Wälzlagerdiagnostik - mfd.mw.tu-dresden.de
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TU Dres<strong>de</strong>n - Fakultät Maschinenwesen<br />
Insti<strong>tu</strong>t für Strömungsmechanik<br />
Lehrs<strong>tu</strong>hl für Magnetofluiddynamik<br />
1 Einlei<strong>tu</strong>ng<br />
Anlei<strong>tu</strong>ng zur Laborübung<br />
<strong>Wälzlagerdiagnostik</strong><br />
MU / TD<br />
Wälzlager sind hochbeanspruchte Bauteile von Maschinen und Anlagen. Aufgrund<br />
<strong>de</strong>r Dauerbeanspruchung, <strong>de</strong>r sie unterliegen, ist die Lebensdauer von Wälzlagern<br />
begrenzt. Es existieren allgemeingültige Beziehungen zur Bestimmung <strong>de</strong>r Lebensdauer<br />
solcher Lager, die jedoch nur unter I<strong>de</strong>albedingungen gelten. Sie können kleine<br />
Störgrößen, wie z.B. Verunreinigungen im Lager, Winkelfehler beim Einbau usw.<br />
berücksichtigen. Solche Einflüsse än<strong>de</strong>rn die Lebensdauer eines Wälzlagers dramatisch<br />
und führen zu nicht vorher sehbaren und unerwarteten Maschinenausfällen.<br />
Diese stören <strong>de</strong>n Produktionsprozess erheblich, in<strong>de</strong>m sie zu ungeplanten und kostspieligen<br />
Stillstandszeiten führen, ganz abgesehen von oftmals auftreten<strong>de</strong>n Folgeschä<strong>de</strong>n,<br />
z.B. durch blockierte Lager. Eine maximale Ausnutzung <strong>de</strong>r Lebensdauer<br />
bzw. <strong>de</strong>r nach einer wirken<strong>de</strong>n Schädigung noch zur Verfügung stehen<strong>de</strong>n Restlebensdauer<br />
ist dabei nur unter Anwendung von Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r technischen<br />
Diagnostik erreichbar.<br />
Ziel <strong>de</strong>s Praktikums ist die Vermittlung von praktischen Kenntnissen über Metho<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>r technischen Diagnostik von Wälzlagern im Rahmen einer Grund- bzw. Tiefendiagnose.<br />
2 Hinweise zur Vorberei<strong>tu</strong>ng<br />
Für <strong>de</strong>n Versuch Wälzlagerdiagnose sollen Sie sich über theoretische Grundlagen<br />
informieren. Dazu gehören <strong>de</strong>r Aufbau von Wälzlagern, mögliche Scha<strong>de</strong>nsbil<strong>de</strong>r an<br />
Wälzlagern, Arten <strong>de</strong>r Schwingungserzeugung in <strong>de</strong>fekten Wälzlagern und Metho<strong>de</strong>n<br />
für <strong>de</strong>ren Registrierung, insbeson<strong>de</strong>re Spektralanalyse (FFT, Cepstrum) und<br />
Hüllkurvenanalyse.<br />
3 Litera<strong>tu</strong>r<br />
S<strong>tu</strong>rm, A., Förster, R., Hippmann, N., Kinsky, D.: Wälzlagerdiagnose für Maschinen<br />
und Anlagen; Verlag TÜV Rheinland, Köln 1986 / Verlag Technik, Berlin 1985<br />
Kolerus, J, Wassermann, J: Zustandsüberwachung von Maschinen; Renningen 2008<br />
S<strong>tu</strong>rm, A., Förster, R.: Maschinen- und Anlagendiagnostik für die zustandsbezogene<br />
Instandhal<strong>tu</strong>ng, Verlag Technik Berlin 1985 / B. G. Teubner, S<strong>tu</strong>ttgart 1990<br />
o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Litera<strong>tu</strong>r mit gleicher Thematik.<br />
1
4 Grundlagen<br />
4.1. Schädigungsmechanismen<br />
Wesentliche Schädigungsmechanismen bei Wälzlagern beruhen auf <strong>de</strong>m Verschleiß<br />
(tritt insbeson<strong>de</strong>re bei Schmiermittelausfall o<strong>de</strong>r Schmiermittelverschmutzung ein,<br />
führt durch abrasiven Abtrag zu einer meist gleichmäßigen Geometrieän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />
