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Umweltleitfaden Teil V Artenschutz

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Stand Januar 2007<br />

Umwelt-Leitfaden<br />

zur eisenbahnrechtlichen Planfeststellung und<br />

Plangenehmigung sowie für Magnetschwebebahnen<br />

– Stand: Januar 2007 –<br />

<strong>Teil</strong> V :<br />

Behandlung besonders und streng geschützter Arten in der<br />

eisenbahnrechtlichen Planfeststellung<br />

Bearbeitet in der Arbeitsgruppe „<strong>Umweltleitfaden</strong>" des Eisenbahn-Bundesamtes:<br />

Eckhard Roll<br />

Bertram Walter<br />

Cornelia Hauke<br />

Kirsten Sommerlatte


Umwelt-Leitfaden des Eisenbahn-Bundesamtes – <strong>Teil</strong> V - <strong>Artenschutz</strong> in der Planfeststellung 2<br />

1. Einführung<br />

Durch die Entscheidungen des EuGH 1 sowie nachfolgend des BVerwG wurde inzwischen klar gestellt,<br />

dass artenschutzrechtliche Regelungen zusätzlich zur Eingriffsregelung zu beachten sind. § 43 Abs. 4<br />

BNatSchG ist dagegen nicht anwendbar. Die Rechtsgrundlagen des <strong>Artenschutz</strong>es und die Vorgehensweise<br />

in der Planfeststellung werden nachfolgend dargestellt.<br />

Das BNatSchG unterscheidet zwischen besonders und streng geschützten Arten. Besonders geschützte<br />

Arten sind (§ 10 Abs. 2 Nr. 10 BNatSchG):<br />

- Arten des Anhangs IV der RL<br />

92/43 EWG 2<br />

- Europäische Vogelarten<br />

(gem. Art. 1 Richtlinie<br />

79/409/EWG) 3<br />

- Arten der Anlage 1 Spalte 2<br />

und 3 zu § 1 Bundesartenschutzverordnung<br />

(BArtSch-<br />

VO)<br />

- Arten der Anhänge A und B<br />

der EG-Verordnung 338/97:<br />

Stand Januar 2007<br />

Der Anhang IV der FFH-RL enthält zahlreiche Arten, die auch<br />

auf Bahnanlagen vorkommen. So sind z.B. die meisten Eidechsen<br />

und alle Fledermäuse in Anhang IV aufgeführt.<br />

Alle in Europa natürlich vorkommenden Vogelarten.<br />

Die Bundesartenschutzverordnung umfasst einheimische Arten.<br />

In Anlage 1 Spalte 2 sind die besonders geschützten aufgeführt,<br />

darunter auch Arten, die auf Bahnanlagen vorkommen, so z.B.<br />

div. Wildbienen, Blauflügelige Ödlandschrecke, u.a.<br />

Diese Richtlinie regelt vor allem den Handel mit exotischen Tieren<br />

und Pflanzen die im Rahmen der Planfeststellung nur selten<br />

relevant werden.<br />

Streng geschützte Arten bilden eine <strong>Teil</strong>menge der besonders geschützten Arten (§ 10 Abs. 2 Nr. 11<br />

BNatSchG), für die nochmals strengere Vorschriften gelten:<br />

- Arten der Anhänge A der EG-VO 338/97<br />

- Arten des Anhangs IV der FFH-RL<br />

- Arten der Anlage 1 Spalte 3 zu § 1 BArtSchVO<br />

Auch einige europäische Vogelarten sind in diesen Rechtsquellen enthalten und streng geschützt.<br />

Das Bundesamt für Naturschutz stellt in der Datenbank WISIA (http://213.221.106.28/wisia/ ) Angaben<br />

zum Schutzstatus aller in Deutschland heimischen Arten bereit.<br />

2. Sachverhaltsermittlung<br />

2.1 Probleme bei der Ermittlung des Sachverhalts<br />

Bei der Anwendung der artenschutzrechtlichen Regelungen auf eisenbahnrechtliche Vorhaben ergeben<br />

sich besondere Probleme durch den Umstand, dass auch der technisch geprägte <strong>Teil</strong> von Bahnanlagen<br />

in hoher Dichte von besonders und teilweise auch von streng geschützten Arten besiedelt<br />

wird. Namentlich sind dies Wildbienen, Heuschrecken, Reptilien und Fledermäuse, in den Randbereichen<br />

Vögel sowie weitere Arten, die zumindest teilweise auch den Bahnkörper als <strong>Teil</strong>lebensraum<br />

nutzen bzw. queren. Schon bei geringfügigen Änderungsmaßnahmen an bestehenden Bahnanlagen<br />

ist daher immer mit dem Tod bzw. der Vernichtung von Gelegen oder Ruheräumen einzelner Exemplare<br />

der geschützten Arten zu rechnen.<br />

Aufwand und Erkenntnisgewinn von vertiefenden Untersuchungen stehen in einer Vielzahl von Fällen<br />

1 EuGH, 10.01.2006, C-98/03, BVerwG, Urteile vom 21.06.2006, Az.: 9 A 28.05 (Ortsumgehung Stralsund) und vom 16.03.2006<br />

Az.: 4 A 1001.04, 4 A 1073.04, 4 A 1075.04 und 4 A 1078.04 (Flughafen Schönefeld mit wortgleichen Entscheidungen zum<br />

<strong>Artenschutz</strong>)<br />

2 Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, im Folgenden als FFH-RL bezeichnet<br />

3 Vogelschutz-Richtlinie, im Folgenden als VRL bezeichnet


Umwelt-Leitfaden des Eisenbahn-Bundesamtes – <strong>Teil</strong> V - <strong>Artenschutz</strong> in der Planfeststellung 3<br />

in keinem vertretbaren Verhältnis. 4 Es ist daher unumgänglich, für eine Vielzahl von Vorhabentypen<br />

mit geringem Umfang und Flächeninanspruchnahme die mögliche Verletzung von Verbotstatbeständen<br />

des § 42 BNatSchG nach Erfahrungswerten zu beurteilen.<br />

2.2 Fachliche Unterlagen des Vorhabenträgers zum <strong>Artenschutz</strong><br />

Weitergehende Aussagen zum <strong>Artenschutz</strong> sind geboten, falls für das Vorhaben eine UVP-Pflicht<br />

besteht oder Frage 6c bzw. 6d der Umwelterklärung dies empfiehlt. In diesen Fällen ist die <strong>Artenschutz</strong>tabelle<br />

nach Anhang V-1 vorzulegen. In dieser Tabelle finden sich für den zuständigen Mitarbeiter<br />

des EBA alle für die Entscheidung notwendigen Informationen. Die <strong>Artenschutz</strong>tabelle leitet<br />

den Fachgutachter des Antragstellers dazu an, alle notwendigen Fragen zu beantworten und damit<br />

die rechtliche Bewertung durch das Eisenbahn-Bundesamt zu ermöglichen.<br />

Auf die Vorlage der <strong>Artenschutz</strong>tabelle ist daher gerade bei UVP-pflichtigen Vorhaben nachdrücklich<br />

hinzuwirken. Die <strong>Artenschutz</strong>tabelle ist <strong>Teil</strong> des LBP.<br />

