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5.1. Datenauswertung - BSCW

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Departement 1 / Pädagogik bei Schulschwierigkeiten / Studiengang 2008/2011<br />

Master-Arbeit<br />

Auswirkungen von Verwöhnung<br />

im schulischen Kontext<br />

Verfasserin: Daniela Angehrn<br />

Mentorin: Marianne Wagner-Lenzin<br />

Expertin: Barbara Hollenstein-Tischhauser<br />

Abgabedatum: 11. Januar 2011


Abstract<br />

In dieser Arbeit wird der Frage nachgegangen, wie sich Überbehütung und Verwöhnung auf das Lernen im<br />

schulischen Kontext auswirken und was diesbezüglich für die heilpädagogische Arbeit zu beachten ist.<br />

Um dies zu untersuchen, wurden qualitative Interviews mit Lehrpersonen, Eltern und einer Expertin durchge-<br />

führt. Dieses Erfahrungswissen wurde anschliessend analysiert, interpretiert und in die induktiv gebildeten<br />

Kategorien eingereiht. Um die Auswirkungen zu ermitteln, wurden die Ergebnisse im Lichte der ICF-Bereiche<br />

beleuchtet und in einer fachlichen Diskussion erörtert. Die formulierten Thesen konnten teilweise bestätigt<br />

werden und das Selbstkonzept rückte als wichtiger Aspekt ins Zentrum der Thematik. Abschliessend werden<br />

Möglichkeiten für den Umgang mit Überbehütung und Verwöhnung im Kontext der Schule aufgezeigt.<br />

2


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Einleitung 7<br />

1.1. Persönliche Motivation 8<br />

1.2. Die heilpädagogische Arbeit 8<br />

2. Theorie 9<br />

2.1. Die Begriffe Überbehütung/Verwöhnung 9<br />

2.1.1. Erziehungsstil und Überbehütung/Verwöhnung 9<br />

2.1.2. Verwöhnung 10<br />

2.1.3. Überbehütung 11<br />

2.1.4. Ein Beispiel aus der Praxis 12<br />

2.1.5. Definitive Definition Verwöhnung 13<br />

2.2. Verwöhnung aus systemtheoretischer Sicht 14<br />

2.3. Bindungstheorie nach J. Bowlby 15<br />

2.3.1. Grundlagen der Bindungstheorie 15<br />

2.3.2. „Die fremde Situation“ 16<br />

2.3.3. Bindungstypen des Kindes 16<br />

2.3.4. Sensibilität der Hauptbindungsperson 17<br />

2.3.5. Bindungstherapie & Verwöhnung 17<br />

2.4. Die vier Konzepte vom Kind nach Winterhoff 19<br />

2.4.1. Das Konzept „Kind als Kind“ 19<br />

2.4.2. Das Konzept „Kind als Partner“ 19<br />

2.4.3. Das Konzept „Ich will vom Kind geliebt werden“ 19<br />

2.4.4. Das Konzept „Das Kind ist Teil meiner Selbst“ 20<br />

2.4.5. Winterhoffs vier Konzepte vom Kind und Verwöhnung 20<br />

2.5. Die Auswirkungen von Verwöhnung 21<br />

2.6. Der Begriff Lernen im schulischen Konzept 23<br />

2.6.1. ICF 23<br />

2.6.2. ICF in der Schule 23<br />

2.7. Fragestellung 24<br />

2.7.1. Hypothesen 24<br />

2.7.2. Hypothese 1 24<br />

2.7.3. Hypothese 2 24<br />

2.7.4. Hypothese 3 25<br />

3


3. Forschungsdesign 25<br />

3.1. Forschungsmethoden 25<br />

3.2. Stichprobe 26<br />

3.3. Vorbereitung der Interviews 26<br />

3.3.1. Entwicklung des Interviewleitfadens 26<br />

3.3.2. Vorbereitung auf die Durchführung des Interviews 27<br />

3.3.3. Pretest 28<br />

3.4. Datenerhebung 28<br />

3.5. Datenaufbereitung 29<br />

3.6. <strong>Datenauswertung</strong> 29<br />

3.6.1. Triangulation 31<br />

3.6.2. Kommunikative Validierung 31<br />

3.6.3. Struktur-Lege-Technik 31<br />

3.7. Bezugnahme auf Fragestellung und Hypothese 32<br />

4. Datenerhebung und Datenaufbereitung 32<br />

4.1. Datenerhebung 32<br />

4.2. Datenaufbereitung 33<br />

5. Ergebnisse 33<br />

<strong>5.1.</strong> <strong>Datenauswertung</strong>: Analyse & Interpretation 33<br />

5.2. Kategoriensystem 34<br />

5.3. Analyse 35<br />

5.4. Ergebnisse und Interpretation 35<br />

5.4.1. Kategorie: Bewegungsverhalten 35<br />

5.4.2. Kategorie: Bindung 36<br />

5.4.3. Kategorie: Erwartungshaltung 37<br />

5.4.4. Kategorie: Lernverhalten 38<br />

5.4.5. Kategorie: Reifeentwicklung 39<br />

5.4.6. Kategorie: Risikofaktor 40<br />

5.4.7. Kategorie: Selbstkonzept 40<br />

5.4.8. Kategorie: sozialer Umgang 41<br />

5.4.9. Kategorie: Verhaltensregulation 42<br />

5.5. Kommunikative Validierung 43<br />

5.<strong>5.1.</strong> Anmerkungen von B2 bezüglich der Ergebnisse 44<br />

5.5.2. Anmerkungen von B3 bezüglich der Ergebnisse 45<br />

4


5.5.3. Erkenntnisse bezüglich der Kategorienbildung durch die kommunikative Validierung 46<br />

5.6. Beantwortung der Fragestellung 46<br />

5.6.1. Hypothese 1 46<br />

5.6.2. Hypothese 2 47<br />

5.6.3. Hypothese 3 47<br />

5.6.4. Fragestellung 47<br />

6. Theorie 2 48<br />

6.1. Selbstkonzept 48<br />

6.1.1. Die Entwicklung des Selbstkonzeptes 48<br />

6.1.2. Informationsquellen 49<br />

6.2. Interaktion 50<br />

6.2.1. Interaktion als wechselseitige Beeinflussung von Individuum und Milieu 50<br />

6.2.2. Interaktion als wechselseitige Beeinflussung von Individuen in ihrem Milieu 50<br />

6.2.3. Interaktion als Selbsterfüllung 50<br />

6.2.4. Interaktion als Zuschreibung 51<br />

6.2.5. Interaktion als symbolisch vermittelte Wechselseitigkeit 51<br />

6.2.6. Interaktion als gestufte Rollenübernahme 51<br />

6.3. Das Selbstkonzept unter Einfluss der sozialen Interaktion 51<br />

7. Diskussion 52<br />

7.1. Kategorien 52<br />

7.1.1. Bewegungsverhalten 52<br />

7.1.2. Bindung 53<br />

7.1.3. Reifeentwicklung 54<br />

7.1.4. Risikofaktor 54<br />

7.1.5. Sozialer Umgang 54<br />

7.1.6. Verhaltensregulation 54<br />

7.1.7. Lernverhalten 56<br />

7.1.8. Selbstkonzept 57<br />

7.1.9. Erwartungshaltung 58<br />

7.2. Die Bedeutung der Untersuchungsergebnisse im Bezug auf die Fragestellung 60<br />

7.2.1. Hypothese 1 60<br />

7.2.2. Hypothese 2 60<br />

7.2.3. Hypothese 3 61<br />

7.2.4. Beantwortung der Fragestellung 61<br />

7.3. Schlüsse für die heilpädagogische Arbeit 61<br />

5


7.3.1. Individuumszentriertes Paradigma 62<br />

7.3.2. Interaktionistisches Paradigma 62<br />

7.3.3. Systemökologisches Paradigma 62<br />

7.3.4. Gesellschaftskritisches Paradigma 62<br />

7.4. Methodenkritik 63<br />

7.4.1. Datenerhebung 63<br />

7.4.2. Triangulation 64<br />

7.4.3. Hypothesen 64<br />

7.4.4. Kategoriensystem 64<br />

8. Kritische Würdigung der Arbeit und Ausblick 64<br />

8.1. Kritische Würdigung der Arbeit 65<br />

8.2. Ausblick 65<br />

9. Literaturverzeichnis 67<br />

10. Abbildungsverzeichnis 69<br />

11. Tabellenverzeichnis 69<br />

6


1. Einleitung<br />

Das Berufsfeld der schulischen Heilpädagogik umfasst zahlreiche unterschiedliche Herausforderungen. Ei-<br />

nige davon können nur erfolgreich bewältigt werden, wenn die Zusammenarbeit mit den Lehrpersonen und<br />

den Eltern gelingt und somit die Förderung des Kindes auch nachhaltig sein kann. Dies ist auch beim Thema<br />

der Verwöhnung der Fall, bei welcher Überbehütung als wichtiger Teilaspekt gesehen wird.<br />

In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass bei verwöhnten Kindern vermehrt Förderbedarf angezeigt ist,<br />

da sich die Folgen von Verwöhnung negativ auf das Lernen im schulischen Kontext auswirken. Die Kinder<br />

fallen in der Schule auf, weil sie verschiedene Erfahrungen nicht oder nicht ausreichend machen und aus<br />

diesem Grund bestimmte Fähigkeiten nicht entwickeln und differenzieren konnten.<br />

In Artikeln aus Zeitschriften und Magazinen werden meist ähnliche Aussagen bezüglich der Auswirkungen<br />

von Verwöhnung gemacht. Diese sind dann auch in Erziehungsratgebern zu finden. Aus diesem Grund wur-<br />

den Zeitschriftenartikel für diese Arbeit nicht berücksichtigt. Der englische Begriff Helicopter Parent wird<br />

meist in englischsprachiger Literatur behandelt und wird aus diesem Grund in dieser Arbeit nicht beigezo-<br />

gen.<br />

Im Rahmen dieser Master-Arbeit soll die Thematik der Verwöhnung aus verschiedenen Perspektiven be-<br />

leuchtet und in einer qualitativ orientierten Untersuchung aufgezeigt werden, welche Folgen von Verwöh-<br />

nung im schulischen Kontext der Primarschule zu erwarten sind.<br />

Dabei wird der Frage nachgegangen, wie sich verwöhnendes Erziehungsverhalten auf das Lernen im schuli-<br />

schen Kontext von Primarschulkindern auswirkt.<br />

Der qualitativen Untersuchung mittels Interviews ging die Erarbeitung der relevanten Literatur voraus.<br />

Schnell wurde klar, dass es sich bei Verwöhnung und Überbehütung um nicht-pädagogische Begriffe han-<br />

delt, die vorwiegend in Erziehungsratgebern abgehandelt werden. Es wurde der Versuch unternommen, ei-<br />

nen Zusammenhang zwischen Verwöhnung und wissenschaftlichen Konzepten wie der Bindungstheorie<br />

herzustellen.<br />

Damit die Fragestellung strukturiert beantwortet werden konnte, wurde zu den drei ICF-Bereichen Umgang<br />

mit Anforderungen, Umgang mit Menschen und Bewegung und Mobilität je eine Hypothese formuliert.<br />

Die Daten wurden durch die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (2000) ausgewertet.<br />

Überraschenderweise wurden in den sechs durchgeführten Interviews mit Lehrpersonen, einer Mutter und<br />

einer Expertin nicht die dramatisch beschriebenen Folgen von Verwöhnung aufgedeckt, welche in der Litera-<br />

tur beschrieben werden, sondern es zeigte sich, dass sich Verwöhnung negativ auf das Selbstkonzept des<br />

Kindes auswirkt.<br />

Verwöhnung wird in dieser Arbeit als Produkt von Interaktionsprozessen zwischen Erziehern oder Eltern und<br />

dem Kind verstanden, welches sich durch niedrige Erwartungshaltungen von Seiten der Erziehenden aus-<br />

zeichnet.<br />

7


Tritt ein Kind in den Kindergarten oder in die Primarschule ein, werden unterschiedliche oder gar gegensätz-<br />

liche Erwartungen und Forderungen von Seiten der Lehrperson und den Eltern an das Kind herangetragen,<br />

wodurch die Auswirkungen des verwöhnenden Erziehungsverhaltens deutlich erkennbar werden und sich je<br />

nach Situation auch zum Problem auswachsen können. Beispielsweise dann, wenn die unterschiedlichen<br />

Erwartungshaltungen von Lehrpersonen und Eltern zu Konflikten führen, so dass eine konstruktive Zusam-<br />

menarbeit im Sinne des Kindes nicht mehr möglich ist.<br />

1.1. Persönliche Motivation<br />

Die Motivation und das Interesse für das Thema der Überbehütung und Verwöhnung gehen auf Erfahrungen<br />

in der Berufspraxis als Kindergärtnerin zurück. Damals hatte ich in der Klasse einen sehr lieben und ange-<br />

nehmen Jungen, der als verwöhnt und überbehütet bezeichnen werden kann. Die Förderung dieses Jungen<br />

war sehr spannend und auch motivierend. Er machte auf der einen Seite sehr gute Fortschritte und lernte<br />

auch ohne grosse Schwierigkeiten, auf der anderen Seite aber zeigte er starke Entwicklungsverzögerungen<br />

in den Bereichen der Grob- und Feinmotorik sowie der Sprache.<br />

Die Zusammenarbeit mit diesen Eltern, speziell jene mit der Mutter, gestaltete sich dagegen äusserst<br />

schwierig. Für mich war ihr Verhalten total unberechenbar und ihre Wutausbrüche trafen mich meist völlig<br />

unvorbereitet.<br />

In zahlreichen Elterngesprächen kam Überbehütung und Verwöhnung nie zur Sprache, da ich eine erneute<br />

Eskalation unbedingt verhindern wollte. Nebst der SHP-Förderung konnte auch mit der Logopädie- und Er-<br />

gotherapie begonnen werden.<br />

Durch die kostspieligen Therapiemassnahmen, für welche Schulgemeinde und Krankenkasse aufkommen<br />

mussten, wurde lediglich Symptombekämpfung betrieben. Es konnte nichts zur Veränderung der Umstände<br />

beigetragen werden, welche die kindliche Entwicklung hemmten und die Entwicklungsverzögerungen be-<br />

günstigte.<br />

Im Rahmen dieser Arbeit soll, nebst Antworten auf die formulierten Fragestellungen, auch thematisches Wis-<br />

sen zusammengetragen werden. Dieses fördert das Verständnis von Umständen, welche verwöhnendes<br />

Erziehungsverhalten und deren Folgen begünstigen.<br />

1.2. Die heilpädagogische Arbeit<br />

Der Auftrag der schulischen Heilpädagogik besteht nebst der Förderung der Kinder auch in der begleitenden<br />

und beratenden Funktion von Klassenlehrkräften und Eltern. Dies gilt natürlich auch dann, wenn bei einem<br />

Kind negative Auswirkungen von Verwöhnung festgestellt werden und besondere Sensibilität für die syste-<br />

mischen Zusammenhänge und Wechselwirkungen von Familie, Schule, Kind und Klassenkameraden gefragt<br />

sind.<br />

8


Ein weiteres Ziel dieser Arbeit liegt darin, durch die Untersuchung Möglichkeiten aufzuzeigen, wie mit der<br />

Thematik der Verwöhnung in der Primarschule konstruktiv und lösungsorientiert umgegangen werden kann<br />

und was dabei berücksichtigt werden sollte.<br />

2. Theorie<br />

Das folgende Kapitel befasst sich mit der genaueren Klärung der zentralen Begriffe Überbehütung/Verwöh-<br />

nung und Lernen im schulischen Kontext, welche für diese Arbeit wichtig sein werden. Anschliessend wer-<br />

den Theorien und Konzepte, welche mit den zentralen Begriffen in Verbindung stehen, beschrieben und er-<br />

läutert.<br />

2.1. Die Begriffe Überbehütung/Verwöhnung<br />

In der psychologischen und pädagogischen Fachliteratur sind wenige Beiträge zum Thema Überbehütung/<br />

Verwöhnung und deren Auswirkungen zu finden. Im Gegensatz dazu behandelt ein Grossteil der Erzie-<br />

hungsratgeber das Thema ausführlich.<br />

2.1.1. Erziehungsstil und Überbehütung/Verwöhnung<br />

Als Erziehungsstil wird die Verhaltensweise eines Erziehers verstanden, welche sich zu einer typischen er-<br />

zieherischen Grundhaltung zusammenfassen lässt (vgl. Hobmair, 2007, S. 213). Obwohl Autoren (vgl. Rüedi,<br />

1995; Rogge, 2005), deren Aussagen nachfolgend noch eingebracht werden, Überbehütung und Verwöh-<br />

nung als Erziehungsstil bezeichnen, werden die Begriffe von Seiten der Erziehungsstil-Forschung nicht be-<br />

handelt. Frick vermutet allzu theoretische Konzepte der Erziehungsstil-Forschung und bemerkt: „Die Erzie-<br />

hungsstil-Forschung der vergangenen Jahrzehnte (z.B. Lewin, Tausch und Tausch, Anderson, Schmidtchen<br />

u.a.) beschreibt Erziehungsstile, ohne die Verwöhnung explizit zu erwähnen“ (2011, S. 27).<br />

Der amerikanische Pädagoge Schaeffer unterscheidet zwei Aspekte von Erziehungsstilen: Das Ausmass der<br />

Freiheit, die dem Kind gewährt wird und das Ausmass der Zuneigung, die ein Kind erfährt (vgl. Schaeffer zit.<br />

n. Kohnstamm, 2006, S. 273). Dabei können unterschiedliche Abstufungen vorkommen: von überkontrolliert<br />

bis völlig sich selbst überlassen, von innig geliebt bis als Hemmschuh erlebt. Nach Schaeffer können unter-<br />

schiedliche Kombinationen beider Aspekte auftreten, wobei eine liebevolle, stark einschränkende Erziehung<br />

zu einem überbehütenden familiären Klima führt (vgl. ebd.).<br />

Nach Zimbardo (2003) werden fünf verschiedene elterliche Erziehungsstile beschrieben: der autoritative, der<br />

autoritäre, der permissive, der nachgiebige und der vernachlässigende Erziehungsstil.<br />

Der permissive Erziehungsstil zeichnet sich durch wenig Lenkung und Kontrolle der Eltern aus, und Frick<br />

sieht in diesem Anteile von Verwöhnung (vgl. 2011, S. 27). Er kann aber nicht mit einem verwöhnenden Er-<br />

ziehungsstil gleichgesetzt werden, da ansonsten der Aspekt der Überbehütung vernachlässigt wird, welche,<br />

wie bereits erwähnt, als liebevoll, stark einschränkende Erziehung beschrieben wird.<br />

9


Bereits Alfred Adler, der Begründer der Individualpsychologie, hat Überbehütung und Verwöhnung als Ver-<br />

wöhnung und Verzärtelung bezeichnet (vgl. Adler zit. n. Rüedi, 1995, S. 77).<br />

Da von Seiten der Erziehungsstil-Forschung der Versuch unterlassen wird, Überbehütung und Verwöhnung<br />

einem Erziehungsstil zuzuordnen, verharren sie als nicht pädagogische Begriffe grösstenteils in der Alltags-<br />

sprache, und die Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes bleiben in der Fachliteratur weitgehend un-<br />

erwähnt. Erziehungsratgeber werden dabei nicht als Fachliteratur angesehen, da sie grösstenteils wenige<br />

oder keine Bezüge zu theoretischen Konzepten herstellen.<br />

Spannend zu verfolgen ist auch, dass in Grundlagenwerken der Pädagogik, Psychologie und Sonderpäda-<br />

gogik (vgl. Borchert, 2000; Hobmair, 1997; Perleth & Ziegle, 1999) zwar verschiedene Erziehungsstile be-<br />

schrieben werden, der Begriff Verwöhnung aber nicht und jener der Überbehütung nur in einem Werk (vgl.<br />

Borchert, 2000) zu finden ist (Stichwortverzeichnis).<br />

2.1.2. Verwöhnung<br />

Nach Frick (2011, S. 38) tritt Verwöhnung in verschiedenen Varianten auf, und er versteht diese psycholo-<br />

gisch betrachtet als:<br />

• Übermass an Zärtlichkeit<br />

• Übermass an Besorgnis<br />

• Übermass an Hilfsbereitschaft<br />

• Übermass an Entlastung<br />

• Übermass an Geschenken, Geld, Spielsachen<br />

• Mangel an Zutrauen, Ermutigung<br />

• Mangel an Zuversicht<br />

• Mangel an Forderung: Ausdauer, anpacken, durchhalten, ausprobieren<br />

• Mangel an freundlicher Grenzsetzung<br />

Es existiert nach Frick (ebd.) also nicht eine Form von Verwöhnung, sondern sie tritt in unterschiedlicher,<br />

individueller Ausprägung auf und beinhaltet mehrere der oben genannten Merkmale. Für das Ausmass der<br />

negativen Auswirkungen von Verwöhnung auf die Entwicklung des Kindes sind sowohl die Zeitspanne, wie<br />

auch die Umstände, unter welchen sie auftreten (Trennung, wenig Zeit für das Kind), entscheidend.<br />

Was jedoch als Übermass oder als Mangel anzusehen ist, bleibt unklar; die zahlreichen Beispiele in seinem<br />

Buch tragen lediglich zu einer Annäherung dieser Begriffe bei. Leider unterlässt er eine eigene, kurze und<br />

prägnante Definition von Verwöhnung. Er bezieht sich lediglich auf die Definitionen anderer Autoren.<br />

Felix von Cube, welcher sich aus verhaltensbiologischer Sicht mit dem Thema Verwöhnung befasste, defi-<br />

niert diese als: „Rasche und leichte Triebbefriedigung (mit dem damit verbundenen Lusterlebnis) ohne An-<br />

strengung“ (1999, S. 15).<br />

Wunsch definiert Verwöhnung folgendermassen: „Verwöhnung ist das Resultat unangemessenen Agierens<br />

oder Reagierens auf Wünsche oder Verhalten“ (2007, S. 83). Dabei erfährt Positives keine Verstärkung und<br />

10


Negatives keine Begrenzung (vgl. ebd.). Diese Definition von Wunsch wäre demnach dem vernachlässigen-<br />

den Erziehungsstil zuzuordnen oder nach Lewin bzw. Tausch und Tausch dem Laissez-faire-Erziehungsstil.<br />

Rüedi, der sich aus individualpsychologischer Sicht mit dem Thema befasst, definiert Verwöhnung als Für-<br />

sorge aus Angst (1995, S. 76). Das Motiv der Angst könnte aber auch - vielleicht sogar besser - der Überbe-<br />

hütung zugeordnet werden, ebenso die Fürsorge, wobei das Ausmass von Fürsorge ausschlaggebend ist,<br />

ob die Autonomie des Individuums, welches Fürsorge erfährt, nicht beeinträchtigt wird. Diesbezüglich wer-<br />

den im folgenden Kapitel noch weitere Überlegungen angestellt. Gerade bei der Definition von Rüedi wird<br />

einmal mehr deutlich, dass sich Verwöhnung und Überbehütung auch überlappen können.<br />

2.1.3. Überbehütung<br />

Nebst Beiträgen zur Überbehütung in Erziehungsratgebern wurden solche auch in Diplomarbeiten älteren<br />

Datums gefunden. Während Frick Überbehütung als Teil von Verwöhnung sieht und die Begriffe nicht klar<br />

voneinander trennt, unterscheidet Baldinger in ihrer Diplomarbeit zwischen Überbehütung und Verwöhnung:<br />

“Nach Bernhard und Helma Hassenstein (1987), Vertreter und Vertreterin der Ethnologie, lassen Eltern ihre<br />

Kinder im Falle von Überbehütung ein Übermass an Fürsorge angedeihen.... Verwöhnung ist dagegen mit<br />

sofortiger Wunsch- und Bedürfnisbefriedigung gleichzusetzen“ (Baldinger, 1989, S. 4).<br />

Nachfolgend räumt die Autorin allerdings ein, dass in der Praxis nur ungenügend zwischen Überbehütung<br />

und Verwöhnung unterschieden werden kann.<br />

Koch-Castiglia untersuchte in ihrer Diplomarbeit den Zusammenhang zwischen neurotischer Entwicklung<br />

und Überbehütung. Überbehütung definiert sie selbst als: „Verhaltensmuster der Eltern und von anderen<br />

Bezugspersonen, die eine übermässige Bevormundung der behinderten Menschen beinhaltet“ (Koch-Castig-<br />

lia, 1995).<br />

Rogge hingegen sieht einen überbehütenden Erziehungsstil als Teil der Verwöhnung: „Verwöhnung geht oft<br />

mit einem überbehütenden Erziehungsstil einher, verbunden mit einem hohen Mass an Kontrolle. Eltern se-<br />

hen und spüren alles, nehmen dem Kind jede Aufgabe und Herausforderung sofort ab. Frustrationen werden<br />

nicht zugelassen, jeder Wunsch wird augenblicklich und auf der Stelle erfüllt“ (2005, S. 115).<br />

Von Kleine Schaars stammt eine spannende Grafik, die ebenfalls einen Beitrag zur Definition von Überbehü-<br />

tung leisten kann.<br />

Kleine Schaars verdeutlicht, wie in der Betreuung von Menschen mit geistigen Behinderungen eine mög-<br />

lichst grosse Unabhängigkeit und Selbständigkeit angestrebt werden kann.<br />

Die Grafik zeigt auf, wie durch überbehütendes Verhalten in die Autonomie der Person eingegriffen wird.<br />

Somit führt Überbehütung zu Unterforderung.<br />

11


Abb. 1: Überbehütung und Überforderung (vgl. Kleine Schaars, 2010)<br />

Diese Grafik kann auch auf das überbehütende Erziehungsverhalten von Erwachsenen bei Kindern adaptiert<br />

werden.<br />

Dies würde dann bedeuten, dass durch Überbehütung in die Autonomie des Kindes eingegriffen wird und<br />

dies zu Unterforderung führt.<br />

Auffallend sind die Ähnlichkeiten der Grafik von Kleine Schaars und dem, was Alfred Adler um 1930 über die<br />

„Verzärtelung“ geschrieben hat:<br />

Dem verzärtelten Kinde wird sein Lebensplan in ununterbrochenem Training aufgezwungen. Immer<br />

wird ihm alles leicht gemacht, und sein Wert auch ohne Leistung steht immer vor Augen. Mehr oder<br />

weniger enthebt man es von selbständigen Leistungen, und die Mutter, gelegentlich die<br />

Grossmutter oder Tante, springen immer ein, wo das Kind seine Funktionen, seine Organe<br />

entwickeln soll. Sie denkt, wo das Kind denken sollte, handelt und spricht, ohne ihm Handeln und<br />

Sprechen zu gestatten. (Adler zit. nach Rüedi 1995, S. 77)<br />

2.1.4. Ein Beispiel aus der Praxis<br />

Erwachsene verhalten sich nicht mit böser Absicht überbehütend. Es wird davon ausgegangen, dass sie in<br />

der Erziehung möglichst alles richtig machen möchten. Den Impuls, Kinder beschützen zu wollen, verspüren<br />

bestimmt alle Personen, welche mit Kindern zu tun haben.<br />

Eigene Erfahrungen, welche nachfolgend erläutert werden, lassen vermuten, dass überbehütende Erwach-<br />

sene eigene Impulse von Vorsicht oder Angst nur ungenügend kontrollieren können. Dies führt zum soforti-<br />

gen Eingriff in das Handeln des Kindes und somit auch in dessen Autonomie.<br />

Ein Beispiel aus der Praxis:<br />

12


Die Kinder spielen auf dem Schulhausplatz im Sand, wo sich auch die Kletterstangen und das Reck befin-<br />

den. Ein Kindergartenkind klettert nun die Kletterstange hoch, lässt etwa zwei Meter ab Boden den ganzen<br />

Körper in der Luft baumeln, hält sich nur noch mit den Händen an den Stangen fest und springt runter. Ein<br />

