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Energie statt Power - Coaching heute

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März 2012 – mit training <strong>heute</strong> und speaking <strong>heute</strong><br />

Sabine Asgodoms Weiterbildungs-Magazin<br />

„<strong>Energie</strong> <strong>statt</strong> <strong>Power</strong> –<br />

Die weibliche Formel für<br />

Erfolg und Lebensfreude“<br />

Das Management entdeckt den Menschen<br />

Chefdenker Jesper Juul – oder:<br />

Was Coaches von einem Therapeuten abschauen könnten<br />

WoMen<strong>Power</strong> 2012 auf der HANNOVER MESSE am 27. April<br />

mit Eva Loschky, Christa Schiffer, Sabine Asgodom


Willkommen<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

– März 2012<br />

Editorial<br />

jetzt liegen die ersten Ergebnisse unserer Leserbefragung im letzten Heft vor. Vielen Dank an alle,<br />

die den Fragebogen ausgefüllt haben. Einige erste Ergebnisse: Fast Zweidrittel unserer Leser/innen<br />

sind selbstständig, die meisten anderen sind angestellt, dazu kommen einige Student/innen. Ein<br />

Drittel der <strong>Coaching</strong><strong>heute</strong>-Leser/innen arbeiten als Coach, ein Fünftel sind Führungskräfte; andere<br />

Berufe: Berater/innen, Pädagog/innen, Therapeut/innen.<br />

Und hochinteressant: 90 Prozent der <strong>Coaching</strong><strong>heute</strong>-Leser sind Leserinnen! Vielleicht passt dieses<br />

Ergebnis zu unserer Beobachtung, dass <strong>Coaching</strong> immer weiblicher wird. Das Thema Frauen steht<br />

auch im Mittelpunkt meines Beitrags in dieser Ausgabe von <strong>Coaching</strong>-<strong>heute</strong>: „<strong>Energie</strong> <strong>statt</strong> <strong>Power</strong><br />

– Die weibliche Formel für Erfolg und Lebensfreude“ betrachtet alternative Herangehensweisen an<br />

Lebenserfüllung und Lebensfreude (Seite 5).<br />

Ergänzend dazu finden Sie einen Veranstaltungshinweis auf die WoMen<strong>Power</strong> 2012 am 27. April<br />

auf der HANNOVER MESSE, zu der wieder mehr als 1.000 Besucher/innen erwartet werden (Seite<br />

24). Ein hervorragendes Veranstaltungsprogramm und interessante Aussteller erwarten Sie. Dort<br />

können Sie u.a. meinen Workshop zum Thema „<strong>Coaching</strong>-Tools“ besuchen.<br />

Weltweit gibt es zwischen 30 000 und 50 000 Coaches, vermutet der Internationale <strong>Coaching</strong>verband<br />

IFC – Tendenz weiter steigend. Warum Coaches für die Wirtschaft immer wichtiger werden,<br />

beschreibt der Bericht von Siegfried Brockert „Das Management entdeckt den Menschen“, den Sie<br />

auf Seite 13 finden. Was Coaches von einem Therapeuten abschauen könnten, zeigt unser Beitrag<br />

über den Therapeuten und Chefdenker der Weiterbildungs-Szene Jesper Juul ab Seite 20.<br />

Noch ein Tipp: Falls Sie selbst erleben wollen, wie meine TV-<strong>Coaching</strong>-Sendung „Sabine Asgodom“<br />

entsteht, können Sie sich als Zuschauer/in für die Aufzeichnungen vom 21. bis 24. März in München-Unterföhring<br />

anmelden: martin.wohlfarth@ndf.de .<br />

Ich wünsche Spaß beim Lesen und freue mich auf Ihr Feedback – redaktion@coaching-<strong>heute</strong>.de<br />

Ihre<br />

Sabine Asgodom, CSP<br />

Herausgeberin<br />

P.S. Ab 26. März finden Sie mein neues Buch „So coache ich“ in den Buchhandlungen.<br />

Mehr dazu in der nächsten <strong>Coaching</strong>-<strong>heute</strong>.<br />

