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Fallbeispiel: Nachhaltiges Lieferkettenmanagement, Arbeitstreffen ...

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Workshop 2a. <strong>Fallbeispiel</strong>: <strong>Nachhaltiges</strong> <strong>Lieferkettenmanagement</strong><br />

Einführung<br />

Wenn es um nachhaltiges Management von Lieferketten geht, ergeben sich für Unternehmen auch<br />

innerbetrieblich eine Reihe von Herausforderungen. Regelmäßig handelt es sich dabei um interne<br />

Zielkonflikte zwischen nachhaltigkeitsorientierten sozialen und ökologischen Zielen eines<br />

Unternehmens und seinen ökonomischen Zielen. Eine zentrale Rolle spielt dies vor allem im<br />

Beschaffungswesen, denn Einkäufer sind die Knotenpunkte in Lieferketten.<br />

Einzelhändler sind - wie im folgenden Beispiel veranschaulicht - darauf angewiesen, immer wieder<br />

einzigartige, neue und günstige Produkte anzubieten, um das Interesse von Konsumenten zu<br />

wecken und zu halten. Preis, Absatzmenge und Qualität der Produkte sind dabei entscheidende<br />

Faktoren wirtschaftlichen Erfolgs. Dies schlägt sich auch in den Anforderungen an den Einkauf der<br />

Unternehmen nieder und bestimmt damit auch das Verhältnis zu ihren Zulieferern.<br />

Zunehmend werden für Unternehmen und damit für ihre Beschaffung nicht nur ökonomische und<br />

qualitative, sondern im Sinne einer triple bottom line auch soziale und ökologische Kriterien eines<br />

Produkts und der Bedingungen seiner Produktion bedeutsam. Strategien und Prozesse, die<br />

ökonomisch auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen, können unter Umständen im Widerspruch zu<br />

einem gesellschaftlich-verantwortlichen <strong>Lieferkettenmanagement</strong> stehen.<br />

Wie bewältigen Unternehmen in unterschiedlicher Positionen der Zulieferkette solche Zielkonflikte<br />

innerhalb ihres Betriebs?<br />

Wie können die Zieldimensionen im Unternehmen so harmonisiert werden, dass sie die<br />

Nachhaltigkeit der Lieferkette nicht beeinträchtigen?<br />

Welche Funktionsbereiche neben dem Einkauf müssen dafür berücksichtigt werden und wie<br />

können sie sinnvoll miteinander kooperieren? Welche Prozesse müssen dafür innerbetrieblich<br />

etabliert werden?<br />

Das folgende Beispiel veranschaulicht dies. Zu diesem Zweck werden die innerbetrieblichen<br />

Einkaufsbedingungen bei Einzelhändler „Weickerts“ und die Bedingungen für die Einhaltung der<br />

Nachhaltigkeitsstandards bei seinem Zulieferer, dem Markenunternehmen „Manundo“, in ihrer<br />

Abhängigkeit voneinander dargestellt.<br />

Einzelhändler Weickerts: Bedingungen für nachhaltiges Zulieferkettenmanagement<br />

Um seine umfangreiche Produktpalette anbieten zu können, bezieht Einzelhändler Weickerts<br />

landwirtschaftliche Erzeugnisse und Industriegüter zurzeit aus einem globalen Netzwerk von<br />

tausenden Zulieferern. Dadurch reichen Weickerts Lieferketten auch in Länder, deren Rahmenbedingungen<br />

der Produktion für Weickerts ein Risiko darstellen.<br />

Die Hauptverantwortung der Geschäftsbeziehungen zu den Lieferanten liegt beim<br />

Funktionsbereich Einkauf des Unternehmens, der in der Abteilung Globale Beschaffung &<br />

Vermarktung angesiedelt ist. Wenn die Mitarbeiter aus der Vermarktung beschließen, ein neues<br />

Produkt anzubieten, ist es die Aufgabe der Einkäufer, dieses möglichst zügig bei seinen<br />

Lieferanten zu beschaffen – und zu einem möglichst günstigen Preis. Meist ordern sie bei den<br />

Zulieferern zunächst eine kleine Stückzahl von z.B. 10 000 Stück. Wenn die Produktqualität die<br />

Standards von Weickerts erfüllt und das Produkt beim Konsumenten ankommt, folgt eine<br />

