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Die Haftung des Wirtschaftstreuhänders im Lichte der neuesten ...

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Tagesfragen T 71<br />

<strong>Die</strong> <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> <strong>Wirtschaftstreuhän<strong>der</strong>s</strong> <strong>im</strong> <strong>Lichte</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>neuesten</strong> OGH-Judikatur<br />

Entwurf zum Finanzmarktaufsichtsgesetz sieht <strong>Haftung</strong>sausweitungen für gesetzliche<br />

Abschlussprüfer vor<br />

VON MAG. DR. THOMAS KEPPERT*)<br />

Der OGH hat sich in jüngster Zeit in zwei Entscheidungen mit <strong>der</strong> <strong>Haftung</strong> <strong>der</strong> Wirtschaftstreuhän<strong>der</strong><br />

befasst. Vorerst wurde vom OGH 1 ) die <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> Wirtschaftsprüfers <strong>der</strong> BHI Bank AG<br />

<strong>im</strong> gesetzlichen Höchstausmaß festgestellt. Nahezu zeitgleich hat ein an<strong>der</strong>er Senat <strong>des</strong><br />

OGH 2 ) die in den Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftstreuhän<strong>der</strong> enthaltene verkürzte<br />

Verjährungsfrist von 6 Monaten ab Kenntnis <strong>des</strong> Schadens für rechtens erklärt. <strong>Die</strong> Bedeutung<br />

dieser beiden Entscheidungen für den Berufsstand gilt es auszuloten. Ergänzend sollen<br />

die durch den vorliegenden Ministerialentwurf zum Finanzmarktaufsichtsgesetz vorgesehenen<br />

<strong>Haftung</strong>sausweitungen für gesetzliche Abschlussprüfer kritisch beleuchtet werden.<br />

1. <strong>Die</strong> <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> Wirtschaftsprüfers als Abschlussprüfer<br />

1.1. <strong>Die</strong> Konkretisierung <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen Rechtslage durch die OGH-Entscheidung<br />

<strong>Die</strong> <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> Wirtschaftsprüfers als gesetzlicher Abschlussprüfer ist in letzter Zeit –<br />

angesichts medienwirksamer Fehlleistungen – beson<strong>der</strong>s ins Interesse <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

geraten. Insbeson<strong>der</strong>e die allfällige Dritthaftung <strong>des</strong> Abschlussprüfers wurde in <strong>der</strong> Literatur3<br />

) intensiv abgehandelt. <strong>Die</strong>se soll hier – angesichts <strong>der</strong> bereits vorliegenden literarischen<br />

Fülle – nicht weiter untersucht und vertieft werden.<br />

Der OGH hat mit <strong>der</strong> hier zu referierenden Entscheidung einen ersten Präzedenzfall zur<br />

<strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> gesetzlichen Abschlussprüfers nach § 275 HGB geschaffen, an <strong>des</strong>sen<br />

Kernaussagen es sich nunmehr zu orientieren gilt. Aus <strong>der</strong> Sachverhaltsdarstellung<br />

<strong>der</strong> OGH-Entscheidung geht hervor, dass<br />

� die von <strong>der</strong> Bank <strong>im</strong> eigenen Portefeuille gehaltenen Investmentzertifikate zu Anschaffungskosten<br />

bewertet wurden, obwohl eine Abwertung wegen dauerhafter<br />

Wertmin<strong>der</strong>ung erfor<strong>der</strong>lich gewesen wäre. Durch den gleichzeitigen Ausweis von<br />

abgegrenzten Erträgen als aktive Rechnungsabgrenzungsposten sei eine doppelte<br />

Erfassung von Erträgen erfolgt, die die Höhe <strong>des</strong> Eigenkapitals überschritten habe.<br />

Infolge dieser fehlerhaften Bilanzierung sei die Redepflicht nach § 273 Abs. 2 HGB<br />

sowie die Berichtspflicht gegenüber BMF und OeNB nach § 24 Abs. 8 KWG nicht<br />

ausgeübt worden;<br />

� <strong>der</strong> Bankvorstand dem Abschlussprüfer offenbar in <strong>der</strong> Bilanz nicht ausgewiesene<br />

<strong>Haftung</strong>en verschwiegen hat, auf welche <strong>der</strong> Prüfer bei pflichtgemäßer Obsorge seines<br />

Auftrages stoßen hätte müssen. Da die Prüfung <strong>im</strong> Bereich <strong>des</strong> Depotgeschäfts infolge<br />