3. Tatbestandsseite: Die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände<br />

In einigen der folgenden Normen werden nur absichtliche Beeinträchtigungen der geschützten Arten<br />

verboten. Als absichtlich im Sinne des <strong>Artenschutz</strong>rechtes ist bereits die wissentliche Inkaufnahme<br />

von Beeinträchtigungen anzusehen 5 . Soweit nicht im Einzelnen anders dargestellt, sind alle nachfolgend<br />

dargestellten Verbote bereits verwirklicht, wenn einzelne Individuen betroffen sind und nicht<br />

erst, wenn lokale Populationen in Mitleidenschaft gezogen werden. Die populationsökologischen Folgen<br />

sind dagegen im Stadium der Befreiungserteilung relevant.<br />

3.1 Planfeststellungsrelevante Verbotstatbestände des § 42 BNatSchG<br />

Die artenschutzrechtlichen Anforderungen des § 42 BNatSchG sind auch einzuhalten, wenn das Vorhaben<br />

im Rahmen eines Verfahrens nach § 18 AEG zugelassen wird und die Eingriffsregelung zur<br />

Anwendung kommt.<br />

Verbote des § 42 BNatSchG für besonders geschützte Arten<br />

Die nachfolgend aufgeführten Verbote gelten für alle besonders geschützten Tier- oder Pflanzenarten.<br />

Verbot der Tötung oder des Fangs besonders geschützter Tiere - § 42 Abs.1 Nr.1 BNatSchG<br />

Für den Bereich der Planfeststellung kann das Verbot einschlägig sein, wenn der Bau einer Eisenbahnbetriebsanlage<br />

voraussehbar zur Tötung von Exemplaren einer Art führt. Ein allgemeines Kollisionsrisiko<br />

durch zufälliges Hineinfliegen/ -laufen von geschützten Tieren in die Trasse ist nicht als Verbotsverletzung<br />

anzusehen. 6 Sobald jedoch durch ein Vorhaben Verhältnisse geschaffen werden, die<br />

punktuell ein besonderes Kollisionsrisiko nach sich ziehen, das deutlich über das allgemeine Lebensrisiko<br />

hinausgeht, ist der Verbotstatbestand verletzt. Dies kann z.B. dann angenommen werden, wenn<br />

eine neue Bahnstrecke die Wanderwege/ Wildwechsel/ Flugrouten einer geschützten Art durchschneidet.<br />

Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung von Nist-, Wohn- oder Zufluchtsstätten der Tiere<br />

wildlebender Arten (§ 42 Abs. 1 Nr.1 BNatSchG)<br />

Dieser Verbotstatbestand ist weit auszulegen und weicht von den vergleichbaren Regelungen der Art.<br />

5 VRL ab: Unter Brutstätten sind nicht nur die von Vögeln gerade besetzten, sondern auch regelmäßig<br />

benutzte Brutplätze zu verstehen, selbst wenn sie während der winterlichen Abwesenheit von Zugvögeln<br />

unbesetzt sind. „Brutstätten sind mithin jedenfalls dann betroffen, wenn ein ganzes Brutrevier, in<br />

dem sich solche regelmäßig besetzten Brutplätze befinden, vollständig beseitigt wird.“ 7 . Nicht erfasst<br />

sind dagegen Nahrungshabitate und Wanderwege zwischen <strong>Teil</strong>lebensräumen, es sei denn, durch<br />

den Verlust der Nahrungshabitate oder die Zerschneidung der Wanderwege werden Nist-, Wohn- oder<br />

Zufluchtsstätten funktionslos.<br />

4 Beispiel: Alle Wildbienen gehören nach der BArtSchVO zu den besonders geschützten Arten. Selbst wenn Brutröhren von<br />

Wildbienen z.B. vor der Verlegung einer Leitung im sandigen Randweg einer Bahnstrecke kartiert würden, wäre die Aussagekraft<br />

dieser Erfassung schon zum Zeitpunkt der Plangenehmigung überholt und als Entscheidungsgrundlage unbrauchbar.<br />

5 EuGH, Urteil vom 18.05.2006, Az.: C-221/04<br />

6 Mdl. Verhandlung des 9. Senats am BVerwG am 0712.2005 zur Ortsumgehung Grimma (B 107), 9 VR 41/05<br />

7 BVerwG, 21.06.2006, 9 A 28.05<br />

Stand Januar 2007


Umwelt-Leitfaden des Eisenbahn-Bundesamtes – <strong>Teil</strong> V - <strong>Artenschutz</strong> in der Planfeststellung 4<br />

Verbot der Beschädigung oder Vernichtung von Pflanzen oder Pflanzenteilen (§ 42 Abs. 1 Nr.2<br />

BNatSchG )<br />

Es ist verboten, wildlebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre <strong>Teil</strong>e oder ihre Entwicklungsformen<br />

abzuschneiden, abzupflücken, aus- oder abzureißen, auszugraben, zu beschädigen<br />

oder zu vernichten. Von den Verboten sind auch Beeinträchtigungen von Samen, Knollen, etc. umfasst.<br />

Verbote des § 42 BNatSchG für streng geschützte Arten<br />

Die Verbote gelten für alle streng geschützten Arten, unabhängig davon, ob der Schutz aus BArtSch-<br />

VO oder FFH-RL resultiert.<br />

Störung wildlebender Tiere an ihren Nist-, Brut-, Wohn- oder Zufluchtsstätten durch Aufsuchen,<br />

Fotografieren, Filmen oder ähnliche Handlungen (§ 42 Abs. 1 Nr.3 BNatSchG)<br />

Diese Regelung gilt für streng geschützte Arten sowie für besonders geschützte Vogelarten. Der Verbotstatbestand<br />

umfasst auch bau- und betriebsbedingte optische und akustische Störwirkungen. 8 <strong>Artenschutz</strong>rechtlich<br />

relevant sind nur Störungen, in deren Folge das Überleben einzelner Individuen<br />

oder deren Bruterfolg gefährdet ist.<br />

Beeinträchtigung der Standorte wild lebender Pflanzen durch Aufsuchen, Fotografieren, Filmen<br />

oder ähnliche Handlungen § 42 Abs.1 Nr.4 BNatSchG<br />

Das BVerwG hat deutlich gemacht, dass „ähnliche Handlungen“ vor dem Hintergrund der gemeinschaftsrechtlichen<br />