Wälzpaarung) und <strong>de</strong>r Ermüdung (tritt bei Überlas<strong>tu</strong>ng ein und führt zur Pittingbildung,<br />
d.h. zum lokalen Ausplatzen von Metallteilen aus <strong>de</strong>r Oberfläche <strong>de</strong>r<br />
Wälzelemente). Während abrasiver Verschleiß zu einer Erhöhung <strong>de</strong>r stationären<br />
breitbandigen Schwingung führt, wer<strong>de</strong>n bei lokalen Schä<strong>de</strong>n Schwingungen<br />
impulsartig angeregt. Voraussetzung für <strong>de</strong>n Einsatz unterschiedlicher Verfahren zur<br />
technischen Diagnose von Wälzlagern ist die Kenntnis <strong>de</strong>r Geometrie und Kinematik<br />
im Wälzlager. Im Rahmen dieser Arbeit wird nur insoweit auf die Geometrie eingegangen,<br />
sie für das Verständnis <strong>de</strong>r eingesetzten Verfahren notwendig ist (Bild 1).<br />
Bild 1: Geometrie ausgewählter Wälzlager<br />
a - Rillenkugellager; b - Schrägkugellager; c - Zylin<strong>de</strong>rrollenlager<br />
1 - Außenring <strong>de</strong>s Schrägkugellagers<br />
2 - Kugel <strong>de</strong>s Schrägkugellagers<br />
3 - Innenring <strong>de</strong>s Schrägkugellagers<br />
DI - Durchmesser <strong>de</strong>s Mittelpunktkreises <strong>de</strong>r Innenringwälzbahnkrümmung<br />
DA - Durchmesser <strong>de</strong>s Mittelpunktkreises <strong>de</strong>r Außenringwälzbahnkrümmung<br />
DT - Teilkreisdurchmesser<br />
DW - Wälzkörperdurchmesser<br />
αB - Druckwinkel<br />
4.2. Schwingungserzeugung im <strong>de</strong>fekten Lager (Beispiel Kugellager)<br />
Es soll ein lokaler Scha<strong>de</strong>n am Außenring vorliegen (Bild 2). Beim Überrollen <strong>de</strong>r<br />
Scha<strong>de</strong>nsstelle wird die Kugel auf <strong>de</strong>m Außenring einen Stoß erzeugen. Dieser Stoß<br />
hat einen Schwingungs- bzw. einen Schallimpuls zur Folge, <strong>de</strong>r sich zunächst im<br />
Lageraußenring und dann in <strong>de</strong>r Lagerhalterung ausbreitet (Stoßimpuls). Der Impuls<br />
ist gekennzeichnet durch einen sehr steilen Anstieg und eine sehr kurze Dauer,<br />
verglichen mit seiner Wie<strong>de</strong>rholrate, im folgen<strong>de</strong>n Scha<strong>de</strong>nsfrequenz (Überrollfrequenz)<br />
genannt. Die Ampli<strong>tu</strong><strong>de</strong> <strong>de</strong>s Impulses ist ein Maß für die Stärke <strong>de</strong>s<br />
2
Stoßes. Ihre Größe hängt von <strong>de</strong>r Drehzahl, <strong>de</strong>r räumlichen Aus<strong>de</strong>hnung <strong>de</strong>s<br />
Scha<strong>de</strong>ns sowie von <strong>de</strong>n Lastverhältnissen im Lager ab. Die Scha<strong>de</strong>nsfrequenz ist<br />
durch die Geometrie <strong>de</strong>s Wälzlagers, die Einbaubedingungen und die Drehzahl <strong>de</strong>r<br />
Welle festgelegt.<br />
Die allgemeinen Zusammenhänge zwischen diesen Größen, wobei n die Drehfrequenz<br />
und z die Anzahl <strong>de</strong>r Wälzkörper bezeichnet, wer<strong>de</strong>n in folgen<strong>de</strong>n Beziehungen<br />
aufgezeigt (siehe Bild 1).<br />
Bild 2: Stoßimpulserzeugung beim Überrollen einer beschädigten Stelle<br />
Rotationsfrequenz <strong>de</strong>s Käfigs<br />
1 ⎛ DW<br />
⎞<br />
f = ⋅ ⋅ ⎜ − ⋅ ⎟<br />
KÄ f n 1 cosα<br />
B<br />
2 ⎝ DT<br />
⎠<br />
Überrollfrequenz <strong>de</strong>s Außenringes<br />
1 ⎛ DW<br />
⎞<br />
f = ⋅ ⋅ ⋅ ⎜ − ⋅ ⎟<br />
A f n z 1 cosα<br />
B<br />
2 ⎝ DT<br />
⎠<br />
Überrollfrequenz <strong>de</strong>s Innenringes<br />
1 ⎛ DW<br />