Fehlens eines internen Kontrollsystems ungenügend war, wurden Sperrvermerke<br />

auf den zur Verfügung gestandenen Drittverwahrerbestätigungen nicht entdeckt;<br />

� die Abschlussprüfung lediglich 200 Arbeitsstunden in Anspruch nahm, wogegen<br />

eine pflichtgemäße Prüfung einen Aufwand von 320 Stunden erfor<strong>der</strong>t hätte;<br />

*) Mag. Dr. Thomas Keppert ist Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Immobilienverwalter in Wien.<br />

1 ) OGH 23. 10. 2000, 8 Ob 141/99 i, RdW 2001, 81; Gelter, BHI-Pleite: <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> Abschlussprüfers,<br />

RdW 2001, 69.<br />

2 ) OGH 24. 10. 2000, 1 Ob 1/00 d, JBl. 2001, 232.<br />

3 ) Walter, <strong>Die</strong> <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> Wirtschaftsprüfers, RWZ 1997, 315; Nowotny, Dritthaftung <strong>des</strong> Wirtschaftsprüfers,<br />

RdW 1998, 387; Liebscher, Der Abschlussprüfer – Aufgaben und <strong>Haftung</strong>, Wien 1998; Nowotny/<br />

Sterl/Zehetner/Gelter, Verantwortung und <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> Abschlußprüfers, in IWP, Wirtschaftsprüfer-<br />

Jahrbuch 98, Wien 1999; Schauer, <strong>Die</strong> <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> Abschlußprüfers, RdW 1999, 290; Gelter, <strong>Haftung</strong><br />

<strong>des</strong> Abschlussprüfers gegenüber <strong>der</strong> Hausbank, RWZ 1999, 295; Haberl, <strong>Die</strong> <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> Wirtschaftsprüfers<br />

als gesetzlicher Abschlussprüfer, Wien 2000; Artmann, <strong>Die</strong> <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> Abschlussprüfers<br />

für Schäden Dritter, JBl. 2000, 623.<br />

SWK-Heft 15 20. Mai 2001 607


T 72 Tagesfragen<br />

� keine schriftliche Prüfungsplanung vorlag.<br />

<strong>Die</strong> Bedeutung <strong>der</strong> beiden letzten Mängel für die Urteilsfindung ist <strong>der</strong> Entscheidung<br />

<strong>des</strong> OGH nicht zu entnehmen, sie werden eher nur obiter erwähnt. Der OGH sah <strong>im</strong> konkreten<br />

Fall offensichtlich den Schwerpunkt <strong>des</strong> Fehlverhaltens <strong>des</strong> Abschlussprüfers in<br />

den beiden ersten Feststellungen. Dem ist grundsätzlich zuzust<strong>im</strong>men, da <strong>der</strong>art gravierende<br />

Bilanzierungsmängel <strong>im</strong> Rahmen einer ordnungsgemäßen Abschlussprüfung<br />

zweifellos aufzudecken sind.<br />

Von beson<strong>der</strong>er Bedeutung für den Berufsstand <strong>der</strong> Wirtschaftsprüfer sind aber Ausführungen<br />

<strong>des</strong> OGH, wonach es Aufgabe <strong>des</strong> Abschlussprüfers sei, rechtswidrige Verhaltensweisen<br />

<strong>des</strong> Vorstands aufzudecken. Der vom Abschlussprüfer zu erstellende<br />

Prüfbericht stelle eine wichtige Grundlage für die Beurteilung <strong>der</strong> Tätigkeit <strong>des</strong> Vorstands<br />

durch den zu seiner Kontrolle, seiner Bestellung und Abberufung zuständigen Aufsichtsrat<br />

dar und habe daher auch den Zweck, eine vorsätzlich unrichtige Rechnungslegung<br />

<strong>des</strong> Vorstands zum Schaden <strong>der</strong> Gesellschaft aufzudecken und damit eine<br />

weitere Schädigung <strong>der</strong> geprüften Gesellschaft durch weiteres rechtswidriges Verhalten<br />

<strong>des</strong> Vorstands zu verhin<strong>der</strong>n. Der OGH schließt sich damit <strong>der</strong> von einem Teil <strong>der</strong> Lehre4<br />

) vertretenen Ansicht über die Aufgaben <strong>des</strong> gesetzlichen Abschlussprüfers an. M.<br />