Vorgaben weit auszulegen sind. Die Zerstörung der Standorte streng geschützter<br />

Pflanzenarten ist demnach unabhängig von der Art der zerstörerischen Einwirkung verboten.<br />

3.2 Verbote des Art. 5 VRL für Europäische Vogelarten<br />

Die Verbotstatbestände des Art. 5 VS-RL sind mit Ausnahme von Art. 5 lit. d als individuumsbezogene<br />

Regelungen aufzufassen. 9 Sie gelten für alle europäischen Vogelarten (vgl. Kap. I).<br />

Absichtliche Tötung oder Fang ungeachtet der angewandten Methode (Art. 5 lit. a VS-RL)<br />

Dieses Verbot der VS-RL umfasst Verkehrskollisionen nicht.<br />

Während das Tötungsverbot in § 42 BNatSchG ohne Einschränkungen formuliert ist und damit bis zu<br />

einem gewissen Grad auch Verkehrskollisionen umfasst (s. o.), ist die sinnverwandte Vorschrift in Art<br />

5 lit A) VRL enger gefasst. Diese Einschätzung knüpft hinsichtlich der europarechtlichen Verbotstatbestände<br />

an die Formulierungen und den Kontext der Regelung an: Verboten ist das Töten „ungeachtet<br />

der angewandten Methode“. Wie der Kontext der Regelung, insbesondere die folgenden Artikel 6<br />

und 7 sowie die Erwägungsgründe 10 deutlich machen, erfolgt das Verbot in einem jagdlichen Kontext.<br />

Dem entsprechend sind die wichtigsten Methoden in Anhang IV VRL aufgeführt: Hier finden sich ausschließlich<br />

bestimmte jagdliche Praktiken, wie der Fang mit Schlingen, Sprengstoff oder Leimruten.<br />

Auch der Begriff der Methode an sich legt ein gezieltes und planmäßiges Vorgehen nahe, das durch<br />

Verkehrskollisionen nicht erfüllt wird.<br />

Die Ausweitung des Verbotes der methodischen Tötung auch auf Verkehrskollisionen auf dem Wege<br />

eines Analogieschlusses verbietet sich vor dem Hintergrund des Art. 2 VRL, der fordert, bei der Umsetzung<br />

den wirtschaftlichen Erfordernissen Rechnung zu tragen. Mit dem Neu- und vermutlich auch<br />

dem Ausbau von Schienenwegen ist jedoch immer und unvermeidlich eine Erhöhung von Vogelkollisionen<br />

verbunden. Wären diese unter Art. 5 lit a) VRL zu subsumieren, wäre der Neubau von Schienenwegen<br />

i. d. R. unzulässig, da eine Ausnahme nach Art. 9 VRL mangels Abweichungsgründen für<br />

Verkehrsvorhaben (mit Ausnahme des Luftverkehrs) nicht möglich ist. Das Gemeinschaftsrecht zählt<br />

jedoch auch den Ausbau von Schienenwegen zu den wirtschaftlichen Erfordernissen und hat dies z.B.<br />

mit den RL 91/440 EWG, 96/48 EG und 2001/16 EG verdeutlicht. Eine widerspruchsfreie Auslegung<br />

des Gemeinschaftsrechtes insgesamt erfordert daher eine eng an der Formulierung angelehnte Inter-<br />

8 aaO. Nach neuesten Erkenntnissen werden durch den Verkehrslärm an Schienenwegen nur sehr wenige Vogelarten beeinträchtigt<br />

und dies auch nur bei einer sehr hohen Zugdichte (MIERWALD i. V.).<br />

9 BVerwG, Urteil vom 16.03.2006, Az.: 4 A 1001/04, Rd-Nr.537<br />

10 Die Erwägungsgründe führen als Ursachen der Bedrohung vor allem Lebensräumzerstörung, Jagd und Handel auf.<br />

Stand Januar 2007


Umwelt-Leitfaden des Eisenbahn-Bundesamtes – <strong>Teil</strong> V - <strong>Artenschutz</strong> in der Planfeststellung 5<br />

pretation des Verbotes der methodischen Tötung, das Verkehrskollisionen nicht umfassen kann.<br />

Absichtliche Zerstörung, Beschädigung von Eiern oder Nestern und die Entfernung von Nestern<br />

(Art. 5 lit. b VS-RL)<br />

Der Verbotstatbestand ist deutlich enger gefasst als in § 42 Abs.1 Nr. 2 BNatSchG. Nester, die nicht<br />

mehr genutzt werden, sind ebenso wenig geschützt wie Eierreste etc. Durch das Verbot geschützt<br />

sind dagegen aktuell genutzte Nester und Gelege sowie Nester, die jedes Jahr wiederkehrend genutzt<br />

werden. 11 Sofern die Beseitigung eines Niststandortes, der wiederkehrend genutzte Nester beherbergt,<br />

im Zuge eines Vorhabens unvermeidlich ist, muss geprüft werden, ob das betroffene Nest auf<br />

einen Ersatzstandort innerhalb des Brutreviers umgesiedelt werden kann. Eine solche Umsiedlung gilt<br />

nicht als Entfernung von Nestern im Sinne der VRL.<br />

Absichtliche Störung, insbesondere während der Brut- und Aufzuchtszeit, sofern sich die Störung<br />

auf die Zielsetzung der Vogelschutzrichtlinie erheblich auswirken kann (Art. 5 lit. d VS-RL)<br />

Dieses Verbot umfasst nur Störungen, die so erheblich sind, dass Zielsetzungen der Vogelschutzrichtlinie<br />

negativ beeinflusst werden. Der Verlust einzelner Brutreviere, aber auch ganzer lokaler Populationen<br />

kann somit u. U. akzeptabel sein, wenn der Erhaltungszustand einer Art dadurch nicht negativ<br />

beeinflusst wird oder die schädlichen Auswirkungen durch Kompensationsmaßnahmen aufgefangen<br />

werden können. 12 Hinsichtlich der Art der Störung kennt die Vogelschutzrichtlinie keine Einschränkungen.<br />

