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Die Kunst der Corporate Recovery - Roland Berger

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Das globale Entschei<strong>der</strong>-Magazin von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants DOSSIER: <strong>Die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>der</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Recovery</strong> Ausgabe 12<br />

think:act<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

Michel Platini<br />

setzt auf den<br />

Zukunftsmarkt<br />

Osteuropa<br />

Mo Ibrahim<br />

arbeitet an einem<br />

Wirtschaftswun<strong>der</strong><br />

für Afrika<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Corporate</strong> <strong>Recovery</strong><br />

So kommt Ihr Unternehmen<br />

gestärkt aus <strong>der</strong> Krise<br />

Das globale Entschei<strong>der</strong>-Magazin Ausgabe 12<br />

Pakistan rockt. Norwegens Frauen übernehmen<br />

die Vorstandsetagen. Junge Entrepreneure entdecken das Soziale. Japans<br />

Marketer verschenken Produkte. Lufttaxis verbinden Metropolen.


D A S W I C H T I G S T E B O O K M A R K<br />

D E R P R I N T W E<br />

L T<br />

INTERNATIONAL<br />

MANAGEMENT<br />

KNOWLEDGE<br />

<strong>Die</strong> globale Buchreihe:<br />

Managementwissen<br />

aus den Denkfabriken von<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>.<br />

In Kooperation mit<br />

dem Palgrave-Verlag.<br />

1. AUSGABE<br />

Operations Excellence<br />

Smart Solutions for Business Success<br />

von Axel Schmidt und <strong>Roland</strong> Schwientek<br />

Mehr Informationen unter<br />

www.palgrave.com


Liebe Leser, im aktuellen Standard&Poor’s-500-Index<br />

finden sich nur noch 86 <strong>der</strong> 500 Firmen aus <strong>der</strong> Liste von vor<br />

50 Jahren. Und mehr noch: Als <strong>der</strong> Aktienindex ins Leben gerufen<br />

wurde, konnte ein neu aufgenommenes Unternehmen<br />

damit rechnen, statistisch etwa 65 Jahre auf <strong>der</strong> Liste zu bleiben.<br />

Heute sind es nur noch zehn Jahre! Verän<strong>der</strong>ung ist also nicht<br />

nur ein Berater-Buzzword; sie findet ganz konkret statt, und<br />

wer sich nicht rechtzeitig wandelt, läuft Gefahr unterzugehen.<br />

Wie man ein Unternehmen auf einen schnellen Wandel vorbereitet<br />

und Krisen gestärkt überlebt, erläutern wir in unserem<br />

Dossier zum Thema „<strong>Die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>der</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Recovery</strong>“.<br />

Dr. Burkhard Schwenker<br />

CEO <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />

first views f<br />

Verän<strong>der</strong>ung bedeutet in erster Linie aber eine Chance. Deswegen<br />

stellen wir Ihnen in diesem Heft einige Beispiele von Unternehmern<br />

und Topmanagern vor, die solche neuen Möglichkeiten<br />

in Geschäft verwandeln: André Bergen und Rafal Juszczak zum<br />

Beispiel haben mit ihren Banken sehr früh auf das Osteuropa-<br />

Geschäft gesetzt, Vern Raburn kreiert mit seinen Ultraleichtfliegern<br />

einen neuen Markt für Businessreisende, und Ghazanfar<br />

Ali und Wiqar Ali Khan etablieren <strong>der</strong>zeit das westliche Musikfernsehen MTV in Pakistan.<br />

Exzellente Beispiele für die erfolgreiche und dauerhafte Bewältigung von Verän<strong>der</strong>ung liefern<br />

auch die Gewinner unseres „Best of European Business“-Wettbewerbs, die wir Ihnen in diesem<br />

Heft noch einmal im Überblick vorstellen und die eindrucksvoll unterstreichen, wie wettbewerbsfähig<br />

und stark europäische Unternehmen heute sind. Nicht ohne Grund haben gegenwärtig<br />

23 <strong>der</strong> 50 größten Unternehmen <strong>der</strong> Welt ihren Sitz in Europa.<br />

Seit Kurzem können Sie think:act nicht nur lesen, son<strong>der</strong>n auch hören – und diesmal sogar<br />

ansehen: Auf unserer CD finden Sie einen kurzen Film mit Impressionen vom Wettbewerb<br />

„Best of European Business“. Ich wünsche Ihnen also viel Freude beim Lesen, Hören und Sehen!<br />

3


p inhalt<br />

4<br />

think:act erscheint in fünf Sprachen (auf Deutsch, Englisch, Chinesisch, Russisch und Polnisch)<br />

Per Quote nach oben: Norwegen ebnet seinen Frauen per Gesetz<br />

den Weg in die Topetagen. Aber nutzt dies <strong>der</strong> Gleichberechtigung<br />

wirklich – und kommen so auch die Besten an die Spitze? Seite 46<br />

Neue Flieger grüßen die Sonne: Kleine, flexible Lufttaxis erleben<br />

momentan einen Aufschwung. Doch viele <strong>der</strong> jungen Unternehmer<br />

haben mit Startschwierigkeiten zu kämpfen. Seite 42<br />

Mekka des Pop? In Pakistan erlebt die Musikindustrie einen überraschenden<br />

Aufschwung. Ein massiver Vorteil des Landes: Musiker<br />

sind sehr offen für Co-Branding mit Konsumanbietern. Seite 28<br />

Zweifeln<strong>der</strong> Fußballgott: Als Uefa-Boss ist Michel Platini Teil<br />

<strong>der</strong> Kommerzialisierung des Fußballs. Doch eigentlich wi<strong>der</strong>spricht<br />

diese Tendenz seinem Wertesystem. Seite 32


food for thought<br />

6 Auf dem Weg zur Marktwirtschaft<br />

Wo entwickeln sich für Unternehmen<br />

neue Wachstumschancen?<br />

8 Wi<strong>der</strong> die Armut <strong>der</strong> Eliten<br />

CEOs entdecken die Langsamkeit.<br />

Dabei entsteht ein neues<br />

Verständnis von Management.<br />

dossier<br />

12 <strong>Die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>der</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Recovery</strong><br />

gesehen von James Dawe<br />

14 Rezession <strong>der</strong> CFOs<br />

Liquidität wird selten, Banken sind<br />

nervös: Immer mehr Unternehmen<br />

müssen ihr Geschäft umbauen.<br />

16 Im Sturm neue Stärke finden<br />

In Krisenzeiten gilt: Wer sich dem<br />

Wandel konsequent stellt, kann von<br />

ihm profitieren.<br />

�<br />

Dossier<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>der</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Recovery</strong><br />

Ab Seite 11<br />

20 Rechtzeitig gegensteuern<br />

Gewinnen in hartem Umfeld?<br />

Stahl- und Food-Unternehmen<br />

zeigen, wie es geht.<br />

22 Keine Schnellreparatur<br />

Change-Management ist nicht die<br />

Lösung aller Probleme – und auch<br />

mehr als nur Kommunikation.<br />

24 <strong>Die</strong> neuen Magier?<br />

Essay: Wie sinnvoll sind Chief<br />

Restructuring Officers?<br />

26 Krise als Chance<br />

CEOs können gestärkt aus Krisen<br />

hervorgehen – wenn sie nicht in<br />

die Selbstmitleidsfalle tappen.<br />

industry-report<br />

28 „Pakistan ist cool“<br />

Ein Land entdeckt den Pop – und<br />

<strong>der</strong> Pop einen spannenden Markt.<br />

32 Zwei Seelen und ein Spiel<br />

Uefa-Chef Michel Platini treibt die<br />

Kommerzialisierung des Fußballs<br />

voran – wi<strong>der</strong> Willen.<br />

34 Lissabon im Blick<br />

Der Wettbewerb „Best of European<br />

Business“ zeigt, wo <strong>der</strong> Kontinent<br />

wirklich stark ist.<br />

38 Im Osten viel Neues<br />

Zwei Banken machen vor, wie man<br />

in Osteuropa wächst.<br />

42 <strong>Die</strong> Jetchauffeure<br />

Wie Lufttaxis eine Branche von<br />

Grund auf verän<strong>der</strong>n<br />

44 Zukunftsmärkte<br />

Beton repariert unter Wasser,<br />

Bakterien erzeugen Benzin.<br />

business-culture<br />

inhalt f<br />

46 Aufwärts dank Gesetz<br />

Norwegen hievt Frauen per Quote<br />

auf Chefsessel – eine brillante Idee?<br />

48 Was treibt die guten Unternehmer?<br />

Wie junge „Social Entrepreneurs“<br />

die drängenden Probleme <strong>der</strong> Welt<br />

bekämpfen<br />

56 <strong>Die</strong>bstahl am helllichten Tag<br />

In Japan verschenken Marketer<br />

Produkte – zum Wohle <strong>der</strong><br />

Unternehmen.<br />

58 Work in Progress<br />

Viele aktuelle <strong>Roland</strong>-<strong>Berger</strong>-<br />

Projekte stehen im Zeichen neuer<br />

Wachstumsmärkte.<br />

60 Keine Angst vor Afrika<br />

Unternehmer Mohamed Ibrahim ist<br />

<strong>der</strong> größte Spen<strong>der</strong> des Kontinents.<br />

regulars<br />

3 First Views<br />

62 Service | Impressum<br />

Mit diesem Symbol versehene<br />

Beiträge können Sie auf unserer<br />

Audio-CD (Seite 63) auch hören.<br />

5


p food for thought<br />

ZAHLENWELT<br />

Auf dem Weg zur Marktwirtschaft<br />

60 Prozent <strong>der</strong> untersuchten Län<strong>der</strong><br />

können grundsätzlich als<br />

Demokratie bezeichnet werden,<br />

mit freien Wahlen, Gewaltenteilung und Bürgerrechten. Gut<br />

für die Marktwirtschaft, die dadurch Stabilität erhält. Doch<br />

auch sie haben oft noch Schwächen. Wirklich keine wesentlichen<br />

Defizite weisen nämlich nur 23 <strong>der</strong> untersuchten Demokratien<br />

auf. 42 Staaten gelten als „defekte Demokratien“, zehn<br />

zählen zu den „stark defekten“. Prominentestes Beispiel ist<br />

Russland. Offiziell erfüllt das Land zwar demokratische Mindeststandards.<br />

In <strong>der</strong> Praxis weist es aber noch erhebliche<br />

Rechtsstaatsmängel auf.<br />

Gute Bedingungen für Investitionen<br />

14 Staaten bieten Unternehmen<br />

gute Bedingungen für Investitionen.<br />

Sie sind laut BTI konsolidierte<br />

o<strong>der</strong> weit fortgeschrittene marktwirtschaftliche<br />

Demokratien.<br />

Angeführt wird diese Liste von<br />

Tschechien. Im Vergleich zur Vorgängerstudie<br />

von 2006 stieg nur<br />

ein Land komplett neu in die Spitzengruppe<br />

auf: Lettland. <strong>Die</strong> EU-<br />

Neulinge Bulgarien und Rumänien<br />

schafften es im Index auf<br />

Rang 15 und 17. Relativ stark<br />

abgefallen ist Polen. Gründe da-für<br />

sind laut Bertelsmann Stiftung<br />

unter an<strong>der</strong>em nachlassende<br />

Reformbestrebungen nach dem<br />

EU-Beitritt.<br />

MEDIEN-<br />

KOOPERATION<br />

Welche Marktchancen bieten sich Unternehmen jenseits <strong>der</strong> klassischen Industrielän<strong>der</strong>? Das<br />

verrät <strong>der</strong> Bertelsmann Transformation Index 2008 (BTI). In einer MEDIENKOOPERATION MIT DER<br />

BERTELSMANN STIFTUNG stellt think:act die zentralen Ergebnisse <strong>der</strong> Untersuchung vor, die Erfolge<br />

und Rückschläge auf dem Weg zu rechtsstaatlicher Demokratie und sozialpolitisch flankierter<br />

Marktwirtschaft in 125 Volkswirtschaften misst – und einige Überraschungen parat hat.<br />

1<br />

800 000 000<br />

Menschen in 54 verschiedenen Staaten sind Teil des Wirtschaftsraums<br />

Afrika. Dort entwickelten sich 13 Län<strong>der</strong><br />

zuletzt positiv. <strong>Die</strong> Mehrheit <strong>der</strong> Afrikaner lebt mittlerweile<br />

in Demokratien; <strong>der</strong> Kampf gegen Unterentwicklung und<br />

Armut macht Fortschritte. Neben Mauritius und Botswana<br />

weisen auch Ghana, Senegal und Tansania relativ hohe<br />

Wachstumsraten auf. Immer mehr ausländische Unternehmen<br />

investieren in rohstoffexportierenden Sektoren etwa in<br />

Nigeria und Südafrika.<br />

Obwohl <strong>der</strong> Anteil Afrikas an <strong>der</strong> Weltwirtschaft noch<br />

immer gering ist, gibt es Anzeichen einer stärkeren Einbindung.<br />

So hat sich <strong>der</strong> Handel Asiens mit dem Kontinent in<br />

den letzten 13 Jahren fast verdoppelt. Der Agrarmarkt<br />

wächst, die Nachfrage nach Unterhaltungselektronik steigt.<br />

Note 1 für das politische Management ihres Transformationsprozesses<br />

bekamen Chile, Estland, Botswana, Mauritius und die<br />

Slowakei. Der Inselstaat Mauritius gilt als konkurrenzfähigste<br />

Wirtschaft und stabilste Demokratie Afrikas. <strong>Die</strong> Reformregierung<br />

von Botswana nutzt den Ressourcenreichtum für Investitionen<br />

in Bildung, Infrastruktur und Gesundheit. In Chile konnten<br />

Infrastruktur und Exporte ausgebaut werden. Der in Chile tätige<br />

Deutsche Christian Falkenstein berichtet: „<strong>Die</strong> Mentalität <strong>der</strong><br />

Chilenen ist uns vertraut – sie sind relativ pünktlich und exakt.“<br />

Nachhaltiges Wachstum<br />

1. Tschechien<br />

2. Slowenien<br />

3. Estland<br />

4. Taiwan<br />

5. Ungarn<br />

6. Litauen<br />

7. Slowakei<br />

8. Chile<br />

9. Uruguay<br />

10. Südkorea<br />

11. Polen<br />

12. Costa Rica<br />

13. Lettland<br />

14. Kroatien<br />

0 10 20 30 40 50 60<br />

Einen enttäuschenden Platz 85 unter 125 untersuchten Staaten im BTI-Statusindex belegt überraschen<strong>der</strong>weise China. Wie auch Vietnam vermeide das<br />

Land bisher eine politische Öffnung und ziele „ausschließlich auf eine marktwirtschaftliche Transformation ab“, so die Bertelsmann-Stiftung. <strong>Die</strong> ökonomischen<br />

Erfolge dieser politischen Steuerung „haben durchaus Einfluss auf an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong>“ Asiens, so die Stiftung.<br />

§


10 <strong>der</strong> 49<br />

leistungsfähigsten Volkswirtschaften nutzen die günstige Wirtschaftsentwicklung<br />

für eine Stärkung ihrer sozialen Netze – insbeson<strong>der</strong>e Bulgarien, Lettland,<br />

Mauritius, Polen, Rumänien, Tschechien, Taiwan sowie Südkorea.<br />

Gerade beim sozioökonomischen Entwicklungsniveau und dem sozialen<br />

Ausgleich klafft zwischen den stärksten Performern China, Indien und Singapur<br />

eine große Lücke. Während Singapur sein soziales Netz weiter ausbaute,<br />

müssen China und Indien die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich und<br />

die größer werdenden Unterschiede zwischen Regionen überbrücken.<br />

20<br />

Viele leistungsstarke Volkswirtschaften, wenige wirklich gut<br />

funktionierende Sozialsysteme<br />

Überblick über die<br />

Verteilung aller<br />

125 Län<strong>der</strong> nach<br />

den einzelnen Kriterien<br />

für wirtschaftliche<br />

Transformation<br />

Markt- und<br />

Wettbewerbsordnung<br />

Sozialordnung Leistungsstärke <strong>der</strong><br />

Volkswirtschaft<br />

Währungs- und<br />

Preisstabilität<br />

Nachhaltigkeit<br />

Privateigentum<br />

Sozioökonomisches<br />

Entwicklungsniveau<br />

10–9 Punkte (sehr gut) 8–6 Punkte (gut) 5–3 Punkte (schwach) 2–1 Punkte (sehr schwach)<br />

Plätze machte Georgien<br />

in puncto<br />

ökonomische Entwicklung<br />

in zwei Jahren gut. Der Topaufsteiger<br />

reduzierte die Korruption, reformierte<br />

Steuer- und Privatisierungsgesetze,<br />

baute Zoll- und Handelsschranken ab<br />

und erleichterte Betriebsansiedlungen.<br />

Folgen: günstiges Geschäftsklima und Zunahme<br />

ausländischer Direktinvestitionen.<br />

Nur 4 Staaten<br />

erhalten gute Bewertungen für die Nachhaltigkeit<br />

ihrer Wirtschaftssysteme. Singapur,<br />

Slowenien, Südkorea und Taiwan<br />

investieren in beson<strong>der</strong>em Maße in<br />

Bildung, Forschung und Entwicklung.<br />

Gleichzeitig ist Umweltschutz ein wichtiger<br />

Punkt auf <strong>der</strong> Entwicklungsagenda.<br />

70 80 90 100 110 120 125<br />

Platz 85: China<br />

7


p food for thought<br />

8<br />

Wi<strong>der</strong> die Armut <strong>der</strong> Eliten<br />

Sie haben viel, nur eines nicht – Zeit. <strong>Die</strong> globalen Entschei<strong>der</strong> leiden unter<br />

ständigem Termindruck. Doch es formiert sich ein Gegentrend. Immer mehr Menschen<br />

entdecken bewusst die Langsamkeit.<br />

:<br />

<strong>Die</strong> Gleichung scheint einfach: Mit dem<br />

Erfolg steigt <strong>der</strong> Wohlstand. Und mit<br />

dem Wohlstand steigt die Menge <strong>der</strong> Luxusgüter,<br />

die ein Mensch sich leisten kann.<br />

Doch Erfolg hat auch einen Preis: Es kostet<br />

Zeit, ihn zu erringen. Und genau die fehlt<br />

am Ende dieser Gleichung, um den Luxus<br />

lebenswert zu machen. Denn <strong>der</strong> Wert<br />

des Luxus entsteht erst dadurch, dass <strong>der</strong><br />

Mensch die Zeit hat, ihn zu genießen – und<br />

für den künftigen Erfolg zu nutzen, daraus<br />

also eine Investition zu machen. In <strong>der</strong> fernöstlichen<br />

Lebenskunst des Zen gibt es ein<br />

Gleichnis für die Gleichung: Demnach sind<br />

Luxusgüter nichts an<strong>der</strong>es als Nullen.<br />

Einen Wert bekommen sie erst durch<br />

die Eins davor. Und die Eins ist alles, wozu<br />

<strong>der</strong> Luxus dienen kann: Ruhe, Entspannung,<br />

Freude, Erholung und neue Kraft<br />

durch den Genuss, um in <strong>der</strong> Folge wie<strong>der</strong><br />

Spitzenleistungen zu bringen.


Sowohl für den Erfolg als auch für den Wert<br />

des Luxus ist die kritische Variable Zeit. Und<br />

genau die wird heute für Leistungsträger<br />

immer knapper. „Bizarrerweise sind es gerade<br />

die Funktions- und Geldeliten, die über<br />

ihre eigene Lebenszeit am wenigsten frei<br />

verfügen können“, bestätigt <strong>der</strong> Wirtschaftsnobelpreisträger<br />

Daniel Kahnemann, <strong>der</strong><br />

die Irrationalitäten des Homo oeconomicus<br />

erforscht. „Es sind ihre vielfältigen Abhängigkeiten,<br />

die sie versklaven.“<br />

Um mit <strong>der</strong> Zeitnot klarzukommen, wird oftmals<br />

nur dazu geraten, den Mangel besser<br />

zu verwalten. Doch letztlich ist Zeitmanagement<br />

nichts an<strong>der</strong>es als <strong>der</strong> verzweifelte<br />

Versuch, die Planwirtschaft zu retten, indem<br />

man neue Pläne macht.<br />

Was würden Sie als Unternehmer tun? Doch<br />

wohl nur eines: gezielt und großzügig in<br />

Zeit investieren. Dazu rät auch <strong>der</strong> Nobelpreisträger.<br />

Um leistungsfähiger zu werden,<br />

so Kahnemann, gilt es, Zeit möglichst intelligent<br />

zu nutzen und Geld nicht in noch mehr<br />

Besitz und Luxusgüter, son<strong>der</strong>n in Lebensqualität<br />

zu investieren. Gerade wenn man<br />

unter Maximalbelastung steht.<br />

<strong>Die</strong> Leistungselite muss das Verhältnis von<br />

Zeit und Wert neu definieren. Am Anfang<br />

steht dabei nur eine Frage: Was ist es Ihnen<br />

wert, mehr Zeit zu haben? Im Anschluss<br />

eröffnen sich zwei Strategien: erstens mehr<br />

Geld in Zeit und zweitens Zeit in mehr Zeit<br />

zu investieren. Gelegenheiten für beides<br />

gibt es. Denn den neuen Trend haben Unternehmen<br />

und Institutionen bereits als<br />

Zukunftsmarkt entdeckt. Hier die Ergebnisse<br />

einer zeitorientierten Spurensuche:<br />

CASE 1: PROBLEMLÖSER FÜR 40 000 EURO<br />

Der Schweizer Luxusuhrenhersteller Bedat<br />

& Co, die Karosseriemanufaktur Jaguar und<br />

<strong>der</strong> Prêt-à-porter-Handyproduzent Vertu<br />

verschenken Zeit. Denn wer sich die Edelware<br />

leistet, bekommt vom Hersteller gratis<br />

und lebenslang den Zugang zu den <strong>Die</strong>nst-<br />

CARLO PETRINI, Grün<strong>der</strong> <strong>der</strong> Slowfood-Bewegung.<br />

Was im Städtchen Bra begann, gilt heute<br />

mit über 85 000 Mitglie<strong>der</strong>n als eines <strong>der</strong> einflussreichsten<br />

gastronomischen Netzwerke <strong>der</strong> Welt.<br />

leistungen des Conciergeservice Quintessentially<br />

dazu. <strong>Die</strong> Agentur ist ein Pionier<br />

im Bereich des Zeitbudgetservice. Im Jahr<br />

2000 gegründet, hat sich Quintessentially<br />

mit bemerkenswerter Geschwindigkeit von<br />

einem Londoner Klub in ein globales Unternehmen<br />

verwandelt. Dahinter steht das<br />

Wissen, dass „High-net-worth-individuals“<br />

und „Time-stretched-executives“ oft umfassende<br />

Hilfe brauchen, um ihr anspruchsvolles<br />

Berufs- und Privatleben aufrechtzuerhalten<br />

– auch jene, die bereits persönliche<br />

Assistenten haben.<br />

1500 Euro jährlich kostet <strong>der</strong> Eintritt regulär.<br />

Für bis zu 40 000 Euro hat ihr persönlicher<br />

Concierge dann nur noch einen Job: ihnen<br />

jedes Problem vom Hals zu schaffen, zu<br />

besorgen, was sie brauchen, sich zu merken,<br />

was sie mögen, und sogar dann, wenn es<br />

unmöglich ist, noch zu bekommen, was sie<br />

wollen. Dafür arbeiten die Londoner mit<br />

einem weltweiten Netzwerk hoch spezialisierter<br />

Serviceprovi<strong>der</strong> zusammen.<br />

CASE 2: DIE NEUE REISEKULTUR<br />

Was einst mit dem legendären Orientexpress<br />

begann, entdecken europäische Bahngesellschaften<br />

<strong>der</strong>zeit neu: den hochkomfortablen<br />

Schlafwagen. <strong>Die</strong> französische SNCF tut sich<br />

hier beson<strong>der</strong>s hervor, vor allem im schnellsten<br />

Zug <strong>der</strong> Welt, dem TGV. Der lässt mit<br />

einer Reisegeschwindigkeit von 300 Stundenkilometern<br />

transeuropäische Entfernungen<br />

food for thought f<br />

über Nacht zusammenschmelzen. Was zeigt:<br />

Neues Zeitgefühl und Hochgeschwindigkeit<br />

schließen sich nicht aus.<br />

<strong>Die</strong> europäischen Bahngesellschaften bilden<br />

momentan Allianzen, um das Hochgeschwindigkeitsschienennetz<br />

für nächtliche<br />

Reisende enger zu knüpfen. Mireille<br />

Faugère, als Direktorin bei <strong>der</strong> französischen<br />

Staatsbahn SNCF für den grenzüberschreitenden<br />

Personenfernverkehr zuständig:<br />

„Wir müssen diesen Verkehr nun weiterentwickeln.<br />

<strong>Die</strong> Leute wünschen Züge,<br />

die sehr schnell sind und komfortabel und<br />

für die attraktive Preise gelten.“<br />

Über 50 000 Städteverbindungen per Schlafund<br />

Liegewagen werden bereits heute von<br />

mehr als 16 Millionen Fahrgästen pro Jahr<br />

genutzt. Von den Maßstäben des historischen<br />

Orientexpress sind die De-luxe-Abteile<br />

noch ein Stück entfernt. Doch bieten sie<br />

den Luxus einer neuen Zeit: Der Nachttransfer<br />

spart Reisetage, bietet mehr Ruhe, mehr<br />

Raum – auch für Kreativität.<br />

CASE 3: LUNCH IS BACK<br />

Ende <strong>der</strong> Achtzigerjahre definierte Michael<br />

Douglas als Börsenhai Gordon Gekko im<br />

Film „Wall Street“ mit dem Leitsatz „Lunch<br />

is for wimps!“ die Relation von Zeit und<br />

Nahrungsaufnahme für die Topmanagementetagen.<br />

Zeitgleich formierte sich im piemontesischen<br />

Städtchen Bra die Keimzelle einer<br />

weltweiten Wi<strong>der</strong>standsbewegung gegen<br />

jede Form des Fastlife: Slowfood.<br />

„Ich wollte eine Revolution von meinem<br />

Esstisch aus starten – ganz langsam“, sagt<br />

<strong>der</strong> 59-jährige Slowfood-Grün<strong>der</strong> Carlo<br />

Petrini, <strong>der</strong> gerade vom britischen „Guardian“<br />

zu einer <strong>der</strong> 50 Personen gewählt<br />

wurde, die die Welt retten könnten. Er<br />

erkannte die Absurdität eines Zeitverhaltens,<br />

in dem Topmanager, die Umsätze in<br />

Milliardenhöhe verantworten, es nicht<br />

schaffen, regelmäßig und gut zu essen. Sein<br />

Ziel: mehr Lebensqualität – durch mehr Zeit<br />

9


10<br />

für Genuss. Aus <strong>der</strong> Grassroot-Bewegung ist<br />

mit über 85 000 Mitglie<strong>der</strong>n das einflussreichste<br />

öko-gastronomische Netzwerk <strong>der</strong><br />

Welt geworden.<br />

Genuss hat für Slowfoodianer nichts mit<br />

dem Preis zu tun, son<strong>der</strong>n mit <strong>der</strong> Einstellung<br />

zum Leben. Für die Mitglie<strong>der</strong>, die sich<br />

in den regionalen Convivien organisieren,<br />

geht es darum, nicht nur die eigenen Essgewohnheiten,<br />

son<strong>der</strong>n auch sich selbst im<br />

Umgang mit <strong>der</strong> Zeit zu kultivieren.<br />

CASE 4: SUCHE NACH DEM INNEREN RUHEPUNKT<br />

Einen an<strong>der</strong>en Ansatz bietet <strong>der</strong> Managementcoach<br />

Christo Quiske. Mit seinen Kunden<br />

geht er in persönlichen Retreats nicht<br />

den Symptomen ihrer Zeitnot, son<strong>der</strong>n den<br />

mentalen Ursachen auf den Grund – auf Bergen,<br />

in <strong>der</strong> Wüste o<strong>der</strong> einfach bei Spaziergängen<br />

um den nächstgelegenen See. „Wir<br />

sind“, sagt Quiske, „mit unseren Gedanken<br />

ständig in Konzepten über Zukunft o<strong>der</strong><br />

Vergangenheit verstrickt – und leben nie im<br />

Jetzt. Das Gefühl <strong>der</strong> Zeitnot entsteht, wenn<br />

wir uns mit Dingen beschäftigen müssen,<br />

die unseren Konzepten, wie die Dinge sein<br />

sollten, wi<strong>der</strong>sprechen.“<br />

<strong>Die</strong> Lösung besteht für Quiske darin, sich<br />

immer wie<strong>der</strong> klarzumachen, dass Leben<br />

nur im Jetzt stattfindet. Wenn wir wie<strong>der</strong><br />

lernen, uns dem Augenblick wach und präsent<br />

mit allen Sinnen hinzugeben, gebe es<br />

keine Zeitverschwendung mehr.<br />

<strong>Die</strong> absolute Zeitsouveränität entsteht für<br />

den Coach jedoch, wenn es gelingt, in einer<br />

Welt, die sich mehr und mehr beschleunigt,<br />

in sich selbst den Punkt <strong>der</strong> Ruhe und Stille<br />

zu entdecken, einen Ruhepol, <strong>der</strong> selbst in<br />

Momenten größter Hektik nicht verloren<br />

gehe. Hier, so Quiske, liegt die Quelle von<br />

Intuition, innerer Klarheit und Kreativität.<br />

Ruhe und Gelassenheit sind immer ein Prozess<br />

<strong>der</strong> Selbsterkenntnis und Reflexion.<br />

Das verlangt gerade von Menschen mit Führungsverantwortung<br />

immer wie<strong>der</strong> Zeiten<br />

des reflexiven Rückzugs. Quiske empfiehlt,<br />

sich zwei o<strong>der</strong> drei Tage Zeit für ein solches<br />

Retreat zu nehmen – allein o<strong>der</strong> mit an<strong>der</strong>en<br />

Menschen in Führungspositionen.<br />

„Erfolg und Nie<strong>der</strong>lage haben ihre eigene<br />

Dynamik“, sagt Quiske, „aber wer einmal<br />

diesen inneren Punkt auf einem Retreat entdeckt<br />

hat, kann immer wie<strong>der</strong> auf diese<br />

Quelle zurückgreifen. Das ist das eigentliche<br />

Kapital und auch das Lohnende dieses<br />

Investments.“<br />

CASE 5: LERNEN, EIN LEBEN LANG<br />

Während Heerscharen von Akademikern<br />

und MBAs durch immer kürzere Studiengänge<br />

geschleust werden, rät Birger Priddat,<br />

Präsident <strong>der</strong> privaten Eliteuniversität Witten/Herdecke,<br />

zum Luxus einer entschleunigten<br />

Bildung. „Wir müssen in hochdynamischen<br />

Wissensgesellschaften von dem<br />

Wahnsinn wegkommen, nur einmal, in <strong>der</strong><br />

Jugend, auf Universitätsniveau ausgebildet<br />

zu werden – und dann mit diesem Wissen<br />

ein Leben lang auskommen zu müssen. Bei<br />

<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungsgeschwindigkeit unserer<br />

Gesellschaft wäre es doch viel intelligenter,<br />

Zeitnischen: Das vom italienischen Designer selbst<br />

geplante Armani/Spa will den entspannten Weg nach<br />

innen verkaufen. Passagiere <strong>der</strong> Singapore Airlines<br />

können in fliegenden Entspannungskapseln ihre<br />

Privatsphäre genießen. <strong>Die</strong> Privatuniversität Witten/<br />

Herdecke setzt auf den Luxus einer entschleunigten<br />

Bildung und auf lebenslanges Lernen.<br />

zwei- o<strong>der</strong> dreimal im Leben Bildung aufzutanken.“<br />

Denn: Bildung braucht Zeit.<br />

Priddats Plan: ein Bildungs-Sabbatical. <strong>Die</strong>se<br />

Idee erschließt <strong>der</strong> Universität neue Bildungsmärkte.<br />

Und sie bricht mit herkömmlichen<br />

akademischen Gewohnheiten und<br />

engem Disziplinendenken. Es geht um<br />

lebenslanges Lernen in einer neuen Dimension,<br />

die weit über die Grenzen <strong>der</strong> MBA-<br />

Ausbildung hinausweisen soll.<br />

Mit dem exklusiven Bildungs-Sabbatical<br />

will man in Witten/Herdecke einen neuen<br />

Trend setzen. Das Angebot richtet sich an<br />

Menschen jeden Alters mit Wunsch nach<br />

einem Bildungsupdate. Das Motto: Studier,<br />

was du willst! Den Studierenden stehen alle<br />

Seminare offen: Medizin, <strong>Kunst</strong>, Naturwissenschaft,<br />

Wirtschaft, Philosophie. Fehlt ein<br />

gewünschtes Studienfach, wird eine Kooperation<br />

mit einer an<strong>der</strong>en Spitzenuniversität<br />

geschlossen. Einzeltutorien mit Professoren<br />

sowie individuelles Coaching in einem weltweiten<br />

Netzwerk von Wissenschaftlern, Experten<br />

und Alumni helfen dabei, den individuellen<br />

Forschungs- und Bildungsinteressen<br />

bis in die Tiefe nachzugehen.<br />

Bildungsluxus jenseits aller Disziplinengrenzen<br />

für Menschen, die wissen, dass sie<br />

die Freiheit wollen, selbst zu entscheiden,<br />

womit sie sich beschäftigen. „<strong>Die</strong>se Menschen<br />

wählen wir sehr genau aus – denn sie<br />

müssen die Freiheit zum geruhsamen Wissenserwerb<br />

aushalten können“, sagt Priddat.<br />

„Nur eine Idee, ein Projekt o<strong>der</strong> ein Thema,<br />

dass für beide Seiten ein herausragendes<br />

Erkenntnispotenzial besitzt, öffnet die<br />

Türen bis in den letzten Winkel unserer<br />

Universität.“ Zum Wintersemester 2008 will<br />

man den ersten Wagemutigen die Tore öffnen.<br />

Das Einzige, was noch entschieden<br />

werden muss, ist <strong>der</strong> Preis für diesen Bildungsluxus..