Nachbestellung: Bis zu 500 000 Stück, die so schnell wie möglich geliefert werden müssen - häufig<br />

innerhalb von 30 Tagen.<br />

Zusätzlich zu den eigenen Qualitätsstandards hat Weickerts das Programm „Supplier<br />

Responsibility“ (SR) eingeführt, das die Einhaltung von ökologischen und sozialen<br />

Nachhaltigkeitsstandards durch die Lieferanten fördern soll. Für die Durchführung und den Erfolg<br />

des Programms ist das Team Verantwortliche Beschaffung in der CSR-Abteilung zuständig. Die<br />

Mitarbeiter der Verantwortlichen Beschaffung interagieren folglich einerseits mit den Lieferanten,<br />

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Workshop 2a. <strong>Fallbeispiel</strong>: <strong>Nachhaltiges</strong> <strong>Lieferkettenmanagement</strong><br />

um sicherzustellen, dass sie die Standards befolgen und um ihre Leistung diesbezüglich zu<br />

evaluieren.<br />

Diese Bewertung soll andererseits in die Kaufentscheidungen der Einkäufer bei Weickerts<br />

einfließen. Sie sind nämlich für bestehende Lieferantenbeziehungen und für die Auswahl neuer<br />

Zulieferer verantwortlich. Zu diesem Zweck berät und schult das Sonderteam der CSR-Abteilung<br />

den Einkauf zu Herausforderungen nachhaltiger Beschaffung. Zudem berichtet es monatlich der<br />

Abteilungsleitung über die Trends und spezifischen Risiken, die sich aus der Lieferanten-<br />

Evaluation ergeben. Für das Unternehmensmanagement erstellt das Team vierteljährlich Berichte.<br />

Negative Einzelergebnisse und mögliche Handlungsoptionen diskutiert das SR-Sonderteam mit<br />

den jeweiligen Einkäufern, die mit den betreffenden Lieferanten arbeiten.<br />

Herausforderungen in der Zulieferkette im Team begegnen<br />

So geschehen im Rahmen von Weickerts Zusammenarbeit mit dem Lieferanten Manundo: Eine<br />

Routine-Überprüfung der Einhaltung von SR-Anforderungen stellte fest, dass einer von Manundos<br />

Lieferanten gegen die Sozialstandards zu Mindestlohn und Überstunden verstößt. Das SR-<br />

Programm regelt, dass die Standards von allen Zulieferern in der Kette bis zur Stufe der Fertigung<br />

eingehalten werden. Folglich müssen auch Weickerts direkte Zulieferer die SR-Anforderungen in<br />

ihrer Zulieferkette umsetzen. Es gilt dazu eine Null-Toleranz-Politik hinsichtlich schwerer Verstöße.<br />

Daher beschloss der zuständige Einkäufer zusammen mit einem Mitarbeiter des Sonderteams,<br />

dass der Einkauf keine Aufträge an Manundo mehr vergibt, bis man sich gemeinsam auf<br />

Verbesserungsmaßnahmen einigt. Zuvor wurden in solchen Fällen die Lieferantenbeziehungen<br />

häufig beendet. Aufgrund langjähriger guter Zusammenarbeit kennt der verantwortliche Einkäufer<br />

seine Ansprechpartner bei Manundo jedoch sehr gut. Er entschied sich daher, im Gespräch mit<br />

Manundo zu ergründen, ob der von Weickerts gezahlte Preis nicht ausreiche, um die Zahlung von<br />

Mindestlöhnen auch bei seinen Lieferanten zu gewährleisten. Zugleich prüfte er seinen eigenen<br />

Preisspielraum. Sein Eindruck bestätigte sich, so dass der Einkäufer seinem Zulieferer die<br />

Möglichkeit gab, eine neue, transparente Kostenrechnung aufzustellen. Weickerts würde einen<br />

neuen Preis akzeptieren können, wenn zugleich vertraglich vereinbart würde, dass dieser an die<br />

Lieferanten weitergegeben würde und die Verstöße bis hin zur Hersteller-Ebene behoben würden.<br />

Die CSR-Abteilung beschloss, das Vorgehen dieses Einkäufers als ein „Best Practice<br />

verantwortlichen Handelns“ auszuzeichnen. Das veranlasste Weickerts Geschäftsführung, die<br />