Moment, in dem eine Betreuungsperson den starken Impuls verspürt, diesem Kind entgegenzulaufen und es<br />

vom Sprung abzuhalten.<br />

In der Reaktion auf diese Situation zeigt sich, ob sich diese Person nun angemessen oder überbehütend<br />

verhält. Richtigerweise geht sie hin und lässt das Kind runterspringen, weil sie weiss, dass dieses Kind seine<br />

Fähigkeiten gut einschätzen kann. Anschliessend wird mit den Kindern ausgehandelt, wie hoch sie maximal<br />

klettern dürfen. Die Betreuungsperson bleibt in der Nähe, damit sie den Kindern, die sich in der Höhe ver-<br />

schätzt und Angst bekommen haben, ein Stück herunterhelfen kann.<br />

Der Impuls von Erwachsenen, Kinder in gefährlichen Situationen zu beschützen, ist sehr wichtig und natür-<br />

lich. Entscheidend ist im Zusammenhang mit Überbehütung, wie Erwachsene mit diesem Impuls umgehen:<br />

Überprüfen sie die Situation, um abzuschätzen, wie bedrohlich sie wirklich ist oder wird in die Handlung des<br />

Kindes gleich eingegriffen, um sie zu beenden? Entscheidend ist also, ob Eltern ihr Kind trotz dieses Impul-<br />

ses in ihrem Erkundungsverhalten unterstützen und begleiten, Abmachungen treffen, Hilfestellungen geben<br />

oder ob sie es ihnen grundsätzlich verbieten.<br />

Problematisch ist auch die Botschaft, die dem Kind im Fall von Überbehütung vermittelt wird, wenn es von<br />

seinem Erkundungsverhalten abgehalten oder dieses verboten wird: “Du kannst das nicht! Pass auf, du<br />

könntest dich verletzen!“ Dies wird auf Dauer das Selbstvertrauen des Kindes schwächen, oder in den Wor-<br />

ten von Frick formuliert: „Immer steht die Besorgnis, der Zweifel, die Angst des Verwöhnenden im Vorder-<br />

grund, und diese Haltung kann das sich entwickelnde Selbstbewusstsein des Kindes wie Säure auflösen“<br />

(2011, S. 31).<br />

Ausserdem kann es wichtige Erfahrungen wie z.B. im Bereich der Grobmotorik, beim Klettern nicht oder nur<br />

eingeschränkt machen. Es verpasst dabei die Gelegenheit, entsprechende Fähigkeiten wie die Koordination<br />

von Armen und Beinen, Körperspannung oder der Orientierung im Raum zu üben. Mangelndes Selbstver-<br />

trauen schränkt wiederum das Erkundungsverhalten ein, was zu weniger Erfahrungen führt.<br />

Wird ein solches Erziehungsverhalten, also der immer wiederkehrende Eingriff in die kindliche Autonomie,<br />

über eine längere Zeitspanne aufrechterhalten, wird in dieser Arbeit von Überbehütung gesprochen, welche<br />

als Teil von Verwöhnung gesehen wird.<br />

2.1.5. Definitive Definition Verwöhnung<br />

Wie aufgezeigt werden konnte, sind die Begriffe Überbehütung und Verwöhnung nur schwer von einander zu<br />

trennen, weil sie sich auch überlappen. Die Erfahrung im Rahmen dieser Arbeit zeigt, dass dies sowohl auf<br />

die Literatur, wie auch auf die Praxis zutrifft: Die Grenze von Verwöhnung und Überbehütung ist fliessend.<br />

Es wird vermutet, dass auch in der Alltagssprache von Betroffenen und Lehrpersonen nicht bewusst zwi-<br />

schen diesen beiden Begriffen unterschieden wird. Folglich würden bei einer Untersuchung mit dem Begriff<br />

Überbehütung zwangsläufig auch Daten erhoben, die der Verwöhnung zuzuordnen wären und umgekehrt.<br />

Überbehütung wird zwar als Teilaspekt von Verwöhnung verstanden, aber gerade diesem wird eine grosse<br />

13


Bedeutung für die heilpädagogische Arbeit beigemessen. Dennoch wird im Sinne eines leserfreundlichen<br />

Schreibstils im weiteren Verlauf dieser Arbeit nur noch von Verwöhnung gesprochen - dabei aber immer<br />

auch an Überbehütung gedacht.<br />

Aus fachlicher Sicht deckt deshalb die Definition von Rogge alle wichtigen Aspekte von Verwöhnung ab und<br />

unterstreicht jene der Überbehütung. Aus diesem Grund wird die Definition von Rogge für diese Arbeit über-<br />

nommen:<br />

Verwöhnung geht oft mit einem überbehütenden Erziehungsstil einher, verbunden mit einem hohen<br />

Mass an Kontrolle. Eltern [Betreuungspersonen] sehen und spüren alles, nehmen dem Kind jede<br />

Aufgabe und Herausforderung sofort ab. Frustrationen werden nicht zugelassen, jeder Wunsch<br />

wird augenblicklich und auf der Stelle erfüllt. (2005, S. 115)<br />

Da die Erziehungsstil-Forschung keinen überbehütenden oder verwöhnenden Erziehungsstil nennt, soll<br />

nachfolgend von einem verwöhnenden Erziehungsverhalten gesprochen werden. Unter Verhalten wird die<br />

Gesamtheit aller von aussen beobachtbaren Äusserungen eines Lebewesens verstanden, wobei der<br />

Mensch dieses Verhalten bewusst und überlegt mit einem bestimmten Sinn verbindet, welches als Handeln<br />

bezeichnet wird (vgl. Hobmair, 1997, S. 18). Da bei Verwöhnung davon ausgegangen wird, dass nur ein<br />

kleiner Teil des Erziehungsverhaltens bewusst als Erziehungshandeln bezeichnet werden kann, bietet sich<br />

der Begriff Erziehungsverhalten an (vgl. Frick, 2011, S. 123 ff).<br />

2.2. Verwöhnung aus systemtheoretischer Sicht<br />

Die Auseinandersetzung mit dem Thema Verwöhnung verleitet geradezu zu Schuldzuweisungen. Doch die-<br />

se erschweren die Zusammenarbeit und verlaufen deshalb kaum im Interesse des Kindes.<br />

Wird aus der systemtheoretischen Sicht die Thematik betrachtet, wird die Suche nach „Schuldigen“ hinfällig:<br />

„Betrachtet man die Familie und ihre Umwelt (z.B. Schule) aus systemtheoretischer Sicht, so ergibt sich eine<br />

andere Konstellation und Perspektive. Das Kind kann nicht mehr als Individuum für sich, sondern nur als ein<br />

in zwei Systeme eingebundenes Mitglied beurteilt werden. Ohne das gegenseitige Verstehen der beiden<br />

Systeme kann auch das Kind nicht hinreichend verstanden werden“ (Speck, 2003, S. 476).<br />

Die theoretische Verankerung von Verwöhnung, welche sich auch auf Forschungsergebnisse stützt, wird in<br />

der thematischen Literatur oft unterlassen. Es wird zwar aufgezeigt, wer welche Aussagen und Definitionen<br />

formuliert hat, diese müssen aber der Leserin, dem Leser dann so auch genügen. Über einen sehr langen<br />

Zeitraum, so wird vermutet, wurde Erziehung als Angelegenheit der Eltern, der Familie gesehen. Geht es um<br />

Verwöhnung, wird Erziehung zum heiklen Thema. Speziell dann, wenn diese Thematik nicht aus systemthe-<br />

oretischer, sondern aus individuumszentrierter Sicht betrachtet wird.<br />

In dieser Arbeit soll nun der Versuch unternommen werden, eine solche theoretische Verankerung herzustel-<br />

len.<br />

Havers sieht die Bindung als Grundlage der Erziehung an (Havers in Perleth & Ziegler, 1999, S. 13). Im fol-<br />

genden Kapitel soll die Bindungstheorie von Bowlby, die Untersuchungen von Ainsworth und die daraus re-<br />

14


sultierenden wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst und auf die Thematik der Verwöhnung hin beleuch-<br />

tet werden. Dafür wurde die Literatur von Grossmann und Grossmann (2003) beigezogen.<br />

2.3. Bindungstheorie nach J. Bowlby<br />

Die Bindungstheorie befasst sich mit dem Kontakt des Säuglings zu seiner Mutter und mit dem langfristigen<br />

Einfluss des frühen Kontakts auf die Mutter-Kind-Beziehung (vgl. Herbert, 1999, S. 24).<br />

Als Bindung bezeichnet Bowlby: „Ein gefühlsmässiges Band, welches eine Person oder ein Tier zwischen<br />

sich selbst und einem bestimmten anderen knüpft - ein Band, das sich räumlich verbindet und das zeitlich<br />

andauert“ (Ainsworth zit. n. Grossmann & Grossmann, 2003, S. 242). Dabei möchte das Individuum einen<br />

bestimmten Grad an Nähe zu dem Objekt der Bindung herstellen und aufrechterhalten (vgl. ebd.).<br />

Wenn ein Säugling auf die Welt kommt, ist er vollständig von seiner Umwelt abhängig. Entgegen der frühe-<br />

ren Befürchtung, kann ein Säugling nicht verwöhnt werden: „Marie Meierhofer, die berühmte Pionierin auf<br />

dem Gebiet der Psychohygiene im Kindesalter, berichtet zum Beispiel von der noch um 1950 üblichen Emp-<br />

fehlung, den Säugling schreien zu lassen, damit er so abgehärteter und ja kein Tyrann werde“ (Rüedi, 1995,<br />

S. 75 f). Sie warnte vor dieser Empfehlung und wies unermüdlich auf die Bedürfnisse kleiner Kinder hin, und<br />

die Erkenntnisse auf dem Gebiet der Kinderpsychologie haben ihr während der folgenden Jahre recht gege-<br />

ben (ebd.).<br />

Wichtige Erkenntnisse lieferte in diesem Zusammenhang auch die Bindungstheorie von John Bowlby. Mary<br />

D. S. Ainsworth und Mitarbeitende erforschten das Bindungsverhalten von Säuglingen, Kleinkindern und de-<br />

ren Betreuungspersonen intensiv. Ainsworth hält fest, dass auf das Weinen des Säuglings innerhalb von<br />

sechs Sekunden durch die Betreuungsperson resp. Mutter reagiert werden muss, da er ansonsten die Reak-<br />

tion des Erwachsenen nicht mit dem eigenen Weinen in Verbindung bringen kann (vgl. Grossmann &<br />

Grossmann, 2003). Etabliert sich dieses Verhaltensmuster zwischen Säugling und Bindungsperson, wird er<br />

nicht sicher an sie gebunden.<br />

Was dies bedeutet, soll nachfolgend erläutert werden.<br />

2.3.1. Grundlagen der Bindungstheorie<br />

Der Säugling oder das Kleinkind entwickelt im Laufe des ersten Lebensjahres durch das angelegte Verhal-<br />

tenssystem eine starke emotionale Bindung zu einer Hauptbezugsperson. Es wird davon ausgegangen,<br />

dass dieses Verhaltenssystem des Säuglings genetisch bedingt ist. Dieses Verhaltenssystem äussert sich im<br />

Signalverhalten, welches beim Erwachsenen spezifische Reaktionen hervorruft, wie zu lächeln, den Säug-<br />

ling berühren, streicheln, mit ihm sprechen etc.<br />

In einer zweiten Phase beginnt das Baby, Personen von einander zu unterscheiden. Auch wenn es dabei<br />

sein Bindungsverhalten weiter differenziert, wird davon ausgegangen, dass noch nicht eine feste Bindung<br />

entstanden ist.<br />

Es wird vermutet, dass das Kind an die Person gebunden wird, mit der es am meisten Zeit verbringt. Es<br />

können aber auch Bindungen zu weiteren Bindungspersonen entstehen.<br />

15


Im Laufe der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres entsteht eine Bindung zu Bindungspersonen. Es<br />

möchte dann nur noch von ihnen getröstet werden und reagiert auf unbekannte Personen ängstlich. Das<br />

Bindungsverhalten wird immer stärker. Das Kind verfügt nun auch über weiterentwickelte motorische Fähig-<br />

keiten, was die Fortbewegung ermöglicht; ist die Entfernung zur Bindungspersonen zu gross, wird das Bin-<br />

dungsverhalten aktiviert, und das Kind sucht die Nähe zu dieser. Bowlby nennt dieses Verhalten „zielkorri-<br />

giert“ (Bowlby, zit. n. Grossmann & Grossmann, 2003). Während dieses Bindungsverhalten anfangs auf<br />

ganz bestimmte Weise aktiviert oder beendet wurde, werden die Auslöser nun ein wenig austauschbarer und<br />

können in neuen Verhaltensmustern organisiert werden. Das Signalverhalten verschwindet zwar nicht, wan-<br />

delt sich aber zu reiferen Formen der Kommunikation.<br />

Der Erwerb der „Objektpermanenz“ bedeutet eine grosse Veränderung in der Mutter-Kind-Beziehung. Das<br />

Kind kann sich nun vorstellen, dass die Mutter existiert, auch wenn es sie nicht sieht.<br />

Das Kind entfernt sich von der Mutter in Situationen, in denen es sich sicher fühlt, z.B. beim Spielen und Ex-<br />

plorieren; das Ziel von Nähe ist dann auf weitere Entfernung eingestellt. Geht die Mutter allerdings weiter<br />

weg, wird das Bindungsverhalten wieder aktiviert, und das Kind geht ihr nach und spielt dann dort in der na-<br />

türlich gesetzten Ziel-Distanz weiter. Es hat die Distanz zur Mutter „zielkorrigiert“.<br />

2.3.2. „Die fremde Situation“<br />

Ainsworth entwickelte einen Test, um die Mutter-Kind-Bindungsmuster in der fremden Situation zu untersu-<br />

chen. Diesem gingen zwei längsschnittliche Forschungsprojekte voraus. Dabei wurde das Bindungsverhal-<br />

ten während des ersten Lebensjahres von Kindern in Uganda und zehn Jahre später in Baltimore erforscht.<br />

Die Ergebnisse stützten Bowlbys Theorie. Die Mutter-Kind-Bindungsmuster wurden in der fremden Situation<br />

(Laborsituation) noch deutlicher. Die Kinder wurden dabei während zwanzig Minuten möglicherweise belas-<br />

tenden Situationen ausgesetzt: Trennung von der Mutter, Kontakt mit einer fremden Person und eine unge-<br />

wohnte Umgebung.<br />

2.3.3. Bindungstypen des Kindes<br />

Durch das gezeigte Verhalten und Reaktionen des Kleinkindes konnte die Bindung an seine Mutter anhand<br />

drei weit gefasster Kategorien umschrieben werden.<br />

Resch (1999) fasst diese wie folgt zusammen:<br />

Typ A – vermeidend-unsicher: In Stresssituationen vermeiden diese Kinder die allzu grosse Nähe zur Mutter.<br />

Sie versuchen, ohne die Mutter das Problem zu lösen, nehmen wenig Blickkontakt auf und suchen wenig<br />

oder keinen Körperkontakt.<br />

Typ B – sicher: In Stresssituationen fordern die Kinder die Nähe der Mutter ein, weinen, rufen, lassen sich<br />

jedoch von der Testerin trösten und beruhigen sich schnell wieder. Sie begrüssen die Mutter freudig, wenn<br />

diese wieder zurückkommt.<br />

Typ C – ambivalent-unsicher: Diese Kinder sind in Stresssituationen hin- und hergerissen.<br />

Bei der Trennung von der Mutter weinen sie, laufen zur Tür und lassen sich kaum beruhigen. Bei der Wie-<br />

derkehr der Mutter suchen sie ihre Nähe und wehren sie im nächsten Moment ärgerlich ab.<br />

16


Das folgende Bindungsverhalten wurde erst wesentlich später durch Mary Main benannt.<br />

Typ D – desorganisiert-desorientiert: Das Kind zeigt aussergewöhnliche Verhaltensweisen, wie z.B. Erstar-<br />

ren. Zur Mutter ist ein widersprüchliches Bindungsverhalten zu beobachten, das sowohl die Suche nach Nä-<br />

he und Kontakt, als auch den Abbruch der Beziehung zeigt.<br />

Das spezifische Bindungsmuster hängt von der Geschichte der Interaktion zwischen Kind und einer be-<br />

stimmten Person ab. Daher kann gesagt werden, dass Sicherheit oder Unsicherheit von Bindung nicht auf<br />

Persönlichkeitsmerkmale oder Temperament des Kindes zurückgeführt werden kann (vgl. Grossmann &<br />

Grossmann, 2003, S. 327).<br />

2.3.4. Sensibilität der Hauptbindungsperson<br />

Über das Verhalten der Mütter von sicher gebundenen Kleinkindern schreibt Ainsworth: „Ihre Mütter waren<br />

häufiger und in vielen Zusammenhängen einfühlsam ansprechbar auf kindliche Signale, interpretierten Sig-<br />

nale genauer und reagierten angemessener, schneller und unmittelbarer („kontingenter“) .... Sie waren weni-<br />

ger zurückweisend, einmischend und/oder ignorierend als die Mütter der anderen Kinder.“ (Ainsworth zit. n.<br />

Grossmann & Grossmann, 2003, S. 322).<br />

Allgemein kann gesagt werden, dass die Bezugspersonen von sicher gebundenen Kleinkindern mehr für-<br />

sorgliche Sensibilität gegenüber den kindlichen Bedürfnissen zeigen, als dies Bezugspersonen von vermei-<br />

dend-unsicheren und ambivalent-unsicher gebundenen Kindern tun (vgl. ebd.).<br />

Die Art der Interaktion, die ein Kind mit der Bindungsperson oder den Bindungspersonen hat, formt sein Bin-<br />

dungsverhalten und mit der Zeit auch die Art, wie diese zusammen in seiner/seinen Bindungsbeziehung(en)<br />

organisiert werden (vgl. Ainsworth zit. n. Grossmann & Grossmann, 2003, S. 273).<br />

Es entscheidet sich also, ob das Kleinkind Vertrauen zur Bindungsperson aufbauen kann und ob deren Ver-<br />

halten für das Kind vorhersehbar ist oder nicht. „Das weniger sichere Kind kann bezüglich der Verfügbarkeit<br />

der Bindungsfigur so unsicher sein, dass es so sehr damit beschäftigt ist, die Nähe zu erhalten, dass dies zu<br />

Lasten der explorativen Aktivität geht (Ainsworth zit. n. Grossmann & Grossmann, 2003, S. 329). Sicher ge-<br />

bundene Kleinkinder sind dagegen mit einem Jahr auch zufrieden, wenn sie abgesetzt werden und können<br />

sich dann der Exploration und dem Spiel hingeben. Das allmähliche Wachsen der Unabhängigkeit wird so<br />

ermöglicht (vgl. Ainsworth zit. n. Grossmann & Grossmann, 2003, S. 268).<br />

2.3.5. Bindungstherapie & Verwöhnung<br />

Im Zusammenhang mit Verwöhnung macht Ainsworth folgende Aussage:<br />

Ganz klar ist, dass durch unsere Ergebnisse nicht bestätigt wird, dass man Angst davor haben<br />

muss, ein Kind zu verwöhnen, wenn man die Signale beantwortet. Ein Kind, das als verwöhnt bezeichnet<br />

werden könnte, ist eigen, fordernd, unkooperativ, und es ist ganz allgemein schwer, mit<br />

ihm umzugehen. Diese Beschreibung gilt eher für diejenigen Kinder in unserer Untersuchungsgruppe,<br />

deren Mütter nicht feinfühlig gegenüber Signalen waren, die die Aktivität ihres Kindes unangemessen<br />

störten und die zurückweisend, strafend und/oder unzugänglich waren. (vgl. Ainsworth<br />

zit. n. Grossmann & Grossmann, 2003, S. 274)<br />

17


Ainsworth hat durch ihre Untersuchungen entdeckt, dass der Sozialisationsprozess eines Kleinkindes gut<br />

verläuft, wenn es eine harmonische Bindungsbeziehung zur Mutterperson erlebt hat. Diese „respektiert seine<br />

Autonomie als ein eigenständiges Individuum und freut sich daran, individuelle Züge an ihm und an der Art,<br />

in der es seine Wünsche durchsetzt, festzustellen“ (2003, S. 273).<br />

„Sicherlich wird im ersten Jahr durch eine sichere und harmonische Bindungsbeziehung Unabhängigkeit<br />

eher gefördert als gehemmt, während ʻÜberabhängigkeitʻ die Folge unfeinfühliger mütterlicher Zuwendung<br />

zu sein scheint“ (vgl. Ainsworth zit. n. Grossmann & Grossmann, 2003, S. 274).<br />

Auch wenn ein Säugling oder Kleinkind noch nicht verwöhnt werden kann, da das sofortige Reagieren der<br />

Bindungsperson auf die Bedürfnisse des Kindes für eine sichere Bindung unbedingt notwendig ist, spricht<br />

Ainsworth Eigenschaften an, die später bei überbehüteten und verwöhnten Kindern beobachtet werden kön-<br />

nen. So spricht sie beispielsweise die „Überabhängigkeit“ des Kindes von der Mutter bei nicht sicher gebun-<br />

denen Kindern an oder den Respekt der Mutter vor der Autonomie des Kindes. Gerade dies wird bei Kleine<br />

Schaars (vgl. Kapitel 2.1.3.) im Zusammenhang mit Überbehütung genannt, wo es der Bezugsperson nicht<br />

gelingt, dem Individuum angemessene Autonomie zu gewähren.<br />

Damit Rückschlüsse von Überbehütung/Verwöhnung auf die Bindungstheorie gezogen werden dürfen, muss<br />

der Frage nachgegangen werden, inwiefern das Bindungsverhalten des ersten Lebensjahres auch in der<br />

nachfolgenden Entwicklung aufrechterhalten wird. Die Untersuchung von Ainsworth beschränkt sich zwar auf<br />

das erste Lebensjahr, sie vermutet allerdings, dass bei gleichbleibender Kooperation der Mutter und keinen<br />

abrupten Änderungen die kooperative und sozialisierte Interaktion des Kindes wahrscheinlich ist (vgl.<br />

Grossmann & Grossmann, 2003, S. 273).<br />

Es wurden beeindruckende Hinweise für die Stabilität der Muster früherer Bindungen und auf Kohärenz [Zu-<br />

sammenhang] in der Entwicklung festgestellt, die mit diesen Mustern verbunden sind (vgl. Grossmann &<br />

Grossmann, 2003, S. 334).<br />

Sicher gebundene Kinder haben nach Havers weniger Angst vor neuen Situationen, und auch in der späte-<br />

ren Entwicklung sind sie den unsicher gebundenen Kindern in vielen Aspekten wie dem Selbstbewusstsein<br />

und dem Sozialverhalten überlegen. So schliessen sie leichter Freundschaften mit anderen Kindern, zeigen<br />

mehr Mitgefühl und weniger Aggressionen und haben ein gutes Verhältnis zu Erwachsenen (Havers in Per-<br />

leth & Ziegler, 1999, S. 14). Die Studie von Sroufe (1983, in Grossmann & Grossmann, 2003, S. 333), wel-<br />

che auf die Arbeit von Bowlby und Ainsworth aufbaute und mit Kindern bis vier Jahren arbeitete, lässt dage-<br />

gen nicht eindeutig auf einen Zusammenhang der Bindungstheorie und Verwöhnung schliessen. Dies, ob-<br />

wohl Aspekte von Verhalten bei sicher gebundenen Kindern beschrieben wurden, wie beispielsweise höhere<br />

Selbstachtung, grössere Sozialkompetenz und mehr Freunde, welche auch bei Verwöhnung eine Rolle spie-<br />

len. Es kann zwar über einen Zusammenhang von Verwöhnung und den vier Bindungstypen spekuliert wer-<br />

den, bis aber diesbezüglich seriöse Untersuchungsergebnisse vorliegen, darf nicht von einem solchen aus-<br />

gegangen werden.<br />

Somit muss sich dieser Versuch, eine theoretische Verankerung von Überbehütung/Verwöhnung in der Bin-<br />

dungstheorie zu finden, mit den Aussagen von Ainsworth begnügen, welche sie in diesem Zusammenhang<br />

gemacht hat (vgl. Kapitel 2.3.5.).<br />

18


2.4. Die vier Konzepte vom Kind nach Winterhoff<br />

Um einen Überblick der Arbeit von Winterhoff zu schaffen, wurde auf sein Buch (Winterhoff, 2009, S. 45 ff)<br />

zurückgegriffen.<br />

Winterhoff befasst sich mit psychischen Entwicklungsstörungen im Kindes- und Jugendalter. Die Bezie-<br />

hungsstörungen zwischen Erwachsenen und Kindern resultieren nach seiner Auffassung aus falschen Kon-<br />

zepten der Erwachsenen vom Kind, welche sich in Kommunikationsstörungen zeigen und diese können sich<br />

negativ auf die psychische Reifeentwicklung des Kindes auswirken. Er formuliert vier Konzepte des Kindes:<br />

2.4.1. Das Konzept „Kind als Kind“<br />

Erwachsene anerkennen bei diesem Konzept das natürliche Machtgefälle zwischen Erwachsenen und Kin-<br />

dern. „Es ist ihnen bewusst, dass sie als reifes Individuum einem unreifen (Kind) gegenüber in der Verant-<br />

wortung stehen, um diesem die Möglichkeit zu geben, die gleiche Reifestufe zu erlangen“ (S. 46).<br />

Erwachsene sollen den Kindern nicht Grenzen setzen, sondern sich ihnen gegenüber genauso abgegrenzt<br />

erleben, wie sie sich gegenüber anderen erwachsenen Menschen fühlen würden. Winterhoff stärkt das Ver-<br />

trauen der Erwachsenen in ihr intuitives Erziehungshandeln, welches nicht mit reflexartigen Reaktionen auf<br />

das kindliche Verhalten verwechselt werden darf. „Dieses Konzept setzt auf Erwachsenenseite die Fähigkeit<br />

voraus, mit den vielfältigen Anforderungen des modernen Lebens so umzugehen, dass ein geschützter<br />

Raum für die Seele bleibt, der die innere Unabhängigkeit des Individuums sicherstellt“ (S. 45 ff), so dass der<br />

Erwachsene „in sich selbst ruht“.<br />

2.4.2. Das Konzept „Kind als Partner“<br />

Aus dem schützenswerten Kind wird ein gleichberechtigter Partner. Die Eltern versuchen, das Kind durch<br />

Erklärungen zur Einsicht zu bewegen und es so zu lenken. Hinter diesem Konzept verbirgt sich oft der<br />

Wunsch nach Harmonie seitens der Eltern. Da Konflikte aber zum Alltag einer Familie gehören, können Kin-<br />

der ihre Aggressionen nicht mehr abbauen. Die Kinder werden mit Erwachsenenproblemen konfrontiert, de-<br />

nen sie nicht gewachsen sind. „Der Schutzraum, den Kinder früher dadurch hatten, dass Eltern ihnen Ent-<br />

scheidungen abnahmen, die sie noch nicht treffen konnten, weil sie deren Tragweite nicht überblicken, ist<br />

vollkommen verloren gegangen“ (S. 55).<br />

Als Folge kann das Kind psychische Funktionen wie Frustrationstoleranz, Gewissen, Arbeitshaltung und<br />

Teamfähigkeit nicht ausbilden (vgl. S. 17). Winterhoff spricht sich dabei nicht grundsätzlich gegen den Ge-<br />

danken einer Partnerschaftlichkeit zwischen Eltern und Kindern aus: „Ich setze ihn lediglich zu einem Zeit-<br />

punkt an, an dem das Kind von seiner psychischen Entwicklung her dazu in der Lage ist, mit dieser Partner-<br />

schaftlichkeit umzugehen“ (S. 17).<br />

2.4.3. Das Konzept „Ich will vom Kind geliebt werden“<br />

„Das Konzept, von Kindern unbedingt geliebt werden zu wollen, bedeutet etwas vollkommen anderes als die<br />

normale Zuwendung und Liebe, die Kinder den Erwachsenen entgegenbringen, von denen sie sich ge-<br />

schützt fühlen und die ihnen als Orientierung und Struktur dienen“ (S. 66). Erwachsene, die durch den eige-<br />

