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Herbstwind - Liebe Leserinnen, liebe Leser

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von Jörg Augustin<br />

„Überraschende Begegnungen“ <strong>Herbstwind</strong><br />

Ich habe hingeschaut<br />

O ja, ich weiß noch genau, wo ich<br />

morgens am 2. Juni 1953 war: In<br />

Mayen in der Eifel vor dem<br />

Schaufenster der Firma Radio-<br />

Schlich. Dort drückte ich mir wie<br />

so viele andere die Nase platt,<br />

denn draußen hing ein Lautsprecher<br />

und übertrug den Ton zu den<br />

Bildern, die - Wunder der Technik!<br />

- drinnen im Laden über<br />

einen kleinen Bildschirm flimmerten.<br />

Wir schauten die Krönung<br />

der Königin Elizabeth II. in der<br />

ersten internationalen Live–Sendung<br />

der Geschichte des europäischen<br />

Fernsehens! Es waren meine<br />

ersten Fernsehbilder überhaupt.<br />

O ja, wir Zwölfjährigen<br />

wussten, was in der Medienwelt<br />

vor sich ging!<br />

Krönung Königin Elisatbeth 1953 live im Fernsehen<br />

Bildquelle: www.welt.de<br />

Wir saßen auch am 4. Juli 1954 vor<br />

einem Bildschirm und hörten den<br />

Radioreporter Herbert Zimmermann<br />

kommentieren, was wir<br />

gleichzeitig im Bild sahen:<br />

Deutschland gewann die Fußball–<br />

Weltmeisterschaft. Nun stand der<br />

Fernseher freilich in einer Gaststätte,<br />

wir Jungen saßen auf dem<br />

Boden und verrenkten uns die<br />

Hälse, um auch etwas zu sehen.<br />

Und bei dem unvergesslichen:<br />

„Aus, aus, aus! Das Spiel ist aus!<br />

Deutschland ist Weltmeister!“. Da<br />

haben wir, glaube ich, geheult wie<br />

die sprichwörtlichen Schlosshunde;<br />

überwältigt von der Macht der<br />

Emotionen, die über uns hereinbrachen.<br />

Da erreichte uns völlig unvorbereitet<br />

eine zweite Nachricht: Am<br />

gleichen Nachmittag hatten die<br />

Silberpfeile von Mercedes mit<br />

Fangio und Kling im ersten Einsatz<br />

nach dem Krieg in Reims<br />

einen Doppelsieg gefeiert. Man<br />

mag es heute vielleicht nicht<br />

glauben, aber uns jungen Kerlen<br />

war damals irgendwie bewusst:<br />

An diesem Tag hatte sich die<br />

Welt verändert. Deutschland war<br />

kein besiegtes, unbedeutendes<br />

Land mehr! Wir gehörten wieder<br />

zu den Besten der Welt!<br />

Dann kam das Jahr 1956, im<br />

Fernsehen geprägt durch den<br />

200. Geburtstag von Wolfgang<br />

Amadeus Mozart. Nun konnte<br />

man mit der damaligen Technik<br />

Musikwerke nicht live senden<br />

und die singenden Stars zeichneten<br />

sich meist durch eine Körperfülle<br />

aus, die der Stimmfülle entsprach,<br />

sie aber für die Nahaufnahmen<br />

der Kamera völlig<br />

untauglich machte. So entstanden<br />

die Musikaufnahmen – ich<br />

bin nie das Gefühl los geworden,<br />

dass man die Opern–Gesamtaufnahmen<br />

der Deutschen Grammophon<br />

verwendete – vorab im<br />

Studio und dann spielten Schauspieler<br />

die Rollen und bewegten<br />

den Mund im Playback. Leider<br />

durfte ich nur ganz wenige dieser<br />

Sendungen anschauen, denn<br />

der Fernseher stand bei Bekannten,<br />

und die luden (nur) meine<br />

Mutter ein! Alles Betteln half<br />

nicht: „Morgen ist Schule!“ hieß<br />

es. Mich aber hatte das Fernsehfieber<br />

gepackt und ich verbrachte<br />

meine Zeit in der Kneipe,<br />

wenn mich eine Sendung interessierte.<br />

Das war nun wiederum<br />

auch nicht im Sinne der Erzieher,<br />

und so reifte damals der Entschluss:<br />

Es muss ein Fernseher<br />

ins Haus, der Jung’ hockt zu viel<br />

in der Wirtschaft! Also kriegten<br />

wir unseren ersten Fernseher –<br />

mit 36cm–Bild zwar, aber endlich!<br />

Und so fing alles an.<br />

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