Niedermolekulare Heparine - pharmaSuisse
Niedermolekulare Heparine - pharmaSuisse
Niedermolekulare Heparine - pharmaSuisse
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PHARMAZIE UND MEDIZIN<br />
PHARMACIE ET MÉDECINE<br />
Pharmakologie – Klinik – Anwendungshinweise<br />
<strong>Niedermolekulare</strong><br />
<strong>Heparine</strong><br />
Thomas Bombeli <strong>Niedermolekulare</strong> <strong>Heparine</strong> (NMH)<br />
haben die Prophylaxe und Therapie<br />
von Thromboembolien einfacher<br />
und sicherer gemacht. Da<br />
NMH nicht mehr standardmässig<br />
monitorisiert werden müssen und<br />
bequem mit Fertigspritzen subkutan<br />
appliziert werden können,<br />
werden die NMH für die Prophylaxe<br />
und Therapie der meisten<br />
venösen Thromboembolien ambulant<br />
therapiert. Der folgende Artikel<br />
informiert kurz über die<br />
Pharmakologie der NMH und diskutiert<br />
ausführlich die praktische<br />
Anwendung und Fragen, die sich<br />
oft in der Apotheke stellen, z. B.<br />
Präparatewechsel, Injektionstechnik,<br />
Monitoring.<br />
Abbildung 1:<br />
Gerinnungskaskade<br />
Voraussetzung für das Verständnis der<br />
Eigenschaften, welche die NMH für den<br />
ambulanten Einsatz geeignet machen, ist<br />
die Kenntnis der physiologischen<br />
Vorgänge bei der Blutgerinnung. Das<br />
Blutgerinnungssystem ist in Abbildung 1<br />
dargestellt. Am Prozess der Blutgerinnung<br />
sind verschiedene Faktoren beteiligt.<br />
Sie werden in einer Kaskade<br />
aktiviert, an deren Ende Fibrin gebildet<br />
wird. Eine Reihe von Inhibitoren kontrolliert<br />
den Gerinnungsprozess. Als<br />
wichtigster Inhibitor gilt das Antithrombin.<br />
Antithrombin hemmt durch<br />
Komplexbildung mit den Faktoren IIa<br />
(Thrombin) IXa, Xa, XIa, XIIa deren<br />
Aktivität und damit die Bildung von<br />
Fibrin. Die hemmende Wirkung von<br />
Antithrombin wird verstärkt durch<br />
Heparin. Es ist ein körpereigenes polyanionisches<br />
Polysaccharid mit einem<br />
Molekulargewicht von 6000 bis 30000<br />
Dalton, das Carboxylgruppen und<br />
Sulfatreste enthält.<br />
In-vivo wird die Gerinnung über den Tissue-Factor/FVII-Komplex initiiert, welcher dann den<br />
FX zu FXa aktiviert (Initiierungsphase). FXa seinerseits aktiviert mit Hilfe des FV (Cofaktor)<br />
den FII (Prothrombin) zum FIIa (Thrombin). Thrombin aktiviert gleichzeitig Fibrinogen<br />
und FXIII, welche zusammen dann unlösliches Fibrin bilden.<br />
Als zentrales Gerinnungsenzym aktiviert Thrombin in einem positiven Feedback-Loop auch<br />
den FXI, welcher über die Aktivierung von FIX zu FIXa das intrinsische System initiiert. FIXa<br />
aktiviert dann mittels FVIII (Cofaktor) noch mehr FX zu FXa (Propagationsphase).<br />
Journal suisse de pharmacie, 19/2004<br />
Wirkungsmechanismus<br />
<strong>Niedermolekulare</strong> <strong>Heparine</strong> (NMH)<br />