19


nen sehr ausgefüllten und stressigen Lebensstil oder jener von Freunden, Kollegen und Eltern nicht genü-<br />

gend Anerkennung erhalten, laufen Gefahr, sich diese bei Kindern zu holen. Diese Kompensationsstrategie,<br />

welche Winterhoff auch als Projektion bezeichnet, führt dazu, dass sie Liebe und Zuwendung bei den Kin-<br />

dern provoziert. Durch diese Beziehungsstörung sind die Eltern auf die Liebe und Zuneigung angewiesen<br />

und können damit den Kindern keine Strukturen mehr vorgeben. Die Kinder werden über ein gesundes Mass<br />

hinaus verwöhnt. „Die Forderungen der Kleinen werden so oft und so schnell wie möglich erfüllt“ (S. 67). Es<br />

wird nicht bemerkt, wie dem Kind damit vermittelt wird, dass Erwachsene naturgemäss alle an sie herange-<br />

tragenen Wünsche erfüllen. Die Kinder lernen nicht, wie es ist, wenn eigene Wünsche zurückgestellt werden<br />

müssen. „Die Kinder erfahren somit eine für die psychische Reifeentwicklung äusserst schädliche Grenzen-<br />

losigkeit, das Kind findet auf diese Weise aus der frühkindlichen Allmachtsphase nicht mehr heraus“ (S. 68).<br />

Die Entwicklung der kindlichen Psyche stagniert, was zu Problemen führt, sobald die Kinder auf Personen<br />

treffen, die ihrem Willen nicht nachkommen oder Forderungen an sie stellen.<br />

2.4.4. Das Konzept „Das Kind ist Teil meiner Selbst“<br />

Dieses Konzept bezeichnet Winterhoff auch als symbiotische Beziehungsstörung. Das Kind wird dabei von<br />

Eltern nicht mehr als eigenständiges Individuum angesehen, sondern als Teil ihrer selbst betrachtet. „Die<br />

Eltern nehmen vieles im Hinblick auf das kindliche Verhalten gar nicht mehr wahr. Sie sind blind für das of-<br />

fensichtliche Fehlverhalten, es stört sie überhaupt nicht“ (S. 18). Ein kognitives Aufheben dieser Bezie-<br />

hungsstörung ist nicht möglich; die Eltern können ihr Verhalten gegenüber dem Kind nicht ändern, da dies<br />

durch die indirekte Form der Kompensationsstrategie nicht möglich ist. „Die Eltern bemerken nicht, dass sie<br />

sich steuern lassen. Das Kind, welches psychisch als Teil des betroffenen Erwachsenen verarbeitet wird,<br />

kann nach dessen Empfindung nichts extra machen, weil ein Teil des Körpers nichts extra machen kann“ (S.<br />

18). Wenn das Kind nun die Umwelt daraufhin testet, ob diese das Weltbild bestätigt und dies so zutrifft, ist<br />

eine Weiterentwicklung der Psyche nicht möglich, und es verbleibt in der Phase des frühkindlichen Narziss-<br />

mus. „Die Nervenzelle Mensch kann sich auf diese Weise nicht ausbilden, und das Kind obliegt weiterhin der<br />

Vorstellung, es könne jeden und alles steuern und bestimmen“ (S. 75). Die Aussagen und das Verhalten des<br />

Kindes können auf Seiten der Eltern jedoch nicht reflektiert werden, und die Verantwortung wird immer bei<br />

anderen Personen gesucht.<br />

2.4.5. Winterhoffs vier Konzepte vom Kind und Verwöhnung<br />

Winterhoff beschreibt Verwöhnung als logische Folge von Beziehungsstörungen zwischen Erwachsenen und<br />

Kindern. Er beschränkt sich jedoch nicht darauf und bezeichnet Verwöhnung erst dann für die Entwicklung<br />

des Kindes hinderlich, wenn sie über ein gesundes Mass hinaus geht (vgl. S. 67). Dies bedeutet, dass Win-<br />

terhoff Verwöhnung nicht grundsätzlich als negativ ansieht. Im Gegensatz zu anderen Autoren betont er<br />

mehr die Interaktion von Eltern und Kindern, woraus dann Verwöhnung entsteht.<br />

Eine mögliche Ursache von Verwöhnung kann also eine Beziehungsstörung zwischen Erwachsenen und<br />

Kindern sein. Sie ist aber nur eine unter vielen, welche von Frick (2011, S. 123 ff) ausführlich beschrieben<br />

werden. Sie sollen allerdings an dieser Stelle nicht genannt werden, da sie für diese Arbeit nicht von zentra-<br />

ler Bedeutung sind.<br />

20


Im folgenden Kapitel werden die Aussagen von Winterhoff und anderen Autoren, welche sich auf die Folgen<br />

von Verwöhnung beziehen, genannt und verglichen.<br />

2.5. Die Auswirkungen von Verwöhnung<br />

Adler nennt schon um 1930 folgende Auswirkungen von Überbehütung (Verzärtelung):<br />

Sie erleben niemals Schwierigkeiten, kommen nicht zur Übung ihrer Fähigkeiten und schrecken<br />

deshalb vor jedem Hindernis zurück. Sie leben ihr ganzes Leben in der Erwartung, dass andere für sie<br />

alles leisten mögen. Angespannter Ehrgeiz und mangelnde Ausdauer charakterisiert auch sie, und<br />

auch sie landen zuletzt unter den mannigfachsten Vorwänden hinter der Front des Lebens, abseits<br />

von den Forderungen der Zeit. (Adler zit. n. Rüedi, 1995, S. 77)<br />

Obwohl Adler diese Feststellung vor achtzig Jahren äusserte, nennen auch heutige Autoren noch dieselben<br />

Folgen von Verwöhnung.<br />

Zwar sind Frick (vgl. 2011, S. 63) und Rüedi (vgl. 1995, S. 78) sich darin einig, dass sich der verwöhnende<br />

Erziehungsstil ungünstig auf die Entwicklung auswirkt, im Einzelfall kann aber nicht im Voraus gesagt wer-<br />

den, wie er die Entwicklung des Charakters beeinflusst. Da das Kind vom ersten Tag an alle Einflüsse indivi-<br />

duell und subjektiv verarbeitet, zeigen sich die Auswirkungen von Verwöhnung auch unterschiedlich.<br />

Frick beschreibt 23 Folgen von Verwöhnung (vgl. 2011, S. 63 ff), die in unterschiedlichen Kombinationen<br />

auftreten können:<br />

• Gesteigerte Macht- und Herrschsucht (1)<br />

• Grosse Anspruchshaltung, Versorgungserwartungen, unrealistische Erwartungen an die<br />

Mitmenschen, Bequemlichkeit (2)<br />

• Gesteigerter Wunsch, stets bewundert zu werden und im Mittelpunkt zu stehen; Streben nach<br />

Mittelpunktsstellung (3)<br />

• Egoistisches Interesse (4)<br />

• Mangel an sozialen Fertigkeiten und Bereitschaften (5)<br />

• Innere und/oder äussere Einsamkeit; Einzelgängertum (6)<br />

• Mühe, Verantwortung zu übernehmen (7)<br />

• Vorwurfstendenzen an die Umgebung (8)<br />

• Konsumhaltung/Konsumorientierung (9)<br />

• Sabotagetendenzen (10)<br />

• Sich vermehrt/immer von anderen abhängig zu fühlen (11)<br />

• Fehlendes Zutrauen in eigene Fähigkeiten (12)<br />

• Mangelnde Ausdauer, schnelles Resignieren (13)<br />

• Bei Misserfolgen schnelle Schuldzuweisung an andere; Beschimpfen anderer (14)<br />

• (Zu) wenig eigener Einsatz (15)<br />

• Grosse, immer wiederkehrende Angst vor neuen Aufgaben und Anforderungen (16)<br />

21


• Interesse und Aufmerksamkeit sprunghafter, flüchtiger (17)<br />

• Wenig belastbar: Erhöhte Bereitschaft für Alkohol-, Medikamenten-, Drogenmissbrauch, Sucht (18)<br />

• Verringerte, stark alters- und entwicklungsabweichende Fähigkeit, Bedürfnisse aufzuschieben (19)<br />

• Wechsel/Kombination von Minderwertigkeitsgefühlen und Selbstüberschätzung (20)<br />

• Groll gegenüber der Welt: Man fühlt sich unverstanden, verkannt, nicht richtig behandelt (21)<br />

• Vermehrte kompensatorische Flucht in Tagträume, in denen sie Helden, Bewunderte,<br />

Machtausübende sind (22)<br />

• In extremen Fällen: Passivität, Lebensuntüchtigkeit (23)<br />

Diese Aufzählung von Frick wirkt zwar etwas unstrukturiert, hat aber den Vorteil, dass sie selbsterklärend ist.<br />

Jeder einzelne dieser Punkte könnte als Hypothese für eine Untersuchung ausgewählt und überprüft wer-<br />

den. Da aus heilpädagogischer Sicht das Lernen in der Schule von besonderem Interesse ist, sollen nur jene<br />

Aussagen von Frick und andern ausgewählten Autoren aufgezeigt werden, welche für die Schule relevant<br />

sind. Da viele der genannten Folgen von Verwöhnung inhaltlich verwandt sind, sollen sie zusammengefasst<br />

dargestellt werden, um eine bessere Übersichtlichkeit zu erreichen.<br />

Bedürfnisse aufschieben:<br />

Winterhoff und Frick sprechen die verringerte, stark alters- und entwicklungsabweichende Fähigkeit, Bedürf-<br />

nisse aufzuschieben, an (vgl. Winterhoff, 2009; Frick, 2011).<br />

Selbstvertrauen:<br />

Frick (2011), Kohnstamm (2006), Rogge (2010) und Rüedi (1995) nennen niedrigeres Selbstvertrauen und -<br />

mit Ausnahme von Kohnstamm - das verringerte Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten als Folge von Ver-<br />

wöhnung. Ausserdem sind Frick und Rogge der Ansicht, dass sich Minderwertigkeitsgefühle und Selbstüber-<br />

schätzung abwechseln. Frick (2011) und Kohnstamm (2006) sind der Meinung, dass dauernde Ermahnun-<br />

gen durch die Eltern Kinder verunsichern und sich negativ auf ihr Selbstvertrauen auswirkt. Dies äussert sich<br />

dann als Ängstlichkeit des Kindes.<br />

Arbeitshaltung:<br />

Frick (2011), Rogge (2010), Rüedi (1995) und Winterhoff (2009) beschreiben das Verhalten von verwöhnten<br />

Kindern in Bezug auf die Frustrationstoleranz und den Umgang mit Misserfolgen negativ. Sie zeigen grösse-<br />

re Schwierigkeiten oder Ängstlichkeit, wenn sie mit neuen Aufgaben konfrontiert werden, und sie wirken eher<br />

passiv, zeigen weniger Einsatz (vgl. Frick, 2011; Rogge, 2010; Rüedi, 1995). Nach Frick (2011) verfügen<br />

diese Kinder über eine geringe Ausdauer, und ihre Aufmerksamkeit ist sprunghaft, sie schweifen schnell ab.<br />

Sozialverhalten:<br />

Verwöhnung zeigt sich durch verminderte Teamfähigkeit und Kooperationsbereitschaft (vgl. Ainsworth zit.<br />

nach Grossmann & Grossmann, 2004; Frick, 2011; Winterhoff, 2009), grosse Anspruchshaltung resp. Forde-<br />

22


ungen gegenüber Mitmenschen (vgl. Ainsworth zit. nach Grossmann & Grossmann, 2004; Frick, 2011;<br />

Rogge, 2010; Rüedi, 1995) und mangelndes Einfühlungsvermögen (vgl. Rogge, 2010). Frick nennt ausser-<br />

dem noch egoistisches Interesse als Folge.<br />

Verantwortung:<br />

Sowohl Frick (2005) als auch Rüedi (1995) beschreiben die mangelnde Übernahme von Verantwortung bei<br />

verwöhnten Kindern.<br />

2.6. Der Begriff Lernen im schulischen Konzept<br />

Mit der Wahl des Begriffs Lernen im schulischen Kontext wird betont, dass damit nicht nur das Aneignen von<br />

Stoff innerhalb eines Faches, sondern auch der Erwerb von weiteren Fähigkeiten wie beispielsweise soziale<br />

und emotionale Kompetenzen gemeint sind.<br />

Diese Kompetenzen werden sehr umfassend in den ICF-Aktivitätsbereichen beschrieben (vgl.<br />

www.pulsmesser.ch/wfp, 2010) .<br />

2.6.1. ICF<br />

ICF bedeutet auf Deutsch: Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit.<br />

„Die ICF gehört zu der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelten ʻFamilieʻ von Klassifikatio-<br />

nen für die Anwendung auf verschiedene Aspekte der Gesundheit und ergänzt insbesondere die Klassifikati-<br />

on der Krankheiten (ICD)“ (Schuntermann, 2007, S. 12). Die Klassifikation wurde an der 54. Vollversamm-<br />

lung der WHO im Mai 2001 verabschiedet (vgl. ebd.). Berücksichtigt werden Körperfunktionen und -struktu-<br />

ren, Aktivitäten/Teilhabe und Umweltfaktoren.<br />

ICF soll eine Situation in Bezug auf die Funktionsfähigkeit und deren Einschränkungen hin beschreiben und<br />

den Austausch und die Kommunikation zwischen Fachpersonen über verschiedene Disziplinen hinweg ver-<br />

einfachen (vgl. Niedermann, Schweizer & Steppacher, 2007, S. 40). Dabei sollen nicht Gesundheitsproble-<br />

me im Vordergrund stehen, sondern deren Folgen für die Funktionsfähigkeit der betroffenen Person und ihre<br />

gegenwärtige Umwelt (vgl. ebd.). Der gesamte Lebenshintergrund einer betroffenen Person kann so besser<br />

berücksichtigt werden.<br />

2.6.2. ICF in der Schule<br />

Mit Bezug auf die Schule werden die Aktivitäten als jene Faktoren verstanden, welche die Funktionsfähigkeit<br />

eines Kindes ausmachen und von den Kontextfaktoren beeinflusst werden (vgl. Niedermann, Schweizer &<br />

Steppacher, 2007, S. 44). Zu den Aktivitäten gehören: Allgemeines Lernen, Mathematisches Lernen,<br />

Spracherwerb und Begriffsbildung, Lesen und Schreiben, Umgang mit Anforderungen, Kommunikation, Be-<br />

wegung und Mobilität, für sich selber sorgen, Umgang mit Menschen, Freizeit, Erholung und Gemeinschaft<br />

(ebd.). Die detaillierte Beschreibung der eben genannten Aktivitätsbereiche wird auch Items genannt. Diese<br />

23


Items, welche Aussagen über Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person im jeweiligen Aktivitätsbereich ma-<br />

chen, sind auf dem Webbasierten Förderplaner (wfp) zu finden (vgl. www.pulsmesser.ch/wfp, 2010).<br />

Werden nun die ICF-Aktivitätsbereiche und die beschriebenen Folgen von Verwöhnung (vgl. Kapitel 2.5.)<br />

gegenübergestellt, so sind negative Auswirkungen in den Aktivitätsbereichen Umgang mit Anforderungen<br />

und Umgang mit Menschen zu erwarten.<br />

Da in der Berufspraxis bei verwöhnten Kindern negative Auswirkungen auf die grobmotorische Entwicklung<br />

und damit verbunden vermehrte Ängstlichkeit beobachtet wurde, geben auch diese den Anstoss für eine<br />

entsprechende Hypothese. Diese wird im Bereich Bewegung und Mobilität angesiedelt.<br />

2.7. Fragestellung<br />

Die Fragestellung für diese Untersuchung lautet:<br />

Wie wirkt sich verwöhnendes Erziehungsverhalten auf das Lernen im schulischen Kontext von<br />

Primarschulkindern aus?<br />

Welche Folgerungen sind daraus für die heilpädagogische Arbeit abzuleiten ziehen?<br />

2.7.1. Hypothesen<br />

Da während der <strong>Datenauswertung</strong> die induktiv, am Material gebildeten Kategorien mit den ICF-Aktivitätsbe-<br />

reichen Umgang mit Anforderungen, Umgang mit Menschen, Bewegung und Mobilität verglichen werden<br />

sollen, wird für jede der drei Aktivitätsbereiche eine Hypothese formuliert.<br />

Damit die Items als Hypothese verwendet werden können, wurden sie etwas umformuliert, jedoch so, dass<br />

sie erkennbar und die kompletten Aussagen erhalten bleiben.<br />

2.7.2. Hypothese 1<br />

Im Aktivitätsbereich Umgang mit Anforderungen zeigen sich die Auswirkungen von Verwöhnung durch<br />

mangelnde Ausdauer und negativen Umgang mit Misserfolg oder Kritik.<br />

2.7.3. Hypothese 2<br />

Ein Kind, das verwöhnt wird, zeigt Auffälligkeit im Aktivitätsbereich Umgang mit Menschen; es kann nur<br />

ungenügend oder überhaupt nicht mit anderen Kindern zusammenarbeiten, geht unangemessen mit<br />

Aggressionen um, so dass es sich oder anderen schadet.<br />

24


2.7.4. Hypothese 3<br />

Im Aktivitätsbereich Bewegung und Mobilität ist die Folge von Verwöhnung Ängstlichkeit, was unter anderem<br />

beim Klettern erkennbar wird.<br />

3. Forschungsdesign<br />

Als Forschungsdesign werden alle Schritte bezeichnet, die sich auf die Planung und Durchführung einer<br />

empirischen Untersuchung beziehen. Darin eingeschlossen sind auch Fragestellung, Hypothesen, Wahl der<br />

Untersuchungseinheiten, Erhebungsmethoden etc. (vgl. Lamnek, 2005, S. 719).<br />

An dieser Stelle soll auch auf die sechs von Mayring formulierten Gütekriterien qualitativer Forschung ver-<br />

wiesen werden, welche die Methodenwahl im Forschungsdesign ebenfalls beeinflussen werden.<br />

Diese sind: Verfahrensdokumentation, argumentative Interpretationsabsicherung, Regelgeleitetheit, Nähe<br />

zum Gegenstand, kommunikative Validierung und Triangulation (vgl. Mayring, 2002, S. 144 ff). Diese Güte-<br />

kriterien werden in diesem Kapitel immer wieder im Zusammenhang mit der Methodenwahl auftauchen. Ei-<br />

nes davon sei hier explizit erwähnt: Das Prinzip der Offenheit ist dem Gütekriterium der Nähe zum Gegen-<br />

stand verpflichtet und meint, dass die Methoden Flexibilität zulassen müssen, wenn unerwartete Aspekte<br />

während des Forschungsprozesses auftauchen.<br />

In den nachfolgenden Kapiteln soll das Forschungsdesign aufgezeigt werden, welches als Vorbereitung für<br />

die Phasen der Erhebung, Aufbereitung und Auswertung der Daten gesehen wird. Die Methoden werden im<br />

Hinblick auf die Fragestellung ausgewählt und erläutert. Mit der genauen Beschreibung und Begründung<br />

wird ein Beitrag zum Gütekriterium Verfahrensdokumentation geleistet. Das Verstandene soll anderen mitge-<br />

teilt und für sie überprüfbar gemacht werden (vgl. Gerdes & Wolffersdorff - Ehlert zit. n. Lamnek, 2005, S.<br />

719). In diesem Sinne soll der geplante Forschungsprozess nachvollziehbar beschrieben werden.<br />

3.1. Forschungsmethoden<br />

Um den Zusammenhang von Verwöhnung und Lernen im schulischen Kontext zu untersuchen, werden In-<br />

terviews durchgeführt. Da davon ausgegangen wird, dass das Lernen im schulischen Kontext negativ durch<br />

Verwöhnung beeinflusst wird, ist dieses als problematisch einzustufen, und aus diesem Grund werden prob-<br />

lemzentrierte Interviews durchgeführt.<br />

Die Auseinandersetzung mit Literatur zum Thema und den damit in Verbindung stehenden Theorien diente<br />

als Vorbereitung für die Interviews und wurde im vorangegangenen Kapitel als Vorverständnis formuliert.<br />

Dies ist nach Auffassung von Lamnek zwingend erforderlich, da die Forscherin, der Forscher nicht eine bzw.<br />

ein „Tabula rasa“ sein kann und das Vorverständnis über den Forschungsgegenstand automatisch in die Un-<br />

tersuchung einfliesst, egal ob dieses nun als implizites Wissen oder als theoriegeleitete Konzeption gebildet<br />

wurde (vgl. 2005, S. 364).<br />

25


Um dem Forschungsgegenstand nun auch mit der geforderten Offenheit (vgl. Mayring, 2002, S. 28) begeg-<br />

nen zu können, sollen problemzentrierte, halbstrukturierte Leitfadeninterviews durchgeführt werden. So kön-<br />

nen sowohl neue Erkenntnisse und Ergänzungen auf methodischer, aber auch auf theoretischer Ebene er-<br />

fasst und in die Untersuchung einbezogen werden. Diesbezüglich werden nachfolgend genauere Angaben<br />

gemacht.<br />

3.2. Stichprobe<br />

Damit die Fragestellung dieser Untersuchung möglichst genau beantwortet werden kann, sollen die Sicht-<br />

weisen von verschiedenen Personen, die möglichst unterschiedliche Blickwinkel auf die Thematik haben,<br />

befragt werden.<br />

Für einen „mittleren“ Stichprobenumfang empfiehlt Merkens (zit. n. Helfferich, 2009, S. 173) zwischen sechs<br />

bis dreissig Interviews. Da diese Untersuchung jedoch von einer Person durchgeführt wird, stellen sechs<br />

Interviews die obere Limite dar.<br />

Die Stichprobe soll voraussichtlich aus sechs erwachsenen Personen bestehen, die Erfahrungen mit dem<br />

Thema Verwöhnung gemacht haben. Genauer sollen drei Lehrpersonen, welche auf der Primarschulstufe<br />

unterrichten, eine Expertin oder ein Experte und zwei Personen, die Eltern oder Betroffene sind, angefragt<br />

werden. Weiter wird darauf geachtet, dass beide Geschlechter in möglichst gleicher Anzahl vertreten sind.<br />

Während der Interviews soll Erfahrungswissen erhoben werden. Aus diesem Grund wird nach Lehrpersonen<br />

gesucht, die schon über einige Jahre Berufserfahrung verfügen.<br />

Die Expertin, der Experte soll im Bereich der Erziehungsberatung oder beim Kinder- und Jugendpsychiatri-<br />

schen Dienst tätig sein, damit dieses Interview als Experteninterview durchgeführt werden kann. Für dieses<br />

empfiehlt Helfferich eine stärkere Strukturierung des Leitfadens; dies speziell, wenn Informationen und nicht<br />

Deutungswissen erhoben werden sollen (Helfferich, 2009, S. 164). Mit einem problemzentrierten, halbstruk-<br />

turierten Leitfadeninterview sollte dies sehr gut möglich sein, da es die nötige Flexibilität zulässt.<br />

3.3. Vorbereitung der Interviews<br />

Zur Vorbereitung der Interviews und der Konstruktion des Leitfadens wurde die Literatur von Helfferich,<br />

(2009) verwendet, auf welche nachfolgend Bezug genommen wird.<br />

3.3.1. Entwicklung des Interviewleitfadens<br />

Da durch die Interviews Daten erhoben werden sollen, die dann während der Analyse und Interpretation mit-<br />

einander verglichen werden, muss ein einheitlicher Leitfaden erstellt werden: „Ein Leitfaden standardisiert in<br />

gewissem Sinn die inhaltliche Struktur der Erzählungen und erleichtert dadurch die Auswertung. Er ermög-<br />

licht es zudem, Unterthemen ʻquerʻ durch alle Interviews zu verfolgen“ (Helfferich, 2009, S. 180).<br />

26


An den Leitfaden werden weitere Forderungen gestellt: Einerseits, dass er genügend offen ist, damit auch<br />

unerwartete Aussagen erhoben werden können. Andererseits soll er auch für das Experteninterview verwen-<br />

det werden können, welches, wie angesprochen, eine stärkere Strukturierung benötigt.<br />

Es soll ein Interviewleitfaden erstellt werden, der nicht zu viele Fragen enthält, damit Erzählungen generiert<br />

werden können und nicht einfach Wissen abgefragt wird. Helfferich empfiehlt Leitfäden mit maximal vier<br />

durch Erzählaufforderung einleitende Blöcke und einem hierarchisierten Nachfragereservoir, das flexibel ge-<br />

handhabt werden kann.<br />

Hierarchisch deshalb, weil Fragen, die längere Erzählungen erzeugen zu Beginn des Interviews und jene,<br />

bei welchen kurze Antworten erwartet werden, eher gegen Ende des Interviews gestellt werden sollten.<br />

Durch die flexible Handhabbarkeit des Interviewleitfadens ist es trotz Standardisierung möglich, den Ge-<br />

sprächsimpulsen der Befragten, des Befragten zu folgen. So befindet sie oder er sich zum einen in der an-<br />

genehmeren Rolle der Auskunftsperson und zum anderen wird die Last der Aufrechterhaltung des Interview-<br />

gesprächs auf Seiten der Interviewerin, des Interviewers verringert.<br />

Das Prinzip der Offenheit verlangt, dass angebotene Informationen nicht ausgeschlagen werden dürfen, in-<br />

dem stur am Leitfaden festgehalten wird, sondern sie sollen durch weitere Erzählaufforderungen unterstützt<br />

werden, auch wenn sie etwas über den vom Leitfaden abgesteckten Rahmen hinaus gehen. „Priorität hat die<br />

spontan produzierte Erzählung...“ (Helfferich, 2009, S. 180).<br />

Für die Vorbereitung des Leitfadens werden in einem ersten Schritt gemeinsam mit befreundeten Personen<br />

Fragen zum Thema Überbehütung/Verwöhnung auf einzelnen Notizzetteln festgehalten. In einem zweiten<br />

Schritt werden diese gemeinsam mit einer Mitstudentin, welche sich ebenfalls im schulischen Kontext aus-<br />

kennt, aussortiert, geordnet und bei Bedarf umformuliert. Es wird speziell darauf geachtet, dass auch Fragen<br />

gestellt werden, die sich auf die drei gebildeten Hypothesen (vgl. Kapitel 2.7.) beziehen.<br />

In einem dritten Schritt wird der Interviewleitfaden in einer Tabelle zusammengestellt. Nebst den vier Haupt-<br />

fragen, welche Erzählaufforderungen darstellen, wurden auch Unterfragen formuliert, welche gleichzeitig als<br />

Checkliste dienen sollen oder bei Bedarf gestellt werden können. Während des Experteninterviews können<br />

diese auch zum Zuge kommen, ohne dass dabei gleich die Standardisierung der Interviews gefährdet wird.<br />

Weiter sind im Interviewleitfaden auch so genannte Aufrechterhaltungs- und Steuerungsfragen aufgeführt.<br />

Diese sollen einerseits verhindern, dass das Gespräch ins Stocken gerät und andererseits die inhaltliche<br />

Ausrichtung der Erzählung beeinflussen.<br />

Der Interviewleitfaden befindet sich im Anhang 1 (S. 4).<br />

3.3.2. Vorbereitung auf die Durchführung des Interviews<br />

Ein sorgfältig konstruierter Interviewleitfaden ist ein wichtiger Beitrag, um verwertbare Daten für Analyse und<br />

Interpretation zu gewinnen. Aber auch während der Durchführung des Interviews gibt es einige Stolperstei-<br />

ne, welche die im Interview erhobenen Daten verzerren könnten. In diesem Zusammenhang wurde ein zwei-<br />

tes Mal auf die Literatur von Helfferich (2009) zurückgegriffen.<br />

27


Um diese Stolpersteine bewusst zu machen und sie dann umgehen zu können, soll nun als erster Schritt auf<br />

die Besonderheiten während problemzentrierten Interviews hingewiesen werden. Diese wollen: „...weniger<br />

einen Text als Text erzeugen, sondern einen Verständnisprozess im Laufe des Interviews vollziehen. Daher<br />

sind dort ʻerzählgenerierendeʻ mit ʻverständnisgenerierendenʻ Strategien verknüpft; verständnisgenerierend<br />

sind z.B. Nachfragen, die bei Verständnisproblemen um Klärungen bitten oder die einer thematischen Zen-<br />

trierung dienen“ (Witzel zit. n. Helfferich, 1982, 92 f). Daraus geht hervor, dass sowohl Nachfragen als auch<br />

