten (vgl. E19)<br />

27


Der deutsche <strong>Sozialstaa</strong>t<br />

muss reformiert werden<br />

„Wenn der angeblich so vorbildliche<br />

und gut ausgebaute deutsche Wohlfahrtsstaat<br />

nicht in der Lage ist, das Entstehen<br />

von Armut in massenhaftem Umfang zu<br />

verhindern, so liegt das nicht an seinem<br />

zu geringen Ausgabevolumen, sondern an<br />

seiner politisch falschen, anachronistisch<br />

gewordenen Konstruktion.“<br />

Christoph Deutschmann; in: Müller,<br />

Siegfried/Otto, Ulrich (Hg.): Armut im <strong>Sozialstaa</strong>t,<br />

Neuwied 1997, S. 48f.<br />

„Wir müssen klären, wie wir angesichts<br />

der veränderten Demographie und<br />

Erwerbsbiografien überhaupt noch soziale<br />

Sicherheit erhalten können ... Ich sehe<br />

keine Chance für einen völligen Systemwechsel.<br />

Wir werden umlagefinanziert eine<br />

Grundsicherung organisieren und alles<br />

andere in die Eigenverantwortung entlassen.<br />

Es gibt jedoch Leute, die das nicht<br />

leisten können ...<br />

Da muss dann der Staat mit Sozialhilfe<br />

einspringen.“<br />

Peter Müller (saarländischer Ministerpräsident,<br />

CDU); in: DIE WOCHE vom 7. April<br />

2000, S. 8.<br />

„Werden die Kosten den Unternehmen<br />

aufgeladen, können diese sie unter dem<br />

Druck ausländischer Konkurrenten nun<br />

nicht mehr auf die Verbraucher abwälzen.<br />

Wird die Belastung nicht durch Produktivitätssteigerung,<br />

Lohnverzicht oder Abwertung<br />

ausgeglichen, so sinken die Unernehmergewinne,<br />

und das international<br />

mobile Kapital sucht sich andere Anlagemöglichkeiten<br />

... Der Staatenwettbewerb<br />

verliert jedoch an Schärfe, wenn die<br />

Kosten des <strong>Sozialstaa</strong>ts ... über Steuern<br />

auf Einkommen und Konsum finanziert<br />

werden.“<br />

Fritz Schrapf; in: Jachtenfuchs,<br />

Markus/Kohler-Koch, Beate (Hg.): Europäische<br />

Integration, Opladen 1996, S. 135.<br />

„ Der <strong>Sozialstaa</strong>t befindet sich gegenwärtig<br />

in einer Umbruchphase, und niemand<br />

kann vorhersehen, in welche Richtung<br />

er sich entwickeln wird. Wer allerdings<br />

meint, von einigen kleinen Korrekturen<br />

abgesehen werde alles so weitergehen<br />

wie bisher, verkennt die Dramatik der<br />

Situation“.<br />

Breit, Gotthard (Hg.): <strong>Sozialstaa</strong>tsprinzip und<br />

Demokratie, Schwalbach/Ts. 1996, S. 5.<br />

Im Baustein E werden die Notwendigkeit<br />

eines tiefgreifenden Umbaus des <strong>Sozialstaa</strong>ts<br />

und wichtige Ansätze für diesen<br />

Umbau thematisiert. In der wissenschaftlichen<br />

und politischen Diskussion spielen<br />

folgende Vorschläge eine wesentliche<br />

Rolle:<br />

28<br />

● Die wirkungsvolle Entlastung der Unternehmen<br />

von Steuern und Lohnnebenkosten,<br />

● die Herstellung einer größeren Eigenverantwortung<br />

der Versicherten durch<br />

private Vorsorge,<br />

● die Umlenkung von Transferleistungen<br />

zu den wirklich Bedürftigen, bei<br />

gleichzeitiger Begrenzung von Umverteilungsprozessen,<br />

● die verstärkte Bekämpfung von Armut<br />

in der Bundesrepublik (insbesondere<br />

die Behebung der Kinderarmut),<br />

● die Verbreiterung der Zahl der Sozialversicherungspflichtigen<br />

durch die<br />

Einbeziehung von Selbständigen und<br />

Beamten in die sozialen Sicherungssysteme,<br />

● der Abbau von Subventionen und Abschreibungsmöglichkeiten<br />

bei gleichzeitiger<br />

Senkung der Steuersätze,<br />

● die Absenkung von Versicherungsleistungen<br />

und Sozialhilfe,<br />

aber auch<br />

● die Schaffung von mehr „sozialer Gerechtigkeit“<br />

durch eine höhere steuerliche<br />

Belastung der hohen Einkommen<br />

und Vermögen: „Wer den <strong>Sozialstaa</strong>t<br />

retten will, darf die hohen Einkommen<br />

und Kapitalvermögen nicht unangetastet<br />

lassen. Verbunden mit einer tiefgreifenden<br />

Erbschaftssteuerreform<br />

könnte eine zeitlich befristete Abgabe<br />

auf Millionenvermögen den Staat in<br />

die Lage versetzen, eine aktive Sozialund<br />

Beschäftigungspolitik zu betreiben“<br />

(Butterwegge, Christoph: Wohlfahrtsstaat im<br />

Wandel, Opladen 1999, S. 162).<br />

(Vgl. E 18 - E23)<br />

Im Vergleich mit anderen westlichen<br />