⎞<br />
f = ⋅ ⋅ ⋅ ⎜ + ⋅ ⎟<br />
I f n z 1 cosα<br />
B<br />
2 ⎝ DT<br />
⎠<br />
Wälzkörperrotationsfrequenz<br />
2<br />
1 D ⎡<br />
⎤<br />
T ⎛ DW<br />
⎞<br />
f = ⋅ ⋅ ⋅ ⎢ − ⎜ ⋅ ⎟<br />
WA f n z 1 cosα<br />
B ⎥<br />
2 DW<br />
⎢⎣<br />
⎝ DT<br />
⎠ ⎥⎦<br />
Auf eine Herlei<strong>tu</strong>ng dieser Gleichungen wird hier verzichtet.<br />
I<strong>de</strong>al wäre es, wenn die Stoßimpulse direkt gemessen wer<strong>de</strong>n könnten. In <strong>de</strong>r Praxis<br />
befin<strong>de</strong>n sich zwischen Entstehungsort <strong>de</strong>s Impulses und <strong>de</strong>m Aufnehmer weitere<br />
Übertragungsstrecken (Lageraußenring, Lagergehäuse, Aufnehmerankopplung), <strong>de</strong>ren<br />
Übertragungsfunktionen das Gesamtsignal beeinflussen. Daneben erzeugt je<strong>de</strong><br />
Maschine noch zusätzliche Schwingungssignale, die sich <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>s Wälzlagers<br />
überlagern (umlauffrequente Schwingungen und <strong>de</strong>ren Harmonische).<br />
Weiter überlagert sich bei höheren Frequenzen ein Grundrauschen, welches bereits<br />
von einem neuwertigen Lager infolge unvermeidlicher Maßtoleranzen erzeugt wird<br />
(1)<br />
(2)<br />
(3)<br />
(4)<br />
3
o<strong>de</strong>r auch die Folge eines Lagerverschleißes sein kann. In Einzelfällen können noch<br />
Getriebe, Schaufeln usw. als Schwingungserzeuger auftreten. Das am Aufnehmer<br />
ankommen<strong>de</strong> Signal stellt das Resultat aller wirken<strong>de</strong>r Schwingungsanteile dar (Bild<br />
3).<br />
Vor einem Rauschhintergrund sind, als Folge <strong>de</strong>r Stoßimpulse, die hochfrequenten<br />
Ausschwingvorgänge zu erkennen (in <strong>de</strong>r Praxis sind diese Unterschie<strong>de</strong> oft nicht so<br />
<strong>de</strong>utlich zu sehen). Es können zwei Möglichkeiten einer Wälzlagerdiagnose unterschie<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n, die Grund- und die Tiefendiagnose.<br />
Bild 3: Beschleunigungssignal bei einem Außenringscha<strong>de</strong>n<br />
(fS – Scha<strong>de</strong>nsfrequenz)<br />
Die Grunddiagnose beinhaltet die Anwendung von Kennwerten, <strong>de</strong>ren Aussagekraft<br />
eine Einteilung <strong>de</strong>s technischen Zustan<strong>de</strong>s von Wälzlagern in “Gut“ und “Schlecht“<br />
(mit even<strong>tu</strong>ellen Abs<strong>tu</strong>fungen) zulässt. Mit an<strong>de</strong>ren Worten es fin<strong>de</strong>t eine globale Zustandsbewer<strong>tu</strong>ng<br />
statt. Die Tiefendiagnose ist durch die Anwendung von Signalkennfunktionen<br />
gekennzeichnet. In erster Linie kommt die Spektralanalyse zum<br />
Einsatz, bei <strong>de</strong>r durch Bewer<strong>tu</strong>ng von Frequenz und Ampli<strong>tu</strong><strong>de</strong> unter an<strong>de</strong>rem die<br />
Bestimmung von Art und Ort <strong>de</strong>r Schädigung möglich wird (siehe Gleichungen 1 bis<br />
4).<br />
Bei<strong>de</strong> Möglichkeiten sind unabhängig voneinan<strong>de</strong>r einsetzbar, können jedoch auch<br />
als Kombination begriffen wer<strong>de</strong>n.<br />
4.3. Kennwerte zur Grunddiagnose von Wälzlagern<br />
1. K(t) – Wert<br />
Der K(t)-Wert stellt einen spezifischen Körperschallkennwert dar, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Zustand<br />
eines Wälzlagers möglichen Schädigungsklassen zuordnet. Der K(t)-Wert wird<br />
gebil<strong>de</strong>t aus <strong>de</strong>n Effektiv- und Spitzenwerten <strong>de</strong>r Schwingbeschleunigung a<br />