E. ist auch in diesem Punkt dem OGH zuzust<strong>im</strong>men, sofern man seine Aussage nicht<br />

missversteht. Den Ausführungen <strong>des</strong> OGH ist nämlich nicht zu entnehmen, dass dem<br />

Abschlussprüfer auch dann ein haftungsbegründen<strong>des</strong> Verschulden zuzurechnen<br />

wäre, wenn er bei Anwendung berufsüblicher Sorgfalt die Verfehlungen <strong>des</strong> Vorstands<br />

gar nicht hätte erkennen können5 ). Der konkrete Fall ist eben dadurch gekennzeichnet,<br />

dass infolge <strong>der</strong> (grob) fahrlässigen Pflichtverletzung <strong>des</strong> Abschlussprüfers das<br />

Fehlverhalten <strong>des</strong> Vorstands nicht aufgedeckt wurde.<br />

1.2. <strong>Die</strong> mögliche künftige Rechtslage nach dem FinanzmarktaufsichtsG<br />

Während nach <strong>der</strong>zeitiger Rechtslage die <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> gesetzlichen Abschlussprüfers<br />

nach § 275 Abs. 2 HGB bei leichter o<strong>der</strong> grober Fahrlässigkeit mit einem Betrag in<br />

Höhe von 5,0 Mio. S pro Prüfungsfall begrenzt ist, sieht <strong>der</strong> vorliegende Ministerialentwurf<br />

<strong>des</strong> FinanzmarktaufsichtsG (FMAG) eine Novellierung <strong>des</strong> § 275 Abs. 2 HGB dahingehend<br />

vor.<br />

Nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf soll die <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> Abschlussprüfers künftig<br />

nur mehr <strong>im</strong> Fall von leichter Fahrlässigkeit betraglich begrenzt sein. Der <strong>Haftung</strong>srahmen<br />

soll auf 1,0 Mio. A pro Prüfungsfall angehoben werden. Bei Prüfung von börsennotierten<br />

Aktiengesellschaften soll die Schadenersatzpflicht erst mit 4,0 Mio. A begrenzt<br />

werden. Für Bankprüfer sollen in einem neuen § 62 a <strong>des</strong> BWG und für Versicherungsprüfer<br />

in einem neuen § 82 Abs. 8 a VAG abgestufte höhere <strong>Haftung</strong>shöchstbeträge6<br />

) – allerdings ebenfalls nur bei Vorliegen von leichter Fahrlässigkeit –<br />

normiert werden. Bank- und Versicherungsprüfer müssen entsprechend den <strong>Haftung</strong>shöchstbeträgen<br />

das Bestehen einer Haftpflichtversicherung <strong>der</strong> Finanzmarktaufsicht<br />

nachweisen. <strong>Die</strong> geän<strong>der</strong>ten <strong>Haftung</strong>sbest<strong>im</strong>mungen sollen mit 1. 1. 2002 in Kraft treten<br />

und auf Prüfungen anzuwenden sein, über die <strong>der</strong> Prüfungsbericht gemäß § 272<br />

4 ) Kropff in Geßler/Hefermehl u. a., Aktiengesetz III, § 168 Rz. 27; Arnold, Zur Rede- und Vorlagepflicht<br />

<strong>des</strong> Abschlußprüfers, in Bertl/Mandl/Mandl, Handbuch für Wirtschaftstreuhän<strong>der</strong>, Wien 1989, 587 (589);<br />

Liebscher, Der Abschlußprüfer – Aufgaben und <strong>Haftung</strong>, Wien 1998, 84; Nowotny/Sterl/Zehetner/Gelter;<br />

Verantwortung und <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> Abschlußprüfers, in IWP, Wirtschaftsprüfer-Jahrbuch 1998, Wien<br />

1999, 145; a. A. P. Bydlinski, Gedanken zur <strong>Haftung</strong> <strong>der</strong> Abschlußprüfer, in Aicher/Koppensteiner,<br />

Beiträge zum Zivil- und Handelsrecht, FS Osthe<strong>im</strong>, Wien 1990, 349 (370 FN 77); Haberl, <strong>Die</strong> <strong>Haftung</strong><br />

<strong>des</strong> Wirtschaftsprüfers als gesetzlicher Abschlussprüfer, Wien 2000, 46.<br />

5 ) Gl. A. Gelter, BHI-Pleite: <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> Abschlussprüfers, RdW 2001, 69 (71).<br />