Paraphrasieren, also das Formulieren und Wiederholen des Erzählten in eigenen Worten, beim problem-<br />

zentrierten Interview sinnvoll sind.<br />

Paraphrasieren ist ein wichtiger Bestandteil von Beratungsgesprächen. Dass Helfferich auf die Nähe von<br />

problemzentrierten Interviews zu Beratungsgesprächen hinweist (vgl. S. 46), unterstreicht zusätzlich die Zu-<br />

lässigkeit des Paraphrasierens während problemzentrierten Interviews.<br />

Bei diesem muss speziell darauf geachtet werden, dass die Paraphrase als Feststellung und nicht als Frage<br />

formuliert wird, da die Frage leicht als suggestiv verstanden wird, was unbedingt vermieden werden soll.<br />

Paraphrasieren kann zur Entschleunigung oder Verlangsamung der Reaktionen eingesetzt werden. Dadurch<br />

wird zum einen den Befragten signalisiert, dass ihnen die Zeit für Erzählungen zugestanden wird, zum ande-<br />

ren wird dadurch vermieden, dass die Interviewerin, der Interviewer dem Impuls aus der Alltagskommunika-<br />

tion folgt, sofort eine Stellungnahme abzugeben. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Alltagskommunika-<br />

tion und der Interviewsituation stellt das „aktive Zuhören“ dar, welches auch als zentrale Interviewerkompe-<br />

tenz gesehen werden kann. Dieses soll: „... von der subjektiven Wahrnehmung bestimmte Selektionsfilter<br />

zumindest in ihrer Wirksamkeit mindern“ (S. 91).<br />

Durch das aktive Zuhören kann während des Interviews auf Unerwartetes besser eingegangen werden, wel-<br />

ches ganz im Sinne der erwähnten Offenheit gegenüber dem Forschungsgegenstand ist.<br />

3.3.3. Pretest<br />

Um den entwickelten Leitfaden zu erproben, wird mit einer Lehrperson ein Probeinterview, also ein so ge-<br />

nannter Pretest, durchgeführt. Diese Person könnte ebenfalls zur Stichprobe gezählt werden, wenn der Pre-<br />

test erfolgreich verläuft und keine Anpassungen am Leitfaden mehr vorgenommen werden müssen. Der Pre-<br />

test soll auch die Kompetenz der Interviewerin, des Interviewers und die Eignung der gezogenen Stichprobe<br />

sowie die Aufnahmegeräte testen. So können gegebenenfalls noch kleinere Anpassungen und Optimierun-<br />

gen vor der Datenerhebung vorgenommen werden.<br />

3.4. Datenerhebung<br />

Jeweils einige Tage vor dem Interviewtermin werden den befragten Personen per E-Mail die ersten beiden<br />

Seiten des Interviewleitfadens zugesendet, damit sie sich auf die Art der Fragen vorbereiten können.<br />

Da während des Gesprächs aber nicht „einstudierte“, sondern spontane Erzählungen erhoben werden sol-<br />

len, wird ihnen nicht der komplette Leitfaden zugeschickt.<br />

28


Noch bevor mit dem eigentlichen Interview begonnen werden kann, wird den befragten Personen eine<br />

schriftliche Einverständniserklärung vorgelegt, worin festgehalten ist, wofür das aufgezeichnete Gespräch<br />

bestimmt ist und was damit geschieht, was mit der Audio-Datei nach deren Abschrift geschieht, wie die Da-<br />

ten anonymisiert werden etc. Die Befragten bezeugen ihr Einverständnis mit ihrer Unterschrift. Ein Muster<br />

einer solchen Einwilligungserklärung befindet sich im Anhang 1 (S. 3).<br />

Ebenfalls vor dem Beginn des Interviews werden die Befragten einige Angaben zu ihrer Person machen, wie<br />

Alter, Beruf und Dienstjahre. Diese werden für die Interpretation der Aussagen benötigt.<br />

Die Interviews werden mit dem iPod aufgezeichnet.<br />

Nach den Interviews werden Eindrücke und Besonderheiten als Notiz festgehalten. Diese fliessen jeweils in<br />

die so genannten Case Summarys ein, eine Art Kurzbeschreibung der interviewten Person (vgl. Kuckartz,<br />

Dresing, Rädiker, Stefer, 2008, S. 35).<br />

3.5. Datenaufbereitung<br />

Nach der Datenerhebung wird das verbale Material durch die wörtliche Transkription als Text verfasst. Damit<br />

wird eine vollständige Textfassung des verbalen Materials aus den Interviews hergestellt, welche die Vo-<br />

raussetzung für eine ausführliche interpretative Auswertung liefert (vgl. Mayring, 2002, S. 89).<br />

Lamnek sieht solche Texte als Rohmaterial, ohne die Sozialwissenschaften nicht auskommen könnten:<br />

„Soziale Wirklichkeit dokumentiert sich für Soffner als Text, und nur über die Textanalyse kann der Gegen-<br />

standsbereich der Sozialwissenschaften erschlossen werden“ (Lamnek, 2005, S. 80).<br />

Die Interviews werden also als Text verfasst und dann einzeln durchgearbeitet. Dabei werden Stichworte<br />

festgehalten, aus denen zusammen mit den Notizen, welche kurz nach den Interviews verfasst wurden, die<br />

bereits genannten Case Summarys erstellt werden. Jeder Text wird von einem solchen Case Summary ein-<br />

geleitet, damit die befragte Person rasch erinnert werden kann. Ohne Zweifel würde bei einer Untersuchung<br />

mit einer grösseren Stichprobe diesen Case Summarys eine grössere Bedeutung zukommen, damit eine<br />

bessere Übersicht über alle Fälle hinweg gewährleistet werden kann.<br />

Jeder erstellte Text erhält eine Fallnummer.<br />

3.6. <strong>Datenauswertung</strong><br />

Die Daten sollen mittels der qualitativen Inhaltsanalyse bearbeitet werden. Der Grundgedanke dieser ist<br />

nach Mayring: „Qualitative Inhaltsanalyse will Texte systematisch analysieren, indem sie das Material<br />

schrittweise mit theoriegeleitet am Material entwickelten Kategoriensystemen bearbeitet“ (2002, S. 114).<br />

Bei der qualitativen Inhaltsanalyse werden drei Grundformen unterschieden: Zusammenfassung, Explikation<br />

und Strukturierung. Bei letzterer wird das Ziel angestrebt: „... bestimmte Aspekte aus dem Material heraus-<br />

zufiltern, unter vorher festgelegten Ordnungskriterien einen Querschnitt durch das Material zu legen, oder<br />

das Material auf Grund bestimmter Kriterien einzuschätzen“ (Mayring, 2002, S. 115).<br />

29


Während dieser Untersuchung soll das erhobene Datenmaterial nach bestimmten thematischen Aspekten<br />

durchsucht und dann verglichen werden.<br />

Diese thematischen Aspekte werden auch als Kategorien bezeichnet. „Technisch gesehen muss man sich<br />

unter einer Kategorie einen Begriff, ein Wort oder auch einen Kurzsatz vorstellen wie z.B. ʻVorwissenʻ oder<br />

ʻWas die Befragten an Wissen mitbringenʻ.“ (Kuckartz, Dresing, Rädiker, Stefer, 2008, S. 36)<br />

Um das Material nach Kategorien durchsuchen zu können, muss erst ein Kategoriensystem am Material ge-<br />

bildet werden. Im Sinne des Gütekriteriums der Regelgeleitetheit (vgl. Mayring, 2002, S. 145) wird nachfol-<br />

gend erklärt, wie dieses Kategoriensystem gebildet wird.<br />

Dafür wird jeder einzelne Text sorgfältig durchgearbeitet. Die Fragestellung und die drei formulierten Hypo-<br />

thesen müssen dabei immer im Hinterkopf behalten werden, damit nicht Aussagen aus den Interviews in den<br />

Vordergrund rücken, die in keiner Beziehung zum Untersuchungsthema stehen.<br />

Am Rand der Texte wird eine Spalte für Notizen freigehalten. Interessante Textstellen werden farbig markiert,<br />

in eigene Worte gefasst und dann in dieser Notizspalte festgehalten.<br />

Nach dem ersten Text werden all diese Notizen auf ein Blatt übertragen und thematisch geordnet.<br />

Danach folgt der zweite Text. Mit ihm wird gleich verfahren, die Notizen wieder thematisch geordnet und mit<br />

dem ersten Notizblatt verglichen.<br />

Bei Bedarf wird nun eine neue Ordnung erstellt oder die alte ergänzt. Anschliessend wird den einzelnen<br />

Gruppen ein Oberbegriff zugeordnet; die Kategorien sind nun gebildet. Dieses Vorgehen beschreibt Lamnek<br />

als induktive Kategorienbildung (vgl. 2005, S. 250), welches im weiteren Sinne auch als Induktion bezeichnet<br />

wird.<br />

Bei dieser wird aufgrund von Einzelfallbeobachtung auf eine diese erklärende Regel geschlossen. Somit<br />

konzentriert sich die qualitative Sozialforschung auf die Konstruktion von Theorien (vgl. Lamnek, 2005,<br />

S. 250).<br />

Damit das Datenmaterial weiter bearbeitet werden kann, muss im Sinne der strukturierenden, qualitativen<br />

Inhaltsanalyse ein Kodierleitfaden gebildet werden, um explizit definieren zu können, welche Textbestandtei-<br />

le unter welche Kategorie fallen. Die Kategorien dürfen sich dabei nicht überlappen (vgl. Kuckartz, Dresing,<br />

Rädiker, Stefer, 2008, S. 36).<br />

Dafür werden konkrete Textstellen als Ankerbeispiele genannt und Kodierregeln formuliert, welche helfen<br />

sollen, Textstellen eindeutig zuzuordnen (vgl. ebd.).<br />

Um eine Übersicht über alle Kategorien und gleichzeitig auch über den Kodierleitfaden zu haben, werden<br />

diese als Kategoriensystem mit integriertem Kodierleitfaden in einer übersichtlichen Tabelle dargestellt.<br />

Nun wird das Kategoriensystem an den ersten beiden Interviews getestet. Wenn die Zuordnung der Textstel-<br />

len und der einzelnen Kategorien gut gelingt, können auch die anderen Interviews bearbeitet werden. Um<br />

die Zuordnung der einzelnen Textstellen zu verdeutlichen, erhält jede gebildete Kategorie eine Farbe. Jeder<br />

einzelne Text wird nun sorgfältig, Abschnitt für Abschnitt durchgearbeitet, entsprechende Textstellen farbig<br />

markiert und der Inhalt in eigenen Worten als Notiz am Rande der Seite festgehalten. Die Textstellen werden<br />

in einem weiteren Schritt zusammen mit den Notizen in einer Tabelle zusammengefasst, wobei die Notizen<br />

30


als Sammlung bezeichnet werden. So können sie später mit den Textstellen derselben Kategorie aus ande-<br />

ren Interviews verglichen und interpretiert werden.<br />

3.6.1. Triangulation<br />

Zur Stichprobe (vgl. Kapitel 3.2.) wurde festgehalten, dass die Sichtweisen von verschiedenen Personen<br />

herangezogen werden sollen, um die Fragestellung dieser Untersuchung möglichst genau beantworten zu<br />

können. Diese Sichtweisen sollen nun in einer Triangulation verglichen werden. Lamnek versteht diese auch<br />

als Gütekriterium und definiert sie als: „Verschiedene Methoden, Theoriensätze, Interpreten, Datenquellen<br />

etc., die dazu herangezogen werden, Phänomene umfassender, abgesicherter und gründlicher zu erfassen“<br />

(Denzin zit. n. Lamnek, 2005, S. 147).<br />

Die Aussagen von Lehrpersonen, Eltern, Betroffenen und Expertinnen oder Experten, welche auch als ein-<br />

zelne Gruppen bezeichnet werden können, sollen als Erstes in einer Tabelle zusammengefasst werden, z.B.<br />

Kategorie X, Aussagen der Lehrkräfte, Kategorie X, Aussagen betroffener Eltern etc.<br />

Diese Aussagen werden dann nach Kategorie und Gruppe gegenübergestellt und miteinander verglichen. So<br />

wird herausgeschält, bezüglich welcher Kategorien die Befragten ähnliche, unterschiedliche oder gegensätz-<br />

liche Aussagen machen.<br />

3.6.2. Kommunikative Validierung<br />

Um die Gültigkeit der Ergebnisse und der Interpretationen zu überprüfen, können diese den Befragten<br />

nochmals vorgelegt und mit ihnen diskutiert werden (vgl. Mayring, 2002, S. 147). Dieses Vorgehen wird als<br />

kommunikative Validierung verstanden und stellt eines der sechs allgemeinen Gütekriterien qualitativer For-<br />

schung dar (vgl. Mayring, 2002, S. 144). Wenn die Befragten mit den Interpretationen und Ergebnissen ein-<br />

verstanden sind: „ ... sich darin wiederfinden, kann dies ein wichtiges Argument zur Absicherung der Ergeb-<br />

nisse sein“ (Scheele/Groeben zit. n. Mayring, 2002, S. 144).<br />

Mittels kommunikativer Validierung wird also überprüft, ob die Interpretationen so stimmen können. So kann<br />

auch der berühmt-berüchtigte „blinde Fleck“ aufgedeckt werden. Den Forschenden wird aufgezeigt, an was<br />

sie nicht gedacht, wo sie während des Interpretierens nicht hingeschaut haben. Damit dies möglich ist, muss<br />

mit den Befragten ein Gespräch entstehen. Wenn ihnen hingegen ein Text vorgelesen wird und sie dazu ein-<br />

fach nicken können, werden sie ihre wahren Gedanken mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht erzählen.<br />

Damit Gespräche mit den Befragten über die Interpretationen und Ergebnisse entstehen können, wird auf<br />

die Struktur-Lege-Technik zurückgegriffen.<br />

3.6.3. Struktur-Lege-Technik<br />

Um die Struktur-Lege-Technik als Methode zu beschreiben, wird auf die Literatur von Flick (2004, s. 130 ff)<br />

Bezug genommen.<br />

Bei der Struktur-Lege-Technik wird dem Interviewpartner Kärtchen mit seinen wichtigsten Aussagen aus dem<br />

Interview vorgelegt, mit dem Ziel, dass er sich an das Interview erinnert und überprüft, ob der Inhalt auf den<br />

Kärtchen richtig festgehalten wurde. Ist dies nicht der Fall, so müssen die Aussagen natürlich angepasst<br />

werden. So werden die Interpretationen und Ergebnisse kommunikativ validiert.<br />

31


In einem weiteren Schritt soll die befragte Person mit den Begriffen eine Ordnung erzeugen, die bestimmte<br />

Regeln berücksichtigt. Dazu erhält sie vor der Sitzung die Spielregeln für die Struktur-Lege-Technik, welche<br />

mit Beispielen verdeutlicht werden. Nach Flick sind die Ergebnisse eines solchen Strukturierungsprozesses<br />

mit der Struktur-Lege-Technik (SLT) grafische Darstellungen der subjektiven Theorie. Abschliessend werden<br />

die Darstellungen der befragten Person und der Interviewerin, des Interviewers verglichen und reflektiert. Für<br />

die kommunikative Validierung der Interpretationen und Ergebnisse wird hauptsächlich der erste Teil der SLT<br />

angewendet. Das komplexe Verfahren, für das von den befragten Personen eine Vorbereitungsarbeit erwar-<br />

tet wird, soll ihnen nicht zugemutet werden.<br />

Die SLT soll lediglich dazu dienen, das Gespräch über die Interpretationen und Ergebnisse anzuregen. Des-<br />

halb sollen die befragten Personen ohne Vorgaben von Regeln eine Ordnung der Begriffe erstellen und be-<br />

gründen, warum welcher Begriff wo gelegt wird und welche Zusammenhänge sie zwischen den einzelnen<br />

Begriffen sehen. Diese Erläuterungen werden zusammen mit den Fotos der Darstellungen am Ende des fol-<br />

genden Kapitels (vgl. Kapitel 5.5.) festgehalten. Falls die Aussagen der kommunikativen Validierung nicht mit<br />

den Ergebnissen übereinstimmen sollten, müssen die Unstimmigkeiten aufgenommen und die Ursache da-<br />

für gefunden werden.<br />

3.7. Bezugnahme auf Fragestellung und Hypothese<br />

Die Fragestellung und die Hypothesen sollen als Abschluss der <strong>Datenauswertung</strong> im Bezug auf die Ergeb-<br />

nisse vorläufig beantwortet werden.<br />

4. Datenerhebung und Datenaufbereitung<br />

Nachfolgend werden Angaben zur Datenerhebung und Datenaufbereitung gemacht.<br />

4.1. Datenerhebung<br />

Die Stichprobe setzt sich aus den sechs folgenden Personen zusammen: eine Sozialpädagogin als Expertin,<br />

die für eine kantonale Beratungsstelle arbeitet, eine Lehrperson, welche auf der Unterstufe und zwei Lehr-<br />

personen, welche auf der Mittelstufe unterrichten, eine Mutter, die von sich sagt, dass sie selbst als Kind<br />

verwöhnt wurde und einer Frau, die gleichzeitig schulische Heilpädagogin, Schulleiterin und Mutter einer<br />

erwachsenen Tochter mit Sinnesbehinderungen ist. Die Befragten verfügen über sieben bis 44 Jahre Be-<br />

rufserfahrung. Es wurden zwei Männer und vier Frauen befragt. Vier von sechs Personen wurden persönlich<br />

kontaktiert, die anderen beiden haben sich freiwillig auf einen Aufruf per E-Mail gemeldet. Der Anfragebrief<br />

befindet sich im Anhang 1, S. 2.<br />

Es wurde mit den einzelnen Personen ein Termin für ein Leitfadeninterview vereinbart. Eine Person (B5), die<br />

Mutter, die von sich sagt, dass sie selbst als Kind verwöhnt wurde, konnte leider nicht interviewt werden. Sie<br />

füllte den Leitfaden des Interviews als Fragebogen aus. Es wurden allerdings nur wenige Angaben gemacht.<br />

32


Während des Interviews wurde das Gespräch mit dem iPod aufgezeichnet und als Audio-Datei gesichert. Ob<br />

das Interview in Schriftsprache oder in Mundart erfolgte, wurde jeweils den Befragten überlassen.<br />

4.2. Datenaufbereitung<br />

Die Audio-Datei wurde dann mit dem Transkriptionsprogramm f5 als Text verfasst. Dabei wurden die Daten<br />

anonymisiert. Um die Daten während der Interpretation nicht zu verfälschen, wurden die Gespräche im ge-<br />

gebenen Falle in Mundart transkribiert und im Sinne der besseren Leserlichkeit für den Hauptteil dieser Ar-<br />

beit dann die Mundart-Zitate in Schriftsprache übersetzt. Die verschriftlichten Interviews befinden sich im<br />

Anhang 2.<br />

5. Ergebnisse<br />

Nachfolgend sollen die Ergebnisse aufgezeigt werden, die durch Analyse und Interpretation der Aussagen<br />

während der Interviews erarbeitet wurden.<br />

<strong>5.1.</strong> <strong>Datenauswertung</strong>: Analyse & Interpretation<br />

Jedes einzelne Interview wurde bezüglich der Fragestellung und der drei Hypothesen (vgl. Kapitel 2.7.)<br />

durchgearbeitet. Ein Interview eignete sich nicht für die Analyse. Beim Durchlesen des Textes entstand der<br />

Eindruck, dass der Befragte allgemeine Annahmen über Verwöhnung und Überbehütung äusserte und die<br />

Erinnerung an ehemalige verwöhnte Schüler schon recht verblasst waren.<br />

Im ersten transkribierten Interview wurden aussagekräftige Textstellen markiert und in eigenen Worten am<br />

Rand der Seite als Notizen festgehalten. Diese Notizen wurden zu provisorischen Kategorien zusammenge-<br />

fasst. Mit den anderen Interviews wurde gleich verfahren und die Kategorien immer wieder neu angepasst.<br />

So entstand das nachfolgende Kategoriensystem. Bei diesem ganzen Vorgang der Analyse stellte sich die<br />

Zuordnung der Textstellen zu den einzelnen Kategorien als äusserst schwierig heraus. Die einzelnen Kate-<br />

gorien müssen trennscharf voneinander abgegrenzt werden (vgl. Kuckartz, Dresing, Rädiker & Stefer, 2008,<br />

S. 37). Dies ist jedoch besonders anspruchsvoll, da Überbehütung und Verwöhnung immer als Interaktion<br />

stattfindet, welche von verschiedenen Aspekten, auf verschiedenen Ebenen beeinflusst wird. Um diese As-<br />

pekte nicht miteinander zu vermischen, wurde an jede Textstelle mit der Frage herangegangen: „Was sagt<br />

die Befragte, der Befragte? Welchen Aspekt spricht sie oder er an?“ So wurden die angesprochenen Aspek-<br />

te in Form der nachfolgenden Kategorien erfasst.<br />

33


5.2. Kategoriensystem<br />

Kategoriensystem<br />

Kategorie Unterkategorie Seite Zeile Ankerbeispiel Codierregel<br />

Bewegungsverhalten<br />

5 231 Dass man auf einer Langbank die Sache einfach<br />

nicht so exakt macht, so dass man herunterfällt.<br />

Bindung Ängste 4 180 Und das andere Kind, das auch überbehütet, verwöhnt<br />

wird, durfte dann zur Zeit der Schweinegrippe<br />

einen Tag zu Hause bleiben. Die Mutter<br />

sagte mir, sie hätte so Angst, wegen der Schweinegrippe.<br />

Erwartungshaltung<br />

Nähe/Distanz 32 1460 Ich musste oft über meinen eigenen Schatten<br />

springen und sagen, jetzt bist du hier, bist präsent<br />

aber rettest nicht! Und begleitest, nimmst aber<br />

keine Erfahrungen weg!<br />

ErwartungshaltungErwachsener<br />

gegenüber<br />

dem Kind<br />

Erwartungshaltung<br />

Kind gegenüber<br />

anderen<br />

Personen<br />

Selbstbestimmung<br />

4 166 Die Mutter hatte das Kind oft zur Schule begleitet<br />

und hat dann auf dem Trottoir - da sieht man zu<br />

meinem Schulzimmer, zu meiner Schultüre hin -<br />

gewartet, bis das Kind eben in meiner Obhut war.<br />

19 826 Die Kinder wissen auch, dass wenn etwas ist,<br />

dass sie sich dann gleich hinter dem Rockzipfel<br />

der Mutter verstecken können: „Die Mami richtet<br />

es dann schon!“ und dann müssen sie es nicht<br />

selbst lernen oder sich um etwas bemühen und<br />

sie zeigen sehr egozentrische Züge.<br />

15 693 Die Mutter lässt nicht zu, dass sich der Sohn<br />

selbst entwickelt und räumt ihm alle Schwierigkeiten<br />

aus dem Weg.<br />

Lernverhalten Ausdauer 14 616 Ich hatte mal Eislaufgeschwister in meiner Klasse,<br />

die sehr wohlbehütet und verwöhnt waren, aber<br />

auch sehr grossen „Biss“ zeigten.<br />

Reifeentwicklung<br />

Umgang mit<br />

Misserfolg<br />

14 637 Und die sind vielleicht auch zweimal auf den Kopf<br />

gefallen, haben ihn dreimal geschüttelt und haben<br />

dann weitergemacht.<br />

Umgang mit Kritik 15 672 Es gibt jene Kinder, die zu machen und dann<br />

nichts mehr sagen, es gibt aber auch jene, die<br />

dann relativ rechthaberisch sagen: „Geht es noch!<br />

So nicht mit mir!“<br />

Motivation 6 245 Sie sind zum Teil so, dass sie nicht voll einsatzfreudig<br />

sind.<br />

Vermeidungsstrategien<br />

Problemlöseverhalten<br />

ungeschickt<br />

Risikoverhalten<br />

ängstlich<br />

Angst um das<br />

Kind<br />

sich zurücknehmen,Erfahrungenzulassen<br />

Verantwortung<br />

abnehmen<br />

Das Kind gibt<br />

die Verantwortung<br />

an die Mutter<br />

ab.<br />

Eigenverantwortung,Entscheidungen<br />

treffen<br />

Durchhaltewille<br />

Ausdauer<br />

Frustrationstoleranz<br />

Rückzug<br />

Opposition<br />

Widerstand<br />

Begeisterung,<br />

Interesse<br />

7 298 Und ein Kind hat einfach wie den Clown gemacht. Vermeidungs-<br />

Also so den Kasper gespielt. Und damit überdeckt, strategie<br />

dass er jetzt da und dort Schwierigkeiten hat oder<br />

dass er arbeiten sollte.<br />

den Clown gemacht<br />

1 33 Ich denke, Verwöhnung zeigt sich hier, dass es<br />

sofort findet: „Ich komme nicht draus“, dass es zu<br />

wenig genau überlegt.<br />

11 448 Also, dieser 4. Klässler der zeigte ein Verhalten<br />

eines 2. Klässlers.<br />

Risikofaktoren 30 1383 In Balkanländern haben die Jungen einen anderen<br />

Stellenwert, ich kenne es jetzt auch noch aus<br />

Griechenland, da sind die Jungen das Grösste für<br />

die Eltern. Das ist einerseits sehr schön, aber es<br />

hat auch etwas Überbehütendes.<br />

Umgang mit<br />

Schwierigkeiten<br />

Entwicklungsverzögerung<br />

Häufung von<br />

Überbehütung/<br />

Verwöhnung bei<br />

einer bestimmten<br />

Gruppe von<br />

Menschen<br />

34


Kategorie Unterkategorie Seite Zeile Ankerbeispiel Codierregel<br />

Selbstkonzept Vertrauen in das<br />

eigene Können<br />

sozialer Umgang<br />

Verhaltensregulation<br />

12 496 Derjenige Schüler kommt bestimmt nachdem er<br />

das erste Wort geschrieben hat zu mir und fragt<br />

nach: „Ist jetzt das so richtig?“<br />

Selbständigkeit 28 1260 Dass den Kindern, die überverwöhnt wurden oder<br />

überbehütet wurden, dass denen einfach eine<br />

gewisse Form von Selbständigkeit fehlt.<br />

Kooperation 13 570 Es gibt Kinder, die mit einem Gruppenentscheid<br />

nicht einverstanden sind und dann zu machen<br />

oder die nachher sagen: „Macht dies selbst, ich<br />

möchte mit dem nichts zu tun haben!“<br />

soziale Integration<br />

3 130 Und dann hatte er es natürlich schwieriger, bei<br />

Buben in die Gruppe hineinzukommen.<br />

Belohnung 9 385 Eltern arbeiten mit Belohnungen. Dass das Kind<br />

für eine 6 zehn Franken, für eine 5.5 fünf Franken<br />

und für eine 5 noch zwei Franken erhält.<br />

angepasstes oder<br />

unangepasstes<br />

Verhalten<br />

5.3. Analyse<br />

Selbstvertrauen<br />

Handlungsplanung<br />

Wie werden<br />

Entscheidungen<br />

gefällt, Kooperation,Verweigerungshaltung<br />

Anschluss in<br />

der Gruppe<br />

Materielle, emotionaleVerstärkung<br />

Zuwendung,<br />

Lob<br />

3 109 Dass sie so lieb sind, dass man disziplinarisch mit Disziplin<br />

diesen Kindern eigentlich nicht viele Probleme hat.<br />

Aus den transkribierten Interviews wurden nun die aufschlussreichen Textstellen herauskopiert und mit den<br />

erforderlichen Quellenangaben im Mac-Programm Numbers zu einer Art Excel-Tabelle zusammengestellt<br />