a~<br />
( 0)<br />
⋅ aˆ<br />
( 0)<br />
K(<br />
t)<br />
=<br />
a~<br />
( t)<br />
⋅ aˆ<br />
( t)<br />
~a<br />
( 0)<br />
- Effektivwert <strong>de</strong>r Schwingbeschleunigung zum Zeitpunkt t=0<br />
â ( 0)<br />
- Spitzenwert <strong>de</strong>r Schwingbeschleunigung zum Zeitpunkt t=0<br />
a ~ ( t)<br />
- Effektivwert <strong>de</strong>r Schwingbeschleunigung zum Zeitpunkt t<br />
a ˆ( t)<br />
- Spitzenwert <strong>de</strong>r Schwingbeschleunigung zum Zeitpunkt t<br />
(5)<br />
4
Als Werte zum Zeitpunkt t = 0 wer<strong>de</strong>n die über die gesamte Lebensdauer auftreten<strong>de</strong>n<br />
Minimalwerte angesehen. Die Minimalwerte liegen nach <strong>de</strong>r Einlaufphase (Beseitigung<br />
von Unebenheiten an Wälzlagerbauteilen infolge Fertigung) vor.<br />
Der Zustand <strong>de</strong>s Wälziagers wird in folgen<strong>de</strong> Klassen eingeteilt:<br />
K(t) Schädigungszustand<br />
> 1 Verbesserung <strong>de</strong>s Wälzlagerzustan<strong>de</strong>s<br />
1 …0,5 Gute Eigenschaften <strong>de</strong>r Baugruppe<br />
0,5 …0,2 Wirkung schädigungsbeschleunigen<strong>de</strong>r Einflussfaktoren<br />
0,2 … 0,02 Wirkung <strong>de</strong>s Schädigungsprozesses<br />
< 0,02 Schädigung<br />
Die Erfassung <strong>de</strong>r Beschleunigungswerte erfolgt mit einer gebräuchlichen Körperschallmesskette.<br />
Der Messort für die Beschleunigungsaufnehmer ist das Lagergehäuse.<br />
Die Ankopplung muss qualitativ gleich bleiben. Die Ankopplung <strong>de</strong>s Beschleunigungsaufnehmers<br />
mit Stiftschraube ist die beste Ankopplung. Der untersuchte<br />
Frequenzbereich erstreckt sich von 1 … 20 kHz. Das Verfahren ist anwendbar<br />
auf Rollen-, Na<strong>de</strong>l- und Kugellager.<br />
Zeittrend <strong>de</strong>s K(t)-Wert<br />
Bild 4: Zeitverläufe für unterschiedliche Schädigungsarten von Wälzlagern<br />
Die folgen<strong>de</strong>n beschriebenen Kennwerte, Spike-Energie, SPM, basieren auf <strong>de</strong>r<br />
Ausnutzung <strong>de</strong>r hochfrequenten Aufnehmerresonanzen im Bereich von 30 kHz und<br />
höher, mit <strong>de</strong>ren Hilfe es gelingt, die sehr energiearmen, aber ungestörten hochfrequenten<br />
Signalanteile zu erfassen und gegenüber <strong>de</strong>n nie<strong>de</strong>rfrequenten Signalen<br />
zu verstärken. Durch eine nachfolgen<strong>de</strong> Bandpassfilterung wer<strong>de</strong>n die nie<strong>de</strong>rfrequenten<br />
Signalanteile vollständig entfernt. Von <strong>de</strong>m verbleiben<strong>de</strong>n Signal wer<strong>de</strong>n<br />
dann die Kennwerte gebil<strong>de</strong>t, die sowohl die Signalampli<strong>tu</strong><strong>de</strong>, die Impulshäufigkeit<br />
sowie <strong>de</strong>n Energiegehalt <strong>de</strong>r Impulse berücksichtigen.<br />
2. Spike – Energie<br />
Der Spike-Energie-Wert stellt eine Größe dar, die spezifische Körperschallkennwerte<br />
miteinan<strong>de</strong>r verknüpft:<br />
5
gSE = A0(A1 . Mw + A2 . Kt+ A3 . Ha) (6)<br />
mit Mw ... Ampli<strong>tu</strong><strong>de</strong>nmittelwert<br />
Kt … Kurtosiswert<br />
Ha ... Wert <strong>de</strong>r Hüllkurve<br />
A0‚ A1, A2, A3 … Proportionalitätsfaktoren<br />
Die Proportionalitätsfaktoren sind Erfahrungswerte <strong>de</strong>s Herstellers. Die Bewer<strong>tu</strong>ng<br />
<strong>de</strong>s Lagerzustan<strong>de</strong>s erfolgt durch eine Zuordnung <strong>de</strong>s Spike-Energie-Wertes in eine<br />