DIE KUNST<br />

DER<br />

CORPORATE<br />

RECOVERY<br />

DOSSIER #12<br />

In harten Zeiten überdenken viele Unternehmen<br />

ihr Geschäft – und erfinden sich neu. Aber wie<br />

sieht eine kluge Restrukturierung aus, wann<br />

beginnt man damit am besten? Und wie mündet<br />

ein Restrukturierungsprozess in eine Strategie<br />

<strong>der</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Recovery</strong>? <strong>Die</strong>ses Dossier liefert<br />

Lösungsansätze – und zeigt, dass Change-<br />

Management heute eine strategische Kernaufgabe<br />

<strong>der</strong> Topmanager ist.<br />

Jede <strong>Recovery</strong> beginnt dabei mit Zahlenwälzen.<br />

Nach soli<strong>der</strong> Analyse müssen Unternehmen dann<br />

ihren eigenen Weg aus <strong>der</strong> Krise definieren –<br />

finanziell, organisatorisch, strategisch. Ein Muss<br />

dabei: Vertrauen bei Partnern schaffen!<br />

„Then you better start swimming<br />

„People don’t resist change,<br />

or you’ll sink like a stone, for the<br />

they resist being changed.“<br />

times, they are a-changin’.“<br />

BOB DYLAN<br />

PETER SENGE


DOSSIER #12<br />

12<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Corporate</strong> <strong>Recovery</strong><br />

gesehen von James Dawe<br />

Es ist eine chaotische Wirtschaftswelt, die uns <strong>der</strong> Künstler James Dawe hier präsentiert; eine<br />

Welt, in <strong>der</strong> ständiger Wandel Normalzustand ist. Dawe selbst sagt zu seinem Werk, das er<br />

exklusiv für think:act geschaffen hat: „Ich habe mich auf die Bedeutung von Evolution und<br />

Wandel konzentriert. <strong>Die</strong>se Faktoren sind für das Überleben eines Unternehmens sehr wichtig.<br />

Ich wollte deshalb eine futuristische Hybridstruktur schaffen, die sich zum Himmel streckt –<br />

o<strong>der</strong> einer neuen Utopie entgegen.“ Dawe nimmt mit seiner Collage auch auf die einzelnen Elemente<br />

<strong>der</strong> Beiträge in diesem Dossier Bezug. So tauchen <strong>der</strong> Fiat 500 und ein Flugzeug auf.


<strong>Die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>der</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Recovery</strong> DOSSIER #12<br />

13


DOSSIER #12 <strong>Die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>der</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Recovery</strong><br />

14<br />

NORTHERN ROCK<br />

NORTHERN ROCK WURDE VER-<br />

STAATLICHT, ALS DIE MASSEN-<br />

KREDITMÄRKTE ABSTÜRZTEN.<br />

DIE BANK REDUZIERT NUN DIE<br />

BILANZSUMME, INDEM SIE<br />

HYPOTHEKEN SCHNELLER<br />

ZURÜCKZAHLT ALS BISHER.<br />

4,1Milliarden<br />

Pfund schuldet das<br />

Unternehmen <strong>der</strong><br />

Bank of England.<br />

»Wir konzentrieren uns<br />

weiterhin auf unsere<br />

wichtigsten Geschäftsziele,<br />

die Rückzahlung<br />

<strong>der</strong> Schulden an die<br />

Regierung, die Freigabe<br />

<strong>der</strong> Bürgschaften<br />

und, zu gegebener Zeit,<br />

die Rückführung <strong>der</strong><br />

Northern Rock in<br />

Privateigentum.«<br />

RON SANDLER, EXECUTIVE CHAIRMAN<br />

AKTIENKURS: STABILISIERT<br />

NACH FREIEM FALL<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

Jul. 07 Sep. 07 Nov. 07 Jan. 08 Mär. 08<br />

Quelle: Yahoo<br />

Rezession <strong>der</strong> CFOs<br />

<strong>Die</strong> Zeiten sind härter geworden. Der Liquiditätsengpass entwickelt sich für viele<br />

Unternehmen zu einem echten Problem – auch für die mit einem gesunden Geschäftskonzept.<br />

Oft hilft nur noch eine Restrukturierung, um das Unternehmen zu retten.<br />

s<br />

DIE ANZEICHEN für eine stotternde Wirtschaft<br />

mehren sich. <strong>Die</strong> Kündigung von Hypotheken erreicht<br />

Rekordniveau, Konsumenten schnallen ihre Gürtel<br />

enger. Erst kürzlich gab die Kaffeehauskette Starbucks<br />

eine Gewinnwarnung heraus. Während im Einzelhandel<br />

Umsätze fallen, steigen sie bei den Discountern.<br />

Harte Zeiten für Unternehmenslenker. Denn<br />

nicht nur zügeln Kunden ihre Ausgaben. Firmenchefs<br />

plagen auch unbezahlte Rechnungen, und Banken<br />

sind bei <strong>der</strong> Kreditvergabe immer restriktiver. Dabei<br />

ist flüssiges Kapital bitter nötig, um die schwierigen<br />

Zeiten zu überbrücken o<strong>der</strong> in Innovationen zu investieren.<br />

Gleichzeitig steigen Öl- und Rohstoffpreise,<br />

europäische und asiatische Firmen drücken zudem<br />

die hohen Wechselkursrisiken.<br />

So überrascht es nicht, dass Unternehmen an<br />

ihrem Geld festhalten, wie die Banken nach <strong>der</strong> Subprime-Krise.<br />

Das Ergebnis: <strong>Die</strong> Wirtschaft ist nicht<br />

flüssig. Ein Nachteil für alle, die auf Kapital angewiesen<br />

sind. Während Unternehmen also nach Finanzierungen<br />

suchen, ziehen Banken die Notbremse und<br />

sorgen dafür, dass die eigenen Verluste nicht noch<br />

weiter wachsen.<br />

DIE SUBPRIME-KRISE und Liquiditätsengpässe<br />

belasten die Wirtschaft. In <strong>der</strong> Politik fällt immer<br />

häufiger das bisherige No-no-Wort Inflation. Aber was<br />

bedeutet das für die Chefs? „Wer dachte, sein Unternehmen<br />

sei gegen solche Turbulenzen immun, sollte<br />

lieber noch einmal nachdenken“, sagt Steve Francis,<br />

Partner in <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>s Turnaround and Restructuring<br />

Practice. <strong>Die</strong>ses Überdenken „findet nicht überall<br />

schnell genug statt. Unternehmen aus allen Branchen<br />

werden erst langsam und zögerlich einsehen, dass<br />

Restrukturierungen angebracht sind“.<br />

Das kann tödlich sein. Sind Unternehmen<br />

schlecht auf Krisen vorbereitet, können diese ihnen<br />

das Genick brechen. Und heute ist die Situation be-<br />

<strong>Die</strong>sen Beitrag können Sie auch<br />

auf unserer Audio-CD (Seite 63) hören.<br />

son<strong>der</strong>s gefährlich. In den Bilanzen sind die Fremdkapitalquoten<br />

tendenziell höher und ihre Strukturen<br />

auch komplizierter als bisher. „Ging es bislang bergab,<br />

haben sich die Banken gegenseitig vertraut. Das<br />

ist jetzt selbst bei Routinetransaktionen nicht mehr<br />

<strong>der</strong> Fall“, sagt Francis. Unternehmen, die sich nach <strong>der</strong><br />

Erholung von <strong>der</strong> geplatzten New-Economy-Blase auf<br />

Wachstum konzentrierten, wurden vom Abschwung<br />

durch die Finanzmärkte überrascht. Viele hatten<br />

Schulden angehäuft, weil Kapital so einfach zu haben<br />

war. An<strong>der</strong>e hatten an Private-Equity-Firmen verkauft,<br />

die in den Bilanzen <strong>der</strong> Unternehmen die Schulden in<br />

bis dahin ungeahnte Höhen trieben. Schätzungen<br />

zufolge sind satte 30 Prozent <strong>der</strong> „echten“ Wirtschaft<br />

im Besitz von Private-Equity-Unternehmen. Es ist fast<br />

so, als gerate man mit vollen Segeln in einen Sturm:<br />

Wer auf Kurs bleibt, erleidet Schiffbruch. Aber eine<br />

alternative Route auf <strong>der</strong> Suche nach Liquidität einzuschlagen<br />

ist alles an<strong>der</strong>e als einfach.<br />

<strong>Die</strong>smal sollte nicht <strong>der</strong> CEO allein den Kurs<br />

bestimmen. Ein Umdenken in Bezug auf Schuldenhöhe<br />

und -strukturen ist notwendig. Bei dem gegebenen<br />

Liquiditätsengpass sieht <strong>der</strong> CFO den Tsunami eher<br />

auf das Unternehmen zukommen als <strong>der</strong> CEO. Der CFO<br />

sitzt an <strong>der</strong> Schnittstelle von Firmenaktivität und<br />

Liquidität. Er kann daher die Gefahren <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen<br />

Marktbedingungen am besten einschätzen. „<strong>Die</strong> normale<br />

Rezession ist Sache des CEO. Mit dem Schwerpunkt<br />

auf Liquidität ist dies die Rezession <strong>der</strong> CFOs“,<br />

sagt Francis und fügt hinzu: „CFOs leben und sterben<br />

mit <strong>der</strong> Liquidität. Während CEOs in <strong>der</strong> Lage sind, sich<br />

aus strategischen Fehlern herauszureden und später<br />

beim Lebenslauf ein wenig zu schummeln, wird ein<br />

CFO den Verlust <strong>der</strong> Liquidität eines Unternehmens<br />

nicht überleben. Hier gibt es nur Schwarz o<strong>der</strong> Weiß.“<br />

Unternehmen geraten meist in eine existenzielle<br />

Krise, nachdem sie drei Phasen durchlaufen haben.<br />

Strategische Fehler, durch die das Unternehmen sei-


nen Wettbewerbsvorteil verliert, stehen am Anfang.<br />

<strong>Die</strong>se Fehltritte werden über kurz o<strong>der</strong> lang intern<br />

bekannt. Bald darauf erfahren Stakehol<strong>der</strong> und die<br />

Medien über die sich verschlechternden Zahlen von<br />

dem Dilemma. Auch wenn das Management dann reagiert,<br />

wird dies erst zu spät zu Ergebnissen führen.<br />

<strong>Die</strong> Banken fangen an, bei Kreditvereinbarungen hart<br />

durchzugreifen, und verursachen so eine Krise o<strong>der</strong><br />

gar eine Insolvenz. Ein Beispiel: die US-Autoindustrie.<br />

Vor Jahrzehnten verschliefen die großen Player zentrale<br />

Entwicklungen. Während sie sich auf große Autos<br />

und den Heimatmarkt konzentrierten, setzten die<br />

japanischen und deutschen Hersteller auf internationale<br />

Märkte und energiesparende Technologien. Aber<br />

auch sie bekommen die abnehmende Nachfrage,<br />

strengere Umweltauflagen und angespanntere Lage<br />

an den Finanzmärkten zu spüren. Genau das ist das<br />

Markenzeichen <strong>der</strong> CFO-Rezession: Der Liquiditätsengpass<br />

und die Verunsicherung <strong>der</strong> Finanzmärkte<br />

können auch bei gesunden Unternehmen zu Problemen<br />

führen. Plötzlich kann da ein Unternehmen<br />

we<strong>der</strong> seine Rechnungen bezahlen noch Geld für neue<br />

Technologien o<strong>der</strong> F&E aufbringen. „Ein gutes Unternehmen<br />

mit einer schlechten Bilanz wird so ein<br />

schlechtes Unternehmen“, sagt Francis.<br />

Eine Restrukturierung ist für viele Unternehmen<br />

die einzige Möglichkeit, ihre Geschäfte inmitten <strong>der</strong><br />

Gefahren des Markts weiterzuführen. Kandidaten für<br />

finanzielle Restrukturierungen sind die Unternehmen,<br />

die in ihrem Marktsegment führend sind, aber finanzielle<br />

Engpässe haben. Unternehmen, die aber nicht<br />

nur überschuldet sind, son<strong>der</strong>n auch auf ihrem Markt<br />

zu kämpfen haben, sollten jedoch eine ganzheitliche<br />

Restrukturierung in Betracht ziehen, also eine strategische,<br />

finanzielle und operative Reorganisation.<br />

Als Folge <strong>der</strong> Subprime-Krise geriet in Großbritannien<br />

Northern Rock als erstes Unternehmen ins<br />

Schlingern. Hier wird jetzt in allen drei Bereichen<br />

restrukturiert. Nachdem die Massenkreditmärkte<br />

abstürzten und so das Geschäftsmodell <strong>der</strong> Bank<br />

zusammenbrach, wurde <strong>der</strong> angeschlagene Hypothekengeber<br />

im Februar dieses Jahres verstaatlicht. Ein<br />

neuer CEO leitet nun die Restrukturierung. <strong>Die</strong> Bank<br />

muss jetzt ihre Schulden – Ende März waren es<br />

4,1 Milliarden britische Pfund – <strong>der</strong> Bank of England<br />

bis 2010 zurückzahlen. Teil <strong>der</strong> Restrukturierung ist<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>der</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Recovery</strong> DOSSIER #12<br />

auch, dass Northern Rock seine Bilanzsumme reduziert,<br />

indem das Unternehmen Hypotheken schneller<br />

zurückzahlt. Zudem wird die Mitarbeiterzahl um rund<br />

2000 reduziert. Im Mai sagte Ron Sandler, <strong>der</strong> neue<br />

CEO: „<strong>Die</strong> Schulden bei <strong>der</strong> Bank of England werden<br />

geringer, und dank <strong>der</strong> geplanten Hypothekenablösungen<br />

schrumpft unsere Bilanzsumme. Zwar sind<br />

die Rückstände gewachsen, aber die Qualität <strong>der</strong> Kredite<br />

im Kreditbuch ist weiterhin zufriedenstellend und<br />

auf dem im Businessplan verzeichneten Level.“<br />

Natürlich sei <strong>der</strong> Ausblick auf den UK-Hypothekenmarkt<br />

unsicher. Aber „unser bisheriger Fortschritt ist<br />

ermutigend. Wir konzentrieren uns weiterhin auf<br />

unsere wichtigsten Geschäftsziele, die Rückzahlung<br />

<strong>der</strong> Schulden an die Regierung, die Freigabe <strong>der</strong> Bürgschaften<br />

und, zu gegebener Zeit, die Rückführung <strong>der</strong><br />

Northern Rock in Privateigentum“.<br />

<strong>Die</strong> meisten Manager wissen, dass Restrukturierung,<br />

insbeson<strong>der</strong>e die operative Restrukturierung,<br />

ein langfristiger Prozess ist. Sie wissen auch, dass<br />

dieser schnell beginnen muss und möglichst wenig<br />

Unruhe bei Kunden stiften sollte. Hält man sich nicht<br />

an diese Regeln, übernimmt die Bank. „Oft läuft es auf<br />

ein Kräftemessen mit den Banken hinaus, nach dem<br />

Motto: Wer gibt zuerst auf? Insbeson<strong>der</strong>e dann, wenn<br />

man von „Covenant Lite“-Finanzierungskonditionen<br />

profitiert. Wenn man verliert, übernimmt die Bank die<br />

Geschäfte“, sagt Francis.<br />

Richard Tett, Restrukturierungsspezialist von<br />

Freshfield Bruckhaus Deringer, erkennt bereits einen<br />

Trend zur Restrukturierung. „Während die Kreditkrise<br />

immer deutlicher zu spüren ist und die Liquidität austrocknet,<br />

bewegen wir uns auf eine Phase <strong>der</strong> aktiven<br />

Restrukturierung zu.“ In <strong>der</strong> Vergangenheit haben<br />

viele Unternehmen nur durch großzügige Banken<br />

überlebt. „Es hat sich jedoch gezeigt, dass Überbrückungsfinanzierungen<br />

häufig lediglich die Restrukturierung<br />

hinauszögern. Auf dem <strong>der</strong>zeit weit angespannteren<br />

Markt würden einige Firmen, denen in den<br />

vergangenen paar Jahren noch mit Überbrückungskrediten<br />

ausgeholfen wurde, heute sicher keine<br />

Finanzierung mehr bekommen.“<br />

Das ist das Bild früherer Zeiten: Liquidität ohne<br />

Ende und gebührenfreie Kreditvereinbarungen. Jetzt<br />

aber hat sich <strong>der</strong> Wind gedreht. Und die Frage ist: Wer<br />

kann dem Sturm trotzen?<br />

ZEICHEN DES<br />

ABSCHWUNGS<br />

�Der Wert von Gewerbeimmobilien<br />

sinkt.<br />

�Der Konsum im Einzelhandel<br />

lässt nach.<br />

�Gerüchte über Probleme<br />

von hoch verschuldetenUnternehmen<br />

mehren sich.<br />

�Große Unternehmen<br />

zahlen ihre Rechnungen<br />

an kleinere<br />

Unternehmen mit<br />

Verspätung.<br />

15


DOSSIER #12 <strong>Die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>der</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Recovery</strong><br />

FIAT<br />

DER ITALIENISCHE AUTO-<br />

BAUER WURDE KOMPLETT<br />

UMGEKREMPELT. CEO SERGIO<br />

MARCHIONNE VERRINGERTE<br />

DIE SCHULDEN, ERHÖHTE<br />

DIE LIQUIDITÄT UND SETZTE<br />

AUF KLEINERE AUTOS.<br />

766 Millionen<br />

Euro betrug Fiats<br />

Gewinn im ersten<br />

Quartal 2008.<br />

16<br />

»Am wichtigsten<br />

war es, die organisatorische<br />

Struktur zu<br />

erneuern. Innerhalb<br />

von 60 Tagen haben<br />

wir die alten Strukturen<br />

nie<strong>der</strong>gerissen.<br />

Viele Führungskräfte<br />

mussten gehen.«<br />

CEO SERGIO MARCHIONNE<br />

DER MARCHIONNE-EFFEKT<br />

Kursindex vom 1. Juni 2004 = 100<br />

Fiat<br />

Renault<br />

PSA Peugeot Citroën<br />

2004 2005 2006 2007 2008<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

Quelle: Thomson Datastream<br />

Ab 2004 entwickelte sich die Fiat-Aktie<br />

deutlich besser als die Wertpapiere <strong>der</strong><br />

französischen Konkurrenz.<br />

0<br />

Im Sturm neue Stärke finden<br />

Wenn Firmen ihr Geschäft umbauen, kann viel schiefgehen. Unternehmen wie Fiat<br />

zeigen aber, wie man auf Krisen sinnvoll reagiert. <strong>Die</strong> wichtigsten Regeln: scharfe Analyse,<br />

Ausgabendisziplin und die Bereitschaft zur langfristigen Kooperation mit <strong>der</strong> Bank.<br />

s<br />

UNTERNEHMEN ZU RESTRUKTURIEREN wird<br />

zusehends komplexer: Ihr Verschuldungsgrad steigt,<br />

was eine unübersichtliche Gläubigerhierarchie erzeugt.<br />

Immer ausgefeilter werden folglich auch die<br />

Lösungsvorschläge <strong>der</strong> Restrukturierungsbranche.<br />

Experten haben dabei Best Practices ausgemacht, die<br />

in jedem Verän<strong>der</strong>ungsprozess eine wertvolle Orientierung<br />

bieten.<br />

„Wir glauben, dass eine rein finanzielle Neuorganisation<br />

ohne eine gleichzeitige operationelle<br />

Neuglie<strong>der</strong>ung nicht funktionieren kann“, sagt Max<br />

Falckenberg, Partner bei <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants.<br />

„<strong>Die</strong> meisten Versuche laufen darauf hinaus,<br />

dass man am Ende so o<strong>der</strong> so auch die Strukturen neu<br />

ordnet.“ <strong>Die</strong> Best Practices sollen helfen, die sechs<br />

beson<strong>der</strong>s gängigen Fehlerquellen zu vermeiden.<br />

Fehler Nummer eins: unrealistische Planung.<br />

<strong>Die</strong> Bedürfnisse <strong>der</strong> Kunden werden ignoriert, Marktentwicklungen<br />

verschlafen. Zweiter typischer Fehler:<br />

unpräzise Sanierungspläne. Verantwortlichkeiten<br />

müssen eindeutig geklärt und Ziele klar definiert sein.<br />

Drittens rücken interne Angelegenheiten häufig zu<br />

sehr in den Vor<strong>der</strong>grund, sodass kein Raum bleibt,<br />

sich auf die Wettbewerber zu konzentrieren. Das vierte<br />

Problem besteht im fehlenden Vertrauen <strong>der</strong> Belegschaft<br />

in die Führungsmannschaft – irgendetwas<br />

muss diese ja falsch gemacht haben, wenn jetzt<br />

restrukturiert werden muss, so <strong>der</strong> Gedanke. Punkt<br />

fünf: Viele Unternehmen haben eine zu vage Vorstellung<br />

davon, welche Produkte wirklich Gewinn bringen.<br />

Einige haben ihr Produktportfolio nie gründlich analysiert<br />

und sich zu sehr auf bloße Umsatzsteigerung<br />

konzentriert – statt auf profitables Wachstum.<br />

Schließlich sind sechstens immer noch viele Unternehmen<br />

nur wi<strong>der</strong>willig bereit, etwas zu än<strong>der</strong>n. „Wer<br />

langsam in die Krise driftet, spürt keinen unmittelbaren<br />

Druck“, sagt Falckenberg. Trotzdem schaffen<br />

es einige Firmen, sich zugleich operationell, stra-<br />

<strong>Die</strong>sen Beitrag können Sie auch<br />

auf unserer Audio-CD (Seite 63) hören.<br />

tegisch und finanziell neu aufzustellen – rechtzeitig<br />

vor <strong>der</strong> Liquiditätskrise. Zum Beispiel Fiat. 2004 brachten<br />

die Agnellis als Haupteigner Sergio Marchionne<br />

als neuen Chef an die Spitze, um den Negativtrend zu<br />

stoppen. Der setzte mit <strong>der</strong> Reorganisation an diversen<br />

Fronten gleichzeitig an. Und das schnell.<br />

„Am wichtigsten war es, die organisatorische<br />

Struktur des Unternehmens radikal zu erneuern“, sagt<br />

Marchionne. „Innerhalb von nur 60 Tagen haben wir die<br />

alten Strukturen komplett nie<strong>der</strong>gerissen. Viele Führungskräfte,<br />

die lange dabei waren, aber jegliche<br />

Marktmechanismen zu ignorieren schienen, mussten<br />

gehen. Wir haben die Strukturen flacher gestaltet und<br />

jungen Leuten viel Raum gegeben.“<br />

Inzwischen hat das Unternehmen hervorragende<br />

Perspektiven. Marchionne reduzierte die Schulden<br />

und sorgte für mehr Liquidität. Unter ihm besann sich<br />

Fiat auf die Wurzeln im italienischen Design und konzentrierte<br />

sich wie<strong>der</strong> auf Kleinwagenmodelle. Der<br />

Kultwagen Fiat 500 avancierte zum Liebling <strong>der</strong> Autokenner.<br />

Das Ergebnis: 3,2 Milliarden Euro Gewinn im<br />

Jahr 2007, 66 Prozent mehr als 2006.<br />

ÄHNLICH SIEHT ES BEIM Konsumgüterhersteller<br />

Unilever aus: CEO Patrick Cescau rechnet als Folge <strong>der</strong><br />

Umstrukturierung für 2008 mit einem Gewinnzu–<br />

wachs von rund fünf Prozent – und diese liegen am<br />

oberen Ende des zuvor prognostizierten Rahmens.<br />

Auch Japan Airlines (JAL) kündigte 2006 an, seine Ertragskraft<br />

durch Umbaumaßnahmen steigern zu wollen:<br />

<strong>Die</strong> Passagierabfertigung sollte international neu<br />

organisiert, die Anzahl <strong>der</strong> Maschinen reduziert und die<br />

Kostenstrukturen effizienter gestaltet werden. In den<br />

sechs Monaten bis zum 30. September betrug <strong>der</strong><br />

Gewinn 56,6 Milliarden Yen – im Vorjahr ergab sich im<br />

gleichen Zeitraum ein Gewinn von 8,1 Milliarden Yen.<br />

Immerhin die Verluste senken konnte <strong>der</strong> Autohersteller<br />

Ford – mitten in einem schmerzhaften


Umstrukturierungsprozess. Zwar soll sich die Restrukturierung<br />

noch über mehrere Jahre hinziehen,<br />

doch das erklärte Ziel ist ein positives Ergebnis für<br />

den US-Markt bereits im Jahr 2009. „Wir werden zur<br />

Stelle sein, wenn es auf dem Markt wie<strong>der</strong> bergauf<br />

geht“, so CEO Alan Mulally. „Und zwar mit genau den<br />

Produkten, die die Kunden wollen, und einer Kostenstruktur,<br />

die ihnen die besten Preise bietet.“<br />

Aber: In allen vier Fällen musste erst die Krise<br />

kommen, bevor <strong>der</strong> Wandel einsetzen konnte. Nicht<br />

untypisch, wie eine neue Studie von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />

zeigt: 71 Prozent <strong>der</strong> Unternehmen reagieren erst,<br />

wenn aus <strong>der</strong> strategischen zusätzlich eine Ertragso<strong>der</strong><br />

Liquiditätskrise geworden ist. Doch die vier<br />

genannten Fälle verbindet noch mehr: <strong>Die</strong> Restrukturierungsmaßnahmen<br />

wurden von <strong>der</strong> Führungsetage<br />

voll unterstützt, <strong>der</strong> Ansatz war ganzheitlich, und die<br />

Maßnahmen wurden rasch umgesetzt.<br />

Was aber sind die Instrumente erfolgreicher<br />

Restrukturierungsprozesse?<br />

INSTRUMENT NR. 1: VERTRAUEN SCHAFFEN DANK<br />

SOLIDER ANALYSE UND PARTNERN VON AUSSEN<br />

Der Markt für Unternehmen ist illiquide. Ein guter CFO<br />

muss den Kreditgebern deshalb korrekte und glaubhafte<br />

Zahlen liefern. „<strong>Die</strong> Geldgeber müssen das<br />

Gefühl haben, dass sie <strong>der</strong> Firma vertrauen können“,<br />

sagt Richard Tett, Restrukturierungsspezialist bei<br />

Freshfields Bruckhaus Deringer. „Allein die Tatsache,<br />

dass überhaupt eine Sanierung ansteht, zeigt, dass<br />

etwas falsch gelaufen ist. Das Unternehmen muss<br />

noch nicht einmal schuld daran sein. Klar ist aber,<br />

etwas lief an<strong>der</strong>s als geplant. So etwas beunruhigt die<br />

Leute – und lässt sie gegenüber Zahlen misstrauisch<br />

werden.“ Experten sind sich einig, dass <strong>der</strong> Blick von<br />

außen hier von großem Nutzen ist.<br />

Unilever hat sich für sein Restrukturierungsprogramm<br />

„One Unilever“ externe Hilfe geholt. Eine<br />

zentrale Maßnahme: Verschiedene Personalfunktionen<br />

wurden zusammengelegt. Das Programm trägt<br />

Früchte. „Dass wir unser Geschäftsmodell optimieren<br />

und den Wandel dabei sehr schnell vorantreiben, hat<br />

uns jetzt schon spürbare Vorteile gebracht“, sagt<br />

Cescau. „<strong>Die</strong> Restrukturierung hat Unilever zu einem<br />

flexibleren und wi<strong>der</strong>standsfähigeren Unternehmen<br />

gemacht, das sich in schwierigen Zeiten und in engen<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>der</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Recovery</strong> DOSSIER #12<br />

ZENTRALE BEFUNDE EINER AKTUELLEN ROLAND-<br />

BERGER-STUDIE ZUM THEMA RESTRUKTURIERUNG<br />

�Der wichtigste Erfolgsfaktor für Restrukturierungen<br />

ist das Commitment des Managements.<br />

�Unternehmen reagieren langsam auf Krisen: Nur<br />

50 Prozent werden binnen zwölf Monaten aktiv.<br />

�Frühwarnsysteme sind wichtig, werden aber<br />

selten implementiert.<br />

�Rund zwei Drittel aller Unternehmen benötigen für<br />

die Restrukturierung zusätzliche Mittel.<br />

�<strong>Die</strong> Personalkosten spielen bei <strong>der</strong> Kostenreduzierung<br />

die zentrale Rolle.<br />

�Restrukturierung ist eine immer neu zu bewältigende<br />

Aufgabe.<br />

Kostenstrukturen behaupten kann.“ Tett macht Führungskräften<br />

immer wie<strong>der</strong> deutlich, dass die wirtschaftliche<br />

Krise eines Unternehmens das Verhältnis<br />

zu den Banken einschneidend verän<strong>der</strong>t. Sobald es<br />

um die Restrukturierung eines Unternehmens geht,<br />

übernehmen bei <strong>der</strong> Bank statt <strong>der</strong> gewohnten Ansprechpartner<br />

in <strong>der</strong> Regel Spezialisten für die Schuldumwandlung<br />

das Steuer. Tett hat einiges an Erfahrung<br />

mit auf Krisen spezialisierten Bankern. „<strong>Die</strong>se Leute<br />

gehen völlig an<strong>der</strong>s an die ganze Sache heran“, sagt<br />

er. „Sie haben in <strong>der</strong> Regel viel Erfahrung, was Restrukturierungsprogramme<br />

betrifft. Ihnen sind ganz<br />

an<strong>der</strong>e Dinge wichtig als den Kollegen, die das Unternehmen<br />

bisher betreut haben.“<br />

INSTRUMENT NR. 2: LIQUIDITÄT SCHONEN<br />

Eine Möglichkeit, kurzfristig Liquidität zu erreichen,<br />

besteht darin, Aktiva zu verkaufen, Firmeneigentum<br />

an die Bank zu übergeben, um so die Restrukturierung<br />

zu finanzieren und all das Firmeneigentum zu<br />

veräußern, das nicht <strong>der</strong> Produktion dient. Eine an<strong>der</strong>e<br />

Option: die Lagerhaltung reduzieren. „Wir konnten<br />

die Liquidität eines Maschinenherstellers um zehn<br />

17


DOSSIER #12 <strong>Die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>der</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Recovery</strong><br />

18<br />

UNILEVER<br />

UNILEVER SETZT AUF KONTI-<br />

NUIERLICHE RESTRUKTURIE-<br />

RUNGSMASSNAHMEN UND<br />

HAT SICH FÜR SEIN ONE-UNI-<br />

LEVER-RESTRUKTURIERUNGS-<br />

PROGRAMM AUCH HILFE VON<br />

AUSSEN GEHOLT.<br />

Um bis zu5 Prozent<br />

könnte <strong>der</strong> Umsatz<br />

2008 steigen,<br />

auch dank <strong>der</strong><br />

Restrukturierung.<br />

»Wir sind zuversichtlich,<br />

2008 ein<br />

Wachstum am oberen<br />

Ende <strong>der</strong> Spanne<br />

von drei bis fünf<br />

Prozent zu erzielen,<br />

in einem zunehmend<br />

herausfor<strong>der</strong>nden<br />

Umfeld. Wir sind<br />

heute fitter, schlanker,<br />

aggressiver.«<br />

CEO PATRICK CESCAU<br />

DER OPERATIVE GEWINN<br />

STIEG UM FAST 40 PROZENT.<br />

Q1/2008<br />

(Millionen €) Anstieg<br />

Operating Profit 1,815 39 %<br />

Pre-tax Profit 1,782 34 %<br />

Net Profit 1,407 34 %<br />

EPS (in €) 0,47 35 %<br />

Quelle: Unilever<br />

Millionen Euro steigern, indem wir einfach die<br />

Rohstofflagerhaltung heruntergefahren haben“, sagt<br />

Falckenberg. An<strong>der</strong>e Tricks: die Außenstände reduzieren,<br />

indem man nicht mehr gegen Rechnung einkauft.<br />

O<strong>der</strong> die Zahlungskonditionen von 45 auf 30 Tage<br />

neu verhandeln.<br />

INSTRUMENT NR. 3: ROLLIERENDE LIQUIDITÄTS-<br />

PROGNOSEN EINFÜHREN<br />

Wenn es bei <strong>der</strong> Restrukturierung eines Unternehmens<br />

um die Finanzen geht, sind rollierende Liquiditätsprognosen<br />

unabdingbar. Laut einer aktuellen<br />

<strong>Roland</strong>-<strong>Berger</strong>-Studie werden diese aber gerade mal<br />

von 30 Prozent aller Unternehmen in einer Liquiditätskrise<br />

implementiert. Steve Francis, Partner bei <strong>der</strong><br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Turnaround and Restructuring Practice<br />

in London, beobachtet Umstrukturierungsprozesse<br />

seit Jahren. Unternehmen verfügten in <strong>der</strong> Regel über<br />

riesige Mengen Cash, die ungenutzt im Unternehmen<br />

herumschwirren, so seine Erfahrung. „Man muss nur<br />

wissen, wo es ist und wer dafür verantwortlich ist“,<br />

sagt Francis. In einem Unternehmen, in dem er den<br />

Job des CRO, also des Chief Restructuring Officer,<br />

übernahm, führte er einen täglichen Bericht für<br />

jedes Unternehmenskonto ein, um aufzuzeigen, was<br />

an Zahlungen ein- und ausging. Außerdem stellte er<br />

sicher, dass keine Unit über mehr Cash verfügte<br />

als nötig. Das Ausgabeverhalten wurde deutlich<br />

restriktiver. „Wenn Manager Geld ausgeben wollten,<br />

mussten sie erst formal anfragen“, erklärt Francis.<br />

„Ohne das Ausgabeverhalten <strong>der</strong>art harsch zu kontrollieren,<br />

ist mehr Disziplin kaum zu erreichen.“<br />

INSTRUMENT NR. 4: SICH DAS BESTE INSOLVENZ-<br />

RECHT AUSSUCHEN<br />

Experten empfehlen Unternehmen, sich für die<br />

Restrukturierung die rechtlichen Rahmenbedingungen<br />

auszusuchen, die einem am meisten entgegenkommen.<br />

Als <strong>der</strong> deutsche Autoteilehersteller<br />

Schefenacker ankündigte, seinen Sitz nach London<br />

zu verlagern, um dort Konkurs anzumelden, wachten<br />

deutsche Politiker plötzlich auf und machten<br />

sich Gedanken über das hiesige Insolvenzrecht.<br />

2007 meldete Schefenacker in London Konkurs<br />

an – und überlebte. Dank des flexibleren britischen<br />

Insolvenzrechts.<br />

INSTRUMENT NR. 5: LANGFRISTIG MIT DER BANK<br />

ZUSAMMENARBEITEN<br />

Gerade bei illiquiden Märkten müssen finanziell angeschlagene<br />

Unternehmen oft langfristig mit dem gleichen<br />

Team von Bankern zusammenarbeiten. Welche<br />

Banker das sind, mag am Anfang <strong>der</strong> Unternehmenssanierung<br />

unklar sein, denn die Hausbank kann Kredite<br />

weiterverkauft haben. Richard Millward, bei NM<br />

Rothschild in London zuständig für den Bereich<br />

Restrukturierung, warnt Manager deshalb: „Man muss<br />

den Kreditvertrag im Detail durchschauen, um genau<br />

zu wissen, ob die Banken einen Kredit ohne Absprache<br />

weiterverkaufen dürfen o<strong>der</strong> ob es dazu <strong>der</strong><br />

Zustimmung des Unternehmens bedarf.“ Millward rät,<br />

sich um gute und stabile Beziehungen zu seinen Kreditgebern<br />

zu bemühen – schließlich befinden sich die<br />

Banken in <strong>der</strong> schwierigen Situation, dass sie ihr Verlustrisiko<br />

minimieren müssen, aber auch dem Unternehmen<br />

helfen möchten, zu überleben. „<strong>Die</strong> Zusammenarbeit<br />

mit den Banken ist immer langfristiger als<br />

zuerst gedacht“, sagt Millward.<br />

INSTRUMENT NR. 6: DIE RICHTIGE KOMMUNIKATIONS-<br />

STRATEGIE WÄHLEN<br />

Gerade wenn die Banken Kredite untereinan<strong>der</strong><br />

weiterverkaufen, können Informationen nach außen<br />

dringen – das sollte man als CFO berücksichtigen.<br />

Sobald Berichte und Zahlen an eine Bank gehen, können<br />

sie dem Unternehmen schaden. „Man muss sich<br />

überlegen, was die Banken mit den Daten anfangen<br />

könnten“, so Millward. „Solange die Banken Geheimhaltungsabkommen<br />

unterzeichnen, können sie die<br />

Informationen nur weitergeben, wenn sie die Erlaubnis<br />

dazu haben.“ Ein Hedgefonds etwa kann in Verhandlungen<br />

mit Banken vertrauliche Informationen<br />

über ein Unternehmen und seine Kredite zur Verfügung<br />

gestellt bekommen. Wenn <strong>der</strong> Fonds die Kredite<br />

dann doch nicht übernimmt, haben seine Manager<br />

trotzdem Interessantes über das Unternehmen erfahren.<br />

<strong>Die</strong>ses Problem kann man kaum umgehen: Unternehmen<br />

sind in vielen Fällen sogar verpflichtet, <strong>der</strong><br />

Bank vertrauliche Daten weiterzugeben. Bevor kritische<br />

Informationen über operationelle Probleme o<strong>der</strong><br />

schlechte Renditeaussichten das Unternehmen verlassen,<br />

muss das Management deshalb zwingend<br />

eine Kommunikationsstrategie entwickelt haben.