(vgl. Anhang 1, S. 9 ff). Dadurch wurde die Übersichtlichkeit verbessert und eine sinnvolle Analyse der Daten<br />

erst möglich. Nachfolgend werden nun die aussagekräftigen Textstellen analysiert und interpretiert. Jene<br />

Aussagen, bei welchen die Befragten angaben, eine Vermutung zu äussern oder sich nicht sicher zu sein,<br />

ob der beschriebene Umstand alleine auf Verwöhnung zurückzuführen sei, sind von der Analyse ausge-<br />

schlossen. Diese Analyseprozesse dienten dazu, die anschliessenden Interpretationen zu verfassen.<br />

5.4. Ergebnisse und Interpretation<br />

Nachfolgend werden Ergebnisse der Interviews präsentiert und die Interpretationen der jeweiligen Kategori-<br />

en mit Zitaten aus den Interviews verdeutlicht. Die Interviews befinden sich im Anhang 2.<br />

5.4.1. Kategorie: Bewegungsverhalten<br />

Interview-Aussagen zur Kategorie Bewegungsverhalten<br />

Fall Seite Zeile Sammlung<br />

B1 5 237 Psychomotoriktherapie<br />

B1 5 231 Ungeschickt<br />

B1 4 176 Psychomotoriktherapie<br />

B2 14 619 Bewegungsdrang<br />

35


Fall Seite Zeile Sammlung<br />

B2 14 633 zeigen Risikofreude<br />

B2 14 639 nicht risikofreudig<br />

B3 23 1029 Risikos abschätzen bez. Bewegung<br />

B3 23 1036 Überschätzung, nicht Erkennen von Gefahren<br />

B4 30 1360 motorische Auffälligkeiten<br />

Auffallend an diesen Aussagen ist, dass jüngere Kinder, von welchen B1, B3 und B4 gesprochen haben, Auf-<br />

fälligkeiten im Bewegungsverhalten zeigen, während B2, der Lehrer auf der Mittelstufe, dies unterschiedlich<br />

beurteilt. Teils konnte er Auffälligkeiten beobachten, teils auch wieder nicht, und speziell verwöhnte Kinder,<br />

welche bei Erfüllung der elterlichen Forderungen eine Belohnung erhalten, zeigten grosse Risikofreude. Eine<br />

mögliche Erklärung dafür, dass überbehütete und verwöhnte Kinder auf der Unterstufe auffallen und auf der<br />

Mittelstufe dann nicht mehr, könnte sein, dass die Kinder im Kanton Thurgau vom Kindergarten an in die<br />

Turnenstunde gehen und dass Kinder mit Auffälligkeiten in der Motorik die Möglichkeit haben, Ergo- oder<br />

Psychomotoriktherapie zu besuchen.<br />

5.4.2. Kategorie: Bindung<br />

Interview-Aussagen zur Kategorie Bindung<br />

Fall Seite Zeile Sammlung<br />

B1 6 257 Angst, das Kind wird benachteiligt<br />

B1 7 308 Ängstlichkeit der Mutter<br />

B1 4 180 Angst um das Kind<br />

B1 4 187 Angst des Kindes vor Turnübung<br />

B3 19 858 das Kind loslassen<br />

B3 19 862 Angst um die Tochter, dass sie in der Schule überfordert ist<br />

B3 19 872 Rückhalt durch die Mutter im Erwachsenenalter<br />

In der Kategorie Bindung nennen B1 und B4 die Angst von Erwachsenen um ihre Kinder: „Sie ging dann<br />

noch gerne zur Schule, aber bekam 3/4 der Dinge nicht mit und dies löste bei mir auch wieder Stress aus!“<br />

(vgl. S. 19, Zeile 862). B1 spricht nur bei einem Kind davon, dass es im Turnen das Gefühl der Angst geäus-<br />

sert hat: „... und später sagte er es auch bei mir im Turnen, er hätte vor dieser Übung Angst“ (vgl. S. 4, Zeile<br />

187). Nebst Aussagen zur Angst haben B3 und B4 auch Situationen geschildert, die vermuten lassen, dass<br />

es in der Kategorie Bindung auch noch einen Aspekt von Nähe/Distanz gibt. Konkret geht es darum, wie gut<br />

eine erwachsene Person - in den geschilderten Situationen ist dies die Mutter - ihre eigenen Bedürfnisse<br />

zurücknehmen kann, um dem Kind mehr Freiraum zu gewähren: „Es war für mich ein extremer Schritt, sie<br />

aus dieser Behütung rauszugeben“ (vgl. S. 19, Zeile 858). B4 schildert, wie schwierig es ist, sich zurückzu-<br />

nehmen, um dem Kind eine Erfahrung zu ermöglichen: „Es war lehrreich zu merken, da ist jetzt eine Frustra-<br />

tion und tendenziell hätte ich sie gerne aus dieser befreit um dann zu merken, es ist gut, und wenn es in ei-<br />

nem Rahmen ist, wo man es verantworten kann. Es ist eine gute und wichtige Erfahrung in einem geschütz-<br />

ten Rahmen“ (vgl. S. 31, Zeile 1450). Bei überbehütendem Erziehungsverhalten gewähren Erwachsene den<br />

Freiraum nicht; es gelingt ihnen nicht, sich zurückzunehmen, um dem Kind Erfahrungen zu ermöglichen.<br />

36


Ein möglicher Grund dafür wäre die Angst um das Kind. Hier ist auch die Schnittstelle zur Erwartungshaltung<br />

anzusiedeln. Mit Erwartungshaltung sind jene Erwartungen gemeint, die z.B. Erwachsene an das Kind, aber<br />

auch das Kind an erwachsene Personen stellt.<br />

5.4.3. Kategorie: Erwartungshaltung<br />

Interview-Aussagen zur Kategorie Erwartungshaltung<br />

Fall Seite Zeile Sammlung<br />

B1 2 46 Die Eltern stellen nicht die Forderung an das Kind, die Hausaufgaben zu machen.<br />

B1 6 252 Mitleid mit dem Kind<br />

B1 4 166 Keine Eigenverantwortung übertragen<br />

B2 12 511 unterschiedliche Erwartungshaltung von Lehrer und Mutter<br />

B2 14 625 Eltern erwarten keine grosse Ausdauerleistung von ihrem Kind.<br />

B2 15 665 Selbstbestimmung<br />

B2 15 659 Erwartungshaltung der Eltern<br />

B2 15 662 Verantwortung abgenommen<br />

B2 15 683 Unterschiedliche Verhaltenserwartung Lehrer/Mutter<br />

B2 15 688 Mutter entschuldigt den Sohn, lügt für ihn.<br />

B2 15 693 Mutter nimmt Sohn Verantwortung ab.<br />

B2 11 466 Selbstbestimmung<br />

B2 11 483 Die Mutter trägt dem Kind persönliche Sachen nach.<br />

B2 16 698 Eltern erwarten keine Ausdauer vom Kind.<br />

B2 16 707 für Leistung immer Belohnung<br />

B2 16 744 Erwartungshaltung des Lehrers<br />

B2 9 371 Freiraum geben<br />

B2 9 390 Kinder erwarten von sich selbst gute Leistungen.<br />

B2 10 409 Erwartungshaltung Lehrer<br />

B2 10 411 Die Mutter nimmt dem Kind die Verantwortung für die persönlichen Angelegenheiten<br />

ab.<br />

B2 10 415 Verantwortung wird dem Kind von der Mutter abgenommen.<br />

B3 19 826 Das Kind gibt die Verantwortung an die Mutter ab.<br />

B3 19 864 zunehmende Unterstützung<br />

B3 18 790 Die Selbstbestimmung des Kindes wird eingeschränkt.<br />

B3 18 795 Verantwortung abnehmen<br />

B3 18 818 was das Kind von der Mutter erwartet<br />

B3 20 883 Ausnützen der Mutter, wieder Verantwortung abgeben?<br />

B3 21 931 Mutter kontrollierte auch nach Operation Tochter stark.<br />

B3 21 940 Hätte sie mit einer anderen Mutter mehr Selbständigkeit erworben?<br />

B4 27 1246 Freiraum wird genommen<br />

B4 31 1450 Mutter lässt Frustrationen des Kindes zu, Erfahrungen zulassen.<br />

B4 32 1460 Mutter nimmt sich zurück.<br />

B5 33 1498 musste in der Familie keine Verantwortung in Form von Ämtli mittragen<br />

37


In dieser Kategorie wird erkennbar, dass Erwachsene, die Kinder überbehüten und verwöhnen, tiefere Er-<br />

wartungen an die Kinder stellen als Erwachsene, die das Kind nicht überbehüten. Klar wird dies bei B2, als<br />

Lehrer und Eltern nicht der gleichen Meinung sind: „Aber, das ist auch etwas, was ich dieser Mutter schon<br />

längstens gesagt habe: ʻLassen sie das Kind endlich los und lassen sie es mal selbständig werden!ʻ ʻJa, es<br />

sei noch nicht so weit!ʻ“ (vgl. S. 12, Zeile 511). Auf die Frage hin, welches Verhalten ihrer Meinung nach ein<br />

verwöhntes Kind zeigt, antwortet B1 „Ein anderes Kind - der Vater ist schon sehr alt - macht einfach die<br />

Hausaufgaben nicht rechtzeitig“ (vgl. S. 2, Zeile 46). Auch wenn B1 hier nicht explizit erwähnt, dass sie das<br />

stört, ist anzunehmen, dass eine Lehrperson die Erwartung an die Kinder hat, die Hausaufgaben rechtzeitig<br />

abzugeben.<br />

Die geringere Erwartungshaltung der Eltern führt auch dazu, dass dem Kind der Freiraum genommen wird,<br />

um Erfahrungen zu sammeln und Verantwortung zu übernehmen. Vier von den fünf Befragten haben dies-<br />

bezüglich eine eindeutige Aussage gemacht. Als Beispiel nennt B1, wie Verantwortung nicht übergeben wird:<br />

„Die Mutter hatte das Kind oft zur Schule begleitet und hat dann auf dem Trottoir - da sieht man zu meinem<br />

Schulzimmer, zu meiner Schultüre hin - gewartet, bis das Kind eben in meiner Obhut war“ (vgl. S. 4, Zei-<br />

le 166). Auch B2 spricht an, dass die Mutter die Verantwortung nicht an das Kind abgibt: „... da kommt die<br />

Mutter bestimmt einmal pro Woche, klopft an die Türe um dem Kind entweder den Znüni, die Turnsachen<br />

oder die Hausaufgaben zu bringen, die zuhause liegen geblieben sind“ (vgl. Anhang 2, S. 11, Zeile 483).<br />

Wie schwierig es sein kann, dem Kind Freiraum zu gewähren, schildert B3 wie folgt: „Dort war mein Fehler,<br />

dass ich zu fest da war, dass ich versucht habe sie zu kontrollieren oder zu fest hinter ihr her war. Und dort<br />

sehe ich meinen Anteil, dass ich viel mehr hätte loslassen müssen“ (vgl. S. 21, Zeile 931). Auch B4 spricht<br />

die Schwierigkeit an: „Ich musste oft über meinen eigenen Schatten springen und sagen, jetzt bist du hier,<br />

bist präsent aber rettest nicht! Und begleitest, nimmst aber keine Erfahrungen weg!“ (vgl. S. 32, Zeile 1469).<br />

Im Zusammenhang mit Verwöhnung spricht B2 an, dass Eltern zwar Forderungen an die Kinder stellen, dass<br />

aber immer eine Belohnung folgt, wenn die Kinder diese erfüllen: „Ich kenne Tenniseltern, Eislaufeltern und<br />

Kunstturneltern und die fordern schon, aber ʻdu leistest und dann bekommst duʻ“ (vgl. S. 16, Zeile 707).<br />

5.4.4. Kategorie: Lernverhalten<br />

Interview-Aussagen zur Kategorie Lernverhalten<br />

Fall Seite Zeile Sammlung<br />

B1 1 33 an Probleme herangehen<br />

B1 2 80 Ausdauer, Motivation<br />

B1 6 260 gehen mit Misserfolgen gut um<br />

B1 6 279 Minderleistungen<br />

B1 7 291 Ausweichen<br />

B1 7 298 Vermeidungsstrategie, den Clown gemacht<br />

B2 14 616 Durchhaltewille<br />

B2 14 637 Umgang mit Misserfolgen<br />

B2 14 641 vermeiden, umgehen<br />

B2 15 672 Umgang mit Kritik<br />

38


Fall Seite Zeile Sammlung<br />

B2 17 755 Entwicklung der Persönlichkeit<br />

B2 11 443 Kritik wird schlecht vertragen<br />

B2 16 728 Ausrede<br />

B3 24 1094 Reaktionen bei Kritik<br />

B3 24 1108 bei Misserfolgen weitermachen<br />

B3 25 1131 ausdauernde Suche nach richtigem Lösungsweg<br />

B4 29 1336 geringe Frustrationstoleranz<br />

In der Kategorie Lernverhalten können keine eindeutigen Aussagen gemacht werden; die befragten Perso-<br />

nen machen unterschiedliche Aussagen. B1 gibt an, dass die Kinder mit Misserfolgen gut den „Rank“ finden<br />

(vgl. S. 6, Zeile 260), während B3 bemerkt, dass der Umgang mit Misserfolgen die Stärke ihrer Tochter sei<br />

(vgl. S. 24, Zeile 1108) und B4 hält die Frustrationstoleranz bei überbehüteten und verwöhnten Kindern für<br />

niedrig. Ähnlich verhält es sich beim Umgang mit Kritik, Ausdauer, Motivation und bei dem Problemlösever-<br />

halten.<br />

Einzig bei den Vermeidungsstrategien geben zwei der fünf Befragten an, dass verwöhnte Kinder Ideen ent-<br />

wickeln, um Unerwünschtem aus dem Weg zu gehen. Ein Beispiel: „Und ein Kind hat einfach wie den Clown<br />

gemacht. Also so den Kasper gespielt. Und damit überdeckt, dass er jetzt da und dort Schwierigkeiten hat<br />

oder dass er arbeiten sollte“ (vgl. S. 7, 298). Dass Kinder unangenehme Aufgaben umgehen, kommt aber<br />

nicht nur bei verwöhnten Kindern vor.<br />

5.4.5. Kategorie: Reifeentwicklung<br />

Interview-Aussagen zur Kategorie Reifeentwicklung<br />

Fall Seite Zeile Sammlung<br />

B1 2 77 War noch nicht reif für die Schule<br />

B2 11 481 Entwicklungsverzögerung<br />

B2 12 535 Entwicklung der Persönlichkeit<br />

B3 22 1003 Entwicklungsverzögerung<br />

B4 28 1301 Entwicklungsverzögerung<br />

Überbehütung und Verwöhnung wirken sich auf die Entwicklung aus. Vier der fünf befragten Personen nen-<br />

nen in diesem Zusammenhang Entwicklungsverzögerungen. Ob allerdings das Kind, welches B1 erwähnt,<br />

nicht einfach auch zu früh eingeschult wurde, bleibt offen. Auch bei B3 lässt sich nicht eindeutig klären, ob<br />

die Entwicklungsverzögerung (vgl. S. 22, Zeile 1003) ihrer Tochter auf die angeborenen Sinnesbehinderun-<br />

gen oder auch auf das überbehütende Erziehungsverhalten der Mutter zurückzuführen ist. Es besteht eine<br />

grössere Wahrscheinlichkeit, dass bei Verwöhnung eine Entwicklungsverzögerung eintreten kann. Um dies<br />

zu beweisen ist allerdings die gewählte Stichprobe zu klein.<br />

39


5.4.6. Kategorie: Risikofaktor<br />

Interview-Aussagen zur Kategorie Risikofaktor<br />

Fall Seite Zeile Sammlung<br />

B1 5 204 Vermehrtes Auftreten von Überbehütung/Verwöhnung<br />

B1 7 341 Vermutung bzw. Risikofaktor ethnischer Hintergrund<br />

B1 4 166 mögliche Ursache von Überbehütung<br />

B3 19 860 Sinnesbehinderung begünstigt überbehütendes Verhalten.<br />

B3 26 1183 Keine Beratung begünstigt überbehütendes Verhalten.<br />

B4 28 1289 Kind als Ersatz, daraus entstand Überbehütung<br />

B4 30 1383 Kulturell bedingt Jungen eher überbehütet, auch in der Familie einen anderen<br />

Stellenwert als Mädchen<br />

Während der Interviews haben die Befragten auch Hinweise gegeben, unter welchen Umständen Überbehü-<br />

tung und Verwöhnung vermehrt auftreten. Zwei der Befragten gaben an, dass in bestimmten Kulturen in öst-<br />

lich gelegenen Ländern wie in den Balkanländern und in Griechenland besonders die Knaben ein höheres<br />

Risiko haben, von Erwachsenen verwöhnt zu werden. Zwei weitere Personen schilderten Fälle von Überbe-<br />

hütung und Verwöhnung bei Kindern mit körperlichen Einschränkungen wie Sinnesbehinderung und Herz-<br />

fehler. Die Vermutung liegt nahe, das eine erwachsene Person das Kind eher überbehütet und verwöhnt,<br />

wenn es körperlich eingeschränkt ist und die Angst um das Kind den Erziehungsalltag begleitet.<br />

Wie B3 im Interview erzählt, ist eine fachkundige Beratung oder der Beitritt in eine Selbsthilfegruppe nötig:<br />

„Weil es schwierig ist, dies alles alleine bewältigen zu müssen“ (vgl. S. 26, Zeile 1183). So gesehen ist es ein<br />

zusätzliches Risiko, wenn Eltern eines Kindes mit körperlichen Einschränkungen keine spezifische Unter-<br />

stützung erhalten.<br />

B4 vermutet einen weiteren Risikofaktor, wenn ein Kind als Ersatz gesehen wird.<br />

5.4.7. Kategorie: Selbstkonzept<br />

Interview-Aussagen zur Kategorie Selbstkonzept<br />

Fall Seite Zeile Sammlung<br />

B1 1 29 Kind kann Aufgabe nicht ohne Hilfe lösen.<br />

B1 3 100 Vorerfahrungen, Selbständigkeit<br />

B1 5 210 Kind entwickelte im Jugendalter Selbständigkeit<br />

B2 12 496 Kind zeigt Unsicherheit, holt sich Bestätigung beim Lehrer<br />

B2 14 598 Selbsteinschätzung<br />

B2 15 660 Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten<br />

B2 17 771 Eigenverantwortung<br />

B3 19 829 Unsicherheit der Kinder<br />

B3 18 802 Entwicklung der Selbständigkeit<br />

B3 20 897 schwaches Selbstbewusstsein<br />

B4 28 1260 Selbständigkeit fehlt<br />

B4 28 1274 Selbständigkeit<br />

40


Fall Seite Zeile Sammlung<br />

B4 28 1278 Überschätzen der Fähigkeiten<br />

B4 29 1304 Selbständigkeit<br />

B4 29 1329 Kein Bewusstsein, was man selbst will<br />

B5 33 1511 Kind Freiraum einräumen, loslassen<br />

B5 33 1517 Selbständigkeit<br />

B5 33 1520 keine eigenständigen Entscheidungen<br />

Die Analyse der Kategorie Selbstkonzept ergab erstmals in der Unterkategorie Selbständigkeit einen Kon-<br />

sens aller Befragten. Für die untersuchte Stichprobe kann also mit Sicherheit gesagt werden, dass sich Ver-<br />

wöhnung negativ auf die Selbständigkeit der Kinder auswirkt. Bei jüngeren Kindern, welche verwöhnt wer-<br />

den, ist anzunehmen, dass sie weniger eine eigene Meinung entwickeln: „... sich nicht entscheiden, überlas-<br />

sen, einfach mitgehen, kein eigenes Bewusstsein dafür zu haben, was man selbst möchte“ (vgl. S. 29, Zeile<br />

1329). Zwei der Befragten äusserten sich diesbezüglich. Dass die Befragten von jüngeren Kindern ausge-<br />

hen, geht aus dem Gesprächsverlauf während der Interviews im Anhang 2 hervor. Drei der Befragten erzähl-<br />

ten, dass die Kinder ihre Fähigkeiten weniger gut einschätzen können. Oft äussern sich die Kinder dann wie<br />

folgt: „Sie, das kann ich nicht!“ (vgl. S. 15, Zeile 660).<br />

Die Äusserung des Kindes kann auch mit dem Selbstvertrauen zu tun haben, welches aber explizit nur von<br />

einer Person angesprochen wurde.<br />

Die Übernahme von Eigenverantwortung wurde von einer befragten Person angesprochen.<br />

5.4.8. Kategorie: sozialer Umgang<br />

Interview-Aussagen zur Kategorie sozialer Umgang<br />

Fall Seite Zeile Sammlung<br />

B1 3 118 Auskommen mit den anderen Kindern<br />

B1 3 130 Anschluss an die Gruppe<br />

B1 4 142 Entscheidungsfindung<br />

B1 4 151 Integration in die Gruppe<br />

B2 13 553 mit anderen Kindern teilen<br />

B2 13 555 Freunde „kaufen“<br />

B2 13 559 soziale Integration<br />

B2 13 570 Verweigerung, Entscheidung wird nicht akzeptiert<br />

B2 13 573 sich durchsetzen<br />

B2 13 595 spielt mit jüngeren Kindern<br />

B3 19 855 Freundschaften<br />

B3 20 914 konnte andere Kinder zum gemeinsamen Spielen bewegen<br />

B3 21 954 Strategien zur Kompromissfindung, Ausweichen, Nachgeben, Resignation<br />

B4 29 1319 Andere Kinder sind ungeduldig gegenüber dem Kind.<br />

B4 29 1327 wenig Möglichkeiten, Anliegen bei andern Kindern durchzusetzen<br />

B5 33 1517 Durchsetzungsvermögen<br />

41


Die Aussagen der Befragten sind bezüglich der Kategorie sozialer Umgang unterschiedlich. Vereinzelt haben<br />

verwöhnte und überbehütete Kinder zwar Schwierigkeiten, sich in die Gruppe einzufügen: „Und dann hatte<br />

er es natürlich schwieriger, bei Buben in die Gruppe hineinzukommen“ (vgl. S. 3, Zeile 130). Andere Kinder<br />

dagegen haben diesbezüglich Strategien entwickelt: „... von gewissen Kameraden eine Überbehütung auch<br />

belächelt wird, so dass sie irgendwann sagen: Also wie alt bist du? Warum trägt dir deine Mutter dies noch<br />

nach? Warum weisst du nicht selbst, dass wenn du in den Turnunterricht gehst, dass du das Badetuch zum<br />

Duschen mitnehmen musst?“ (vgl. S. 13, Zeile 559). Dieses „belächelt werden“ umgehen sie dann, indem<br />

sie anderen Kindern von ihren materiellen Belohnungen etwas abgeben: „Weisst du, wenn ich jetzt etwas<br />

erhalte, weil ich jetzt zuerst die Hausaufgaben mache und wenn du dann noch zu mir kommst, dann gebe<br />

ich dir etwas davon ab!“ (vgl. S. 13, Zeile 555).<br />

Der Befragte B2 bemerkte, dass verwöhnte Kinder sich verweigern, wenn sie mit dem Gruppenentscheid<br />

nicht einverstanden sind oder sich durchsetzen (vgl. S. 13, Zeile 570, 573). B4 erzählte, dass überbehütete<br />

und verwöhnte Kinder ein kleineres Repertoire haben, um mit anderen Kindern zu verhandeln, sie zu moti-<br />

vieren (vgl. S. 29, Zeile 1327). Die Aussage von B3 dementiert jedoch die Aussage von B4, ihre Tochter zei-<br />

ge ein breites Verhaltensrepertoire: „... da konnte sie auch Kompromisse eingehen. Und bei anderen Kin-<br />

dern, wenn es dann zu Streitigkeiten kam, dann ist sie gegangen. Und weinte dann oder hat dann das ge-<br />

spielt, was die andern bestimmt hatten oder was auch zu beobachten war, aber ich denke das ist auch ty-<br />

pisch Mädchen, dass sie einem Konflikt ausweicht und etwas anderes spielte“ (vgl. S. 21, Zeile 954).<br />

B5 merkt dagegen wieder an, dass überbehütete und verwöhnte Kinder grössere Schwierigkeiten haben, um<br />

Durchsetzungsvermögen zu entwickeln.<br />

5.4.9. Kategorie: Verhaltensregulation<br />

Interview-Aussagen zur Kategorie Verhaltensregulation<br />

Fall Seite Zeile Sammlung<br />

B1 3 109 keine disziplinarischen Probleme<br />

B1 5 196 Wertehaltung des Kindes<br />

B1 2 51 Die Eltern geben dem Kind kein Mass vor.<br />

B2 15 676 negative Äusserungen des Kindes über die Schule<br />

B2 15 679 Keine Zurechtweisung der Mutter<br />

B2 11 448 Regeln in der Familie<br />

B2 9 359 Belohnung<br />

B2 9 385 finanzielle Belohnung<br />

B2 10 397 Belohnung durch Noten<br />

B2 12 527 Hausaufgaben werden belohnt, erfolgreiche Prüfungen<br />

werden belohnt<br />

B3 18 820 Wut des Kindes<br />

B3 24 1086 kommt Forderungen der Mutter nicht nach, wird aggressiv<br />

B4 28 1269 trotzen<br />

42


Die Aussagen sind hier widersprüchlich. B1 bemerkt, dass die Kinder sehr „liebe Kinder“ sind (vgl. S. 3, Zeile<br />

109). Sie sieht das Verhalten der Kinder sogar als positive Folge von Überbehütung und Verwöhnung. B2<br />

hat diesbezüglich gegenteilige Erfahrungen gemacht. Die Belohnungen, welche die Kinder von den Eltern<br />

erhalten, wenn sie beispielsweise die Aufgaben gemacht haben, führen dazu, dass die Motivation der Kinder<br />

sinkt, wenn keine Belohnung bei Anstrengung in Aussicht gestellt wird: „... wo ich auch Schüler habe die sa-<br />

gen: ʻWenn sie Noten verteilen, dann strenge ich mich an und wenn sie keine verteilen, dann ist doch mir<br />

egal, was ich abgebe!ʻ“ (vgl. S. 10, Zeile 397). B2 nennt auch ein Beispiel dafür, dass die Kinder auf der Mit-<br />

telstufe nicht mehr so folgsam sind, wie dies von B1 beschrieben wurde: „... dieser Junge hat während 3/4<br />

Stunden [an einem Elterngespräch] gesagt, was die Schule für ein Blödsinn sei und was die Schule für ein<br />

Mist sei und welch langweilige Sache es sei. Und ihn scheisse alles an, er habe keine Freizeit!“ (vgl. S. 15,<br />

Zeile 676). Natürlich müssen freche Schüler nicht zwangsläufig überbehütet oder verwöhnt sein; spannend<br />

ist in diesem Zusammenhang aber die Reaktion der Mutter während des Gesprächs: „... die Mutter die sass<br />

da und hat immer noch so halb mit dem Kopf anerkennend genickt und war noch fast stolz, dass ihr Sohn so<br />

etwas sagen konnte“ (vgl. S. 15, Zeile 679). Sie bestätigt also das Verhalten des Sohnes. Eine mögliche Er-<br />

klärung dafür ist, dass die unterschiedlichen Erwartungshaltungen an das Kind von Mutter und Lehrer über<br />

längere Zeit dazu geführt haben, dass dieser schwelende Konflikt wichtiger ist als das Verhalten des Kindes:<br />

„Und, da muss ich sagen, da kann ich fast sagen was ich will, sie sagt etwas anderes“ (vgl. S. 15, Zeile 683).<br />

B3 gibt an, dass die Kinder Wutausbrüche zeigen, wenn sie etwas nicht erhalten (vgl. S. 18, Zeile 820). Das<br />