<strong>de</strong>r drei Zustandsklassen<br />
• gutes Lager<br />
• Warnungsbereich<br />
• Lagerscha<strong>de</strong>n <strong>de</strong>mnächst wahrscheinlich<br />
Als Hilfsmittel für die Zustandsbeurteilung von Wälzlagern können Kurventafeln dienen,<br />
die für bestimmte Maschinengat<strong>tu</strong>ngen und Messbedingungen in einem Lernprozess<br />
gewonnen wer<strong>de</strong>n können. Die Kurventafel in Bild 5 gilt zum Beispiel als<br />
Anhaltswert für die Wälzlagerüberwachung an Pumpen, Elektromotoren o.ä.. Sie<br />
beruht auf Erfahrungswerten, die bei Messungen mittels Beschleunigungsaufnehmer<br />
Typ 970 mit Tastspitze (IRD Mechanalysis) direkt o<strong>de</strong>r nahe am Lager gewonnen<br />
wur<strong>de</strong>n.<br />
Bild 5: Kurventafel RSK 276 für Spike-Energie<br />
6
Ausgangssignal ist ein Beschleunigungssignal <strong>de</strong>s Körperschalls im kHz-Bereich.<br />
Das Verfahren ist anwendbar auf beliebige Maschinengrößen im Drehzahlbereich<br />
von 100 bis 100000 min -1 .<br />
Bild 6: Zeitlicher Verlauf <strong>de</strong>s Spike-Energie-Wertes<br />
3. SPM (Shock Pulse Method)<br />
Infolge von Schädigungen auf <strong>de</strong>r Wälzbahn- und <strong>de</strong>r Wälzkörperoberfläche entsteht<br />
beim Abrollvorgang stoßartiger Körperschall (siehe oben). Aus <strong>de</strong>m erfassten<br />
Körperschall wer<strong>de</strong>n Impulse geformt, <strong>de</strong>ren Ampli<strong>tu</strong><strong>de</strong> proportional zur Stoßgeschwindigkeit<br />
ist. Aus <strong>de</strong>m logarithmierten Maximalwert dBM und <strong>de</strong>m logarithmierten<br />
Grundgeräuschwert dBC wird <strong>de</strong>r logarithmierte Stoßimpulswert dBSV bestimmt. Aus<br />
<strong>de</strong>r Differenz zwischen diesem Wert und einem Referenzwert dBI für ein perfekt<br />
montiertes und geschmiertes Lager erhält man <strong>de</strong>n logarithmierten normierten<br />
Stoßimpulswert dBN.<br />
dBN = dBSV – dBI (7)<br />
mit dBSV = dBM – dBC (7a)<br />
Aus <strong>de</strong>m Betrag dieses Wertes kann <strong>de</strong>r Zustand <strong>de</strong>s Wälzlagers bestimmt wer<strong>de</strong>n.<br />
dBN<br />
Wälzlagerzustand<br />
0 … 20 Guter Betriebszustand<br />
20 … 35 Eingeschränkter Betriebszustand durch Schmierstoffmangel,<br />
Montagefehler o<strong>de</strong>r Anfangsschä<strong>de</strong>n<br />
35 … 60 Schlechter Betriebszustand mit Risiko eines Lagerausfalls<br />
Die Stoßgeschwindigkeit bei Abrollvorgängen wird von <strong>de</strong>r Drehzahl sowie <strong>de</strong>r Masse<br />
und <strong>de</strong>r Eindringtiefe <strong>de</strong>r Wälzkörper beeinflusst. Um diesen Einfluss zu berücksichtigen,<br />
wird in die Berechnung <strong>de</strong>s Referenzwertes dBI <strong>de</strong>r Lagerdurchmesser D<br />
und die Drehzahl n einbezogen.<br />
7
dBI = 20 . [Ig(n) + 0,6 . lg(D) - lg(2150)] (8)<br />
Erfasst wird <strong>de</strong>r Körperschall mittels Beschleunigungsaufnehmer am Lagergehäuse.<br />
Das Signal wird bei <strong>de</strong>r Resonanzfrequenz <strong>de</strong>s Aufnehmers zwischen 30 und 35 kHz<br />
bandpassgeflltert und anschließend nach <strong>de</strong>r SPM-Metho<strong>de</strong> analysiert.<br />
Das Verfahren ist anwendbar auf Wälzlager aller Typen und Größen.<br />
Zeittrend <strong>de</strong>r SPM<br />
Bild 7: Typischer Verlauf <strong>de</strong>s Zustan<strong>de</strong>s in einem Lager anhand SPM<br />