Erfasst sind damit auch Störungen durch Verkehrslärm oder Verkehrskollisionen (siehe die Ausführungen<br />

zu § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG).<br />

3.3 Planfeststellungsrelevante Verbote des Art. 12 FFH-RL<br />

Die folgenden Verbote gelten nur für Tierarten nach Anhang IV FFH-RL. Soweit nichts anderes ausgeführt<br />

wird, sind sie bereits bei der Schädigung einzelner Individuen verletzt. 13<br />

Absichtliche Formen des Fangs oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren<br />

dieser Tierarten (Art. 12 Abs. 1 lit. a FFH-RL)<br />

Der Vergleich mit Fassungen in verschiedenen anderen europäischen Sprachen macht deutlich, dass<br />

mit der missverständlichen Formulierung die Tötung wild lebender Exemplare der geschützten Arten<br />

angesprochen ist. Die Norm zielt auf die Beeinträchtigung einzelner Individuen ab (vgl. Ausführungen<br />

zu § 42 Abs. 1 Nr. BNatSchG).<br />

Ob das Verbot auch für Verkehrskollisionen greift, kann derzeit nicht entschieden werden. Im Gegensatz<br />

zur VRL lässt sich weder aus der Formulierung, dem Kontext noch der Entstehungsgeschichte<br />

etwas Eindeutiges entnehmen. 14 Die Europäische Kommission scheint Verkehrskollisionen für eine<br />

unabsichtliche Beeinträchtigung zu halten. 15 Dagegen hat der 9. Senat des BVerwG deutlich gemacht,<br />

dass er zu dieser Frage eine Vorlage an den EuGH für nahe liegend hält. 16<br />

Sofern durch ein Vorhaben Verkehrskollisionen zu erwarten sind, die über das allgemeine Lebensrisiko<br />

hinausgehen (siehe Ausführungen zu § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG), ist vorsorglich von einer Verbotsverletzung<br />

auszugehen. Die Ausnahmevoraussetzungen des Art. 16 FFH-RL sind zu prüfen (s.<br />

u.).<br />

Absichtliche Störung der Arten, insbesondere während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs-<br />

oder Wanderungszeiten (Art. 12 Abs. 1 lit. b FFH-RL)<br />

Siehe Ausführungen zu § 42 Abs. 1 Nr.3 BNatSchG.<br />

Absichtliche Zerstörung von Eiern (Art. 12 Abs. 1 lit. c FFH-RL)<br />

Auch die Zerstörung einzelner Gelege (z.B. Zauneidechse) ist angesprochen.<br />

11<br />

BVerwG, „Stralsund“-Urteil<br />

12<br />

aaO.<br />

13<br />

BVerwG, Urteil vom 16.03.2006, Az.: 4 A 1001/04<br />

14<br />

Einzelne Sprachfassungen der FFH-RL verzichten auf den Begriff der „Form des Fangs oder der Tötung“ und beziehen sich<br />

ausschließlich auf den Fang oder die Tötung.<br />

15<br />

European Commission, DG Env.: Guidance document on the strict protection of animal species of community interest provided<br />

by the ‘Habitats’ Directive 92/43/EEC, 5. Version, April 2006, Kap. II.3.6<br />

16 Mdl. Verhandlung des 9. Senats am BVerwG am 0712.2005 zur Ortsumgehung Grimma (B 107), 9 VR 41/05<br />

Stand Januar 2007


Umwelt-Leitfaden des Eisenbahn-Bundesamtes – <strong>Teil</strong> V - <strong>Artenschutz</strong> in der Planfeststellung 6<br />

Beschädigung von Fortpflanzungs- oder Ruhestätten (Art. 12 Abs. 1 lit. d FFH-RL)<br />

Die Ausführungen des BVerwG 17 zu § 42 Abs. 1 Nr.1 BNatSchG sind auch auf Art. 12 Abs. 1 lit. d<br />

FFH-RL anzuwenden. Siehe daher Kap. 3.1.<br />

3.4 Planfeststellungsrelevante Verbote des Art. 13 Abs. 1 lit. a FFH-RL<br />

Die Verbotstatbestände des Art. 13 Abs. 1 lit. a FFH-RL zielt dem Wortlaut nach auf den Schutz einzelner<br />

Exemplare gegenüber Beeinträchtigungen ab.<br />

Verboten sind die folgenden Tatbestände: das absichtliche Pflücken, Sammeln, Abschneiden, Ausgraben<br />

oder Vernichten von Exemplaren der Pflanzenarten des Anhang IV FFH-RL (Art. 13 Abs. 1 lit.<br />

a). Art. 13 Abs. 2 weist darauf hin, dass der Begriff der Pflanze alle Lebensstadien umfasst. Die Formulierung<br />

knüpft an einzelne Exemplare einer Art an. Die umfassenden Verbotskataloge machen in<br />

beiden Normen deutlich, dass letztlich jede Form der Beeinträchtigung untersagt ist (siehe auch § 42<br />

Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG).<br />

3.5 Vorgaben der Eingriffsregelung bei der Zerstörung von Biotopen wildlebender<br />

Arten (§ 19 Abs. 3 BNatSchG)<br />

§ 19 Abs.3 Satz 2 BNatSchG bestimmt für streng geschützte Arten: „Werden als Folge des Eingriffs<br />

Biotope zerstört, die für dort wild lebende Tiere und wild wachsende Pflanzen der streng geschützten<br />

Arten nicht ersetzbar sind, ist der Eingriff nur zulässig, wenn er aus zwingenden Gründen des überwiegenden<br />

öffentlichen Interesses gerechtfertigt ist.“ Mit dem Begriff des Biotops werden alle Lebensräume<br />

angesprochen, die von streng geschützten Arten regelmäßig aufgesucht werden und für ihr<br />

Überleben obligat sind.<br />

Für die Biotope streng geschützter Pflanzenarten gilt: § 10 Abs. 2 Nr. 2 zählt zu den Pflanzen auch<br />

deren Entwicklungsstufen. Daher ist ein Standort, auf dem streng geschützte Arten derzeit nicht<br />

wachsen ( z. B. außerhalb der artspezifischen Vegetationsperiode), aber Entwicklungsstufen im Erdreich<br />

vermutet werden müssen, von den Vorgaben des § 19 Abs. 3 BNatSchG erfasst. Dies gilt jedoch<br />

nur dann, wenn die konkrete Fläche regelmäßiger Standort der streng geschützten Art ist und diese<br />

nicht nur sporadisch dort auftritt.<br />

4. Rechtsfolgen im <strong>Artenschutz</strong> und ihre Bewältigung in der eisenbahnrechtlichen<br />

Planfeststellung<br />

Die Rechtsfolgen sind der <strong>Artenschutz</strong>tabelle (Muster in Anhang V-1) zu entnehmen.<br />