INSTRUMENT NR. 7: SICH AUF DAS NEUE RESTRUK-<br />

TURIERUNGS-UMFELD EINSTELLEN<br />

Vor 10 bis 15 Jahren gingen Insolvenzverfahren nur<br />

Banken und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften etwas<br />

an. Banken schrieben Kredite zu 20 bis 80 Prozent ab,<br />

erließen für mehrere Jahre die Zinsen und wandelten<br />

die Kredite schließlich in Unternehmensbeteiligungen<br />

um. Mit etwas Glück konnten die Banken mit dieser<br />

Strategie den ursprünglichen Kredit größtenteils wie<strong>der</strong>erlangen<br />

o<strong>der</strong> sogar Gewinn machen. <strong>Die</strong> Frage war<br />

nur: abwarten o<strong>der</strong> gleich abschreiben?<br />

Inzwischen hat sich ein ganzer Markt für in<br />

Not geratene Kredite entwickelt, und die Kreditgeberstrukturen<br />

werden immer komplexer. „Jetzt, wo Kredite<br />

gehandelt werden, sind Leute bereit, die Kredite<br />

für 60 Cent pro Euro o<strong>der</strong> sogar 20 Cent pro Euro zu<br />

übernehmen“, sagt Francis, „und zwar mit <strong>der</strong> Überlegung,<br />

dass, egal, wie schlecht es aussehen mag,<br />

die Situation nur besser werden kann.“ Jüngste Auktionen<br />

gefährdeter Kredite <strong>der</strong> Deutschen Bank und<br />

<strong>der</strong> Citigroup zeugen davon.<br />

Seit die Verschuldung <strong>der</strong> Unternehmen<br />

zunimmt und <strong>der</strong> Markt für Kredite floriert, sind<br />

immer mehr Parteien am Erfolg jedes einzelnen Unternehmens<br />

interessiert. Dadurch entsteht ein stärkerer<br />

Wille, dieses am Leben zu erhalten – gerade in<br />

Europa, wo nur die wenigsten Unternehmen eine<br />

Insolvenz überleben. In den USA, wo das Insolvenzrecht<br />

großzügiger gestaltet ist, stehen die Chancen,<br />

sich wie<strong>der</strong> am Markt zu etablieren, erheblich besser.<br />

Das heißt aber nicht, dass alle Parteien einmütig<br />

an Lösungsstrategien arbeiten. „Wenn die Vertreter<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Parteien gegen den Restrukturierungskurs<br />

und neue Kreditrahmen stimmen, kann<br />

es daran liegen, dass sie die vorgelegten Pläne tatsächlich<br />

für die falsche Unternehmensstrategie halten“,<br />

so Tett. „An<strong>der</strong>e haben die Kreditanteile aber<br />

womöglich aus ganz an<strong>der</strong>en Gründen überhaupt erst<br />

aufgekauft: nämlich, um aus dieser Position Einfluss<br />

geltend zu machen.“ Ein Hedgefonds kann zum Beispiel<br />

versuchen, den Verkauf von Betriebsvermögen<br />

zu erzwingen, um mithilfe von Leerverkäufen Gewinne<br />

zu erzielen, sagt Henry Hu, Juraprofessor an <strong>der</strong><br />

University of Texas. „Je mehr Restrukturierungen und<br />

Insolvenzen es gibt, desto mehr Potenzial gibt es<br />

auch, Unheil anzurichten“, so Hu im „Economist“. In<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>der</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Recovery</strong> DOSSIER #12<br />

jedem Fall hat <strong>der</strong> Einfluss von neuen Spielern wie<br />

Hedgefonds Restrukturierungen zu einer sprunghaften<br />

Angelegenheit gemacht. Früher, sagt Millward,<br />

konnten Unternehmen um bis zu 30 Prozent von<br />

ihrem Geschäftsplan abweichen, bevor das die Bank<br />

in Alarmbereitschaft versetzte. „Jetzt sind es vielleicht<br />

20 bis 25 Prozent.“ Außerdem: Noch vor einem<br />

Jahr konnten Unternehmen Wettbewerbe zwischen<br />

Kreditgebern veranstalten, um den besten Deal zu<br />

bekommen. „Heute erhält eine starke Firma, die<br />

nur bis zu einem vernünftigen Maß verschuldet ist,<br />

bedeutend weniger Angebote und hat deshalb eingeschränktere<br />

Handlungsmöglichkeiten“, erklärt<br />

Millward. „Unternehmen, die sich in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

am Aktienmarkt kurzfristig Geld beschaffen konnten,<br />

verfügen heute nicht mehr über diese Option.“<br />

Im Prinzip lässt sich die Situation so zusammenfassen:<br />

In Zeiten des Abschwungs geht <strong>der</strong><br />

Cashflow zurück, und die Führungskräfte haben weniger<br />

Zeit, um schwierige Entscheidungen zu treffen.<br />

Doch Chefs können sich darauf einstellen und – gerade<br />

mit Blick auf künftige Turbulenzen – ihr Unternehmen<br />

immer wie<strong>der</strong> restrukturieren, auch in guten<br />

Zeiten. Wie schon John F. Kennedy sagte: „Man soll<br />

das Dach reparieren, wenn die Sonne scheint.“<br />

BEST PRACTICES: ROLLE DER BANKEN BEI DER<br />

RESTRUKTURIERUNG<br />

�Wählen Sie den besten Partner für die langfristige<br />

Zusammenarbeit aus.<br />

�Versuchen Sie, sich auch die Sicht <strong>der</strong> Bank auf Ihr<br />

Unternehmen vor Augen zu führen.<br />

�Ermitteln Sie, wie stark die Bank in Ihrem Unternehmen<br />

finanziell engagiert ist, und prüfen Sie, ob<br />

die Bank nicht mit zu vielen Risiken belastet ist.<br />

�Machen Sie sich klar, wie Entscheidungsprozesse<br />

in <strong>der</strong> Bank ablaufen und wie <strong>der</strong> Kontakt zur Bank<br />

aussieht: Haben Sie es mit <strong>der</strong> Zentrale zu tun? Ist<br />

Ihr Ansprechpartner entscheidungsbefugt?<br />

19


DOSSIER #12 <strong>Die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>der</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Recovery</strong><br />

20<br />

MORGEN WITZEL ist Honorary<br />

Senior Fellow an <strong>der</strong> School of<br />

Business and Economics <strong>der</strong> University<br />

of Exeter. Er schreibt für Zeitungen<br />

und Magazine, unter an<strong>der</strong>em<br />

für Financial Times, Financial<br />

World, Finance and Management,<br />

<strong>Corporate</strong> Finance Review und The<br />

Smart Manager, Indiens führendes<br />

Managementmagazin. Er lehrt Geschichte<br />

<strong>der</strong> Managementmethoden<br />

und -praktiken sowie Business<br />

in Asien und Businessstrategien.<br />

Zu seinen Büchern gehören „Doing<br />

Business in China“, „Managing in<br />

Virtual Organizations“, „Management:<br />

The Basics“ und sein aktuelles<br />

Werk „John Adair: Fundamentals<br />

of Lea<strong>der</strong>ship“.<br />

Rechtzeitig gegensteuern<br />

Krisen gelten als Übel. Doch clevere Unternehmen nutzen sie zu ihrem Vorteil, sagt<br />

Managementexperte Morgen Witzel. Wie man in turbulenten Zeiten reagiert, haben<br />

Schwergewichte <strong>der</strong> Stahl- und Lebensmittelbranche wie Mittal und Nestlé gezeigt.<br />

s<br />

„Wandel ist die einzige Konstante einer zivilisierten<br />

Gesellschaft.“ Das Zitat des ehemaligen britischen<br />

Premiers Benjamin Disraeli gilt auch heute<br />

noch, 130 Jahre später. Unternehmen, die sich nicht<br />

weiterentwickeln und anpassen, finden sich schnell<br />

im Überlebenskampf wie<strong>der</strong>. Es gibt aber auch Markt-<br />

Player, die Wandel und auch Krisen als Chance verstehen.<br />

Manager, die den Charakter von Change und<br />

auch die Zyklen des Wandels kennen, setzen dieses<br />

Wissen strategisch ein. Sie nutzen den Druck, um<br />

die Wettbewerbsposition ihres Unternehmens auszubauen,<br />

neue Produkte sowie <strong>Die</strong>nstleistungen einzuführen<br />

und die Organisationsstruktur durch Allianzen<br />

o<strong>der</strong> Akquisitionen zu verän<strong>der</strong>n. Damit wird<br />

ein Unternehmen fit für die Zukunft und zum Gewinner<br />

durch Verän<strong>der</strong>ung.<br />

In <strong>der</strong> Stahl- und Lebensmittelbranche ist ständiger<br />

Wandel schon seit Jahren eine Konstante. So<br />

schwankt die Nachfrage im Stahlbusiness teilweise<br />

drastisch, und die Schmelzhütten suchen immer<br />

nach dem goldenen Mittelweg zwischen Über- und Unterproduktion.<br />

Bei <strong>der</strong> Lebensmittelindustrie erschüttert<br />

dagegen die Produktionsseite regelmäßig<br />

den Markt. Rohstoffpreise können wetterbedingt<br />

plötzlich fallen o<strong>der</strong> steigen.<br />

DIE HISTORIE DIESER BRANCHEN beweist, dass<br />

die Unternehmen verlieren, die sich nicht anpassen.<br />

Vom Altertum bis zum 19. Jahrhun<strong>der</strong>t war Stahlproduktion<br />

fast Heimarbeit. Mit dem Aufkommen neuer<br />

Produktionsprozesse entstanden große Stahlhütten<br />

wie Krupp und Carnegie. <strong>Die</strong> Industrialisierung in<br />

Europa und Nordamerika steigerte die Nachfrage nach<br />

dem Metall so enorm, dass Unternehmer weltweit in<br />

das Schmelzgeschäft einstiegen. Im Jahr 1900 war<br />

die Industrie nicht nur zersplittert, son<strong>der</strong>n auch<br />

anfällig für jede Erschütterung <strong>der</strong> Volkswirtschaft.<br />

Ein zyklischer Abschwung brachte immer auch einen<br />

Rückgang <strong>der</strong> Stahlnachfrage mit sich, beispielsweise<br />

im Schiffsbau und in <strong>der</strong> Bauindustrie. Fielen hohe<br />

Lagerbestände und stornierte Aufträge zusammen,<br />

schraubten viele Unternehmen die Produktion herunter.<br />

Schoss die Nachfrage nach Stahl plötzlich wie<strong>der</strong><br />

in die Höhe, konnten die Stahlanbieter diese nicht<br />

schnell genug bedienen. In den USA suchte die Branche<br />

den Ausweg durch Fusionen – die Grün<strong>der</strong>zeit<br />

<strong>der</strong> Stahlgiganten. Aus Carnegie wurde beispielsweise<br />

die United States Steel.<br />

HEUTE WIEDERHOLT SICH dieser Prozess. In den<br />

Neunzigerjahren war Stahl auf den Weltmärkten nicht<br />

gefragt, jetzt ist er wie<strong>der</strong> ein geschätztes Gut. Aber<br />

wie lange? Umsichtige Stahlunternehmen haben ihre<br />

Lektion aus <strong>der</strong> Geschichte gelernt und denken voraus.<br />

Sie bereiten sich auf Verän<strong>der</strong>ungen vor. „In den<br />

kommenden Jahren und Jahrzehnten bestimmen die<br />

Megatrends die Innovationen und zukunftsträchtigen<br />

Produkte“, sagt Ekkehard Schulz, Vorsitzen<strong>der</strong> des<br />

Aufsichtsrats von ThyssenKrupp. „<strong>Die</strong> Auswirkungen<br />

des Klimawandels, Ressourcenknappheit, Bevölkerungswachstum<br />

und die fortschreitende Urbanisierung,<br />

um nur einige <strong>der</strong> Megatrends zu nennen, stehen<br />

ständig auf <strong>der</strong> Agenda.“<br />

ThyssenKrupp setzt deshalb auf organisches<br />

Wachstum. <strong>Die</strong> Düsseldorfer investieren in neue Produktionsstätten<br />

und sichern die Stahlgel<strong>der</strong> durch<br />

Geschäft in an<strong>der</strong>en Segmenten wie Industriegüter<br />

und <strong>Die</strong>nstleistungen – darunter Aufzüge sowie Komponenten<br />

für den Flugzeugbau und die Autoindustrie.<br />

Das Ziel: von zyklischen Nachfrageflauten unabhängig<br />

werden.<br />

Einige Mitbewerber dagegen schlagen den Weg<br />

von United States Steel ein. Sie hoffen, durch Zukäufe<br />

zukunftsfähiger zu sein. Deshalb übernahm Mittal<br />

seinen Konkurrenten Arcelor und Tata Steel die Aluminium-<br />

und Stahlschmelze Corus. Auch strategische


Allianzen gehören zu dieser Überlebensstrategie. So<br />

kuschelt Boasteel aus Shanghai mit chinesischen<br />

Stahlproduzenten und Japans Nippon Steel. <strong>Die</strong>se<br />

„asiatischen Tigerfirmen“ restrukturieren damit nicht<br />

nur sich selbst. Sie zwingen die Konkurrenz ebenfalls<br />

zu Wachstum, will sie überleben.<br />

Was cleveres Wachstum heutzutage heißt,<br />

exerzieren Mittal und Tata elegant vor. Beide Stahlkocher<br />

sind Teile großer, diversifizierter Konglomerate.<br />

Und <strong>der</strong>en Nachfrage nach Industriemetallen<br />

ist ein nicht unerheblicher Grund für die Arcelor- und<br />

Corus-Deals. Es war also weniger eine Expansion in<br />

einem Marktsegment als vielmehr eine Bewegung<br />

entlang <strong>der</strong> Wertschöpfungskette. „Das Geschäft<br />

än<strong>der</strong>t sich fast jeden Tag“, sagt Sunil Mittal, <strong>der</strong> bei<br />

<strong>der</strong> Mittal Group den Geschäftsbereich Telecom Venture<br />

in Indien leitet. „Du wachst am Morgen auf, und<br />

<strong>der</strong> Boden hat sich einige Zentimeter bewegt. An manchen<br />

Tagen sind es sogar Meter. Wer nicht beständig<br />

dazulernt, verliert.“<br />

INTERESSANTE GEMEINSAMKEITEN mit <strong>der</strong> Stahlindustrie<br />

in Sachen Wandel zeigt die Lebensmittelbranche.<br />

<strong>Die</strong> Rohstoffpreise sind hier oft <strong>der</strong> Grund<br />

für zyklische Schwankungen. Schlechtes Wetter kann<br />

ganze Ernten vernichten, in ertragreichen Jahren gibt<br />

es dagegen ein Überangebot, und die Preise fallen in<br />

den Keller. <strong>Die</strong> Folge: Preisschwankungen. Von diesen<br />

unabhängig macht sich <strong>der</strong> US-Lebensmittelriese<br />

Heinz. Schon 1890 setzte sich Heinz mit haltbaren<br />

hochwertigen Produkten in Dosen und Flaschen an<br />

die Spitze des Markts. Sie waren teuer, aber qualitätsbewusste<br />

Abnehmer waren durchaus bereit, den<br />

Preis zu bezahlen.<br />

Derzeit steckt die Lebensmittelbranche wie<strong>der</strong><br />

in <strong>der</strong> Krise. Beispiel Kaffee: Vor einigen Jahren standen<br />

die Kaffeebauern in Indien vor dem Ruin. <strong>Die</strong> Ernten<br />

waren gut, das Angebot reichlich, die Preise fielen.<br />

In diesem Jahr dagegen lassen heftige Regenfälle im<br />

Süden des Subkontinents die Ernte verfaulen. <strong>Die</strong> Ausfälle<br />

sind dramatisch, die Preise ziehen an. Auf solche<br />

Krisen müssen Lebensmittelhersteller vorbereitet sein.<br />

Und das rechtzeitig. Nestlé, einer <strong>der</strong> führenden Anbieter<br />

von Kaffeeprodukten, versucht daher, zyklische<br />

Preisschwankungen lange im Voraus vorherzusagen<br />

und so seine Geschäfte abzusichern. Als das aktuelle<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>der</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Recovery</strong> DOSSIER #12<br />

Bohnendesaster absehbar war, kauften die Schweizer<br />

rechtzeitig Aktien und fe<strong>der</strong>n so die Folgen ab.<br />

QUALITÄT IST NEBEN dieser Absicherungsstrategie<br />

für Nestlé wichtiger Wachstumstreiber. Von höherwertigen<br />

Produkten erwarten sich die Unternehmensstrategen<br />

größere Margen. Ebenso denkt die US-Konkurrenz<br />

von Kraft. Mit den Gourmet-Tiefkühlpizzen<br />

DiGiorno Ultimate will Kraft nicht nur mehr verdienen.<br />

Der Anbieter for<strong>der</strong>t mit seinen belegten Teigfladen<br />

aus <strong>der</strong> Kühltruhe Pizzaketten wie Domino’s mit ihren<br />

Frischwaren heraus. Denn in den von Finanz- und<br />

Immobilienkrisen geschüttelten USA geben die Konsumenten<br />

weniger Geld in Restaurants aus. Eine Krise<br />

und Chance für Kraft. Mit DiGiorno Ultimate will man<br />

sich einen größeren Anteil am nordamerikanischen<br />

Pizzamarkt sichern. Auch die britische Supermarktkette<br />

Waitrose verzeichnete gegenüber ihren preisgünstigeren<br />

Rivalen mehr als das doppelte Wachstum,<br />

indem sie auf Produkte beson<strong>der</strong>er Güte setzte.<br />

Speziell mit Biolebensmitteln ist Waitrose erfolgreich.<br />

Während Nestlé & Co. Qualität anbieten, die<br />

ihren Preis hat, zielen die Strategien an<strong>der</strong>er Lebensmittelanbieter<br />

auf Günstigware. Der One-Dollar-Burger<br />

von McDonald’s o<strong>der</strong> <strong>der</strong> One-Dollar-Kaffee von Starbucks<br />

ist für den US-Konsumenten am Ende <strong>der</strong> Ausgabenkette<br />

gedacht, <strong>der</strong> aufgrund <strong>der</strong> Immobilienund<br />

Finanzkrise stark sparen muss.<br />

Ob sie nun ihr Heil auf den Massenmärkten<br />

o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Nische suchen, im Wachstum durch Fusionen<br />

o<strong>der</strong> durch Allianzen: Erfolgreiche Unternehmen<br />

verstehen schlechte Zeiten als Chance, ihr Geschäftsmodell<br />

zu überdenken – und nicht als Last. Sie nutzen<br />

die Strukturverän<strong>der</strong>ungen des Markts zu ihren<br />

Gunsten, indem sie individuelle Stärken und Marktbedingungen<br />

analysieren. Damit können sie nicht nur<br />

entsprechend, son<strong>der</strong>n vor allem auch rechtzeitig reagieren.<br />

Dabei ist es wichtig, die Kontinuität des<br />

Geschäfts nicht zu vergessen. Etablierte Marken können<br />

dabei helfen. Entscheidend ist aber, die Dynamik<br />

sowie die Gefahren und Chancen des Wandels zu kennen<br />

und zu wissen, wie man darauf reagiert. Das ist<br />

häufig auch eine Frage des Timings. Manager müssen<br />

nicht nur wissen, was zu tun ist und wie es zu tun ist.<br />

Sie müssen unbedingt auch wissen, wann es zu tun<br />

ist. Das ist womöglich die wichtigste Entscheidung.<br />

21


DOSSIER #12 <strong>Die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>der</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Recovery</strong><br />

22<br />

Keine Schnellreparatur<br />

Restrukturierung ist oft ein langer Prozess, sagt Stuart Crainer in diesem Beitrag. Um<br />

wie<strong>der</strong> spitze zu werden, muss ein Unternehmen bereit für Verän<strong>der</strong>ungen sein. Beson<strong>der</strong>s<br />

wichtig: Wandel ist nicht nur eine Sache <strong>der</strong> Kommunikation; Change braucht Strategie.<br />

s<br />

ORGANISATIONEN KOMMEN und gehen. Manche<br />

legen einen kometenhaften Aufstieg hin und sind<br />

ebenso schnell wie<strong>der</strong> verglüht. An<strong>der</strong>e wachsen stetig<br />

und verän<strong>der</strong>n sich langsam, ihre Mitarbeiter,<br />

Arbeitsweisen, Unternehmenskultur und -ziele. Eine<br />

Firma, die mit den gleichen Mitarbeitern auf die gleiche<br />

Art das gleiche Ziel verfolgt wie ein Jahr zuvor, wird es<br />

vielleicht bald nicht mehr geben. Wandel ist Teil des<br />

Wirtschaftslebens. Da erstaunt es, dass <strong>der</strong> Begriff<br />

Change-Management erst in den Neunzigern Einzug in<br />

die einschlägigen Lexika gehalten hat.<br />

<strong>Die</strong> Zurückhaltung gegenüber Verän<strong>der</strong>ungen<br />

ist verständlich. Organisationen und Individuen klammern<br />

sich gerne an den Status quo. Denn Wandel, das<br />

legt jede Studie zu dem Thema nahe, ist mit Schwierigkeiten<br />

verbunden. Wandel ist gefährlich, ganz gleich,<br />

ob man Produktlinie und Organisationsstruktur leicht<br />

verän<strong>der</strong>t, ein Unternehmen vollkommen restrukturiert<br />

o<strong>der</strong> es mit einem an<strong>der</strong>en fusioniert.<br />

Aber Wandel ist machbar. Davon zeugen <strong>der</strong><br />

erneute Aufstieg von IBM unter Lou Gerstner, die<br />

Wie<strong>der</strong>belebung <strong>der</strong> Kaufhauskette Marks & Spencer<br />

unter Stuart Rose o<strong>der</strong> die Wandlung <strong>der</strong> Olympischen<br />

Spiele nach <strong>der</strong> Beinahe-Pleite Anfang <strong>der</strong> Achtzigerjahre<br />

zur Goldgrube von heute. Wie aber soll man <strong>der</strong><br />

Realität des Wandels begegnen? Wie initiiert man ihn?<br />

Sich zu vergegenwärtigen, dass Verän<strong>der</strong>ung kontinuierlich<br />

geschieht, ist dabei <strong>der</strong> erste Schritt. Wandel<br />

ist ein Dauerzustand – das wurde mir beson<strong>der</strong>s durch<br />

ein Gespräch mit dem jetzigen CEO von Pitney Bowes<br />

und seinem Vorgänger klar. Der Konzern gilt in diesem<br />

Punkt als Vorreiter in <strong>der</strong> US-Unternehmenswelt. Dabei<br />

gab es für diesen Giganten, <strong>der</strong> über einen Marktanteil<br />

von 80 Prozent verfügt, äußerlich kaum einen Grund,<br />

sich neu zu erfinden. Autor Jim Collins pries Pitney<br />

Bowes mit seinen mehr als zwei Millionen Kunden,<br />

über 3500 aktiven Patenten und seinem Umsatz von<br />

über 5,5 Milliarden Dollar in „Good to Great“ als Vor-<br />

bild. Trotzdem hat sich <strong>der</strong> Konzern im letzten Jahr<br />

einer sorgfältig kalibrierten Verwandlung unterzogen.<br />

Spricht man mit CEO Murray Martin und seinem Vorgänger<br />

Michael Critelli, ist Wandel immer wie<strong>der</strong> ein<br />

wichtiges Thema. „Ich nenne es: ‚Wachs o<strong>der</strong> stirb‘“,<br />

so Martin. „Wir haben uns deshalb gesagt: Wenn wir<br />

auf einem Markt 80 Prozent haben, wo sind dann die<br />

Möglichkeiten, um auf den angrenzenden Märkten<br />

unsere Kapazitäten, unser Wissen und unsere Mitarbeiterzahl<br />

zu vergrößern?“ Das Unternehmen definiert<br />

sich also permanent neu. Wandel wird bei Pitney<br />

Bowes als konstante Neubestimmung <strong>der</strong> Wettbewerbsposition<br />

verstanden.<br />

UND DAS IST SICHER NICHT einfach. Ein Nebeneffekt:<br />

Der nominelle Marktanteil schrumpfte über<br />

Nacht; <strong>der</strong> Anteil auf dem neuen, größeren Markt wurde<br />

auf eine kleine einstellige Prozentzahl geschätzt.<br />

„Wenn etwas gut läuft, dann setzt man nicht gern<br />

auf radikale Verän<strong>der</strong>ungen. Doch um zu sein, wer wir<br />

sind, mussten wir diesen Weg gehen“, resümiert Martin<br />

und fügt hinzu: „Evolution ist nicht gut, wenn man<br />

sich aus einer schlechten Position heraus entwickelt.“<br />

Martin ist energiegeladen und beschränkt sich<br />

aufs Wesentliche – so sehr, dass er bei seinem Antritt<br />

seine ursprünglich fünf Kernbotschaften auf drei reduzierte.<br />

Management und Managementabfolge orientieren<br />

sich am Wandel. Für Michael Critelli, bis 2007 CEO<br />

des Unternehmens, benötigt man als CEO drei Jahre,<br />

um sich zu akklimatisieren. In den folgenden fünf o<strong>der</strong><br />

sechs Jahren nimmt man die Rolle des Change-Agent<br />

ein und setzt seine eigenen Programme und Visionen<br />

für das Unternehmen um. Eine solide Nachfolgeplanung<br />

schließlich dauert vier Jahre, während <strong>der</strong> man<br />

Talente für die kommende Generation aufbaut.<br />

So etwas funktioniert aber nur in einer Organisation,<br />

in <strong>der</strong> Wandel als notwendiger Teil <strong>der</strong> Unternehmenskultur<br />

betrachtet wird. Wandel, so Critelli und


Martin, braucht deshalb ein gutes Management. „Wo<br />

beginnt Führung? Dort, wo Wandel beginnt“, betont<br />

<strong>der</strong> Politikwissenschaftler James McGregor Burns. Für<br />

ihn ist die Führungskraft nicht <strong>der</strong> Vollen<strong>der</strong> des Wandels,<br />

son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Katalysator. Das verlangt von Führungskräften,<br />

dass sie den Anstoß dazu geben und die<br />

Agenda neu schreiben.<br />

Das Wissen, wie man Verän<strong>der</strong>ungsprozesse<br />

managt, ist heute gefragter denn je. Ein Drittel <strong>der</strong> europäischen<br />

Unternehmen hat bereits Change-Projekte<br />

budgetiert; <strong>der</strong> systematische Wandel bestehen<strong>der</strong><br />

Geschäftsmodelle und Organisationen wird von 85 Prozent<br />

als wichtig o<strong>der</strong> sehr wichtig betrachtet. Doch es<br />

ist verblüffend, wie erfolglos die meisten dieser Projekte<br />

sind. <strong>Die</strong> Hälfte aller verantwortlichen Manager<br />

gibt zu, dass sie ihre Verän<strong>der</strong>ungsziele in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

klar verfehlt haben, 80 Prozent sämtlicher<br />

Change-Management-Projekte gelten für die Unternehmensleitungen<br />

als ganz o<strong>der</strong> teilweise gescheitert.<br />

Woran das liegt? „Europäische Unternehmen<br />

wollen dieses Jahr rund 15 Prozent mehr Geld für<br />

Change-Management bezahlen, <strong>der</strong> Löwenanteil davon<br />

fließt in die Kommunikation mit den Mitarbeitern – und<br />

das ist falsch“, sagt Torsten Oltmanns von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />

Strategy Consultants. Sein Team hat die Regeln für<br />

erfolgreiches Change-Management untersucht und<br />

festgestellt: „<strong>Die</strong> meisten Projekte scheitern daran,<br />

dass das Management die Konflikte in den eigenen<br />

Reihen nicht systematisch löst. <strong>Die</strong> Folge: Es gibt keine<br />

tragfähige, realistische Strategie.“ Trotzdem werden<br />

kostspielige Programme für die Verhaltensän<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Mitarbeiter aufgesetzt. Aber: „Wenn die Führungsfragen<br />

nicht gelöst sind, ist das rausgeworfenes<br />

Geld“, so Oltmanns, „Change-Management ist eine Topmanagementaufgabe.“<br />

Für erfolgreichen Wandel ist <strong>der</strong> Einsatz einer<br />

kritischen Masse an Personen notwendig – nach<br />

Ansicht von Harvard-Change-Guru John Kotter „eine<br />

Gruppe von 2 bis 50 Personen, je nach Größe des<br />

Unternehmens –, um die Organisation in eine neue<br />

Richtung zu bewegen“. Ohne diese kritische Masse<br />

passiert nichts, meint Kotter. <strong>Die</strong> Einsicht, dass Verän<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Führung bedarf, sollte aber nicht dazu<br />

verleiten, Wandel lediglich als Initiative o<strong>der</strong> Programm<br />

zu begreifen. Er ist vielmehr eine Mentalitätssache –<br />

und eine, die langfristiges Commitment erfor<strong>der</strong>t.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>der</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Recovery</strong> DOSSIER #12<br />

Wandel ist aber auch eine Frage <strong>der</strong> richtigen<br />

IT-Infrastruktur. Oswaldo Lorenzo von <strong>der</strong> spanischen<br />

IE Business School hat untersucht, wie Unternehmen<br />

Milliarden Dollar für IT-Systeme ausgeben, während<br />

Senior Manager offen zugeben, dass ihre Investitionen<br />

den jeweiligen Anfor<strong>der</strong>ungen nicht entsprechen. „Großen<br />

Investitionen folgen hohe Erwartungen“, warnt er.<br />

Enterprise-Systeme (ES) versprechen viel, „aber die<br />

Wirklichkeit zeigt, dass sie häufig nicht nur hochkomplex<br />

sind, son<strong>der</strong>n auch den Status quo des Beziehungsgeflechts<br />

innerhalb <strong>der</strong> Organisation bedrohen.“<br />

Folglich ist die Implementierung problemüberladen.<br />

„<strong>Die</strong> Kosten für Change-Management steigen, sobald<br />

alte Systeme verworfen o<strong>der</strong> verän<strong>der</strong>t, Mitarbeiter<br />

trainiert, alte Prozesse ausgesetzt und neue Produkte<br />

eingeführt werden.“ Anschließend erwarten die Organisationen,<br />

dass sich ihre Investitionen schnellstmöglich<br />

auszahlen, und entwickeln einen Projektplan, <strong>der</strong><br />

das Risiko auf ein Minimum begrenzt. „<strong>Die</strong> Organisationen<br />

rackern sich ab, um Ergebnisse zu erzielen, die<br />

ihren ursprünglichen Erwartungen entsprechen.“<br />

Lorenzo kommt in seinen Studien zu dem<br />

Schluss, dass Enterprise-Systeme dann von größtem<br />

Nutzen sind, wenn sie nicht als schneller Gewinn<br />

o<strong>der</strong> Wahnsinnsverbesserung gesehen werden, son<strong>der</strong>n<br />

als <strong>der</strong> Kern eines sorgfältigen Lernprozesses.<br />

Sie ermöglichen es Mitarbeitern, Aufgaben, die vermeintlich<br />

Routine waren, in neuem Licht zu sehen,<br />

ihr Beziehungsnetz auszubauen und Erkenntnisse<br />

dieses Prozesses mit an<strong>der</strong>en zu teilen. „Vom Anfang<br />

eines ES-Projekts bis zum Punkt, an dem Organisationen<br />

berichten, dass sie die Technologie und den<br />

Prozess voll verstanden haben, können bis zu sechs<br />

Jahre vergehen.“ Das ist <strong>der</strong> Kern des Wandels: Er<br />

ist keine kurzzeitige Übung, son<strong>der</strong>n Ausdruck einer<br />

Geisteshaltung. Keine Schnellreparatur, son<strong>der</strong>n ein<br />

langsamer Prozess.<br />

STUART CRAINER ist Redakteur <strong>der</strong><br />

Business Strategy Review und <strong>der</strong> erste „Editorial<br />

Fellow“ <strong>der</strong> London Business School. Er fungiert<br />

außerdem als stellvertreten<strong>der</strong> Direktor des<br />

Management Innovation Lab, ist Erfin<strong>der</strong> des Thinkers<br />

50 Ranking und Herausgeber des Bestsellers<br />

„Financial Times Handbook of Management“.<br />

Für Murray Martin, CEO von Pitney Bowes,<br />

ist permanente Neuerfindung <strong>der</strong> Schlüssel<br />

zum Geschäftserfolg<br />

23


DOSSIER #12 <strong>Die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>der</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Recovery</strong><br />