6 ) <strong>Haftung</strong>shöchstgrenzen für Bankprüfer: 2,0 Mio. A bei Kreditinstituten bis 1,0 Mrd. A Bilanzsumme,<br />

3,0 Mio. A bis 5,0 Mrd. A, 4,0 Mio. A bis 15,0 Mrd. A und 6,0 Mio. A über 15,0 Mrd. A Bilanzsumme.<br />

<strong>Haftung</strong>shöchstgrenzen für Versicherungsprüfer: 4,0 Mio. A bis zu 15,0 Mrd. A Bilanzsumme, darüber<br />

6,0 Mio. A.<br />

608 SWK-Heft 15 20. Mai 2001


Tagesfragen T 73<br />

HGB nach dem 1. 3. 2002 erstattet wird.<br />

<strong>Die</strong> Anhebung <strong>der</strong> <strong>Haftung</strong>shöchstbeträge für gesetzliche Abschlussprüfungen wird<br />

nach den Erläuterungen mit <strong>der</strong> <strong>im</strong> internationalen Vergleich <strong>der</strong>zeit äußerst niedrigen<br />

<strong>Haftung</strong> begründet. <strong>Die</strong> neuen <strong>Haftung</strong>ssummen orientieren sich an § 323 dHGB. <strong>Die</strong><br />

El<strong>im</strong>inierung <strong>der</strong> <strong>Haftung</strong>sbegrenzung bei grob fahrlässigem Handeln wird von den Erläuterungen<br />

damit motiviert, dass nach Judikatur und Lehre grob fahrlässiges Verhalten<br />

erst dann vorliegt, „wenn die Sorgfaltswidrigkeit so schwer ist, dass sie einem ordentlichen<br />

Menschen in dieser Situation keinesfalls unterläuft“ 7 ). Eine Begrenzung <strong>der</strong> <strong>Haftung</strong><br />

<strong>des</strong> Abschlussprüfers sei in diesem Fall sachlich nicht zu rechtfertigen. <strong>Die</strong> Erläuterungen<br />

erwarten sich von dem in einer unbegrenzten <strong>Haftung</strong> gelegenen präventiven<br />

Moment eine gesteigerte Sorgfalt <strong>des</strong> Prüfers, die <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong> Abschlussprüfung<br />

angemessen ist.<br />

<strong>Die</strong> Anhebung <strong>der</strong> <strong>Haftung</strong>shöchstgrenzen auf die ins Auge gefassten Beträge und die<br />

Beschränkung auf leichte Fahrlässigkeit kann angesichts <strong>der</strong> in <strong>der</strong> BRD eingeleiteten<br />

Entwicklung8 ) und <strong>der</strong> daran anknüpfenden Literaturst<strong>im</strong>men9 ) nicht überraschen.<br />

Trotzdem sollte bei je<strong>der</strong> künftigen Regelung nicht vergessen werden, dass <strong>der</strong> Grund<br />

für die gesetzliche <strong>Haftung</strong>sbeschränkung darin liegt, dass es sich „bei <strong>der</strong> Prüfertätigkeit<br />

um in beson<strong>der</strong>em Maße schadensgeneigte Arbeit mit typischerweise extrem hohen<br />

Risiken handelt“ 10 ), die bereits <strong>im</strong> Einzelfall zur Existenzvernichtung <strong>des</strong> betroffenen<br />

Wirtschaftsprüfers führen kann11 ). Letztlich muss jede <strong>Haftung</strong>sausweitung zur Ausweitung<br />

<strong>der</strong> Haftpflichtversicherungen <strong>der</strong> Wirtschaftsprüfer führen, und die dadurch<br />

verursachten Mehrkosten müssen logischerweise auf die Mandanten <strong>der</strong> Wirtschaftsprüfer<br />

überwälzt werden. Aus diesem Grund ist es sehr verwun<strong>der</strong>lich, dass gerade die<br />

Wirtschaftskammer als Interessenvertretung <strong>der</strong> zu prüfenden Unternehmen beson<strong>der</strong>en<br />

Druck in Richtung Anhebung <strong>der</strong> <strong>Haftung</strong>shöchstbeträge gemacht haben soll. Ob<br />

<strong>der</strong> Gesetzgeber wirklich gut beraten ist, bei grob fahrlässigem Verhalten künftig keine<br />

<strong>Haftung</strong>shöchstgrenzen mehr vorzusehen, sei dahingestellt. Sollte dies dazu führen,<br />

dass die Haftpflichtversicherungen das Risiko <strong>des</strong> grob fahrlässigen Handelns künftig<br />