4.1 Wirkung des § 43 Abs. 4 und 8 BNatSchG in der Planfeststellung<br />

§ 43 Abs. 4 und 8 BNatSchG sind im Rahmen von Planfeststellungsverfahren nicht anwendbar.<br />

4.2 Befreiung nach § 62 BNatSchG<br />

In Kap. 3 wurde verdeutlicht, dass schon bei geringfügigen Änderungen von Bahnanlagen Verbotstatbestände<br />

des § 42 Abs.1 BNatSchG verletzt werden können. Aus diesem Grund ist bei Vorliegen der<br />

Voraussetzungen für so gut wie alle nach § 18 AEG genehmigten Vorhaben eine Befreiung nach § 62<br />

BNatSchG erforderlich. Diese wird von der Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses/<br />

der Plangenehmigung umfasst. Eine ausdrückliche Begründung der Befreiung ist in den folgenden<br />

Fällen geboten:<br />

1. Vorschriften der FFH-Richtlinie oder der Vogelschutzrichtlinie sind berührt (dann siehe Hinweise in<br />

Kap. 4.2.1 und 4.2.2) oder<br />

2. die <strong>Artenschutz</strong>tabelle weist in Spalte 4 aus, dass durch das Vorhaben die Population der betroffenen<br />

Art gefährdet ist oder<br />

3. der Beschluss legt dem Vorhabenträger umfangreiche artspezifische Vermeidungs- oder Kompensationsmaßnahmen<br />

auf, so dass eine explizite artenschutzrechtliche Begründung erforderlich<br />

ist oder<br />

4. artenschutzrechtliche Belange werden durch TÖB oder Vereine thematisiert.<br />

17 Urteile des BVerwG 16.03.2006 Az.: 4 A 1001.04, 4 A 1073.04, 4 A 1075.04 und 4 A 1078.04<br />

Stand Januar 2007


Umwelt-Leitfaden des Eisenbahn-Bundesamtes – <strong>Teil</strong> V - <strong>Artenschutz</strong> in der Planfeststellung 7<br />

Bei der Erteilung der Befreiung nach § 62 BNatSchG gelten die folgenden Hinweise: Als Befreiungsgrund<br />

kommen regelmäßig Gründe des Gemeinwohls in Betracht. Es ist allerdings abzuwägen, ob die<br />

Belange des <strong>Artenschutz</strong>es oder die für das Vorhaben streitenden Belange überwiegen. In dieser<br />

Abwägung sind neben den im Einzelfall gegebenen verkehrlichen Belangen die folgenden Gesichtspunkte<br />

zu berücksichtigen:<br />

a. § 63 BNatSchG stärkt die verkehrlichen Belange in der Abwägung.<br />

b. Der <strong>Artenschutz</strong>tabelle, Spalte Kompensationsmaßnahmen, ist zu entnehmen, ob für die betroffene<br />

Art Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen geplant sind. Sofern diese Maßnahmen im Ergebnis<br />

die Schädigung der jeweiligen Population verhindern oder artspezifisch kompensieren, kann eine<br />

Befreiung nach § 62 problemlos erteilt werden.<br />

c. Der <strong>Artenschutz</strong>tabelle, Spalte „Populationsökologische Folgen“, ist zu entnehmen, wie gravierend<br />

sich die Verbotsverletzungen auf den Bestand der betroffenen geschützten Art auswirken. Das<br />

Gewicht des <strong>Artenschutz</strong>es in der Abwägung wird umso mehr gestärkt, je gravierender die Auswirkungen<br />

auf den Arterhalt sind. Bei gravierenden Auswirkungen auf die Population kann die Befreiung<br />

nur nach einer intensiven Prüfung möglicher Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen<br />

erteilt werden.<br />

d. Die Befreiung nach § 62 BNatSchG erfordert keine Alternativenprüfung. Diese kann im Ausnahmeverfahren<br />

nach den Art. 9 Art. 5 VRL bzw. Art. 16 FFH-RL erforderlich werden (s. u.). 18<br />

4.2.1. Berücksichtigung der Art. 12, 13 und 16 FFH-RL<br />

Sofern die <strong>Artenschutz</strong>tabelle eine Verletzung der Verbotstatbestände der Art. 12 und 13 FFH-<br />

Richtlinie für Arten des Anhang IV dieser Richtlinie ausweist, ist im Rahmen einer Befreiung nach § 62<br />

BNatSchG auch zu prüfen, ob eine Abweichung nach Art. 16 FFH-RL möglich ist. Dabei ist wie folgt<br />

vorzugehen:<br />

a. Zunächst ist gründlich und unter Berücksichtigung der Vorgaben in Kap. 2 zu prüfen, ob die Verbote<br />

der Art. 12 und 13 tatsächlich berührt sind bzw. ob Verbotsverletzungen durch Vermeidungsmaßnahmen<br />

bzw. negative Folgen für die örtliche Population durch entsprechende Maßnahmen<br />

(CEF-Maßnahmen, s. u.) verhindert werden können.<br />

b. Sollte dies nicht der Fall sein, ist eine Abweichung nur möglich, wenn keine andere zufriedenstellende<br />

Lösung existiert. Sollte eine andere zufriedenstellende Lösung existieren, wäre das Vorhaben<br />

in der beantragten Form nicht genehmigungsfähig.<br />

Der Vorhabenträger muss sich allerdings nicht auf eine anderweitige Lösung verweisen lassen,<br />

wenn diese ebenfalls zu erheblichen Beeinträchtigungen von geschützten Arten oder FFH-<br />

Gebieten führen würde. Er darf von einer Alternativlösung Abstand nehmen, die ihm Opfer abverlangt,<br />

die außer Verhältnis zu dem mit ihr erreichbaren Gewinn für Natur und Umwelt stehen. Eine<br />

Alternativlösung darf schließlich auch aus naturschutzexternen Gründen als unverhältnismäßiges<br />

Mittel verworfen werden. 19<br />

c. Aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses kann von den Verboten<br />

der Art. 12 und 13 abgewichen werden, wenn keine andere zufriedenstellende Lösung vorliegt.<br />

Zwingende Gründe sind Gemeinwohlinteressen von besonderem Gewicht, darunter auch verkehrliche<br />

Belange (Näheres siehe <strong>Teil</strong> 4 des <strong>Umweltleitfaden</strong>s). Ob sie im Einzelfall die Belange<br />

des <strong>Artenschutz</strong>es überwiegen, ist zum einen von den für das Vorhaben streitenden verkehrlichen<br />

Belangen abhängig. Zum anderen ist in die Abwägung einzustellen, wie gravierend sich die<br />