entstehen durch begrenzten Abbau des<br />
Heparins. Wie Heparin hemmen sie als<br />
Komplex mit Antithrombin die Aktivität<br />
von Faktor Xa. Dazu ist mindestens die<br />
«high affinity» Sequenz des Heparins mit<br />
fünf Saccharid-Molekülen erforderlich.<br />
Für die Hemmung des Faktors IIa<br />
(Thrombin) durch NMH ist eine<br />
Kettenlänge von mindestens 16 bis 20<br />
Saccharideinheiten notwendig. Die<br />
Hemmung von Faktor IIa ist umso<br />
grösser je länger die Polysaccharidkette<br />
und umso kleiner je kürzer die Kette ist.<br />
So hat jedes NMH aufgrund der<br />
leicht unterschiedlichen Kettenlängen ein<br />
etwas unterschiedliches Potenzial<br />
bezüglich Hemmung von FXa und FIIa.<br />
Je weniger der Faktor IIa gehemmt wird,<br />
desto weniger werden die Gerinnungstests<br />
wie die aPTT beeinflusst. Um<br />
den Einfluss jedes NMH auf die Ge-
Tinzaparin<br />
(Innohep ® )<br />
Certoparin<br />
(Sandoparin ® )<br />
Dalteparin<br />
(Fragmin ® )<br />
Nadroparin<br />
(Fraxiparin ® )<br />
Enoxaparin<br />
(Clexane ® )<br />
Fondaparinux<br />
(Arixtra ® )<br />
PHARMAZIE UND MEDIZIN<br />
PHARMACIE ET MÉDECINE<br />
Degradationsmethode<br />
(Degradation von UFH)<br />
Mittleres MG<br />
(kDa)<br />
Tabelle 1: rinnungstests abzuschätzen dient das<br />
Herstellungs- Verhältnis der Hemmung von FXa und<br />
verfahren und FIIa, die sogenannte FXa/FIIa Ratio.<br />
spezifische anti- Die Ratio ist umso grösser je kürzer<br />
koagulatorische die Polysaccharidkette, dh. je kleiner<br />
Aktivität das Molekulargewicht des NMH ist<br />
(vgl. Tabelle 1). Und – je grösser die<br />
Ratio, desto weniger werden die Gerinnungstests<br />
beeinflusst. NMH mit sehr<br />
kleiner FXa/FIIa Ratio (z. B. Dalteparin)<br />
können in höheren Dosen<br />
heparinabhängige Gerinnungstests wie<br />
die aPTT verlängern.<br />
Dass die NMH eine etwas geringere<br />
Blutungsneigung haben als Heparin, ist<br />
also dadurch bedingt, dass sie das FIIa<br />
(Thrombin) weniger hemmen, was – so<br />
glaubt man – die Aktivierbarkeit der<br />
Thrombozyten besser aufrecht erhält.<br />
Struktur<br />
Vgl. Tabelle 1<br />
Die NMH-Handelspräparate unterscheiden<br />
sich im Herstellungsverfahren,<br />
im Sulfatisierungsgrad und im Molekulargewicht<br />
und infolgedessen in ihrer Anti-<br />
FIIa und Anti-FXa-Aktivität pro Gewicht.<br />
Die Dosierung wird als Anzahl<br />
Einheiten (U.I.) anti-Xa/mg angegeben.<br />
Während alle bisherigen NMH ausschliesslich<br />
tierischen Ursprungs waren<br />
(meist Schweinedarm), ist nun mit dem<br />
Fondaparinux (Arixtra ® ) das erste rein<br />
synthetische NMH auf den Markt<br />
gekommen. Obwohl die Herstellerfirma<br />
von Fondaparinux wahrscheinlich aus<br />
Marketing-Überlegungen den Namen<br />
«Heparin» tunlichst vermeidet und nur<br />
von einem selektiven FXa-Hemmer<br />