2


Entdecken<br />

Sie Ihr<br />

Potenzial<br />

l Ihr USP – Wir entwickeln<br />

Ihr persönliches Stärkenprofil<br />

l Wir erarbeiten Ihre persönlichen<br />

Kompetenzthemen<br />

l bessere Ziel-Durchsetzung<br />

l bei Kunden und Mitarbeitern<br />

besser überzeugen<br />

l Talente erkennen und<br />

besser nutzen<br />

l mehr Ausstrahlung, mehr<br />

Wirkung<br />

Sie sind gut in Ihrem Job, haben<br />

auch schon Erfolg, spüren<br />

aber: Da ist noch mehr drin! In<br />

diesem Seminar wecken wir<br />

Ihre verborgenen Talente, entfachen<br />

Ihre berufliche Leidenschaft,<br />

machen mit Ihnen Ihren<br />

ganz persönlichen Ziel-Check.<br />

Und das wichtigste: Wir entfachen<br />

in Ihnen nicht nur ein<br />

einmaliges Strohfeuer, sondern<br />

entwerfen ganz konkrete Maßnahmen<br />

für die Umsetzung.<br />

Denn darin sind wir Profis …<br />

Lesen Sie hier bitte weiter<br />

Termine<br />

12.1. 2012 (war ausgebucht)<br />

19. Juni 2012<br />

9. November 2012<br />

Zeit: 09:00 - 18:00 Uhr<br />

Trainerin: Sabine Asgodom<br />

Ort: München<br />

Preis (inkl. Seminar-Service):<br />

695,00 € zzgl. MwSt<br />

Selbst-PR<br />

für<br />

Profis<br />

l Nie wieder bewerben!<br />

l Nie wieder akquirieren!<br />

l Hallo Traumjob!<br />

l Aufträge satt!<br />

Wenn wir uns einen Namen<br />

gemacht haben, wenn die<br />

richtigen, wichtigen Personen<br />

von uns wissen, brauchen wir<br />

uns nie wieder um einen Job,<br />

einen Auftrag bemühen – die<br />

Chancen kommen zu uns. Es<br />

gibt eine bewährte Strategie,<br />

um auf die eigenen Kenntnisse,<br />

Fähigkeiten, Leistungen<br />

und Ideen aufmerksam zu<br />

machen: Selbst-PR.<br />

l So machen Sie auf sich<br />

aufmerksam<br />

l So machen Sie sich einen<br />

Namen als Experte/Expertin<br />

l So zeigen Sie Kompetenz<br />

l Nutzen Sie Ihre Bühnen<br />

l Berühmt durch ein Buch<br />

l Interviewtipps – vom Profi<br />

l Mitreden in Talk-Shows …<br />

Lesen Sie hier bitte weiter<br />

Termine<br />

13.1. 2012 (war ausgebucht)<br />

20. Juni 2012<br />

10. November 2012<br />

Zeit: 09:00 – 18:00 Uhr<br />

Trainerin: Sabine Asgodom<br />

Ort: München<br />

Preis (inkl. Seminar-Service):<br />

795,00 € zzgl. MwSt<br />

Beide Seminare liegen an aufeinander folgenden Tagen.<br />

Preisnachlass, wenn die Seminare<br />

Entdecken Sie Ihr Potenzial und Selbst-PR für Profis<br />

gemeinsam gebucht werden.<br />

© ASGODOM LIVE® Änderungen vorbehalten<br />

So schreiben<br />

Sie<br />

Ihr Buch<br />

Unser Wissensforum zum<br />

Thema „So schreiben Sie ein<br />

Buch“ hat bereits mehrfach<br />

erfolgreich <strong>statt</strong>gefunden –<br />

nun haben wir, auf Anregung<br />

vieler Teilnehmer, ein Kompaktseminar<br />

zum gleichen<br />

Thema entwickelt.<br />

l Lernen Sie von Sabine<br />

Asgodom, Autorin von 25<br />

Best- und Longsellern (mehr<br />

als 20 Wochen auf der SPIE-<br />

GEL-Bestsellerliste)<br />

l Lernen Sie von Dagmar<br />

Olzog, Cheflektorin im Kösel-<br />

Verlag<br />

l Lernen Sie von den<br />

Buchexperten Karen Christine<br />

Angermayer und Isabel<br />

Nitzsche<br />

l dazu ein Extra-Service für<br />

Coaches, Trainer und Speaker,<br />

die rasch ihr eigenes Buch<br />

auf ihrer eigenen Homepage<br />

haben möchten, ohne den oft<br />

Jahre dauernden Weg über<br />

normale Verlage zu gehen …<br />

Lesen Sie hier bitte weiter<br />

Termin<br />

Samstag, 20. Oktober 2012<br />

Ort: München, Hotel Le Meridien<br />

– direkt am Münchner<br />

Hauptbahnhof, Bayerstraße<br />

41 80335 München, Tel. +49<br />

(0)89/24220<br />

www.lemeridien.com/munich<br />

Zeit: 10 bis 18.30 Uhr<br />

Preis (inkl. Seminar-Service):<br />

575,00 € zzgl. MwSt<br />

Seminar-Angebote<br />

Sabine Asgodoms<br />

Seminar-Angebote<br />

Vom Trainer<br />

zum<br />

Speaker<br />

l Sie begeistern seit Jahren<br />

als Trainer/in Ihre Seminarteilnehmer.<br />

l Sie begleiten als Coach Ihre<br />

Klienten zu tollen Lösungen.<br />

l Und Sie wollen nun die<br />

Bühne erobern: (mehr) Vorträge<br />

halten, Zuhörer inspirieren<br />

und begeistern; Impulse<br />

geben und Nachhaltigkeit<br />

erzeugen; und gutes Geld<br />

damit verdienen.<br />

Trainieren Sie drei Tage lang<br />

mit Sabine Asgodom den<br />

Sprung auf die große Bühne:<br />

l Erfahren Sie, was Speaking<br />

vom Trainerberuf unterscheidet.<br />

l Finden Sie Ihr Selbstverständnis<br />

als Redner/in.<br />

l Werden Sie vom Seminar-<br />

Profi zum Bühnen-Profi.<br />

l Finden Sie Ihre Mischung<br />

aus Inhalt und Entertainment.<br />

l Holen Sie sich Feedback in<br />

intensiver Einzelarbeit …<br />

Lesen Sie hier bitte weiter<br />

Termine<br />

16.-18.3. 2012 (ausgebucht)<br />

15. bis 17. Juni 2012<br />

14. bis 16. Dezember 2012<br />

Beginn am ersten Tag: 11 Uhr.<br />

Ende am dritten Tag: 16 Uhr<br />

Trainerin Sabine Asgodom<br />

Maximal 9 Teilnehmer/innen!<br />

Ort: Bad Gögging, nahe<br />

Ingolstadt, Hotel Marc Aurel<br />

Preis (inkl. Seminar-Service):<br />

2.980,00 € zzgl. MwSt<br />

– März 2012<br />

3


Impressum:<br />

<strong>Coaching</strong>-<strong>heute</strong> – das Internet-Magazin<br />

wird herausgegeben von Sabine<br />

Asgodom. Mitherausgeber der oben auf<br />

den Seiten namentlich gekennzeichneten<br />

Beiträge sind die jeweils dort<br />

erwähnten Coaches. <strong>Coaching</strong>-<strong>heute</strong><br />

will durch die Mitherausgeber thematische<br />

Vielfalt <strong>statt</strong> einer festgelegten<br />

Blattlinie garantieren.<br />

Die Mitherausgeber beteiligen sich<br />

an den Redaktions- und Produktionskosten.<br />

Bitte richten Sie alle Kommentare,<br />

Fragen etc. zu Einzelbeiträgen<br />

an die jeweiligen Mitherausgeber.<br />

Informationen <strong>Coaching</strong>-<strong>heute</strong><br />

insgesamt betreffend erhalten Sie über<br />

redaktion@coaching-<strong>heute</strong>.de<br />

Falls Sie Mitherausgeber werden<br />

möchten, schreiben Sie bitte ebenfalls<br />

an redaktion@coaching-<strong>heute</strong>.de<br />

<strong>Coaching</strong>-<strong>heute</strong> erscheint bei<br />

Asgodom Live®<br />

Prinzregentenstr. 85<br />

81675 München<br />

Tel: 089 982 47 49 0<br />

Fax: 089 982 47 49 8<br />

info@asgodom.de,<br />

www.asgodom.de.<br />

Die Redaktion erreichen sie über:<br />

info@coaching-<strong>heute</strong>.de<br />

www.coaching-<strong>heute</strong>.de<br />

Tel: 089 982 47 49 0, Fax: 089 982 47 49 8<br />

Herausgeberin und v.i.S.d.P.:<br />

Sabine Asgodom, CSP<br />

Redaktion:<br />

Moni Jonza (Office Managerin)<br />

Heinz Fritz (Autor)<br />

Philipp Brockert (Gestaltung)<br />

Siegfried Brockert, Dipl.Psych.<br />

(Chefredakteur)<br />

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck,<br />

Weiterverbreitung ist nur mit schriftlicher<br />

Erlaubnis der Herausgeberin und<br />

der für bestimmte Texte betreffenden<br />

Mitherausgeber ge<strong>statt</strong>et. Die elektronische<br />

Archivierung der Inhalte zu Ihrem<br />

persönlichen Gebrauch ist erlaubt.<br />

Die Redaktion kann trotz sorgfältiger<br />

Recherchen und Überprüfung der<br />

zugrunde liegenden Quellen keine<br />

Gewähr für den Inhalt übernehmen.<br />

Jegliche Haftung für aus der Berichter<strong>statt</strong>ung<br />

entstandene Schäden ist<br />

ausgeschlossen.<br />

Coverfoto: © IKO – Fotolia<br />

05 20<br />

24<br />

02 Sabine Asgodom: Willkommen<br />

03 Asgodom Live-Seminare<br />

05 Titelthema<br />

<strong>Energie</strong> <strong>statt</strong> <strong>Power</strong><br />

Die weibliche Formel für mehr Erfolg<br />

und zugleich mehr Lebensfreude<br />

11 Das erste <strong>Coaching</strong>-Café in<br />

München<br />

13 Neue Arbeitsfelder<br />

für Coaches (2):<br />

Das Management<br />

entdeckt den Menschen<br />

Und Coaches können dazu beitragen,<br />

dass Entdecker wie Entdeckte Freude<br />

an der gemeinsamen Arbeit haben<br />

17 SPIEGEL WISSEN<br />

„Es muss nicht gleich Psychotherapie<br />

sein …<br />

… denn „auch ein Coach kann helfen,<br />

Probleme zu lösen“<br />

20 Chefdenker<br />

Jesper Juul<br />

Was Coaches von einem Familientherapeuten<br />

abschauen könnten<br />

26<br />

– März 2012<br />

Inhalt<br />

22 Erfolgsbremsen<br />

E i NSAMKE i T<br />

Einsamkeit strahlt aus, steckt an<br />

und reduziert die Produktivität von<br />

Arbeitsgruppen ähnlich, wie es Angst<br />

oder Feindseligkeit tun<br />

24 Hannover-Messe<br />

Effizient arbeiten und leben<br />

– design your future!<br />

26 Marshall Goldsmith<br />

Feedforward<br />

Besser als Feedback<br />

28 Gedächtnis-Training?<br />

Vergiss es. Wichtiger ist Vergessens-Training<br />

32 Muss man ein Schwein sein …?<br />

Wer bekommt im<br />

Arbeitsleben die A…karte<br />

Sozial sein schadet der Karriere<br />

33 Fundsache:<br />

Internet – ein Beichtstuhl<br />

34 Fundsache:<br />

Investment Banking<br />

gefährdet Ihre Gesundheit<br />

4


Titelthema: <strong>Energie</strong> <strong>statt</strong> <strong>Power</strong> – die weibliche Erfolgsformel<br />

ENERGIE STATT POWER<br />

Die weibliche Formel für beides: mehr Erfolg und zugleich mehr Lebensfreude<br />

von Sabine Asgodom<br />

Es ist ein ganz normaler Tag: Der Wecker klingelt,<br />

Sie springen fröhlich aus dem Bett. Dann:<br />

Mist, der Kaff ee ist alle, und aus dem Kühlschrank<br />

gähnt Ihnen ein Leberwurstzipfel entgegen.<br />

Bäh. Heutabend müssen Sie unbedingt einkaufen<br />

gehen.<br />

Die Bluse, die Sie eigentlich zu einem Termin anziehen<br />

wollten, ist nicht gebügelt. Also schnell, Bügelbrett holen,<br />

zwischen Duschen und Zähneputzen, hopp hopp. Als sie,<br />

zehn Minuten später als sonst, zur U-Bahn kommen, fährt<br />

Ihnen eine Bahn gerade vor der Nase weg … So geht das<br />

den ganzen Tag weiter: Der Chef bekommt einen Wutanfall;<br />

ein Kollege heult Ihnen die Ohren voll, weil seine<br />

Freundin ihn verlassen hat. Sie haben einen Briefentwurf<br />

verschlampt und müssen mit dem Dichten noch mal von<br />

vorne anfangen. In der Mittagspause kleckern Sie sich<br />

Salatsoße auf den Rock; und danach ruft Ihre Mutter an,<br />

und macht Ihnen Vorwürfe, dass Sie die Eltern so lange<br />

nicht besucht haben. Nachmittags verhandeln Sie zäh mit<br />

einem Geschäft spartner – um Peanuts. Als Sie gerade gehen<br />

wollen, knallt Ihnen Ihr Chef noch „gaaaanz“ wichtige<br />

Papiere auf den Tisch, „das brauche ich morgen früh“.<br />

Sie verschieben Ihre Verabredung zum Essen, Ihr Freund<br />

ist sauer. Sie vergessen das Einkaufen, machen sich fl uchend<br />

an die Arbeit und wanken um kurz nach halbneun<br />

aus dem Büro. Zu Hause wartet Ihre Steuererklärung. Na<br />

Mahlzeit.<br />

Wundern Sie sich auch manchmal, wo Ihre <strong>Energie</strong> bleibt?<br />

Bewundern Sie andere, die wie aus der Pistole geschossen<br />

Vorschläge, Lösungen, Konzepte präsentieren können?<br />

Und sind Sie sich wirklich ganz sicher, dass Sie noch viel<br />

mehr Erfolg im Beruf erreichen könnten, wenn Sie einfach<br />

mehr <strong>Energie</strong> hätten?<br />

Falls ja, dann verabschieden Sie sich doch als Erstes einmal<br />

von dem Wort „<strong>Power</strong>“. Die letzten Jahre standen<br />

ganz im Zeichen dieses Wortes: <strong>Power</strong>, powern, auspowern,<br />

<strong>Power</strong>training, <strong>Power</strong>walking, <strong>Power</strong>talking,<br />

<strong>Power</strong>frauen, <strong>Power</strong> sucht Frau … Oder, wie es der Diplom-Psychologe<br />

und Psychotherapeut Bernd Hohmann<br />

formuliert: „Wir müssen uns von dem mekanomorphen<br />

<strong>Energie</strong>modell 1) verabschieden. Nach diesem mechanischen<br />

Modell wird oben <strong>Energie</strong> eingefüllt und unten<br />

1) Schon Friedrich Nietzsches hatte erkannt: „Der Psychologe sagt<br />

Dinge, die jeder weiß, in einer Sprache, die keiner versteht.“<br />

– März 2012<br />

5<br />

Zurück zum Inhalt


kommt Leistung heraus, wie in einem gut geschmierten<br />

Motor.“<br />

Schließen Sie doch einmal kurz die Augen, und stellen Sie<br />

sich eine <strong>Power</strong>frau vor. Wie sieht sie aus? Wie bewegt sie<br />