überhaupt nicht mehr versichern, könnte das zu einem Bärendienst für die geschädigten<br />

Unternehmen werden. Denn es ist kaum anzunehmen, dass die persönliche <strong>Haftung</strong><br />

<strong>des</strong> Wirtschaftsprüfers die mangelnde Haftpflichtversicherung ausgleichen kann.<br />

Demnach wäre allenfalls eine abgestufte <strong>Haftung</strong>shöchstgrenze zwischen leicht und<br />

grob fahrlässigem Handeln vorzuziehen (z. B. doppelte <strong>Haftung</strong>shöchstbeträge bei<br />

grober Fahrlässigkeit).<br />

2. Verkürzte Verjährungsfrist nach den AAB <strong>der</strong> Wirtschaftstreuhän<strong>der</strong> ist nicht sittenwidrig!<br />

Eine für den gesamten Berufsstand <strong>der</strong> Wirtschaftstreuhän<strong>der</strong> sehr erfreuliche Entscheidung<br />

fällte <strong>der</strong> OGH12 ) am 24. 10. 2000. Er stellte fest, dass die Verkürzung <strong>der</strong><br />

subjektiven Verjährungsfrist zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen <strong>des</strong><br />

Mandanten gegen den Wirtschaftstreuhän<strong>der</strong> auf sechs Monate ab Kenntnis <strong>des</strong><br />

Schadens nach § 8 Abs. 4 <strong>der</strong> Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftstreuhän<strong>der</strong><br />

(AAB) nicht gröblich benachteiligend ist. <strong>Die</strong>se Entscheidung <strong>des</strong> OGH konnte<br />

7 ) Erläuterungen unter Hinweis auf Koziol/Welser, Grundriß <strong>des</strong> Bürgerlichen Rechts, Band 2 11 , 290.<br />

8 ) Durch das mit 1. 5. 1998 in Kraft getretene Gesetz zur Kontrolle und Transparenz <strong>im</strong> Unternehmensbereich<br />

(KonTraG) wurden die <strong>Haftung</strong>shöchstgrenzen in § 323 dHGB auf 2,0 Mio. DM (bei börsenotierten<br />

Aktiengesellschaften auf 8,0 Mio. DM) angehoben. Auch in <strong>der</strong> BRD gelten die <strong>Haftung</strong>sbegrenzungen<br />

nur <strong>im</strong> Fall <strong>der</strong> leichten Fahrlässigkeit.<br />

9 ) Artmann, <strong>Die</strong> <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> Abschlussprüfers für Schäden Dritter, JBl. 2000, 623 (633); Brogyany/Nowotny/Gelter,<br />

Corporate Governance und die Stellung <strong>des</strong> Wirtschaftsprüfers, in IWP, Wirtschaftsprüfer-Jahrbuch<br />

2000, Wien 2001, 175 (199).<br />

10 ) Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung 5 , § 323 Rz. 47.<br />

11 ) Artmann, <strong>Die</strong> <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> Abschlussprüfers für Schäden Dritter, JBl. 2000, 623 (633).<br />

12 ) OGH 24. 10. 2000, 1 Ob 1/00 d, JBl. 2001, 232.<br />

SWK-Heft 15 20. Mai 2001 609


T 74 Tagesfragen<br />

nicht wirklich erwartet werden, zumal in <strong>der</strong> Literatur13 ) wie<strong>der</strong>holt St<strong>im</strong>men laut wurden,<br />

die vermeinten, dass die vertraglich verkürzten Verjährungsbest<strong>im</strong>mungen <strong>der</strong> AAB<br />

<strong>der</strong> Nichtigkeitssanktion <strong>des</strong> § 879 Abs. 3 ABGB zum Opfer fallen würden.<br />

Bei seiner Entscheidung berief sich <strong>der</strong> OGH vorerst auf einen nicht veröffentlichen Beschluss14<br />

), in dem <strong>der</strong> Gerichtshof bereits gegen die Regelung <strong>des</strong> § 8 Abs. 4 AAB unter<br />

den Gesichtspunkten <strong>des</strong> § 864 a und <strong>des</strong> § 879 Abs. 1 und 3 AGBG keine Bedenken<br />

hatte. Trotzdem arbeitete <strong>der</strong> OGH die österreichische15 ) und deutsche16 ) Lehre sowie<br />

die Judikatur <strong>des</strong> BGH17 ) eingehend auf und kam letztlich anhand <strong>der</strong> eigenen Rechtsprechung18<br />

