Editorial - Schweizerische Gesellschaft für Gebirgsmedizin
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Beim Bergsteigen in extremen Höhen (oberhalb<br />
5300 m) werden oft Risiken eingegangen, die in<br />
den Alpen nicht toleriert würden. Ebenso<br />
verschieden verläuft eine Rettungsaktion in den<br />
Alpen und - wie im Folgenden berichtet - an einem<br />
Achttausender. Ort des Geschehens ist der<br />
Gasherbrum II nach einem Lawinenabgang von<br />
6800 m auf 6500 m.<br />
Eine Expedition ist teuer, dauert lange und erfordert<br />
eine ausgiebige Vorbereitung. Ist deshalb die<br />
Risikobereitschaft der Teilnehmer erhöht? In<br />
extremen Höhen ist jeder alleine <strong>für</strong> sich<br />
verantwortlich, es werden weniger Seilschaften<br />
gebildet. Nur wer gleich schnell vorankommt bleibt<br />
bei der Gruppe. Die Risikobeurteilung bezüglich<br />
Steinschlag-, Lawinen- oder Spaltengefahr, losen<br />
Fixseilen etc. obliegt deshalb jedem einzelnen<br />
selber. Das Urteilsvermögen kann durch den<br />
zunehmenden Sauerstoffmangel getrübt werden und<br />
der Druck weiterzugehen ist aufgrund des<br />
finanziellen, zeitlichen und körperlichen Einsatzes<br />
deutlich grösser als bei der Besteigung eines<br />
Alpengipfels.<br />
Wir hatten das Lager II auf etwa 6500 m schon früh<br />
am Vormittag erreicht, nachdem wir vom Lager<br />
eins um 4:00 Uhr morgens aufgebrochen waren. Im<br />
Zelt wurde es sehr warm, so war es angenehm,<br />
barfuss und nur in Unterkleidern auf der Matte zu<br />
liegen. Plötzlich ertönte das Donnern eines<br />
Lawinenabganges. Alle blickten hoch und sahen,<br />
die frische Aufstiegsspur, welche direkt in den<br />
Anrissbereich hinein führte. Ausrüstungsteile und<br />
Menschen wurden mit den Schneemassen nach<br />
unten über die Eisabbrüche gerissen. Die Lawine<br />
kam etwa 100 m entfernt horizontal zu unserem<br />
Lager zum Stillstand. Körperteile und einzelne<br />
Ausrüstungsgegenstände waren auf dem<br />
Lawinenkegel sichtbar. Wir (sechs Retter) zogen<br />
uns sofort an, nahmen die zwei Schaufeln mit und<br />
rannten so schnell es trotz der Höhe ging zu den<br />
Verschütteten, ohne uns anzuseilen oder auf<br />
Gletscherspalten zu achten.<br />
Links war die Abrisskante des Schneebretts<br />
erkennbar, welches weiter unten ein weiteres<br />
Schneebrett ausgelöst hatte (Abb. 1, Pfeile). Die<br />
verunglückten Bergsteiger waren über die<br />
dazwischen und darunter befindlichen Seracs und<br />
Eisabbrüche geschleudert worden. Der<br />
Lawinenkegel hatte eine Ausdehnung von etwa 200<br />
x 300 m. Darauf verteilt waren drei Personen<br />
ersichtlich. Ein Opfer (A) war komplett verschüttet.<br />
Die anderen waren teilverschüttet und obenauf, das<br />
heisst zum Beispiel nur mit einem Bein im Schnee.<br />
FORUM ALPINUM Nr. 3/07 6<br />
Improvisierte Rettung auf 6500 m<br />
Walo Pfeifhofer<br />
Abbildung 1<br />
Der komplett verschüttete A hatte den Kopf, einen<br />
Arm und den Thorax bis zu 50 cm unter dem<br />
Schnee begraben. Er wurde daher zuerst<br />
ausgegraben und klagte danach lautstark über<br />
Schmerzen und Atemnot. Sein Gesicht war an<br />
einigen Stellen aufgeschürft, er hustete und würgte<br />
wenig Blut hervor. Ich machte eine Erstbeurteilung.<br />
A. war ansprechbar und antwortet adäquat. Die<br />
Kopfverletzungen schienen nicht gravierend zu<br />
sein. Inzwischen waren Mitglieder von anderen<br />
Expeditionen von ihrem Lager II die ca. 80<br />
Höhenmeter zum Lawinenkegel hochgekommen.<br />
Sechs Leute fassten A. an den Kleidern und am<br />
Klettergurt und trugen ihn vorsichtig die 100 m<br />
quer zu unserem Lager.<br />
Ich wurde gebeten, nach B zu schauen, er habe<br />
wahrscheinlich eine Oberschenkelfraktur. B lag<br />
noch am Unglücksort. Er war ansprechbar, redete<br />
aber nur leise. Am Gesicht zog sich eine blaue<br />
Verfärbung von der rechten Wange zum<br />
Schädeldach hoch. Auch er klagte über Brust- und<br />
Kopfschmerzen und er könne das linke Bein nicht<br />
bewegen. Das linke Bein von B war in der Hüfte<br />
leicht flektiert, abduziert und aussenrotiert. Es war<br />
federnd fixiert, eine pathologische Beweglichkeit<br />
fand ich nicht. In der Erstbeurteilung fasste ich<br />
zusammen, dass wahrscheinlich ein Schädelhirn-