Süsses und Service - Sympany
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1 0 I I N T E R V I E W<br />
«Sinnvoll wäre die Abschaffung des<br />
Vertragszwanges <strong>und</strong> der fixen Tarife.»<br />
Für Bernd Schips fehlt im Ges<strong>und</strong>heitswesen vor allem der Wettbewerb <strong>und</strong><br />
damit die Effizienz. Um Qualität zu garantieren, brauche es aber auch<br />
Regulierung. Ein Gespräch über die Gratwanderung in der Ges<strong>und</strong>heitspolitik.<br />
Herr Professor Schips, werden die<br />
Kosten im Ges<strong>und</strong>heitswesen auch<br />
weiterhin steigen?<br />
Ja, denn wir nehmen laufend mehr<br />
medizinische Leistungen in Anspruch.<br />
Das liegt daran, dass wir immer älter<br />
werden. Auch das veränderte Ges<strong>und</strong>heitsbewusstsein<br />
spielt eine Rolle: Es<br />
wird immer mehr diagnostiziert, wir<br />
gehen mehr zum Arzt <strong>und</strong> betreiben<br />
auch mehr medizinische Vorsorge. Ein<br />
wichtiger Faktor ist zudem die Lohnentwicklung.<br />
Das Personal ist wegen<br />
des medizinischen Fortschritts immer<br />
spezialisierter <strong>und</strong> besser ausgebildet.<br />
Damit werden auch die Krankenversicherungsprämien<br />
steigen. Das<br />
sorgt für politische Diskussionen …<br />
… <strong>und</strong> das ist zu Recht ein Ärgernis.<br />
Gleichzeitig wird aber unser Ges<strong>und</strong>heitssystem<br />
in Umfragen immer sehr<br />
gut beurteilt. Es ist die Errungenschaft<br />
des Krankenversicherungsgesetzes<br />
(KVG), dass in der Schweiz alle Zugang<br />
zu Ges<strong>und</strong>heitsleistungen haben. Bei<br />
der Prämiendiskussion ist dieser Solidarpakt<br />
wichtig. Die allermeisten nehmen<br />
keine Leistungen in Anspruch, für<br />
sie sind die Prämien sehr hoch. Wer<br />
auf Leistungen angewiesen ist, sieht<br />
dies wohl anders. Zudem schwächt die<br />
Prämienverbilligung die Problematik<br />
ab. Die reine Kostendiskussion greift<br />
jedenfalls zu kurz.<br />
Es stört Sie nicht, dass Sie immer<br />
mehr für Ges<strong>und</strong>heit bezahlen?<br />
Nicht, wenn ich dafür immer mehr <strong>und</strong><br />
bessere Leistungen erhalte: Wir wer-<br />
den älter, sind gesünder <strong>und</strong> gewinnen<br />
an Lebensqualität! Mich stört allerdings,<br />
wenn diese Leistungen nicht<br />
effizient erbracht werden. Da liegt ein<br />
grosses Potenzial für Einsparungen,<br />
welche die Kostensteigerung deutlich<br />
dämpfen könnten.<br />
Wo liegen die Gründe für die fehlende<br />
Effizienz?<br />
Im Ges<strong>und</strong>heitswesen gibt es zu wenig<br />
Wettbewerb, der die Beteiligten zu<br />
effizientem Handeln zwingen würde.<br />
Die entsprechenden Anreize fehlen:<br />
Die Krankenversicherer sind gezwungen,<br />
mit allen Leistungserbringern wie<br />
Spitälern, Ärzten, Therapeuten usw.<br />
Verträge abzuschliessen. Diese können<br />
alle Leistungen zu fixen Tarifen verrechnen<br />
<strong>und</strong> sind nicht verpflichtet,<br />
sich auf das zur Heilung Notwendige<br />
zu beschränken. Andererseits will der<br />
Patient, der seine Prämie <strong>und</strong> den<br />
Selbstbehalt bezahlt hat, eine möglichst<br />
maximale Versorgung. Dies führt<br />
zu einem Teufelskreis von immer mehr<br />
Leistungen.<br />
Zur Person<br />
Welche Anreize braucht es denn aus<br />
Ihrer Sicht?<br />
Das Sinnvollste wäre die Abschaffung<br />
des Vertragszwanges <strong>und</strong> der fixen Tarife.<br />
Die Leistungserbringer wären im<br />
Wettbewerb <strong>und</strong> müssten Überkapazitäten<br />
<strong>und</strong> Doppelspurigkeiten abbauen.<br />
Zudem sollten die Krankenversicherer<br />
mehr Freiheiten haben im<br />
Festsetzen von risikogerechten Wahlfranchisen<br />
<strong>und</strong> Prämienrabatten. So<br />
wären Sparmodelle wie Managed Care<br />
deutlich attraktiver. Denn diese weisen<br />
in die richtige Richtung. Die Koordination<br />
des Heilungsprozesses durch einen<br />
einzigen «Gatekeeper» ist nicht<br />
nur effizienter. Sie bietet, gerade bei<br />
mehrfach kranken Menschen, auch<br />
mehr Qualität.<br />
Birgt aber mehr Wettbewerb nicht<br />
die Gefahr eines Qualitätsverlustes<br />
oder einer Zweiklassenmedizin?<br />
Diese Angst wäre berechtigt, wenn<br />
das System vollständig dem Markt<br />
überlassen würde. Das ist aber nicht<br />
möglich. Gewisse Regulierungen wie<br />
Bernd Schips (71) ist emeritierter Professor für Nationalökonomie. Er leitete von<br />
1993 bis 2004 die Konjunkturforschungsstelle KOF der Eidgenössischen Technischen<br />
Hochschule Zürich. Zuvor lehrte er Ökonometrie an der Universität Bochum <strong>und</strong> baute<br />
das Institut für empirische Wirtschaftsforschung an der Universität St. Gallen auf.<br />
Seit vielen Jahren beschäftigt er sich regelmässig mit Fragen der Ges<strong>und</strong>heitsökonomie.<br />
Bernd Schips stammt ursprünglich aus Stuttgart <strong>und</strong> wohnt heute in St. Gallen.