Die Schwankungen in Bild 7 sind durch unregelmäßige Scha<strong>de</strong>nsbildung, Auswalzung<br />
früherer Schä<strong>de</strong>n, etc. verursacht.<br />
4. Weitere Verfahren zur Diagnose von Wälzlagern<br />
Diese Verfahren wer<strong>de</strong>n hier nur erwähnt und nicht näher beschrieben.<br />
BCU - Wert (Bearing Condition Unit)<br />
Kurtosis<br />
SEE (Spektral Emitted Energy)<br />
4.4. Hüllkurvenanalyse zur Tiefendiagnose von Wälzlagern<br />
Zur Bildung <strong>de</strong>r Hüllkurve existiert eine Vielzahl von Verfahren. Bei <strong>de</strong>r im Praktikum<br />
verwen<strong>de</strong>ten Technik wird die Hüllkurve gemäß Bild 8 gebil<strong>de</strong>t.<br />
Entsprechend Abschnitt 2 treten im gemessenen Schwingungsspektrum außer niedrigen<br />
Frequenzen (die z. B. von Unwuchten, Zahneingriffen o. ä herrühren, siehe<br />
Bild 8 linker Teil) auch die genannten hochfrequenten Schwingungen <strong>de</strong>r Lagerringe<br />
(Eigenschwingungen) auf. Diese wer<strong>de</strong>n beim Überrollen <strong>de</strong>s Pittings durch die nach<br />
<strong>de</strong>n Gleichungen (1) bis (4) berechenbaren Überrollfrequenzen periodisch angeregt.<br />
8
Die Überrollfrequenzen stellen Modulationsfrequenzen dar, die als Seitenbän<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Eigenschwingungen im Grundspektrum auftreten. Wenn diese Modulation (wie in<br />
Bild 3 ersichtlich) im Zeitschrieb direkt erkennbar ist, kann die Art <strong>de</strong>s Scha<strong>de</strong>ns aus<br />
<strong>de</strong>m Abstand <strong>de</strong>r Spitzen im Zeitsignal abgelesen wer<strong>de</strong>n. Ist das nicht <strong>de</strong>r Fall (wie<br />
in <strong>de</strong>n meisten Fällen) muss eine Hüllkurvenanalyse durchgeführt wer<strong>de</strong>n.<br />
Bild 8: Hüllkurvenbildung<br />
Eine Frequenzanalyse <strong>de</strong>s Gesamtsignals lässt <strong>de</strong>n Frequenzbereich erkennen, in<br />
<strong>de</strong>m die Eigenschwingungen liegen. Dieser wird durch eine Bandpassfilterung (üblich<br />
5 … 50 kHz) <strong>de</strong>s Zeitsignals ausgefiltert (Bild 8, Mitte). Für dieses bandbegrenzte<br />
Zeitsignal erfolgt eine Gleichrich<strong>tu</strong>ng und Glät<strong>tu</strong>ng, die als Ergebnis die Hüllkurve <strong>de</strong>r<br />
Eigenschwingungen (Bild 8, rechter Teil) liefert.<br />
Genauere Informationen über Frequenz und Ampli<strong>tu</strong><strong>de</strong> <strong>de</strong>r Stoßfolgen liefert die<br />
Frequenzanalyse (FFT) <strong>de</strong>r Hüllkurve <strong>de</strong>s Beschleunigungssignals. Im Spektrum<br />
wer<strong>de</strong>n die Modulationsfrequenzen als Grundfrequenzen sichtbar (drehzahlabhängig<br />
im Bereich von 10 -1000 Hz). Mit Kenntnis <strong>de</strong>r inneren Lagergeometrie (siehe Bild 1)<br />
und <strong>de</strong>r Berührungsverhältnisse <strong>de</strong>s Lagers lassen sich die lagerspezifischen<br />
kinematischen Frequenzen in Abhängigkeit von <strong>de</strong>r Drehzahl berechnen (Gleichungen<br />
(1) bis (4). Die Zuordnung zu markanten Frequenzen <strong>de</strong>s Hüllkurvenspektrums<br />
lässt die Art <strong>de</strong>s Scha<strong>de</strong>ns erkennen (Bild 9).<br />
Die kinematischen Überrollfrequenzen liegen gemäß <strong>de</strong>r Berechnungsgleichungen<br />
sehr nahe <strong>de</strong>n höheren Harmonischen <strong>de</strong>r Drehfrequenz. Dies erschwert manchmal<br />
die exakte Zuordnung.<br />
9
Bild 9: Beschleunigungs-Zeitsignal, Hüllkurve und Spektrum <strong>de</strong>r Hüllkurve für ein<br />