Zusammenarbeit in der Abteilung Globale Beschaffung & Vermarktung zu stärken: Ein Tandem-<br />

System der Mitarbeiter wurde eingeführt. Es paart Mitarbeiter der Vermarktung mit Mitarbeitern der<br />

Beschaffung in Zweier-Teams, in denen Entscheidungen im Tandem getroffen werden müssen.<br />

Damit wird nicht nur die Kommunikation verbessert. Es werden beispielsweise auch Kostenziele<br />

und Bestellanforderungen harmonisiert. Die Einkäufer, die die Schnittstelle zur Lieferkette<br />

darstellen, können so dazu beitragen, dass die Bedingungen der Lieferanten bei Preis- und<br />

Mengenentscheidungen berücksichtigt werden.<br />

Zulieferkettenmanagement bei Manundo: Nachhaltigkeit durch Koordination<br />

Für das Markenunternehmen Manundo haben die Geschäftsbeziehungen zu Weickerts und<br />

anderen großen Einzelhändlern Priorität. Das zeigt sich auch an den Boni, die das<br />

Vertriebspersonal für Aufträge dieser Unternehmen bekommt. Um das Geschäft mit Weickerts zu<br />

sichern, hat auch Manundo Nachhaltigkeitsstandards in sein <strong>Lieferkettenmanagement</strong> integriert:<br />

Die CSR-Abteilung hat zu diesem Zweck einen Code of Conduct entwickelt.<br />

Die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards ist ein Schlüsselfaktor für die Auswahl der<br />

Zulieferer durch die Beschaffung. Die Einkäufer bei Manundo greifen auf rund 600 internationale<br />

Zulieferer zurück, an die das Unternehmen die Fertigung seiner Produkte ausgelagert hat. Ihre<br />

Arbeitsleistung wird nach erzieltem Einkaufspreis, Qualität, Pünktlichkeit der Lieferung und der<br />

„Social Compliance“ der Lieferanten bewertet. Problematisch wird es regelmäßig, wenn Weickerts<br />

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Workshop 2a. <strong>Fallbeispiel</strong>: <strong>Nachhaltiges</strong> <strong>Lieferkettenmanagement</strong><br />

bei Bestellungen großer Stückzahlen von Manundo meist einen pauschalen Preisnachlass<br />

verlangt: Da die Priorität auf der Geschäftsabwicklung mit Weickerts liegt, wird der Preisdruck an<br />

die Produktmanager und Einkäufer weitergegeben: Sie sollen das gewünschte Produkt zu<br />

möglichst günstigen Preisen bei ihren Lieferanten herstellen lassen. Dabei sind vor allem die<br />

Einkäufer dafür verantwortlich, zugleich die Einhaltung von Qualitäts- und Nachhaltigkeitsstandards<br />

zu gewährleisten.<br />

Um Effizienz, Transparenz und Standards im Produktions- und Beschaffungsprozess zu sichern,<br />

wurde das sog. Go-to-Market (GTM) System eingeführt. Es regelt durch einen spezifischen und<br />

kleinteiligen Prozess den Markteintritt von Produkten. Das Herzstück ist der gemeinsame GTM-<br />

Kalender, mithilfe dessen alle relevanten Abteilungen sich koordinieren. Dazu gehören neben der<br />

Abteilung Beschaffung auch Produkt-Design & Merchandising sowie das Produktmanagement.<br />

Jedem dieser Funktionsbereiche sind im GTM-Prozess spezifische Rollen, Verantwortlichkeiten<br />

und Zeitrahmen mit Meilensteinen zugewiesen.<br />

Zwischen Nachhaltigkeitsstandards und Kostendruck<br />

Dennoch ist es keine Seltenheit, dass sich ein Einkäufer Manundos über eine verspätete Lieferung<br />

bei seinem Lieferanten beschwert oder Preiserhöhungen aufgrund von Kursschwankungen und<br />

steigenden Lohnkosten vehement zurückweist. Gleichzeitig jedoch wird derselbe Lieferant dazu<br />

aufgefordert, Überstunden seiner Mitarbeiter zu reduzieren und nicht auf Sub-Unternehmer<br />

auszuweichen, um bei den Routine-Überprüfungen des Codes of Conduct eine gute Bewertung zu<br />

erhalten. Denn: Erhalten die Lieferanten keine ausreichend gute Bewertung, drohen auch<br />