sich? Wie spricht sie? Wie behandelt sie ihre Mitarbeiter/<br />

innen? Kann es sein, dass Ihr inneres Bild eine Frau mit<br />

vielen harten Zügen zeigt? Im streng-schwarzen Business-<br />

Anzug, mit strenger Frisur. Im Stakkatoschritt durchs Unternehmen<br />

eilend. Eine Frau, die weiß, was sie will. Eine<br />

Frau, die durchaus Erfolg hat.<br />

Jetzt stellen Sie sich einmal die Frage: Möchte ich diese<br />

Frau sein? Oder: Bin ich diese Frau? Oder: War ich mal<br />

diese Frau?<br />

Viele Jahre lang habe ich selbst als Journalistin dieses<br />

Bild der <strong>Power</strong>frau transportiert. Habe geglaubt, wir<br />

müssten nur „tough“ oder „smart“ genug sein, um unser<br />

berufliches Glück zu finden. Habe Frauen vermittelt:<br />

Sei hart, gib nicht nach, benutze deine Ellenbogen,<br />

sei der bessere Mann. Dann erreichst du auch den beruflichen<br />

Olymp. <strong>Power</strong>frau – dieses Attribut war eine<br />

Auszeichnung.<br />

Sie war ein Kerl von<br />

einer Frau – und wollte das nicht<br />

mehr sein<br />

Doch plötzlich fühlte ich so einen bitteren Geschmack<br />

auf der Zunge bei dem Wort. Und auf einem Kongress<br />

für „<strong>Power</strong>frauen“ wurde mir im Jahr 1998 endgültig klar:<br />

Das kann nicht der richtige Weg sein. Irgend etwas haben<br />

wir dabei vergessen. Und <strong>heute</strong> weiß ich – es war unsere<br />

Weiblichkeit.<br />

In einem „Kerl von einer Frau“ werden halt nur die männlichen<br />

Anteile anerkannt und gefördert. Die weiblichen<br />

Anteile hatten und haben sich diese karriereambitionierten<br />

Frauen tunlichst abzugewöhnen, so „schwache“ Eigenschaft<br />

en wie Weichheit, Verständnis, Mitgefühl, Emotionalität,<br />

Sinnlichkeit. Warum?<br />

l Weichheit. Für ehrgeizige Frauen im Beruf ist dies ein<br />

absolutes Tabu. Angefangen bei ihren Formen, denn nur<br />

in einem durchtrainierten Körper kann schließlich eine<br />

Führungskraft stecken. Deshalb musste vor allem der<br />

Bauch wegtrainiert werden. „Straff “ war das Zauberwort.<br />

Weibliche Kurven erinnerten überfl üssigerweise daran,<br />

dass es sich bei diesem „homo businnicus“ um eine Frau<br />

handelte – mit all ihren karrierehindernden biologischen<br />

Eigenarten. Und der Kampf gegen Weichheit ging bei ihrem<br />

Format weiter: Schneidigkeit galt mehr als Charme,<br />

Geradlinigkeit mehr als Ganzheitlichkeit, Schlagfertigkeit<br />

mehr als Einfühlungsvermögen. Business? Ja. Aber ohne<br />

Busen!<br />

l Verständnis. Das konnten Frauen im letzten Jahrzehnt<br />

am besten gleich beim Pförtner abgeben. Schließlich hatte<br />

Titelthema: <strong>Energie</strong> <strong>statt</strong> <strong>Power</strong> – die weibliche Erfolgsformel<br />

das harte Business nichts mit Eiapoppeia und heile, heile<br />

Segen zu tun. „Survival of the fi ttest“, das alte darwinsche<br />

Prinzip, war plötzlich wieder en vogue. Schließlich musste<br />

jeder sehen, wo er (sie) bleibt. Oder, wie es ein Unternehmensberater<br />

zum Ende des 20. Jahrhunderts formuliert<br />

hat: „Who is who and where are you?“<br />

l Mitgefühl. Wirklich ein Relikt aus der Gattung der<br />

Gattinnen. Dort war es durchaus akzeptiert und geschätzt.<br />

Beispielsweise wenn er, der Ernährer, abends von des Tages<br />

Mühe gezeichnet nach Hause kam. Aber doch nicht<br />

im Business. Dort galt: „Für Loser kein Pardon!“ Die Zahlen<br />

müssen stimmen, Lady.<br />

l Emotionalität. Oh Gott, diese gefühlvollen Frauen, immer<br />

nah am Wasser gebaut. Heulen gleich los, wenn man<br />

mal ein bisschen gegen sie intrigiert. Oder werden richtig<br />

hysterisch, wenn sie merken, dass man sich ihr Projekt unter<br />

den Nagel gerissen hat. Ach, mit Frauen kann man einfach<br />

nicht sachlich diskutieren. Da hatten nur Frauen eine<br />

Chance, die auch über den derbsten Blondinenwitz so richtig<br />

mitgröhlen konnten.<br />

l Sinnlichkeit. Das „Bäh“-Wort in der coolen Endzeit des<br />

20. Jahrhunderts. Sinnlichkeit, allein der Gedanke an dieses<br />

Wort brachte die Karrierefrau vom rechten Weg ab. Das<br />

klang nach erotischen Irrungen, nach heißen Schaumbädern<br />

mit sündiger Literatur und Schokoküssen satt. Igitt!<br />

Da knabberte die karriereambitionierte Frau doch lieber<br />

am Endiviensalat und nahm <strong>statt</strong> des „Decamerone“ den<br />

„Machiavelli für Frauen“ mit ins Bett.<br />

Mädels, Damen, Landfrauen: Wir brauchen bei diesen<br />

Szenarien der Neunziger Jahre gar nicht vor Wut auf „die<br />

bösen Männer“ in die Tischkante zu beißen. Wir haben<br />

uns das gefallen lassen! Wir haben diätet bis zum Delirium;<br />

uns fi t-trainiert bis zum fi nalen Muskelkater; uns mit<br />

Härte gewappnet wie ein australisches Gürteltier; haben<br />

uns sogar Mann und Kinder versagt (mehr als 80 Prozent<br />

der Frauen in Führungspositionen waren Mitte der 90er<br />

Jahre ohne Familie).<br />

Eine Frau in Führungspositionen<br />

aber ohne Familie – wollen wir<br />

das?<br />

Und was war die Belohnung dafür? Einmal, nur einmal<br />

– wie ein Mann – ein joviales Schulterklopfen unseres<br />

Vorgesetzten zu ernten! Wow, ich hab’s geschafft!<br />

Endlich aufgenommen in die Männerriege, raus aus<br />

Schläppchen und Tütü, rein in die Rugby-Kluft. Welche<br />

Selbstverleugnung für ein „Kommst du noch mit<br />

auf ein Bier?“<br />

Schade, dass wir dafür sowieso immer zu müde waren.<br />

… weiter auf Seite 8 – auf Seite 7 folgt ein Kasten<br />

mit dem Asgodom-Kurzprogramm für mehr<br />

Selbstachtung<br />

– März 2012<br />

6<br />

Zurück zum Inhalt


Titelthema: <strong>Energie</strong> <strong>statt</strong> <strong>Power</strong> – die weibliche Erfolgsformel<br />

SABINE ASGODOMS KURZ-PROGRAMM FÜR MEHR SELBSTACHTUNG<br />

Wie war das bisher?<br />

Ziehen Sie eine Selbstwert- Bilanz. Wie<br />

rede ich mit mir selbst? Wenn ich zum Beispiel<br />

abends faul auf dem Sofa liege, <strong>statt</strong><br />

zu joggen, zu bügeln oder für den Chinesisch-Kurs<br />

zu pauken? Welche Selbstwertspiele<br />

spiele ich da? Gestehe ich mir mein<br />

Handeln zu oder mache ich mich dafür moralisch<br />

fertig? Wie achte ich mich selbst?<br />

Gehe ich auf meine Gefühle, meine körperlichen<br />

Bedürfnisse, meine geistig-intellektuellen<br />

Bedürfnisse ein? Oder verdränge<br />

ich sie? Vielleicht, um Rücksicht auf jemand<br />

anderen zu nehmen?<br />

Urlaub vom Freizeit-Stress<br />

Tun Sie eine Woche lang in Ihrer Freizeit<br />

nur das, worauf Sie wirklich Lust haben.<br />

Es gibt kein „Ich muss...“ , „Ich müsste...“,<br />

„Ich sollte...“, „Ich wollte doch...“ Hören<br />

Sie auf Ihren Körper und tun Sie sieben<br />

Tage lang nur das, was er braucht: Aufs<br />

Sofa mit dem 700-Seiten-Schmacht-Schinken;<br />

stundenlang Wäscheschubladen aufräumen;<br />

faul im Fenster liegen und auf die<br />

Straße schauen; jede Nacht in einer anderen<br />

Disco abtanzen; Fernsehen, bis die Pupille<br />

krampft. Egal, es gibt kein falsch oder<br />

richtig, kein gut oder schlecht. Das Ziel:<br />

Den Körper einmal richtig satt mit dem<br />

machen, was er sich wirklich wünscht.<br />

Ziehen Sie eine <strong>Energie</strong>-Bilanz<br />

Wer tut Ihnen gut, wer zieht <strong>Energie</strong> von Ihnen<br />

ab? Erinnern Sie sich an Begegnungen,<br />

aus denen Sie unheimlich fröhlich und beschwingt<br />

zurückgekommen sind. Mit wem<br />

waren Sie zusammen? Was hat Sie so froh<br />

gemacht? Und denken Sie andererseits<br />

zurück, wer Sie „runterzieht?“ Wie schafft<br />

dieser Mensch es, Ihnen die Laune zu verderben?<br />

Schreiben Sie auf einer Liste die<br />

<strong>Energie</strong>spender und auf einer anderen die<br />

<strong>Energie</strong>klauer auf. Schauen Sie sich die<br />

beiden Listen an. Was fällt Ihnen auf? Was<br />

können Sie verändern?<br />

Eine Woche lang mehr <strong>Energie</strong>-<br />

Spender (positive <strong>Energie</strong>) als <strong>Energie</strong>-Räuber<br />

