100 Jahre Mozartschule Rheingönheim - Schulmuseum ...
100 Jahre Mozartschule Rheingönheim - Schulmuseum ...
100 Jahre Mozartschule Rheingönheim - Schulmuseum ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Unsere so zahlreich erhaltenen Schulfotos verraten dazu einiges:<br />
Der Matrosenanzug machte jahrzehntelang Kinderkleidung schlechthin aus.<br />
Später, 1945 bis etwa 1965, war das die Lederhose. In weiterführenden Schulen<br />
erblicken wir auf den Fotos Schulmützen, die die jeweilige Jahrgangsstufe verraten.<br />
Eitelkeit war eine Zeitlang verpönt: Schulschürzen, zum Teil Kittelschürzen,<br />
weißes Leinen, schwarzer Alpaka oder gestreifte Baumwolle<br />
(schützten außerdem empfindliche Kleidungsstücke).<br />
Jüngere, noch nicht schulpflichtige, Geschwister gehörten früher in <strong>Rheingönheim</strong><br />
bei Außenaufnahmen zum Schulfoto.<br />
Fotografien hatten Seltenheitswert und waren teuer.<br />
„Sie suchen Schulfotos? Wir hatten kein Geld für Schulfotos.<br />
Wir waren froh, wenn wir das Geld für die Schulsachen hatten und satt waren.“<br />
(Ortsvorsteher Heinrich Wälker 1982)<br />
Zugenagelte Schuhsohlen, so sieht man auf einigen Bildern, sollten den Verschleiß<br />
kostbaren Leders verzögern.<br />
Die S c h u l t ü t e (Ostertüte), erstmals 1810, dann im späteren 19. Jahrhundert mehr<br />
aufgekommen, sollte trösten und den Schulanfang „versüßen“.<br />
Früher verbürgt ist die „Storchentüte“ (brachte der Storch bei der Geburt des jüngeren<br />
Geschwisterchens). Schultüten waren zuerst in Sachsen und Thüringen, dann<br />
in größeren Städten üblich. Man erzählte den ABC-Schützen, dass im Schulhaus ein<br />
Zuckertütenbaum stünde. Im 20. Jahrhundert wurde die Schultüte in ganz Deutschland<br />
und Österreich üblich.<br />
Erst allmählich setzte die Schultüte sich in <strong>Rheingönheim</strong> durch (vereinzelt nach 1930,<br />
endgültig nach 1950). Traditionsgemäß gab es bei uns in <strong>Rheingönheim</strong><br />
die S c h u l b r e z e l als Einschulungsgeschenk.<br />
Erich Kästner berichtet über seinen ersten Schultag im Jahr 1906<br />
und über seine Zuckertüte (Schultüte, Ostertüte...):<br />
"Meine Mutter öffnete die Tür. Ich stieg, die Zuckertüte mit der seidnen Schleife vorm<br />
Gesicht, die Ladenstufe hinauf, stolperte, da ich vor lauter Schleife und Tüte nichts<br />
sehen konnte, und dabei brach die Tütenspitze ab! Ich erstarrte zur Salzsäule.<br />
Zu einer Salzsäule, die eine Zuckertüte umklammert. Es rieselte und purzelte und<br />
raschelte über meine Schnürstiefel. Ich hob die Tüte so hoch, wie ich irgend konnte.<br />
Das war nicht schwer, denn sie wurde immer leichter. Schließlich hielt ich nur noch<br />
einen bunten Kegelstumpf aus Pappe in den Händen, ließ ihn sinken und blickte zu<br />
Boden. Ich stand bis an den Knöchel in Bonbons, Pralinen, Datteln, Osterhasen,<br />
Feigen, Apfelsinen, Törtchen, Waffeln und goldenen Maikäfern. Die Kinder kreischten.<br />
Meine Mutter hielt die Hände vors Gesicht. Fräulein Haubold hielt sich an der Laden-<br />
"Volksschullehrer und andere Hungerleider..."<br />
tafel fest. Welch ein Überfluss! Und ich stand mittendrin.<br />
Auch über Schokolade kann man weinen. Auch wenn sie einem selber gehört.-<br />
Wir stopften das süße Strandgut und Fallobst in den schönen, neuen, braunen<br />
Schulranzen und wankten durch den Laden und die Hintertür ins Treppenhaus<br />
und treppauf in die Wohnung. Tränen verdunkelten den Kinderhimmel."<br />
Erich KÄSTNER: "Als ich ein kleiner Junge war"<br />
5