spricht, ist Fondaparinux jedoch sowohl<br />
strukturell als auch funktionell ein<br />
Heparin. Es besteht aus 5 sulfatierten<br />
Saccharid-Einheiten. Bedingt durch<br />
diese nun kürzest mögliche Struktur hat<br />
Fondaparinux eine ausschliessliche Anti-<br />
FXa- und keine Anti-FIIa-Aktivitiät.<br />
713<br />
Anti-FXa<br />
(IU/mg)<br />
Anti-FXa/Anti-<br />
FIIa-Ratio<br />
Heparinylase, â-Elimination 5,6–7,5 70–120 1,5–2,5<br />
Hydrolyse mit Isoamylnitrit 4,2–6,2 80–120 1,5–2,5<br />
Hydrolyse mit HNO2 5,6–6,4 110–120 1,9–3,2<br />
Hydrolyse mit HNO2 und<br />
Fraktionierung<br />
Benzylierung und alkalische<br />
â-Elimination<br />
3,6–5,0<br />
3,5–5,5<br />
95–135<br />
95–125<br />
2,5–4,0<br />
3,3–5,3<br />
synthetische Herstellung 1,73 ca. 650 nur Anti-FXa-Aktivität<br />
Injektion 1mal oder 2mal<br />
täglich?<br />
Trotz unterschiedlicher Strukturmerkmale<br />
besitzen die verschiedenen NMH-<br />
Präparate nur relativ geringe, klinisch<br />
fassbare pharmakokinetische Unter-<br />
schiede. Die Eliminationshalbwertszeit<br />
beträgt für Fondaparinux 13 bis 21<br />
Stunden, für alle anderen NMH 3 bis 5<br />
Stunden. Bei allen Präparaten ist im Blut<br />
eine messbaren Anti-FXa-Aktivität von<br />
ca.18 bis maximal 24 Stunden vorhanden.<br />
Obwohl die zweimal tägliche<br />
Applikation zu einem ausgeglicheneren<br />
Anti-FXa-Spiegel führt (konstanter<br />
Through-Level) als die einmalige Injektion,<br />
führt dieses Schema nicht zu<br />
einer verbesserten Wirksamkeit, wie<br />
vergleichende Studien gezeigt haben.<br />
Dies bedeutet, dass zumindest in der<br />
prophylaktischen Anwendung alle<br />
NMH-Präparate nur 1 x täglich verabreicht<br />
werden müssen.<br />
Für die Therapie von Thromboembolien<br />
sind zur Zeit drei NMH zugelassen.<br />
Die Hersteller von Dalteparin<br />
(Fragmin ® ) und Nadroparin (Fraxiforte<br />
® ) empfehlen, die ganze Tagesdosis<br />
mit einer Injektion zu verabreichen. Der<br />
Hersteller von Enoxaparin (Clexane ® )<br />
hingegen empfiehlt nach wie vor, die<br />
Tagesdosis von 200 IE/kg auf<br />
2 ×100 IE/kg aufzuteilen. Bei allen drei<br />
Präparaten gibt es erfolgreiche Studien<br />
mit sowohl einmal als auch zweimal<br />
täglicher Anwendung, so dass es im<br />
klinischen Alltag von nicht allzu grossem<br />
Belang ist, ob die Tagesdosis in<br />
einer oder zwei Injektionen verabreicht<br />
wird. Obwohl für therapeutische Anwendungen<br />
in der Schweiz noch nicht<br />
zugelassen, wurde das Certoparin<br />
(Sandoparin ® ) in den bisherigen Studien<br />
meist auf zwei Dosen verteilt, während<br />
das Fondaparinux (Arixtra ® ) aufgrund<br />
der langen Halbwertszeit nur einmal<br />
täglich verabreicht wurde.<br />
Schweizer Apothekerzeitung, 19/2004<br />
Bei Niereninsuffizienz wurde klar<br />
gezeigt, dass bei einer stärkeren Niereninsuffizienz<br />
(GFR
Venöse Thromboembolien<br />