Industriestaaten ergibt sich, dass der deutsche<br />

<strong>Sozialstaa</strong>t sehr teuer geworden ist -<br />

und dies bei einer unbefriedigenden Effizienz.<br />

Auch im Jahr 1999 sind die Sozialleistungen<br />

weiter gestiegen - sie gingen<br />

nur im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt<br />

zurück; dieser Trend droht sich fortzusetzen.<br />

Deshalb muss nach Möglichkeiten<br />

gesucht werden, das Sozialbudget abzusenken<br />

(E3-E5; vgl. A7).<br />

Bedingungsfaktoren der<br />

Sozialleistungsquote<br />

Die Sozialleistungsquote ist um so höher,<br />

1. je höher die Seniorenquote ist...,<br />

2. je höher die Arbeitslosenquote ist...,<br />

3. je älter die Demokratie ... ist...,<br />

4. je stärker die Regierungsbeteiligung<br />

von Linksparteien,<br />

5. (je stärker die Regierungsbeteiligung)<br />

von Mittelparteien...l<br />

6. (je stärker die Regierungsbeteiligung)<br />

von liberalen Parteien ist ...;<br />

7. je größer die Zahl der Regierungsparteien<br />

und die hierdurch erforderlichen<br />

Kompromissbildungskosten sind...,<br />

8. je schwächer die gegen die Mehrheit<br />

gerichteten Institutionen sind...,<br />

9. je stärker die Einbindung in den Weltmarkt<br />

und der dies ausgleichende innenpolitische<br />

Steuerungsbedarf sind...<br />

Die Sozialleistungsquote nimmt umso<br />

mehr zu,<br />

1. je niedriger die Sozialleistungsquote im<br />

Vorjahr ist,<br />

2. je schwächer die Wirtschaft gegenüber<br />

dem Vorjahr wächst ...,<br />

3. je stärker die Arbeitslosenquote ... ansteigt,<br />

4. je höher die Seniorenquote ist,<br />

5. je weniger die Regierungsgeschäfte von<br />

konservativen Parteien geführt ... werden<br />

...<br />

Die Sozialleistungsquote wächst nur langsam,<br />

stagniert oder schrumpft,<br />

1. je höher ihr Niveau in der Vorperiode<br />

ist,<br />

2. je stärker die Wirtschaft wächst,<br />

3. je mehr die Arbeitslosenquote abnimmt,<br />

4. je kleiner die Seniorenquote ist,<br />

5. je stärker konservative Parteien an der<br />

Regierung beteiligt sind,<br />

6. je mächtiger die gegen die Mehrheit gerichteten<br />

Institutionen sind.<br />

Schmidt, Manfred G.: Sozialpolitik in Deutschland,<br />

Opladen (Leske + Budrich Verlag) 1998,<br />

S.208f.<br />

Der Vergleich mit den USA<br />

Häufig wird das „Modell USA“ mit<br />

anscheinend geringen Sozialausgaben, einem<br />

größeren Wirtschaftswachstum und<br />

niedrigerer Arbeitslosigkeit als nachahmenswertes<br />

Vorbild für Deutschland genannt.<br />

Diese Diskussion sollte auch im<br />

Unterricht aufgegriffen und der deutsche<br />

<strong>Sozialstaa</strong>t mit dem US-amerikanischen<br />

verglichen werden (E13-E17). Vor einer<br />

vorschnellen Ablehnung des amerikanischen<br />

Modells ist genau so zu warnen wie<br />

vor der Meinung, man könne dieses Modell<br />

ohne weiteres auf Deutschland übertragen.<br />

Die demografischen und historischen<br />

Voraussetzungen des amerikanischen<br />

Sozialwesens unterscheiden sich<br />

grundsätzlich von denen in Deutschland;<br />

während die Bevölkerung der USA in den<br />

vergangenen 30 Jahren von rund 2,3 Millionen<br />

pro Jahr gewachsen sind, je zur<br />

Hälfte verursacht durch Zuwanderung und<br />

Geburten, verläuft die Entwicklung in<br />

Deutschland gerade umgekehrt: Die Bevölkerungszahlen<br />

schrumpfen, und der<br />

Alterungsprozess schreitet voran;<br />

während in den USA das soziale Siche-


ungssystem verhältnismäßig gering ausgebaut<br />

ist und die Eigeninitiative bei der<br />

Vorsorge für den Krankheitsfall und das<br />

Alter einen sehr hohen Stellenwert besitzt,<br />

erwarten die Deutschen traditionell viel<br />

vom <strong>Sozialstaa</strong>t und vertrauen ganz auf<br />

die vom Staat garantierte Absicherung gegen<br />

Krankheit, Not und Altersarmut. Es<br />

gibt heute kaum mehr eine Gruppe von<br />

Bevölkerung, die nicht direkt oder indirekt<br />

Empfänger staatlicher Sozialleistungen<br />

ist.<br />

Der Vergleich führt zu einem ambivalenten<br />

Ergebnis: In den USA ist die freiwillige<br />

private Vorsorge viel weiter ausgebaut<br />

als in Deutschland (7,8 Prozent<br />

des Bruttoinlandsprodukt gegenüber 0,8<br />

in Deutschland), und „die USA (können)<br />

mit weit niedrigeren Einkommenssteuern<br />