Verhalten ihrer Tochter schilderte sie folgendermassen: “(Interviewerin: Wie ist sie damit umgegangen, wenn<br />

von ihr etwas gefordert wurde?) Sie wird, das ist heute noch so, das hat sich bis heute nicht verändert, das<br />

heisst, in unseren vier Wänden, sie macht zu, sie wird aggressiv, sie wird wütend, sie möchte ihr Tempo<br />

selbst bestimmen. Sie nimmt dann auch nichts an“ (vgl. S. 24, Zeile 1086).<br />

5.5. Kommunikative Validierung<br />

Für die kommunikative Validierung wurden zwei bereits interviewte Personen ausgewählt, welche in den In-<br />

terviews nebst ähnlichen auch unterschiedliche Aussagen gemacht hatten. Sie schilderten ihre Erfahrungen<br />

zum Thema aus unterschiedlichen Perspektiven. Während M.F. (B2) als Lehrperson von seinen Erfahrungen<br />

mit verwöhnten und überbehüteten Kindern berichtete, brachte S.A. (B3) die Sicht einer erfahrenen Lehrper-<br />

son, Schulleiterin, schulischer Heilpädagogin und Mutter ein. Sie gab an, ihre Tochter mit Sinnesbehinderun-<br />

gen damals überbehütet zu haben.<br />

Da die Interviews schon mehrere Wochen zurückliegen, wurden ihnen die ersten beiden Seiten ihrer trans-<br />

kribierten Interviews zum Durchlesen vorgelegt.<br />

Anschliessend wurde ihnen das Vorgehen während der Transkription und der Auswertung erläutert. Die neun<br />

durch den Analyseprozess entstandenen Kategorien wurden anschliessend vorgestellt. Um zu gewährleis-<br />

ten, dass die Befragten die Kategorien auch auf ihre Aussagen während des Interviews beziehen können,<br />

wurden ihnen zu jeder von ihnen angesprochenen Kategorie gleich mehrere eigene Aussagen vorgelesen.<br />

Neue Aussagen wurden festgehalten.<br />

Somit wurden die Kategorien kommunikativ validiert.<br />

43


Die Befragten erhielten farbige Kärtchen, auf welchen jene Kategorien festgehalten waren, zu welchen sie<br />

selbst während des Interviews Aussagen gemacht hatten.<br />

Sie wurden gebeten, die Begriffe als Strukturbild zu legen und zu begründen, wie sie diese Struktur interpre-<br />

tieren. Diese Aussagen wurden ebenfalls festgehalten.<br />

5.<strong>5.1.</strong> Anmerkungen von B2 bezüglich der Ergebnisse<br />

Die neun Kategorien wurden B2 vorgestellt, und er äusserte, dass er mit diesen so einverstanden sei.<br />

Zur gelegten Struktur äussert er sich folgendermassen:<br />

Abb. 2: Kommunikative Validierung B2<br />

Das Lernverhalten hängt fest von der Reifeentwicklung ab, weil dem Kind auch mehr gesagt werden muss,<br />

was es jetzt machen muss. Die Reifeentwicklung beeinflusst den sozialen Umgang.<br />

Die Erwartungshaltung Erwachsener an die Kinder birgt die Gefahr, dass diese genau so erfüllt werden<br />

muss. Ein Beispiel: Die Arbeit eines Kindes, die nicht den eigenen Erwartungen entspricht, ist schwerer zu<br />

akzeptieren. Schnell unterliegt man der Versuchung, dem Kind die Arbeit abzunehmen, weil man sie perfekt<br />

gemacht haben will, also den eigenen Erwartungen entsprechend.<br />

Bevor die Lehrperson das Lernverhalten beeinflussen und die Erwartungshaltung formulieren kann, muss<br />

man die Kinder erst sozialisieren. Sozialer Umgang und Reifeentwicklung stehen in Wechselwirkung zuei-<br />

nander.<br />

All diese Bereiche münden in das Selbstkonzept.<br />

B2 erkennt in diesem Muster gewissen Schüler.<br />

44


5.5.2. Anmerkungen von B3 bezüglich der Ergebnisse<br />

Bezüglich der gebildeten Kategorien äussert B3 keine Unstimmigkeiten. Sie kann die Karten auch zu einer<br />

Struktur legen, welche ihr persönliches Verständnis über die Zusammenhänge von Verwöhnung und Über-<br />

behütung darstellt.<br />

Zur gelegten Struktur äussert sie sich folgendermassen:<br />

Abb. 3: Kommunikative Validierung B3<br />

Bindung, Erwartungshaltung, Verhaltensregulation können sowohl Risiko als auch Chance bedeuten.<br />

Bei Überbehütung muss Distanz geschaffen werden (Bindung), sich bewusst loslösen vom Kind, dieses aber<br />

nicht fallen lassen, Mut entwickeln, zuzuschauen, auch in Kauf nehmen, dass etwas nicht funktioniert. Dies<br />

ist schwierig bei Müttern, die sehr engagiert und erfolgreich sind; der eigene Perfektionismus kommt da in<br />

die Quere. Dies ist auch beobachtbar bei dem Loslösungsprozess von Mutter und Tochter.<br />

Der soziale Umgang und Erwartungshaltungen an andere, aber auch jene, die andere an einen selbst stel-<br />

len, dies macht Interaktion aus. Man kann sich auch fragen: „Warum ist das Kind überbehütet?“ Man will<br />

Steine zum Weg ausräumen, auch dass es gut durch die Schule kommt, einen grossen Lernzuwachs er-<br />

reicht. Dies sorgt für Druck, weil man das Beste für das Kind will.<br />

Wenn man ein Kind mit einer Sinnesbehinderung hat oder auch Kinder mit anderen Behinderungen, sollte<br />

der Austausch mit anderen Eltern gesucht werden, um das Kind besser akzeptieren zu können.<br />

Das Lernverhalten hat viel mit Ausdruck von Stärke, Umgang mit Druck zu tun: „Bin ich resilient genug oder<br />

kann ich nichts mehr leisten?“ Dies ist auch abhängig vom Eigenanspruch.<br />

45


Es ist anstrengend, ein Kind zu haben, welches so viel fordert. Es ist emotional eine strenge Geschichte:<br />

Man ist als Mutter stetig unter Druck, kontrollieren zu müssen. Auf der anderen Seite versucht das Kind sich<br />

zu lösen, lehnt sich auf, z.B. „Täubeliphase“. Ich hatte nie ein Belohnungssystem, dies funktionierte nicht. Als<br />

meine Tochter noch klein war, habe ich sie in Konfliktsituationen gehalten, bis sie fertig „getäubelet“ hatte.<br />

Als sie älter war, habe ich sie weggeschickt oder ich bin aus dem Zimmer gegangen. Wir führten zu einem<br />

späteren Zeitpunkt Gespräche über die Situation, manchmal auch erst einen Tag später.<br />

Bezüglich der Reifeentwicklung ist es das Ziel, egal ob bei einem drei Jahre alten Kind oder einer zwanzig-<br />

jährigen Person, dass sie reif werden, Boden haben, dass sie sich entwickeln können. Reifeentwicklung und<br />

Selbstkonzept sind interdependent.<br />

Man könnte auch alle Karten miteinander verknüpfen; je nach Lebensphase könnten sie dann wieder unter-<br />

schiedlich geordnet werden. B3 erkennt ebenfalls in dem Muster die Beziehung zu ihrer Tochter.<br />

5.5.3. Erkenntnisse bezüglich der Kategorienbildung durch die kommunikative<br />

Validierung<br />

Es wurde davon ausgegangen, dass die niedrige Erwartungshaltung, die verwöhnende Eltern an ihre Kinder<br />

haben, auch auf die Angst von Eltern um ihre Kinder zurückzuführen ist. Durch die kommunikative Validie-<br />

rung wurde durch die Äusserungen beider Befragten eine weitere Möglichkeit aufgezeigt. Ein weiterer Grund<br />

für die niedrige Erwartungshaltung an die Kinder könnte auch darauf zurückzuführen sein, dass Erwachsene<br />

etwas möglichst gut, perfekt erledigt haben möchten und ihnen die Leistungen der Kinder nicht genügen. B3<br />

formuliert dies im vorigen Kapitel wie folgt: „Bei Überbehütung muss Distanz geschaffen werden (Bindung),<br />

sich bewusst loslösen vom Kind, dieses aber nicht fallen lassen, Mut entwickeln, zuzuschauen, auch in Kauf<br />

nehmen, dass etwas nicht funktioniert. Dies ist schwierig bei Müttern, die sehr engagiert und erfolgreich sind;<br />

der eigene Perfektionismus kommt da in die Quere.“<br />

Die Kategorien Selbstkonzept und Lernverhalten sind nach Auffassung von B2 und B3 sehr eng miteinander<br />

verknüpft.<br />

5.6. Beantwortung der Fragestellung<br />

Die zu Beginn der Untersuchung formulierten drei Hypothesen und die beiden Fragestellungen sollen nun<br />

als Abschluss von Analyse und Interpretation vorläufig beantwortet werden. Die bisherige Reihenfolge wird<br />

nicht mehr eingehalten (vgl. Kapitel 2.7.), da die drei Hypothesen zur Beantwortung der Fragestellung bei-<br />

tragen.<br />

5.6.1. Hypothese 1<br />

Im Aktivitätsbereich Umgang mit Anforderungen zeigen sich die Auswirkungen von Verwöhnung durch<br />

mangelnde Ausdauer und negativen Umgang mit Misserfolg oder Kritik.<br />

Diese Hypothese kann teilweise bestätigt werden. Während die Kinder eher in der Unterstufe wenig Aus-<br />

dauer zeigen, bereitet ihnen der Umgang mit Kritik eher in der Mittelstufe Schwierigkeiten.<br />

46


5.6.2. Hypothese 2<br />

Ein Kind, das verwöhnt wird, zeigt Auffälligkeiten im Aktivitätsbereich Umgang mit Menschen; es kann nur<br />

ungenügend oder überhaupt nicht mit anderen Kindern zusammenarbeiten, geht unangemessen mit<br />

Aggressionen um, so dass es sich oder anderen schadet.<br />

Diese Hypothese kann nicht bestätigt werden. Verwöhnte Kinder zeigen nur vereinzelt Schwierigkeiten, sich<br />

in eine Gruppe von Kindern zu integrieren. Sie können sich sowohl durchsetzen, als sich auch dem Ent-<br />

scheid der Gruppe fügen. Einzelne widersetzen sich diesen Entscheiden, indem sie sich schmollend zurück-<br />

ziehen. Aggression gegen sich selbst oder andere wurde im Rahmen der Interviews nie erwähnt.<br />

5.6.3. Hypothese 3<br />

Im Aktivitätsbereich Bewegung und Mobilität ist die Folge von Verwöhnung Ängstlichkeit, was unter anderem<br />

beim Klettern erkennbar wird.<br />

Diese Hypothese kann nur teilweise bestätigt werden, nämlich in Bezug auf motorische Auffälligkeiten. Diese<br />

zeigten sich allerdings nur bei jüngeren Kindern in der Unterstufe. In der Mittelstufe zeigen die Kinder keine<br />

motorischen Auffälligkeiten mehr. Eine mögliche Erklärung wäre, dass die Kinder im Verlaufe der Kindergar-<br />

ten- und Schulzeit diese Schwierigkeiten durch die Bewegung auf dem Pausenplatz, im Turnunterricht und<br />

ev. auch durch Psychomotorik- oder Ergotherapie überwinden können.<br />

5.6.4. Fragestellung<br />

Wie wirkt sich verwöhnendes Erziehungsverhalten auf das Lernen im schulischen Kontext von<br />

Primarschulkindern aus?<br />

Werden Kinder verwöhnt, wirkt sich dies negativ auf ihr Selbstkonzept aus.<br />

Die Kinder sind im Vergleich zu anderen Kindern unselbständiger, zeigen weniger Vertrauen in die eigenen<br />

Fähigkeiten und geben Verantwortung gerne an andere ab. Sie benötigen im Unterricht mehr Bestätigung.<br />

Jüngere Kinder (Unterstufe) sind weniger in der Lage, eine eigene Meinung zu entwickeln und Entscheidun-<br />

gen zu fällen.<br />

Welche Folgerungen sind daraus für die heilpädagogische Arbeit abzuleiten?<br />

Die unterschiedliche Erwartungshaltung von Lehrperson und Eltern muss angesprochen werden. In Gesprä-<br />

chen soll aufgezeigt werden, was Kinder im jeweiligen Alter alles leisten können und auch sollen. Es sollte<br />

einfühlsam und auf konstruktive Art und Weise aufgezeigt werden, welches die Nachteile des praktizierten<br />

Erziehungsverhaltens sind.<br />

47


6. Theorie 2<br />

Während der Interviews sind Begriffe wie Eigenverantwortung, Selbständigkeit, Unsicherheit, Selbstbe-<br />

wusstsein, Überschätzen der Fähigkeiten, Bewusstsein für das, was man selbst will, oft genannt oder zu-<br />

mindest während der Analyse der Interviews als eigene Stichworte in der Spalte der Sammlung (vgl. An-<br />

hang 1, S. 9) festgehalten worden. Die aufgezählten Begriffe wurden in die Kategorie Selbstkonzept einge-<br />

ordnet.<br />

Die Analyse ergab, dass sich verwöhnendes Erziehungsverhalten negativ auf das Selbstkonzept der Kinder<br />

auswirkt.<br />

Aus diesem Grund soll nun der Begriff Selbstkonzept geklärt und durch entsprechende Theorie erläutert<br />

werden, bevor er dann in der Diskussion der Untersuchungsergebnisse aufgegriffen wird.<br />

6.1. Selbstkonzept<br />

Das Selbstkonzept ist der Schlüsselbegriff in der Persönlichkeitstheorie von Carl Rodgers.<br />

Er sieht den Menschen als bewusst handelndes Wesen, welches von seinen Erfahrungen geleitet wird (vgl.<br />

Hobmair, 1997, S. 433). All diese Erfahrungen, genauer die subjektive Wahrnehmung und Bewertung dieser,<br />

münden in ein Selbstkonzept. „Das Selbst oder Selbstkonzept ist eine durch Erfahrungen gebildete und sich<br />

verändernde Struktur von Wahrnehmung, Empfindungen und Werthaltungen, die eine Person bezogen auf<br />

sich selbst hat. Es ist das mehr oder weniger bewusst wahrgenommene Bild von sich selbst“ (Hobmair,<br />

1997, S. 433). Dieses besteht aus dem Real-Selbst und dem Ideal-Selbst (vgl. ebd.), wobei ersteres als ge-<br />

genwärtiges Bild von sich selbst und letzteres als angestrebte Idealvorstellung des Selbst verstanden wer-<br />

den kann.<br />

Da jedoch jede Person täglich sehr viele verschiedene Informationen über sich selbst erhält, ist nicht anzu-<br />

nehmen, dass all diese in einem einzigen Selbstkonzept münden. „Auf Grund der Selbstkonzeptforschung ist<br />

eine breiter Konsens erkennbar, der es angebracht erscheinen lässt, besser von Selbstkonzepten im Plural<br />

zu sprechen und nicht vom Selbstkonzept“ (Müller-Dietiker, zit. n. Müller, 2002, S. 56). Die einzelnen Kon-<br />

zepte werden auch als Teilkonzepte oder Sub-Konzepte bezeichnet und in vielen theoretischen Ansätzen als<br />

hierarchische Konstrukte dargestellt (vgl. Müller, 2002, S. 56). Da diese zur nachfolgenden Diskussion aber<br />

nicht wesentlich beitragen, werden sie nicht näher beschrieben. In der beigezogenen Literatur wurde vom<br />

Selbstkonzept in der Einzahl geschrieben und dies soll hier im Sinne der Leserfreundlichkeit weitergeführt<br />

werden, obwohl das Selbstkonzept als hierarchisches Konstrukt verstanden wird (ebd.).<br />

6.1.1. Die Entwicklung des Selbstkonzeptes<br />

Das Selbstkonzept eines Menschen wird entscheidend durch Beziehungsbotschaften von Eltern, Erzieherin-<br />

nen/Erzieher, Lehrpersonen, Peergroups geprägt (vgl. Hobmair, 1997, S. 437), also dem sozialen Umfeld<br />

des Kindes. Wertschätzung trägt zum Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes bei, dagegen fördert Gering-<br />

schätzung die Bildung eines negativen Selbstkonzeptes (vgl. ebd.). Folglich sind Interaktionen zwischen Er-<br />

48


wachsenen, andern Kindern und dem Kind massgeblich am Aufbau des Selbstkonzeptes beteiligt. Das<br />

Selbstkonzept entwickelt sich also nicht aus eigenem Antrieb, sondern wird durch zwischenmenschliche Be-<br />

ziehungen entscheidend beeinflusst (vgl. Müller, 2002, S. 51).<br />

6.1.2. Informationsquellen<br />

Die Informationen, welche ein Individuum über sich selbst erhält und seine Selbstkonzepte beeinflussen<br />

werden aus verschiedenen Informationsquellen bezogen.<br />

Es werden vier Arten selbstbezogener Informationsquellen unterschieden, welche durch das Individuum sub-<br />

jektiv ausgewählt und beurteilt werden (vgl. Neubauer, 1976, S. 38; Herkner, 1986, S. 347; Müller-Dietiker,<br />

1999, S. 53-54, zit. n. Müller, 2002, S. 52):<br />

• Direkte Eigenschaftszuweisung durch andere Personen: Merkmale, die einem Individuum von<br />

Personen seiner sozialen Umwelt mittels direkter Kommunikation zugeschrieben werden.<br />

• Indirekte Eigenschaftszuweisungen durch andere Personen: Aus dem Verhalten anderer Personen<br />

werden Schlüsse auf ihre Einschätzung und Urteile gezogen.<br />

• Selbstzuweisung von Eigenschaften durch Vergleich mit anderen Personen: Das eigene Verhalten<br />

wird beobachtet, mit jenem anderer Personen verglichen und eine interpretative Schlussfolgerung<br />

gezogen.<br />

• Selbstzuweisung von Eigenschaften aus der Beobachtung des eigenen Verhaltens und durch<br />

Nachdenken über sich selbst: Der Mensch hat die Kompetenz, aus der Selbstbeobachtung<br />

Rückschlüsse über die eigene Person zu ziehen.<br />

Es wird davon ausgegangen, dass die letztgenannte selbstbezogene Informationsquelle für die Bildung des<br />

Selbstkonzeptes bei Vorschulkindern eher wenig genutzt wird. Die kognitive Entwicklung der Kinder lässt die<br />

diesbezüglich erforderten metakognitiven Fähigkeiten nicht in ausreichendem Masse zu. „Die neuere For-<br />

schung deutet darauf hin, dass Kinder schon früh beginnen, den interpretativen und konstruktiven Charakter<br />

geistigen Geschehens zu verstehen, dass dies jedoch nicht impliziert, dass sie ihr Realitätsverständnis ins-<br />

gesamt als Ergebnis eines Interpretations- und Konstruktionsprozesses betrachten“ (Sodian in Guldimann &<br />

Hauser, 2005, S. 21).<br />

Wie die Informationen bewertet werden, hängt vom Selbstkonzept, also von den gemachten Erfahrungen ab<br />

und davon, wie sie subjektiv wahrgenommen und bewertet werden. Das Individuum hält tendenziell am be-<br />

stehenden Selbstkonzept fest und versucht, neue Informationen so zu interpretieren, dass sie sein Selbst-<br />

konzept bestätigen.<br />

„Jeder Mensch wird immer wieder mit neuen Selbsterfahrungen konfrontiert. Diese Erfahrungen können nun<br />

sehr stark vom bestehenden Selbstkonzept abweichen. Im Individuum besteht jedoch die Tendenz, diese<br />

Diskrepanz möglichst klein zu halten“ (Hobmair, 1997, S. 439). Dies bedeutet, dass die gebildeten Selbst-<br />

konzepte als zutreffend befunden und zunächst nicht hinterfragt werden, da sie vom Individuum als Anker-<br />

49


punkte benötigt werden, um neue Erlebnisse einordnen zu können bzw. um sich in der Welt orientieren zu<br />

können (vgl. Laskowski, 2000, S. 23).<br />

Die Qualität des Selbstkonzeptes, also ob es negativ oder positiv geprägt ist, ist verantwortlich dafür, wie mit<br />

der Selbsterfahrung umgegangen wird, also ob diese angenommen oder ignoriert wird (vgl. Hobmair, 1997,<br />

S. 439).<br />

Eben wurde angesprochen, dass die Interaktionen zwischen Erwachsenen, andern Kindern und dem Kind<br />

massgeblich am Aufbau des Selbstkonzeptes beteiligt sind und auch später immer wieder beeinflussend<br />

wirken. Um anschliessend diskutieren zu können, wie die Interaktion durch verwöhnende Erziehung den<br />

Aufbau des kindlichen Selbstkonzepts negativ beeinflusst und was im Unterricht beachtet werden soll, wird<br />

hier der Begriff Interaktion erläutert.<br />

6.2. Interaktion<br />

„Soziale Interaktionen sind – vereinfacht formuliert – dadurch gekennzeichnet, dass das Handeln eines je-<br />

den beteiligten Individuums wesentlich durch das Handeln der jeweils andern Individuen beeinflusst wird“<br />

(Hermann in Speda, 1992).<br />

Welling (Welling in Blickensdorfer und Dohrenbusch, 1999, S. 148) unterscheidet sechs Schichten oder Di-<br />

mensionen der Interaktion, welche nachfolgend kurz umrissen werden sollen:<br />

6.2.1. Interaktion als wechselseitige Beeinflussung von Individuum und Milieu<br />

Das Individuum beeinflusst dabei das Milieu und das Milieu das Individuum, wobei sich Individuum und Mi-<br />

lieu in diesem Prozess beeinflussen. So beeinflusst beispielsweise ein Kind, das neu in eine Kindergruppe<br />

aufgenommen wird, diese Gruppe und umgekehrt.<br />

6.2.2. Interaktion als wechselseitige Beeinflussung von Individuen in ihrem Milieu<br />

Beeinflussen sich Individuen gegenseitig, so tun sie dies in Anbetracht ihrer aktuellen Lebenssituation oder<br />

Eltern, Lehrpersonen und Erzieherinnen und Erzieher erziehen das Kind, aber auch das Kind erzieht Eltern,<br />

Lehrpersonen und Erzieherinnen und Erzieher.<br />

6.2.3. Interaktion als Selbsterfüllung<br />

Die eigenen Erwartungen steuern eigenes und fremdes Tun so, dass vielleicht unmerklich das geschieht,<br />

was erwartet wurde. Dieses Phänomen wurde seit den sechzigerjahren als „Pygmalion-Effekt“ populär (Ro-<br />

senthal & Jakobson, 1971, Erlashoff & Snow, 1972 zit. n. Welling in Blickensdorfer und Dohrenbusch, 1999,<br />

S. 148).<br />

„Übertragen auf die Lehrer-Schüler-Interaktion heisst dies: Lehrer und Schüler interpretieren auf der Basis<br />

ihrer Erfahrungen und Einstellungen die Unterrichtssituationen sowie die Handlungen des Interaktionspart-<br />

ners oder der Interaktionspartner und richten ihr Handeln an Ergebnissen solcher Zuschreibungen aus“<br />

50


(ebd.). Es kommt dabei vor, dass die institutionsbedingten Macht-Asymmetrien begünstigen, dass sich die<br />

Lehrperson nicht auf das Kind einstellt, dadurch die Erwartungen an dieses nicht korrigiert werden und das<br />

Kind auf der anderen Seite sich den Erwartungen der Lehrperson anpasst und u. U. nach diesen „formt“ (vgl.<br />

Welling in Blickensdorfer und Dohrenbusch, 1999, S. 150).<br />

6.2.4. Interaktion als Zuschreibung<br />

Besonders negativ wirkt sich dieser „Pygmalion-Effekt“ dann aus, wenn das Kind mit seinen Leistungen den<br />

Erwartungen der Lehrperson oder auch jenen der Eltern auf Dauer nicht genügen kann, obwohl es unter<br />

Umständen bessere Leistungen erbringen könnte.<br />

Werden auf der anderen Seite im Verlaufe der Zeit geringere Erwartungen an das Kind herangetragen, bei-<br />

spielsweise, dass es eben nur schwache Leistungen etc. erbringen kann, wirkt sich diese Zuschreibung auf<br />

Dauer negativ auf die Entwicklung des Selbstbildes des Kindes aus. Unter disen Umständen kann auch von<br />

Stigmatisierung gesprochen werden (vgl. Goffman in Borchert, 2000, S. 189 ff).<br />

6.2.5. Interaktion als symbolisch vermittelte Wechselseitigkeit<br />

Menschen beeinflussen sich durch sprachliche oder andere verbindende Zeichen gegenseitig, was auch als<br />

symbolischer Interaktionismus bezeichnet wird. Beim sozialen Austausch werden Verhaltenserwartungen,<br />

Lob, Aufforderungen, Regeln, Gesetze, Manipulationen symbolisch vermittelt. Dabei muss diese Symbolik<br />

von allen Interaktionspartnern verstanden werden, damit eine wechselseitige Beeinflussung stattfindet.<br />

6.2.6. Interaktion als gestufte Rollenübernahme<br />

Die Sozialforschung untersuchte die Entstehung von allgemeinen Handlungsfähigkeiten bei heranwachsen-<br />

den Menschen und versteht dies als stufenweise Rollenübernahme. Zum einen müssen Kinder im Verlaufe<br />

ihrer Entwicklung lernen, dass in der Interaktion mit Eltern, Lehrpersonen, Erzieherinnen und Erziehern,<br />

Gleichaltrigen verschiedene Normen oder Regeln gelten und unterschiedliche Formen der Interaktionen an-<br />

gebracht sind. Zum anderen wird von ihnen mit zunehmendem Alter erwartet, auf einem angemessenen Ni-<br />

veau zu Interagieren. So ist es beispielsweisse noch süss, wenn ein fünfjähriges Kind eine erwachsene<br />

Person wie folgt anspricht: „Du Frau Müller, kannst du mir bitte helfen ...?“ Würde ein Kind von elf Jahren<br />

auch noch auf diese Weise mit Erwachsenen sprechen, würde diese Art der Kommunikation nicht als alters-<br />

angemessen akzeptiert.<br />

6.3. Das Selbstkonzept unter Einfluss der sozialen<br />

Interaktion<br />

Der Inhalt einer Selbstkonzeption baut sich nicht unabhängig von anderen auf. So steht nach Lambrich (vgl.<br />

1987, S. 18) das Individuum immer in persönlichen oder institutionellen Verhältnissen und ist gefordert, Er-<br />

wartungen und Rollen zu übernehmen. Es kommt nicht darum herum, den eigenen Beitrag zur Aufrechter-<br />

haltung gemeinsamer, sozialer Ordnung zu leisten. Das Individuum gewinnt sein Selbstverständnis durch die<br />

51


Auseinandersetzung mit den Erwartungen der anderen, und insofern bedeutet eine Selbstkonzeption auch<br />

immer ein Stück verinnerlichter sozialer Kontrolle.<br />

Was als „Basis ihrer Erfahrungen und Einstellungen“ verstanden wird, kann auch als Selbstkonzept be-<br />

schrieben werden (vgl. ebd.).<br />

7. Diskussion<br />

Die nachfolgenden Aussagen beziehen sich auf die Untersuchung der gewählten Stichprobe. Nachfolgend<br />

werden die Ergebnisse diskutiert, welche zur Beantwortung der Fragestellung beitragen. Ergebnisse, die<br />

zwar diesbezüglich nicht aufschlussreich sind, jedoch zu spannenden Vermutungen innerhalb des Themas<br />

anregen, sollen kurz erwähnt werden.<br />

7.1. Kategorien<br />

Sollen Aussagen über Kategorien wie Bindung, Selbstkonzept oder Erwartungshaltung gemacht werden,<br />

kommt der erschwerende Umstand hinzu, dass beispielsweise das Selbstkonzept nicht direkt beobachtbar<br />

ist, sondern immer nur indirekt, durch Beobachtung des entsprechenden Verhaltens darauf geschlossen<br />

werden kann. Diese Beobachtungen sind jedoch nicht objektiv, sondern werden vom Beobachter unter Ein-<br />

fluss dessen subjektiver Wahrnehmung interpretiert (vgl. Hobmair, 1997, S. 89 ff). Eine ganze Reihe potenti-<br />

eller Fehlerquellen also, die auch überall dort lauern, wo interpretiert wird. Aus diesem Grund sollen die Er-<br />

gebnisse, wenn sie eindeutig sind, mit Gegenargumenten diskutiert werden, um so Ungereimtheiten, welche<br />

durch falsche Interpretation entstanden sind, aufzudecken und alternative Erklärungen zu finden. Um Zu-<br />

sammenhänge aufzuzeigen, welche zwischen einzelnen Kategorien entdeckt wurden, werden die Kategori-<br />

en nicht mehr in alphabetischer Reihenfolge diskutiert.<br />

7.1.1. Bewegungsverhalten<br />

Die Untersuchungsergebnisse zeigen in der Kategorie Bewegungsverhalten (vgl. Kapitel 5.4.1.) oder nach<br />