(negative <strong>Energie</strong>)<br />

Das heißt, suchen Sie die Nähe zu Menschen,<br />

die Sie fröhlich machen, rufen Sie<br />

sie an, fahren Sie zu Ihnen hin, warten Sie<br />

nicht auf Gelegenheiten, sondern schaffen<br />

Sie welche. Meiden Sie die Nähe von den<br />

Negaholikern, die Ihnen die Stimmung verhageln.<br />

Sagen Sie Verabredungen ab, ver-<br />

schieben Sie Termine mit solchen Miesepetern,<br />

gehen Sie mittags nicht mit ihnen<br />

zusammen in die Kantine. Ziehen Sie nach<br />

dieser Woche ein Fazit: Wie geht es Ihnen,<br />

spüren Sie einen Unterschied?<br />

Überlegen Sie sich: Was brauche<br />

ich von außen, um etwas zu<br />

ändern?<br />

Von wem kann ich dabei Hilfe annehmen?<br />

Brauche ich jemanden, der mich ab und zu<br />

an die Hand nimmt – kommst du mit? Wer<br />

darf mir ab und zu etwas Gutes tun? Lasse<br />

ich es zu?<br />

Bitten Sie eine Woche lang jeden<br />

Tag jemanden darum, Ihnen etwas<br />

Gutes zu tun.<br />

Fragen Sie z.B. eine Freundin, ob Sie sie<br />

abends zum Joggen abholt. Bitten Sie Ihren<br />

Mann, Sie an der Stelle zu streicheln,<br />

an der Sie es besonders genießen können<br />

– und dabei geht es nur um dieses Streicheln,<br />

nur um Sie, damit er auf keine falschen<br />

Gedanken kommt. Bitten Sie einen<br />

Kollegen darum, Sie in der Konferenz auf<br />

ein Thema anzusprechen, das Ihnen aber<br />

am Herzen liegt, wofür Ihnen aber bisher<br />

der Mut gefehlt hat, sich zu Wort zu melden.<br />

Bitten Sie eine Freundin darum, Ihnen<br />

zum Ausgehen ihre wundervolle Stola<br />

zu leihen. Ziehen Sie am Ende der sieben<br />

Tage ein Fazit: Was fi el Ihnen schwer?<br />

Wie ist es gelaufen? Wie wohl fühlen Sie<br />

sich?<br />

<strong>Energie</strong> nehmen und <strong>Energie</strong> geben<br />

wirken<br />

Wenn positive <strong>Energie</strong> fl ießt, geht es mir<br />

gut. Überlegen Sie sich: Wem kann ich etwas<br />

Gutes tun, wem gebe ich gern und freiwillig<br />

von meiner <strong>Energie</strong> ab, wem gebe ich<br />

<strong>Energie</strong> zurück? Es ist sehr spannend zu<br />

beobachten, was geschieht, wenn wir positive<br />

<strong>Energie</strong> abgeben, vor allem an Menschen,<br />

die das nicht von uns erwarten.<br />

Das Pfadfi ndererlebnis<br />

Tun Sie eine Woche lang jeden Tag einem<br />

Menschen etwas Gutes. Das muss kein<br />

großes Ding sein. Es reicht ein fröhliches<br />

Guten Morgen an die Nachbarin, mit der<br />

Sie sonst nichts zu tun haben. Es kann ein<br />

Gefallen sein, den Sie Ihrem Partner tun,<br />

ohne Gegengeschäft. Erledigen Sie schnell<br />

etwas für eine Freundin, von dem Sie wissen,<br />

dass sie immer nicht dazu kommt. Und<br />

genießen Sie den Blick der „beschenkten“<br />

Person, die Wärme, die zu Ihnen herüberschwappt,<br />

„like honey melting in the sun.“<br />

Ziehen Sie nach dieser Woche Bilanz: welche<br />

<strong>Energie</strong> haben Sie gegeben? Ist etwas<br />

davon zurückgekommen?<br />

Genauso wichtig zu wissen, was<br />

ich für die Lebensfreude brauche,<br />

ist zu wissen, was ich gewiss nicht<br />

brauche.<br />

Und der Mut, dies zu sagen: „Ich möchte<br />

heutabend nicht mit dir auf diese Party<br />

gehen.“ Oder auch mal: „Ich möchte nicht<br />

die Assistenzstelle, ich möchte die Projektleitung!“<br />

Das Zauberwort dabei heißt: N e<br />

i n.<br />

Sagen Sie eine Woche lang nein<br />

zu Dingen, die Sie nicht wollen<br />

Sagen Sie nein zum Stück von dem selbstgebackenen<br />

Kuchen, den Sie als Kind schon<br />

verabscheut haben. Sagen Sie nein, wenn<br />

eine Kollegin Ihnen zuckersüß fl ötend noch<br />

eine Arbeit auf den Tisch rüberschaufeln<br />

will. Sagen Sie „Nein“, wenn eine Freundin<br />

mit Ihnen auf Frust-Shopping-Tour gehen<br />

will, und Ihnen nicht danach ist.<br />

Lassen Sie endlich die Ego-Sau<br />

raus!<br />

Nachdem Sie herausgefunden haben, welche<br />

sinnlichen Bedürfnisse Sie haben, geht<br />

es im Kontakt mit anderen um die Umsetzung.<br />

Holen Sie sich, was Sie brauchen.<br />

Sie haben ein Recht darauf. Und es ist viel<br />

besser, Bedürfnisse direkt zu erfüllen als<br />

sie in materielle Ersatzhandlungen umzuformulieren.<br />

Was wollen Sie mit der 19.<br />

Bluse, als Frustkauf nach einem verkorksten<br />

Arbeitstag? Was hilft die Schachtel<br />

Pralinen vor dem Fernseher, an der Seite<br />

des Gatten, wenn Ihre Sinnlichkeit nach<br />

Orgien schreit?<br />

Machen Sie in der nächsten<br />

Woche mindestens einmal etwas<br />

völlig Unmögliches!<br />

Etwas wofür Sie sich normalerweise schämen<br />

würden, wenn es nicht die Aufgabe in<br />

Ihrem Selbstachtungsprogramm wäre. Etwas<br />

Sündiges oder Freches, etwas .... Also,<br />

das bleibt Ihrer Phantasie überlassen. Nur<br />

Sie können sich so etwas „Real Shocking“<br />

ausdenken. Ziehen Sie hinterher ein Fazit:<br />

Wie war dieses Erlebnis? Wie haben die<br />

anderen reagiert, wie haben Sie sich dabei<br />

gefühlt? Wie hat es Ihre Lebensenergie<br />

verändert? l<br />

– März 2012<br />

7<br />

Zurück zum Inhalt


Denn nach einem solchen <strong>Power</strong>-Arbeitstag waren wir<br />

fertig. Zu müde zum Ausgehen, zu müde, um Freunde zu<br />

treff en; zu müde, ach zu allem! Nix mehr <strong>Power</strong>!<br />

Doch das 20. Jahrhundert ist vorbei. Das Rezept „Werde<br />

ein besserer Mann“ hat nur Teilerfolge erzielt. Zwar haben<br />

es durchaus einige Frauen mit Betonfrisur, Betonlächeln<br />

und Betonseele bis fast an die Spitze geschafft . Und<br />

sie sind betonhart gegenüber anderen Frauen, die „absurde<br />

Lebensentwürfe“ wie Kinder, Privatleben, Freude<br />

verfolgen. „In Führungspositionen kann man keine Kinder<br />

haben!“ schleuderte mir in einer Podiumsdiskussion<br />

eine solche „Betonfrau“ entgegen. Das tat weh. Weil mir<br />

diese Frau und alle Frauen, die für sie arbeiten, leid tat.<br />

Sie tat mir auch leid, weil sie durch das Gefangensein in<br />

ihre Rolle ganz wichtige innovative Strömungen in der<br />

Wirtschaft nicht wahrnehmen kann. Strömungen, die<br />

längst Männer erfasst haben, und die diese auch bereits<br />

propagieren:<br />

l Dass Betonköpfe nicht die kreativen Lösungen fi nden<br />

können, die wir für die Zukunft brauchen.<br />

l Dass „Work-Life“ nicht „Arbeitsleben“ heißt, sondern<br />

„Arbeite und lebe“, und das heißt: „berücksichtige das<br />

ganze Leben bei der Berufsgestaltung. In immer mehr<br />

Unternehmen ist längst erkannt, dass nur glückliche Mitarbeiter<br />

Höchstleistungen bringen können (siehe den Beitrag<br />

auf Seite 12). Und die Arbeitsgestaltung wird danach<br />

ausgerichtet. Frauen haben als Vorkämpferinnen auch<br />

Männern die Möglichkeit für Teilzeit oder ein „Sabbatical“<br />

eröff net.<br />

l Dass Frauen gerade durch ihre weiblichen Fähigkeiten<br />

wichtige Impulse in Unternehmen einbringen können.<br />

Immer mehr Chefs wollen auf diese Impulse nicht mehr<br />

verzichten, Stichworte dazu sind Kundenzufriedenheit,<br />

Mitarbeiterführung und Teamarbeit.<br />

l Dass Frauen in Führungspositionen die besseren Zeitmanager<br />

sind. Sie kommen mit deutlich weniger Überstunden<br />

aus als ihre männlichen Kollegen, organisieren<br />

ihre Arbeit konsequenter als Männer, zeigen mehr Selbstdisziplin<br />

und gehen mit Recht früher nach Hause.<br />

l Dass „Emotionale Intelligenz“ zur Spitzenfähigkeit von<br />

Spitzenkräft en gehört. Es sind genau jene „weichen“ Eigenschaft<br />

en, die viele Frauen sich doch so mühsam abtrainiert<br />

haben.<br />

l Dass Frauen besser auf den ökonomischem, technischen,<br />

kulturellen und sozialen Wandel der Zukunft eingestellt<br />

sind, denn der verlangt Kommunikation satt. Und<br />

die ist eine Domäne der Frauen.<br />

Lebensenergie fi nden heißt:<br />

die Süße des Lebens kosten<br />

Aber auch die Bedeutung von <strong>Energie</strong> wandelt sich. Weg<br />

vom mechanischen, sehr männlichen „Oben <strong>Energie</strong> rein,<br />

Titelthema: <strong>Energie</strong> <strong>statt</strong> <strong>Power</strong> – die weibliche Erfolgsformel<br />

unten Leistung raus“ zu einer, sicher sehr stark von östlichen<br />

Weisheiten beeinfl ussten weiblichen <strong>Energie</strong>formel<br />

„Alles fl ießt“. Zu „Chi“, wie die Chinesen das Wort <strong>Energie</strong><br />

beispielsweise in Tai Chi verwenden; zu „Ki“, das japanische<br />

Wort für <strong>Energie</strong>, beispielsweise in Reiki.<br />

<strong>Energie</strong> wird auch von vormals coolen Machern neu defi<br />

niert, beispielsweise so: „Die lebensbejahende Kraft , die<br />

alles hervorbringt.“ Manche behaupten sogar, dass nach<br />

den Jahrzehnten der männlich geprägten „Yang-<strong>Energie</strong>“<br />

jetzt die Jahrzehnte der weiblichen „Yin-<strong>Energie</strong>“ die<br />

Wirtschaft bestimmen werden.<br />

In unserer Kultur bedeutete <strong>Energie</strong> immer Bewegung<br />

– schnell, laut, kräft ig. <strong>Power</strong> bedeutete kämpfen, oder<br />

du wirst verlieren. Es hieß: Höchstleistung bringen, sonst<br />

setzt du deine Karriere aufs Spiel. Hieß sich anpassen,<br />

denn Querdenker wurden nur in Anzeigen geschätzt.<br />

Auf einmal wird klar: <strong>Energie</strong> ist nicht gleich <strong>Power</strong>. Sie ist<br />

auch <strong>Power</strong>. Doch <strong>Power</strong> ist der eingeschränktere Begriff .<br />