Prophylaxe<br />
– Allg.Chirurgie, Orthopädie<br />
– Traumatologie, Innere Medizin<br />
– Schwangerschaft<br />
Therapie<br />
– Venenthrombose, Lungenembolie<br />
– Sinusvenenthrombose<br />
Arterielle Thromboembolien*<br />
Gefässchirurgie<br />
Angioplastie / Stenting<br />
Herzinfarkt<br />
Instabile Angina pectoris<br />
Vorhofflimmern<br />
akuter Schlaganfall<br />
* meist stationär eingesetzt<br />
Tabelle 2:<br />
In Studien geprüfte<br />
Indikationen<br />
(nicht identisch<br />
mit zugelassenen<br />
Indikationen)<br />
Tabelle 3:<br />
Dosierungsempfehlungen<br />
in<br />
der Prophylaxe<br />
und Therapie von<br />
venösen Thromboembolien<br />
(Tagesdosen)<br />
PHARMAZIE UND MEDIZIN<br />
PHARMACIE ET MÉDECINE<br />
Dalteparin<br />
Fragmin ®<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
gewiss einfacher, da nicht gerechnet<br />
werden muss und nur zwei Dosierungen<br />
in Frage kommen. Beim Certoparin<br />
(Sandoparin ® ) und Fondaparinux<br />
(Arixtra ® ) ist es noch einfacher, da diese<br />
Präparate weder gewichts- noch risikoadaptiert<br />
verabreicht werden können.<br />
Prinzipiell sollte die Standarddosierung<br />
nur in Ausnahmefällen abgeändert<br />
werden, z. B. eine Dosisreduktion bei<br />
Patienten mit Niereninsuffizienz, sehr<br />
alten Patienten und Patienten mit einer<br />
bekannten Blutungsneigung. Dosiserhöhungen<br />
können notwendig werden<br />
bei schwangeren Patientinnen im letzten<br />
Trimenon (erhöhtes Plasmavolumen),<br />
bei Patienten mit einem extrem hohen<br />
BMI, wenn mit der Standarddosis keine<br />
genügende Anti-FXa-Aktivität erreicht<br />
wird. Persönlich gebe ich ab einem BMI<br />
>35 eine höhere Dosis Enoxaparin<br />
(Clexane ® ) oder Dalteparin (Fragmin ® );<br />
zum Beispiel 7500 IE Dalteparin<br />
anstelle von 5000 IE bei Patienten mit<br />
hohem Thromboserisiko.<br />
Dalteparin<br />
Fragmin ®<br />
Prophylaxe Risikoadaptiert:<br />
2500 IU s.c.<br />
(niedriges Rsiko)<br />
5000 IU s.c.<br />
(hohes Risiko)<br />
Enoxaparin<br />
Clexane ®<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
Nadroparin<br />
Fraxiparin ®<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
–<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
–<br />
Ja<br />
Austauschbarkeit<br />
Obwohl sich viele renommierte Experten<br />
immer wieder der Frage der Austauschbarkeit<br />
annehmen, scheint sie,<br />
und dies vor allem aufgrund fehlender<br />
direkt-vergleichender Studien, kaum<br />
lösbar zu sein. Bei Augenmerk auf die<br />
Pharmakokinetik, Pharmakodynamik<br />
und antikoagulatorische Funktion gibt<br />
es, wie oben beschrieben, sehr wohl<br />
signifikante Unterschiede zwischen den<br />
einzelnen Präparaten. Vergleicht man<br />
aber die klinische, antithrombotische<br />
Wirkung (was nicht das gleiche ist wie<br />
der antikoagulatorische Effekt!), dann<br />