künstlich eingebrachtes Außenring-Grübchen (Kugellager 6007,<br />
n=1000 min -1 , fAU – Überrollfrequenz <strong>de</strong>s Außenringes)<br />
10
5 Versuchsaufbau<br />
Bild 10 zeigt <strong>de</strong>n Aufbau <strong>de</strong>s Versuchsstan<strong>de</strong>s.<br />
Bild 10: Versuchsstand<br />
1 - Grundplatte 10 - Zahnradpumpe<br />
2 - E - Motor mit regelbarer Drehzahl 11 - Kupplung<br />
3 - Elastische Bolzenkupplung 12 - Wälzlager<br />
4 - Wälzlager 13 - Abtriebswelle<br />
5 - Antriebswelle 14 - Zahnrad<br />
6 - Zahnrad 15 - Zahnrad<br />
7 - Zahnrad 16 - Getriebegehäuse<br />
8 - Wälzlager mit geteiltem Lagerbock 17 - Wälzlager<br />
9 - Drosselventil 18 - Verschiebbare Platte<br />
Alle Baugruppen <strong>de</strong>s Versuchsstan<strong>de</strong>s sind auf <strong>de</strong>r Grundplatte 1 angeordnet. Der<br />
drehzahlregelbare Elektromotor 2 (Drehzahlbereich von 100 – 3000min -1 ) ist über<br />
eine elastische Kupplung 3 mit <strong>de</strong>r Antriebswelle 5 verbun<strong>de</strong>n. Zwischen <strong>de</strong>n Wälzlagern<br />
4 und 8 sind zwei Zahnrä<strong>de</strong>r 6 und 7 angeordnet. Die Abtriebswelle 13 ist in<br />
<strong>de</strong>n Wälzlagern 12 und 17 gelagert. Die über die Kupplung 11 angetriebene Zahnradpumpe<br />
10 dient als Bremse.<br />
Die Befestigung <strong>de</strong>s Motors 2 auf <strong>de</strong>r Grundplatte 1 ermöglicht sowohl seine Verschiebung<br />
senkrecht zur Wellenachse als auch Verdrehung um <strong>de</strong>n Kupplungsmittelpunkt.<br />
11
Das Lager 8 am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Antriebswelle ist leicht <strong>de</strong>montierbar (geteilter Lagerbock,<br />
kegelige Schnellspannung <strong>de</strong>s Innenringes), um einfach und schnell unterschiedlich<br />
geschädigte Wälzlager einbauen zu können.<br />
Die im Versuchsstand eingesetzten Lager haben folgen<strong>de</strong> Daten:<br />
Typ: Pen<strong>de</strong>lkugellager 1207<br />
DW: 8,00 mm<br />
DT: 53,50mm<br />
z: 16 zweireihig<br />
Die Lagerböcke sind zur Befestigung <strong>de</strong>r Beschleunigungsaufnehmer mir radialen<br />
Gewin<strong>de</strong>bohrungen (horizontal, vertikal) versehen.<br />
Aus- und Einbau <strong>de</strong>s Endlagers (Untersuchungslager) <strong>de</strong>r Antriebswelle:<br />
Das Radialrillenkugellager 8 mit einer Spannhülse im zweigeteilten Lagerbock ist<br />
leicht <strong>de</strong>montierbar. Der Austausch <strong>de</strong>s Lagers wird während <strong>de</strong>s Praktikums<br />
erläutert.<br />
Vorberei<strong>tu</strong>ngen zum Betrieb <strong>de</strong>s Versuchsstan<strong>de</strong>s<br />
• Diagnostische Messinstrumente zum Betrieb vorbereiten.<br />
• Hauptkippschalter (weiß) einschalten (Stellung unten)<br />
• Anlaufschalter (rot) einschalten (Stellung unten).<br />
• Drehzahl mit <strong>de</strong>m Drehknopf an <strong>de</strong>r Steuereinheit einstellen.<br />
• Belas<strong>tu</strong>ngsmoment mit <strong>de</strong>m Drosselventil und ggf. Drehzahl korrigieren.<br />
• Nach <strong>de</strong>r Durchführung <strong>de</strong>r Versuche Elektromotor ausschalten (rote<br />
Drucktaste) und Drosselventil öffnen.<br />
Ach<strong>tu</strong>ng: Anlauf unter Last und Überlas<strong>tu</strong>ng (kleine Drehzahlen, große Mo-<br />
mente) sind zu vermei<strong>de</strong>n. Bei längeren Versuchen unter Last ist die<br />
Öltempera<strong>tu</strong>r (am Ventilgehäuse) zu kontrollieren. Bei überhöhter<br />