ICF Bewegung und Mobilität, dass verwöhnte Kinder diesbezüglich auf der Unterstufe Auffälligkeiten zeigen,<br />

auf der Mittelstufe jedoch nicht mehr. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die Schule als Institution die<br />

Folgen von Verwöhnung im Bezug auf die Grobmotorik mildern, indem die Kinder auf dem Pausenplatz und<br />

im Turnunterricht die Möglichkeit erhalten, motorische Fertigkeiten zu üben und zu differenzieren und zusätz-<br />

lich bei Bedarf auch Ergo- oder Psychomotoriktherapie erhalten. Durch die Informationen und Materialien,<br />

welche von einer Psychomotoriktherapeutin im Kanton Thurgau zur Verfügung gestellt wurden, haben nach<br />

eigenen Schätzungen 4/5 aller Kindergarten- und Primarschulkinder bei Bedarf Zugang zu psychomotori-<br />

schem Therapieangebot. Kinder, die durch die Überweisung eines Arztes Ergotherapie erhalten, sind natür-<br />

lich nicht berücksichtigt. Dieser Umstand verdichtet die Annahme, dass die Schule als Institution einen posi-<br />

tiven Einfluss auf die grobmotorische Entwicklung der Kinder und die Überwindung dieser Schwierigkeiten<br />

hat.<br />

52


Gegenargument<br />

Die Schwierigkeiten im Bereich der Motorik sind nicht schlimm, da sie sich im Verlauf der Schulzeit zurück-<br />

bilden werden.<br />

Antwort auf das Gegenargument<br />

Dazu bleibt zu sagen, dass die Motorik als Motor der gesamten Entwicklung gesehen werden kann. So wirkt<br />

sich die Grobmotorik auf die Sprachentwicklung (vgl. Zimmer, 2009) und auf die Feinmotorik und die Grafo-<br />

motorik (vlg. Schäfer, 2001) aus, welche ein Kind beim Erlernen des Schreibens intensiv beansprucht. Auch<br />

im Zusammenhang mit Raumerfahrungen spielt die Motorik eine wichtige Rolle, da sich diese wiederum auf<br />

die Vorstellung des Zahlenraums und somit auf das Erlernen mathematischer Fähigkeiten auswirkt (vgl. Lo-<br />

renz in Lauth, Grünke & Brunstein, 2004).<br />

Müller (vgl. Kapitel 6.1.) bemerkt, dass Kinder ab acht Jahren gerne ihre aktiven Fähigkeiten mit anderen<br />

Kindern messen. Auch wenn sich in der Berufspraxis dieses Verhalten schon zwei Jahre früher, also mit<br />

sechs Jahren zeigt, stellt dieses Kräftemessen der Kinder untereinander einen wichtigen Entwicklungsschritt<br />

dar, da sie auch lernen, ihre Fähigkeiten einzuschätzen und mit Niederlagen umzugehen. Die anderen Kin-<br />

der dienen dabei als Informationsquelle über die eigenen Fähigkeiten, was Müller als Selbstzuweisung von<br />

Eigenschaften durch Vergleich mit anderen Personen beschreibt. Unterliegt ein Kind bei diesem Kräftemes-<br />

sen immer wieder, schwächt dies das Selbstvertrauen und somit auch das Selbstkonzept des Kindes.<br />

7.1.2. Bindung<br />

In der Kategorie Bindung (vgl. Kapitel 5.4.2.) wurde vor allem der Aspekt der Überbehütung im Rahmen der<br />

verwöhnenden Erziehung angesprochen und es können Rückschlüsse auf Gründe von überbehütendem<br />

Verhalten gezogen werden. Einige Eltern haben Angst um ihre Kinder, dass ihnen etwas zustossen oder sie<br />

überfordert sein könnten, oder sie haben einen Hang zum Perfektionismus und können die Art, wie Kinder<br />

Dinge erledigen, nicht annehmen.<br />

Gegenargument<br />

Eine enge Beziehung zum Kind ist wichtig und dass Eltern ihre Kinder vor Gefahren beschützen wollen un-<br />

bedingt notwendig.<br />

Antwort auf das Gegenargument<br />

Dieser Aussage ist so nichts entgegenzusetzen. Entscheidend ist jedoch, ob dem Kind Freiraum gewährt<br />

wird, in dem es Erfahrungen sammeln kann oder nicht. Nach Mary Ainsworth (vgl. Grossmann & Gross-<br />

mann, 2003) begünstigt allerdings eine sichere Bindung das Explorationsverhalten des Kleinkindes und bei<br />

unsicher gebundenen Kindern wurden Verhaltensweisen beobachtet, die auch verwöhnte Kinder zeigen.<br />

53


Zudem kann sich die Angst der Eltern auf die Kinder übertragen. Dem Kind wird entweder direkt oder indirekt<br />

vermittelt: „Du kannst das nicht!“, was sich wiederum negativ auf die Vorstellung des Kindes von sich und<br />

seinen Fähigkeiten, also sein Selbstkonzept auswirkt.<br />

7.1.3. Reifeentwicklung<br />

Verwöhnung wirkt sich negativ auf die Entwicklung aus, so dass auch Entwicklungsverzögerungen auftreten<br />

können (vgl. Kapitel 5.4.5.). Die Aussagen der Befragten sind allerdings zu ungenau, um sagen zu können,<br />

in welchen Bereichen Entwicklungsverzögerungen auftreten. Aus diesem Grund wird dieses Ergebnis nicht<br />

weiter diskutiert, sondern kann lediglich als eine mögliche Folge von Verwöhnung angesehen werden.<br />

7.1.4. Risikofaktor<br />

Durch die Analyse der Interviews wurden Hinweise für mögliche Umstände gefunden, bei welchen Verwöh-<br />

nung vermehrt auftritt (vgl. Kapitel 5.4.6.). So sind Knaben aus bestimmten Kulturen, aus östlich bzw. südlich<br />

gelegenen Ländern wie den Balkanländern und Griechenland eher dem Risiko ausgesetzt, verwöhnt zu<br />

werden. Das höhere Risiko einer Verwöhnung trifft auch auf Kinder mit körperlichen Einschränkungen wie<br />

Sinnesbehinderung, Herzfehler, oder Kinder, die über längere Zeit an einer Krankheit leiden, zu. Verwöh-<br />

nendes und im speziellen überbehütendes Erziehungsverhalten scheint eine logische Folge zu sein, wenn<br />

man bedenkt, dass die Angst der Eltern um ihr Kind als möglicher Auslöser gesehen werden kann.<br />

Da Risikofaktoren aber nichts zur Beantwortung der eigentlichen Fragestellung und der Hypothesen dieser<br />

Untersuchung beitragen können, sollen sie nachfolgend auch nicht diskutiert werden.<br />

7.1.5. Sozialer Umgang<br />

Die Aussagen der Befragten sind bezüglich der Kategorie sozialer Umgang (vgl. Kapitel 5.4.8.) unterschied-<br />

lich. Vereinzelt haben verwöhnte und überbehütete Kinder Schwierigkeiten, sich in die Gruppe einzufügen,<br />

andere Kinder dagegen haben erfolgreiche Strategien entwickelt, um Kontakte zu knüpfen und Freundschaf-<br />

ten zu pflegen. So lassen diese Kinder andere an ihrer materiellen Verwöhnung teilhaben, indem sie ihnen<br />

beispielsweise einen Teil von ihrer Belohnung abgeben.<br />

Die in der Literatur viel beschriebenen Schwierigkeiten im Bereich des Sozialverhaltens, welche sich als Fol-<br />

ge von Verwöhnung ergeben (Frick, 2011; Rogge, 2010; Rüedi, 1995; Winterhoff, 2009), können nur teilwei-<br />

se durch diese Untersuchungsergebnisse bestätigt werden.<br />

7.1.6. Verhaltensregulation<br />

Die Untersuchungsergebnisse sind in der Kategorie der Verhaltensregulation (vgl. Kapitel 5.4.9.) nicht ein-<br />

deutig und die Aussagen der Befragten widersprüchlich. Diese Widersprüchlichkeit lässt sich damit erklären,<br />

dass die einen Befragten sich in ihren Aussagen auf verwöhnte Kinder bezogen, andere dagegen auf über-<br />

behütete. Die Kategorie Verhaltensregulation ermöglicht eine neue Perspektive auf die Probleme bei der<br />

Definition der beiden Begriffe Überbehütung und Verwöhnung, die zum einen nicht trennscharf voneinander<br />

abgegrenzt werden können, zum anderen nicht deckungsgleich sind, sich aber überlappen. Werden Über-<br />

behütung und Verwöhnung einzeln mit dem Fokus der Verhaltensregulation betrachtet, also inwiefern Eltern<br />

54


auf das Verhalten ihrer Kinder regulierend einwirken, kann Verwöhnung klar von Überbehütung abgegrenzt<br />

werden.<br />

Im Kapitel 2.1.1. wurden verschiedene Erziehungsstile behandelt. Die Ergebnisse in dieser Kategorie erfor-<br />

dern nun, dass diese nochmals aufgegriffen und diskutiert werden.<br />

In diesem Zusammenhang wurde festgehalten, dass der permissive Erziehungsstil (vgl. Frick, 2011, S. 27)<br />

sich durch wenig Lenkung und Kontrolle der Eltern auszeichnet und in diesem Anteile von Verwöhnung ge-<br />

sehen werden können. Er kann aber nicht mit einem verwöhnenden Erziehungsstil gleichgesetzt werden, da<br />

ansonsten der Aspekt der Überbehütung vernachlässigt wird, welcher als liebevolle, stark einschränkende<br />

Erziehung beschrieben wird (vgl. Kapitel 2.1.1.). Demzufolge wäre aber in der nachfolgenden Grafik von<br />

Baumrind ein verwöhnender Erziehungsstil im roten Rechteck anzusiedeln, dagegen der überbehütende<br />

Erziehungsstil im orangen Rechteck. Der autoritative Erziehungsstil kann aber keinen Falls gleichgesetzt<br />

werden mit dem überbehütenden Erziehungsstil, da nach Havers (in Perleth & Ziegler, 1999, S. 15) bei ers-<br />

terem die Eltern relativ hohe Anforderungen an ihr Kind stellen, während bei überbehütendem Erziehungs-<br />

verhalten von Seiten der Eltern fast gänzlich darauf verzichtet wird, Anforderungen an das Kind zu stellen.<br />

Abb. 4: 4 Felder / 2 Ebenen nach Baumrind<br />

(vgl. http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/408366, 2010)<br />

Bei Maccoby und Martin (vgl. ebd.) ist eine Grafik zu finden, die auf den ersten Blick ähnlich wie jene von<br />

Baumrind anmutet. Um den Vergleich der beiden Grafiken zu erleichtern, wurden die Felder in der Grafik<br />

nach Maccoby und Martin analog zu jenen von Baumrind eingefärbt.<br />

Beim Vergleich der beiden Grafiken fällt auf, dass in der ersten die horizontale Linie als „Lenkung“ bezeich-<br />

net wird, während in der zweiten nebst Lenkung auch Forderung genannt wird.<br />

55


akzeptierende, ansprechbare<br />

Eltern<br />

zurückweisende, wenig an-<br />

sprechbare Eltern<br />

wenig fordernde, kaum lenkende<br />

Eltern<br />

permissiver<br />

Erziehungsstil<br />

vernachlässigender<br />

Erziehungsstil<br />

fordernde, lenkende Eltern<br />

autoritativer<br />

Erziehungsstil<br />

autoritärer<br />

Erziehungsstil<br />

Abb. 5: Nachbildung der Grafik von Maccoby & Martin (1983) in Perleth und Ziegler (vgl. 1999, S. 15)<br />

In dieser Grafik wäre es nun nicht mehr möglich, überbehütendes Erziehungsverhalten im orangen Feld ein-<br />

zuordnen, da diese Eltern sowohl lenken als auch Forderungen stellen.<br />

Somit lässt sich sowohl in der ersten Grafik nach Baumrind, als auch in der zweiten nach Maccoby und Mar-<br />

tin überbehütendes Erziehungsverhalten nicht einordnen.<br />

Nicht nur der Aspekt der Lenkung ist bei Verwöhnung und bei Überbehütung zentral, sondern auch jener der<br />

Forderung. Während verwöhnendes Erziehungsverhalten mehrheitlich geprägt ist durch wenig Lenkung und<br />

wenig Forderung, zeichnet sich überbehütendes Erziehungsverhalten durch wenig Forderung aber hohe<br />

Lenkung aus, was zur Einschränkung von Autonomie führt. Den Begriffen haftet aber immer noch etwas va-<br />

ges an, weil nicht pauschal gesagt werden kann, was ʻvielʻ und was ʻwenigʻ, was ʻzu vielʻ und was ʻzu wenigʻ<br />

ist. Antworten kann die Entwicklungspsychologie unter Berücksichtigung des Alters der Kinder liefern.<br />

7.1.7. Lernverhalten<br />

In der Kategorie Lernverhalten sind die Ergebnisse nicht eindeutig (vgl. Kapitel 5.4.4.). Die einen verwöhnten<br />

Kinder können gut mit Kritik umgehen, zeigen Ausdauer und Motivation. Dies trifft speziell auf jene Kinder<br />

zu, welche jeweils belohnt werden, wenn sie die Erwartungen der Eltern erfüllen. Andere Kinder gehen nega-<br />

tiv mit Kritik um, zeigen wenig Ausdauer und Motivation und weniger Eigeninitiative beim Lösen von Proble-<br />

men.<br />

Die Leistungsbereitschaft liegt unter dem, was sie nach Ansicht der Lehrperson leisten könnten. Einzig bei<br />

den Vermeidungsstrategien geben die Befragten an, dass verwöhnte Kinder Ideen entwickeln, um Uner-<br />

wünschtem aus dem Weg zu gehen. Dass Kinder unangenehme Aufgaben umgehen, kommt aber nicht nur<br />

bei verwöhnten und überbehüteten Kindern vor.<br />

Gegenargument 1<br />

Da die Ergebnisse in dieser Kategorie nicht eindeutig sind, kann davon ausgegangen werden, dass verwöh-<br />

nendes Erziehungsverhalten keinen negativen Einfluss auf das Lernen im schulischen Kontext hat.<br />

Antwort auf das Gegenargument<br />

Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder mehr Ausdauer, Motivation und einen besseren Umgang mit Kritik ent-<br />

wickeln, wenn Forderungen gestellt werden. Zwar ist der Umstand, dass den Kindern bei Erfüllung dieser<br />

56


Forderungen fast automatisch eine Belohnung in Aussicht gestellt wird, fraglich, da dieses Erziehungsver-<br />

halten sicherlich nicht das Ziel eines autonom-, kritisch- und verantwortungsbewusst denkenden Menschen<br />

verfolgt, aber die Kinder werden bezüglich der Ausdauer, Motivation und einem angemessenen Umgang mit<br />

Kritik gefördert. Es stellt sich auch die Frage, ob dieses Erziehungsverhalten überhaupt als verwöhnend ge-<br />

wertet werden darf. Nach Ansicht des Befragten ist dieses ohne Zweifel als solches zu bezeichnen. Im Rah-<br />

men dieser Untersuchung kann darauf allerdings keine Antwort gegeben werden, da der Befragte keine wei-<br />

teren Aussagen über diese Kinder machte und nicht abschliessend geklärt werden kann, ob diese Unge-<br />

reimtheit auf unterschiedliche Auffassung von Verwöhnung zurückzuführen ist.<br />

Werden hingegen keine oder nicht genügend Forderungen an die Kinder gestellt, entwickeln sie die besag-<br />

ten Kompetenzen nicht oder nur ungenügend. Dies zeigt sich dann so, dass sie nicht gut mit Frustrationen<br />

umgehen können oder nicht „voll einsatzfreudig“ sind, um es in den Worten einer Befragten auszudrücken<br />

(vgl. Anhang 2, S. 6, Zeile 245).<br />

Gegenargument 2<br />

Kinder brauchen mehr Unterstützung, wenn sie nicht gut mit Kritik umgehen können, wenig Ausdauer, Moti-<br />

vation und Eigeninitiative beim Lösen von Problemen zeigen.<br />

Antwort auf Gegenargument 2<br />

Sofern Unterstützung im Sinne von Maria Montessoris vielzitiertem Erziehungsgrundsatz: „Hilf mir, es selbst<br />

zu tun!“ (Knauf, Düx, Schlüter, 2007, S. 38) verstanden wird, trifft dies nicht nur zu, sondern muss unbedingt<br />

berücksichtigt werden, um das kindliche Selbstbewusstsein zu stärken.<br />

Der Begriff Selbstbewusstsein wird als Teil des Selbstkonzeptes verstanden (vgl. Müller, 2002, S. 43) und<br />

dieses beeinflusst das Lernen (vgl. Rost, Dickhäuser, Sparfeldt & Schilling, 2004, S. 43 ff). Auf das Selbst-<br />

konzept des Kindes kann aber nur indirekt, durch dessen Verhalten, wie beispielsweise dem Lernverhalten,<br />

geschlossen werden.<br />

7.1.8. Selbstkonzept<br />

Die negativen Auswirkungen einer verwöhnenden Erziehung werden in dieser Untersuchung durch das<br />

Selbstkonzept der Kinder deutlich (vgl. Kapitel 5.4.7.). Die Kinder zeigen geringere Selbständigkeit, sie kön-<br />

nen ihre Fähigkeiten weniger gut einschätzen, verfügen über wenig Selbstvertrauen und übernehmen weni-<br />

ger Eigenverantwortung.<br />

Gegenargument<br />

Kinder sollen Kinder sein dürfen. Die Forderung nach Eigenverantwortung und Selbständigkeit steht im Wi-<br />

derspruch zu einer glücklichen Kindheit.<br />

57


Antwort auf das Gegenargument<br />

Hier stellt sich die Frage, welches altersadäquate Erwartungen und Forderungen sind. Eine abschliessende<br />

Antwort kann nur die Entwicklungspsychologie unter Berücksichtigung des Alters der Kinder geben. Werden<br />

keine altersadäquate Erwartungen und Forderungen an die Kinder gestellt, verpassen sie auch die Gele-<br />

genheit, Selbständigkeit, Selbstvertrauen, Übernahme von Verantwortung und die Einschätzung der eigenen<br />

Fähigkeiten zu üben.<br />

Von Cube (vgl. 1999) beschreibt aus verhaltensbiologischer Sicht, wie durch Anstrengungen zum einen Ag-<br />

gressionen abgebaut werden, und wie sich zum anderen nachfolgend eine tiefe Befriedigung in Folge des<br />

körpereigenen hormonellen Belohnungssystems einstellt. Werden Hindernisse, welche eine echte Heraus-<br />

forderung darstellen und Anstrengung erfordern, überwunden, wird dieses Erfolgserlebnis das Selbstver-<br />

trauen und damit verbunden das Selbstkonzept positiv beeinflussen, weil das Kind gemerkt hat: „Ich konnte<br />

dieses Hindernis überwinden!“<br />

Kinder überwinden jedoch nicht grundsätzlich gerne Hindernisse, manchmal benötigen sie auch Erwachse-<br />

ne, die sie ermutigen, durchzuhalten oder ihnen Hilfestellungen geben – aber ihnen nicht gleich alle Hinder-<br />

nisse, oder wie es J.W. (B4) (vgl. Anhang 2, S. 32, Zeile 1460) formulierte, „Erfahrungen“ wegräumen. Dies<br />

wird bei Verwöhnung aber so von Erwachsenen gehandhabt. Es wird von den Kindern lieber keine grosse<br />

Anstrengung erwartet (vgl. Anhang 2, S. 16, Zeile 698). Sammelt ein Kind weniger Erfahrungen, kann es<br />

zum einen seine Fähigkeiten auch weniger gut üben und differenzieren, andererseits lernt es diese weniger<br />

gut einzuschätzen. Dies führt zu einem Nachteil gegenüber gleichaltrigen Kindern, welche nicht verwöhnt<br />

wurden und dadurch auch mehr Erfahrungen sammeln konnten. Wie bereits angesprochen, messen und<br />

vergleichen die Kinder ihre Fähigkeiten gerne mit jenen anderer Kinder und nutzen diese Informationen als<br />

Informationsquelle für die Bildung des Selbstkonzeptes.<br />

Natürlich sind auch Umstände denkbar, bei denen nicht verwöhnte Kinder weniger Erfahrungen sammeln<br />

können; Kinder beispielsweise, die wenig Platz zum Spielen im Freien haben, weil sie in einem viel befahre-<br />

nen Stadtquartier wohnen oder Kinder, deren Aktivität in Folge einer längeren Krankheit eingeschränkt ist.<br />

Das Selbstkonzept des Kindes wird auch durch direkte Eigenschaftszuweisungen oder indirekte Eigen-<br />

schaftszuweisungen durch andere Personen beeinflusst (vgl. Kapitel 6.1.2.). So beeinflussen Äusserungen<br />

wie: „Lass mich machen, du bist noch zu jung dafür!“ (direkte Eigenschaftszuweisung) oder „Lass mich<br />

schnell machen, das ist anstrengend!“ (indirekte Eigenschaftszuweisung) das Selbstkonzept des Kindes ne-<br />

gativ, das Kind entwickelt das Bild von sich „Ich kann das noch nicht!“. „Kinder übernehmen oft die Zuschrei-<br />

bungen der Erwachsenen in ihr Selbstkonzept. Je häufiger das Kinder ungünstige Zuschreibungen aus sei-<br />

ner Umgebung erfährt, umso mehr passt es sein Selbstkonzept daran an“ (Laskowski, 2000, S. 130).<br />

7.1.9. Erwartungshaltung<br />

In dieser Kategorie wird durch die Ergebnisse dieser Untersuchung (vgl. Kapitel 5.4.3.) erkennbar, dass Er-<br />

wachsene, die Kinder verwöhnen, tiefere Erwartungen an die Kinder stellen als andere Erwachsene.<br />

58


Gegenargument<br />

Eltern kennen ihre Kinder am besten und wissen, was für sie am besten ist und auch, was sie von ihnen er-<br />

warten dürfen und können.<br />

Antwort auf das Gegenargument<br />

Mit grosser Bestimmtheit will diese Arbeit nicht dazu beitragen, Eltern zu verunsichern oder ihnen gar vorzu-<br />

werfen, ihrem Kind zu schaden, weil sie es verwöhnen. Viele Eltern sind erfolgreich in der Erziehung ihrer<br />

Kinder. Es muss aber bedacht werden, dass das eigene Erziehungsverhalten nicht immer bewusst gesteuert<br />

wird und von den eigenen Kindheitserfahrungen (vgl. Butzmann, 2000), also wie Erziehung selbst als Kind<br />

erlebt und beobachtet wurde, geprägt ist. Was von Personen in der Erziehung als selbstverständlich und gut<br />

angesehen wird, muss also nicht zwingend auch aus erziehungswissenschaftlicher Sicht richtig sein.<br />

Wie viele Eltern sind der Ansicht, dass einem Kind „ein Klaps auf den Hintern“ nicht schadet, wenn er ge-<br />

rechtfertigt ist? Eine Studie, die von der deutschen Bundesregierung im Herbst 2002 in Auftrag gegeben<br />

wurde, ergab, dass noch über siebzig Prozent der Eltern ihren Kindern gelegentlich einen Klaps oder eine<br />

leichte Ohrfeige geben würden (vgl. Beppler-Spahl, 2004). Dabei belegen zahlreiche Studien, dass der gele-<br />

gentliche „Klaps auf den Po“ unter anderem später die Gewaltbereitschaft der Kinder begünstigt (Zimbardo,<br />

2008).<br />

Der Einfluss des elterlichen Erziehungsverhaltens auf das Selbstkonzept des Kindes wurde u.a. durch die<br />

Studie von Scheinberger (1990, zit. n. Laskowski, 2000) belegt. Er konnte einen signifikant positiven Zu-<br />

sammenhang zwischen mütterlicher und väterlicher Unterstützung und dem allgemeinen kindlichen Selbst-<br />

konzept feststellen. Helmke/Väth-Szusdeziara (1980 zit. n. Laskowski, 2000) kamen durch ihre Studie zu<br />

folgendem Schluss: „Konsistentes Elternverhalten und stabile Elternerwartungen fördern beim Kind die<br />

Selbstakzeptanz und ein positives Selbstkonzept“ (vgl. ebd.).<br />

Auch wenn die Elternerwartungen konstant sind, beeinflussen sowohl zu hohe als auch zu niedrige Erwar-<br />

tungen der Eltern das Selbstkonzept des Kindes negativ: „Wenn die Erwartungen und Kompetenzüberzeu-<br />

gungen der Eltern zu niedrig sind, wird das Kind durch die Dauererfolge den Wert von Anstrengung ebenso<br />

nicht lernen, zudem seine Erfolge weniger schätzen und sich nicht an Misserfolge gewöhnen. Wenn später<br />

Misserfolge auftreten, wird es diese nur schwer verkraften und wenig Durchhaltevermögen aufbringen“ (vgl.<br />

Petermann & Petermann, 1989, Seligmann, 1986 zit. n. Laskowski, 2000). Dieses Zitat zeichnet das Bild<br />

eines passiven Kindes. Dies stimmt mit den Aussagen während der Interviews überein, als eine der befrag-<br />

ten Personen verwöhnte und im speziellen überbehütete Kinder als „Chindsbudda“ beschrieb (vgl. Anhang 2,<br />

S. 30, Zeile 1366). Verwöhnte Kinder wurden auch von den befragten Lehrpersonen als wenig „einsatzfreu-<br />

dig“ (vgl. Anhang 2, S. 6, Zeile 245) beschrieben. Die Lehrpersonen erwarten bessere Leistungen der Kinder<br />

auf Grund deren Potential, als diese effektiv dann leisten.<br />

Diesbezüglich wurde im Kapitel 5.4.3. durch Aussagen während des Interviews aufgezeigt, wie die unter-<br />

schiedlichen Erwartungshaltungen von Eltern und Lehrpersonen zu einem Konflikt führen können, der letzt-<br />

endlich die Bedürfnisse und das Wohl des Kindes in den Schatten stellen. Diese Problematik wird später<br />

beleuchtet und aus den Untersuchungsergebnissen Schlüsse für die heilpädagogische Arbeit gezogen.<br />

59


7.2. Die Bedeutung der Untersuchungsergebnisse im<br />

Bezug auf die Fragestellung<br />

Hier zeigt sich eine zentrale Erkenntnis dieser Untersuchung: Die Erwartungshaltung der Erziehenden, das<br />

Selbstkonzept der Kinder und deren Leistungsverhalten stehen in einem sehr engen Zusammenhang und<br />

beeinflussen sich wechselseitig.<br />

Abb. 6: Wechselseitige Beziehung zwischen Lernverhalten, Erwartungshaltung und Selbstkonzept<br />

Die eben diskutierten Kategorien wurden induktiv am Material gebildet und nicht immer ist der Bezug zur<br />

Fragestellung dieser Untersuchung auf den ersten Blick zu erkennen. Es wird vermutet, dass mit Ausnahme<br />

der Kategorie Risikofaktor alle weiteren Kategorien wie Verhaltensregulation, Bindung, Reifeentwicklung,<br />