) zu den in vielen Kollektivverträgen enthaltenen Verfallsfristen zu dem Ergebnis,<br />

dass die in § 8 Abs. 4 AAB vorgesehene Verkürzung <strong>der</strong> subjektiven Verjährungsfrist<br />

auf sechs Monate ab Kenntnis <strong>des</strong> Schadens zur Geltendmachung von<br />

Schadenersatzansprüchen gegen den Wirtschaftstreuhän<strong>der</strong> sachlich ausreichend gerechtfertigt<br />

und damit nicht als gröblich benachteiligend i. S. d. § 879 Abs. 3 ABGB anzusehen<br />

ist. Beson<strong>der</strong>e Bedeutung maß <strong>der</strong> OGH in diesem Zusammenhang dem<br />

Umstand bei, dass die verkürzte Verjährungsfrist nach § 8 Abs. 4 AAB erst ab Kenntnis<br />

<strong>des</strong> Schadens zu laufen beginnt. Der <strong>im</strong> Verfahren auch strittige Beginn <strong>der</strong> Verjährungsfrist<br />

wurde vom OGH mit <strong>der</strong> Kenntnis <strong>der</strong> Mandantin vom nicht mehr anfechtbaren<br />

Abgabenbescheid nach <strong>der</strong> aufklärenden Beratung durch <strong>der</strong>en neue Steuerberaterin<br />

angesetzt. <strong>Die</strong> Einstellung <strong>des</strong> gegen die Mandantin <strong>im</strong> Gefolge <strong>des</strong> Abgabenbeschei<strong>des</strong><br />

eingeleiteten Finanzstrafverfahrens übt auf den Verjährungsbeginn keinen Einfluss<br />

(mehr) aus.<br />

Für die Praxis <strong>des</strong> Berufsstan<strong>des</strong> von beson<strong>der</strong>er Bedeutung sind Aussagen <strong>des</strong> OGH<br />

zur gültigen Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) in den Beratungsvertrag.<br />

Entgegen <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Praxis vielfach vertretenen Ansicht, wonach AGB<br />

bei Vertragsabschluss tatsächlich dem Vertragspartner übergeben werden müssen,<br />

führte <strong>der</strong> OGH aus, dass die in <strong>der</strong> WT-Praxis allgemein übliche Vorgangsweise, wonach<br />

in <strong>der</strong> vom Mandanten unterfertigten Auftrags- und Vollmachtsurkunde lediglich festgehalten<br />

wird, dass für das Auftragsverhältnis die Allgemeinen Auftragsbedingungen für<br />

Wirtschaftstreuhän<strong>der</strong> gelten, für die wirksame Einbeziehung <strong>der</strong> AGB in den Steuerberatungsvertrag<br />

ausreichend sei. Ob <strong>der</strong> Hinweis auf die Geltung <strong>der</strong> AGB vom Vertragspartner<br />

ausdrücklich zur Kenntnis genommen wird o<strong>der</strong> diese ihm vor o<strong>der</strong> bei Vertragsabschluss<br />

ausgehändigt wurden, sei nicht entscheidend. Maßgebend sei nur, dass<br />

<strong>der</strong> Vertragspartner die Möglichkeit habe, von <strong>der</strong>en Inhalt Kenntnis zu erlangen19 ).<br />

<strong>Die</strong>s sei <strong>im</strong> konkreten Fall gegeben gewesen, da die AAB <strong>im</strong> Amtsblatt zur Wiener Zeitung<br />

sowie <strong>im</strong> Amtsblatt <strong>der</strong> Kammer <strong>der</strong> Wirtschaftstreuhän<strong>der</strong> kundgemacht wurden.<br />

Schließlich hielt <strong>der</strong> OGH noch fest, dass zufolge <strong>des</strong> mit 30. 6. 1999 erfolgten Außer-<br />

Kraft-Tretens von § 17 Abs. 2 WT-KG die Rechtsgrundlage <strong>der</strong> AAB weggefallen sei.<br />

<strong>Die</strong> <strong>der</strong>zeitige Rechtslage ist dadurch gekennzeichnet, dass die vormaligen Allgemeinen<br />

Auftragsbedingungen für Wirtschaftstreuhän<strong>der</strong> durch Allgemeine Auftragsbedingungen<br />

für Wirtschaftstreuhandberufe ersetzt wurden. <strong>Die</strong>se neuen AAB wurden vom Vorstand<br />