Lassen Sie uns doch mal anschauen, was <strong>Energie</strong> in ihrer<br />

ganzen Form auszeichnet. Bernd Hohmann formuliert es<br />

so: „Lebensenergie heißt, die Süße des Lebens zu kosten.“<br />

Lebensenergie lässt sich nicht messen, weder in Watt oder<br />

Volt, hat auch nicht unbedingt immer etwas mit Leistung<br />

zu tun. Du kannst <strong>Energie</strong> nach außen schicken, und etwas<br />

bewegen. Du kannst sie aber auch nach innen schicken,<br />

und entweder in dir etwas bewegen („tut was ihr<br />

wirklich wollt“) oder auch dich ganz in Ruhe bringen, zu<br />

dir kommen.<br />

Der Wunsch nach dieser Lebensenergie, diesem „melting<br />

like honey in the sun“, ist eine ewige Sehnsucht der Menschen.<br />

In den meisten Schlagern beispielsweise wird dieses<br />

Sehnen besungen, nach Hingabe, nach Erfüllung …<br />

Oft bleibt es bei der Sehnsucht, denn diese Lebensenergie<br />

wird allzu oft vom Alltag aufgefressen, von Zwängen, in<br />

die wir uns begeben, von Ehrgeiz ohne Lockerheit, oder<br />

von Angst. Doch ohne Lebensenergie kann keine Lebensfreude<br />

entstehen. Und im Umkehrschluss: Mehr Lebensenergie<br />

bedeutet mehr Lebensfreude. Eine asiatische Weisheit<br />

sagt: „Ein Fluss, der wieder fl ießen kann, wird wieder<br />

lebendig; das Leben links und rechts erwacht.“<br />

Auf unser Leben umgesetzt: Wenn wir mehr Lebensfreude<br />

haben wollen, sollten wir <strong>Energie</strong> fl ießen lassen, nicht nur<br />

tun und tun und tun. Transpiration sollte durch Transformation<br />

ersetzt werden.<br />

Das Geheimnis dabei ist, in der Balance <strong>Energie</strong> abzugeben<br />

und <strong>Energie</strong> aufzunehmen. Hohmann: „Nur wer<br />

selbst brennt, kann andere zum Glühen bringen. Nur<br />

wenn ich selber keine Angst habe zu verbrennen, kann<br />

ich leuchten.“ Dazu gehört auch, andere <strong>Energie</strong>zustände<br />

anzunehmen.<br />

Wir sind nicht nur energetisch, wenn wir Hochleistungen<br />

bringen, sondern auch in Müdigkeit und Erschöpfung<br />

steckt <strong>Energie</strong>. Leider aber wurde bisher in unserer Gesell-<br />

– März 2012<br />

8<br />

Zurück zum Inhalt


schaft immer nur die <strong>Energie</strong> anerkannt, die nach außen<br />

wirkt. Nicht umsonst heißt „fi t sein“ in der ursprünglichen<br />

Übersetzung „angepasst“ sein. Und Charles Darwins berühmtes<br />

„survival of the fi ttest“ meint nicht, dass die Triathleten<br />

die besten Überlebens-Chancen haben – weder<br />

die männlichen, noch die weiblichen –, sondern die am<br />

besten an die Lebensbedingungen angepassten – innerlich<br />

wie äußerlich.<br />

Lebensenergie ist ein<br />

anderes Wort für „im Flow sein“<br />

„Seelenschau“, wie der Blick nach innen gern spöttisch<br />

genannt wird, hat einen verächtlichen Unterton. Laute<br />

Technomusik, zu der wir abtanzen können, ist <strong>Power</strong>. Stille,<br />

zur Meditation etwa, ist „Eso-Getue“. Und das, obwohl<br />

in beidem, in Lärm und Stille, die gleiche kraft volle <strong>Energie</strong><br />

wirkt.<br />

Kennen Sie die Geschichte „Sidharta“ von Hermann Hesse,<br />

in der ein Fährmann am Fluss sitzt, in totaler Stille? Er<br />

hört nur auf den Fluss und lernt vom Fluss. Das erinnert<br />

an den Ausdruck „Flow“, der die Management-Literatur<br />

erobert hat.<br />

Mit Flow wird der Zustand bezeichnet, in dem wir ganz in<br />

einer Arbeit, in einer Aufgabe, in einer Situation versinken.<br />

In diesem Zustand schaff en wir Außergewöhnliches.<br />

Fast trunken tauchen wir nach einiger Zeit aus diesem Zustand<br />

wieder auf, wie aus einer tiefen Trance. Wer einen<br />

solchen Flow-Zustand erlebt hat, kennt die Köstlichkeit<br />

dieses Geschenks, ganz und gar konzentriert zu sein, ohne<br />

angestrengt zu sein – ja, ohne sich überhaupt zu spüren.<br />

Im Fluss eben. Und manche empfi nden es auch so, an einen<br />

Fluss angeschlossen zu sein, der nicht nur mit ihnen<br />

selbst zu tun hat. In einem Strom sein, <strong>statt</strong> ständig unter<br />

Strom zu stehen.<br />

Mir geht es in manchen Momenten des Schreibens so:<br />

Meine Finger bewegen sich auf der Tastatur, ich sitze mit<br />

halbgeschlossenen Lidern da, und „es schreibt aus mir<br />

heraus“. Hinterher lese ich meine Texte wie eine<br />

Fremde und frage mich „Hab‘ wirklich ich das<br />

geschrieben?“ Solche Im-Flow-Passagen<br />

zählen nämlich zu den besten in meinen<br />

Büchern, den weitestgehenden,<br />

den originellsten. Ich erlebe<br />

diese Momente wie ein<br />

Geschenk, und ich spüre ein tiefes Verbundensein<br />

mit der Welt.<br />

Titelthema: <strong>Energie</strong> <strong>statt</strong> <strong>Power</strong> – die weibliche Erfolgsformel<br />

Wenn uns die Lebensenergie durchfl ießt, verspüren wir<br />

Glück, Befriedigung, Sinn. Wenn sie fehlt, empfi nden wir<br />

Mühe und Kampf, Anstrengung und Frustration. Aber<br />

was raubt uns die <strong>Energie</strong>? Es gibt zahlreiche <strong>Energie</strong>klauer:<br />