und wirksamer Förderung der freiwilligen<br />

Risikoversicherung (z.B. bei der Krankenversicherung)<br />

fast gleich große Mittel für<br />

soziale Zwecke mobilisieren wie die <strong>Sozialstaa</strong>ten<br />

Europas“ (Alfred Zanker; in:<br />

DIE WELT vom 7. Februar 2000, S.11).<br />

Andererseits „ist der amerikanische<br />

Wohlfahrtsstaat hochgradig zerspalten: Er<br />

trennt die Alten von den Jungen und die<br />

(weiße) Mittelschicht von der (schwarzen)<br />

Unterschicht. Das nationale Sozialsversicherungssystem<br />

ist nur unzureichend ausgebaut.<br />

Jeder dritte Amerikaner ist nicht krankenversichert.<br />

Jeder dritte amerikanische<br />

Arbeiter hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.<br />

Ein Drittel des Sozialbudgets<br />

ist ... Sozialfürsorge“.<br />

(Elmar Rieger; zitiert nach: Heinze, Rolf G.<br />

u.a.: Vom Wohlfahrtsstaat zum Wettbewerbsstaat,<br />

Opladen 1999, S. 46).<br />

Die Bedeutung staatlicher<br />

Sozialpolitik in der Bundesrepublik<br />

Deutschland<br />

„Sozialpolitik zielt auf Schutz vor Not,<br />

auf Sicherung gegen die Wechselfälle des<br />

Lebens und - im fortgeschrittenen Stadium<br />

- darauf, soziale Ungleichheit zu kontrollieren<br />

und einzudämmen ...<br />

● Mit dem Auf- und Ausbau der Sozialpolitik<br />

wurde ein zuvor noch nie errichtes<br />

Maß an sozialer Sicherheit für<br />

viele geschaffen. Wer hierin einen<br />

Vorgang epochaler Bedeutung sieht,<br />

irrt nicht ...<br />

● Ein beträchtlicher Teil des Sozialprodukts<br />

... (wird) für Sozialleistungen<br />

verwendet ...<br />

● Aus der Sozialpolitik für Wenige ist -<br />

vor allem im 20. Jahrhundert - die Sozialpolitik<br />

für die Vielen geworden ...<br />

● Mindestens ein Drittel aller Wähler (in<br />

der Bundesrepublik Deutschland) ist<br />

zur Sicherung seines Lebensunterhal-<br />

tes existentiell auf die Sozialpolitik angewiesen<br />

...<br />

● Heutzutage gilt als selbstverständlich,<br />

dass die große Mehrheit der Erwerbspersonen<br />

gegen Risiken des Einkommensausfalls<br />

infolge von Alter, Invalidität,<br />

Krankheit, Arbeitslosigkeit, Pflege<br />

oder Mutterschaft zwangsversichert<br />

sind und der Versicherungsschutz<br />

meist auch den Familienangehörigen<br />

zugute kommt ...<br />

● Der hohe Sozialschutz ist keineswegs<br />

selbstverständlich, sondern im weltweiten<br />

und im historischen Vergleich<br />

die Ausnahme.“<br />

Schmidt, Manfred G.: Sozialpolitik in Deutschland,<br />

Opladen (Leske + Budrich 1998, S. 13f.<br />

Didaktische und<br />

methodische Überlegungen<br />

Der Baustein E setzt die in den vorangehenden<br />

Bausteinen vermittelten Kenntnisse<br />

und Einsichten voraus. Die hier vorgeschlagenen<br />

Erörterungen zum Umbau<br />

des deutschen <strong>Sozialstaa</strong>tes bedürfen einer<br />

- wenigsten exemplarischen - Einsicht<br />

in das Wesen und die Funktionsweise der<br />

sozialen Sicherungssysteme in ihrer derzeitigen<br />

Ausprägung.<br />

Die Diskussion um die Zukunft des<br />

modernen <strong>Sozialstaa</strong>tes ist nicht auf<br />

Deutschland beschränkt. „Überall sind die<br />

Dinge aus den Fugen geraten, werden<br />

Um- und Abbaupläne geschmiedet, um<br />

den neuen Herausforderungen und Problemen<br />

gerecht zu werden“ (Heinze, Rolf G.<br />

u.a.: Vom Wohlfahrtsstaat zum Wettbewerbsstaat,<br />

Opladen 1999, S. 97).<br />

Angesichts der vielfältigen Vorschläge<br />

zur Reform des <strong>Sozialstaa</strong>tes und der<br />

Schwierigkeit, diese Vorschläge politisch<br />

umzusetzen, verbietet sich die Festlegung<br />

auf einen bestimmten Reformansatz. Die<br />

<strong>Schule</strong> kann keinen „Königsweg“ verordnen.<br />

Es geht im Unterricht darum, den<br />

Schülerinnen und Schülern die Notwendigkeit<br />

und die Möglichkeit eines wirkungsvollen<br />

Umbaus des <strong>Sozialstaa</strong>tes -<br />

Solidarität, soziale Gerechtigkeit, Freiheit<br />

der persönlichen Entfaltung und Orientierung<br />

auf das Gemeinwesen - zu vermitteln<br />

(vgl. S. 58). Martin und Sylvia Greiffenhagen<br />

hatten bereits 1993 auf die Gefahr<br />

der aktuellen Debatte hingewiesen: „Was<br />

heute unter dem Stichwort Umbau des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

