Herbstwind - Liebe Leserinnen, liebe Leser
Herbstwind - Liebe Leserinnen, liebe Leser
Herbstwind - Liebe Leserinnen, liebe Leser
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Piep, piep<br />
von Hans-Jürgen Kaiser<br />
„Überraschende Begegnungen“ <strong>Herbstwind</strong><br />
London, 8Millionen-Metropole,<br />
Hauptstadt Großbritanniens und<br />
bevölkerungsreichste Stadt der<br />
Europäischen Union..<br />
Bud Flanagan hat 1947 in seinem<br />
berühmten Song “MAYBE IT’S<br />
BECAUSE I’M A LONDONER”<br />
in acht Zeilen zum Ausdruck<br />
gebracht, was einem mit dieser<br />
Stadt verbinden kann. London<br />
ist Philosophie und nicht nur<br />
Wohn- und Arbeitsort.<br />
Eine kosmopolitische Stadt, in<br />
der ich einige Jahre lebte. Dort ist<br />
man nicht Brite oder Ausländer<br />
sondern Londoner. Das lässt<br />
einem nicht mehr los und man<br />
fühlt sich zeitlebens zugehörig.<br />
Erklärlich ist es nicht, aber vielleicht<br />
mit dem freien Zeitgeist zu<br />
erklären, der dort zumindest bis<br />
in die jüngste Vergangenheit<br />
herrschte. Nicht umsonst haben<br />
es berühmte Exilanten oft bis an<br />
ihr Lebensende dort ausgehalten.<br />
London schläft nie. Selbst im<br />
Haus kann man mehr oder weniger<br />
das Brodeln und Summen<br />
der Urbanität spüren und hören.<br />
Man gewöhnt sich daran.<br />
Als Kind, die Ruhe des Pfälzer<br />
Waldes gewohnt, drängte es<br />
mich ab und zu ins Grüne. London<br />
hat große Parks, aber nicht<br />
zu vergleichen mit der Weite und<br />
Ruhe des Pfälzer Waldes. Mein<br />
Favorit ist der Greenwich Park,<br />
gegenüber der Isle of Dogs auf<br />
der Südseite der Themse gelegen.<br />
Greenwich ist bekannt<br />
durch die Gebäude der Admiralität,<br />
des dort durchlaufenden<br />
Nullmeridians und das Observatorium.<br />
Oberhalb des Observato-<br />
riums und unterhalb der Hügelspitze<br />
befindet sich eine kleine<br />
Baum- und Buschgruppe mit<br />
Bänken, fernab jeglichen Verkehrs<br />
und ohne durchziehende<br />
Menschenmassen. Das wurde<br />
mein Platz.<br />
Die Freunde des britischen<br />
Komikers Rowan Atkinson (Mr.<br />
Bean) kennen diese Stelle. In der<br />
Episode „The curse of Mr. Bean”<br />
versucht er in der Mittagspause<br />
genau auf dieser Parkbank ein<br />
besonders frisches Sardinensandwich<br />
zuzubereiten.<br />
Die Ruhe gab wohl damals auch<br />
den Ausschlag den Film dort zu<br />
drehen.<br />
Man hat eine herrliche Aussicht<br />
auf die ganze Metropole fast hin<br />
bis zu Watford im Norden. Die<br />
ganze Betrieb- und Regsamkeit<br />
nur noch ein entferntes Summen.<br />
An diesem Lieblingsplatz konnte<br />
ich, wenn mir mal danach war,<br />
die Seele baumeln lassen.<br />
Eines Tages, ich hatte es mir eine<br />
zeitlang auf der Parkbank<br />
gemütlich gemacht, verspürte<br />
ich das Bedürfnis mal ein paar<br />
Meter die Beine zu vertreten.<br />
Oberhalb der Bänke windet sich<br />
ein geschwungener Weg um und<br />
durch die Baum- und Buschgruppe.<br />
Ideal eine Runde zu drehen.<br />
Beim Gehen fiel mir plötzlich<br />
auf, dass ein kleiner bunter Vogel<br />
neben mir her flog, von Baum zu<br />
Baum und mich ständig fixierte.<br />
Nun kenne ich mich mit Vögeln<br />
nicht so gut aus, es war irgendeine<br />
Finkenart, wahrscheinlich ein<br />
Dompfaff. Das Verhalten kam<br />
mir aber recht seltsam vor. Nun<br />
lief ich weiter, das Vögelchen<br />
immer daneben herfliegend. Aus<br />
7<br />
einem bis heute nicht nachvollziehbaren<br />
Grund streckte ich den<br />
Arm aus und der Vogel landete<br />
darauf. So lief ich mit ausgestrecktem<br />
Arm und dem darauf<br />
sitzenden mich weiter beobachteten<br />
Vögelchen zurück zur<br />
Parkbank. Erst als ich mich setzte,<br />
flog er auf zur nächsten<br />
Hecke, wo er noch eine zeitlang<br />
saß, bevor er endgültig wegflog.<br />
Eine wahrhaft unerwartete<br />
Begegnung.<br />
Es hat mich jedenfalls bis heute<br />
so beeindruckt, dass ich immer<br />
noch darüber rätsele, ob diese<br />
Laune der Natur eine weitere<br />
Bedeutung hatte.<br />
Pfälzischer Direktvertrieb<br />
Ort: Gegensprechanlage eines<br />
Hauses in einer ehemaligen<br />
Schuhmetropole.<br />
Es läutet. Die Sprechverbindung<br />
wird aktiviert: „Hallo?“<br />
Die Stimme eines offensichtlich<br />
weiblichen Wesens: „Sinsies?“<br />
„Ja“<br />
„Ischbin Fraa xy vun xy staabsacher.<br />
Isdifrado?“<br />
„Nein“<br />
„Wonkomtsedon?“<br />
„Nächste Woche und wir haben<br />
mehrere Staubsauger.“<br />
„Jo“ Entfernende Schritte.<br />
Fest steht, im Direktvertrieb<br />
liegt noch Potential.<br />
von Hans-Jürgen Kaiser