04.01.2013 Aufrufe

Herbstwind - Liebe Leserinnen, liebe Leser

Herbstwind - Liebe Leserinnen, liebe Leser

Herbstwind - Liebe Leserinnen, liebe Leser

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

„Überraschende Begegnungen“ <strong>Herbstwind</strong><br />

Überraschende Begegnungen<br />

von Willi Lehmann<br />

Wer hat sie noch nicht erlebt, die<br />

überraschenden Begegnungen.<br />

Zu den unmöglichsten Zeiten, an<br />

den unmöglichsten Orten finden<br />

sie statt. Begegnet man Menschen<br />

oder Gestalten, die man<br />

hier und jetzt nie vermutet hätte.<br />

So geht es mir hin und wieder<br />

auch. Dann wache ich entweder<br />

schweißgebadet auf, weil ich in<br />

meinem Albtraum dem Sensenmann<br />

begegnet bin oder ich fühle<br />

mich froh beschwingt, weil<br />

mich im Traum eine Schöne<br />

(Name wird nicht verraten) so<br />

verheißungsvoll angesehen hat.<br />

Doch jetzt möchte ich im Ernst<br />

von einer überraschenden<br />

Begegnung berichten, die allerdings<br />

nichts mit Menschen zu<br />

tun hat. Seit meiner frühesten<br />

Kindheit bin ich sozusagen auf<br />

den Hund gekommen. Von Max<br />

über Möppel, Fips und Trixi, bis<br />

hin zu Tipsi, einem Dobermann-<br />

Mix und meinem Ruhestandsbegleiter<br />

seit 10 Jahren. Einem Nervenbündel,<br />

das ständig unter<br />

Strom steht und unser Grundstück<br />

hinter dem sicheren Zaun<br />

derart lautstark verteidigt, dass<br />

viele Fußgänger oft die Bürgersteigseite<br />

wechseln.<br />

Wir beide, Tipsi und ich, sehen<br />

seit vielen Jahren fast täglich an<br />

meinem Fischweiher in der Hilstbach<br />

nach dem rechten. Zu diesem<br />

Zweck gehen wir, er oft 10<br />

Meter voraus, zugegebenermaßen<br />

nicht an der Leine, das letzte<br />

Stück des Waldweges zu Fuß.<br />

Man soll ja schließlich auch<br />

etwas für die Gesundheit tun<br />

und wären es auch nur 700 Meter<br />

(hin und zurück). So war es auch<br />

im Herbst 2007.<br />

Tipsi, einige Meter voraus, ich<br />

gedankenverloren, mich mit der<br />

Frage was es wohl zum Mittagessen<br />

geben wird befassend,<br />

hinterher. Kurz vor der Abzweigung<br />

zum Fischweiher plötzlich<br />

ein Geräusch. Ein Rauschen, als<br />

ob ein Güterzug ankommt, ein<br />

Schnauben und Blasen. Da stand<br />

er direkt vor uns. Ein Wildschweinkeiler<br />

von schätzungsweise<br />

60 bis 70 kg mit mords<br />

Hauern. Meine tapfere Tipsi fiel<br />

beim Bremsvorgang fast vornüber<br />

auf die Schnauze, während<br />

ich mich Hilfe suchend nach dem<br />

nächsten Baum umsah, der meine<br />

nicht wenigen Kilo ausgehalten<br />

hätte. Der Keiler, offensichtlich<br />

auf der anderen Talseite aufgeschreckt,<br />

war aus dem Nachbargrundstück,<br />

das zwar eingezäunt,<br />

aber seit Jahren nicht<br />

mehr bewirtschaftet ist, über die<br />

Böschung auf den Weg gekommen.<br />

Wir drei, wer die größere<br />

Angst hatte weiß ich nicht genau,<br />

aber vermutlich ich, starrten uns<br />

sekundenlang an. Das ganze in<br />

5<br />

völligem Schweigen, da es auch<br />

Tipsi die „Sprache“ verschlagen<br />

hatte. Nach einigen Sekunden,<br />

die mir wie endlose Minuten<br />

vorkamen, drehte sich der Keiler<br />

um und entfernte sich im<br />

Schweinsgalopp in das Waldesinnere.<br />

Jetzt wurde natürlich<br />

auch mein Hund wieder sehr<br />

tapfer und setzte laut bellend zur<br />

Verfolgung an.<br />

Nachdem er allerdings ein kluger<br />

Hund ist, stellte er die Verfolgung<br />

ganz schnell ein und kam<br />

zu mir zurück. An der Stelle, an<br />

der der Keiler aus dem Nachbargrundstück<br />

kam, staunte ich<br />

nicht schlecht. Mitten in dem<br />

Drahtzaun, der bis dahin noch<br />

völlig in Takt war, klaffte ein<br />

Meter breites Loch. Der Keiler<br />

war offensichtlich geradewegs<br />

durch den Zaun geprescht. Welche<br />

Wucht dahinter steckte, kann<br />

man nur erahnen.<br />

Nachdem wir diese heikle überraschende<br />

Begegnung heil überstanden<br />

hatten, waren Tipsi und<br />

ich übereinstimmend der Meinung<br />

„Schwein gehabt“.<br />

Ein Mensch, den du sonst gerne magst,<br />

der guckt dich heut nicht an,<br />

so dass du dich verwundert fragst,<br />

was hab ich ihm getan.<br />

Er eile stumm an dir vorbei,<br />

mit grimmigem Gesicht.<br />

Übel gelaunt, ganz zweifelsfrei,<br />

vielleicht plagt ihn die Gicht.<br />

Vielleicht tat man ihm unrecht an,<br />

du marterst dir das Hirn.<br />

Was treibt nur diesem netten Mann<br />

die Falten auf die Stirn.<br />

Minuten später siehst du ihn<br />

zufrieden seines Weges ziehn.<br />

Er grüßt dich, lächelt und ist froh!<br />

Siehst du, er musste bloß aufs Klo.<br />

Eugen Roth<br />

(eingereicht von Dorothea Rausch)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!