diskutiert wird, ist kein Umbau,<br />

sondern ein Rückbau des sozialen Sicherungssystems,<br />

der in nie dagewesener<br />

Weise eindeutig die sozial Schwachen belastet“.<br />

(Greiffenhagen, Martin und Sylvia: Ein schwieriges<br />

Vaterland, München/Leipzig 1993, S. 322).<br />

Die Erarbeitung der Ursachen für die Krise<br />

des <strong>Sozialstaa</strong>tes kann arbeitsteilig erfolgen:<br />

Gruppe A: Kostenexplosion (E2-E3)<br />

Gruppe B: Folgen der Wiedervereinigung<br />

(E4 - E6)<br />

Gruppe C: „Konstruktionsfehler“<br />

(E7-E10)<br />

Gruppe D: Globalisierungsfolgen<br />

(E11 und E12).<br />

Man fordert die Gruppen auf, ihre Befunde<br />

auf einem Plakat zusammenzufassen<br />

und den übrigen Mitgliedern der Klasse<br />

vorzustellen; die vier Plakate ermöglichen<br />

einen hinreichenden Einblick in die<br />

aktuellen Herausforderungen des <strong>Sozialstaa</strong>tes.<br />

In gleicher Weise kann man bei den<br />

Reformansätzen verfahren: vgl. Aufgabe<br />

4, S. 56.<br />

Vorschlag für eine<br />

„Sozialkonferenz“<br />

Soll ein soziales Pflichtjahr für alle<br />

eingeführt werden?<br />

Der <strong>Sozialstaa</strong>t gewährt dem einzelnen<br />

eine beachtliche soziale Sicherheit. Dafür<br />

müssen Sozialabgaben, Versicherungen<br />

bezahlt, Steuern und Gebühren entrichtet<br />

werden. Im Alltag werden aber dann beim<br />

Arzt und in der Apotheke nicht die Kosten<br />

gefordert, die tatsächlich anfallen.<br />

Die tatsächlichen Krankheitskosten werden<br />

nach dem Solidarprinzip in der Krankenkasse<br />

umgelegt oder durch staatliche<br />

Subventionen abgedeckt. Zum Teil erwächst<br />

aus diesem System eine „Vollkasko-“<br />

und „Versorgungsmentalität“. Man<br />

stellt Ansprüche an andere, vor allem an<br />

den Staat, ist aber selbst kaum zu irgendwelchen<br />

sozialen Dienstleistungen bereit.<br />

Um den zu teuer gewordenen <strong>Sozialstaa</strong>t<br />

finanziell zu entlasten, sollen die Bürger<br />

zur kostenlose Mithilfe im sozialen Bereich<br />

herangezogen werden. In diesem<br />

Zusammenhang taucht immer wieder die<br />

Forschung auf, ein soziales Pflichtjahr für<br />

junge Frauen und Männer einzuführen,<br />

die keinen Wehrdienst ableisten. Mögliche<br />

Arbeitsaufträge an die Schülerinnen<br />

und Schüler: Diskutieren sie über diesen<br />

Vorschlag. Erarbeiten Sie dazu zunächst<br />

die (vermuteten) Haltungen der unten angegebenen<br />

Personengruppen und vertreten<br />

Sie deren Haltung in der Diskussion.<br />

Gruppe A: Als junge Frauen wären<br />

Sie von der Einführung eines sozialen<br />

Pflichtjahrs direkt betroffen. Erstellen Sie<br />

in der Gruppe ein Meinungsbild, wie Sie<br />

zu dieser Frage grundsätzlich stehen und<br />

welche Anforderungen an eine solche<br />

Dienstpflicht gegebenenfalls zu stellen<br />

wären.<br />

Gruppe B: Als junge Männer sind Sie<br />