- Wenn beispielsweise in dem Unternehmen, in dem wir<br />

arbeiten, <strong>Energie</strong> vollständig in Profi t umgewandelt<br />

wird, fühlen wir uns „ausgebeutet“. Uns wird alles genommen,<br />

was wir haben, und wir bekommen nichts von<br />

dieser <strong>Energie</strong> zurück. Keine Anerkennung, kein Lob,<br />

kein Feedback, keine Ermutigung. Über- und Unterforderung<br />

sind ebenfalls <strong>Energie</strong>räuber: Routinearbeiten<br />

machen uns schlapp. Stress macht uns fertig. Wundern<br />

wir uns, wenn wir dann am Abend nicht mehr so wahnsinnig<br />

lebensfroh sind?<br />

- Es gibt Familienmitglieder, die alle anderen in der Familie<br />

aussaugen. Sie konsumieren <strong>Energie</strong> ohne Ende,<br />

geben aber nichts zurück. Vielleicht kennen Sie solche<br />

Familien, in denen stöhnend von diesen <strong>Energie</strong>klauern<br />

berichtet wird. Ich habe vor kurzem eine Frau gecoacht,<br />

die mit verzweifeltem Gesichtsausdruck schilderte:<br />

„Meine Mutter jammert ständig, dass ich sie nicht oft<br />

genug besuche. Wenn ich bei ihr bin, ist sie aber nur am<br />

Schimpfen, mäkelt an meinem Aussehen rum oder an<br />

meinem Lebensstil. Ich mag bald überhaupt nicht mehr<br />

hinfahren.“<br />

- Manche <strong>Energie</strong>klauer sitzen in unserem Freundes-<br />

oder Kollegenkreis. Jedesmal wenn wir uns mit ihnen<br />

unterhalten haben, fühlen wir uns hinterher schlechter<br />

als vorher. „Negaholiker“, wie diese Menschen genannt<br />

werden, können nur maulen, über andere hetzen, uns<br />

im wahrsten Sinne des Wortes „runterziehen“. Gerade<br />

neulich hörte ich in einem Frisiersalon, wie eine Frau<br />

sagte: „Mir gefällt diese neue Frisur gut. Aber mein<br />

Freund wird sicher wieder schimpfen.“<br />

Ich hatte mal eine <strong>Energie</strong>räuber-Freundin. Nach jedem<br />

Treff en mit ihr fühlte ich mich mies. Irgendwann wollte<br />

ich das nicht mehr. Ich sprach sie darauf<br />

an. Und sie sagte nur schnippisch:<br />

„Also, ich<br />

empfi nde das<br />

nicht so, das ist<br />

wohl dein Problem.“ Ich beschloss,<br />

dieses Problem zu lösen, und habe sie<br />

seitdem nie wieder ge- sehen. Andere<br />

Frauen haben mir von dem <strong>Energie</strong>schub<br />

berichtet, den sie empfanden,<br />

als sie beschlossen hatten, sich von einem<br />

Negaholiker-Partner nicht mehr<br />

klein machen zu lassen.<br />

- Es gibt aber<br />

auch innere<br />

Ener-<br />

– März 2012<br />

9<br />

Zurück zum Inhalt


gieklauer. Scham gehört zu den größten. Wenn ich mich<br />

schäme, bin ich mit meinem Gefühl in der Vergangenheit,<br />

bin damit also von der Lebensenergie<br />

im Heute abgeschnitten.<br />

Gründe, sich zu<br />

schämen, gibt es ohne<br />

Ende: Etwa weil ich anders<br />

bin als andere; oder weil ich ein<br />

„böses Mädchen“ bin; oder weil<br />

ich mich minderwertig fühle;<br />

oder weil ich einmal etwas<br />

Schlimmes getan habe; oder<br />

weil ich einmal etwas nicht getan<br />

habe; oder weil ich mir Fehler nicht verzeihen<br />

kann …<br />

Üben Sie Selbstachtung, <strong>statt</strong> immer<br />

streng auf sich selbst zu achten<br />

Mir selbst ging es mit meiner Figur jahrelang, ach, jahrzehntelang<br />

so. Ich schämte mich, weil ich zu dick war, nicht<br />

„passte“. Jeder Blick in den Spiegel bewies mein Versagen,<br />

meine Willensschwäche. Erst als ich mich nach 101 Diäten<br />

mit meinem Gewicht und meinem Körper aussöhnen<br />

konnte, endlich „okay“ fühlte, verschwand diese Scham. Ich<br />

beschloss, nie mehr in meinem Leben eine Diät zu machen.<br />

Von dem Tag an krempelte sich mein Leben um. Und ich<br />

bekam plötzlich massenhaft Lebensenergie.<br />

Wie lässt sich überhaupt feststellen, ob man<br />

- in einem <strong>Energie</strong>klau-Unternehmen,<br />

- in einer <strong>Energie</strong>klau-Beziehung oder<br />

- in einer <strong>Energie</strong>klau-Scham gefangen ist?<br />

Bernd Hohmann empfi ehlt eine „Selbstachtungs-Bilanz“.<br />

Denn Selbstachtung ist wie Achtung und Anerkennung<br />

ein menschliches Grundbedürfnis. Jeder Mensch braucht<br />

es,<br />

- gesehen zu werden<br />

- gehört zu werden<br />

- beachtet zu werden<br />

- geachtet zu werden<br />

- wichtig zu sein.<br />

Und so ziehen Sie Ihre<br />

Selbstachtungs-Bilanz:<br />

- Prüfen Sie sich: Steigt oder sinkt Ihr Selbstwertgefühl<br />

nach einem Arbeitstag, nach der Begegnung mit einem<br />

Familienmitglied oder einer Freundin/einem Freund?<br />

Titelthema: <strong>Energie</strong> <strong>statt</strong> <strong>Power</strong> – die weibliche Erfolgsformel<br />

- Sind Sie in einem Positiv- oder in einem Negativ-Kreislauf?<br />

Was steigt nach einer solchen Begegnung: Selbstachtung<br />

oder Verachtung?<br />

- Wie steht es um Ihre Achtsamkeit sich selbst gegenüber,<br />

gegenüber Ihrem Geist, Ihren Gefühlen, Ihrem Körper?<br />

Wird sie stärker durch die Begegnungen oder schwächer?<br />

Was uns „runter bringt“, das kostet Kraft .<br />

Psychotherapeut Bernd Hohmann, der schwerpunktmäßig<br />

in der Suchtberatung arbeitet, hat beobachtet, dass viele<br />

berufstätige Frauen„selbstw<br />

e r t m ä ß i g<br />

unterernährt“<br />

sind. „Sie hängen<br />

am Tropf des Unternehmens,<br />

bekommen nie genug<br />

Anerkennung, Streicheleinheiten. Und glauben deshalb,<br />

immer noch mehr leisten zu müssen, um gelobt zu<br />

werden.“<br />

Anders ausgedrückt: Wir verwenden einen Großteil unserer<br />

<strong>Energie</strong>, um so zu sein, wie andere uns haben wollen<br />

– Eltern, Partner, Vorgesetzte. Halt! Besser gesagt:<br />

Wir haben sie bisher so verwendet. Denn wir können das<br />

jederzeit ändern. Bernd Hohmann: „Selbstachtung kann<br />

gelernt werden!“ Durch Selbstachtung können Sie in einer<br />

Woche Ihr Leben verändern:<br />

- Hören Sie auf die Weisheit Ihres Körpers, er sagt Ihnen<br />

deutlich, was Sie brauchen.<br />

- Lassen Sie sich von Ihren Wünschen inspirieren, werden<br />

Sie kreativ, um sie zu erfüllen. Dann sind Sie mitten drin<br />

im <strong>Energie</strong>fl uss des Lebens.<br />

Warum nur eine Woche? Oft schrecken wir vor Veränderungen<br />

zurück, weil sie so nachhaltige Folgen haben.<br />

Aber eine Woche lang wird weder unser Körper<br />

verfallen, nur weil wir das gewohnte Fitness-Programm<br />

streichen. Noch wird uns unser Lover verlassen, nur<br />

weil wir mal eine Woche lang mehr Zeit für uns selbst<br />

brauchen.<br />

Die Nachbarn werden uns nicht verklagen, nur weil das<br />

Küchenfenster nicht geputzt ist. Und auch den Job riskieren<br />

wir nicht, nur weil wir einmal fröhlich pfeifend<br />

früher nach Hause gehen.<br />

Also, schenken Sie sich diese eine Woche. Danach können<br />

Sie immer noch entscheiden, ob Sie Ihnen gut getan<br />

hat oder nicht. Und ob Sie mehr von dem haben wollen,<br />

was Ihnen diese Woche an <strong>Energie</strong> geschenkt hat. Gerne<br />

möchte ich Ihnen die Weisheit eines Zen-Meisters mitgeben,<br />

der gesagt hat:<br />

„Wenn ihr gehen müsst, geht.<br />

Wenn ihr sitzen müsst, sitzt.<br />

Seid einfach euer gewöhnliches Selbst<br />

im gewöhnlichen Leben.“ n<br />

– März 2012<br />

10<br />

Zurück zum Inhalt


... ihr erwischt mich gerade dabei, wie ich in <strong>Coaching</strong><strong>heute</strong><br />

Schleichwerbung mache – lest also bitte unbedingt<br />

weiter, denn die (geringen) Mittel heiligen den Zweck. Es<br />

geht um<br />

1den Stemmerhof in Sendling (Plinganserstraße 6,<br />

knapp 2 km süd-westlichlich vom Stachus, mit U-Bahn<br />

und S-Bahn bis Harras fahren (Lageskizze und weitere<br />

Information über den Stemmerhof www.stemmerhof.de).<br />

Der Stemmerhof ist ein Bio-Ressort, ein Zentrum<br />

der Lebens-Kultur. Mehrere Lokale, Kunst, Restaurants,<br />

Suppenküche, Fischgeschäft, weitere<br />

Läden – alles mit alternativem Touch, und im<br />

Bioladen, kaufe ich selbst und günstig.<br />

2Im Stemmerhof gibt es – als Tipp für Coaches<br />

und Trainer – auch Räume zu mieten – auch<br />

für Seminare ... und für Catering wäre vor Ort<br />

mehrfach gesorgt.<br />

3Dann geht es darum, dass dort am 1. April<br />

(keine Aprilscherz!) das erste Münchner<br />

<strong>Coaching</strong> Café <strong>statt</strong>fi ndet (für <strong>Coaching</strong>-Café-Unkundige:<br />

