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100 Jahre Mozartschule Rheingönheim - Schulmuseum ...

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Einen Stoß Zettel fischte sie aus dem Schweinsleder, hob einen Zettel für sich ab,<br />

gab den Rest an die Mütter, so auch an Mama weiter und verriet endlich den schon<br />

unruhig werdenden Sechsjährigen, was der Stundenplan zu bieten hat:<br />

"Montag: Religion, Schreiben, Rechnen, Spielen ..."<br />

Das verkündigte Fräulein Spollenhauer wie ein unabänderliches Schicksal, gab<br />

diesem Produkt einer Volksschullehrerkonferenz ihre gestrenge, keinen Buchstaben<br />

verschmähende Stimmer, wurde dann, sich ihrer Seminarzeit erinnernd, fortschrittlich<br />

milde, jauchzte, in erzieherische Lustigkeit ausbrechend:<br />

"Das, liebe Kinder, wollen wir nun alle zusammen wiederholen. Bitte - Montag?"<br />

Die Horde brüllte Montag.<br />

Sie darauf: "Religion?" Die getauften Heiden brüllten das Wörtchen Religion ...<br />

An der Spollenhauer vorbei fand ich zu meiner Mama, fasste sie bei der Hand,<br />

zog sie aus dem zugigen Klassenzimmer der Klasse Ia. Hallende Korridore.<br />

Steintreppen für Riesenkinder. Brotreste in sprudelnden Granitbecken.<br />

Mama hielt noch immer das Zettelchen...<br />

Dem Fotografen jedoch, der zwischen den Säulen des Portals auf die Erstklässler<br />

mit den Schultüten und Müttern wartete, erlaubte Oskar, eine Aufnahme von ihm<br />

und seiner bei all dem Durcheinander nicht verlorengegangenen Schultüte zu machen.<br />

Der Fotograf stellte Oskar vor die Kulisse einer Schultafel, auf der geschrieben stand:<br />

"Mein erster Schultag."<br />

Günter Grass<br />

Die Schultasche für den Rücken, der „Ranzen“, verdrängte Riemen und Sack für die<br />

schulischen Habseligkeiten.<br />

Vererben war so eine Sache: Ein Bub trug keinen Mädchen-, ein Mädchen keinen<br />

Bubenranzen. Der Unterschied ?!? Die Umschlagklappe bedeckte beim Bubenranzen<br />

die ganze Vorderseite, beim Mädchenranzen einen Teil, die Hälfte.<br />

Im Klassenraum sehen wir Bilder regierender Fürsten an der Wand…,<br />

Vierer- und Sechserbänke (Metallrahmen mit Holzverkleidung,<br />

später, 1938, ganz aus Holz…) … reine Mädchen und Bubenklassen…<br />

Wir erspähen das Podest mit dem Lehrerklapppult und dem Lawabo<br />

(Waschständer mit Waschschüssel : "Waschlavoir", Seifenschale und Wasserkaraffe).<br />

Auf den Schulbänken liegen Griffel, Griffelkasten, Schiefertafel, Schwämmchen<br />

und Tafelläppchen, in späteren, höheren, Klassen Tintenfass, Federhalter<br />

(Gänsekiele waren bereits vergessen) mit Stahlfedern, später der schon immerhin<br />

1809 patentierte Füllfederhalter.<br />

Die Schüler sitzen auf den älteren Fotos in geordneten Reihen, gerade, mit auf<br />

Rücken oder Brust verschränkten Armen oder mit flach auf die Bank gelegten,<br />

auch gefalteten, Händen.<br />

Alte Lehrererfahrung: „Mit den Händen auf der Bank hat der Schüler noch eine weit<br />

größere Bewegungsfreiheit, als wenn er die Arme über der Brust kreuzen muss.“<br />

Ratschläge für den Schullehrer: „Der Vollzug gemeinsamer Tätigkeiten geschieht nach<br />

dem Takte: Das Herausnehmen der Tafel und Bücher von der Bank, das<br />

Hineinlegen derselben, das Herausnehmen, Öffnen und Schließen der Griffelbüchse,<br />

das Zusammenlegen des ganzen Schulzeuges, das Aufstehen und Niedersitzen.“<br />

Der Kommandoruf des Lehrers ertönte in eine „lautlose Stille“ hinein: „Ab!“ „Fort!“<br />

Ein solcher Lehrer hatte „eine sehr gute Schule bei einer ungeteilten Klasse<br />

bis zu 133 Kindern.“<br />

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