Verbotsverletzungen auf den Bestand der geschützten Art auswirken. Dazu sind aussagekräftige<br />

Unterlagen des Vorhabenträgers zu fordern. Als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen<br />

Interesses können regelmäßig Belange angesehen werden, die auch eine Enteignung<br />

rechtfertigen würden.<br />

d. Werden zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses festgestellt und ist keine<br />

Alternative vorhanden, ist zuletzt zu prüfen, ob die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen<br />

Verbreitungsgebiet in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen. Sollte dies nicht<br />

der Fall sein, wäre zu prüfen, ob der günstige Erhaltungszustand durch geeignete Maßnahmen<br />

gesichert werden kann.<br />

18 BVerwG, Urteil vom 21.06.2006, 9A 28/05, Rd-Nr. 46<br />

19 BVerwG, 16.03.2006, 4 A 1001/04, Rd.-Nr.541<br />

Stand Januar 2007


Umwelt-Leitfaden des Eisenbahn-Bundesamtes – <strong>Teil</strong> V - <strong>Artenschutz</strong> in der Planfeststellung 8<br />

Falls sich der günstige Erhaltungszustand einer betroffenen Art nicht aufrechterhalten lässt, wäre<br />

eine Abweichung nach Art. 16 FFH-RL und damit eine Befreiung nach § 62 BNatSchG ausgeschlossen.<br />

Dieses Ergebnis stünde einer Zulassung des Vorhabens entgegen und ist in der Abwägung<br />

nicht überwindbar.<br />

e. Werden zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses festgestellt, ist keine<br />

Alternative vorhanden und verbleibt die Population der betroffenen Art trotz Beeinträchtigung in<br />

einem günstigen Erhaltungszustand, kann eine Abweichung nach Art. 16 FFH-Richtlinie und damit<br />

auch eine Befreiung nach § 62 BNatSchG erfolgen. Diese erfolgt explizit im Beschlusstext.<br />

4.2.2 Berücksichtigung der Art. 5, 6, 7 und 9 der VS-RL<br />

Hinsichtlich der Beachtung der Vogelschutzrichtlinie bei der Verletzung von Verboten des Art. 5 VRL<br />

ist die Sachlage komplizierter, da die Ausnahmevorschrift in Art. 9 VRL keine für Verkehrsvorhaben<br />

(mit Ausnahme des Luftverkehrs) geeigneten Befreiungstatbestände enthält: Die Vorraussetzungen<br />

für eine „Abweichung“ gem. Art. 9 Vogelschutzrichtlinie machen vielmehr deutlich, dass Eisenbahnvorhaben,<br />

sobald Verbotsvorschriften der Vogelschutzrichtlinie verletzt sind, nur in Ausnahmefällen 20<br />

zugelassen werden können.<br />

Zunächst ist daher gründlich und unter Berücksichtigung der Vorgaben in Kap. 2 und 4.2.3 zu prüfen,<br />

ob die Verbote des Art. 5 tatsächlich berührt sind und ob die Verbotsverletzungen durch Vermeidungsmaßnahmen<br />

bzw. ob negative Folgen für die örtliche Population durch entsprechende Maßnahmen<br />

(CEF-Maßnahmen, s. u.) verhindert werden können. Sollten trotz erneuter Prüfung nach<br />

Maßgabe der oben genannten Ausführungen Verbotsverletzungen konstatiert werden, ist der AK <strong>Umweltleitfaden</strong><br />

zu unterrichten.<br />

4.2.3 CEF-Maßnahmen<br />

Um die Verletzung von artenschutzrechtlichen Verboten zu vermeiden, ist zunächst zu prüfen, ob<br />

durch Vermeidungsmaßnahmen (siehe Beispiele in Anhang III-7), wie sie auch in der Eingriffsregelung<br />

üblich sind, die entsprechenden Verbote vermieden werden können. Zu Vermeidungsmaßnahmen<br />

im weitesten Sinne können im artenschutzrechtlichen Kontext im Unterschied zur Eingriffsregelung<br />

auch solche Maßnahmen gezählt werden, die im Ergebnis eine Beeinträchtigung der betroffenen<br />

Population verhindern. Dies kann durch eine Aufwertung des betroffenen Lebensraumes oder dessen<br />

Erweiterung erfolgen.<br />

Die Möglichkeit, die Verletzung artenschutzrechtlicher Verbote durch Maßnahmen mit einem sehr<br />

engen räumlichen und funktionalen Bezug zur betroffenen Population zu verhindern, wurde von der<br />

ARTICLE 12 WORKING GROUP im Report „Contribution to the interpretation of the strict protection of<br />

species“ entwickelt. Die entsprechenden Maßnahmen werden als CEF-Maßnahmen bezeichnet, da<br />

sie die ökologischen Funktionen kontinuierlich sichern (Continuous ecolgical functionality). Ihre Durchführung<br />

muss dem Eingriff in vielen Fällen zeitlich vorausgehen.<br />

Sofern eine Maßnahme (auch) dazu dient, artenschutzrechtliche Verbotsverletzungen zu verhindern,<br />

ist im LBP und im Maßnahmenblatt gesondert darauf hinzuweisen. Weiterhin sind nähere Angaben<br />

zum Zeitpunkt der Maßnahmendurchführung zu machen.<br />

Wenn die Verletzung von artenschutzrechtlichen Verboten nur durch die Durchführung spezifischer<br />

Maßnahmen verhindert werden kann, ist die betroffene Art dennoch in die <strong>Artenschutz</strong>tabelle aufzunehmen,<br />

da für die Planfeststellungsbehörde die Herleitung der betreffenden Maßnahme und ihr<br />

rechtliches Gewicht nur so erkennbar wird.<br />

20 Sind Erfolg versprechende Maßnahmen nicht möglich, ist zu prüfen, ob Gründe der Volksgesundheit oder der öffentlichen<br />

Sicherheit das Vorhaben erfordern (dies könnte z.B. bei Maßnahmen zur Gefahrenabwehr an bestehenden Anlagen gegeben<br />

sein).<br />

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4.3 Anwendung des § 19 Abs. 3 BNatSchG<br />

Parallel zur Anwendung des § 42 BNatSchG ist § 19 Abs. 3 BNatSchG anzuwenden. Werden Lebensräume<br />

der streng geschützten Arten zerstört, ist demnach zu prüfen, ob diese ersetzbar sind. In Frage<br />

kommen nur Maßnahmen zur Förderung der im Einzelfall betroffenen streng geschützten Art. Sind<br />

Ersatzmaßnahmen für die betroffene Art nicht möglich, ist das Vorhaben nur zulässig, wenn es durch<br />

zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses gerechtfertigt ist. S. o.<br />