24<br />

<strong>Die</strong> neuen Magier?<br />

Harte Zeiten brauchen toughe Manager – diese Idee steckt hinter dem Trend zum Chief<br />

Restructuring Officer (CRO). Er, und nicht <strong>der</strong> CEO, soll als „Master of Disaster“<br />

Verän<strong>der</strong>ungsprozesse leiten. Das soll funktionieren. Doch Michael Jarrett ist skeptisch.<br />

MICHAEL JARRETT ist<br />

Lehrbeauftragter an <strong>der</strong> London<br />

Business School. Sein neues Buch<br />

„Ready for Change. Unlocking the<br />

Secrets of Successful Change“ soll<br />

im Herbst 2008 erscheinen.<br />

s<br />

WIR ALLE WOLLEN AM LIEBSTEN Helden sein. O<strong>der</strong><br />

zumindest für sie schwärmen. Heroen wagen<br />

Unglaubliches, besiegen bösartige Feinde und riesenhafte<br />

Drachen und bringen schließlich den Goldschatz<br />

nach Hause – beziehungsweise gute Zahlen für die<br />

Analysten. <strong>Die</strong> Sehnsucht nach dem Superman gibt<br />

es in allen Zeiten und Kulturen, und unsere heutige<br />

Businesswelt macht keine Ausnahme. Der neueste<br />

Mythos in <strong>der</strong> langen Reihe <strong>der</strong> Unternehmer-Helden<br />

ist <strong>der</strong> CRO, ein Zauberer des Change-Managements,<br />

jemand, dem sein Titel übermenschliche Kräfte verleiht<br />

und <strong>der</strong> in mindestens 70 Prozent <strong>der</strong> Fälle Fehlleistungen<br />

von Unternehmen in glänzende Erfolge<br />

verwandelt – die Inkarnation aller Heldenfantasien.<br />

Man merkt schon: Mich stimmt das Bild vom<br />

neuen Zauberer skeptisch. Ich glaube, dass CROs an<br />

diesem Ideal scheitern müssen, denn so schön die<br />

Geschichte vom starken Drachentöter klingt: Wer den<br />

Heldenmythos auf Verän<strong>der</strong>ungsprozesse anwenden<br />

will, hat nicht verstanden, wie Change wirklich funktioniert.<br />

Alle Studienergebnisse zeigen: Verän<strong>der</strong>ungen<br />

müssen im System angelegt sein. Wer ein einzelnes<br />

Individuum mit <strong>der</strong> Aufgabe betraut, und sei es einen<br />

Topmanager, wird kaum weit kommen.<br />

IM RAHMEN MEINER FORSCHUNG fand ich in den<br />

letzten zehn Jahren vier Faktoren, die nachhaltige<br />

Verän<strong>der</strong>ungen bestimmen. Erstens braucht ein<br />

Unternehmen tatsächlich eine Art Märchenprinz o<strong>der</strong><br />

-prinzessin: jemanden mit einer klaren Vision, <strong>der</strong> sein<br />

Team begeistert, die Dinge anpackt und mit seiner ganzen<br />

Persönlichkeit für diese Vision einsteht. <strong>Die</strong> Frage<br />

ist nur, ob dieser Mensch nicht im Idealfall <strong>der</strong> CEO des<br />

Unternehmens sein sollte. So wie Indra Nooyi. Als sie<br />

bei Pepsi das Ru<strong>der</strong> übernahm, steuerte sie das Unternehmen<br />

in eine völlig neue Richtung: Statt nur Softdrinks<br />

zu verkaufen, sollte <strong>der</strong> Getränkehersteller sich<br />

zusätzlich auf verschiedene gesunde Snacks verle-


gen. Nooyi brachte ihr Team und ihre Mitarbeiter hinter<br />

sich und begeisterte sie. „Sie bringt ihre ganze Persönlichkeit<br />

ein“, sagen ihre Kollegen. <strong>Die</strong> Frau hat genau<br />

die richtigen Qualitäten, um Verän<strong>der</strong>ungen anzugehen<br />

– und kommt ohne das Etikett „CRO“ aus.<br />

DER ZWEITE ZENTRALE FAKTOR ist das Team. Egal,<br />

wie brillant <strong>der</strong> Chef ist – bei internen Unstimmigkeiten<br />

wird jede Mannschaft schnell handlungsunfähig.<br />

Wenn dagegen alle an einem Strang ziehen, erhöht<br />

das die Chancen auf dauerhafte, nachhaltige Neuerungen<br />

um ein Vielfaches. Zum Beispiel Xerox: Das Unternehmen<br />

stand kurz vor dem Zusammenbruch, machte<br />

jährliche Verluste von einer Drittelmilliarde US-Dollar<br />

und hatte 17,1 Milliarden Dollar Schulden. <strong>Die</strong> Ratings<br />

fielen zusehends schlechter aus, <strong>der</strong> Aktienkurs stand<br />

beim Rekordtief von 4,43 Dollar. Dann kam als CEO<br />

Anne Mulcahy. Ihr Mandat: Verän<strong>der</strong>ung. Mulcahy<br />

schaffte einen Topmanagementzirkel, <strong>der</strong> Kopf, Herz<br />

und rechte Hand des Unternehmens zugleich war:<br />

CFO Larry Zimmerman nahm sich <strong>der</strong> finanziellen Seite<br />

an, gemeinsam mit Jim Firestone, zuständig für Nordamerika.<br />

Ursula Burns setzte Neuerungen um und<br />

baute das Gerüst des Unternehmens neu auf. Das Herz<br />

aber schlug bei <strong>der</strong> Chefin. Mulcahy war es vor allem<br />

wichtig, den Werten <strong>der</strong> Firma treu zu bleiben. „Ich war<br />

30 Jahre bei dem Unternehmen“, erklärt Mulcahy,<br />

„und ich bin geblieben, weil mich die Kultur hier fasziniert<br />

und begeistert – ein breit ausgelegter Begriff von<br />

Unternehmenskultur, <strong>der</strong> den richtigen Umgang mit<br />

den eigenen Leuten definiert, aber auch den mit Kunden,<br />

Lieferanten und mit allen gesellschaftlichen Gruppen<br />

und Belangen. Jede meiner Entscheidungen war<br />

von dieser Kultur geprägt.“<br />

Unsere Forschungsergebnisse deuten in die<br />

gleiche Richtung wie diese Beispiele. Wir haben unter<br />

an<strong>der</strong>em 5000 Führungskräfte aus verschiedenen<br />

Län<strong>der</strong>n, von Österreich bis Sambia, befragt. Dabei hat<br />

sich auch gezeigt: Neben <strong>der</strong> Qualität des Führungsteams<br />

spielen die strategischen Ressourcen eines<br />

Unternehmens bei Verän<strong>der</strong>ungsprozessen eine wichtige<br />

Rolle. Deshalb kommt es drittens auf die richtige<br />

Unternehmenskultur an. Wir haben drei Verän<strong>der</strong>ungstypen<br />

gefunden: die „Vermei<strong>der</strong>“, die sich gegen<br />

jede Verän<strong>der</strong>ung stemmen, die „Analysierer“, die<br />

zwar viel reflektieren, aber wenig umsetzen, und die<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>der</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Recovery</strong> DOSSIER #12<br />

erfolgreichen „Verän<strong>der</strong>er“, die über die nötigen strategischen<br />

Ressourcen verfügen, um sich zu än<strong>der</strong>n –<br />

nicht nur einmal, son<strong>der</strong>n immer wie<strong>der</strong>. Zu den<br />

erfolgreichsten „Verän<strong>der</strong>ern“ zählt Google mit seiner<br />

innovativen Kultur und seinen kooperativen und<br />

zugleich effizienten Strukturen. Dabei sind Innovation,<br />

Kooperation und Effizienz die zentralen Punkte.<br />

Durch sie wird ein Unternehmen fit für den Wandel.<br />

Und noch ein letzter Faktor ist wichtig: Change-<br />

Strategien müssen sich an Umweltbedingungen anpassen.<br />

Wer die Welt verän<strong>der</strong>n will, muss sich auf sie<br />

einlassen. CROs sind zwar nicht die Bösewichte in dieser<br />

Geschichte, aber sie sind auch nicht die neuen Helden.<br />

Sie handeln im Auftrag des Topmanagements und<br />

sind in ihrer Handlungsfähigkeit doch begrenzt durch<br />

die spezifische Unternehmenskultur. Sie können<br />

Teil eines Lösungsansatzes sein – die magische<br />

Patentlösung für Verän<strong>der</strong>ungsprozesse sind sie<br />

jedenfalls garantiert nicht.<br />

Kontrapunkt: Sushil Khanna<br />

SUSHIL KHANNA LEHRT STRATEGISCHES MANAGEMENT AM INDIAN<br />

INSTITUTE OF MANAGEMENT, KALKUTTA. ER GLAUBT, DASS EIN CRO<br />

EINEN WICHTIGEN BEITRAG BEI FUSIONEN LEISTEN KANN.<br />

„ÜBLICHERWEISE zahlt die übernehmende Firma bei einer Fusion<br />

einen Aufschlag auf den regulären Börsenwert. <strong>Die</strong> Hoffnung auf eine<br />

Gewinnsteigerung nach <strong>der</strong> Verschmelzung rechtfertigt den Aufschlag.<br />

Das Mehr im Ergebnis hängt von Synergieeffekten und Einsparungen<br />

nach einer Umstrukturierung ab. <strong>Die</strong> Kernaufgabe ist also, Verän<strong>der</strong>ungen<br />

im neuen gemeinsamen Unternehmen umzusetzen. Forschungen<br />

zeigen, dass das längst nicht immer gelingt: Darum enden viele Übernahmen<br />

in <strong>der</strong> Zerstörung von Anlegerkapital.<br />

NUR IN DEN WENIGSTEN Fällen wird <strong>der</strong> CEO Zeit finden, die nötigen<br />

Umwälzungen im Detail umzusetzen, wobei es an<strong>der</strong>erseits natürlich<br />

auch nicht ohne seine Unterstützung geht. <strong>Die</strong> Kernaufgabe eines<br />

CEO aber ist die Unternehmensstrategie. Für eine fusionierte Firma ist<br />

es deswegen sinnvoll, einen CRO zu benennen, <strong>der</strong> sich um die notwendigen<br />

Verän<strong>der</strong>ungen kümmert und sich mit dem – bei Change-Prozessen<br />

unvermeidbaren – Wi<strong>der</strong>stand im Unternehmen auseinan<strong>der</strong>setzt.<br />

25


DOSSIER #12 <strong>Die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>der</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Recovery</strong><br />

26<br />

DAVID CHAN machte seinen<br />

PhD in Industrial and Organizational<br />

Psychology an <strong>der</strong> Michigan<br />

State University. Derzeit ist er Professor<br />

für Psychologie an <strong>der</strong> Singapore<br />

Management University<br />

und leitet übergangsweise <strong>der</strong>en<br />

School of Social Sciences. Chan<br />

hat diverse Artikel in Fachzeitschriften<br />

veröffentlicht und Nachschlagewerke<br />

verfasst. Er ist Herausgeber<br />

des Asia Pacific Journal<br />

of Management. Gemeinsam mit<br />

dem Nobelpreisträger Daniel Kahneman<br />

befasst er sich im Rahmen<br />

eines internationalen Komitees<br />

damit, wie man das Wohlergehen<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung in verschiedenen<br />

Län<strong>der</strong>n messen kann.<br />

Krise als Chance<br />

Firmenturbulenzen sind für CEOs Stress pur. Da hilft nur eins, sagt Managementprofessor<br />

David Chan: sich aktiv mit <strong>der</strong> Psychologie von Krisensituationen auseinan<strong>der</strong>setzen.<br />

Eine wichtige Grundregel ist, nicht in die Selbstmitleidsfalle zu tappen.<br />

THINK:ACT Professor Chan, was geht in einem CEO<br />

vor, wenn sein Unternehmen in eine Krise gerät?<br />

DAVID CHAN Eine Krise führt zu Stress, schließlich<br />

bedroht sie das Überleben <strong>der</strong> Firma. Der Adrenalinspiegel<br />

steigt, und auch an<strong>der</strong>e Stresshormone melden<br />

sich – ein Überlebensmechanismus, <strong>der</strong> jedem<br />

Menschen angeboren ist. Außerdem werden die Teile<br />

des Gehirns aktiviert, die entwe<strong>der</strong> den Kampf- o<strong>der</strong><br />

den Fluchtreflex auslösen können. Emotionen wie<br />

Angst und Wut kommen hinzu.<br />

Kämpfen o<strong>der</strong> fliehen – passt das in unsere Zeit?<br />

Das Reaktionsmuster, das durch bedrohliche Situationen<br />

ausgelöst wird, kann in Krisen nützlich, aber<br />

auch hin<strong>der</strong>lich sein. Anregend sind Adrenalin und<br />

Stresshormone, weil sie einen aufmerksamer und<br />

wachsamer machen. Außerdem können sie uns<br />

dazu bringen, schnell und konsequent Entscheidungen<br />

zu treffen, wenn es darauf ankommt.<br />

Wann sind natürliche Reaktionsmuster schädlich?<br />

In <strong>der</strong> Vergangenheit, als Krisen das eigene Überleben<br />

bedrohten, war solch ein Verhalten angebracht.<br />

Heute ist das an<strong>der</strong>s: Vor schwierigen Situationen zu<br />

fliehen ist kaum sinnvoll, wenn es um das Überleben<br />

des Unternehmens geht. Auch übertriebenes Kampfverhalten<br />

– Aggressivität, extreme Wachsamkeit –<br />

ist eher kontraproduktiv. Gefragt sind dagegen<br />

Besonnenheit und Selbstbeherrschung.<br />

Können sich CEOs auf solche schwierigen Situationen<br />

vorbereiten?<br />

Ja. CEOs sollten die Mechanismen kennen, mit<br />

denen Menschen auf Krisen reagieren, und sich die<br />

daraus resultierenden Fallstricke bewusst machen.<br />

Sie sollten wissen, mit welchen Techniken man<br />

Stress bewältigt und wie man Ängste in den Griff<br />

bekommt. Generell sind natürlich Führungsqualitä-<br />

ten in Krisensituationen beson<strong>der</strong>s von Nutzen –<br />

und auch die kann man trainieren, zum Beispiel das<br />

Denken in Systemen und Szenarien, das Setzen von<br />

Prioritäten, das Treffen von Entscheidungen bei<br />

unvollständiger Information, Überzeugungs- und<br />

Motivationskraft, ein Gefühl für Menschen und Situationen<br />

und praktische Intelligenz. Zu den größten<br />

Schwachpunkten <strong>der</strong> meisten CEOs gehört die Überzeugung,<br />

dass man das nötige Instrumentarium für<br />

das Krisenmanagement längst in <strong>der</strong> Tasche hat.<br />

Warum ist diese Überzeugung schlecht?<br />

Viele Topmanager glauben, dass ihre legitime Autorität<br />

als Führungskraft ihnen qua Amt gleich auch die<br />

nötigen Führungsqualitäten verleiht. Sie stellen sich<br />

nur selten infrage. Dabei gibt es unumstrittene und<br />

höchst relevante Fakten zum Thema Psychologie<br />

und Krisen – die meisten CEOs interessieren sich<br />

dafür aber erst gar nicht.<br />

Zum Beispiel?<br />

Zum Beispiel das sogenannte Negativity-Bias: Alle<br />

Forschungsergebnisse zeigen, dass die menschliche<br />

Wahrnehmung gewissermaßen negativ verzerrt<br />

ist: Ein Verlust von 100 Euro wird stärker negativ<br />

wahrgenommen als ein Gewinn von 100 Euro positiv.<br />

Ein Vorwurf wirkt länger nach als ein Lob. Viele Führungskräfte<br />

scheitern, weil sie diese ganz simplen<br />

psychologischen Tatsachen ignorieren.<br />

Als CEO trägt man in <strong>der</strong> Krise enorme Verantwortung.<br />

Was lässt sich hier aus <strong>der</strong> Psychologie lernen?<br />

Es gibt im Krisenmanagement einige ganz klare Dos<br />

and Don’ts. Man darf Krisen nicht ignorieren o<strong>der</strong><br />

leugnen. Wenn Entscheidungen auf die lange Bank<br />

geschoben werden, verschlimmert das tendenziell<br />

die Situation. Und – obwohl es natürlich wichtig ist,<br />

die eigenen Fehler zu analysieren – bloß nicht vor


lauter Schuldeingeständnissen und Selbstbezichtigungen<br />

im Selbstmitleid versinken.<br />

Was bedeutet das konkret?<br />

Problemzentrierte Strategien können helfen, mit<br />

dem mentalen Druck einer Krise fertig zu werden.<br />

Wenn man versucht, eine Situation rein kognitiv neu<br />

zu bewerten, lässt man negative Emotionen wie<br />

Angst, Wut o<strong>der</strong> Schuldgefühle leichter hinter sich,<br />

und <strong>der</strong> Blick öffnet sich für Problemlösungsstrategien.<br />

Wichtig ist auch, ein starkes Selbstwertgefühl<br />

aufrechtzuerhalten. Als CEO ist man in <strong>der</strong> Krise <strong>der</strong><br />

Oberbefehlshaber und braucht deshalb auch die<br />

Überzeugung, durch eigene Fähigkeiten Probleme zu<br />

lösen. Schließlich spielt gerade in Krisensituationen<br />

natürlich auch die Unterstützung durch Familie und<br />

Freunde eine wichtige Rolle.<br />

Wie gut sind CEOs zurzeit auf Krisen vorbereitet?<br />

Viele CEOs, gerade die jüngeren und solche ohne Krisenerfahrung,<br />

sind kaum o<strong>der</strong> unzureichend auf die<br />

für Krisensituationen typischen, meist nur vage definierten<br />

Probleme und die völlig neuen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

vorbereitet.<br />

<strong>Die</strong> Situation wird noch komplexer, wenn die Krise<br />

sich vor einem kulturellen, politischen o<strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />

Hintergrund abspielt, <strong>der</strong> dem CEO nicht<br />

vertraut ist. Schließlich sind solche Krisensituationen<br />

beson<strong>der</strong>s schwierig, in denen es um ethische<br />

Themen und den Ruf des Unternehmens geht, und<br />

solche, die in einem bereits bestehenden schwierigen<br />

Arbeitsklima entstehen o<strong>der</strong> in Zeiten <strong>der</strong> Unsicherheit,<br />

wenn beispielsweise das Führungsteam<br />

vor Kurzem ausgetauscht o<strong>der</strong> gerade eine Fusion<br />

bewältigt wurde.<br />

Sollten Führungskräfte psychologische Hilfe in Anspruch<br />

nehmen?<br />

Wenn die Krise sich über eine längere Zeit hinzieht<br />

o<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s schwer zu verkraften ist, kann eine<br />

professionelle psychologische Behandlung helfen.<br />

In vielen Krisensituationen ist allerdings Präsenz<br />

gefragt, sodass für regelmäßige professionelle Hilfe<br />

keine Zeit bleibt. In solchen Situationen ist es unabdingbar,<br />

die Basistechniken des Stressmanagements<br />

zu beherrschen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>der</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Recovery</strong> DOSSIER #12<br />

In einer Krise muss ein CEO auch das Vertrauen <strong>der</strong><br />

Mitarbeiter stärken. Wie tut er das am besten?<br />

Indem er zeigt, dass er die Situation unter Kontrolle<br />

hat, ohne aber Probleme kleinzureden. Das gesamte<br />

Führungsteam muss signalisieren, dass es die<br />

Anliegen <strong>der</strong> Mitarbeiter ernst nimmt. Gleichzeitig<br />

müssen die Mitarbeiter verstehen, wo die Probleme<br />

liegen und wie sie mithelfen können, die Krise zu<br />

überwinden. Gefragt sind dabei nicht nur gute Argumente,<br />

son<strong>der</strong>n vor allem Überzeugungskraft und<br />

die Fähigkeit, Optimismus und Hoffnung zu verbreiten,<br />

damit die Mitarbeiter aktiv am Wandel mitwirken.<br />

Als CEO braucht man dazu Führungsqualitäten<br />

wie Gelassenheit und Durchsetzungsvermögen, soziale<br />

Kompetenz, ein Gespür für Situationen und die<br />

Fähigkeit, die Mitarbeiter zu motivieren.<br />

Sollte man den Mitarbeitern als CEO offen zeigen,<br />

dass man sich auch persönlich in einer schwierigen<br />

Situation befindet?<br />

Davon rate ich eher ab. <strong>Die</strong> Mitarbeiter werden darauf<br />

nicht gerade mit Mitgefühl und Verständnis reagieren;<br />

sie wollen jemanden an <strong>der</strong> Spitze sehen, <strong>der</strong><br />

die Fäden in <strong>der</strong> Hand hält und die bestehenden Probleme<br />

entschlossen angeht. In Krisenzeiten haben<br />

viele Mitarbeiter eine kritische Grundeinstellung<br />

gegenüber <strong>der</strong> Führungsspitze. Deshalb ist es umso<br />

wichtiger für einen CEO, sich in seine Mitarbeiter hineinversetzen<br />

und auf sie eingehen zu können.<br />

Kann man als CEO an einer Krise eigentlich persönlich<br />

wachsen?<br />

Sicherlich. Eine Krise zu durchleben, beson<strong>der</strong>s<br />

wenn man sie schließlich überwinden kann, bringt<br />

einem einen ganzen Schatz von Erfahrungen, aus<br />

dem man sein ganzes Leben schöpfen kann, beruflich<br />

und auch privat. <strong>Die</strong> Krisenerfahrung ist wie ein<br />

Überlebenstraining, es macht einen wi<strong>der</strong>standsfähiger.<br />

Bei vielen Managern folgt auf die Krise eine<br />

reflexive Phase, in <strong>der</strong> sie sich kritisch mit ihren<br />

Werten, Überzeugungen, Handlungsmustern, Rollen<br />

und sozialen Beziehungen auseinan<strong>der</strong>setzen. Oft<br />

werden im Anschluss an diese Periode Prioritäten<br />

neu gesetzt: Man legt zum Beispiel mehr Wert auf<br />

gutes Teamwork, Mitarbeiterzufriedenheit o<strong>der</strong><br />

Talentmanagement.<br />

DOSSIER<br />

#12<br />

DIE KUNST DER<br />

CORPORATE<br />

RECOVERY<br />

Key-Learnings<br />

Was tun, wenn die Krise zuschlägt?<br />

<strong>Die</strong>ses Dossier beschäftigt<br />

sich mit <strong>der</strong> Frage,<br />

worauf es in schwierigen<br />

Zeiten für Unternehmen<br />

ankommt. <strong>Die</strong> wichtigsten<br />

Ergebnisse:<br />

� Nicht nur auf die finanzielle<br />

Restrukturierung<br />

konzentrieren: Auch auf<br />

Organisationsstrukturen<br />

kommt es an!<br />

� Den Markt im Auge behalten<br />

– wer nur intern umstrukturiert<br />

und dabei die<br />

Marktposition vernachlässigt,<br />

hat schon verloren.<br />

� <strong>Die</strong> Zahlen geben den<br />

Ausschlag: Eine solide<br />

Finanzanalyse hilft beim<br />

Unternehmensumbau<br />

und schafft Vertrauen bei<br />

den Geldgebern.<br />

� Miteinan<strong>der</strong> reden – aber<br />

richtig! Kreditgeber und<br />

Investoren geben Informationen<br />

gern mal weiter.<br />

27


Das Studioteam von MTV Pakistan: Erfolgszahlen kann <strong>der</strong> Sen<strong>der</strong> nicht vermelden<br />

– Quotenmessungen für das Fernsehen in Pakistan gibt es noch nicht.<br />

Ghazanfar Ali (l.) und Wiqar Ali Khan von MTV Pakistan. Ali steuert die Geschäfte<br />

des Musik-TV-Franchisenehmers, Ali Khan ist <strong>der</strong> Starmo<strong>der</strong>ator.


REPORTAGE<br />

„Pakistan ist cool“<br />

: Karatschi-Zentrum, Mereweather Road.<br />

Der Weg in die Zukunft <strong>der</strong> Popkultur <strong>der</strong><br />

islamischen Republik Pakistan führt durch<br />

eine staubige Seitenstraße. Hier, in den Studios<br />

von MTV, befindet sich die Schnittstelle,<br />

die das Dritte-Welt-Land mit dem Pulsschlag<br />

<strong>der</strong> globalen Musikindustrie verbindet. Während<br />

politische Unruhen das Land erschüttern,<br />

gedeiht 16 Monate nach Ankunft <strong>der</strong><br />

weltweit bekannten Musikmarke ein popkultureller<br />

Zukunftsmarkt.<br />

<strong>Die</strong> wirtschaftlichen Grundlagen für eine<br />

wachsende Freizeitindustrie sind so gut wie<br />

nie zuvor. Das Pro-Kopf-Einkommen im<br />

Land verdoppelte sich seit 2000, in den letzten<br />

sechs Jahren stieg das Bruttosozialprodukt<br />

um circa 50 Prozent. Goldman Sachs<br />

bewertet Pakistan als eines <strong>der</strong> „Next 11“-<br />

Län<strong>der</strong>, mit dem Potenzial, zukünftig zu den<br />

BRIC-Län<strong>der</strong>n Brasilien, Russland, Indien<br />

und China aufzuschließen.<br />

<strong>Die</strong>sen Wachstumsmarkt hat nun <strong>der</strong> Musiksen<strong>der</strong><br />

aus den USA im Visier. „MTV Pakistan<br />

ist <strong>der</strong> erste lokal produzierte internationale<br />

Sen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Nation“, sagt Ghazanfar<br />

Ali, Chairman von Indus Network, über das<br />

Franchise zwischen MTV International und<br />

seiner TV-Company. Nach <strong>der</strong> Öffnung des<br />

Landes für das Satellitenfernsehen im Jahr<br />

2000 erkannte <strong>der</strong> 70-Jährige als Erster das<br />

Potenzial des Markts von 160 Millionen Menschen.<br />

Und gründete den ersten unabhängigen<br />

Satellitensen<strong>der</strong>. Heute ist Ali einer <strong>der</strong><br />

einflussreichsten Männer im TV-Business<br />

des Landes. Ali und MTV sind aber auch<br />

für einen weiteren Zweig <strong>der</strong> Medien- und<br />

Musikwirtschaft von größter Bedeutung: die<br />

Tonträgerindustrie. Sie prosperiert seit <strong>der</strong><br />

Fernsehliberalisierung. Und MTV Pakistan<br />

ist weit vor Radio, Internet, Presse, Konzerten<br />

und Tourneen das wichtigste Marketingwerkzeug<br />

<strong>der</strong> Musik-CD-Produzenten.<br />

<strong>Die</strong> Musikbranche des südasiatischen Landes<br />

ist ein Markt mit ganz beson<strong>der</strong>en Gesetzen –<br />

und unglaublichen Wi<strong>der</strong>sprüchen. Während<br />

in den Nord-West-Provinzen Pakistans<br />

radikale Islamisten CD-Händler ermorden,<br />

zelebriert von <strong>der</strong> Hafenstadt Karatschi aus<br />

MTV-Starmo<strong>der</strong>ator Wiqar Ali Khan in seiner<br />

Mode-und-Musik-Show „Style Guru“ hedonistische<br />

Werte. „Der Bedarf an Popkultur ist<br />

riesig“, weiß Khan. „Und obwohl zum Beispiel<br />

Musik im Islam keine Rolle spielt, ist<br />

Pakistan weltweit das Land mit <strong>der</strong> höchsten<br />

Quote nationaler Künstler in den Charts.“<br />

WÄHREND KONSUMENTEN NACH POP VERLANGEN,<br />

BRENNEN ISLAMISTEN CD-SHOPS NIEDER<br />

Starmo<strong>der</strong>ator Ali Khan, aufgewachsen in<br />

London, kennt die Unterschiede zwischen<br />

westlichem und pakistanischem Musikgeschäft:<br />

„<strong>Die</strong> Verwertungskette hier besteht<br />

nur aus Fragmenten: Es gibt keine nennenswerten<br />

Labelstrukturen, lediglich Distributeure,<br />

die den Künstlern ihre Alben und alle<br />

Rechte zu einer erfolgsunabhängigen Festsumme<br />

abkaufen.“ Dazu kommt: Ist ein Song<br />

einmal veröffentlicht, wird er sofort illegal<br />

auf CD gebrannt. Laut IFPI, dem Weltverband<br />

<strong>der</strong> Phonoindustrie, entstehen in Pakistan<br />

jährlich 230 Millionen Raubkopien – das<br />

sind dreimal so viele Scheiben, wie im Jahr<br />

2007 in den USA regulär verkauft wurden.<br />

industry-report f<br />

<strong>Die</strong>sen Beitrag können Sie auch<br />

auf unserer Audio-CD (Seite 63) hören.<br />

Pakistan goes Pop: Junge Unternehmer wollen die Marke MTV in dem Land etablieren. Ihr Ziel:<br />

regionale Künstler in das internationale Konzept integrieren. Ein Wagnis in einem Land, das von<br />

radikalen Muslimen bedroht wird. Eine Reportage aus dem Grenzgebiet <strong>der</strong> Popkultur.<br />

MTV Pakistan ist <strong>der</strong> erste lokal produzierte<br />

internationale Sen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Nation<br />

29


p industry-report<br />

30<br />

Ali Khan und Wachleute. Sicherheit ist wichtig – längst<br />

nicht allen Pakistanis schmecken die popkulturellen<br />

Aktivitäten des Medienmachers.<br />

„Wir versuchen, so massenorientiert<br />

wie möglich zu sein.“<br />

Ghazanfar Ali<br />

<strong>Die</strong> Flut an Raubkopien war auch <strong>der</strong> Grund,<br />

warum sich 1994 die damals einzigen Major<br />

Labels EMI und HMV aus Pakistan verabschiedeten.<br />

Erst als die Regierung 2006<br />

begann, wenn auch zaghaft, den Schwarzmarkt<br />

einzudämmen, kehrte EMI zurück.<br />

Den von <strong>der</strong> britischen Zentrale empfohlenen<br />

Verkaufspreis von 2,50 Euro pro CD hält<br />

Ameed Riaz, Head of EMI Pakistan, trotzdem<br />

für unrealistisch: „Wir wissen, dass hier niemand<br />

so viel für eine CD ausgeben würde.“<br />

Denn schon für 80 Cent gibt es die schwarzkopierten<br />

CDs von Madonna, dem musikalischen<br />

Nationalhelden Nusrat Fateh Ali Khan<br />

o<strong>der</strong> sonstigen Hitparadenstürmern.<br />

Trotz aller Probleme: Das Popgeschäft in<br />

Pakistan funktioniert. Denn große Konsumgütermarken<br />

sponsern die Publikumslieblinge<br />

mit teilweise zweistelligen Millionenbeträgen.<br />

So kreierten Coca-Cola und Unilever<br />

mit Pakistans Toprockband Junoon – das<br />

Q Magazine nannte sie aufgrund ihres<br />

grenzübergreifenden Erfolgs im südlichen<br />

Asien „eine <strong>der</strong> größten Rockbands <strong>der</strong><br />

Welt“ – ihre eigenen Musikbotschafter. In<br />

ihren Videoclips tranken die Rocker Coke,<br />

in den Werbepausen waren sie als Testimonials<br />

für eine Zahnpasta zu sehen. „Je<strong>der</strong><br />

Topkünstler hat ein von <strong>der</strong> Konsumgüterindustrie<br />

mitgestaltetes Image“, beschreibt<br />

Musikjournalist Ziad Zafar den Einfluss<br />

des Künstlersponsorings. Für westliche Pop-<br />

Puristen ist das natürlich ein Grauen. Fernsehmacher<br />

Ghazanfar Ali denkt über den<br />

künstlerischen Glaubwürdigkeitsverlust<br />

weniger nach. „Wir versuchen, so massenorientiert<br />

wie möglich zu sein“, erklärt er<br />

die Strategie von MTV Pakistan.<br />

Eine Win-win-Situation: Während MTV<br />

Pakistan von <strong>der</strong> Strahlkraft <strong>der</strong> internationalen<br />

Marke profitiert, glaubt <strong>der</strong> amerikanische<br />

Franchisegeber an das Marktpotenzial<br />

pakistanischer Künstler auch außerhalb des<br />

Landes. „MTV Pakistan ist die perfekte Plattform,<br />

um die wun<strong>der</strong>bare Kultur dieses Landes<br />

dem Rest <strong>der</strong> Welt vorzustellen. Pakistan<br />

ist cool“, sagte Bill Roedy, Chairman von<br />

MTV International, beim Launch des Kanals<br />

in Karatschi im Dezember 2006.<br />

Heute, gut eineinhalb Jahre später, sind<br />

die Pop-Produkte aus Pakistan in den MTV-<br />

Ablegern Indien und Arabien zu „Heavy<br />

Rotaters“ geworden. Wie erfolgreich MTV<br />

Pakistan im Inland ist, kann nur geschätzt<br />

werden. „Wir erreichen rund vier Millionen<br />

Haushalte per Kabel und Satellit“, sagt<br />

Ho Yan Mok, MTV-Direktor für Asien. Marktforschungsverfahren<br />

zur Quotenmessung<br />

stehen in Pakistan erst am Anfang. Deshalb<br />

evaluiert Ghazanfar Ali den Erfolg seiner<br />

Kooperation anhand des Verkehrs auf <strong>der</strong><br />

Website. Und <strong>der</strong> nahm drastisch zu. „Am<br />

Anfang waren es 10 000 Hits pro Tag, jetzt<br />

sind es 30 000“, sagt er. Zum Vergleich: <strong>Die</strong><br />

Website von MTV Großbritannien verzeichnet<br />

neun Millionen Hits am Tag, bei einer<br />

24-mal höheren Vernetzung <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

mit privaten Internetzugängen.<br />

RUND DIE HÄLFTE DER PAKISTANIS IST UNTER<br />

20 JAHREN – EIN RIESIGES KUNDENPOTENZIAL<br />

Damit MTV Pakistan und damit auch die<br />

pakistanische Popbranche weiterhin wächst,<br />

wünscht sich Ali mehr Engagement aus dem<br />

Ausland. „Tief im Innern ist dieses Land ein<br />

Markt wie je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e. Der Westen überlässt<br />

die Geschäfte aber <strong>der</strong>zeit den Arabern,<br />

weil die westlichen Medien nur die Gefahren<br />

und nicht die Chancen in Pakistan transportieren.“<br />

Dabei bietet <strong>der</strong> Markt ein gigantisches<br />

Potenzial: <strong>Die</strong> Hälfte <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

Pakistans ist noch keine 20 Jahre alt.<br />

Offen ist, ob das <strong>der</strong>zeitige Wachstum von<br />

MTV Pakistan in einen konsolidierten pakistanischen<br />

Popmarkt mündet. Denn je<strong>der</strong>zeit<br />

kann eine konservativere Regierung die<br />

Knospen des Aufbruchs jäh beschneiden.<br />

Ali aber bleibt Optimist: „Wir werden auch<br />

mit einem erneuten Wechsel zurechtkommen<br />

– so, wie wir mit den bisherigen Verän<strong>der</strong>ungen<br />

zurechtgekommen sind.“.