<strong>der</strong> Kammer <strong>der</strong> Wirtschaftstreuhän<strong>der</strong> mit Vorstandsbeschluss vom 8. 3. 2000<br />

13 )P. Bydlinski, Gedanken zur <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> Abschlußprüfers, in Aicher/Koppensteiner, Beiträge zum Zivilund<br />

Handelsrecht, FS Osthe<strong>im</strong>, Wien 1990, 349 (366); Karollus, <strong>Die</strong> beschränkte <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> <strong>Wirtschaftstreuhän<strong>der</strong>s</strong>,<br />

RdW 1997, 583 (586); Haberl, <strong>Die</strong> <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> Wirtschaftsprüfers als gesetzlicher<br />

Abschlussprüfer, Wien 2000, 115, mit weiteren Nachweisen.<br />

14 ) OGH 6 Ob 35/00 s.<br />

15 ) P. Bydlinski, Gedanken zur <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> Abschlußprüfers, in Aicher/Koppensteiner, Beiträge zum Zivilund<br />

Handelsrecht, FS Osthe<strong>im</strong>, Wien 1990, 349 (366); Karollus, <strong>Die</strong> beschränkte <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> <strong>Wirtschaftstreuhän<strong>der</strong>s</strong>,<br />

RdW 1997, 583 (586).<br />

16 ) Hirte, Berufshaftung, 51 f.; Gräfe in Gräfe/Lenzen/Rainer, Steuerberaterhaftung, 293; Späth, <strong>Die</strong> zivilrechtliche<br />

<strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> Steuerberaters 4 , Rn. 392 ff.<br />

17 ) BGHZ 1997, 21; BGH NJW 1992, 2766.<br />

18 ) 9 Ob A 166/00 b; Arb. 10.174; SZ 59/180; 9 Ob A 163/97 d; vgl. auch Ma<strong>der</strong> in Schw<strong>im</strong>ann≈, § 1486 Rz.<br />

17.<br />

610 SWK-Heft 15 20. Mai 2001


Tagesfragen T 75<br />

zur Anwendung empfohlen und <strong>im</strong> Amtsblatt <strong>der</strong> Kammer <strong>der</strong> Wirtschafstreuhän<strong>der</strong><br />

3/2000, 161 ff., verlautbart. <strong>Die</strong> verkürzten Verjährungsbest<strong>im</strong>mungen in Punkt 8. Abs.<br />

4 dieser neuen AAB unterscheiden sich nicht von den vormaligen Best<strong>im</strong>mungen.<br />

Ebenso ist in Punkt 8. Abs. 1 AAB die <strong>Haftung</strong> auf vorsätzliche und grob fahrlässige<br />

Pflichtverletzungen <strong>des</strong> Berufsberechtigten beschränkt. Der dadurch bewirkte <strong>Haftung</strong>sausschluss<br />

bei leichter Fahrlässigkeit wird in <strong>der</strong> Lehre 20 ) – soweit ersichtlich –<br />

ausnahmslos als zulässig erachtet. Bei grober Fahrlässigkeit beschränkt Punkt 8 Abs.<br />

2 AAB den <strong>Haftung</strong>shöchstbetrag auf das insgesamt Zehnfache <strong>der</strong> gesetzlichen Min<strong>des</strong>tversicherungssumme<br />

<strong>der</strong> Berufshaftpflichtversicherung, somit auf 726.730 A.<br />

Selbstverständlich gelten die vertraglichen <strong>Haftung</strong>sbeschränkungen nicht <strong>im</strong> Bereich<br />

zwingen<strong>der</strong> gesetzlicher Normen wie insbeson<strong>der</strong>e § 275 HGB und § 21 Abs. 2 PSG.<br />

Handelt es sich be<strong>im</strong> Auftraggeber um einen Verbraucher i. S. v. § 1 KSchG, ist die<br />

<strong>Haftung</strong>sbeschränkung bei grober Fahrlässigkeit gemäß § 6 Abs. 1 Z 9 KSchG unwirksam.<br />

Ist <strong>der</strong> Auftraggeber ein Unternehmer, so kommt das KSchG nicht zur Anwendung.<br />

In diesen Fällen dürfte die vertragliche <strong>Haftung</strong>sbeschränkung Geltung entfalten 21 ).<br />

3. Fazit und Ausblick<br />

Obwohl <strong>der</strong> Berufsstand nach <strong>der</strong> zuerst veröffentlichten Entscheidung <strong>des</strong> OGH in<br />