4.4 Prüfung der UVP-Pflicht<br />

Durch die Regelungen des BNatSchG sowie der FFH-RL und VS-RL erhalten Belange des <strong>Artenschutz</strong>es<br />

ein oft entscheidungserhebliches Gewicht. Damit können sie auch entscheidungserhebliche,<br />

nachteilige Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c UVPG darstellen. Der <strong>Artenschutz</strong>tabelle, Spalte<br />

„Folgen der Beeinträchtigung“, ist zu entnehmen, wie gravierend sich die erwarteten Beeinträchtigungen<br />

auf die Population der geschützten Arten auswirken. Sofern auch unter Berücksichtigung von<br />

artspezifischen Vermeidungs-, Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen die Überlebensfähigkeit einer<br />

lokalen Population in Frage gestellt ist, muss auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt<br />

werden.<br />

Anlage V-1: <strong>Artenschutz</strong>tabelle<br />

1 2 3 4 5 6<br />

Betroffene Art/ Arten- Schutzstatus: Verbotsverlet- Populationsökologische Maßnahmen Rechtsfolgen:<br />

gruppezung<br />

Folgen<br />

.............................<br />

Bearbeitungshinweise:<br />

Die <strong>Artenschutz</strong>tabelle ist <strong>Teil</strong> des LBP. Die Ergebnisse sind in der UVS zu berücksichtigen. In die<br />

<strong>Artenschutz</strong>tabelle sind alle geschützten Arten aufzunehmen, für die entweder Verbotsverletzungen<br />

zu erwarten sind oder für die Verbotsverletzungen nur durch spezifische Maßnahmen verhindert werden<br />

können.<br />

Spalte 1: Betroffene Art/ Artengruppe<br />

Hier ist die betroffene Art einzutragen. Bei Vorhaben in Lebensräumen von mittlerer Bedeutung ohne<br />

besondere faunistische Strukturmerkmale wird es nicht sinnvoll sein, gesonderte faunistische oder<br />

floristische Erhebungen durchzuführen. Stattdessen kann der Artenbestand auf der Grundlage von<br />

Erfahrungswerten und einer ergänzenden Recherche der Datenbanken zu geschützten Arten der<br />

Landesnaturschutzverwaltungen erfolgen.<br />

Geländeerhebungen zu einzelnen Arten sind immer erforderlich, wenn auf Grund der örtlichen Gegebenheiten<br />

� Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie<br />

� Arten des Anhangs I der Vogelschutzrichtlinie<br />

zu vermuten sind oder<br />

� sonstige besonders oder streng geschützte Arten vorkommen können, die nach naturschutzfachlichen<br />

Maßstäben (z.B. Rote Listen) als gefährdet einzustufen sind, da mögliche Beeinträchtigungen<br />

in diesem Fall besonders entscheidungsrelevant sein könnten,<br />

und keine ausreichenden Kartierungen oder Aussagen von Fachbehörden vorliegen.<br />

Es kann sinnvoll sein, in Spalte 1 nicht einzelne Arten, sondern eine definierte Menge von Arten (z.B.<br />

gebüschbewohnende Vogelarten) einzutragen, sofern sich die so zusammengefassten Arten hinsichtlich<br />

Schutzstatus, Art der Beeinträchtigung sowie in den populationsökologischen Folgen der Beeinträchtigung<br />

nicht unterscheiden. Die Bezeichnung muss weiterhin so eindeutig sein, dass bei Bedarf<br />

eine einzelne Art der Sammelbezeichnung zugeordnet werden kann.<br />

Unabdingbar ist jedoch, dass die <strong>Artenschutz</strong>tabelle vollständig zu allen geschützten Arten Aussagen<br />

trifft, die durch das Vorhaben beeinträchtigt werden.<br />

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Spalte 2: Schutzstatus<br />

In Spalte 2 kommen die folgenden Eintragungen in Frage:<br />

� Europäische Vogelart<br />

� Anhang IV FFH-RL<br />

� Anhang A VO 338/97 EG<br />

� Anhang B VO 338/97 EG<br />

� BArtSchVO Anlage 1, Spalte 2<br />

� BArtSchVO Anlage 1, Spalte 3<br />

In zahlreichen Fällen sind Mehrfachnennungen notwendig.<br />

Spalte 3: Verbotsverletzung<br />

Hier sind die folgenden Nennungen möglich:<br />

� § 42 Abs. 1 Nr.1, 2, 3 oder 4 BNatSchG<br />

� § 19 Abs. 3 BNatSchG<br />

� Art. 5 lit. a, b oder d VS-RL<br />

� Art. 12 Abs. 1 lit. a, b, c oder d FFH-RL<br />

� Art. 13 Abs. 1 lit. a FFH-RL<br />

Ob die jeweiligen Verbotstatbestände erfüllt sind, ist nach Maßgabe der Hinweise in Kap. 3 zu entscheiden.<br />

Vermeidungsmaßnahmen sind zu Gunsten des Vorhabenträgers zu berücksichtigen.<br />

Sofern Verbotsverletzungen nur durch spezifische Vermeidungs- oder CEF-Maßnahmen zu verhindern<br />

sind, erfolgt in Spalte 3 der Eintrag:<br />

� Keine Verbotsverletzung bei Umsetzung der Maßnahmen in Spalte 5<br />

Spalte 4: Populationsökologische Folgen<br />

Die Frage ist zunächst auf die Überlebungsfähigkeit der lokalen Population gerichtet, da sich auf dieser<br />

Ebene bei den allermeisten Vorhaben eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes einer Art<br />

insgesamt bereits ausschließen lässt. Möglich sind die folgenden Antworten:<br />

� Nein (Falls Beeinträchtigungen der Lokalpopulation auch ohne Maßnahmen ausgeschlossen sind)<br />

� Nein, bei Durchführung der Maßnahmen in Spalte 5 (falls Beeinträchtigungen der Lokalpopulation<br />

zu erwarten sind, aber durch spezifische Vermeidungs- oder CEF-Maßnahmen ausgeschlossen<br />

werden können)<br />

� Ja (Beeinträchtigungen der Lokalpopulation auch mit entsprechenden Maßnahmen nicht ausgeschlossen<br />

werden können.<br />

Im letzten Fall sind über die <strong>Artenschutz</strong>tabelle hinaus weitergehende Ausführungen erforderlich. Diese<br />

müssen erkennen lassen, ob durch das Vorhaben der günstige Erhaltungszustand einer Art gefährdet<br />

sein könnte.<br />

Die populationsökologische Folgenabschätzung kann in sehr unterschiedlicher Weise erfolgen und<br />

von einer groben, überschlägigen Abschätzung bis hin zu detaillierten populationsökologischen Untersuchungen<br />

reichen. Die Bearbeitungstiefe richtet sich auf der Vorhabenseite nach Intensität und Dimension<br />

des Eingriffes. So werden bei Neubaustrecken regelmäßig vertiefte Untersuchungen zu verschiedenen<br />