ohnehin wehr- bzw. zivildienstpflicht. Die<br />

29


Frage der sozialen Dienstpflicht für alle<br />

interessiert Sie vor dem Hintergrund der<br />

Gleichberechtigung und der Chancengleichheit.<br />

Gruppe C: Als Vertreter sozialer Einrichtungen<br />

und ihrer Trägerorganisationen<br />

(Caritas, Diakonisches Werk, Arbeiterwohlfahrt,<br />

Paritätischer Wohlfahrtsverband)<br />

machen Sie sich für die Belange der<br />

30<br />

politischer<br />

und<br />

gesellschaftlicher<br />

„Mehrwert“<br />

Wirtschaftlicher<br />

„Mehrwert“<br />

Kosten des<br />

<strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

Hinweis zu „Wiederholen und Zusammenfassen“<br />

(Arbeitsheft S.63)<br />

Man kann das Aufbauschema für den<br />

Baustein E (siehe vorne, S. 27) den Schülerinnen<br />

und Schülern als Zusammenfas-<br />

Krankenhäuser, Sozialstationen, Altenund<br />

Behindertenheime stark.<br />

Gruppe D: Als Beschäftigte im sozialen<br />

Bereich (Sozialarbeiter, Krankenschwester,<br />

Altenpfleger, Heimleiter usw.)<br />

können Sie zum praktischen Nutzen einer<br />

sozialen Dienstpflicht kompetent Auskunft<br />

geben. Auf der anderen Seite sind<br />

sie auch der Meinung, dass soziale Arbeit<br />

Vorschlag für ein Tafelbild<br />

Kosten - und Nutzenanalyse für den <strong>Sozialstaa</strong>t<br />

Legitimation des<br />

demokratischen Systems<br />

Möglichkeit zur politischen<br />

und gesellschaftlichen<br />

Partizipation<br />

leistungswillige und<br />

bereite Arbeitnehmer<br />

weniger Streiktage<br />

Sozialleistungen<br />

(Ausgaben der<br />

Sicherungssysteme)<br />

sung der Beschäftigung mit der Krise des<br />

<strong>Sozialstaa</strong>tes und den Umbauplänen aushändigen.<br />

Es hilft ihnen bei der Strukturierung<br />

und Zusammenfassung der erarbeiteten<br />

Erkenntnisse. Wir schlagen vor,<br />

professionell ausgeübt und gut bezahlt<br />

werden sollte.<br />

Gruppe E: Als Staatsbürger vertreten<br />

Sie die Interessen der Allgemeinheit und<br />

sehen in der Sozialpflicht ein Lernprogramm<br />

für mehr Mitgefühl, Verantwortungsbereitschaft<br />

und Gemeinsinn bei jungen<br />

Leuten. Außerdem würde der <strong>Sozialstaa</strong>t<br />

finanziell entlastet.<br />

Gefahren:<br />

Individualisierung<br />

Wertewandel<br />

Unzufriedenheit wegen<br />

hoher Sozialabgaben<br />

(Schwarzarbeit, Arbeitsverweigerung,<br />

unberechtigte<br />

Inanspruchnahme<br />

von Sozialleistungen)<br />

Überforderung des<br />

<strong>Sozialstaa</strong>tes:<br />

Kostenexplosion<br />

Abwanderung des<br />

(mobilen) Kapitals<br />

Konkurrenzdruck<br />

Globalisierung<br />

dass die Jugendlichen die Eintragungen<br />

während einer Selbsttätigkeitsphase vornehmen.<br />

Die Eintragungen werden anschließend<br />

mit dem Aufbauschema verglichen,<br />

diskutiert und gegebenenfalls abgeändert.