sind die verschiedenen NMH einander<br />
sehr ähnlich und Unterschiede kaum<br />
auszumachen. Mit anderen Worten:<br />
wenn man einen Patienten mit einem<br />
hohen Thromboserisiko von 5000 IE/d<br />
Dalteparin (Fragmin ® ) auf Enoxaparin<br />
(Clexane ® ) umstellen muss, so ist es in<br />
Notfallsituationen vertretbar, diesem<br />
Patienten eine antithrombotisch äquivalente<br />
Dosis zu verabreichen, nämlich<br />
4000 IE/d Enoxparin. Wegen den oben<br />
erwähnten pharmakokinetischen Unterschieden<br />
sollte aber eine mit einem bestimmten<br />
Präparat begonnene Therapie<br />
Enoxaparin<br />
Clexane ®<br />
Risikoadaptiert:<br />
2000 IU s.c.<br />
(niedriges Risiko)<br />
4000 IU s.c.<br />
(hohes Risiko)<br />
Nadroparin<br />
Fraxiparin ®<br />
Gewichtsadaptiert:<br />
< 70 kg: 0,4 ml<br />
(3800 IU) s.c.<br />
> 70 kg: 0,6 ml<br />
(5700 IU) s.c.<br />
Therapie Fraxiforte ®<br />
Gewichtsadaptiert<br />
( 1 Dosis pro Tag<br />
empfohlen):<br />
1 ×200 IU/kg s.c.<br />
Gewichtsadaptiert<br />
(2 Dosen pro Tag<br />
empfohlen):<br />
2 ×100 IU/kg s.c.<br />
Journal suisse de pharmacie, 19/2004<br />
Gewichtsadaptiert<br />
( 1 Dosis pro Tag<br />
empfohlen):<br />
50–70 kg: 0,6 ml<br />
(11 400 IU) s.c.<br />
70–90 kg: 0,8 ml<br />
(15200 IU) s.c.<br />
> 90 kg: 1,0 ml<br />
(19000 IU) s.c.<br />
Certoparin<br />
Sandoparin ®<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
Fondaparinux<br />
Arixtra ®<br />
Ja<br />
Ja<br />
–<br />
Ja<br />
–<br />
–<br />
in Evaluation<br />
in Evaluation<br />
–<br />
–<br />
wirklich nur in Notfallsituationen und<br />
nach Rücksprache mit dem behandelnden<br />
Arzt mit einem anderen Präparat<br />
fortgesetzt werden.<br />
Therapeutische Anwendung<br />
im ambulanten Bereich<br />
Im ambulanten Bereich werden NMH<br />
ausschliesslich zur Therapie von tiefen<br />
Venenthrombosen und leichten (das<br />
heisst nicht zentralen oder hämodynamisch<br />
wirksamen) Lungenembolien<br />
angewendet (vgl. Tabelle 2). Die Standarddosis<br />
für die Therapie von venösen<br />
Thromboembolien beträgt 200 IE/kg/<br />
Tag, entweder als Einmaldosis oder<br />
auch verteilt über 2 Tagesdosen im Abstand<br />
von 12 Stunden (vgl. Tabelle 3).<br />
Die Dauer der NMH-Therapie nach<br />
einer Thromboembolie richtet sich<br />
primär nach der Zeit, wie lange es dauert<br />
bis der INR unter der gleichzeitig<br />
initierten oralen Antikoagulation im<br />
therapeutischen Bereich ist. Weniger als<br />
6 bis 7 Tage sollte die NMH-Therapie<br />
aber in keinem Fall sein, da es auch bei<br />
grosser Coumarin-Loadingdose immer<br />
mehrere Tage dauert, bis der Faktor II,<br />
welcher entscheidend ist für<br />
Certoparin<br />
Sandoparin ®<br />
Unabhängig von<br />
Gewicht & Risiko:<br />
3000 IU s.c.<br />
Fondaparinux<br />
Arixtra ®<br />
Unabhängig von<br />
Gewicht & Risiko:<br />
2,5 mg s.c.