Sachen BHI-Pleite vorerst – gelinde gesagt – verunsichert war, sind beide Entscheidungen<br />

<strong>des</strong> OGH insgesamt aus Sicht <strong>der</strong> Wirtschaftstreuhän<strong>der</strong> absolut positiv zu<br />

werten. Überschießende Interpretationen <strong>der</strong> BHI-Entscheidung, wonach <strong>der</strong> Wirtschaftsprüfer<br />

künftig <strong>im</strong> Rahmen <strong>der</strong> gesetzlichen Abschlussprüfung zur Aufdeckung<br />

aller Malversationen <strong>des</strong> Vorstands verpflichtet wäre, widrigenfalls ihm zumin<strong>des</strong>t<br />

leichte Fahrlässigkeit zuzurechnen sei, sind übertrieben und in <strong>der</strong> OGH-Entscheidung<br />

nicht gedeckt. Eine <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> Abschlussprüfers ist nur dann gegeben, wenn durch<br />

die pflichtwidrige Ausübung seines Mandats die Aufdeckung allfälliger Malversationen<br />

unterblieben ist. <strong>Die</strong>s ist allerdings wohl eine Selbstverständlichkeit.<br />

<strong>Die</strong> in Aussicht genommene künftige <strong>Haftung</strong>sbegrenzungsregelung <strong>im</strong> Rahmen gesetzlicher<br />

Abschlussprüfungen ist wohl angesichts <strong>der</strong> Erwartungen <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

unabdingbar, wird allerdings zu deutlichen Mehrbelastungen <strong>der</strong> zu prüfenden Unternehmen<br />

führen. Denn die erhöhten Kosten für Haftpflichtversicherungen müssen auf<br />

die Mandanten überwälzt werden. Letztlich wird die Kosten somit die Wirtschaft zu tragen<br />

haben. Ob diese Mehrbelastungen angesichts <strong>der</strong> äußerst seltenen – dafür aber<br />

zugegebenermaßen spektakulären – Fehlleistungen von Wirtschaftsprüfern opportun<br />

sind, sei dahingestellt.<br />

<strong>Die</strong> Bestätigung <strong>der</strong> Rechtmäßigkeit <strong>der</strong> verkürzten Verjährungsfristen in den AAB für<br />

Wirtschaftstreuhandberufe sollte den Berufsstand dazu motivieren, nicht zu vergessen,<br />

die AAB zum Inhalt je<strong>des</strong> Beratungsvertrages zu machen. Angesichts <strong>der</strong> erfolgten Veröffentlichung<br />

auch <strong>der</strong> neuen AAB <strong>im</strong> Amtsblatt <strong>der</strong> Kammer <strong>der</strong> Wirtschaftstreuhän<strong>der</strong> dürfte<br />

die gepflogene Praxis, wonach die <strong>im</strong> Auftrag vereinbarten AAB kaum dem Vertragspartner<br />

anlässlich <strong>des</strong> Vertragsabschlusses übergeben werden, nach wie vor<br />

rechtens sein. Besser wäre es freilich allemal, die AAB anlässlich <strong>der</strong> Auftragserteilung<br />

jedem Mandanten auszuhändigen.<br />

20 )P.Bydlinski, Gedanken zur <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> Abschlussprüfers, in Aicher/Koppensteiner, Beiträge zum Zivil-<br />

und Handelsrecht, FS Osthe<strong>im</strong>, Wien 1990, 349 (366); Karollus, <strong>Die</strong> beschränkte <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Wirtschaftstreuhän<strong>der</strong>s</strong>, RdW 1997, 583 (586)<br />

21 ) Nach Ansicht von P. Bydlinski, Gedanken zur <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> Abschlussprüfers, in Aicher/Koppensteiner,<br />

Beiträge zum Zivil- und Handelsrecht, FS Osthe<strong>im</strong>, Wien 1990, 349, ist diese <strong>Haftung</strong>sbeschränkung<br />

nicht sittenwidrig; Karollus, <strong>Die</strong> beschränkte <strong>Haftung</strong> <strong>des</strong> <strong>Wirtschaftstreuhän<strong>der</strong>s</strong>, RdW 1997, 583,<br />

sieht dies differenziert und meint, dass eine auf den Einzelfall abstellende Inhaltskontrolle geboten ist.<br />

SWK-Heft 15 20. Mai 2001 611

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