Weiterführende<br />

Literatur<br />

Buchhandel/Bibliotheken<br />

Aus der Fülle von Publikationen zum <strong>Sozialstaa</strong>t<br />

und zur Sozialpolitik kann hier nur<br />

eine knappe Auswahl vorgestellt werden.<br />

Auf die Aufnahme von Aufsätzen in Zeitschriften<br />

musste gänzlich verzichtet werden.<br />

Adamy, Wilhelm/Steffen, Johannes:<br />

Abseits des Wohlstands. Arbeitslosigkeit<br />

und neue Armut.<br />

Verlag Primus, Darmstadt 1998<br />

– engagierte Analyse der Ursachen und Folgen<br />

zunehmender Armut in Deutschland<br />

Bäcker, Gerhard u.a.:<br />

Sozialpolitik und soziale Lage in der Bundesrepublik<br />

Deutschland, 2. Bände.<br />

Westdeutscher Verlag, Opladen 1999<br />

– lesenswerte, übersichtlich gegliederte Einführung<br />

Berger, Rainer:<br />

Der Umbau des <strong>Sozialstaa</strong>ts.<br />

Westdeutscher Verlag, Opladen/Wiesbaden<br />

1999<br />

– umfassende Zusammenstellung der Reformvorschläge<br />

der Verbände und der politischen<br />

Parteien<br />

Berthold, Norbert:<br />

Der <strong>Sozialstaa</strong>t im Zeitalter der Globalisierung.<br />

Verlag J.L.B. Mohr, Tübingen 1997<br />

– nützliche Darstellung der aktuellen Herausforderungen<br />

des <strong>Sozialstaa</strong>ts<br />

Born, Karl Erich u.a. (Hg.):<br />

Quellensammlung zur Geschichte der deutschen<br />

Sozialpolitik 1867 - 1914. 3 Bände.<br />

Verlag Wissenschaftliche Buchgesellschaft,<br />

Darmstadt 1999<br />

– umfangreiche und wichtige Materialsammlung<br />

Breit, Gotthard (Hg.):<br />

<strong>Sozialstaa</strong>tsprinzip und Demokratie<br />

Verlag Wochenschau, Schwalbach/Ts. 1996<br />

– nützliche Aufsatzsammlung mit unterschiedlichen<br />

Ansätzen zum Umbau des <strong>Sozialstaa</strong>ts<br />

Briefs, Ulrich:<br />

High Tech und sozialer Verfall<br />

Verlag Pahl-Rugenstein, Bonn 1997<br />

- überaus kritische Auseinandersetzung mit den<br />

Ursachen der Krise des deutschen <strong>Sozialstaa</strong>ts<br />

Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung<br />

(Hg.):<br />

Übersicht über das Sozialrecht<br />

Bonn 198<br />

– unentbehrliches Handbuch (Neuauflage angekündigt)<br />

Butterwegge, Christoph:<br />

Wohlfahrtsstaat im Wandel.<br />

Verlage Leske + Budrich, Opladen 1999<br />

– kenntnisreiche Beschreibung der Probleme des<br />

<strong>Sozialstaa</strong>ts mit bedenkenswerten Anregungen<br />

für eine moderne deutsche Sozialpolitik<br />

Döring, Diether:<br />

Soziale Sicherheit im Alter?<br />

Verlag Aufbau, Berlin 1997<br />

– knappe einführende Beschreibung des Rentenversicherungssystems<br />

in Deutschland und<br />

der Ansätze zu seiner Reform<br />

Frankfurter Institut-Stiftung Marktwirtschaft<br />

(Hg.):<br />

Rentenkrise. Und wie wir sie meistern können.<br />

Verlag Frankfurter Institut, Bad Homburg 1997<br />

– lesenswerte Aufsätze für die Umstellung der<br />

Rentenversicherung auf das<br />

Kapitaldeckungsverfahren<br />

Friedrich, Horst/Wiedemeyer, Michael:<br />

Arbeitslosigkeit ein Dauerproblem.<br />

Verlag Leske + Budrich, Opladen 2000<br />

– nützliche Einführung in die Hintergründe der<br />

Beschäftigungskrise mit wichtigen Vorschlägen<br />

zu ihrer Bekämpfung<br />

Gerster, Florian:<br />

Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gewinner<br />

und Verlierer im <strong>Sozialstaa</strong>t.<br />

Verlag Nomos, Baden-Baden 1997<br />

– kritische Auseinandersetzung mit den Ergebnissen<br />

