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Achtung Zimmer frei! Vorsicht bei solchen Wohnungsangeboten - asta

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Politik<br />

Revolutionärer Gottesstaat<br />

Fangen wir mit einer früheren<br />

Erfahrung an. Als politische<br />

Gefangene der Savak, des Geheimdienstes<br />

des Schahregimes,<br />

träumte ich davon, <strong>frei</strong> spazieren<br />

zu gehen. Manchmal hatte<br />

ich eine Vision: das Volk erhebt<br />

sich und be<strong>frei</strong>t uns. Ich dachte<br />

zum ersten Mal in meinem Leben<br />

(ich war schon über dreißig),<br />

ich könnte auf einen Menschen<br />

schießen, auf den Folterer. Meine<br />

Vision wurde Wirklichkeit. 1979<br />

erhob das Volk sich, ich wurde<br />

mit den anderen politischen Gefangenen<br />

be<strong>frei</strong>t und bejubelt.<br />

Das verhasste Schahregime<br />

wurde gestürzt. Wir hatten eine<br />

Republik, wenn auch eine islamische.<br />

Gott sei dank musste ich<br />

auf keinen Menschen schießen,<br />

aber ich bejahte die Hinrichtung<br />

der früheren Folterer durch die<br />

angehenden neuen Folterer.<br />

Die Machtkämpfe begannen.<br />

Ich kam davon. Ich begann davon<br />

zu träumen, ohne Angst<br />

spazieren zu gehen, Angst vor<br />

den verschiedenen Wächtern.<br />

Nach vielen Jahren wieder in<br />

Europa, ging ich spät abends<br />

ohne Angst spazieren. Ich fühlte<br />

mich im Himmel. Denn in<br />

Iran verlässt mich diese Angst<br />

nie, obwohl ich weiß, ich werde<br />

geduldet. Aber zu welchem<br />

Preis?<br />

Ob ich noch Utopien habe?<br />

Von Emanzipation träume? Als<br />

Schülerin Ernst Blochs dachte<br />

ich mal stolz: Ich bin, was ich<br />

werde. Doch ehrlich, ich musste<br />

in den 30 Jahren seither viel<br />

Kraft aufbringen, um nicht in<br />

Resignation zu verfallen. Wenn<br />

manche der frühen KämpferInnen<br />

heute resigniert haben,<br />

keine Visionen mehr haben,<br />

nur noch von nächtlichen Spaziergängen<br />

träumen und froh<br />

sind, dass sie ihre Haut gerettet<br />

haben: Kann man es ihnen<br />

verargen?<br />

Das neue Regime ging aus einer<br />

Revolution wie aus einem linken<br />

Lehrbuch hervor. Viele ihrer Kader<br />

waren unsere früheren Mitgefangenen.<br />

Das neue Regime<br />

beschlagnahmte alle unsere Visionen.<br />

Es benutzte unser Vokabular:<br />

»Friede den Hütten, Krieg<br />

den Palästen«. Der Slogan »Nieder<br />

mit den USA« erklang in allen<br />

Medien. Trotz aller Skepsis fühlten<br />

wir uns wie im Himmel. Viele<br />

von uns erlebten zum ersten Mal<br />

im Leben öffentliche politische<br />

Tätigkeit. Hunderte Zeitungen<br />

und Zeitschriften erschienen,<br />

und man konnte einst verbotene<br />

Werke lesen. Wir veranstalteten<br />

Meetings und hielten Reden.<br />

Doch es dauerte nicht lange und<br />

wir merkten, dass Worte verschiedene<br />

Bedeutungen haben<br />

können.<br />

Das neue Regime genoss die Un-<br />

terstützung der Massen. Aber das<br />

Land sank in Armut, materielle<br />

und geistige. Das Licht verschwand:<br />

Alles wurde schwarz, von<br />

der Bekleidung der Frauen bis<br />

zum intellektuellen Klima. Das<br />

rationale wissenschaftliche Denken,<br />

die Ideale der Aufklärung,<br />

die Berufstätigkeit der Frauen,<br />

alle modernen Organisationen,<br />

die Gewerkschaften als auch das<br />

Recht der Angeklagten auf einen<br />

Anwalt waren verpönt. Kurz,<br />

sowohl die Menschenrechte als<br />

auch der Sozialismus galten auf<br />

einmal als dekadent-westliches<br />

Gedankengut und wurden verfemt.<br />

Dann begann die systematische<br />

Verfolgung der einstigen liberalen,<br />

demokratischen und linken<br />

Opposition zum Schahregime. Die<br />

Andersdenkenden (damals hießen<br />

wir noch nicht so) wurden zu<br />

Feinden erklärt. Die einst Gefolterten<br />

wurden zu Folterern. Jede<br />

4 10/2009

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