Wiqar Ali Khan ist <strong>der</strong> Star von MTV Pakistan. Seine Show „Style Guru“<br />

propagiert offen hedonistische – und damit eigentlich westliche – Werte.<br />

Pakistan, ein Land zwischen Tradition und Mo<strong>der</strong>ne. Der Bedarf <strong>der</strong><br />

Menschen an Popkultur „ist riesig“, sagt Wiqar Ali Khan.<br />

31


p industry-report<br />

32<br />

Zwei Seelen und ein Spiel<br />

: An Genies scheiden sich die Geister –<br />

gerade im Fußball. Als Michel Platini in<br />

den Achtzigerjahren am Ball zauberte,<br />

schnalzten dessen Fans mit <strong>der</strong> Zunge, seine<br />

Gegner aber brachte das große Selbstbewusstsein<br />

des Franzosen auf die Palme. Als<br />

Chef <strong>der</strong> UEFA polarisiert Platini heute weiter<br />

die Fußballwelt. Er betreibt nämlich<br />

einen Kuschelkurs in Richtung Osten. Einige<br />

große Verbände sehen das kritisch.<br />

PLATINI WILL DIE NÄCHSTE EM AUFSTOCKEN –<br />

ZUR FREUDE ÖSTLICHER FUSSBALLNATIONEN<br />

Schon bei seiner Wahl zum UEFA-Präsidenten<br />

im Jahr 2007 hatte er auf die Stimmen<br />

<strong>der</strong> „Kleinen“, vor allem auf die aus Osteuropa,<br />

gesetzt. Als <strong>der</strong>en Freund erweist sich<br />

Platini nun auch. Beobachter gehen davon<br />

aus, dass er den Zuschlag für die EM 2012 an<br />

Polen und die Ukraine unterstützte. Außerdem<br />

verabschiedete die UEFA gerade eine<br />

Reform <strong>der</strong> Champions League, die kleineren<br />

Ligen bessere Chancen auf Startplätze<br />

einräumt. Aus einer ähnlichen Motivation<br />

heraus will Platini auch die nächste Europameisterschaft<br />

aufstocken.<br />

Mit Blick in die Zukunft sucht Platini konsequent<br />

nach „Emerging Markets“. <strong>Die</strong> liegen,<br />

auch im Fußball, im Osten. So durfte <strong>der</strong><br />

russische Verband in diesem Jahr das Finale<br />

<strong>der</strong> Champions League ausrichten. Dabei<br />

demonstrierten die Moskauer, dass sie in<br />

<strong>der</strong> Lage sind, ein Cupfinale mit weltweiter<br />

medialer Strahlkraft auszurichten.<br />

Der Fußball im Osten boomt. Sponsormillionen<br />

aus dem Öl-, Gas- und Bergwerksge-<br />

„Er verstand es, das Spiel auf dem Platz in die richtige Bahn<br />

zu lenken. Er war ein Kopfspieler im weitesten Sinne,<br />

<strong>der</strong> überragende europäische Spieler <strong>der</strong> Achtzigerjahre.“<br />

Am Ball konnte er alles. Jetzt mischt Michel Platini als UEFA-Chef die Karten im globalen<br />

Fußballbusiness neu. Dabei erschließt er auch die Märkte Osteuropas – und das, obwohl er<br />

die Kommerzialisierung des Fußballs eigentlich skeptisch sieht.<br />

schäft finanzieren Arena-Neubauten und<br />

Spielereinkäufe. Auch für internationale<br />

Sponsoren sind die Spielfel<strong>der</strong> im Osten<br />

lukrativ. Der dortige Konsumentenmarkt<br />

wächst stark. Markenartikelhersteller aus<br />

Westeuropa o<strong>der</strong> den USA sehen daher die<br />

Ostöffnung gern.<br />

Leicht wird Platini die EM-Entscheidung<br />

nicht gefallen sein. Italien sei emotional sein<br />

Favorit gewesen, hieß es hinter den Kulissen.<br />

Schließlich hat er seine größten Erfolge<br />

als Sportler bei Juventus Turin gefeiert.<br />

Das Land hätte dringend eines Investitionsschubs<br />

bedurft, um Stadien und Infrastruktur<br />

zu mo<strong>der</strong>nisieren. Doch die Doppelbewerbung<br />

aus Polen und <strong>der</strong> Ukraine siegte.<br />

„Verrat!“, schimpfte die Gazzetta dello Sport.<br />

<strong>Die</strong> Nie<strong>der</strong>lage soll für die italienische Wirtschaft<br />

bis zu 15 Milliarden Euro Verlust<br />

bedeuten.<br />

EINE MILLIARDE EURO MUSS POLEN WEGEN<br />

DER EUROPAMEISTERSCHAFT INVESTIEREN<br />

In Polen hingegen jubiliert man. „<strong>Die</strong>ses<br />

Turnier wird ein Meilenstein für uns sein“,<br />

UEFA<br />

<strong>Die</strong> Union Européenne de Football-Association,<br />

kurz UEFA, vertritt als eine <strong>der</strong> sechs<br />

Konfö<strong>der</strong>ationen des Weltfußballverbandes<br />

FIFA 53 nationale Verbände. Gerade brachte<br />

die UEFA die EM in Österreich und <strong>der</strong><br />

Schweiz über die Bühne. Auch die Vermarktung<br />

von Champions League und UEFA-Cup<br />

liegt bei dem Verband.<br />

Pelé über Michel Platini<br />

so <strong>der</strong> Präsident des polnischen Fußballverbandes,<br />

Michal Listkiewicz. „Wir haben es<br />

in Osteuropa verdient, dass so ein Ereignis<br />

mal zu uns kommt.“ Sein ukrainischer Kollege,<br />

<strong>der</strong> Öl-Oligarch Grigoriy Surkis, <strong>der</strong><br />

geholfen hatte, Platini ins Amt zu hieven,<br />

erklärt stolz: „Wir werden das Vertrauen,<br />

das in uns gesetzt wird, rechtfertigen. <strong>Die</strong><br />

Ukraine ist erst seit 15 Jahren unabhängig.<br />

Das ist eine große Chance und eine große<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung für uns.“<br />

Allein in Polen werden die notwendigen<br />

Investitionen in die Sportinfrastruktur mit<br />

rund einer Milliarde Euro beziffert. Dazu<br />

kommen Ausgaben für die Verbesserung <strong>der</strong><br />

Verkehrs- und Transportinfrastruktur sowie<br />

<strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> Teleinformatik, Verkehrsleit-<br />

und Sicherheitssysteme. <strong>Die</strong> Ratingagentur<br />

Fitch schätzt die Gesamtkosten<br />

Polens für die Organisation <strong>der</strong> EM auf<br />

27 Milliarden Euro.<br />

Viel Rechnerei im Vorfeld – zu viel vielleicht<br />

für Monsieur Platini. Denn die allumfassende<br />

Kommerzialisierung des Fußballs ist ihm<br />

eigentlich ein Dorn im Auge. „Fußball ist<br />

zuerst ein Spiel und dann ein Produkt, ist<br />

Sport und kein Markt, ist ein Spektakel und<br />

dann erst ein Geschäft!“ Gerade dieser Geist<br />

nährt bei den kleineren Fußballnationen die<br />

Hoffnung, dass auch sie im Konzert <strong>der</strong> Großen<br />

mitverdienen können. So treibt Platini,<br />

ob er will o<strong>der</strong> nicht, die Kommerzialisierung<br />

im Fußballosten voran.<br />

Einen entscheidenden Schachzug machte er<br />

dazu im Januar dieses Jahres. <strong>Die</strong> G14, die<br />

mächtige Interessenvereinigung <strong>der</strong> 18<br />

(west-)europäischen Topklubs, hatte den


Michel Platini: Als Spieler war<br />

er ein Genie. In seiner neuen<br />

Rolle als UEFA-Chef stärkt er<br />

die kleinen Fußballnationen.<br />

industry-report f<br />

Fußballdachverbänden eine ganze Reihe<br />

von Klagen beschert. <strong>Die</strong> UEFA kam den<br />

Vereinen entgegen. „<strong>Die</strong> Klubs sind nun an<br />

den Gewinnen <strong>der</strong> UEFA beteiligt“, so Platini.<br />

Doch er wurde für die Zugeständnisse<br />

reichlich entlohnt. Im Gegenzug erreichte er<br />

nämlich, dass die dem Verband gefährlich<br />

gewordene G14 aufgelöst wurde. An <strong>der</strong>en<br />

Stelle trat die ECA, die sich deutlich heterogener<br />

als ihre Vorgängerin aus 103 Vereinen<br />

<strong>der</strong> 53 Mitgliedslän<strong>der</strong> <strong>der</strong> UEFA zusammensetzt.<br />

Den kleinen Verbänden eröffnet<br />

sich über mehr Startplätze die Teilhabe am<br />

großen Geschäft.<br />

Das könnte auch Investoren auf den Plan<br />

rufen. Doch gerade die sieht Platini skeptisch.<br />

Ausgewogen legt er sich mal mit russischen,<br />

mal mit amerikanischen Financiers<br />

an, die zunehmend auf den lukrativen Fußballmarkt<br />

drängen und eine Preisspirale auf<br />

dem Spielertransfer- und Rechtemarkt in<br />

Gang gebracht haben. In einem Brandbrief<br />

hatte <strong>der</strong> UEFA-Präsident unlängst die EU-<br />

Regierungschefs aufgefor<strong>der</strong>t, Europas Fußball<br />

vor „einer Schieflage“ zu bewahren. <strong>Die</strong><br />

Russen und Amerikaner kämen nicht aus<br />

Liebe zum Fußball, son<strong>der</strong>n um damit Geld<br />

zu scheffeln. „Ich glaube, dass Gesetze nötig<br />

sind, um so etwas zu verhin<strong>der</strong>n.“<br />

Damit zielte Platini beson<strong>der</strong>s auf die US-<br />

Investoren beim FC Liverpool, George Gillett<br />

und Tom Hicks, sowie auf Malcolm Glazer<br />

bei Manchester United. Ihnen unterstellte<br />

er, seine Reformbestrebungen in <strong>der</strong><br />

Champions League aktiv zu hintertreiben.<br />

Interessant: Den russischen Oligarchen<br />

Roman Abramowitsch und den italienischen<br />

Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi,<br />

Geldgeber beim FC Chelsea und dem<br />

AC Mailand, nahm Platini ausdrücklich von<br />

den Vorwürfen aus. „<strong>Die</strong> beiden lieben den<br />

Fußball und haben ihr Geld nicht investiert,<br />

um Rendite zu erwirtschaften.“.<br />

33


p industry-report<br />

34<br />

Lissabon im Blick<br />

Europas Wirtschaft wächst immer enger zusammen. Seine leistungsfähigsten Unternehmen<br />

sind auch global Vorbil<strong>der</strong> in Management und Strategie. Der Wettbewerb „Best of European<br />

Business“ zeigt, wo <strong>der</strong> Kontinent stark ist – und för<strong>der</strong>t damit das Europagefühl.<br />

: Europa festigt seine Position im globalen<br />

Konkurrenzkampf. Das Wachstum in den<br />

vergangenen Jahren hat sich deutlich gesteigert<br />

und verstetigt. 23 <strong>der</strong> 50 größten Unternehmen<br />

haben heute ihren Sitz in Europa.<br />

2007 haben europäische Unternehmen 400<br />

Milliarden Euro in grenzüberschreitende<br />

Übernahmen und Fusionen investiert. Das<br />

ist Rekord, Europas Wirtschaft wächst offensichtlich<br />

immer enger zusammen. Und vor<br />

allem: Der europäische Heimatmarkt mit<br />

rund 500 Millionen Konsumenten wird Wirk-<br />

lichkeit und zu einer Stütze im immer schärferen<br />

Wettbewerb <strong>der</strong> Globalisierung. Folgerichtig<br />

war die diesjährige Abschlussveranstaltung<br />

des Wettbewerbs Best of European<br />

Business (BEB) von Optimismus geprägt.<br />

„Wir können an Europa glauben, weil wir an<br />

Europas Unternehmen glauben“, formuliert<br />

es Burkhard Schwenker, Vorstandschef von<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants.<br />

Gewonnen haben in diesem Jahr vier Unternehmen:<br />

<strong>der</strong> französische Versicherungsriese<br />

AXA, Portugals Energieanbieter Galp-<br />

Burkhard Schwenker, CEO von<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants,<br />

lobte bei <strong>der</strong> Preisverleihung<br />

in Deutschland die Innovationsstärke<br />

<strong>der</strong> europäischen<br />

Wirtschaft<br />

Energia, <strong>der</strong> polnische Ölkonzern PKN Orlen<br />

und das deutsche Chemieunternehmen<br />

BASF. AXA und PKN Orlen wurden für<br />

grenzüberschreitende M&A-Aktivitäten<br />

belohnt, GalpEnergia für sein beeindruckendes<br />

Wachstum. BASF räumte den Son<strong>der</strong>preis<br />

„Green Business“ ab.<br />

Mit dem Preis für das Energieunternehmen<br />

GalpEnergia prämierten die Juroren ein<br />

jährliches Wachstum von gut 15 Prozent zwischen<br />

den Jahren 2002 und 2006. Neue Produktionsanlagen<br />

in Angola und Spanien


Bild rechts, v. l.: die Gewinner Thomas En<strong>der</strong>s (CEO, Airbus),<br />

Kurt Bock (CFO, BASF, verantwortlich für Nordamerika),<br />

Mathias Hüttenrauch (Managing Director,<br />

Benteler Automobiltechnik), Ulf M. Schnei<strong>der</strong> (Vorsitzen<strong>der</strong><br />

des Vorstands, Fresenius), Bernd G. Hoffmann<br />

(CEO, Schmitz Cargobull)<br />

Unten: Jürgen Großmann (CEO, RWE)<br />

DEUTSCHLAND: OHNE DIE USA GEHT ES NICHT<br />

Der deutsche Teil des Best-of-European-Business-<br />

Wettbewerbs hinterfragte die transatlantische<br />

Wirtschaftspartnerschaft. Der provokante Titel <strong>der</strong><br />

Podiumsdiskussion: „Who needs America?“. Europa<br />

auf jeden Fall, war die einstimmige Antwort <strong>der</strong><br />

prominenten Teilnehmer. Allerdings, auch darin<br />

waren sich die Experten einig, gehört dazu eine<br />

FRANKREICH: GISCARD D’ESTAING SPRICHT ÜBER EUROPA<br />

<strong>Die</strong> französischen Awards glänzten auch mit Politprominenz:<br />

Über die politische Zukunft <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union sprach <strong>der</strong> frühere französische<br />

Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing, über die<br />

europäische Integration <strong>der</strong> frühere Außenminister<br />

Hubert Védrine. Vor über 1000 Gästen mo<strong>der</strong>ierte<br />

François Lenglet, Chefredakteur des Medienpartners<br />

Enjeux Les Echos, eine hochkarätige CEO-<br />

Runde, die Strategien für europäische Unternehmen<br />

diskutierte. Mit dabei: Pierre-André de Chalendar<br />

(General Manager, Saint-Gobain), José Luis Duran<br />

(CEO, Carrefour), Charles Milhaud (CEO, Caisse<br />

Nationale des Caisses d’Epargne) und Gilles Pélisson<br />

(Administrator und General Manager, Accor).<br />

In <strong>der</strong> Kategorie Wachstum gewannen das Recyclingunternehmen<br />

CFF Derichebourg und <strong>der</strong> Maschinenproduzent<br />

Haulotte. Preise für ihre Europastrategien<br />

bekamen <strong>der</strong> Food-Hersteller Sodexo<br />

und <strong>der</strong> Anbieter von Zahlungslösungen Ingenico,<br />

für grenzüberschreitende M&A AXA und Softwarehersteller<br />

Avanquest. Den Großen Preis <strong>der</strong> Jury<br />

sicherte sich <strong>der</strong> Baustoffhersteller Lafarge.<br />

offene Diskussion. Prämiert wurden in Deutschland<br />

fünf Unternehmen: In <strong>der</strong> Kategorie Wachstum<br />

gewannen Benteler und Schmitz Cargobull. Für ihre<br />

grenzüberschreitenden M&A-Aktivitäten wurden<br />

Fresenius und BASF ausgezeichnet. Der Spezialpreis<br />

„Transatlantic Relations“ ging an Tom En<strong>der</strong>s,<br />

CEO von Airbus.<br />

Bild links, v. l.: Bernard Regis (Deputy General Manager,<br />

Daniel Derichebourg), Alexandre Saubot (CEO, Haulotte<br />

Group), Michel Landel (CEO, Sodexo), Bruno Lafont<br />

(CEO, Lafarge), François Lenglet (Chefredakteur,<br />

Enjeux Les Echos), Jacques Stern (CEO, Ingenico),<br />

Gérard Harlin (Deputy General Manager, verantwortlich<br />

für Finance and Control, AXA), Bruno Vanryb (Mitbegrün<strong>der</strong><br />

und CEO, Avanquest Software)<br />

Oben: Valéry Giscard d’Estaing (l.), Vincent Mercier<br />

(Mitglied Exekutivkomitee, <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>)<br />

35


p industry-report<br />

36<br />

Bild rechts, v. l.: Europakenner im Gespräch: Vasco<br />

de Mello (Board President, Brisa Auto-Estradas de<br />

Portugal), António Bernardo (Deputy CEO, <strong>Roland</strong><br />

<strong>Berger</strong>), <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />

Unten: Portugalexperte mit Gewinner: Josep Ros<br />

(l., Partner, <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>), António Mexia (Executive<br />

Board President, Grupo EDP)<br />

nutzten die Portugiesen für weiteres Wachstum.<br />

Außerdem integrierten sie das spanische<br />

Unternehmen AGIP erfolgreich.<br />

Wie man durch Zukäufe die eigene Wettbewerbsposition<br />

stärkt, das führt <strong>der</strong> französische<br />

Versicherungskonzern AXA vor. Mit <strong>der</strong><br />

Übernahme des Schweizer Konkurrenten<br />

Winterthur im Jahr 2006 stieß AXA nicht nur<br />

das Tor zum Schweizer Markt auf. <strong>Die</strong> Franzosen<br />

erweiterten damit auch maßgeblich<br />

die eigene Produktpalette. Außerdem generierte<br />

die Übernahme ein Synergiepotenzial<br />

von 350 Millionen Euro.<br />

Große Übernahmen erfor<strong>der</strong>n Mut. <strong>Die</strong>sen<br />

bewies auch <strong>der</strong> polnische Ölkonzern PKN<br />

Orlen. Für 2,78 Milliarden US-Dollar übernahm<br />

PKN die Mehrheit des größten Unternehmens<br />

<strong>der</strong> baltischen Staaten: Litauens<br />

Mazeikiu Nafta. Es war das bisher größte<br />

Auslandsinvestment eines polnischen Unternehmens.<br />

Der Deal demonstriert nach<br />

Ansicht <strong>der</strong> Jury die Fähigkeit PKN Orlens,<br />

übernommene Unternehmen ohne große<br />

Reibungsverluste zu integrieren.<br />

Mut zu einer aktiven M&A-Politik bewies<br />

auch BASF beim Kauf des US-Chemieunternehmens<br />

Engelhard. In Brüssel wurden die<br />

PORTUGAL: JERÓNIMO-MARTINS-CEO IST MANAGER DES JAHRES<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>, Grün<strong>der</strong> des Beratungsunternehmens,<br />

plädierte in seiner Eröffnungsrede <strong>der</strong> portugiesischen<br />

Award-Feier dafür, die Emerging Markets<br />

nicht als Bedrohung, son<strong>der</strong>n als Chance für<br />

Europas Wirtschaft zu sehen. Aufstrebende Volkswirtschaften<br />

seien auf den Import europäischen<br />

Wissens angewiesen, so <strong>Berger</strong>.<br />

Manager des Jahres wurde <strong>der</strong> CEO des Food-Unternehmens<br />

Jerónimo Martins, Luís Palha da Silva.<br />

Ludwigshafener aber für etwas an<strong>der</strong>es ausgezeichnet:<br />

für ihre umweltfreundliche Produktionspolitik.<br />

30 Prozent des F&E-Budgets<br />

lässt BASF in eine ressourceneffizientere<br />

Produktion fließen. Als erstes deutsches<br />

Unternehmen traten die Ludwigshafener<br />

dem „Community Development Carbon<br />

Fund“ <strong>der</strong> Weltbank bei. <strong>Die</strong> Initiative för<strong>der</strong>t<br />

Projekte, die CO 2-Reduktion mit Entwicklungshilfe<br />

kombinieren.<br />

ES GIBT IHN, DEN EUROPÄISCHEN WEG<br />

GUTER UNTERNEHMENSFÜHRUNG<br />

<strong>Die</strong> Preisträger zeigen: „Best of European<br />

Business“ prämiert Unternehmen, die von<br />

Europa aus Standards für die Welt setzen.<br />

Was aber macht Europa einzigartig? Wo<br />

sind seine originären Wettbewerbsvorteile?<br />

Das will eine Umfrage unter europäischen<br />

Topentschei<strong>der</strong>n klären, die <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />

anlässlich des Wettbewerbs vorstellte. Über<br />

80 Prozent sehen demnach Europas Rolle im<br />

Wettbewerb <strong>der</strong> Standorte als stabil o<strong>der</strong><br />

wachsend an, außer in den Bereichen Einkauf<br />

und Produktion. In Forschung, Finanzwesen<br />

und Management wird Europa wich-<br />

Leser des Medienpartners Jornal de Negócios prämierten<br />

zudem António Mexia, Chef des Energieriesen<br />

EDP. Sein Konzern wurde auch für grenzüberschreitende<br />

M&A belohnt. Im Bereich Wachstum<br />

gewannen das Energieunternehmen GalpEnergia<br />

und <strong>der</strong> Baudienstleister Martifer. Sonae Indústria<br />

wurde für seine Stärke in Zentraleuropa ausgezeichnet.<br />

<strong>Die</strong> Aktivitäten in den BRIC-Staaten verhalfen<br />

dem Autobahnbetreiber Brisa zum Sieg.<br />

tiger. Vier von fünf Unternehmen wollen<br />

vermehrt auf europäisches Nearshoring setzen,<br />

anstatt in Offshorelän<strong>der</strong> wie Indien<br />

auszulagern.<br />

Der europäische Weg erfolgreicher Unternehmensführung<br />

– es gibt ihn tatsächlich,<br />

wenn man die Teilnehmer des Wettbewerbs<br />

betrachtet. Das betonte auch Burkhard<br />

Schwenker in seiner Rede auf dem deutschen<br />

BEB-Abschlussevent. Vier Dinge<br />

zeichnen demnach erfolgreiche europäische<br />

Unternehmen aus. Sie verfolgen eine Doppelstrategie<br />

– ergreifen also parallel Maßnahmen<br />

zur Steigerung <strong>der</strong> Produktivität<br />

und für mehr Wachstum. Sie setzen auf eine<br />

Systemkopfstrategie, stärken also konsequent<br />

jene Funktionen, die einen echten<br />

Wettbewerbsvorteil darstellen: F&E, Fertigungssteuerung,<br />

Marketing und Branding,<br />

Design, aber auch hochwertige Produktion.<br />

Außerdem nutzen Erfolgsfirmen die kulturelle<br />

Vielfalt Europas für die Kreativität und<br />

damit als Vorteil im globalen Wettbewerb.<br />

Und schließlich kombinieren sie Wachstumsfähigkeit<br />

mit Wachstumsbereitschaft –<br />

dem, wie es Schwenker formuliert, „richtigen<br />

Mindset bei den weichen Faktoren“..


Bild rechts, v. l.: José Luis del Valle (Director, Strategy<br />

and Development, Iberdrola), Luis Abril (Dirección<br />

General, Secretaría General Técnica de Presidencia,<br />

Telefónica), Fernando Merry del Val (Consejero de Economía,<br />

Comunidad de Madrid), Josep Ros (Partner,<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>), Jorge Sendagorta (President, Sener<br />

Ingeniería y Sistemas, Grupo Sener), Guillermo de la<br />

Dehesa (Member, Banco Santan<strong>der</strong> Board of Directors,<br />

Vice President, Goldman Sachs Europe, President, Aviva<br />

Spain, President, Instituto de Empresa Advising Committee,<br />

Jurymitglied), Juan Ramón Quintás (President,<br />

Spanish Confe<strong>der</strong>ation of Saving Banks, Jurymitglied),<br />

Amparo Moraleda (President, IBM Spain, Portugal,<br />

Greece, Israel, Turkey, Jurymitglied)<br />

Unten: Josep Ros (l., Partner, <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>), Ángel Corcóstegui<br />

(ehemals CEO, Banco Santan<strong>der</strong>, President,<br />

Magnum Capital Industrial Partners, Jurymitglied)<br />

Über 100 Gäste und Jurymitglie<strong>der</strong> kamen in <strong>der</strong><br />

Madri<strong>der</strong> Börse zusammen, um an <strong>der</strong> Feier des<br />

spanischen Best of European Business Award teilzunehmen.<br />

Der Jury gehörten unter an<strong>der</strong>em <strong>der</strong><br />

Dean <strong>der</strong> IESE Business School, Jordi Canals, und<br />

<strong>der</strong> Chef von IBM Spanien, Portugal, Griechenland,<br />

Israel und Türkei, Amparo Moraleda, an.<br />

POLEN: GLOBALE WETTBEWERBSFÄHIGKEIT STEIGT<br />

<strong>Die</strong> Veranstaltung im Warschauer Königspalast<br />

stand ganz im Zeichen <strong>der</strong> zunehmenden globalen<br />

Marktpräsenz polnischer Unternehmen. Spezialpreise<br />

wurden daher auch für Unternehmen mit<br />

beson<strong>der</strong>er internationaler Wettbewerbsfähigkeit<br />

ausgelobt. <strong>Die</strong> Danziger Schiffsreparaturwerft<br />

Stocznia Remontowa und <strong>der</strong> Autozulieferer Inter<br />

SPANIEN: TELEFÓNICA HOLT GROSSEN PREIS<br />

Groclin wurden mit diesen Preisen ausgezeichnet.<br />

Das Modehaus LPP, <strong>der</strong> Hersteller von Bergbauequipment<br />

Fabryka Maszyn Famur und <strong>der</strong> Bauzulieferer<br />

Koelner gewannen aufgrund ihres profitablen<br />

Wachstums. Für seine M&A-Aktivitäten über<br />

die Landesgrenzen hinweg prämierten die Juroren<br />

den Tankstellenbetreiber und Ölkonzern PKN Orlen.<br />

Das profitable Wachstum verhalf dem Food-Hersteller<br />

SOS und den Ingenieurdienstleistern von Sener<br />

zum Sieg. Das Energieunternehmen Iberdrola und<br />

<strong>der</strong> Anbieter von Umweltservices Befesa gewannen<br />

bei den grenzüberschreitenden Übernahmen und<br />

Zusammenschlüssen. Den Großen Preis holte sich<br />

<strong>der</strong> Telekommunikationsriese Telefónica.<br />

Bild links, v. l.: Czesław Kisiel (CEO, TDJ Investments,<br />

Hauptanteilseigner von Famur), Piotr Soyka<br />

(CEO, Gdańska Stocznia Remontowa), Joanna<br />

Drzymała (Mitglied Supervisory Board, Inter Groclin<br />

Auto), Waldemar Maj (Vice President, PKN<br />

Orlen), Dariusz Pachla (Vice President, LPP),<br />

Tomasz Mogilski (Vice President, Koelner)<br />

Unten: Maciej Orłoś (l., TVP 1), Artur Pielech (Partner,<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>)<br />

37


<strong>Die</strong>sen Beitrag können Sie auch<br />

auf unserer Audio-CD (Seite 63) hören.<br />

Im Osten viel Neues<br />

: Vor sechs Jahren investierte die belgische<br />

Bank KBC 425 Millionen Euro in ihren<br />

ersten Anteil an <strong>der</strong> slowenischen Nova<br />

Ljubljanska Banka (NLB). In den folgenden<br />

Jahren stockte KBC diesen Anteil kontinuierlich<br />

auf und wurde schließlich Mehrheitseigner.<br />

Obwohl sich die NLB außerordentlich<br />

gut entwickelte und dank zahlreicher Expansionen<br />

heute zu den größten Playern auf<br />

dem südosteuropäischen Markt zählt, hat<br />

KBC die NLB nie ganz übernommen. Als die<br />

slowenische Regierung den ersten Anteil <strong>der</strong><br />

NLB von 34 Prozent verkaufte, räumte sie<br />

zwar <strong>der</strong> KBC das Vorkaufsrecht für weitere<br />

Anteile ein – brachte diese dann aber nie auf<br />

den Markt. <strong>Die</strong> KBC beschloss schließlich,<br />

ihre Anteile wie<strong>der</strong> zu verkaufen. CEO<br />

André Bergen sagt: „Finanziell hat sich unser<br />

Engagement gelohnt.“<br />

Ursprünglich ging es um mehr als um ein<br />

gutes Geschäft, noch 2002 sprach man von<br />

einer strategischen Investition. Bergen kennt<br />

die Hintergründe des Kurswechsels: „Für<br />

die slowenische Regierung, indirekt und<br />

direkt <strong>der</strong> größte Sharehol<strong>der</strong> <strong>der</strong> Bank,<br />

überwogen politische Aspekte. <strong>Die</strong> politische<br />

Logik unterscheidet sich eben von <strong>der</strong><br />

Logik <strong>der</strong> Banken.“ Der Ertrag kann sich<br />

dennoch sehen lassen. Als KBC wie<strong>der</strong> verkauft,<br />

wird <strong>der</strong> Unternehmenswert von NLB<br />

auf rund drei Milliarden Euro geschätzt,<br />

die KBC-Anteile sind deshalb geschätzt doppelt<br />

so teuer wie <strong>der</strong> ursprüngliche Kaufpreis.<br />

Das Beispiel zeigt: Ein Engagement in<br />

Osteuropa kann sich lohnen; <strong>der</strong> schnell<br />

wachsende Markt lockt mit guten Erträgen.<br />

Gleichzeitig müssen sich Investoren aber<br />

auf unvorhersehbare Risiken einstellen.<br />

industry-report f<br />

Bankenkrise hin o<strong>der</strong> her: Der osteuropäische Bankenmarkt bietet nach wie vor substanzielle<br />

Wachstumschancen. KBC aus Brüssel und PKO BP aus Warschau nutzen das zu ihrem Vorteil.<br />

Ihre Strategien unterscheiden sich allerdings, wie FT-Korrespondent Thomas Escritt berichtet.<br />