der deutschen Sozialpolitik in den<br />

neunziger Jahren<br />

Heinze, Rolf G. u.a.:<br />

Vom Wohlfahrtsstaat zum<br />

Wettbewerbsstaat.<br />

Verlag Leske + Budrich, Opladen 1999<br />

– unentbehrlicher Überblick über die sozialpolitische<br />

Reformdiskussion<br />

Hengsbach, Friedhelm/Möhring-Hesse, Matthias:<br />

Aus der Schieflage heraus.<br />

Verlag Dietz, Bonn 1999<br />

– engagiertes Plädoyer für die Wiedergewinnung<br />

des Sozialen im <strong>Sozialstaa</strong>t<br />

Huf, Stefan:<br />

<strong>Sozialstaa</strong>t und Moderne. Modernisierungseffekt<br />

staatlicher Sozialpolitik.<br />

Verlag Duncker & Humblot, Berlin 1998<br />

– empfehlenswerte Analyse der Konsequenzen<br />

moderner Sozialpolitik<br />

Hunfeld, Frauke:<br />

„Und plötzlich bist zu arm“.<br />

Verlag Rowohlt, Reinbek 1998<br />

– lesenswerte, auch für die Unterrichtsvorbereitung<br />

nützliches Taschenbuch<br />

Klocke, Andreas/Hurrelmann, Klaus (Hg.):<br />

Kinder und Jugendliche in Armut.<br />

Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 1998<br />

– brauchbarer Reader zu Umfang und Auswirkungen<br />

der Jugendarmut<br />

Knappe, Eckhard/Winkler, Albritt (Hg.):<br />

<strong>Sozialstaa</strong>t im Umbruch.<br />

Verlag Campus, Frankfurt/M.-New York 1997<br />

– empfehlenswertes Sammelwerk zu Herausforderungen<br />

und Chancen einer zukunftsorientierten<br />

deutschen Sozialpolitk<br />

Lampert, Heinz:<br />

Krise und Reform des <strong>Sozialstaa</strong>tes.<br />

Verlag P. Lang, Frankfurt/M. 1997<br />

– unentbehrliche, leicht lesbare Publikation zu<br />

aktuellen Problemen des Sozialwesens<br />

Manuel, Jürgen/Neubauer, <strong>Georg</strong> (Hg.):<br />

Armut und soziale Ungleichheit bei Kindern.<br />

Verlag Leske + Budrich, Opladen 1998<br />

– wichtige, auch für Unterrichtszwecke geeignete<br />

Beiträge zu einem brisanten Problem<br />

Müller, Siegfied/Otto, Ulrich (Hg.):<br />

Armut im <strong>Sozialstaa</strong>t.<br />

Verlag Luchterhand, Neuwied 1997<br />

– leicht lesbarer Sammelband; auch für Schülerinnen<br />

und Schüler geeignet<br />

Murswieck, Axel:<br />

Sozialpolitik.<br />

Verlag Leske + Budrich, Opladen 1998<br />

-– übersichtliche Einführung in den Aufbau<br />

und die Funktion des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

Otto, Ulrich (Hg.):<br />

Aufwachsen in Armut.<br />

Verlag Leske + Budrich, Opladen 1997<br />

– kenntnisreicher Überblick über die Betroffenheit<br />

von Familien und Jugendlichen durch<br />

Arbeitslosigkeit und Armut<br />

Schmid, Josef/Niketta, Rainer (Hg.):<br />

Wohlfahrtsstaat: Krise und Reform im Vergleich.<br />

Verlag Metropolis, Marburg 1998<br />

– Sammlung nützlicher und problemorientierter<br />

Aufsätze zu aktuellen Herausforderungen des<br />

<strong>Sozialstaa</strong>tes im internationalen Vergleich<br />

Schmidt, Manfred G.:<br />

Sozialpolitik. Historische Entwicklung im<br />

internationalen Vergleich.<br />

Verlag Leske + Budrich, Opladen 1998<br />

– unentbehrliche und übersichtlich gegliederte<br />

Übersicht über die Entwicklung und die Ausprägungen<br />

des <strong>Sozialstaa</strong>tes<br />

Schönigh, Werner/L’Hoest, Raphael (Hg.):<br />

<strong>Sozialstaa</strong>t wohin?<br />

Verlag Wissenschaftliche Buchgesellschaft,<br />

Darmstadt 1996<br />

– lesenswerte Aufsatzsammlung zu wichtigen<br />

Aspekten des <strong>Sozialstaa</strong>tes und der Reformkonzepte<br />

Thuy, Peter:<br />