Tempera<strong>tu</strong>r (> 60°C am Gehäuse) Versuch unterbrechen und Mo<strong>de</strong>ll<br />
abkühlen lassen.<br />
Ach<strong>tu</strong>ng: Während <strong>de</strong>r Testläufe soll Sicherheitsabstand (Hän<strong>de</strong>, Kleidung)<br />
von <strong>de</strong>n rotieren<strong>de</strong>n Elementen <strong>de</strong>s Versuchsstan<strong>de</strong>s gehalten<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Die für die Versuche verwen<strong>de</strong>ten Messketten wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rn 11 und 12<br />
gezeigt.<br />
12
Bild 11: Messkette Grunddiagnose<br />
Bild 12: Messkette Tiefendiagnose<br />
Für die Praktikumsversuche wer<strong>de</strong>n piezoelektrische Beschleunigungsaufnehmer<br />
verwen<strong>de</strong>t. Je nach Messaufgabe än<strong>de</strong>rt sich die Befestigungsmetho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Aufnehmer<br />
am Diagnoseobjekt (Schraubverbindung, Tastspitze). Die in Bild 11 und 12<br />
gezeigten Messgeräte dienen zur Realisierung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
Wälzlagerkennwertbestimmung.<br />
Auf die Handhabung <strong>de</strong>r einzelnen Geräte wird während <strong>de</strong>s Praktikums<br />
eingegangen.<br />
13
6 Versuchsdurchführung<br />
1. VDI - Richtlinie 2056<br />
kurze Erläuterung<br />
2. Messung von Wälzlagerkennwerten (Grunddiagnose)<br />
a) K(t) - Wert – Messung<br />
• Messgerät: M911<br />
• Aufnehmer: Beschleunigungsaufnehmer KD35 (Schraubverbindung)<br />
• ungeschädigtes Lager: a ~ ( t = 0)<br />
- Effektivwert<br />
a ˆ ( t = 0)<br />
- Spitzenwert<br />
• Schädigung: - Außenringpitting K ( t)<br />
- Innenringpitting K (t)<br />
Bemerkung:<br />
Als Effektiv- und Spitzenwert zum Zeitpunkt t = 0 wer<strong>de</strong>n die Werte <strong>de</strong>s ungeschädigten<br />
Lagers verwen<strong>de</strong>t (Minimalwerte).<br />
b) Spike Energy – Messung<br />
• Messgerät: CONDICHECK 191<br />
• Aufnehmer: Beschleunigungsaufnehmer mit Tastspitze<br />
• ungeschädigtes Lager:<br />
• Schädigung: Außenringpitting gSE =<br />
Innenringpitting gSE =<br />
c) SPM - Messung<br />
• Meßgerät: VIB 8.600<br />
• Aufnehmer: im Gerät eingebaut<br />
• ungeschädigtes Lager:<br />
• Schädigung: Außenringpitting<br />
Innenringpitting<br />
14
3. Messung und Analyse von Zeitsignal und Spektrum<br />
als dritte S<strong>tu</strong>fe <strong>de</strong>r Wälzlagerüberwachung (Tiefendiagnose)<br />
a) Berechnung <strong>de</strong>r kinematischen Scha<strong>de</strong>nsfrequenzen<br />
(siehe Gleichungen (1) bis (4))<br />
Drehzahl n = 1500 min -1<br />
fA =<br />
fI =<br />
fWA =<br />
b) Zeitsignal und Spektrum<br />
• Messgerät: Schwingungsanalysator 2515<br />
Hüllkurven<strong>de</strong>tektor WB 1048<br />
• Aufnehmer: Beschleunigungsaufnehmer 4391 (Schraubverbindung, Haftmagnet)<br />
• Lagerschädigung: ungeschädigt<br />
• Lagerschädigung: Außenringpitting<br />
• Lagerschädigung: Innenringpitting<br />
- Zeitsignal a = f(t)<br />
- Spektrum a = f(f)<br />
- Hüllkurvenspektrum aHüll = f(f)<br />
- Zeitsignal a = f(t)<br />
- Spektrum a = f(f)<br />
- Hüllkurvenspektrum aHüll = f(f)<br />
- Bestimmung <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsfrequenz fA<br />
- Zeitsignal a = f(t)<br />
- Spektrum a = f(f)<br />
- Hüllkurvenspektrum aHüll = f(f)<br />
- Bestimmung <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsfrequenz fI<br />
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