Arten notwendig sein, während kleine Baumaßnahmen, wie Bahnübergangsbeseitigungen<br />

o.ä. durch eine überschlägige Abschätzung ausreichend bearbeitet werden können. Auf der naturschutzfachlichen<br />

Seite wird die Bearbeitungstiefe nach dem Bedrohungsgrad der betroffenen Art bestimmt.<br />

Auch kleinere Baumaßnahmen mit Beeinträchtigungspotential bedrohter Arten (z.B. im Umfeld<br />

von Seeadlerhorsten) können demnach fundierte Prognosen erfordern.<br />

Spalte 5: Maßnahmen<br />

Hier sind artenschutzrechtlich motivierte Vermeidungs- und CEF-Maßnahmen sowie Maßnahmen<br />

aufzulisten, die den günstigen Erhaltungszustandes der betroffenen geschützten Arten sicherstellen.<br />

Die Angaben können z.B. durch Nennung der Maßnahmennummer aus dem LBP erfolgen. Arten-<br />

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schutzrechtlich motivierte Kompensationsmaßnahmen stellen i.d.R. auch Maßnahmen im Sinne der<br />

Eingriffsregelung dar und sind dort in die Bilanzierung einzustellen. Sie sind daher auch als Maßnahmen<br />

gemäß § 19 BNatSchG herzuleiten und zu bezeichnen. Im LBP und in den Maßnahmenblättern<br />

ist der artenschutzrechtliche Bezug der entsprechenden Maßnahme deutlich herauszustellen.<br />

Spalte 6: Rechtsfolgen<br />

In Spalte 7 sind die Rechtsfolgen einzutragen, die für die jeweilige Fallkonstellation zu beachten sind.<br />

Die jeweils einschlägigen Rechtsfolgen sind der folgenden Tabelle zu entnehmen. Die folgenden Einträge<br />

sind möglich (ggf. können mehrere Einträge additiv möglich sein): § 62 BNatSchG/ explizite<br />

Prüfung der Befreiung nach § 62 BNatSchG im Beschluss erforderlich/ Art.9 VS-RL/ Art.16 FFH-RL/ §<br />

19 (3) BNatSchG/ UVP- Pflicht prüfen<br />

Hilfstabelle: Ermittlung der Rechtsfolgen bei der Beeinträchtigung von besonders oder streng<br />

geschützten Tier- und Pflanzenarten<br />

(die populationsökologischen Folgen ergeben<br />

sich aus Spalte 4 der vom Vorhabenträger<br />

vorzulegenden <strong>Artenschutz</strong>tabelle und ggf.<br />

zusätzlichen Angaben)<br />

Verletztes Verbot/ Art der Beeinträchtigung<br />

§ 42 Abs. 1 Nr.1 BNatSchG (ohne populationsökologische<br />

Folgen)<br />

§ 42 Abs. 1 Nr.1 BNatSchG (mit populationsökologischen<br />

Folgen)<br />

§ 42 Abs. 1 Nr.2 BNatSchG (ohne populationsökologische<br />

Folgen)<br />

§ 42 Abs. 1 Nr.2 BNatSchG (mit populationsökologischen<br />

Folgen)<br />

§ 42 Abs. 1 Nr.3 BNatSchG (ohne populationsökologische<br />

Folgen)<br />

§ 42 Abs. 1 Nr.3 BNatSchG (mit populationsökologischen<br />

Folgen)<br />

§ 42 Abs. 1 Nr.4 BNatSchG (ohne populationsökologische<br />

Folgen)<br />

§ 42 Abs. 1 Nr.4 BNatSchG (mit populationsökologischen<br />

Folgen)<br />

Stand Januar 2007<br />

Europäische<br />

Vogelart<br />

Schutzstatus der betroffenen Art<br />

BArtSchVO<br />

Anlage 1, Spalte 2<br />

oder<br />

Anhang B<br />

VO 338/97 EG<br />

BArtSchVO<br />

Anlage 1, Spalte 3<br />

oder<br />

Anhang A<br />

VO 338/97 EG<br />

§ 62 BNatSchG<br />

Anhang IV FFH-<br />

RL<br />

explizite Prüfung der Befreiung nach § 62 BNatSchG im Beschluss erforderlich/ UVP-Pflicht<br />

prüfen<br />

§ 62 BNatSchG<br />

explizite Prüfung der Befreiung nach § 62 BNatSchG im Beschluss erforderlich/ UVP-Pflicht<br />

prüfen<br />

§ 62 BNatSchG § 62 BNatSchG<br />

explizite Prüfung der<br />

Befreiung nach § 62<br />

BNatSchG im<br />

Beschluss erforderlich/<br />

UVP-Pflicht<br />

prüfen<br />

/<br />

explizite Prüfung der Befreiung nach § 62<br />

BNatSchG im Beschluss erforderlich/ UVP-<br />

Pflicht prüfen<br />

/ / § 62 BNatSchG<br />

/ / explizite Prüfung der Befreiung nach § 62<br />

BNatSchG im Beschluss erforderlich/ UVP-<br />

Pflicht prüfen<br />

Art. 12 Abs. 1 lit a FFH-RL / Art. 16 FFH-RL<br />

UVP-Pflicht prüfen<br />

Art. 12 Abs. 1 lit. d FFH-RL / Art. 16 FFH-RL<br />

UVP-Pflicht prüfen<br />

Art. 12 Abs. 1 lit. b FFH-RL / Art. 16 FFH-RL<br />

UVP-Pflicht prüfen<br />

Art. 12 Abs. 1 lit .c FFH-RL / Art. 16 FFH-RL<br />

UVP-Pflicht prüfen<br />

Art. 13 Abs. 1 lit. a FFH-RL / Art. 16 FFH-RL<br />

UVP-Pflicht prüfen<br />

Art. 5 lit. b VS-RL Art. 9 VS-RL<br />

UVP-Pflicht prüfen<br />

Art. 5 lit. d VS-RL Art. 9 VS-RL<br />

UVP-Pflicht prüfen<br />

Zerstörung von Biotopen wildlebender<br />

Pflanzen/ Tiere<br />

/<br />

/<br />

/<br />

§ 19 (3) BNatSchG

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