<strong>Sozialstaa</strong>tsprinzip und Marktwirtschaft.<br />

Verlag Paul Haupt, Berlin u.a. 1999<br />

– kenntnisreiche Darstellung der Grundlagen<br />

des deutschen <strong>Sozialstaa</strong>ts aus<br />

marktwirtschaftlicher Sicht<br />

Zinn, Karl <strong>Georg</strong>:<br />

<strong>Sozialstaa</strong>t in der Krise.<br />

Verlag Aufbau, Berlin 1999<br />

– brauchbare und angemessene Vorschläge zur<br />

Sanierung des deutschen <strong>Sozialstaa</strong>tes.<br />

31


Internet-Adressen<br />

Statistik<br />

Statistisches Bundesamt (mit Links zu allen Statistischen<br />

Landesämtern)<br />

http://www.statistik-bund.de/<br />

Eurostat (das statistische Amt der Europäischen Union)<br />

http://europa.eu.int/comm/eurostat/Public/datashop/<br />

print-catalogue/DE?catalogue=Eurostat<br />

Bundesanstalt für Arbeit<br />

http://www.arbeitsamt.de/hst/index.html<br />

Staatliche Institutionen<br />

Deutscher Bundestag (Ständige Ausschüsse für “Arbeit und<br />

Sozialordnung”, “Familie, Senioren, Frauen und Jugend” und<br />

“Gesundheit”)<br />

http://bundestag.de<br />

Bundesregierung<br />

http://bundesregierung.de<br />

Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung<br />

http://www.bma.de/<br />

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend<br />

http://www.bmfsfj.de/frameset/index.jsp<br />

Bundesministerium für Gesundheit<br />

http://www.bmgesundheit.de/<br />

Parteien<br />

Christlich Demokratische Union Deutschlands<br />

http://www.cdu.de<br />

Christlich-Soziale Union in Bayern<br />

http://www.csu.de<br />

Bündnis 90/Die Grünen<br />

http://www.gruene.de<br />

Freie Demokratische Partei<br />

http://www.fdp.de<br />

Partei des Demokratischen Sozialismus<br />

http://www.pds-online.de<br />

Sozialdemokratische Partei Deutschlands<br />

http://www.spd.de<br />

32<br />

Verbände<br />

Deutscher Industrie- und Handelstag<br />

http://www.diht.de<br />

Bundesverband der deutschen Arbeitgeberverbände<br />

http://www.bda-online.de<br />

Bundesverband der deutschen Industrie<br />

http://www.bdi-online.de<br />

Deutscher Gewerkschaftsbund<br />

http://www.dgb.de<br />

Arbeiterwohlfahrt (Verband der freien Wohlfahrtspflege)<br />

http://www.awo.de<br />

Deutscher Caritas-Verband e.V.<br />

http://www.caritas.de/<br />

Diakonie<br />

http://www.diakonie.de<br />

Paritätischer Wohlfahrtsverband<br />

http://www.paritaet.org/<br />

Verband der Rentenversicherungsträger<br />

http://www.vdr.de/<br />

Internet-Plattformen<br />

(mit zahlreichen Links und Informationen u.a. über Ansprechpartner,<br />

Diskussionsforen und Literatur zu sozialen Themen)<br />

Forum Sozialhilfe<br />

http://www.forum-sozialhilfe.de<br />

Soziales Netz- Soziale Arbeit im Netz<br />

http://www.soziales-netz.de<br />

Das Soziale Internet-Portal - Informationsplattform für das Sozial-<br />

und Gesundheitswesen<br />

http://www.sozialwesen.de<br />

Stiftung Bürger für Bürger - Deutsches Forum für freiwilliges<br />

Engagement und Ehrenamt<br />

http://www.buerger-fuer-buerger.de<br />

Das Verzeichnis lieferbarer Publikationen der Bundeszentrale<br />

für politische Bildung finden Sie auch im Internet unter:<br />

www.bpb.de.<br />

Unsere Website enthält außerdem viele aktuelle Informationen<br />

und eine Reihe von Online-Publikationen bereit (auch<br />

z.B: die “Beilage aus Politik und Zeitgeschichte” und die “Informationen<br />

zur politischen Bildung”.

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