Das Muster wie<strong>der</strong>holt sich: Lange bevor<br />

Rumänien auf dem Schirm <strong>der</strong> Investoren<br />

auftauchte, wagte sich die griechische Alpha<br />

Bank Anfang <strong>der</strong> Neunzigerjahre auf den<br />

rumänischen Markt. <strong>Die</strong> Bank zahlte für<br />

ihren Markteintritt weniger als zehn Millionen<br />

Euro und besitzt heute Kapitalreserven<br />

von mehr als drei Milliarden. Der Weg dorthin<br />

war oft schwierig. „Wir waren Teil des<br />

Bankenkonsortiums, das Rumäniens Zentralbank<br />

kurz vor <strong>der</strong> Jahrtausendwende finanziell<br />

aus <strong>der</strong> Krise rettete“, sagt CEO Sergiu<br />

Oprescu. „Wir wissen, wie <strong>der</strong> Hase läuft.“<br />

Nachzügler zahlen mehr, wie Österreichs<br />

Erste Bank zeigt: Sie investierte bei <strong>der</strong> letzten<br />

großen Bankprivatisierung fast vier Milliarden<br />

Euro für die rumänische BCR.<br />

Mit einer an<strong>der</strong>en Ausgangslage ist als staatlich<br />

kontrollierte Bank Polens PKO BP konfrontiert.<br />

Zwar ist sie in ihrer Heimat Marktführer,<br />

aber während KBC bereits seit den<br />

späten Achtzigern international expandiert,<br />

verfolgt PKO BP erst jetzt diese Strategie.<br />

Wie KBC kennt aber auch sie die Launen <strong>der</strong><br />

Politik. PKO BP, zu 51 Prozent im Besitz des<br />

polnischen Staats, darf ihren Vorständen<br />

per Gesetz nicht mehr als 4000 Euro monatlich<br />

zahlen. Auf einem umkämpften Markt,<br />

auf dem je<strong>der</strong> die besten Talente für sich<br />

gewinnen will, ist das eine große Herausfor<strong>der</strong>ung.<br />

Dennoch: Für wirklich existenziell<br />

hält Rafal Juszczak, bis vor Kurzem PKOs<br />

Vorstandschef, dieses Problem nicht. Denn<br />

für ihn war die Herausfor<strong>der</strong>ung, ein solches<br />

Schwergewicht auf dem Finanzmarkt zu<br />

führen und zu restrukturieren, eine Belohnung.<br />

Außerdem könne man Mitarbeiter<br />

unterhalb des Vorstands durchaus marktüb-<br />

lich entlohnen. <strong>Die</strong> Institution, die Juszczak<br />

restrukturieren sollte, glich eher einem<br />

Staatsbetrieb: „<strong>Die</strong> Angestellten schoben<br />

sich gegenseitig die Papiere über den Tisch<br />

und machten um vier Uhr nachmittags Feierabend.<br />

An die Aufgabe, die Bank wettbewerbsfähig<br />

zu machen, um mit den Besten<br />

am Markt zu konkurrieren, hatte sich niemand<br />

gewagt.“ Jetzt aber wandelt sich die<br />

Unternehmenskultur. Das ehrgeizige Ziel:<br />

„mindestens mit dem Marktwachstum<br />

Schritt halten, sich auf die Kernproduktgruppen<br />

Kundenkredite, Investmentfonds und<br />

Pfandbriefe konzentrieren und das Firmengeschäft<br />

auf das Niveau unseres Privatkundengeschäfts<br />

ausbauen.“ Das Tempo gibt die<br />

italienische UniCredit vor. Seit <strong>der</strong> Übernahme<br />

<strong>der</strong> deutschen HypoVereinsbank und <strong>der</strong><br />

darauf folgenden Fusionierung <strong>der</strong> Aktivitäten<br />

bei<strong>der</strong> Banken ist UniCredit <strong>der</strong> größte<br />

Akteur auf dem polnischen Markt.<br />

WIE VERANKERT MAN UNTERNEHMERISCHES<br />

DENKEN IN DEN KÖPFEN DER MITARBEITER?<br />

<strong>Die</strong> zunächst größte Herausfor<strong>der</strong>ung für<br />

PKO BP war es, unternehmerisches Denken<br />

in den Köpfen <strong>der</strong> Mitarbeiter zu verankern.<br />

„Es lässt sich leicht vom Empowerment <strong>der</strong><br />

Mitarbeiter reden. Unser Problem war aber,<br />

dass die Leute gar keine Verantwortung<br />

übernehmen wollten“, sagt Juszczak. Als<br />

Lösung wählte man anfangs ein Anreizsystem,<br />

das den Mitarbeitern Erwartungen und<br />

entsprechende Belohnungen klar vorgab.<br />

„Zuerst war es ein Anreizsystem zur<br />

Gewinnumverteilung, heute arbeiten wir<br />

mit Zielvorgaben.“ <strong>Die</strong> Strategie hat sich<br />

39


40<br />

André Bergen, CEO von KBC (links) will mit <strong>der</strong> Bank in Län<strong>der</strong>n wachsen, in <strong>der</strong> das Institut<br />

schon vertreten ist. Rafal Juszczak (rechts), <strong>der</strong> ehemalige CEO von PKO BP, restrukturierte<br />

die Ex-Staatsbank und hält auch einen Merger für möglich, um international zu wachsen.<br />

bezahlt gemacht: <strong>Die</strong> Gewinne <strong>der</strong> Bank stiegen<br />

im vergangenen Jahr auf zwei Milliarden<br />

Zloty (rund 596 Millionen Euro), die<br />

Hälfte davon wurde in diesem Jahr bereits<br />

im ersten Quartal erreicht.<br />

Auch die mangelhafte Kommunikation gehört<br />

<strong>der</strong> Vergangenheit an. „Vor zwei Jahren<br />

schickte <strong>der</strong> Vorstand einmal im Jahr einen<br />

Brief an die Mitarbeiter“ – heute sieht das<br />

ganz an<strong>der</strong>s aus. Es gibt regelmäßige Versammlungen,<br />

an denen „mehr als 7000 <strong>der</strong><br />

insgesamt 30 000 Beschäftigten teilnehmen.“<br />

Und PKO BP hat sogar mit Live-Onlinechats<br />

experimentiert, in denen Angestellte ihre<br />

Fragen direkt an den Vorstand richten konnten.<br />

Mehr als die Hälfte <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />

nutzte dieses Angebot.<br />

Ebenfalls zur Restrukturierung <strong>der</strong> Bank<br />

gehören große Investitionen: <strong>Die</strong> Bank<br />

gibt mehr als 300 Millionen Euro für ein<br />

neues IT-System aus. Allerdings führen die<br />

Einsparungen auch zum Verlust von rund<br />

1500 Arbeitsplätzen. Juszczak ist sich dennoch<br />

sicher, dass das Ergebnis die schmerzhaften<br />

Eingriffe rechtfertigen wird.<br />

Wie KBC hält auch PKO BP die weniger entwickelten,<br />

aber dynamischeren Märkte für<br />

vielversprechend. Vor vier Jahren kaufte die<br />

Bank daher „für wenig Geld“, wie Juszczak<br />

sagt, ein kleines Unternehmen in <strong>der</strong> Ukraine.<br />

Juszczak sieht seine Bank zwar als die<br />

„beste Marke in <strong>der</strong> polnischen Finanzwelt“.<br />

Aber wenn das Unternehmen die erste Liga<br />

in Europa erreichen will, müsse es „einen<br />

großen Schritt wagen“ – dabei schließt er<br />

eine Fusion nicht aus.<br />

Während PKO BP international expandieren<br />

will, konzentriert sich KBC darauf, die starke<br />

Marktposition in den neun Län<strong>der</strong>n in Zentral-<br />

und Osteuropa auszubauen, in denen<br />

die Bank bereits Fuß gefasst hat. „Wir wollen<br />

mindestens einen Marktanteil von zehn Prozent<br />

erreichen. Das ist kein Fetisch, son<strong>der</strong>n<br />

unsere Art zu sagen: Wir wollen keine Nebenrolle<br />

spielen.“ Auch wenn sich KBC auf<br />

Län<strong>der</strong> konzentriert, in denen die Bank<br />

bereits präsent ist, gibt es genügend Spielraum<br />

für weiteres Wachstum. Das zeigt auch<br />

<strong>der</strong> Intermediationsgrad des Finanzsystems,<br />

<strong>der</strong> die Summe aller Bankenvermögen in<br />

THOMAS ESCRITT, geboren in London,<br />

ist seit 2007 Bukarest-Korrespondent <strong>der</strong><br />

Financial Times (FT) und widmet sich Rumänien,<br />

Ungarn und Slowenien. Davor schrieb<br />

er in einer Reihe von Publikationen <strong>der</strong> FT<br />

über Assetmanagement.<br />

Prozent vom BIP bezeichnet. In Rumänien<br />

etwa liegt dieser Wert bei unter 40 Prozent,<br />

in Polen bei 70 Prozent, an den entwickelten<br />

Finanzmärkten in Westeuropa bei 120 Prozent.<br />

„Wir investieren unser Kapital in organisches<br />

Wachstum“, sagt Bergen. „Zwei neue<br />

Filialen pro Woche sprechen für sich.“<br />

TROTZ HETEROGENEM AUSSEN-<br />

BILD: KBC STREBT EIN EINHEITLICHES<br />

GESCHÄFTSMODELL AN<br />

Sobald sich KBC in einem Land etabliert hat,<br />

verhält sich die Bank wie ein lokaler Finanzdienstleister.<br />

Bergen erklärt: „SOB wird als<br />

tschechische Bank wahrgenommen. In Russland<br />

haben wir den Namen und das Logo <strong>der</strong><br />

Absolut Bank beibehalten, auch wenn je<strong>der</strong><br />

weiß, dass diese Bank Teil <strong>der</strong> KBC-Gruppe<br />

ist.“ Trotz unterschiedlicher Außenwahrnehmung<br />

strebt KBC bei allen Banken ein einheitliches<br />

Geschäftsmodell an: „Bei Instituten<br />

mit einem starken Fokus auf Geschäftskunden<br />

haben wir uns nach dem Kauf sofort<br />

bemüht, auch das Privatkundengeschäft auszubauen“,<br />

blickt <strong>der</strong> CEO zurück.<br />

KBCs Alleinstellungsmerkmal heißt nach<br />

Bergen „integrierter Bankversicherer“:<br />

„Unsere Wettbewerber können ihren Kun-


den zwar Versicherungsprodukte weiterer<br />

<strong>Die</strong>nstleister anbieten, aber wir liefern das<br />

komplette Paket aus einer Hand.“<br />

Von den insgesamt 57 000 Beschäftigten <strong>der</strong><br />

KBC-Gruppe arbeiten momentan 33 000 in<br />

Zentral- und Osteuropa. 22 Prozent des Nettogewinns<br />

werden dort erwirtschaftet. Auch<br />

ohne weitere Expansionen verän<strong>der</strong>t dies<br />

das Gesicht des Unternehmens. „Momentan<br />

arbeiten in Brüssel 30 Mann aus dieser Region.<br />

Ich kann mir auch gut vorstellen, dass<br />

irgendwann einer meiner Nachfolger nicht<br />

aus Belgien, son<strong>der</strong>n aus Osteuropa stammen<br />

wird“, sagt Bergen.<br />

Das Interesse am Bankenboom im Osten<br />

wächst. Aber ein Stück vom Kuchen ist<br />

längst nicht mehr billig zu haben. „Betrachtet<br />

man das Wachstum in Län<strong>der</strong>n wie Russland,<br />

wird klar, dass weitere Expansionen<br />

viel Geld kosten. Ich möchte mich aber lieber<br />

darauf konzentrieren, unsere bestehenden<br />

Unternehmen weiter auszubauen, anstatt<br />

Geld und Ressourcen über viele Län<strong>der</strong><br />

zu streuen“, sagt daher Bergen.<br />

Und die weltweite Bankenkrise? Seit liquide<br />

Mittel nicht mehr im Überfluss vorhanden<br />

sind, ist es für viele Institute schwierig<br />

geworden. Aber we<strong>der</strong> bei KBC noch bei<br />

PKO BP ist man übermäßig besorgt. Bergen<br />

räumt Verluste ein, die sich aber, da ist er<br />

sich sicher, auf maximal 500 Millionen Euro<br />

belaufen werden. Außerdem, so sagt er, sei<br />

eine Bank mit Schwerpunkt auf dem Privatkundengeschäft<br />

weit weniger von den<br />

Finanzmärkten abhängig, wenn es darum<br />

gehe, Mittel zu beschaffen.<br />

Deutliche Vorteile bietet es in Osteuropa,<br />

als Tochtergesellschaft in ausländischer<br />

Hand zu sein. <strong>Die</strong> Dependancen nämlich<br />

können sich bei Kapitalbedarf an ihre Muttergesellschaften<br />

wenden. Unabhängige<br />

Banken sind auf die Kapitalmärkte angewiesen,<br />

was sich in jüngster Zeit als problematisch<br />

erwiesen hat. Auch PKO BP musste die<br />

geplante Emission eines Eurobonds um<br />

sechs Monate verschieben..<br />

Alles ist an<strong>der</strong>s<br />

industry-report f<br />

Eine Bankenstudie zeigt: Zwischen Ost und West existieren große<br />

Unterschiede. Während sich westliche Banken auf den Gewinn pro<br />

Kunden konzentrieren, herrscht im Osten ein Akquisitionskampf.<br />

Europas Bankenwelt teilt sich in einen<br />

ruhigen Westen und Norden sowie einen<br />

dynamischen Osten. Zwischen 2002 und<br />

2006 wuchs die Rentabilität nordeuropäischer<br />

Banken um drei Prozent, während die<br />

Banken in Russland und <strong>der</strong> Ukraine ein<br />

Wachstum von 62 Prozent verzeichneten.<br />

Mittel- und osteuropäische Län<strong>der</strong> wuchsen<br />

im Schnitt um 14 Prozent pro Jahr.<br />

Gleichzeitig erwirtschafteten Banken auf<br />

den reifen Märkten Nord- und Westeuropas<br />

siebenmal mehr Ertrag pro Kunden als Banken<br />

in Russland und <strong>der</strong> Ukraine.<br />

<strong>Die</strong> Zahlen aus <strong>der</strong> aktuellen Studie „Retail<br />

Banking in Europe“ von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>,<br />

Nordea und EFMA zeigen, dass es im Banking<br />

in Europa immer noch große Unterschiede<br />

gibt. Einer <strong>der</strong> wichtigsten: die<br />

Art des Wachstums. Westliche Banken<br />

CIS-LÄNDER HOLEN AUF<br />

Jährliches Wachstum nach Umsatzsektor<br />

(2002–2006)<br />

61,9 %<br />

Durchschnittswachstum<br />

14 %<br />

2,9 % 4,7 %<br />

Zinsen<br />

Gebühren,<br />

Provisionen<br />

41 %<br />

59 %<br />

Nordeuropa<br />

51 %<br />

49 %<br />

Westeuropa<br />

think:act-Chart, Quelle: <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />

66 %<br />

34 %<br />

82 %<br />

18 %<br />

West- und Osteuropa<br />

Russland und<br />

Ukraine<br />

wachsen vor allem durch die Ertragssteigerungen<br />

pro Kunden, im Osten dagegen<br />

herrscht zwischen den Banken ein Krieg<br />

um Neukunden.<br />

Wenn es um die Erträge pro Kunden geht,<br />

haben westliche Banken klar die Nase vorn.<br />

Ihre Kunden nutzen im Schnitt 5,4 Produkte<br />

und generieren so durchschnittlich einen<br />

Ertrag von 750 Euro pro Person und Jahr.<br />

Bei nordeuropäischen Banken liegt dieser<br />

Ertrag bei 630 Euro pro Kunden, in den<br />

GUS-Staaten lediglich bei 110 Euro.<br />

<strong>Die</strong> Marktdurchdringung schreitet im<br />

Osten weiter fort. Größte Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

ist dabei die Neukundengewinnung. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

die Vielfalt <strong>der</strong> innovativen Distributionskanäle<br />

in Mittel- und Osteuropa fällt<br />

dabei ins Auge. Auch in den GUS-Staaten<br />

nutzten Banken solche „innovativen Treiber“,<br />

um ihren Marktanteil auszubauen.<br />

Viele Unternehmen passten etwa die Öffnungszeiten<br />

<strong>der</strong> Filialen je nach Lage an<br />

und führten multifunktionale Geldautomaten<br />

ein. Für Mitarbeiter in Osteuropa und<br />

den GUS-Staaten existieren zudem starke<br />

Anreizsysteme mit Boni, die in Mittel- und<br />

Osteuropa bis zu 27 Prozent und in den<br />

GUS-Staaten bis zu 17 Prozent des Einkommens<br />

betragen. Im Vergleich dazu machen<br />

Boni in Nordeuropa im Schnitt ein Prozent<br />

des Einkommens aus.<br />

Während westeuropäische Banken vor<br />

allem die Erträge zu steigern versuchen,<br />

konzentrieren sich die nordeuropäischen<br />

darauf, die Kosten zu senken. Sie haben<br />

folglich das beste durchschnittliche Kosten-<br />

Einkommen-Verhältnis und die niedrigsten<br />

Personalkosten. Hier spielen vor allem neue<br />

Technologien eine wichtige Rolle. So hat<br />

das Internet dort maßgeblich dazu beigetragen,<br />

die Filialdichte zu verringern.<br />

41


42<br />

<strong>Die</strong> Jetchauffeure<br />

: <strong>Die</strong> Idee soll den Luftverkehr revolutionieren:<br />

Kleine und leichte Flugzeuge,<br />

die Very Light Jets (VLJs), beför<strong>der</strong>n Passagiere<br />

als Lufttaxis ans Ziel – in Airliner-<br />

Geschwindigkeit. <strong>Die</strong> kleinen Businessjets<br />

bieten Platz für höchstens sechs Fluggäste,<br />

sind dabei rund 4500 Kilogramm leicht und<br />

sollen, so die Hersteller, die Kosten eines<br />

normalen Businessjets pro Passagier halbieren.<br />

Günstig für Geschäftsreisende, die per<br />

VLJ da hinkommen, wo herkömmliche<br />

Businessjets wegen ihrer Größe nicht landen<br />

dürfen. Rund 1200 Flughäfen in Europa<br />

sind VLJ-geeignet.<br />

Lufttaxi, das kann man auch wörtlich nehmen,<br />

was das Flugerlebnis angeht. <strong>Die</strong> Kabinen<br />

sind zwar meist in edlem Le<strong>der</strong> gehalten.<br />

Das Raumgefühl erinnert aber eher<br />

an das Interieur eines Minivans als an einen<br />

luxuriösen Businessjet. Eine Küche gibt es<br />

nicht, oft auch keine Toilette. Becherhalter<br />

für den Kaffee und ein paar Ablagen für<br />

die Zeitung müssen reichen. Dafür bieten<br />

die meisten Taxiunternehmen Telefon und<br />

E-Mail-<strong>Die</strong>nste, für Laptops gibt es Steck-<br />

dosen. Ist das Flugzeug voll, so sitzt man<br />

sich gegenüber wie in <strong>der</strong> S-Bahn und muss<br />

sich mit den Beinen arrangieren. Standhöhe<br />

hat keine <strong>der</strong> kleinen Kabinen. Bei <strong>der</strong><br />

Eclipse 500 fallen die großen Fenster auf,<br />

die Enge des Rumpfs wird dadurch optisch<br />

etwas aufgelöst.<br />

Obwohl sich bisher we<strong>der</strong> die neuen Flugzeuge<br />

noch das neue Geschäftsmodell <strong>der</strong><br />

Betreiber beweisen konnten, marschieren<br />

Chefveteranen und Branchengurus an <strong>der</strong><br />

Spitze des Trends: Beim nie<strong>der</strong>ländischen<br />

Start-up Bikkair sitzt Pieter Bouw, <strong>der</strong> ehemalige<br />

Chef von KLM und Swiss, im Aufsichtsrat.<br />

<strong>Die</strong> Kollegen von POGO Jet haben<br />

sich Bob Crandall geangelt, den legendären<br />

Ex-Chef von American Airlines, Erfin<strong>der</strong><br />

von Computerreservierungssystem und<br />

Vielfliegerprogramm. Und <strong>der</strong> VLJ-Flugzeugbauer<br />

Eclipse Aviation wurde von Vern<br />

Raburn gegründet, einst 18. Mitarbeiter des<br />

Softwaregiganten Microsoft.<br />

<strong>Die</strong> Branchenleitwölfe scheinen den richtigen<br />

Riecher zu haben. Knapp 500 VLJs<br />

haben Kunden allein in Europa bislang<br />

Light Jet <strong>der</strong> Firma Grob.<br />

Topmanagern bieten die Lufttaxis<br />

eine ganz neue Flexibilität.<br />

Mit beson<strong>der</strong>s leichten Flugzeugen sorgen Flugunternehmer in <strong>der</strong> Luftfahrtbranche für Aufregung.<br />

Sie bieten mit Very Light Jets einen günstigen Taxiservice für die Lüfte an. In den Weiten <strong>der</strong> USA<br />

und Asiens eine Erfolgsidee, in Europa könnte <strong>der</strong> enge Luftraum zum Problem werden.<br />

bestellt. Rund die Hälfte wird binnen <strong>der</strong><br />

nächsten drei Jahre ausgeliefert.<br />

Für 2015 rechnet die europäische Flugsicherungsbehörde<br />

Eurocontrol mit 700 VLJs.<br />

Goldgräberstimmung hat die Hersteller<br />

erfasst. Insgesamt sieben Flugzeugbauer<br />

basteln an VLJs. Auch die erste Pleite<br />

scheint den Hype nicht zu bremsen. Adam<br />

Aircraft musste als Branchenneuling Lehrgeld<br />

bezahlen. Denn kleine Flugzeuge<br />

bedeuten noch lange nicht kleine Probleme.<br />

Zumal in den Maschinen viel Hightech<br />

steckt. <strong>Die</strong>ses soll den Piloten das Fliegen<br />

vereinfachen: einsteigen, Route programmieren,<br />

Motor anmachen, losfliegen. <strong>Die</strong><br />

einfache Idee erfor<strong>der</strong>t komplexe Systeme<br />

im Hintergrund.<br />

Auch Vern Raburns Eclipse Aviation musste<br />

erfahren, wie weit Wirklichkeit und Traum<br />

manchmal auseinan<strong>der</strong>liegen. „Wir sind<br />

lange nicht da, wo wir eigentlich sein wollen“,<br />

so Raburn. Zwar fliegen mittlerweile<br />

die ersten Eclipse 500. Aber <strong>der</strong> Produktionshochlauf<br />

hat länger gedauert als erhofft.<br />

Und die ersten ausgelieferten Maschinen


müssen aufwendig mit Navigationstechnik<br />

nachgerüstet werden. Eclipse überlebte bislang<br />

vor allem durch eine Kapitalspritze von<br />

mehr als 100 Millionen Dollar des nie<strong>der</strong>ländischen<br />

Finanzinvestors ETIRC.<br />

In den USA gibt es schätzungsweise 3000<br />

Flugplätze, die für VLJs infrage kommen.<br />

<strong>Die</strong> großen Distanzen, <strong>der</strong> auf dem Land<br />

nicht überfüllte Luftraum und die Aufgeschlossenheit<br />

gegenüber <strong>der</strong> Geschäftsfliegerei<br />

machen die USA zum Idealmarkt.<br />

POGO Jet, DayJet, MagnumJet und an<strong>der</strong>e<br />

versuchen sich daher zu etablieren. Rund<br />

800 Dollar pro Sitz und Strecke müssen sie<br />

nach Ansicht von Vaughn Cordle, Analyst<br />

bei AirlineForecasts, verlangen, damit sich<br />

das Geschäft lohnt.<br />

IDEALMARKT USA, POTENZIAL IN ASIEN – NUR IN<br />

EUROPA IST DER LUFTRAUM EIN PROBLEM<br />

Auch in Asien sehen Experten viel Potenzial.<br />

Bereits 2007 bestellte Hainan Zhong Hang<br />

Tai General Aviation Airlines aus China<br />

50 VLJs. Und jüngst kaufte Club One Air, ein<br />

Fractional-Ownership-Anbieter aus Delhi,<br />

zehn Eclipse 500. Bislang fliegen in Asien<br />

zwar nur 2,6 Prozent aller Geschäftsreisejets.<br />

Doch „Indien wird für die Very Light Jets ein<br />

sehr guter Markt“, glaubt Embraer-Phenom-<br />

Programmchef Luís Carlos Affonso.<br />

Ob VLRs in Europa Erfolg haben, hängt auch<br />

von <strong>der</strong> Entwicklung im Luftverkehr ab.<br />

Schon jetzt gilt <strong>der</strong> europäische Luftraum als<br />

verstopft und ineffizient organisiert. Was<br />

hilft <strong>der</strong> Kleinflughafen, wenn <strong>der</strong> Luftraum<br />

darüber dicht ist? Doch damit nicht genug:<br />

„Das Wachstum bei den Very Light Jets<br />

bedeutet zusätzliche Komplexität für den<br />

Luftverkehr in Europa“, so Alex Hendriks,<br />

Strategiechef bei <strong>der</strong> Flugsicherungsbehörde<br />

Eurocontrol. Das Problem ist: <strong>Die</strong> kleinen<br />

Jets werden in <strong>der</strong> Regel zwischen 33 000 und<br />

35 000 Fuß fliegen. Das aber ist schon <strong>der</strong><br />

Bereich, in dem viele große Flugzeuge unterwegs<br />

sind, wenn sie dürfen. Dazu kommt,<br />

dass die VLJs mit 240 bis 380 Knoten etwa<br />

AIRTAXI-UNTERNEHMER<br />

Insgesamt 25 Linien organisieren sich<br />

im Weltverband Airtaxi Association<br />

(www.ataxa.com). Wichtige Player:<br />

DAYJET<br />

Das amerikanische Airtaxi-Unternehmen<br />

wurde 2002 gegründet. Im Südosten <strong>der</strong> USA<br />

können seit 2007 Passagiere mit DayJet reisen.<br />

Der Preis wird pro Sitzplatz berechnet.<br />

POGO JET<br />

Den Nordosten <strong>der</strong> USA wird ab 2009 das<br />

Unternehmen von Ex-American-Airlines-Chef<br />

Bob Crandall bedienen – ausgenommen sind<br />

die großen Flughäfen wie JFK in New York.<br />

BIKKAIR<br />

Mit <strong>der</strong> Basis in Rotterdam will das nie<strong>der</strong>ländische<br />

Airtaxi-Unternehmen Bikkair rund<br />

1200 Ziele in ganz Europa anfliegen. Wer<br />

dabei sein will, muss Mitglied werden.<br />

CLUB ONE AIR<br />

Das Geschäftsmodell des indischen Unternehmens<br />

heißt Fractional Ownership: Wer<br />

beispielsweise ein Sechstel eines Flugzeugs<br />

kauft, kann 120 Stunden im Jahr fliegen.<br />

Eclipse-CEO Vern Raburn glaubt an die Leichtflieger –<br />

auch wenn er Hilfe eines Finanzinvestors brauchte<br />

20 Prozent langsamer sind als ein Airbus A320<br />

o<strong>der</strong> eine Boeing 737. Sie drohen also zum<br />

Verkehrshin<strong>der</strong>nis zu werden o<strong>der</strong> bekommen<br />

die gewünschte Flughöhe gar nicht erst<br />

zugeteilt. Müssen die Maschinen aber niedriger<br />

fliegen, steigen die Betriebskosten.<br />

Auch für Bernhard Fragner von GlobeAir<br />

in Linz ist die Flugsicherung „ein großes<br />

industry-report f<br />

<strong>Die</strong>sen Beitrag können Sie auch<br />

auf unserer Audio-CD (Seite 63) hören.<br />

Thema“. Aber er bleibt optimistisch: „Der<br />

Geschäftsflugverkehr ist auch in Wirtschaftskrisen<br />

in Europa zuletzt immer weiter<br />

gewachsen. Es besteht Bedarf.“<br />

<strong>Die</strong> meisten VLJs werden von Airtaxi- und<br />

Charteranbietern wie Fragners GlobeAir<br />

o<strong>der</strong> Pieter Bouws Bikkair übernommen.<br />

Bikkair hat seine erste Citation Mustang in<br />

<strong>Die</strong>nst gestellt. Bis Ende 2008 sollen es zehn<br />

Maschinen sein, bis zu 100 im Jahr 2012.<br />

Bikkair-Grün<strong>der</strong> Leen<strong>der</strong>t Bikker glaubt:<br />

„80 Prozent unserer Kunden sind vorher<br />

noch nie mit einem Businessjet geflogen.“<br />

Um Bikkair-Flüge zu buchen, müssen sich<br />

Kunden für das sogenannte Amulet-Programm<br />

registrieren. Dabei kaufen sie Kontingente<br />

von 15, 40 o<strong>der</strong> 100 Stunden Flugzeit<br />

im Voraus und bestellen ihre Flüge dann<br />

mit einigen Tagen Vorlauf. <strong>Die</strong> Anlaufkosten<br />

sind für Airtaxi-Unternehmen enorm. Denn<br />

solange sie nur über wenige Flugzeuge verfügen,<br />

müssen die Maschinen oft leer dorthin<br />

fliegen, wo die Kunden warten. Gewinne<br />

sind so kaum möglich, deswegen ist schnelles<br />

Wachstum so wichtig.<br />

TROTZ HOHER STARTKOSTEN: DIE UNTERNEHMER<br />

GLAUBEN AN DIE ZUKUNFT DES MODELLS<br />

Bernhard Fragner vermeidet dieses Problem<br />

komplett. Im April bekommt GlobeAir die<br />

erste Cessna Citation Mustang und will bald<br />

darauf den Betrieb starten. „Es wird keine<br />

Positionierungsflüge geben“, so Fragner.<br />

GlobeAir wird die Maschinen zunächst in<br />

Linz, Wien, Graz und St. Gallen stationieren<br />

und Tagesflüge anbieten. Mit seinem Angebot<br />

will er die zweite Führungsebene o<strong>der</strong><br />

hoch bezahlte Ingenieure exportorientierter<br />

Unternehmen erreichen. 2009 wird<br />

GlobeAir weitere zehn Mustangs übernehmen<br />

und will mittelfristig auf 30 Maschinen<br />

und weitere Standorte expandieren. In einigen<br />

Jahren, so glaubt <strong>der</strong> Unternehmer,<br />

„werden Airtaxi-<strong>Die</strong>nste basierend auf VLJs<br />

eine gut akzeptierte Methode des Reisens<br />

für Geschäftsleute in ganz Europa sein“..<br />

43


p industry-report<br />

44<br />

ZUKUNFTSMÄRKTE<br />

In Kalifornien lassen sich Wirbelwinde einfangen. In Russland repariert Beton Bauwerke unter<br />

Wasser. Festplatten werden bald schneller – und Bakterien erzeugen künftig Benzin.<br />

lernen von den fischen<br />

Wind- und Wasserkraftwerke sind sauber. Sie verbrennen<br />

keine fossilen Energieträger und erzeugen trotzdem<br />

Strom. Allerdings nur dort, wo <strong>der</strong> Wind o<strong>der</strong> das Wasser<br />

geradlinig, laminar von vorne anströmen kann. <strong>Die</strong> Kraft<br />

verwirbelter Luftmassen dagegen können sie nicht nutzen.<br />

John Dabiri will das än<strong>der</strong>n. Normalerweise beschäftigt<br />

sich <strong>der</strong> Professor am California Institute of Technology<br />

mit <strong>der</strong> Fortbewegung von Fischen. Genau diese Beobachtungen<br />

brachten ihn nun auf eine vielleicht bahnbrechende<br />

Idee. „Bei den Fischen finden wir die lebenden<br />

Beispiele dafür, dass man Energie aus Verwirbelungen<br />

ziehen kann“, sagt <strong>der</strong> Wissenschaftler.<br />

Fische nutzen die Druckverhältnisse, die durch Wasserwirbel<br />

an ihrem Körperende entstehen, um sich nach<br />

vorne zu saugen. Weil sich die Drehrichtung <strong>der</strong> Wirbel<br />

aber ständig än<strong>der</strong>t, wedeln sie mit ihren Schwanzflossen<br />

hin und her. Auf <strong>der</strong> Grundlage dieser Erkenntnis will<br />

Dabiri nun mechanische Systeme entwickeln, die ihre<br />

Stellung zu vorbeiströmen<strong>der</strong> Luft genauso variieren können,<br />

um Energie zu gewinnen. „Wir benötigen ein Gerät,<br />

das die anfliegenden Wirbel vorausberechnen kann und<br />

sich entsprechend dazu ausrichtet.“ Eine Bauanleitung<br />

für die Steuerung will er ebenfalls liefern. Seinen Angaben<br />

zufolge genügen bereits drei Parameter, um verwirbelte<br />

Strömungen mathematisch hinreichend genau zu<br />

beschreiben.<br />

Als ideale Standorte für diese Wirbelmaschinen bieten<br />

sich vor allem Großstädte an. Normale Windrä<strong>der</strong> rotieren<br />

dort nicht, weil keine steifen Brisen wehen. An<strong>der</strong>s dagegen<br />

die Wirbelgeneratoren, die die Luftturbulenzen in<br />

den Häuserschluchten in nutzbaren Strom verwandeln<br />

sollen. Über das Jahr gesehen, würden beide Generatorentypen<br />

übrigens gleich viel Energie erzeugen, betont<br />

Dabiri. Mit einem Unterschied: „Windturbinen benötigen<br />

Windstärken von mindestens zehn Metern pro Sekunde,<br />

damit sie sich drehen. Unsere Maschinen dagegen würden<br />

<strong>der</strong> Strömung konstant Energie entziehen.“<br />

Transportschiffe auf <strong>der</strong> Wolga<br />

zauberbeton<br />

Mit 3500 Kilometern ist die Wolga <strong>der</strong> längste Fluss<br />

Europas – und ein riesiger Energieträger dazu. Schon<br />

Stalin setzte zahlreiche Wasserkraftwerke in den Fluss, die<br />

bis heute eine elektrische Leistung von zusammen rund<br />

zwölf Gigawatt liefern. Allerdings weisen die fast 60 Jahre<br />

alten Anlagen inzwischen erhebliche Schäden auf. Das<br />

Problem: Zu reparieren waren diese Schäden bislang nur<br />

im Trockenen, sodass dafür jeweils <strong>der</strong> Wasserspiegel<br />

gesenkt werden musste. Schifffahrt und <strong>der</strong> Betrieb des<br />

Kraftwerks wurden dadurch erheblich eingeschränkt.<br />

Forscher haben jetzt gemeinsam mit dem Baustoffhersteller<br />

MC Bauchemie eine neuartige Betonmixtur entwickelt,<br />

mit <strong>der</strong> sich schadhafte Stellen unter Wasser automatisiert<br />

ausbessern lassen. Sie zeichnet sich durch drei<br />

Eigenschaften aus: Sie ist selbstverdichtend, muss also<br />

nicht gerüttelt werden, um Lufteinschlüsse zu vermeiden.<br />

Sie bleibt lange fließfähig. Und sie verbindet sich nachhaltig<br />

mit dem Untergrund des Altbetons.<br />

Auch das Reparaturverfahren stimmten die Forscher<br />

auf die beson<strong>der</strong>e Umgebung ab. So entwickelten sie eine<br />

ganz spezielle Schalung, die von unten befüllt und nach<br />

oben sowohl entwässert als auch entlüftet wird. <strong>Die</strong> Laborphase<br />

hat das Verfahren bereits erfolgreich überstanden.<br />

Im Sommer soll es daher erstmals an <strong>der</strong> Wolga<br />

zum Einsatz kommen.


optische festplatte<br />

Computerfestplatten gewinnen zwar ständig an<br />

Speicherplatz. <strong>Die</strong> Geschwindigkeit aber, mit <strong>der</strong> die Daten<br />

auf die rotierenden Magnetscheiben geschrieben werden,<br />

konnte in <strong>der</strong> Vergangenheit nur langsam gesteigert werden.<br />

Forscher um Professor Theo Rasing von <strong>der</strong> Universität<br />

Nijmegen entwickelten jetzt eine Methode, mit <strong>der</strong> sich die<br />

Daten optisch und so wesentlich schneller schreiben lassen.<br />

<strong>Die</strong> Schreib-Lese-Köpfe für konventionelle Festplatten<br />

bestehen aus winzigen Elektromagneten, die so angesteuert<br />

werden, dass ihr eigenes Magnetfeld die Magnetisierung des<br />

Speichermediums lokal verän<strong>der</strong>t. Ein Strompuls genügt, um<br />

ein magnetisches Bit von Null auf Eins umzuschalten und<br />

umgekehrt. Allerdings dauert dieser Vorgang typischerweise<br />

eine milliardstel Sekunde. Zu lange, um die wachsende<br />

Datenflut schnell zu archivieren. Aus diesem Grund setzen<br />

die Forscher auf Laserlicht. „Mit Lichtpulsen können wir den<br />

Fermentor<br />

Zuckerhaltige<br />

Abfälle<br />

in Wasser<br />

gelöst<br />

Motor<br />

Beschleuniger <strong>der</strong> IT-Gesellschaft:<br />

die optische Festplatte<br />

Bakterien Kohlenwasserstoffe<br />

CxHx Öl schwimmt<br />

auf <strong>der</strong><br />

Oberfläche<br />

Rotor<br />

Schreibvorgang drastisch beschleunigen“,<br />

sagt Rasing. „Wir benutzen<br />

infrarote Laserpulse, die 40 Femtosekunden<br />

dauern, um ein magnetisches Bit<br />

umzuschalten.“ Der Speicherprozess läuft damit<br />

rund eine Million Mal schneller ab als bei elektromagnetischen<br />

Schreib-Lese-Geräten üblich.<br />

Welcher physikalische Effekt das Tempo ermöglicht,<br />

wissen die Forscher noch nicht. Normalerweise reagieren<br />

Magnete nicht auf optische Reize; vermutlich spielen deshalb<br />

Streuprozesse eine wichtige Rolle. Auch in puncto Platz<br />

bleibt Forschungsbedarf. Denn um Speicherdichten wie bei<br />

heutigen Festplatten zu erzielen, müssten die Forscher kleinere<br />

Sektoren im Speichermedium ansteuern können als<br />

heute möglich. Frühestens in fünf Jahren, so Rasing, werden<br />

daher die ersten Optikfestplatten auf den Markt kommen.<br />

benzin aus bakterien<br />

Erneuerbare Biokraftstoffe sind die Hoffnungsträger <strong>der</strong> Industriegesellschaft.<br />