In einem Lokal – zwanglose Atmosphäre<br />

– treffen Gäste auf dort anwesende Coaches,<br />

und man kann Gedanken und Visitenkarten<br />

etc. austauschen oder auch ein Kurz-<strong>Coaching</strong><br />

bekommen).<br />

4wird das <strong>Coaching</strong> Café klein angefangen – und zwar<br />

im Stemmerhof im Bistro CODEGA STREETFOOD, der<br />

ersten originalen Piadineria in München.<br />

Pia-was?<br />

Eine Piadina ist ein dünnes italienisches Fladenbrot, bekannt<br />

vor allem in der Emilia Romagna, das frisch auf einer<br />

heißen Platte gebacken und anschließend lecker gefüllt<br />

wird: mit Käse, Ruccola, Schinken, Salami oder Gemüse<br />

– und das alles, dem Stemmerhof entsprechend, „mit besten<br />

Bio-Zutaten, im Teig und auch bei den Füllungen,“ so<br />

Semhar Asgodom: „Jede Piadina wird frisch gebacken und<br />

gefüllt – und zwar erst, wenn sie bestellt worden ist.“<br />

Die Namensgleichheit zwischen Semhar und Sabine Asgodom<br />

erklärt sich aus dem, was Sie jetzt vermuten. Hier im<br />

Stemmerhof hat mein Sohn Anfang des Jahres mit Franziska<br />

Seidl und dem dritten Teilhaber, Robert Förster, das<br />

CODEGA STREETFOOD eröffnet. Spezialität des Hauses<br />

– siehe oben: leckere Piadinas.<br />

<strong>Coaching</strong>-Café<br />

Liebe Coach- und Trainer-Kollegen in<br />

München und im Umkreis von 800 Kilometern...<br />

Semhar Asgodom, Koch und Küchenchef<br />

des CODEGA STREET-<br />

FOOD, hat sein Metier bei Sternekoch<br />

Holger Stromberg (der unter anderem<br />

die Fußballnationalmannschaft bekocht)<br />

gelernt, er ist 29 Jahre alt und<br />

hat weitere fachliche Ausbildung in<br />

Australien erworben.<br />

Franziska Seidl, 23,<br />

stellt – als wir wieder<br />

einmal dort sind<br />

– köstlich duftende<br />

Apfel-Zimt-Muffi ns<br />

in die Vitrine.<br />

Franzi, aus<br />

einer RosenheimerKonditorendynastie<br />

stammend,<br />

backt nach Geschäftsschluss<br />

selbst noch Kuchen<br />

für die Kunden – denn<br />

das Streetfood hier ist kein<br />

Fabrikfood.<br />

Sie ist ausgebildete<br />

Restaurantfachfrau<br />

und „Barista“, sprich,<br />

sie zeichnet für den<br />

– März 2012<br />

11<br />

Zurück zum Inhalt


leckeren Kaffee im CODEGA STREETFOOD verantwortlich.<br />

Natürlich Bio-Kaffee mit köstlichem Milchschaum, natürlich<br />

ebenfalls Bio oder aus Sojamilch.<br />

Robert Förster hat die Idee zur Geschäftseröffnung<br />

gehabt. Sein Vater<br />

Franco Saponi betreibt ein schönes<br />

Familienhotel erfolgreich im Herzen von<br />

Rimini. Auf der Strandstraße vor dem<br />

Hotel reihen sich unzählige Piadinabars.<br />

Die Piadina war daher seit Roberts<br />

Kindertagen ein fester Bestandteil des<br />

Abendessens.<br />

Das CODEGA STREETFOOD ist täglich geöffnet,<br />

werktags von 9 bis 19 Uhr, Samstags von<br />

10 bis 16 und Sonntags von 12 bis 18 Uhr. Der<br />

Name leitet sich ab von dem Berufsstand der<br />

Codega in Venedig – das waren Lampenträger,<br />

die einst Menschen, die aufgrund von Lebensgenüssen<br />

an Abenden nicht mehr geh- und<br />

sehtüchtig waren, nach Hause geleitet haben,<br />

weil sie bei einem Sturz in Venedigs Kanäle<br />

auch nicht mehr seetüchtig waren.<br />

Dass Semhar Asgodom Koch und seit Kindertagen<br />

mit Robert befreundet ist, führte<br />

zu einigen Besuchen in Vater Francos Hotel.<br />

Mittags am Strand und natürlich auch Nachts<br />

als Gute-Nacht-Snack wurden die umliegenden<br />

Piadinabars ausgiebig getestet. Bei<br />

Lella, so heisst die beste Piadinabäckerin in<br />

Rimini, wurde ausgiebig<br />

geschlemmt, und kein Tag<br />

verging ohne den leckeren<br />

Teigfl aden. Warum gibt es<br />

die bei uns eigentlich nicht<br />

so? Weil‘s keiner macht, war<br />

die Antwort. Robert, eigentlich<br />

Sport und Fitnesskaufmann,<br />

hatte plötzlich ein<br />

Glänzen in den Augen und<br />

wusste sofort wer die Piadina<br />

nach München – in die<br />

nördlichste Stadt Italiens<br />

– bringt. Wir!!!.<br />

LAGEPLAN INFORMATIONEN<br />

<strong>Coaching</strong>-Café<br />

Die Piadinabar CODEGA<br />

STREETFOOD ist täglich<br />

geöffnet:<br />

werktags von 9 bis 19 Uhr,<br />

Samstags von 10 bis 16 Uhr<br />

Sonntags von 12 bis 18 Uhr.<br />

Mehr Informationen bekommen<br />

Sie demnächst unter:<br />

www.codega-streetfood.de<br />

Der Stemmerhof ist ein<br />

Zentrum der Lebens-Kultur,<br />

ein Bio-Ressort. Mehrere<br />

Lokale, Kunst, Restaurant,<br />

Suppenküche, Fischgeschäft,<br />

weitere Läden – alles<br />

mit alternativem Touch.<br />

www.stemmerhof.de<br />

– März 2012<br />

12<br />

Zurück zum Inhalt


Serie: Neue Arbeitsfelder für Coaches<br />

<strong>Coaching</strong><strong>heute</strong>-Serie: Neue Arbeitsfelder für Coaches (Teil 2)<br />

DAS MANAGEMENT<br />

ENTDECKT DEN<br />

MENSCHEN<br />

Und Coaches können dazu beitragen, dass<br />

Entdecker wie Entdeckte Freude an der gemeinsamen<br />

Arbeit haben<br />

Das Management entdeckt den Menschen“ – der<br />

Titel dieses Beitrages ist geklaut, aber ich habe ihn<br />

wenigstens bei mir selbst geklaut.<br />

Ausgabe 4/1976 von Psychologie <strong>heute</strong> hatte das<br />

Titelthema „Die Medizin entdeckt den Menschen“, es ging um<br />

psychosomatische Medizin, um die Einbeziehung von Psychologen<br />

in die Behandlung „des Blinddarms von Zimmer 7“.<br />

Psychologie <strong>heute</strong> hat durch Berichte dieser Art dazu beitragen<br />

können, dass hinter dem Menschen als „Fall“, der Th erapie<br />

braucht, der real existierende Mensch gesehen wird.<br />

<strong>Coaching</strong> <strong>heute</strong> soll in ähnlichem Geist dazu beitragen, dass es<br />

in der Wirtschaft nicht immer nur um den „Faktor Mensch“<br />

oder gar den „Kostenfaktor Mensch“ geht. Stattdessen ist es<br />

Aufgabe von Management und Menschenführung, die Mitarbeiter<br />

zum Aufb lühen zu bringen. Weil sie dann – genau dann<br />

und nur dann (!) – den ihnen größtmöglichen Beitrag zum<br />

Aufb lühen des Unternehmens leisten.<br />

Mitarbeiter zum Aufblühen bringen –<br />

„watt is‘ dat denn“<br />

Zwei Worte haben Sie in englischsprachigen Texten über Menschenführung,<br />

Management und Selbst-Management gelesen,<br />

und Sie werden sie immer häufi ger lesen: fl ourishing und thriving<br />

– thrive heißt: gedeihen, fl orieren, blühen, aufb lühen, Erfolg<br />

haben, gut gehen (mir geht es gut oder meinen Geschäft en<br />

geht es gut).<br />

Und fl ourish heißt ziemlich genau dasselbe: aufb lühen, blühen,<br />

fl orieren, ergrünen, eine Blüte (oder eine Blütezeit) erleben,<br />

geschäft lich erfolgreich sein, sich gut entwickeln, großen Erfolg<br />

haben. Wem läuft da, bei thriving und fl ourishing nicht das<br />

Wasser im Munde zusammen!<br />

Um diese beiden Worte und was in ihnen steckt, geht es<br />

in der Titelgeschichte der Ausgabe 01/02 2012 des Harvard<br />

Business Review. Wie dies flourishing und thriving der<br />

Menschen entsteht, ist der rote Faden, der sich fast durch<br />

das gesamte Heft zieht.<br />

Und da der Harvard Business<br />

Review als „Prawda der Weltwirtschaft “<br />

angesehen wird, sollten Führungskräfte<br />

und Coaches diese HBR-Ausgabe<br />

kennen. Sie fi nden hier in <strong>Coaching</strong><strong>heute</strong><br />

davon nicht viel mehr als ein<br />

paar Appetit-Häppchen, deshalb sollten Sie versuversuchen, das Original noch zu bekommen, Reprints herunterzuladen<br />

oder zumindest die deutschsprachige Ausgabe (April 2012,<br />

erscheint am 27. März) zu lesen. Angekündigt ist als Schwerpunktthema<br />

„Vom Wert des Glücks“ (im Original Th e Value of<br />

Happiness), und der gelbe Smiley hat keine Dollar-, sondern<br />

Euro-Zeichen in den nach oben gezogenen Mundwinkeln.<br />

Warum sollten Führungskräfte sich um das Glück<br />

ihrer Mitarbeiter kümmern?<br />

Der Harvard Business Review (im Folgenden als HBR abgekürzt)<br />

sagt gleich auf dem Cover, wie wertvoll glückliche Mitarbeiter<br />

für den Unternehmens-Erfolg sind. „Well-Being drives<br />

Profi ts“. Well-Being treibt die Profi te nach oben.<br />

Well-Being meint wörtlich Wohlsein, Wohlbefi nden oder<br />

Wohlergehen – etwa wie es in den Zehn Geboten heißt: … auf<br />

dass es dir wohlergehe und du lange lebest auf Erden. So weit, so<br />

gut, aber zufriedenstellend sind diese deutschen Worte nicht,<br />

weil sie sich wie die ausgetretenen Sandalen von Onkel Herbert<br />

anfühlen und zur Umgangssprache gehören wie Tante Marthas<br />

abgespreizter kleiner Finger an der Teetasse.<br />

Als Tipp: Wer einen deutschen Ausdruck für Well-Being fi ndet,<br />

der umgangssprachen-tauglich ist, hat vermutlich das nächste<br />

Wort des Jahres gefunden, denn der Geist von „Well-Being<br />

drives Profi ts“ wird uns lange umwehen.<br />

Dass Mitarbeiter, die anständig und ordentlich behandelt werden,<br />

dies mit guter Leistung, kooperativem Wesen und guter<br />

– März 2012<br />

13<br />

Zurück zum Inhalt


Motivation zurückzahlen, ist eigentlich selbstverständlich. Oder<br />

sollte es zumindest für Manager sein, denn auch sie haben als Kind<br />

gelernt „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem<br />

andern zu“. Die beiden Kern-Elemente schlechter Führung sind<br />

ja,<br />

a) sich selbst schlecht aufzuführen und<br />

b) respektlos zu sein.<br />

Warum sollten Führungskräfte sich um das Glück ihrer<br />

Mitarbeiter kümmern?<br />

Es gilt aber auch die Umkehrung des Satzes, nämlich: „Was du<br />

willst, dass man dir tu, das füg zuerst den andern zu.“ Was also<br />

fügen die Führungskräft e, die ihre Mitarbeiter zu hoher Leistung<br />

motivieren, den andern zu? Der HBR dokumentiert dies in Ausgabe<br />

1/2 2012 in bekannter Deutlichkeit. Hier einige Beispiele nur:<br />

l Rainer Werner Fassbinders Film-Titel „Angst fressen Seele auf “<br />

zeigt, was die Sollbruchstelle ist. Herauszufi nden, wer wem wann<br />

und wodurch Angst macht, und das dann abzustellen, setzt Seelenkräft<br />

e frei: Motivation, Durchhaltewillen, Engagement, Kreativität<br />

etc.<br />

l Vorgesetzte sollten garnicht erst versuchen, ihre Mitarbeiter<br />

„happy“ zu machen. Viele Vorgesetzte glauben, dass sie sich Engagement<br />

und Leistung ihrer Mitarbeiter durch Geld, Lob, Freizeitregelungen<br />

oder andere – fälschlicherweise so genante – Motivatoren<br />

kaufen könnten. Das einzige, was Menschen sicher und zuverlässig<br />

motiviert, ist eine Arbeit, an der die Menschen Freude haben. Und<br />

wenn die Arbeit keine Freude erzeugt, gibt es eine Hilfsgröße: Gegenseitiger<br />