Manundo Konsequenzen von Seiten z.B. seiner Abnehmer – wie als Weickerts von dem<br />

schlechten Rating eines wichtigen Manundo-Zulieferers erfuhr.<br />

In diesem Fall ermöglichte zwar Weickerts Einkäufer erstmalig eine Neukalkulation des Preises<br />

und akzeptierte diesen. Manundo konnte somit den Preis an seinen Hersteller weitergeben mit der<br />

Aufforderung, die Verstöße gegen Sozialstandards zu beheben. Nichtsdestotrotz kam es zum<br />

Konflikt mit Weickerts: Manundos Lieferant arbeitete die Missstände nicht auf. Ein Drittpartei-Audit,<br />

den die Verantwortliche Beschaffung bei Weickerts veranlasste, stellte fest, dass bspw.<br />

Lohnrückstände nicht ausgezahlt wurden. Laut vertraglicher Vereinbarung mit Weickerts, hätte<br />

Manundo die Wiedergutmachungen bei seinem Lieferanten sicherstellen und die Kommunikation<br />

darüber aufrecht erhalten müssen, bis die Verbesserungen eingetreten sind.<br />

Prozesse aktiv begleiten: Manundo justiert nach<br />

Vorfälle wie diese mehrten sich. Die Beschwerden der Lieferanten darüber, dass es immer<br />

schwieriger würde alle Anforderungen Manundos gleichzeitig zu erfüllen, wurden immer lauter.<br />

Manundos Geschäftsführung beauftragte daher die CSR-Abteilung, den Problemen auf den Grund<br />

zu gehen. Nach einer systematischen Befragung der Lieferanten analysierte man die<br />

innerbetrieblichen Beschaffungsstrukturen und führte dazu Interviews mit GTM-beteiligten<br />

MitarbeiterInnen. Die Analyse identifizierte Herausforderungen für eine nachhaltige Lieferkette vor<br />

allem in zwei Phasen:<br />

•<br />

•<br />

Produktmusterentwicklung: Lieferanten werden bspw. über Neuerungen der Produktentwicklung<br />

nicht rechtzeitig informiert. Produktänderungen werden von verschiedenen<br />

Abteilungen wie Produktmanagement oder -Design kommuniziert statt ausschließlich von den<br />

Einkäufern.<br />

Vor-Produktion: Es werden z.B. regelmäßig mehr Musterstücke verlangt als zeitlich und<br />

mengenmäßig im GTM-Kalender vorgesehen. Dies geschieht jedoch, ohne die Lieferzeit der<br />

Lieferanten zu verlängern.<br />

Obwohl das GTM-System also Rollen der Funktionsbereiche sowie Meilensteine festlegt, zeigte die<br />

Analyse, dass das Verhalten der Mitarbeiter regelmäßig davon abweicht.<br />

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Workshop 2a. <strong>Fallbeispiel</strong>: <strong>Nachhaltiges</strong> <strong>Lieferkettenmanagement</strong><br />

In der Konsequenz wurde beschlossen, das GTM-System beizubehalten, jedoch die Aufgaben von<br />

und die Erwartungen an einzelne Funktionsbereiche und seiner Mitarbeiter klarer zu definieren, zu<br />

kommunizieren und die Erfüllung zu bewerten. Vorbildliche Vorgehensweisen werden seitdem<br />

identifiziert und dokumentiert. Es finden regelmäßig Schulungen durch CSR-Mitarbeiter statt. Die<br />

Abteilungen geben sich gegenseitig ein schriftliches Feedback bezüglich der GTM-Anforderungen,<br />

das wiederum auch den Vorgesetzten vorliegt und in Leistungsbewertungen berücksichtigt wird.<br />

Schließlich wird das Feedback auch mit der Leistungsbewertung der Lieferanten abgeglichen, um<br />

die Wirkung der Maßnahmen zu evaluieren.<br />

Es stellte sich heraus, dass die eingeführten Strukturen und Verfahren auch einen Geschäftsnutzen<br />

hatten. Denn was zwecks Verbesserung der Nachhaltigkeit in der Lieferkette begann, hat<br />

auch zur Straffung interner Prozesse und Effizienzsteigerung in der internen Kommunikation<br />

geführt. U.a. konnten dadurch Kosten von „Über-Entwicklung“ neuer Produkte reduziert werden.<br />

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