Neuland betritt hier momentan das kalifornische Start-up<br />

LS9. Das Unternehmen will Benzin, <strong>Die</strong>sel o<strong>der</strong> Kerosin mithilfe von<br />

genetisch verän<strong>der</strong>ten Bakterien aus Biomasse herstellen. Im Jahr 2005<br />

gründeten die Wissenschaftler Chris Somerville und George Church ihr<br />

Unternehmen, mit <strong>der</strong> Idee, das Erbgut von Bakterien so zu ergänzen,<br />

dass sie zuckerhaltige Abfälle zu Kraftstoffen verarbeiten. Sie pflanzten<br />

den Mikroorganismen Gene an<strong>der</strong>er Pflanzen und Kleinsttiere ein,<br />

aber auch künstlich erzeugte DNA-Stränge – mit Erfolg: <strong>Die</strong> Kohlenwasserstoffe,<br />

die die Bakterien produzieren, sind energiereicher als<br />

Ethanol o<strong>der</strong> Butanol und in ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften<br />

von den Ölprodukten, die sie ersetzen sollen, nicht zu unterscheiden.<br />

Noch steht LS9 allerdings ebenso am Anfang wie die Wissenschaftsdisziplin<br />

<strong>der</strong> „synthetischen Biologie“, die dem Verfahren zugrunde<br />

liegt. Einen weltweit beachteten Auftritt hatten die LS9-Macher allerdings<br />

schon, Ende Januar im schweizerischen Davos. Dort durften sie<br />

sich im Rahmen des Weltwirtschaftsforums präsentieren – als offizieller<br />

„Technologie-Pionier des Jahres 2008“.<br />

45


p business-culture<br />

46<br />

Aufwärts dank Gesetz<br />

Es ist eine Revolution von oben: Zu 40 Prozent muss ein Board of Directors in Norwegen künftig weiblich<br />

sein. Doch führen Quoten wirklich zu mehr Gerechtigkeit – und sind sie gut für die Unternehmen?<br />

: Post von <strong>der</strong> Regierung erhielten zwölf<br />

norwegische Firmen im Februar. Sie wurden<br />

abgemahnt – weil in ihrem Board of<br />

Directors kaum Frauen saßen. Denn seit<br />

2008 ist in Norwegen eine Frauenquote von<br />

40 Prozent im Leitungsgremium von Aktiengesellschaften<br />

(ASA) verbindlich. In diesem<br />

sind Funktionen von Vorstand und Aufsichtsrat<br />

vereint. Können die AGs die Auflagen<br />

nicht erfüllen, drohen Strafen bis hin zur<br />

Auflösung. Nachdem freiwillige Initiativen<br />

<strong>der</strong> Wirtschaft die gewünschte Geschlechterbalance<br />

nicht erreichten, wurde das Gesetz<br />

im Januar 2006 eingeführt. Zur Umsetzung<br />

hatten Unternehmen dann zwei Jahre Zeit.<br />

<strong>Die</strong> meisten <strong>der</strong> rund 500 vom Gesetz betroffenen<br />

Aktiengesellschaften realisierten die<br />

Bestimmungen fristgerecht.<br />

Gleichberechtigung zählt viel in Norwegen.<br />

Dennoch wäre dem Unternehmensverband<br />

NHO (Næringslivets Hovedorganisasjon)<br />

ein Gesetzesverzicht lieber gewesen. „Wir<br />

hätten eine freiwillige Lösung bevorzugt“,<br />

sagt Kari Mæland, die beim NHO das<br />

Projekt „Female Future“ leitet. Mit <strong>der</strong> Initiative<br />

möchte <strong>der</strong> Verband mehr Frauen in<br />

Spitzenpositionen bringen. Resonanz ist<br />

durchaus da. Allein seit 2006 haben nahezu<br />

500 Frauen die Managementkurse von<br />

Female Future besucht, die Hälfte von ihnen<br />

erhielt daraufhin einen Sitz im Führungsorgan.<br />

Innerhalb von zwei Jahren stieg <strong>der</strong><br />

Frauenanteil in norwegischen Boards von<br />

19 auf 34 Prozent. Das Gesetz, so gesteht<br />

Mæland ein, hat den Aufstieg <strong>der</strong> Frauen ins<br />

Topmanagement sehr beschleunigt.<br />

Auch Hege Gunnerud, eine <strong>der</strong> Absolventinnen<br />

<strong>der</strong> NHO-Kurse, sieht das Gesetz ambivalent.<br />

„Ich bin gegen Quoten, aber manchmal<br />

sind sie nötig, um Dinge zu beschleunigen“,<br />

sagt sie. Sie verantwortet bei dem Planenhersteller<br />

Protan den Bereich Technical<br />

Services. Neben ihrer Position in <strong>der</strong> Protan-<br />

Führung erhielt sie nach dem Karriereprogramm<br />

auch einen Sitz im Board <strong>der</strong> Hafenverwaltung<br />

von Drammen. „Freiwillige<br />

Lösungen benötigen viel mehr Zeit, und ich<br />

persönlich hätte das einer Quotenregelung<br />

vorgezogen“, erklärt Gunnerud. „Kluge<br />

Frauen und Netzwerke hätten mit <strong>der</strong> Zeit<br />

selbst bewiesen, dass Frauen auch in Spitzenjobs<br />

eine starke Leistung bringen.“<br />

Und die Frauen in Norwegen greifen an.<br />

Nicht nur im Manageralltag. „An den Uni


GUY CRAWFORD,<br />

CEO Jumeirah Group, Dubai:<br />

„Ich glaube nicht an einen spezifisch weiblichen<br />

Managementansatz. Was zählt, ist Talent<br />

und Einsatz. Der bestqualifizierte Bewerber<br />

bekommt den Job – ganz gleich, ob Frau o<strong>der</strong><br />

Mann. Unser Mitarbeiterstamm setzt sich aus<br />

über 100 verschiedenen Nationalitäten zusammen<br />

– da hat ohnehin je<strong>der</strong> eine etwas an<strong>der</strong>e<br />

Vorstellung von gutem Management. <strong>Die</strong>ser<br />

kulturelle Reichtum trägt zu unserer Stärke als<br />

<strong>Die</strong>nstleistungsunternehmen bei. Unser Ziel ist<br />

es, in allen Bereichen und auf allen Hierarchieebenen<br />

ein ausgewogenes Verhältnis <strong>der</strong><br />

Geschlechter und <strong>der</strong> Nationalitäten zu schaffen.<br />

Derzeit liegt <strong>der</strong> Frauenanteil im Management<br />

<strong>der</strong> Jumeirah Group bei 33 Prozent. Im<br />

Jahr 2006 haben wir die Position eines Director<br />

of Talent geschaffen, um gezielt Nachwuchs<br />

bei<strong>der</strong>lei Geschlechts aus den eigenen Reihen<br />

zu för<strong>der</strong>n. Unser Fast Track Career Management<br />

Program ASPIRO steht beson<strong>der</strong>s talentiertem<br />

Nachwuchs offen. Derzeit sind unter<br />

den sieben <strong>Corporate</strong> Trainees zwei Frauen.<br />

<strong>Die</strong>se jungen Talente sind unsere Führungskräfte<br />

von morgen.“<br />

versitäten im Land sind die Frauen heute<br />

deutlich in <strong>der</strong> Mehrheit“, sagt Mæland, „es<br />

wäre eine Verschwendung von Talent, wenn<br />

wir dieses Potenzial nicht nutzen würden.“<br />

So argumentiert auch die Regierung – und<br />

steht damit nicht alleine da. Laut einer<br />

Untersuchung von Catalyst, einer internationalen<br />

Non-Profit-Organisation, die sich für<br />

Frauen im Wirtschaftsleben einsetzt, erreichen<br />

Unternehmen mit mehr als drei Frauen<br />

in einem Top-Leitungskomitee deutlich<br />

höhere Gewinne als Firmen mit C-Level-<br />

Gremien, die nur von Männern besetzt sind.<br />

<strong>Die</strong> Studie verglich dazu Eigenkapitalrendite,<br />

Gewinnspanne und den Ertrag des investierten<br />

Kapitals von Unternehmen mit<br />

hohem und niedrigem Frauenanteil im<br />

Management. Dabei erreichten die Wettbe-<br />

YU SHUMIN,<br />

CEO Hisense Group, China:<br />

„Der Weg auf <strong>der</strong> Karriereleiter ist für Frauen in<br />

China beson<strong>der</strong>s weit. Aber ich glaube, dass<br />

<strong>der</strong> Aufstieg in Zukunft einfacher wird.<br />

In <strong>der</strong> obersten Führungsebene, die überwiegend<br />

aus Männern besteht, sind Frauen in <strong>der</strong><br />

Regel beständiger und beharrlicher. Sie sind<br />

aufmerksam und an<strong>der</strong>en gegenüber aufgeschlossen,<br />

sie achten mehr auf Details und<br />

sind oft perfektionistisch. <strong>Die</strong> Koexistenz von<br />

Entschlossenheit und Einfühlsamkeit ist<br />

charakteristisch für weibliche Führung. Selbstvertrauen<br />

und Selbstermutigung sind die<br />

Schlüssel zu ihrem Erfolg.<br />

Immer mehr Frauen übernehmen die Funktion<br />

von Stellvertretern, während die Leitungspositionen<br />

weiter von Männern bekleidet werden. In<br />

<strong>der</strong> Politik haben Frauen 1,7 Prozent <strong>der</strong> leitenden<br />

Funktionen in Ministerien o<strong>der</strong> Provinzen<br />

inne, bei Hisense sind 40 Prozent <strong>der</strong> Angestellten<br />

und 20 Prozent <strong>der</strong> Manager Frauen.<br />

Um Frauen das Arbeiten zu erleichtern, haben<br />

wir Konzepte für eine bessere Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Familie eingeführt, dazu gehören<br />

auch bezahlte Urlaubszeiten.”<br />

werber mit dem höchsten Frauenanteil eine<br />

um bis zu 53 Prozent höhere Rendite als<br />

diejenigen mit den niedrigsten Quoten an<br />

weiblichen Führungskräften. Zahlreiche<br />

an<strong>der</strong>e Erhebungen kommen zu ähnlichen<br />

Ergebnissen.<br />

VIELE SETZTEN AUF FREIWILLIGKEIT – ABER<br />

ERST DAS GESETZ BRACHTE FORTSCHRITTE<br />

Resultate in dieser Deutlichkeit kann Professor<br />

Morten Huse, Leiter des Center for<br />

Boards and Governance <strong>der</strong> Norwegian<br />

School of Management, mit seiner eigenen<br />

Forschung zwar nicht vorweisen. Aber auch<br />

er bestätigt die positiven Auswirkungen von<br />

Frauen an <strong>der</strong> Spitze. „Sie tragen entscheidend<br />

zur Vielfalt in Führungsgremien bei.“<br />

HANS STRÅBERG,<br />

CEO Electrolux, Schweden:<br />

„Bei uns sind Frauen immer in den Auswahlverfahren<br />

für alle Führungspositionen vertreten.<br />

Allein in unserer Geschäftsführungsebene sind<br />

drei von elf Mitglie<strong>der</strong>n Frauen. Im Jahre 2007<br />

waren ungefähr 29 Prozent <strong>der</strong> Teilnehmer<br />

unserer Management-Ausbildungsprogramme<br />

Frauen. Der Vorstand von Electrolux setzt sich<br />

zu einem Drittel aus Frauen zusammen und<br />

gehört damit zu den schwedischen Unternehmen<br />

mit dem höchsten Frauenanteil im Vorstand.<br />

Da überrascht es nicht, dass ich für die<br />

För<strong>der</strong>ung von Frauen bin. Allerdings bin ich<br />

gegen Quoten. Zum Beispiel führt <strong>der</strong> Druck in<br />

Schweden, Frauen in die Vorstandsebene berufen<br />

zu müssen, dazu, dass Managerinnen ihre<br />

Posten im Betriebsablauf aufgaben, um Ausschussmitglie<strong>der</strong><br />

zu werden. <strong>Die</strong>s könnte die<br />

Anzahl an Frauen im operativen Prozess verringern.<br />

Dabei ist Electrolux noch in einer guten<br />

Position. Wir haben uns von einer Industrieorganisation<br />

zu einem verbraucherorientierten<br />

Vertriebsunternehmen gewandelt, was dazu<br />

führte, dass mehr Frauen zu uns kommen. <strong>Die</strong>ser<br />

Trend, so hoffe ich, setzt sich fort.”<br />

Frauen hätten hohe soziale Kompetenzen<br />

und schafften ein gutes Arbeitsklima. In<br />

Entscheidungsprozessen achteten sie stärker<br />

auf die Qualität <strong>der</strong> Entscheidungen,<br />

wogegen es bei Männern oft heißt: Hauptsache,<br />

Entscheidung gefällt. Außerdem seien<br />

Frauen oft besser vorbereitet.<br />

Für Huse macht allerdings vor allem die<br />

Vielfalt aller Mitglie<strong>der</strong> die Qualität eines<br />

Boards aus. Dabei zähle Persönlichkeit mehr<br />

als das Geschlecht. „Ich glaube, es gibt<br />

größere Unterschiede innerhalb eines Geschlechts<br />

als zwischen Frau und Mann.“<br />

Dennoch befürwortet auch er das Gesetz.<br />

„Vorher gab es eine Menge freiwilliger Versuche,<br />

aber es hat sich nichts geän<strong>der</strong>t.“ Das<br />

Gesetz habe zur Entwicklung wertschaffen<strong>der</strong><br />

Vorstände beigetragen..<br />

47


p business-culture<br />

48<br />

BUSINESS IM BILD<br />

Was treibt die guten Unternehmer?<br />

Rachel Sterne ist ein „Social Entrepreneur“. Wie sie versuchen immer mehr junge Menschen, die<br />

Welt mit innovativen Projekten zu verän<strong>der</strong>n. Was dahintersteckt, erklärt Rachel Sterne in diesem<br />

Gastbeitrag. Punkt eins: Je<strong>der</strong> innovative Prozess beginnt mit den richtigen Fragen.<br />

: Sozialunternehmer sind teils Aktivist, teils<br />

Erneuerer und versuchen, gesellschaftliche<br />

Probleme mit neuen Ideen zu lösen.<br />

Dahinter steht die Logik von Albert Einsteins<br />

Behauptung, dass man Probleme „niemals<br />

mit <strong>der</strong>selben Denkweise lösen kann,<br />

durch die sie entstanden sind“. Wie Unternehmer<br />

setzen sich Social Entrepreneurs<br />

leidenschaftlich für ihre Ideen ein, allerdings<br />

mit an<strong>der</strong>en Zielen. Für sie besteht <strong>der</strong><br />

Erfolg in anpassbaren und nachhaltigen globalen<br />

Verän<strong>der</strong>ungen, während Wirtschaftsunternehmer<br />

nach Profiten streben.<br />

Das institutionalisierte Sozialunternehmertum<br />

ist in den vergangenen Jahren gewaltig<br />

gewachsen, und Unternehmen wie Ashoka<br />

und Echoing Green verzeichnen einen<br />

Rekordzulauf. Wichtiger Anstoß war <strong>der</strong><br />

Friedensnobelpreis 2006 für Muhammad<br />

Yunus und seine Arbeit mit Kleinstkrediten.<br />

Meine ersten Erfahrungen mit dem sozialen<br />

Unternehmertum sammelte ich als 20-jährige<br />

Praktikantin des US-Außenministeriums.<br />

Frustriert von eigennützigen Bestrebungen<br />

und Bürokratie, entschied ich mich für eine<br />

Karriere als Unternehmensentwicklerin im<br />

Technologiesektor. Doch auch das erfüllte<br />

mich nicht, eskalierende globale Krisen<br />

ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Hing<br />

nicht alles miteinan<strong>der</strong> zusammen?<br />

Aufgrund mangelnden öffentlichen Drucks<br />

konnten sich Staaten aus <strong>der</strong> Verantwortung<br />

in internationalen Stabilitätsfragen stehlen.<br />

Wenn man mit Technologie stärker auf Probleme<br />

aufmerksam machen könnte, würden<br />

besser informierte Bürger dann nicht grundlegende<br />

außenpolitische Än<strong>der</strong>ungen bewir-<br />

Rachel Sterne ist Grün<strong>der</strong>in <strong>der</strong> demokratischen Newsplattform<br />

GroundReport. Sie beschreibt, was sie und<br />

an<strong>der</strong>e Social Entrepreneurs antreibt.<br />

ken? <strong>Die</strong>se Überlegungen ließen mich<br />

GroundReport.com gründen (siehe Seite 51).<br />

Im September 2007 nahm ich mit elf Gleichgesinnten<br />

an einem inspirierenden Programm<br />

des Waldzell Institute mit dem Titel<br />

„Architekten <strong>der</strong> Zukunft“ teil. <strong>Die</strong>ser Workshop<br />

eröffnete mir ein völlig neues Verständnis<br />

von sozialem Unternehmertum. Was<br />

einen Sozialunternehmer auszeichnet, ist<br />

nicht die Fähigkeit, Antworten zu geben, son<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> Mut, Fragen zu stellen. Als die jungen<br />

Social Entrepreneurs im Raum umhergingen<br />

und von ihren Anfängen erzählten,<br />

stellte sich heraus, dass sie alle eines gemeinsam<br />

hatten: Immer begann es mit einer<br />

Frage. Es ist diese Frage, die den Unterschied<br />

macht, die Einsicht, dass es sich um ein Pro-<br />

blem handelt, das alle angeht und das daher<br />

von allen – gemeinsam – gelöst werden muss.<br />

Das bringt uns wie<strong>der</strong> zu Einstein und <strong>der</strong><br />

Erkenntnis, dass wir das Problem „geschaffen“<br />

haben und keine fremde Macht.<br />

Der Privatsektor könnte vom leidenschaftlichen<br />

Engagement des Sozialunternehmers<br />

für einen höheren Zweck profitieren, denn<br />

dieses könnte Ordnung in das Chaos bringen<br />

und zu einer Kultur des Respekts und <strong>der</strong><br />

Zweckmäßigkeit führen. Das soziale Unternehmertum<br />

ist aber kein Allheilmittel und<br />

muss sich den Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Geschäftswelt<br />

stellen. Ein brillanter Innovator<br />

ist nicht immer auch ein erfolgreicher Manager.<br />

Mitunter ist es schwer, das Ziel nicht aus<br />

den Augen zu verlieren. Wie bei allen unternehmerischen<br />

Unterfangen gehen auch Sozialunternehmen<br />

ein kalkuliertes Risiko ein,<br />

und die meisten ihrer Bemühungen scheitern.<br />

Das ist aber gut so. Erfolgreiche Unternehmer<br />

respektieren das Überleben des Stärkeren<br />

und verstehen es als Teil ihrer Entwicklung.<br />

Sie wissen, dass die kühne Frage nur<br />

den Anfang bildet. Wir müssen stets ein Ohr<br />

für diese Fragen haben – und entsprechend<br />

reagieren. Wenn wir die Verantwortung für<br />

das Problem übernehmen und unsere Denkweise<br />

umgestellt haben, können wir uns<br />

dem Teil widmen, <strong>der</strong> Spaß macht – dem<br />

Finden einer Lösung.<br />

Überall auf dem Planeten verwirklichen Sozialunternehmer<br />

gute Ideen für eine bessere Welt.<br />

Auf den nächsten Seiten stellt think:act einige<br />

<strong>der</strong> interessantesten Projekte vor.


[Gisha]<br />

ÜBER GRENZEN HINWEG<br />

<strong>Die</strong> in den USA geborene Israelin Sari Bashi ist Grün<strong>der</strong>in <strong>der</strong> Initiative Gisha. Hauptanliegen<br />

des Projekts ist die uneingeschränkte Bewegung von Menschen und Waren über die<br />

israelisch-palästinensische Grenze. <strong>Die</strong>s bedeutet den Zugang zu Ressourcen und för<strong>der</strong>t<br />

damit die Entwicklung <strong>der</strong> palästinensischen Gesellschaft. Gisha ist das hebräische Wort<br />

für „Zutritt“ und stellt Berichte von Palästinensern ins Netz, die den Aufbau einer gesunden<br />

Gesellschaft för<strong>der</strong>n. Antrieb für Bashi sind die Verantwortung den palästinensischen<br />

Nachbarn gegenüber und <strong>der</strong> Wunsch, „den Menschenrechten Geltung zu verschaffen“.<br />

www.gisha.org, E-Mail: sari@gisha.org<br />

49


p business-culture<br />

50<br />

[Be!]<br />

UNTERNEHMERGEIST IN JUNGEN INDERN ENTWICKELN<br />

Lisa Heydlauff ist Grün<strong>der</strong>in von Be!, einem Projekt <strong>der</strong> in Neu-Delhi ansässigen gemeinnützigen<br />

Organisation „Going To School“. <strong>Die</strong> Initiative entwickelt kreative Medien, um<br />

unterprivilegierten Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen in Indien den Schulbesuch schmackhaft zu<br />

machen und sie zur Gründung von Unternehmen zu motivieren, die den sozialen Wandel<br />

herbeiführen. Mit Anschauungsmaterial bringt Be! ihnen das Einmaleins des Unternehmertums<br />

bei. Wer die Voraussetzungen erfüllt, erhält vom Be! Entrepreneurial Fund eine<br />

finanzielle Starthilfe als Seed-Capital zur Unternehmensgründung.<br />

www.goingtoschool.com/be!.html, E-Mail: lisa@goingtoschool.com


[GroundReport]<br />

DEMOKRATIE IN DIE MEDIEN BRINGEN<br />

Nachrichten demokratisch verbreiten – das will Rachel Sterne mit GroundReport.com.<br />

In dem Internetportal können Menschen aus aller Welt Artikel, Fotos und Videos veröffentlichen,<br />

die von Webnutzern gesehen und gelesen werden. Als finanziellen Anreiz<br />

bezahlt GroundReport alle Autoren nach <strong>der</strong> Menge des Datenverkehrs zu ihren Einträgen.<br />

GroundReport trägt sich durch Einnahmen aus gezielter Werbung. Anliegen des auftragsgestützten<br />

Profitunternehmens GroundReport ist die Demokratisierung <strong>der</strong> Medien durch<br />

Umgehung <strong>der</strong> Zensur und infrastruktureller Einschränkungen.<br />

www.groundreport.com, E-Mail: rachel@groundreport.com<br />

51


52<br />

HILFE DURCH BÜHNENKUNST<br />

Hua Dan wurde 2004 von Caroline Watson, einer in Hongkong geborenen Britin mit Erfahrungen<br />

in <strong>der</strong> Theaterwelt, in Peking gegründet. Das soziale Unternehmen Hua Dan setzt in<br />

China Theater und an<strong>der</strong>e kreative Künste für das „persönliche, soziale und wirtschaftliche<br />

Empowerment“ <strong>der</strong> Teilnehmenden ein. Eine beson<strong>der</strong>e Zielgruppe ist die wachsende Bevölkerungsschicht<br />

<strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>arbeiter. Hua Dan entwickelt ein nachhaltiges soziales Unternehmensmodell,<br />

das den Mitarbeitern multinationaler Konzerne kreative Ausbildungsmöglichkeiten<br />

anbietet und so die gemeinnützige Arbeit <strong>der</strong> Organisation finanziert.<br />

www.hua-dan.org, E-Mail: info@hua-dan.org<br />

[Hua Dan]


[Black Tent]<br />

EINE 5000 JAHRE ALTE ERFINDUNG<br />

<strong>Die</strong> in Österreich von Kristina Ambrosch gegründete Forschungsorganisation Black Tent<br />

dokumentiert die wissenschaftliche und historische Bedeutung des Schwarzzelts. <strong>Die</strong>se<br />

Erfindung <strong>der</strong> Nomadenstämme im Nahen Osten und Nordafrika gibt es seit 5000 Jahren.<br />

Zwischen globaler Klimakrise und dem Schutz einheimischer Kulturen hofft die Organisation,<br />

energiesparende Lösungen zur Temperaturregulierung zu finden, die auf den natürlichen<br />

Kühlungseigenschaften des Schwarzzelts beruhen. Black Tent arbeitet gegenwärtig<br />

an einem Dokumentarfilm über die Arbeit <strong>der</strong> Organisation.<br />

www.blacktent.at, E-Mail: research@blacktent.at<br />

business-culture f<br />

53


p business-culture<br />

54<br />

[Mercado Global]<br />

HILFE FÜR LANDFRAUEN<br />

<strong>Die</strong> Non-Profit-Organisation Mercado Global wurde 2002 von Ruth DeGolia (rechts) und<br />

Benita Singh gegründet und hilft wirtschaftlich benachteiligten Frauen in ländlichen Gebieten<br />

Lateinamerikas, ihre Produkte in den USA zu verkaufen. <strong>Die</strong>s ist ein erster Schritt,<br />

um sich und ihre Familien aus <strong>der</strong> Armut zu befreien, neue Fertigkeiten zu erwerben<br />

und Unterstützung zu finden. Mercado Global hilft den Frauen bei ihrer Handwerksausbildung,<br />

bei Produktdesign und Logistik. Gleichzeitig arbeitet Mercado Global mit US-Unternehmen<br />

zusammen, damit diese die Produkte direkt von den Frauen beziehen.<br />

www.mercadoglobal.org, E-Mail: ruth@mercadoglobal.org


[Namaa]<br />

DIE LÜCKE SCHLIESSEN<br />

Weil vielen jungen Leuten, die Interesse an <strong>der</strong> Mitarbeit im Non-Profit-Sektor zeigen, die<br />

notwendige Ausbildung fehlt, gründet Ola Shahba in Kairo die Organisation Namaa Association<br />

for Sustainable Development. Namaa will die Chancen von Bewerbern für Jobs im<br />

Entwicklungssektor verbessern und die Lücke zwischen dem Personalbedarf von Nichtregierungsorganisationen<br />

und dem vorhandenen Talente- und Fachkräftepool schließen.<br />

Im Mittelpunkt <strong>der</strong> Arbeit stehen die nationale Entwicklung und <strong>der</strong> internationale Dialog<br />

als Instrumente zum Brückenschlag.<br />

www.nahdetmasr.org/namaa, E-Mail: olashahba@gmail.com<br />

55


56<br />

<strong>Die</strong>bstahl am helllichten Tag<br />

Ein Geschäft ohne Preisschil<strong>der</strong>, Kassen o<strong>der</strong> zahlende Kunden – ökonomischer Wahnsinn?<br />

Nein, glauben japanische Trendforscher. Sie sehen im „Tryvertising“ vielmehr die Zukunft des<br />

Marketings. David McNeill berichtet für think:act aus Tokio.<br />

: Auf den ersten Blick sieht im Sample Lab<br />

alles ganz normal aus: Produkte hier,<br />

interessierte Kunden da und zwischendrin<br />

das höfliche, tadellos gestylte Personal, das<br />

so typisch ist für den Einzelhandel in Japan.<br />

Doch auf den zweiten Blick fallen merkwürdige<br />

Details auf. <strong>Die</strong> meisten Produkte<br />

haben keine Preisschil<strong>der</strong>. Auch Kassen<br />

sucht man vergeblich. Und anstatt Konsumenten<br />

zu beraten, scheint das Personal<br />

eher die Flucht zu ergreifen. Das Merkwürdigste<br />

ist jedoch, dass die Kunden nicht<br />

bezahlen müssen.<br />

Ein Geschäft, das Produkte verschenkt?<br />

Hört sich nicht gerade lukrativ an. Doch das<br />

Ganze ist ein riesiger Erfolg, behauptet<br />

jedenfalls Melposnet, <strong>der</strong> Betreiber des<br />

Shops Sample Lab. „Wir denken darüber<br />

nach, ins Franchisegeschäft einzusteigen“,<br />

erklärt Präsident Takahiro Kono. „Aus aller<br />

Welt erhalten wir Anfragen, ob man die<br />

Sample-Lab-Idee nutzen könne.“<br />

Kono denkt darüber nach – aus gutem Grund.<br />

Seit Eröffnung des Geschäfts im vergangenen<br />

Juli haben mehr als 50 000 Besucher<br />

Produkte wie Sake o<strong>der</strong> Nylonstrumpfhosen<br />

gratis aus dem Laden geschleppt. Melposnet<br />

verdient trotzdem. Das Unternehmen ist<br />

eine Marketingagentur, die für Konsumgüterhersteller<br />

dem Feedback von Käufern<br />

nachspürt.<br />

<strong>Die</strong> müssen, wollen sie Sample Lab nutzen,<br />

dort Mitglied werden und bei jedem Shoppingbesuch<br />

Fragebögen zu den Produkten<br />

ausfüllen, von denen sich dann die Produzenten<br />

tiefe Einblicke in die Kundenwünsche<br />

erhoffen. „Das System nennt sich ‚Tryvertising‘<br />

und könnte zum Marketingtrend<br />

<strong>der</strong> Zukunft werden“, meint Kono. „Das<br />

Marketing muss mehr auf die Verbraucher<br />

reagieren. Bisher ging es meistens nur<br />

darum, die Produkte an die Verbraucher zu<br />

bringen. Wir müssen aber mehr von ihnen<br />

erfahren, wollen wissen, was ihnen gefällt.<br />

Wir möchten weniger Push und stattdessen<br />

mehr Pull, mehr Überzeugung.“<br />

Wie funktioniert das System genau? Neukunden<br />

zahlen eine Jahresgebühr von 1000 Yen<br />

und eine Einstiegspauschale von 300 Yen. Sie<br />

müssen mindestens 15 Jahre alt sein, Japanisch<br />

lesen können und ein Mobiltelefon<br />

besitzen. Werden Sie Lab-Mitglied, erhalten<br />

sie einen zweidimensionalen Barcode auf ihr<br />

Handy, <strong>der</strong> sie im Geschäft identifiziert.<br />

Wer dann gratis einkaufen möchte, braucht<br />

etwas Geduld. Denn nur siebenmal am Tag<br />

gibt es die kostenlosen Kaufrunden. Anfänglich<br />

dürfen maximal fünf Artikel gleichzeitig<br />

im Austausch gegen Kundenmeinung mitgenommen<br />

werden. Das Feedback wird nach<br />

einem Punktesystem belohnt. Wer genügend<br />

Punkte gesammelt hat und häufig kommt,<br />

kann bis zu zehn Produktproben pro Besuch<br />

mitnehmen. Kono ist davon überzeugt, dass<br />

die Sample-Lab-Methode <strong>der</strong> nächste logische<br />

Entwicklungsschritt im Verkauf ist. „Es


Oben: Testkäufer wählen aus dem Regal ein Produkt aus, das sie interessiert. Vor allem junge Frauen sind von dem<br />

Free-Shopping-Konzept begeistert. Unten: <strong>Die</strong> Idee stammt von Takahiro Kono, dem Präsidenten von Sample Lab, <strong>der</strong><br />

das Konzept weltweit einführen möchte. Junge Frauen sind die primäre Zielgruppe dieser Marketinginnovation.<br />

ist doch ganz normal, dass Menschen etwas<br />

ausprobieren möchten, bevor sie es kaufen.<br />

<strong>Die</strong>se Chance bieten wir.“<br />

<strong>Die</strong> Antwortrate für Produkte mit Fragenbögen<br />

liegt nach Angaben von Melposnet bei<br />

90 Prozent. „Ganz wichtig ist es jedoch, erst<br />

einmal Begeisterung für die neuen Produkte<br />

zu wecken“, sagt Manager Erika Awata.<br />

„Deshalb haben die meisten Artikel keine<br />

Fragebögen. <strong>Die</strong> Unternehmen vertrauen<br />

darauf, dass ihr Produkt durch Mundpropaganda<br />

und Weblogs bekannt gemacht wird.<br />

Vor allem die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> wichtigen Konsumentengruppe<br />

<strong>der</strong> jungen Frauen erzählen<br />

einan<strong>der</strong> gern, was ihnen gefällt.“<br />

IM ERSTEN SCHRITT IST ES WICHTIG, NEUGIER<br />

BEI DEN TESTKUNDEN ZU WECKEN UND<br />

NICHT MIT FRAGEBÖGEN ABZUSCHRECKEN<br />

Vor allem Kosmetika, Nahrungsmittel und<br />

Getränke wie grüner Tee, Honig, Barbecue-<br />

Soße o<strong>der</strong> Zigaretten finden sich in den<br />

Ladenregalen. Einige Produkte sind völlig<br />

neu und noch nicht erhältlich, an<strong>der</strong>e sind<br />

nicht teurer als 1000 Yen, manche kosten<br />

dagegen mehr, etwa die Feuchtigkeitscreme<br />

für 11550 Yen.<br />

Melposnet rechnet mit den Herstellern nach<br />

Regalplatz ab. Der Preis ist von <strong>der</strong> Höhe und<br />

Größe <strong>der</strong> Stellfläche abhängig: Ganz oben<br />

ist die Regalfläche zum Preis von 300 000 Yen<br />

für zwölf Tage zu haben. Eine Platzierung in<br />

Augenhöhe kostet 350 000 Yen, im Bodenregal<br />

200 000 Yen. <strong>Die</strong> Kosten für Werbeplätze<br />

in den Fernsehmonitoren des Geschäfts reichen<br />

von 30 000 Yen für eine halbe Minute bis<br />

zu 100 000 Yen für einen 180-Sekunden-Spot.<br />

Marketingexperten überzeugt die Sample-<br />

Lab-Taktik. „Bei <strong>der</strong> Ausgabe von Gratisproben<br />

kommt es vor allem darauf an, dass die<br />

Kunden kommen und sich das nehmen, was<br />

sie wollen. Dadurch wird Sample Lab auf<br />

alle Fälle zur wirksamsten Form von Marketings“,<br />

sagt Akira Ishihara, <strong>der</strong> Grün<strong>der</strong> und<br />

Leiter <strong>der</strong> Denkfabrik Japan Institute for<br />

Management Education. Seiner Meinung<br />

nach macht dieses Geschäft die Grenzen des<br />

Internets deutlich. „<strong>Die</strong> Nutzung des Webs<br />

ist vielleicht kostengünstiger, doch Kunden<br />

möchten die Produkte in die Hand nehmen,<br />

direkt vor Ort und vor dem Kauf ausprobieren<br />

und nicht tagelang auf ihre Bestellung<br />

warten müssen.“ Das genau bietet ihnen das<br />

Einkaufslabor.<br />

Dessen Erfin<strong>der</strong> Kono arbeitete in <strong>der</strong> Kommunalverwaltung<br />

von Tokio, bevor er sein<br />

eigenes Logistik- und Speditionsunternehmen<br />

gründete und dabei das Direktmarketing<br />

kennenlernte. Dabei machte er die Erfahrung,<br />

so <strong>der</strong> japanische Marketingrevoluzzer,<br />

dass Kunden es nicht mögen, auf <strong>der</strong> Straße<br />

nach ihrer Meinung befragt zu werden.<br />

Ergo seien die Angaben oft ungenau und unzuverlässig.<br />

Nach dieser Beobachtung kam<br />

Kono die Idee zu Sample Lab.<br />

Dabei macht er es sich zunutze, dass viele<br />

japanische Unternehmen von jeher regelmäßig<br />

Produktproben ausgeben. Melposnet bat<br />

diese Hersteller um eine kontinuierliche<br />

Belieferung und bot ihnen im Gegenzug ein<br />

detailliertes Kundenfeedback an. Und die<br />

Kunden <strong>der</strong> Agentur wie die Nahrungsmittelkonzerne<br />

Nissin und P&G o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Elektronikriese<br />