PHARMAZIE UND MEDIZIN<br />
PHARMACIE ET MÉDECINE<br />
Hämostasediagnostik<br />
Thromboplastinzeit = Quicktest<br />
Mass für die Aktivität von Fibrinogen und Faktor II, V, VII, und X<br />
Verwendung: Überwachung der Therapie mit oralen Antikoagulantien.<br />
Messgrösse: Zeit in Sekunden bis zur Bildung eines Fibringerinnsels<br />
Messung: Gerinnungszeit nach Inkubation von Zitratplasma mit Gewebethromboplastin<br />
(Tissue Factor, Kalziuim und Phospholipide)<br />
Angabe:<br />
1. Quickwert =Thromboplastinzeit (TPZ) = Prothrombinzeit (PT):<br />
Gerinnungszeit in % eines Referenz-Normalplasmas<br />
2. International Normalized Ratio (INR): Quotient Gerinnungszeit<br />
Patientenplasma zu Gerinnungszeit Referenz-Normalplasma. Diese<br />
Ratio wird mit einem Korrekturfaktor (ISI = International Sensitiviy<br />
Index) multipliziert, welcher die Unterschiede von verschiedenen<br />
Reagenzien korrigiert, so dass sich INR-Werte verschiedener Labors<br />
vergleichen lassen.<br />
Normalbereich: Quick 70–120%, INR 1,0–1,1<br />
Therapeutischer Bereich: Quick: 20–30%, INR 2–3<br />
Aktivierte partielle Thrombinzeit = aPTT<br />
Mass für die Aktivität von Fibrinogen und Faktor II, V, VIII, IX, X, XI und<br />
XII<br />
Verwendung: Überwachung der Heparintherapie und Suchtest für<br />
Faktorenmangel<br />
Messgrösse: Zeit in Sekunden bis zur Bildung eines Fibringerinnsels<br />
Messung: Gerinnungszeit nach Inkubation von Zitratplasma mit Phospholipid,<br />
Kalzium und einem Oberflächenaktivator (z. B. Ellagsäure,<br />
Kaolin)<br />
Angabe: Sekunden<br />
Normalbereich: 28–40 Sekunden (je nach Reagens)<br />
Therapeutischer Bereich: bei Heparinisierung: 1,5–2,5facher Ausgangswert<br />
eine effektive Antikoagulation, im therapeutischen<br />
Bereich ist. Bevor NMH<br />
sistiert werden können, muss der INR<br />
für mindestens 48 Stunden im therapeutischen<br />
Bereich liegen.<br />
Injektionstechnik<br />
Da NMH nicht mehr standardmässig<br />
monitorisiert werden müssen und bequem<br />
mit Fertigspritzen subkutan appliziert<br />
werden können, müssen die<br />
Patienten nun grossenteils sich selbst die<br />
Injektionen machen. Eine exakte Anleitung<br />
zur korrekten subkutanen Injektionstechnik<br />
ist daher entscheidend. Mir<br />
ist persönlich ein Fall bekannt, wo es<br />
durch eine völlig falsche und vom Hausarzt<br />
nicht kontrollierte Injektionstechnik<br />
bei einer schwangeren Patientin zu einer<br />
massiven Embolisierung kam, wodurch<br />
das Kind starb und die Patientin nur<br />
knapp überlebte. Auf folgende Punkte<br />
sollte bei der Subkutaninjektion geachtet<br />
werden:<br />
– Zusammenpressen einer genügend<br />
dicken Hautfalte (genügend subku-<br />
tanes Gewebe)<br />
– Einführen der ganzen Nadel mit einem<br />
90 ° -Winkel<br />
– Kein Loslassen der Hautfalte<br />
– Langsame Injektion<br />
Journal suisse de pharmacie, 19/2004<br />
– Nadel nicht abrupt herausziehen<br />
(sonst kann die Flüssigkeit wieder<br />
austreten)<br />
– Leichter Druck mit einem Tupfer auf<br />
Injektionsstelle (nicht massieren)<br />
Trotz der Möglichkeit der einmaligen<br />
Injektion verordne ich bei Patienten mit<br />
wenig oder gar keiner Erfahrung in der<br />
Selbstinjektionstechnik meist die zweimalige<br />
Injektion, da das Injektionsvolumen<br />
(z.B. bei Fragmin ® ) nur halb so<br />
gross ist und damit häufige Injektionsfehler<br />
wie das Wiederaustreten der<br />
Flüssigkeit beim Nadelrückzug sich<br />
weniger stark auswirken. Wird nur eine<br />
einmal tägliche Injektion verabreicht,<br />