Lernverhalten (Hypothese 1), sozialer Umgang (Hypothese 2), Bewegungsverhalten (Hypothese 3), Selbst-<br />

konzept und Erwartungshaltung das Lernen im Schulischen Kontext auf der Primarschulstufe beeinflussen.<br />

Dies, weil Verwöhnung erst durch Interaktionsprozesse entsteht und wechselseitig die Interaktionspartner<br />

beeinflusst.<br />

Nachdem die Fragestellungen und Hypothesen in Kapitel 5.6. vorläufig beantwortet wurden, sollen sie nun<br />

nach der Diskussion definitiv beantwortet werden.<br />

7.2.1. Hypothese 1<br />

Im Aktivitätsbereich Umgang mit Anforderungen zeigen sich die Auswirkungen von Verwöhnung durch<br />

mangelnde Ausdauer und negativen Umgang mit Misserfolg oder Kritik.<br />

Diese Hypothese kann teilweise bestätigt werden. Während die Kinder eher in der Unterstufe wenig Aus-<br />

dauer zeigen, bereitet ihnen der Umgang mit Kritik eher in der Mittelstufe Schwierigkeiten.<br />

7.2.2. Hypothese 2<br />

Erwartungshaltung<br />

Lernverhalten<br />

Ein Kind, das verwöhnt wird, zeigt Auffälligkeiten im Aktivitätsbereich Umgang mit Menschen; es kann nur<br />

ungenügend oder überhaupt nicht mit anderen Kindern zusammenarbeiten, geht unangemessen mit<br />

Aggressionen um, so dass es sich oder anderen schadet.<br />

Selbstkonzept<br />

60


Diese Hypothese kann so nicht bestätigt werden. Verwöhnte Kinder zeigen nur vereinzelt Schwierigkeiten,<br />

sich in eine Gruppe von Kindern zu integrieren, wie dies in der Kategorie sozialer Umgang aufgezeigt wer-<br />

den konnte. Sie können sich sowohl durchsetzen, als sich auch dem Entscheid der Gruppe fügen. Einzelne<br />

widersetzen sich diesen Entscheiden, indem sie sich schmollend zurückziehen. Aggression gegen sich<br />

selbst oder andere wurde im Rahmen dieser Untersuchung nicht genannt.<br />

7.2.3. Hypothese 3<br />

Im Aktivitätsbereich Bewegung und Mobilität ist die Folge von Verwöhnung Ängstlichkeit, was unter anderem<br />

beim Klettern erkennbar wird.<br />

Diese Hypothese kann nur teilweise bestätigt werden, nämlich in Bezug auf motorische Auffälligkeiten. Diese<br />

zeigten sich allerdings nur bei jüngeren Kindern in der Unterstufe. In der Mittelstufe zeigen die Kinder keine<br />

motorischen Auffälligkeiten mehr. Eine mögliche Erklärung lautet, dass die Schule als Institution die Folgen<br />

von Verwöhnung im Bezug auf die Grobmotorik mildert, weil die Kinder sich auf dem Pausenplatz, im Turn-<br />

unterricht grobmotorisch betätigen und bei Bedarf Ergo- oder Psychomotoriktherapie erhalten.<br />

7.2.4. Beantwortung der Fragestellung<br />

Die Fragestellung lautete:<br />

Wie wirkt sich überbehütendes Erziehungsverhalten auf das Lernen im schulischen Kontext von<br />

Primarschulkindern aus?<br />

Verwöhnung wirkt sich negativ auf das kindliche Selbstkonzept von Primarschulkindern aus; verwöhnte Kin-<br />

der sind im Vergleich zu anderen Kindern unselbständiger, zeigen weniger Vertrauen in die eigenen Fähig-<br />

keiten und geben Verantwortung gerne an andere ab. Sie benötigen im Unterricht mehr Bestätigung. Jünge-<br />

re Kinder sind weniger in der Lage, eine eigene Meinung zu entwickeln und Entscheidungen zu fällen.<br />

Dies wurde zum einen durch die Aussagen während der Interviews aber auch dem in der Literatur beschrie-<br />

benen Zusammenhang von Erwartungshaltung und Entwicklung des Selbstkonzeptes (vgl. Kapitel 6.1.)<br />

deutlich.<br />

Es besteht ein enger Zusammenhang von Erwartungshaltungen der Eltern und Lehrpersonen, dem kindli-<br />

chen Selbstkonzept und dem Lernverhalten des Kindes. Wobei letzteres durch Verwöhnung nicht so deutlich<br />

negativ beeinflusst wird, wie dies zunächst durch die Aussagen in der Literatur angenommen wurde.<br />

Die zweite Fragestellung, welche Folgerungen aus den Ergebnissen für die heilpädagogische Arbeit abzulei-<br />

ten sind, soll im Nachfolgenden beantwortet werden.<br />

7.3. Schlüsse für die heilpädagogische Arbeit<br />

Die heilpädagogische Arbeit zeichnet sich dadurch aus, dass mehrere Blickwinkel gleichzeitig berücksichtigt<br />

werden müssen. Die Perspektive auf das Individuum, die Perspektive auf die Interaktionen der Individuen,<br />

61


die Perspektive auf das System, in das das Individuum eingebettet ist, also Familie, Schule und Freunde und<br />

den Fokus auf die Gesellschaft.<br />

7.3.1. Individuumszentriertes Paradigma<br />

Zum einen muss für ein verwöhntes Kind eine Lernumgebung geschaffen werden, in der es wichtige Erfah-<br />

rungen und damit verbundene Erkenntnisse nachholen kann. Die natürliche Umwelt kann von manchen Kin-<br />

dern nicht mehr unmittelbar erlebt werden (vgl. Thurgauer Lehrplan für den Kindergarten, 2001). Deshalb<br />

müssen diese Erfahrungen zunehmend im Unterricht ermöglicht werden.<br />

7.3.2. Interaktionistisches Paradigma<br />

Zuhause werden an ein verwöhntes Kind wenig Erwartungen und Forderungen gestellt. Lehrpersonen müs-<br />

sen darum bemüht sein, mit ihren Erwartungen nicht eine extreme Gegenposition einzunehmen, indem sie<br />

von den Kindern sehr viel verlangen. Der Gedanke an eine Kompensation ist nicht hilfreich, da im ungüns-<br />

tigsten Fall eine Überforderung das kindliche Selbstkonzept weiter negativ beeinflussen würde.<br />

7.3.3. Systemökologisches Paradigma<br />

In der Zusammenarbeit mit den Eltern muss bedacht werden, dass mit grösster Wahrscheinlichkeit unter-<br />

schiedliche Meinungen bezüglich dem, was vom Kind erwartet werden darf oder kann vorliegt. Diese unter-<br />

schiedlichen Erwartungshaltungen stellen ein Konfliktpotential dar. Im negativen Fall würde die Zusammen-<br />

arbeit mit den Eltern erschwert oder unmöglich gemacht. Während Elterngesprächen ist also Sensibilität ge-<br />

fordert, um elterliche Erwartungen herauszuhören, um diese unterschiedlichen Erwartungshaltungen in ei-<br />

nem geeigneten Moment anzusprechen ohne von Verwöhnung oder Überbehütung zu sprechen. Ansonsten<br />

besteht die Gefahr, dass die Eltern dies als Schuldzuweisung verstehen und ein Konflikt entsteht.<br />

Auch wenn Eltern nicht dazu gebracht werden können, ihr Erziehungsverhalten zu ändern, was auch nicht in<br />

der Verantwortung der Schule liegt, wird vielleicht eine Veränderung bewirkt, wenn sie bemerken, dass das,<br />

was sie für selbstverständlich halten, nicht von allen Personen so gesehen wird und unterschiedliche Mei-<br />

nungen existieren, was vom Kind erwartet werden kann und soll.<br />

7.3.4. Gesellschaftskritisches Paradigma<br />

Es wird hier im Gegensatz zu der Empfehlung von Wunsch (2007) davon abgeraten, Verwöhnung und mög-<br />

liche Folgen an Elternanlässen zu thematisieren, da die ganze Thematik sehr schuldbelastet ist und leicht zu<br />

Schuldzuweisungen führt. Verwöhnung und speziell auch Überbehütung ist kein neues Thema und in den<br />

Medien immer mal wieder präsent. Aus Gesprächen mit verschiedenen Personen im Rahmen dieser Arbeit,<br />

aber auch aus Diskussionen im Bekanntenkreis, lässt sich der Schluss ziehen, dass die Gesellschaft weiss,<br />

dass Verwöhnung nicht gut für ein Kind ist und es kann davon ausgegangen werden, dass Eltern, die ihre<br />

Kinder verwöhnen, es eigentlich gut meinen. Anlässe im Rahmen der Elternbildung oder Elternabende könn-<br />

ten grundsätzlich mit Blick auf die Entwicklungspsychologie gestaltet werden, wo thematisiert wird, was von<br />

Kindern im jeweiligen Alter erwartet werden darf und sogar erwartet werden soll.<br />

62


Erziehungsratgeber sind leider nur vereinzelt bezüglich dieser Thematik hilfreich, da zu extreme Positionen<br />

bezogen werden. Es wird vermutet, dass die Kinder schon viel früher, noch bevor sie ein Verhalten zeigen,<br />

das in Erziehungsratgebern als Folge von Verwöhnung beschrieben wird, unter dem negativen Selbstkon-<br />

zept leiden oder dieses die schulischen Leistungen beeinflusst. Anstelle sich mit der Frage zu beschäftigen:<br />

„Welches sind die negativen Auswirkungen von Verwöhnung?“, kann auch gefragt werden: „Welche Um-<br />

stände begünstigen die Entwicklung des Kindes?“ Die Schule als Institution sollte der elterlichen Verunsiche-<br />

rung in Erziehungsfragen durch die verschiedenen Forderungen und Schuldzuweisungen der Gesellschaft<br />

(Butzmann, 2000, S. 18 ff) nicht Vorschub leisten, sondern Eltern entlasten, beispielsweise durch eine attrak-<br />

tive Elternbildung oder der Zusammenarbeit mit Elternvereinen.<br />

7.4. Methodenkritik<br />

Anschliessend sollen die Teile des Forschungsdesigns und der Methoden kritisch reflektiert werden, welche<br />

während der Datenerhebung, Analyse und Interpretation vom geplanten Vorgehen abgewichen sind oder<br />

sich als unzureichend erwiesen haben.<br />

7.4.1. Datenerhebung<br />

Die Interviews wurden je nach Wunsch der Befragten in Mundart oder in Schriftsprache durchgeführt. Wäh-<br />

rend der Transkription wurde dann der Fehler begangen, die Interviews grösstenteils in Mundart zu transkri-<br />

bieren. Dadurch konnte zwar verhindert werden, dass die Ergebnisse durch die Übersetzung verfälscht wur-<br />

den, für das Verfassen dieser schriftlichen Arbeit waren die in Mundart transkribierten Textstellen jedoch um-<br />

ständlich und nicht im Sinne der angestrebten Leserfreundlichkeit. Da aus zeitökonomischen Gründen die<br />

Interviews nicht nochmals transkribiert werden konnten, wurden die benötigten Zitate in die Schriftsprache<br />

übersetzt, während Teile der Interviews und der Excel-Tabelle in Mundart verfasst sind.<br />

Die ursprünglich als Experteninterview geplante Befragung kann nicht als solche bezeichnet werden, da die<br />

Person nach dem Interview bemerkte, dass sie sich noch nie zuvor mit dem Thema Verwöhnung in Bezug<br />

auf die Schule befasst hätte.<br />

Dies ist zwar ärgerlich, da explizit nach einer Expertin oder einem Experten gesucht und dann erst für ein<br />

Experteninterview angefragt wurde. Die Daten konnten trotzdem verwendet werden, da die Person einer-<br />

seits angab, wann sie eine hypothetische Aussage oder Annahme äusserte und andererseits durch den Auf-<br />

bau des Interviewleitfadens auch Fragen gestellt wurden, die nach konkreten Beispielen verlangten. Bei die-<br />

sen Fragen wurde dann schnell klar, wo Vermutungen geäussert wurden und wo die befragten Personen von<br />

eigenen Erfahrungen sprachen. Das Ziel der Interviews war es, Erfahrungswissen zu erheben (vgl. Kapitel<br />

3.2.). So flossen in die Datenerhebung Aussagen und Erfahrungen einer Sozialpädagogin ein, was für diese<br />

Untersuchung ebenfalls wertvoll war.<br />

Ein weiteres Interview mit einer erfahrenen Lehrperson, die über zwanzig Jahre auf der Mittelstufe unterrich-<br />

tete, wurde zwar transkribiert, dann aber nicht für die Auswertung verwendet. Während der Transkription des<br />

Interviews entstand der Eindruck, dass die Erfahrungen mit verwöhnten Kindern im Unterricht schon mehre-<br />

63


e Jahre zurückliegen und die Erinnerung daran schon recht verblasst war, so dass keine konkreten Beispie-<br />

le genannt werden konnten.<br />

Der sorgfältig konstruierte Leitfaden entpuppte sich unbeabsichtigt auch als Kontrollinstrument, um die Aus-<br />

wahl der Interviewpartner zu überprüfen.<br />

Eine Interviewpartnerin konnte nicht interviewt werden. Sie bat darum, den Interviewleitfaden als Fragebo-<br />

gen ausfüllen zu können. Diese Angaben flossen ebenfalls in die Datenanalyse und Interpretation ein. Aller-<br />

dings zeigte sich der Vorteil eines Interviews deutlich, da nachgefragt werden kann. Ein Grossteil der Fragen<br />

blieb unbeantwortet. Die wenigen Aussagen stellten sich als differenziert und sehr wertvoll heraus.<br />

7.4.2. Triangulation<br />

Da die Stichprobe mit sechs Personen sehr klein war und nur vier Interviews ausgewertet werden konnten,<br />

wurden während der Interpretation der Daten die Aussagen miteinander verglichen und so auch eine Trian-<br />

gulation der Daten vorgenommen. Folglich empfiehlt es sich, für eine Triangulation mit verschiedenen Per-<br />

sonengruppen (Lehrpersonen, Eltern, Experten) eine grössere Stichprobe zu wählen.<br />

7.4.3. Hypothesen<br />

Die Hypothesen waren allgemein durch deren Anlehnung an ICF-Bereiche zu eng gefasst, so dass sie falsi-<br />

fiziert werden mussten.<br />

7.4.4. Kategoriensystem<br />

Die Kategorien wurden induktiv, also am Datenmaterial gebildet (vgl. Kapitel 3.6.). Durch die induktive Kate-<br />

gorienbildung konnten Erkenntnisse und Zusammenhänge der Kategorien aufgedeckt werden. Diese Kate-<br />

gorien wurden in einem Kategoriensystem zusammengefasst, wobei die einzelnen Kategorien trennscharf<br />

sein mussten, also klar unterschieden werden mussten. Dies wurde nicht bei allen Kategorien erreicht. Wie<br />

sich zeigte, bewegen sich die Kategorien Selbstkonzept, Lernverhalten und Erwartungshaltung auf verschie-<br />

denen Ebenen und können nicht eindeutig voneinander abgegrenzt werden. Gleichzeitig kann z.B. das<br />

Selbstkonzept und das Lernverhalten nicht in einer Kategorie zusammengefasst werden, da das Selbstkon-<br />

zept nur indirekt durch Verhalten und das Lernverhalten direkt beobachtet werden kann. Wäre eine Katego-<br />

rie gebildet worden, die beides umfasst, wäre das Selbstkonzept als wichtige Kategorie und Teil des Haupt-<br />

ergebnisses verschleiert worden.<br />

8. Kritische Würdigung der Arbeit und Ausblick<br />

Abschliessend sollen die Untersuchungsergebnisse dieser Arbeit mit kritischem Blick gewürdigt und dann in<br />

einem Ausblick aufgezeigt werden, welche Fragen aus dieser Untersuchung heraus entstanden sind.<br />

64


8.1. Kritische Würdigung der Arbeit<br />

Während der Erarbeitung der relevanten Literatur wurde schnell klar, dass es sich bei Verwöhnung und auch<br />

bei Überbehütung um nicht-pädagogische Begriffe handelt, die vorwiegend in Erziehungsratgebern abge-<br />

handelt werden. Eine Einbettung in wissenschaftliche Konzepte wurde selten vorgenommen. Die Aussagen<br />

der Autoren, mit Ausnahme von Frick (2011), Rüedi (1995) und Winterhoff (2009), beruhen grösstenteils auf<br />

Erfahrungswissen, welches in langjähriger Beratungstätigkeit zusammengetragen wurde. Es entstand der<br />

Eindruck, dass die Autoren sich gegenseitig zitieren und so aus Behauptungen über die Folgen von Verwöh-<br />

nung Tatsachen werden, die vielleicht auf extreme Fälle von Verwöhnung zutreffen. Die Ergebnisse dieser<br />

Untersuchung verstärken diesen Eindruck, so konnten in den Kategorien Lernverhalten und sozialer Um-<br />

gang, welche sich an die ICF-Bereiche Umgang mit Menschen und Umgang mit Anforderungen anlehnen,<br />

keine eindeutigen Aussagen gemacht werden. Wohl aber in der Kategorie Selbstkonzept und Erwartungshal-<br />

tung, zu welchen auch in der Literatur Aussagen gemacht wurden.<br />

Bezüglich der Kategorienbildung muss sich diese Arbeit den Vorwurf gefallen lassen, dass die Kategorien<br />

Selbstkonzept, Lernverhalten und Erwartungshaltung nicht trennscharf von einander abgegrenzt werden<br />

können. Begründet wird dies mit der Wahl der falschen Methode, um die Kategorien zu bilden. Dennoch för-<br />

derte dieser Makel die wertvolle Erkenntnis zu Tage, dass Selbstkonzept, Erwartungshaltung und Lernver-<br />

halten sehr eng miteinander verknüpft sind. Eine Erkenntnis, die bei der Wahl der Untersuchungsmethoden<br />

noch nicht existierte.<br />

Da die Stichprobe für diese Untersuchung sehr klein war, können die Ergebnisse nicht verallgemeinert wer-<br />

den. Diese Arbeit begnügt sich mit den qualitativen Aussagen über die Folgen von Verwöhnung im Rahmen<br />

des schulischen Kontextes der Primarschulstufe, welche innerhalb der gewählten Stichprobe ermittelt wur-<br />

den (vgl. Kapitel 7.).<br />

In dieser Arbeit wurde der Versuch unternommen, eine Verbindung von Verwöhnung mit wissenschaftlichen<br />

Konzepten herzustellen.<br />

Dies erforderte einiges an Mut und war ständig begleitet von der Frage: „Ist dies zulässig, ist dies überhaupt<br />

noch wissenschaftlich?“ Aus heutiger Sicht war dies gut und auch unbedingt notwendig, denn obwohl Ver-<br />

wöhnung und Überbehütung wohl solange als nicht-pädagogische Begriffe verharren, bis sie von der Wis-<br />

senschaft aufgegriffen werden, die Folgen für die Kinder müssen sehr wohl von pädagogischer- und heil-<br />

pädagogischer Seite angegangen werden.<br />

8.2. Ausblick<br />

Nachfolgend sollen Impulse für weitere Fragestellungen im Zusammenhang mit Verwöhnung gegeben wer-<br />

den.<br />

In dieser Arbeit wurde angesprochen, dass sich aus den unterschiedlichen Erwartungshaltungen von Eltern<br />

verwöhnter Kinder und Lehrpersonen Spannungen, ja sogar Konflikte ergeben können. Dieser Frage könnte<br />

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nachgegangen und es könnte untersucht werden, wie sich die Zusammenarbeit von Eltern verwöhnter Kin-<br />

der und Lehrpersonen gestalten.<br />

Eine der Hauptaussagen des Untersuchungsergebnisses wirft die Frage auf, wie genau der Zusammenhang<br />

von kindlichem Selbstkonzept und Lernverhalten in der Primarschule bei verwöhnten Kindern aussieht.<br />

Im Verlaufe der <strong>Datenauswertung</strong> wurden nebst Erkenntnissen, welche im Zusammenhang mit der Frage-<br />

stellung stehen auch solche gewonnen, die in einem anderen Bereich anzusiedeln sind.<br />

Es kann vermutet werden, dass die Schule einen positiven Einfluss auf die motorische Entwicklung hat und<br />

mögliche Defizite im Verlaufe der ersten Jahre in der Volksschule durch den Turnunterricht, das Spielen auf<br />

dem Pausenplatz und den Schulweg sogar aufgeholt werden können.<br />

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9. Literaturverzeichnis<br />

• Baldinger, R. (1989). Verwöhnung und Überbehütung in der Erziehung. Diplomarbeit, Seminar für<br />

Angewandte Psychologie, Zürich.<br />

• Beppler-Spahl, S. (2004). Was heisst hier Gewalt? Internet http://www.novo-magazin.de/70/<br />

novo7030.htm.<br />

• Blickenstorfer, J. & Dohrenbusch, H. (Hrsg.), (1999). Allgemeine Heilpädagogik. Eine<br />

interdisziplinäre Einführung, Band 2: Exemplarische Ausschnitte der Wirklichkeit. Luzern: SZH<br />

Schweizerische Zentralstelle für Heilpädagogik.<br />

• Borchert, J. (Hrsg.), (2000). Handbuch der sonderpädagogischen Psychologie. Bern: Hogrefe<br />

Verlag.<br />

• Butzmann, E. (2000). Sozialkognitive Entwicklungstheorien in der Praxis. Weinheim: Deutscher<br />

Studienverlag.<br />

• von Cube, F. (1999). Fordern statt Verwöhnen. München: Piper Verlag.<br />

• Flick, U. (2004). Qualitative Sozialforschung (2. Auflage). Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.<br />

• Frick, J. (2004). Die Droge Verwöhnung. Bern: Verlag Hans Huber.<br />

• Grossmann, K. E. & Grossmann, K. (Hrsg.), (2003). Bindung und menschliche Entwicklung (2.<br />

Auflage). Stuttgart: Klett-Cotta.<br />

• Guldiman, T., Hauser, B. (Hrsg.), (2005). Bildung 4- bis 8-jähriger Kinder. Berlin: Waxmann Verlag.<br />

• Helfferich, C. (2009). Die Qualität qualitativer Daten (3., überarbeitete Auflage). Wiesbaden: VS<br />

Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

• Herbert, M. (1999). Bindung: Ursprung der Zuneigung zwischen Eltern und Kindern. Bern: Huber.<br />

• Hobmair, H. (Hrsg.), (1997). Psychologie. Troisdorf: Bildungsverlag EINS.<br />

• Kleine Schars, W. (2010). Überbehütung und Überforderung. Internet: http://www.limberg-<br />

beratung.ch/html/wks_training.HTM.<br />

• Knauf, T., Düx, G., & Schlüter, D. (2007). Handbuch pädagogischer Ansätze. Berlin: Cornelsen<br />

Verlag.<br />

• Koch-Castiglia, H. (1995). Neurotische Entwicklung durch Überbehütung. Diplomarbeit, Schule für<br />

soziale Arbeit, Fachbereich Sozialpädagogik, Zürich.<br />

• Kohnstamm, R. (2006). Praktische Kinderpsychologie (4., vollständig überarbeitete Auflage). Bern:<br />

Hans Huber Verlag.<br />

• Kuckartz, U., Dresing, T., Rädiker, S. & Stefer, C. (2008). Qualitative Evaluation (2., aktualisierte<br />

Auflage). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

• Lambrich, H. J. (1987). Schulleistung, Selbstkonzept und Unterrichtsverhalten. Weinheim:<br />

Deutscher Studien Verlag.<br />

• Lamnek, S. (2005). Qualitative Sozialforschung (4. Auflage). Weinheim, Basel: Beltz Verlag.<br />

• Laskowski, A. (2000). Was den Menschen antreibt. Entstehung und Beeinflussung des<br />

Selbstkonzeptes. Frankfurt / Main: Campus Verlag.<br />

67


• Lauth, G. W., Grünke, M., & Brunstein, J. C. (2004). Interventionen bei Lernstörungen. Bern:<br />

Hogrefe-Verlag.<br />

• Mayring, P. (2002). Qualitative Sozialforschung (5. Auflage). Weinheim, Basel: Beltz Verlag.<br />

• Niedermann, A., Schweizer, R. & Steppacher J. (2007). Förderdiagnostik im Unterricht. Luzern:<br />

Schweizerische Zentralstelle für Heilpädagogik.<br />

• Oerter, R., Montada, L. (Hrsg.), (1998). Entwicklungspsychologie - Ein Lehrbuch - (4. Auflage).<br />

Weinheim: PVU.<br />

• Perleth, Ch., & Ziegler, A. (Hrsg.), (1999). Pädagogische Psychologie: Grundlagen und<br />

Anwendungsfelder. Bern: Hans Huber Verlag.<br />

• Resch, F. (1999). Entwicklungspsychopathologie des Kindes- und Jugendalters - Ein Lehrbuch.<br />

Weinheim: PVU.<br />

• Rogge, J. U. (2005). Kinder brauchen Grenzen. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuchverlag.<br />

• Rost, D. H., Dickhäuser O., Sparfeldt, J. R., & Schilling S. R. (2004). Fachspezifische<br />

Selbstkonzepte und Schulleistungen im dimensionalen Vergleich. Zeitschrift für Pädagogische<br />

Psychologie, 1, S. 43-52.<br />

• Rüedi, J. (1995). Einführung in die individualpsychologische Pädagogik. Bern: Haupt Verlag.<br />

• Schläfer, I. (2001). Graphomotorik für Grundschüler. Basel: SolArgent Media AG.<br />

• Schuntermann, M. F. (2007). Einführung in die ICF (2. überarbeitete Auflage). Landsberg / Lech:<br />

Verlagsgruppe Hüting Jehle Rehm.<br />

• Speck, O. (2003). System Heilpädagogik. München: Ernst Reinhardt Verlag.<br />

• Speda, H. (Hrsg.), (1992). Lehrbuch Allgemeine Psychologie. Bern: Verlag Hans Huber.<br />

• Stauffer, G. (2001). Lehrplan für den Kindergarten. Kanton Thurgau: Amt für Volksschule und<br />

Kindergarten.<br />

• Winterhoff, M. (2009). Tyrannen müssen nicht sein (6. Auflage). München: Gütersloher Verlagshaus.<br />

• Wunsch, A. (2007). Die Verwöhnungsfalle (11. Auflage). München: Kösel-Verlag.<br />

• Zimbardo P. G. &. Gerrig, R. J. (2003). Psychologie. Eine Einführung (18. aktualisierte Auflage).<br />

München: Pearson Studium.<br />

• Zimmer, R. (2009). Handbuch Sprachförderung durch Bewegung. Freiburg im Breisgau: Verlag<br />

Herder.<br />

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10. Abbildungsverzeichnis<br />

Abb. 1: Überbehütung und Überforderung (vgl. Kleine Schaars, 2010) 12<br />

Abb. 2: Kommunikative Validierung B2 44<br />

Abb. 3: Kommunikative Validierung B3 45<br />

Abb. 4: 4 Felder / 2 Ebenen nach Baumrind (vgl. http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/408366, 2010) 55<br />

Abb. 5: Nachbildung der Grafik von Maccoby & Martin (1983) in Perleth und Ziegler (vgl. 1999, S. 15) 56<br />

Abb. 6: Wechselseitige Beziehung zwischen Lernverhalten, Erwartungshaltung und Selbstkonzept 60<br />

11. Tabellenverzeichnis<br />

Kategoriensystem 34<br />

Interview-Aussagen zur Kategorie Bewegungsverhalten 35<br />

Interview-Aussagen zur Kategorie Bindung 36<br />

Interview-Aussagen zur Kategorie Erwartungshaltung 37<br />

Interview-Aussagen zur Kategorie Lernverhalten 38<br />

Interview-Aussagen zur Kategorie Reifeentwicklung 39<br />

Interview-Aussagen zur Kategorie Risikofaktor 40<br />

Interview-Aussagen zur Kategorie Selbstkonzept 40<br />

Interview-Aussagen zur Kategorie sozialer Umgang 41<br />

Interview-Aussagen zur Kategorie Verhaltensregulation 42<br />

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