Sony sehen ihren Vorteil. „Für<br />

business-culture f<br />

<strong>Die</strong>sen Beitrag können Sie auch<br />

auf unserer Audio-CD (Seite 63) hören.<br />

uns ist das sehr nützlich, denn wir können<br />

uns dadurch noch besser auf die Produktentwicklung<br />

für bestimmte Personengruppen<br />

konzentrieren, vor allem auf junge Frauen“,<br />

erläutert ein Sprecher des Kaffeegiganten<br />

UCC. Mehr als 80 Prozent <strong>der</strong> Sample-Lab-<br />

Kunden kommen aus dieser Käufergruppe.<br />

IM ZWEITEN SCHRITT FÜLLEN ÜBERZEUGTE<br />

LAB-SHOPPER DIE FRAGEBÖGEN ZU<br />

NOCH NICHT KÄUFLICHEN PRODUKTEN AUS<br />

Dass Melposnet Waren kostenlos abgibt,<br />

findet mancher selbst nach mehreren Besuchen<br />

immer noch überraschend. „Zu den<br />

meisten Sachen gibt es nicht einmal einen<br />

Fragebogen“, wun<strong>der</strong>t sich Yoko Hashitate,<br />

eine Studentin, die das Geschäft zum fünften<br />

Mal durchforstet. In ihrer Hand hält sie<br />

einen Korb mit einer Flasche Wasser, Dosenkaffee<br />

und Badesalz. „Man muss für nichts<br />

etwas bezahlen. Da ist doch bestimmt ein<br />

Trick dabei, o<strong>der</strong>?“<br />

Ja, und <strong>der</strong> heißt eben Bezahlung durch Informationen.<br />

Hat Kono damit ein Monster<br />

ins Leben gerufen? Könnte es sein, dass<br />

Sample Lab durch die Ausgabe von Gratisprodukten<br />

das traditionelle Marketing bei<br />

seiner Suche nach neuen und wirkungsvollen<br />

Mitteln in Wahrheit zerstört? „Wenn sich<br />

die Gesellschaft so verän<strong>der</strong>n würde, dass<br />

sich sehr viel mehr Leute nichts mehr leisten<br />

könnten, müssten wir uns tatsächlich Sorgen<br />

machen. Aber solange so viele Menschen<br />

dazu bereit und in <strong>der</strong> Lage sind, für Produkte<br />

auch zu bezahlen, sehe ich wirklich<br />

keinen Grund zur Sorge“, wehrt <strong>der</strong> Agenturchef<br />

solche Bedenken ab.<br />

Sample Lab, ein Beitrag zur Weiterentwicklung<br />

des Marketings? „Ja, natürlich“, so Kono.<br />

„Wir kombinieren einfach clever die Notwendigkeit,<br />

an verlässliche Daten über Kaufentscheidungen<br />

und Produkttrends zu kommen,<br />

mit dem Bedürfnis nach Konsum und<br />

<strong>der</strong> Neugier auf neue Produkte. Wir helfen<br />

also Produzenten und Konsumenten gleichzeitig.<br />

Mehr nicht!“ .<br />

57


p business-culture<br />

58<br />

WORK IN PROGRESS<br />

Im Zeichen <strong>der</strong> Wachstumsmärkte stehen viele <strong>Roland</strong>-<strong>Berger</strong>-Projekte in diesen Monaten.<br />

Fragen, denen die Berater nachgehen: Wie tickt <strong>der</strong> chinesische Konsument, wie mächtig ist<br />

Russland? Ein weiteres Thema ist die Zukunft <strong>der</strong> Pharmaindustrie.<br />

Verlockungen <strong>der</strong> Konsumkultur in Shanghai. Doch was wollen Chinas Konsumenten?<br />

WACHSTUMSMARKT<br />

China kennt man – aber wie<br />

ticken die Chinesen?<br />

Vom boomenden China reden alle. Nur <strong>der</strong><br />

chinesische Konsument stellt für viele Unternehmen<br />

noch ein ziemlich unbeschriebenes<br />

Blatt dar. Das will <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy<br />

Consultants nun än<strong>der</strong>n und führt daher<br />

die bisher größte Umfrage unter chinesischen<br />

Konsumenten durch. 11000 Menschen<br />

in den 65 größten Städten <strong>der</strong> Volksrepublik<br />

interviewten die Forscher zu ihrem Konsumverhalten.<br />

<strong>Die</strong> Untersuchung beleuchtet<br />

die Markenpräferenzen <strong>der</strong> Chinesen bei<br />

Finanzdienstleistern, Automobilherstellern,<br />

Reiseveranstaltern, Kosmetikprodukten und<br />

alkoholischen Getränken. Noch wichtiger<br />

aber: Sie liefert einen bisher gänzlich ungewohnten<br />

Einblick in die Lebens- und<br />

Arbeitsweisen <strong>der</strong> Chinesen. Damit können<br />

Unternehmen weltweit auf die Tatsache<br />

reagieren, dass Chinas Konsumenten, nicht<br />

zuletzt dank wachsen<strong>der</strong> Kaufkraft, inzwischen<br />

immer differenziertere Konsumentscheidungen<br />

treffen.<br />

Und diese Tendenz dürfte sich künftig<br />

noch verstärken. Denn während in <strong>der</strong> restlichen<br />

Welt die Rezessionsangst umgeht,<br />

wächst die chinesische Wirtschaft unbeeindruckt<br />

weiter, um 10,8 Prozent im zweiten<br />

Quartal des Jahres.<br />

Wie aber sehen europäische Unternehmen<br />

den Wachstumsmarkt im Reich <strong>der</strong> Mitte?<br />

Antworten darauf wird eine Umfrage liefern,<br />

die im November in Zusammenarbeit<br />

mit <strong>der</strong> europäischen Handelskammer in<br />

China veröffentlicht wird. Hun<strong>der</strong>te von Firmen<br />

nahmen im letzten Jahr an <strong>der</strong> Befragung<br />

teil. Sie äußerten sich durchaus auch<br />

kritisch. Vor allem die vielen bürokratischen<br />

Hürden, die sie in puncto Investitionen und<br />

Akquisitionen immer noch überwinden<br />

müssen, sorgen bei den Entschei<strong>der</strong>n nach<br />

wie vor für Unmut.<br />

STUDIE<br />

Service und Kooperation<br />

in <strong>der</strong> Pharmaindustrie<br />

Chancen und Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> globalen<br />

Pharmaindustrie untersucht die jüngst<br />

erschienene Studie „Pharma at the Crossroads<br />

– Choosing Directions in a Transforming<br />

Healthcare World“. Darin analysieren<br />

<strong>Roland</strong>-<strong>Berger</strong>-Experten, wie die Pharmaindustrie<br />

ihre Geschäftsmodelle an Chancen<br />

und Risiken einer sich verän<strong>der</strong>nden Gesundheitswelt<br />

anpassen muss und anpasst.<br />

Pharmapartner Stephan Danner und sein<br />

Autorenteam haben Interviews mit führenden<br />

Pharmamanagern von über 30 Topunternehmen<br />

<strong>der</strong> Branche geführt. Und die<br />

zeigen sich durchaus optimistisch. <strong>Die</strong><br />

größten Zukunftschancen sehen die Befragten<br />

in <strong>der</strong> Expansion produzieren<strong>der</strong> Unternehmen<br />

durch mehr Serviceangebote –<br />

und in innovativen Kooperationsmodellen.<br />

Risiken liegen laut Studie vor allem im<br />

Markteintritt. Probleme bereitet auch <strong>der</strong><br />

zunehmende Preis- und Kostendruck. Als<br />

schwierigste Märkte weltweit gelten die<br />

USA und Europa.<br />

Gerade was den Markteintritt angeht, gibt<br />

es große Unterschiede zwischen den einzelnen<br />

Regionen. So gilt in den USA die Zulas-


sung als größte Hürde. In Europa und den<br />

BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien<br />

und China) bereitet vor allem die Preisfindung<br />

vielen Managern Kopfzerbrechen.<br />

<strong>Die</strong> Studie zeigt auch, wie Unternehmen mit<br />

diesen und weiteren Herausfor<strong>der</strong>ungen umgehen.<br />

Beispielsweise gilt die eigene Forschung<br />

und Entwicklung nach wie vor als<br />

die größte Innovationsquelle. Gleichzeitig<br />

finden aber auch an<strong>der</strong>e Formen wie In-<br />

Licensing o<strong>der</strong> Akquisition vermehrt Anklang.<br />

<strong>Die</strong> Ergebnisse zum Thema Profitabilität<br />

stehen dagegen in <strong>der</strong> Tradition bisheriger<br />

Kostensparprogramme: Hier bieten<br />

Marketing und Verkauf das größte Potenzial.<br />

Eher vorsichtig gehen die Unternehmen bisher<br />

mit dem Thema Outsourcing um. Lediglich<br />

Distribution und Logistik lagern mehr<br />

als die Hälfte <strong>der</strong> Befragten aus.<br />

RUSSLAND<br />

Hinter den Kulissen <strong>der</strong><br />

neuen, alten Supermacht<br />

Nach dem Zerfall <strong>der</strong> Sowjetunion war das<br />

einst mächtige Russland nur noch ein Schatten<br />

seiner selbst. Doch die politische und<br />

wirtschaftliche Schwächeperiode währte<br />

nur kurz. Vor allem sein Energiereichtum<br />

und die Abhängigkeit des Westens von<br />

russischen Ressourcen haben aus dem Land<br />

rasch wie<strong>der</strong> einen wichtigen Akteur auf<br />

dem internationalen Parkett gemacht.<br />

Doch wie mächtig ist Russland wirklich?<br />

<strong>Die</strong>ser Frage geht das zehnte Summernight<br />

Forschungslabor <strong>der</strong><br />

Firma Roche. In <strong>der</strong><br />

Pharmaindustrie<br />

herrscht alles in allem<br />

Optimismus.<br />

Symposium von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy<br />

Consultants in Wien nach. Der österreichische<br />

Bundeskanzler Alfred Gusenbauer,<br />

Gulzhan Moldazhanova (Vorstandsvorsitzen<strong>der</strong>,<br />

Basic Element), Magna-International-<br />

Chef Siegfried Wolf und Fe<strong>der</strong>ico Ghizzoni<br />

(Vorstand, Bank Austria UniCredit Group)<br />

diskutieren mit Firmengrün<strong>der</strong> <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>.<br />

Anlässlich des Jubiläums gibt <strong>Roland</strong><br />

<strong>Berger</strong> Österreich auch eine Festschrift zum<br />

Thema heraus. 20 prominente Topmanager,<br />

Politiker und Journalisten – Russen wie<br />

Österreicher – reflektieren in ihren Beiträgen<br />

das Verhältnis Russlands zum Westen.<br />

Entstehen soll ein Russlandbild abseits von<br />

Klischees. Der rasant wachsende russische<br />

Markt bietet westlichen Unternehmen unzählige<br />

Chancen. Doch wer in dem Riesen-<br />

Russische Pipeline: Der Energiesektor gehört zu Russlands stärksten Branchen<br />

business-culture f<br />

reich investieren will, darf politische Spannungen,<br />

administrative und bürokratische<br />

Hürden sowie die auf allen Ebenen anzutreffende<br />

Korruption nicht ignorieren.<br />

Mehr Klarheit tut daher dringend not.<br />

Russland ist das größte Land <strong>der</strong> Welt, eine<br />

Nuklearmacht, ein Land mit erheblichem<br />

wirtschaftlichem Potenzial. Es hat fast<br />

150 Millionen Einwohner und ist ständiges<br />

Mitglied im UNO-Sicherheitsrat. An<strong>der</strong>erseits<br />

gibt es abseits von Energiesektor, Rüstungs-<br />

und Transportkomplex kaum einen<br />

Bereich, in dem Russland heute international<br />

konkurrenzfähig ist. In Schlüsselsektoren<br />

wie <strong>der</strong> IT- und <strong>der</strong> Automobilindustrie ist<br />

das Land auf den Weltmärkten nicht vertreten.<br />

Auch im Bildungs- und Kulturbereich<br />

liegt Russland nicht im Spitzenfeld.<br />

59


Keine Angst vor Afrika<br />

Vor zehn Jahren gründete Mohamed Ibrahim die Mobilfunkfirma Celtel. Inzwischen ist er ein<br />

Vorbild afrikanischen Unternehmertums – und <strong>der</strong> größte Spen<strong>der</strong> des Kontinents.<br />

:<br />

Der Mann liebt klare Worte: „Ich misstraue<br />

<strong>der</strong> Wohltätigkeit“, sagt Mohamed<br />

Ibrahim. Er sagt das so freundlich, dass ihm<br />

das Publikum seine Provokation nicht übel<br />

nimmt. Dabei lauschen an diesem Abend<br />

vor allem Leute, die von <strong>der</strong> Entwicklungspolitik,<br />

also vom Geschäft mit <strong>der</strong> Wohltätigkeit<br />

leben. Mo Ibrahim ist ihr Stargast. Das<br />

ergibt Sinn. Denn <strong>der</strong> Multimillionär ist<br />

nicht nur einer <strong>der</strong> erfolgreichsten Unternehmer<br />

Afrikas – son<strong>der</strong>n zugleich sein<br />

größter Spen<strong>der</strong>.<br />

Klein, ein rundlicher Kopf, eine starke Brille<br />

auf <strong>der</strong> Nase, dahinter ein freundliches Blinzeln:<br />

Mo Ibrahim gibt sich gelassen. Ohne<br />

Rage, aber mit Enthusiasmus redet er über<br />

sein Lieblingsthema, über Afrika, den verkannten<br />

Kontinent. Über dessen verkehrtes<br />

Image. Darüber, dass alle immer nur über<br />

Hilfe reden. Über die Chancen, die Unternehmer<br />

dort verpassen. Über sich redet er<br />

erst ganz am Ende. „Ich“, sagt er, „ich will<br />

ja nicht predigen.“ Dann lächelt er, denn er<br />

weiß ganz genau, dass er exakt das wie<strong>der</strong><br />

einmal getan hat. Eine sympathische, ungelenke<br />

Koketterie ist das, schließlich sind es<br />

seine Reden, die ihn zum begehrten Gast<br />

werden lassen.<br />

Lange war Ibrahim „nur“ ein erfolgreicher<br />

Unternehmer. Dem Nubier mit sudanesischem<br />

und britischem Pass ist gelungen,<br />

woran an<strong>der</strong>e scheiterten. In 15 afrikanischen<br />

Län<strong>der</strong>n hat er ein Mobilfunksystem<br />

aufgebaut – und es dann vor zwei Jahren für<br />

stolze 3,4 Milliarden weiterverkauft. Danach<br />

hätte sich <strong>der</strong> heute 61-Jährige eigentlich


zur Ruhe setzen können. Doch Ibrahim<br />

hatte etwas Besseres vor: Er stiftete den „Mo<br />

Ibrahim Prize“, die am höchsten dotierte<br />

Ehrung <strong>der</strong> Welt. Mit dem Preis zeichnet<br />

Ibrahim ehemalige afrikanische Politiker<br />

aus, die gute Regierungschefs waren. Fünf<br />

Millionen Euro bekommt <strong>der</strong> Preisträger in<br />

den ersten zehn Jahren, danach jährlich<br />

200 000 Dollar und zusätzliche 200 000 Dollar<br />

pro Jahr für Projekte. <strong>Die</strong> Idee, unterstützt<br />

von Prominenten wie Bill Clinton, Nelson<br />

Mandela und Kofi Annan, katapultierte Ibrahim<br />

in die Bill-Gates-Liga <strong>der</strong> Wohltäter.<br />

MEHR ANREIZE, MEHR VORBILDER UND<br />

WENIGER VORURTEILE<br />

Warum er sich als Spen<strong>der</strong> betätigt und mit<br />

seiner „Mo Ibrahim Foundation“ die demokratische<br />

Entwicklung Afrikas för<strong>der</strong>t, wo er<br />

doch <strong>der</strong> Wohltätigkeit misstraut? Ibrahim<br />

schaut nachdenklich auf seine Hände. Sie<br />

gehören einem Mann, <strong>der</strong> zupackt. Das sind<br />

keine Hände, die nur Gläser schwenken –<br />

auch wenn er sich nicht scheut, abends an<br />

<strong>der</strong> Bar den besten Cognac des Hauses zu<br />

or<strong>der</strong>n. Ebenso unprätentiös nimmt er dann<br />

hin, dass es nur gängige Sorten gibt. Verglichen<br />

mit an<strong>der</strong>en Millionären, die ihr Geld<br />

für Autos, Jachten und Flugzeuge verprassen,<br />

wird er später sagen: „Ich kann nur in<br />

einem Bett schlafen und dreimal am Tag<br />

essen.“ Dagegen gibt Ibrahim ganz offen zu:<br />

Es macht Spaß, mit dem eigenen Geld die<br />

Welt zu verbessern.<br />

Ibrahim will mit seinem Preis neue Leistungsanreize<br />

für Politiker schaffen. Das<br />

fehle in Afrika bislang. „Sie wissen gar nicht,<br />

wie schwer es ist, in Afrika ein guter Politiker<br />

zu sein. Man kämpft gegen Hunger, Aids,<br />

den Mangel an Schulen. Dagegen ist <strong>der</strong> Job<br />

europäischer Regierungschefs ein Zuckerschlecken“,<br />

sagt Ibrahim. Sein Preis soll<br />

außerdem Vorbil<strong>der</strong> schaffen, indem die<br />

Preisträger, wie <strong>der</strong> ehemalige Präsident<br />

Mosambiks Joaquin Chissano, bekannter<br />

werden. Mit Wohltätigkeit habe das nichts<br />

zu tun. Eher damit, dass Ibrahim seinem<br />

Kontinent etwas zurückgeben will.<br />

Der Nubier verdankt Afrika viel. Er wurde<br />

1946 als Sohn eines Baumwollhändlers im<br />

Nordsudan geboren, wuchs aber in Ägypten<br />

auf. Als Fernmeldetechniker kehrte er<br />

22-jährig in den Sudan zurück und arbeitete<br />

dort bei <strong>der</strong> staatlichen Telefongesellschaft.<br />

Ein Stipendium brachte ihn 1974 nach Großbritannien,<br />

er machte seinen Doktor und<br />

arbeitete anschließend als Mobilfunkingenieur<br />

bei British Telecom. Dort begann seine<br />

steile Karriere. Er hatte den richtigen Riecher<br />

für den neuen Boommarkt und baute<br />

das erste Mobilfunknetz Großbritanniens<br />

auf. Doch <strong>der</strong> große Konzern war ihm zu<br />

bürokratisch. Und Ibrahim war unternehmungslustig.<br />

1989 stieg <strong>der</strong> Mann, <strong>der</strong> nie<br />

eine Businessschule besucht hat, aus und<br />

gründete MSI, sein eigenes Beratungs- und<br />

Softwareunternehmen für Mobilfunkbetreiber.<br />

„Ich konnte anfangs nicht mal einen<br />

Businessplan lesen“, erinnert er sich. Das Geschäft<br />

florierte dennoch, er baute Netzwerke<br />

in Deutschland, Italien, Frankreich, Singapur<br />

und Japan mit auf. 1998, als das Unternehmen<br />

620 Millionen Dollar wert war, verkaufte<br />

er es. Längst reizte Ibrahim etwas bis<br />

dahin Unmögliches: Mobilfunk in Afrika.<br />

Kurz vor <strong>der</strong> Jahrtausendwende funktionierten<br />

Mobilfunknetze zwar längst in vielen<br />

Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Welt. Doch in Afrika<br />

herrschte weitgehend Funkstille. Mit Partnern<br />

gründete Ibrahim das Mobilfunkunternehmen<br />

Celtel und startete in Uganda und<br />

Sambia. Weitere Län<strong>der</strong> kamen hinzu. Vor<br />

zwei Jahren verkaufte er Celtel schließlich<br />

für 3,4 Milliarden Dollar an ein kuwaitisches<br />

Unternehmen – und rät nun an<strong>der</strong>en, in<br />

Afrika einzusteigen.<br />

„Afrika hat bei Unternehmern ein viel zu<br />

schlechtes Image“, sagt Ibrahim. Dabei habe<br />

sich auf dem Kontinent vieles zum Besseren<br />

verän<strong>der</strong>t. Junge Leute wollten auch in Afrika<br />

etwas erreichen, in <strong>der</strong> Politik ebenso wie<br />

ten years after f<br />

in <strong>der</strong> Wirtschaft. Nur fehle es häufig an den<br />

nötigen Anreizen – und am Kapital. Zu genau<br />

erinnert sich Ibrahim noch daran, dass Banken<br />

<strong>der</strong> sehr erfolgreichen Celtel höchstens<br />

190 Millionen Dollar als Kredit gewährten.<br />

Als die Kuwaitis das Unternehmen kauften,<br />

konnten sie dagegen Milliarden investieren.<br />

Mit einem Fonds in Höhe von <strong>der</strong>zeit<br />

200 Millionen Dollar för<strong>der</strong>t Ibrahim daher<br />

inzwischen auch interessante Start-ups –<br />

und so das afrikanische Unternehmertum.<br />

KLISCHEES ZERSTÖREN UND DIE ZUHÖRER<br />

ERSTAUNEN, DAS KANN IBRAHIM<br />

Trotz vieler Krisen in Afrika, etwa <strong>der</strong> jüngsten<br />

blutigen Unruhen in Kenia, hält Ibrahim<br />

die in Europa oft zitierten Risiken für<br />

Unternehmer für maßlos übertrieben: „Ich<br />

habe 15 Firmen in 15 Län<strong>der</strong>n aufgebaut,<br />

ohne einen Cent Schmiergeld zu zahlen“,<br />

sagt Ibrahim und erklärt: „Wer einmal anfängt,<br />

kann nicht mehr aufhören. Erst<br />

kommt <strong>der</strong> Minister, dann <strong>der</strong> Präsident,<br />

dann dessen Frau, dann die nächste Frau,<br />

und wenn alle etwas haben, wechselt die<br />

Regierung. Wer dann aufhören möchte, wird<br />

zum Staatsfeind. Also habe ich gar nicht<br />

erst angefangen.“<br />

Erstaunen auf Gesichter zaubern, Klischees<br />

zerstören – das macht Ibrahim Spaß, nicht<br />

nur in Bezug auf Afrika: „Europa redet gern<br />

und viel – über Korruption, über Entwicklungshilfe,<br />

über Menschenrechte.“ Europas<br />

Handeln sei damit aber nicht immer konsistent.<br />

„Nehmen wir die Korruption, über die<br />

Europäer in Afrika klagen. Dazu gehören<br />

zwei, Geber und Nehmer. Ich habe bisher<br />

aber von keiner Verurteilung in Deutschland<br />

gehört, weil in Afrika geschmiert wurde.<br />

Sie? Dabei ist Korruption auch dort ein<br />

Verbrechen.“ Wie<strong>der</strong> hat er sich in Fahrt geredet,<br />

appelliert, gepredigt. Als er das merkt,<br />

hält er inne und lächelt. Denn Mo Ibrahim<br />

ist kein verbitterter Mann. Er ist einer, <strong>der</strong><br />

etwas verän<strong>der</strong>n will. .<br />

61


p service impressum<br />

62<br />

FOLLOW-UP BUCHTIPPS<br />

Deripaska reichster Russe<br />

Ein Porträt in think:act 11<br />

war dem russischen<br />

Unternehmer Oleg Deripaska<br />

gewidmet. Wie<br />

lukrativ dessen Firmenimperium<br />

offenbar arbeitet,<br />

zeigt jetzt ein Ranking<br />

<strong>der</strong> russischen Wirt-<br />

schaftszeitung „Finans“.<br />

Danach ist Deripaska mit<br />

einem Vermögen von 40<br />

Milliarden US-Dollar <strong>der</strong><br />

reichste unter Russlands Oligarchen. Er besitzt<br />

damit fast so viel Geld wie Bill Gates. Weiter<br />

berichtet Finans, die Zahl <strong>der</strong> Dollarmilliardäre<br />

habe sich binnen eines Jahres vervierfacht. Fast<br />

40 neue Milliardäre hat das Land.<br />

Learning to fly<br />

An diesen legendären Pink-Floyd-Song denkt<br />

Sergey Zhuzhlin oft, wenn er Fallschirm springt<br />

(Bild auf Seite gegenüber). Und das tut <strong>der</strong> Berater<br />

aus dem Moskauer <strong>Roland</strong>-<strong>Berger</strong>-Office mit Leidenschaft.<br />

Im März entstand das Foto. Parallelen<br />

zwischen Fallschirmspringen und <strong>der</strong> Wirtschaftswelt?<br />

Das Wichtigste beim Springen, so Zhuzhlin,<br />

„sind persönliche Disziplin und Kontrolle. Man<br />

IMPRESSUM<br />

HERAUSGEBER<br />

Dr. Burkhard Schwenker, CEO<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />

Am Sandtorkai 41, 20457 Hamburg<br />

Tel.: +49 40 37631-40<br />

LEITUNG<br />

Torsten Oltmanns<br />

REDAKTIONSBEIRAT<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />

Dr. Christoph Kleppel †, Felicitas<br />

Schnei<strong>der</strong><br />

VERLAG<br />

BurdaYukom Publishing GmbH<br />

Konrad-Zuse-Platz 11, 81829 München<br />

Tel.: +49 (0)89 30620-0<br />

GESCHÄFTSFÜHRER<br />

Manfred Hasenbeck,<br />

Andreas Struck<br />

VERLAGSLEITER<br />

Dr. Christian Fill<br />

CHEFREDAKTEUR<br />

Alexan<strong>der</strong> Gutzmer (V.i.S.d.P.)<br />

ART-DIREKTION<br />

Blasius Thätter<br />

CHEF VOM DIENST<br />

Marlies Viktorin<br />

REDAKTION<br />

Tobias Knauer, Tobias Birzer<br />

Oleg Deripaska ist fast so<br />

reich wie Bill Gates<br />

AUTOREN<br />

Stuart Crainer (London), Thomas Escritt<br />

(Budapest), Jens Flottau, Frank Grünberg,<br />

David McNeill (Tokyo), Petra Pinzler, Marcus<br />

Schick, Angelika Steffen, Rhea Wessel, Johannes<br />

Wiek, Jan Wilms, Morgen Witzel (Exeter)<br />

GASTAUTOREN<br />

Michael Jarrett (London), Rachel Sterne<br />

(New York)<br />

LEKTORAT<br />

Dr. Michael Petrow (Ltg.), Karin Schlipphak,<br />

Jutta Schreiner<br />

GRAFIK/GESTALTUNG<br />

Andrea Hüls, Olaf Puppe<br />

PRODUKTION<br />

Marlene Freiberger, Wolfram Götz (Ltg.), Franz<br />

Kantner, Silvana Mayrthaler, Cornelia Sauer<br />

BILDREDAKTION<br />

Beate Blank (Ltg.), Elke Maria Latinovic<br />

BILDNACHWEISE<br />

Titel: Illustration James Dawe, Liewig/corbis,<br />

Rea/laif; S. 8: B.S.P.I/corbis; S. 9: Back/laif;<br />

S. 10: Loreal pr, dpa/picture-alliance, Uni Witten/Herdecke<br />

pr; S. 12/13: Illustration James<br />

Dawe; S. 14: pr; S. 16: Paolo Tre/laif; S. 18:<br />

Michael Probst/AP Photo; S. 23: pr; S. 24: pr;<br />

S. 26: pr; S. 28/31: Phillipp Wente; S. 33: imago;<br />

S. 34/37: <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants;<br />

S. 38: Illustration Sylvia Neuner; S. 40: pr; S. 42:<br />

Spn pr; S. 43: Jake Schoellkop/ap photo; S. 44:<br />

Dirschel/LOOK, ITAR-TASS; S. 45: seagate pr,<br />

lernt schnell, wie wichtig es ist, Emotionen zu<br />

managen und Situationen rasch zu bewerten.“<br />

Moloch und Meister <strong>der</strong> Improvisation<br />

Der nie<strong>der</strong>ländische Architekturdenker Rem<br />

Koolhaas und seine Feldforschung in <strong>der</strong> nigerianischen<br />

Metropole Lagos waren Thema in<br />

think:act 7. Der Beitrag zeigte auf, weshalb Koolhaas<br />

die spontane Entstehung von Märkten in<br />

<strong>der</strong> Millionenstadt fasziniert. Jetzt hat das deutsche<br />

Nachrichtenmagazin Focus dem Moloch<br />

eine Reportage gewidmet. <strong>Die</strong>se schil<strong>der</strong>t den<br />

täglichen Überlebenskampf <strong>der</strong> Menschen in<br />

Lagos. Auch auf Koolhaas nimmt <strong>der</strong> Beitrag<br />

Bezug. „Der nie<strong>der</strong>ländische Stararchitekt und<br />

Harvard-Professor“, schreibt das Magazin,<br />

„schwärmt von <strong>der</strong> Selbstorganisation und<br />

dem wirtschaftlichen Erfindungsreichtum“ <strong>der</strong><br />

Bewohner von Lagos.<br />

think:act holt Gold in New York<br />

Wie schon im Vorjahr, hat think:act auch in diesem<br />

Jahr bei den Mercury Awards in New York<br />

gewonnen. In <strong>der</strong> Kategorie „Executive“ holte das<br />

Magazin die Goldmedaille. Damit setzte es sich<br />

gegen Publikationen aus aller Welt durch, die<br />

die weltweite Entschei<strong>der</strong>community zur Zielleserschaft<br />

haben.<br />

Golden Section Graphics; S. 46: Illustration<br />

Sylvia Neuner; S. 47: pr (2), imagine china; S. 48:<br />

pr; S. 49: Gerald/laif, privat; S. 50: Christophe<br />

Boisveux/corbis, privat; S. 51: farooqi/groundreport,<br />

Mark Shenton; S. 52: Mark Henley/<br />

panos/laif, privat; S. 53: dpa/picture-alliance,<br />

privat; S. 54: Vu/laif, privat; S. 55: pixtal/f1online,<br />

privat; S. 56: Androniki Christodoulou; S. 57: pr;<br />

S. 58: chinaphoto/laif; S. 59: Christoph Edelhoff,<br />

colourbox; S. 60: Ian Teh/Vu/laif; S. 62: Nicholl/<br />

laif; U3: <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />

DRUCK<br />

Pinsker Druck und Medien GmbH, 84048 Mainburg<br />

URHEBERRECHTE<br />

<strong>Die</strong> im Magazin enthaltenen Beiträge sind<br />

urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte werden<br />

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Redaktionelle Beiträge geben nicht unbedingt<br />

die Meinung des Herausgebers wie<strong>der</strong>.<br />

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Haben Sie Fragen an den Herausgeber<br />

o<strong>der</strong> das Redaktionsteam?<br />

Interessieren Sie sich für Studien<br />

von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy<br />

Consultants? Schreiben Sie an<br />

service@think-act.info<br />

Restrukturierung ist ein Dauerthema.<br />

Was zum erfolgreichen<br />

Umbau gehört, zeigt das aktuelle<br />

think:act Content „Agieren<br />

statt reagieren“. Dem Thema<br />

operativer Spitzenklasse widmet<br />

sich das erste Buch aus<br />

<strong>der</strong> neuen Publikationsreihe<br />

„think:act – International<br />

Management Knowledge“.<br />

<strong>Die</strong> verschiedenen Wachstumsstrukturen<br />

<strong>der</strong> Banken in<br />

Europa untersucht eine Studie<br />

von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>, EFMA und<br />

Nordea. Torsten Oltmanns zeigt<br />

neue Wege im Elitenmarketing<br />

auf. Ideen zu erfolgreicher Wertschöpfung<br />

schließlich liefert ein<br />

weiteres think:act Content.<br />

THINK:ACT<br />

CONTENT:<br />

Agieren statt<br />

reagieren<br />

AXEL SCHMIDT,<br />

ROLAND<br />

SCHWIENTEK:<br />

Operations Excellence.<br />

Smart Solutions<br />

for Business<br />

Success<br />

ROLAND<br />

BERGER, EFMA,<br />

NORDEA<br />

Retail Banking in<br />

Europe<br />

TORSTEN<br />

OLTMANNS:<br />

Eliten-Marketing.<br />

Wie Sie Entschei<strong>der</strong><br />

erreichen<br />

THINK:ACT<br />

CONTENT:<br />

<strong>Die</strong> Regeln des globalen<br />

Wettbewerbs<br />

verän<strong>der</strong>n sich


Highlights aus diesem Heft auf CD<br />

Sie können folgende<br />

Beiträge hören:<br />

kREZESSION DER CFOS (S. 14)<br />

<strong>Die</strong> Turbulenzen in <strong>der</strong> Wirtschaftswelt nehmen zu. Grundsätzlich<br />

vor Krisen sicher ist niemand.<br />

kIM STURM NEUE STÄRKE FINDEN (S. 16)<br />

Unser Beitrag zeigt: Wer sich richtig vorbereitet, kann durchaus<br />

als Gewinner aus einer Umbruchphase hervorgehen.<br />

k„PAKISTAN IST COOL“ (S. 28)<br />

Das islamische Land entdeckt das Musikfernsehen. Eine Erfolgsstory.<br />

kIM OSTEN VIEL NEUES (S. 38)<br />

Wie zwei Banken die Finanzwelt Osteuropas aufrollen<br />

kDIE JETCHAUFFEURE (S. 42)<br />

Ultraleichtflieger verän<strong>der</strong>n die Airline-Industrie.<br />

kDIEBSTAHL AM HELLLICHTEN TAG (S. 56)<br />

Ein Geschäft in Tokio verschenkt Produkte – die Zukunft des Marketings?

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