wird diese in der Regel abends gegeben,<br />
doch ist dies nicht obligat.<br />
Lokale Hautreaktionen<br />
Lokale Hämatome und Indurationen<br />
sind sehr häufig und kein Grund, NMH<br />
abzusetzen. Bilden sich jedoch um die<br />
Injektionsstellen grossflächige Rötungen<br />
mit gegebenenfalls Papeln oder Pusteln,<br />
ist dies ein Zeichen einer allergischen<br />
Reaktion. Bilden sich gar kleine Hautnekrosen<br />
spricht dies für eine Heparininduzierte<br />
Thrombozytopenie vom Typ<br />
II (HIT II). In diesen Fällen muss das<br />
NMH rasch abgesetzt werden, und der<br />
Patient muss allergologisch und/oder<br />
bezüglich einer HIT II abgeklärt<br />
werden.<br />
Schwangerschaft<br />
Obschon gewisse Hersteller von NMH<br />
(z. B. Clexane ® ) den Einsatz von NMH<br />
in der Schwangerschaft immer noch als<br />
Kontraindikation angeben, werden<br />
NMH seit gewiss bald 10 Jahren routinemässig<br />
in allen Phasen der Schwangerschaft<br />
sowohl in der Prophylaxe als<br />
auch in der Therapie erfolgreich eingesetzt.<br />
In einer eigenen Studie mit mehr<br />
als 300 Schwangeren sahen wir unter<br />
NMH keine einzige schwere Komplikation.<br />
Klinische Erfahrungen mit<br />
Fondaparinux in der Schwangerschaft<br />
bestehen noch nicht. In-vitro-Studien<br />
haben aber gezeigt, dass Fondaparinux<br />
nicht oder nur minim plazentar transferiert<br />
wird, so dass eine klinische Anwendung<br />
möglich zu sein scheint.<br />
Monitoring<br />
Wie bereits erwähnt, liegt der grosse<br />
Vorteil der NMH darin, dass sie im Gegensatz<br />
zum UFH nicht mit Laborkon-<br />
trollen monitorisiert werden müssen,<br />
selbst wenn sie therapeutisch angewendet<br />
werden. Bei folgenden Situationen<br />
kann ein Monitoring aber trotzdem<br />
einmal notwendig werden: sehr tiefes<br />
oder sehr hohes Körpergewicht (ab<br />
wann ist nicht definiert; Faustregel: 100 kg), Niereninsuffizienz und<br />
Auftreten von Blutungen oder Re-<br />
Thrombosierungen. Muss ein Monitoring<br />
durchgeführt werden, muss dies<br />
immer mit dem Anti-FXa-Test geschehen.<br />
Die aPTT oder Thrombinzeit sind<br />
dafür viel zu wenig empfindlich.<br />
Wichtig hingegen ist die Bestimmung<br />
der Thrombozytenzahl ca. 4 bis 7 Tage<br />
nach Beginn einer NMH-Therapie, um<br />
eine allfällige Heparin-induzierte<br />
Thrombozytopenie vom Typ II (HIT<br />
II) nicht zu verpassen. Zwar tritt eine<br />
HIT II unter NMH extrem selten auf<br />
(wahrscheinlich
PHARMAZIE UND MEDIZIN<br />
PHARMACIE ET MÉDECINE<br />
Dieser Artikel wurde im Auftrag der<br />
AKA geschrieben von:<br />
PD Dr. med. Th. Bombeli,<br />
FMH Innere Medizin und Hämatologie<br />
Leiter Gerinnungslabor,<br />
Abt. Hämatologie<br />
Universitätsspital, Zürich<br />
Für die AKA redaktionell bearbeitet von<br />
Marianne Beutler<br />
Korrespondenzadresse<br />
Arzneimittelkommission der<br />
Schweizer Apotheker AKA<br />
Postfach 5247<br />
3001 Bern<br />
Tel. 01 994 75 63 Fax<br />
01 994 75 64 $<br />
E-Mail: mail@aka.ch<br />
Weiterführende Literatur<br />
[ 1] Bombeli T. Management von Thrombosen<br />
und Blutungen. Ein klinisches Vademecum.<br />
2002. Hans Huber Verlag, Bern.<br />
[2 ] Sarret M, Kher A, Toulemonde F. Low molecular<br />
weight heparin therapy. Am evaluation<br />
of clinical trials evidence. 1999. Publisher:<br />
Marcel Dekker<br />
[3] Haas S, Haas P. <strong>Niedermolekulare</strong> <strong>Heparine</strong><br />
– Die Anwendung in Klinik und Praxis.<br />
1999. Zett Verlag<br />
717<br />
Schweizer Apothekerzeitung, 19/2004