Ansporn in einem Team. Hier sind die wichtigen „Stellschrauben“<br />

für gute Mitarbeiter-Führung:<br />

l Mathew Killingsworth von der Harvard University empfi ehlt,<br />

die „großen Motivatoren“ zu vergessen: hohes Gehalt, besondere<br />

Titel, das größere Geschäft sauto … all dies gibt einen kurzfristigen<br />

Kick. Es bringt aber auf Dauer keine stärke Leistungsmotivation.<br />

Wichtiger als die großen – aber eher einmaligen – „Motivatoren“<br />

ist, ständig am Motivations-Tropf zu hängen: Feedback geben<br />

(oder auch Feedforward – siehe Seite 26), loben, wenn es was zu<br />

loben gibt, als Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen – fachlich<br />

und manchmal auch menschlich, das „produziert“ motivierte<br />

Mitarbeiter.<br />

l Ziele setzen motiviert, sagt Harvard-Psychologe Prof. Daniel<br />

Gilbert, motiviert aber nur dann, wenn die Ziele herausfordernd,<br />

aber nicht überfordernd und somit außer Reichweite sind.<br />

l Gilbert empfi ehlt, mit Mitarbeitern nicht darüber zu verhandeln,<br />

auf welche Weise sie motiviert werden wollen. Wir alle sind schlecht<br />

darin vorauszusagen, was uns glücklich macht und wie lange es uns<br />

glücklich macht, Ein neues Haus, ein neuer Freund, ein neues Auto<br />

– wir Menschen gewöhnen uns rasant an das, was wir vor kurzem<br />

noch für außerordentlich motivierend gehalten haben.<br />

Serie: Neue Arbeitsfelder für Coaches<br />

DREI ODER VIER<br />

ARTEN VON GLÜCK<br />

ODER HAPPINESS<br />

1. Es gibt ein Zufalls-Glück, ein Schweine-Glück<br />

– also gute Ereignisse, für die man nichts<br />

getan hat und nichts kann. Dies Glück ist<br />

im Folgenden nicht gemeint, und falls doch,<br />

wird extra darauf hingewiesen.<br />

2. Es gibt ein Gefühl, einen Seelen-Zustand,<br />

der als „glücklich“ bezeichnet wird, der wird<br />

im Folgenden mit „die positive Emotion des<br />

Glücklich-Seins“ o.ä. umschrieben.<br />

3. Es gibt eine dritte Bedeutung von „Glück“<br />

– und um die geht es in aller Regel, wenn Sie<br />

auf die fünf Buchstaben g und l und ü und<br />

c und k stoßen. Diese Art von Glück taucht<br />

in Redewendungen auf wie „das ist mir geglückt“,<br />

ein „geglückter Versuch“, „ein letztlich<br />

doch geglücktes Vorhaben“ oder sogar<br />

„ein geglücktes Leben“. Diese Art von Glück<br />

meint: Ich tue etwas, ich strenge mich an,<br />

aber ich habe es nicht vollständig unter Kontrolle,<br />

ob es mir glückt.<br />

Gemeint ist, was im „Faust“ manchmal das<br />

Erlösungsmotiv genannt wird: „Wer immer<br />

strebend sich bemüht, den können wir erlösen“<br />

oder wie es in einem kirchlichen Erntedank-Lied<br />

heißt: „Wir pfl ügen und wir streuen<br />

den Samen auf das Land, doch Wachstum<br />

und Gedeihen liegt in des Himmels Hand“.<br />

Insofern ist das Cover des Harvard Business<br />

Review auf Seite 13 nicht gut geglückt, denn<br />

mit „Happiness“ ist von den Kollegen nicht<br />

die Lizenz zum Dauergrinsen gemeint.<br />

4. Manche Verwirrung gestiftet hat auch jene<br />

Formel, die Thomas Jefferson in die Erklärung<br />

der Unabhängigkeit der Vereinigten<br />

Staaten von der britischen Krone geschrieben<br />

hat: das Grundrecht auf Life, Liberty and<br />

the pursuit of Happiness, garantiert wurden<br />

Leben, Feiheit und das Streben nach Glück.<br />

Millionen Menschen sind in die USA ausgewandert,<br />

um dort „ihr Glück zu machen“. Ansonsten<br />

aber meint Happiness die positive<br />

Emotion des Glücklich-Seins“.<br />

Weil es trotz solcher Unterscheidungen<br />

schwer ist, „Glück“ für alle Menschen verbindlich<br />

zu defi nieren, verzichtet Martin Seligman<br />

inzwischen auf den Begriff und spricht<br />

nur noch von „Well-Being“. Mehr dazu in der<br />

nächsten <strong>Coaching</strong><strong>heute</strong>.<br />

– März 2012<br />

14<br />

Zurück zum Inhalt


l Und Gilbert glaubt, dass wir Mitarbeiter oft nach ihrem momentanen<br />

Befi nden befragen sollten. Die Antworten auf solche Fragen<br />

sind zuverlässig nahe an der Wahrheit gebaut. Selbsteinschätzungen<br />

über größere Zeiträume sind hingegen nicht zuverlässig. Deshalb<br />

müssen auch schwerste Schicksalsschläge, die sich selbstverständlich<br />

auch auf die Leistung von Menschen auswirken, nicht<br />

für unabänderbar genommen werden. Erfahrungswerte zeigen,<br />

dass auch das Schlimmste nach drei Monaten an Virulenz verloren<br />

hat. Ausnahme: Die seelischen Wunden werden immer wieder neu<br />

aufgerissen – und dabei ist es gleich, ob dies aus dem Willen heraus<br />

geschieht, helfen zu wollen.<br />

l Kevin Ryan, CEO der Gilt Groupe, erklärt, warum er als CEO<br />

die Personalarbeit nicht etwa seiner Personalabteilung überlässt,<br />

sondern den größten Teil seiner Arbeitszeit dem Recruiting von<br />

Mitarbeitern und dem Personal-Management widmet. Er geht<br />

auch nicht den Dienstweg, wenn er mit Mitarbeitern – gleich auf<br />

welcher hierarchischen Ebene – spricht. Er glaubt, dass gerade für<br />

das Unternehmen wichtige Mitarbeiter kündigen, wenn sie ihre<br />

Vorgesetzen nicht mögen oder nicht respektieren können.<br />

In der Gilt Groupe (eine Shopping Website für „Luxussüchtige<br />

Schnäppchenjäger“), werden Mitarbeiter aufgrund von persönlichen<br />

Empfehlungen eingestellt und nicht aufgrund von Lebensläufen<br />

(die immer auch getürkt sein können) oder aufgrund von<br />

Job-Interviews (weil es Selbst-PR-Genies gibt, die als Angestellte<br />

aber enttäuschend wenig leisten).<br />

l Wiederlegt wird die Th ese, dass Erfolg glücklich macht. Es ist<br />

genau umgekehrt: Bei KPMG and Pfi zer konnte nachgewiesen<br />

werden, dass zuerst die happiness und dann die Erfolge kommen.<br />

Glücklichere Mitarbeiter sind produktiver, kreativer und sind bessere<br />

Problemlöser. Well-Being-Programme sind ein Gebot der<br />

Stunden wirtschaft lich herausfordernder, ja belastender, Zeiten.<br />

l Eine Ökonomie des Well-Being zeichnet sich ab. Soll heißen:<br />

Wirtschaft sexperten wenden sich ab von dem zur Zeit noch wichtigsten<br />

Maß für eine Volkswirtschaft , vom BIP (Bruttoinlandsprodukt.<br />

Englisch: GDP für gross domestic product). Das BIP erfasst<br />

in etwa den „Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, einer<br />

Volkswirtschaft “, es wird kritisiert, weil BIP oder GDP<br />

a) nicht alle wirtschaft lichen Aktivitäten berücksichtigt<br />

b) weder die wirtschaft liche, noch die die Umwelt betreff ende<br />

Nachhaltigkeit berücksicht und weil es<br />

c) andere Mess-Verfahren gibt, die Faktoren der Lebensqualität<br />

mit berücksichtigen (Leistungen des Erziehungssystem, Gesundheit<br />

oder Lebenserwartung zum Beispiel).<br />

Nicolas Sarkozy hat ein der Ökonomie des Well-Being näher kommendes<br />

Maß in Frankreich eingeführt. Die arbeiten seit Jahren mit<br />

dem „Human Development Index“, und viel Aufmerksamkeit wird<br />

der Kritik geschenkt, die Robert Kennedy kurz vor seinem Tod am<br />

GDP geübt hat (siehe Seite 16)<br />

l Die Managementprofessorinnen Gretchen Spreitzer und Christine<br />

Porath belegen mit harten Zahlen, wie Unternehmen von<br />

Serie: Neue Arbeitsfelder für Coaches<br />

„TEILE UND HERRSCHE“,<br />

DAS WAR MAL, DAS IST<br />

MÄNNERKRAM.<br />

„TEILEN“ HEISST ABER<br />

AUCH SHARING.<br />

„Teile und Herrsche“, divide et impera – das<br />

Wort geht auf den „Philosophen der Macht“,<br />

Niccolò Machiavelli, zurück. Es galt bis in unsere<br />

Zeit hinein als Führungs-Tipp: Nimm‘ es<br />

nicht mit allen nur möglichen Gegnern gleichzeitig<br />

auf. Tue alles dir mögliche, damit sich<br />

nicht alle möglichen Gegner gegen dich verbinden.<br />

Wo Kriege geführt werden, macht divide et<br />

impera Sinn. Aber wo Menschen geführt<br />

werden, ist es eine Kriegserklärung an die<br />

Mitarbeiter, an die Kollegen und an die Vorgesetzten:<br />

„Zieh‘ die Wichtigen auf deine Seite,<br />

damit sie dir nicht gefährlich werden …“. Und<br />

mit denen, die stärker sind als du, schließe Allianzen:<br />

„If you cant‘t beat them, join them.“<br />

Aber ist das eine Führungsphilosophie? Nein.<br />

Es sind „Last minute“-Tipps für Menschen,<br />

die ihre eigene Haut retten wollen. Und nach<br />

aller Erfahrung sind es eher Männer als Frauen,<br />

die ihre Haut nach Kriegsregeln zu retten<br />

glauben.<br />

Teile und herrsche? Das Wort „teilen“ hat ja<br />

durchaus noch eine andere Bedeutung: etwas<br />

mitteilen, etwas mit anderen teilen, und über<br />

Facebook – und die notorische Aufforderung,<br />

den Share-Button zu benutzen – dringt es als<br />

„sharing“, „etwas sharen“ oder „ich share das<br />

mit dir“ in unsere Alltagssprache ein. Und so<br />

ergibt sich:<br />

• Teilen kann kleinmachen – so wie es Machiavelli<br />

seinem Fürsten empfohlen hat: Diejenigen<br />

Gegner oder möglichen Feinde auf<br />

die eigene Seite ziehen – oder sich auf deren<br />

Seite begeben. Sollen wir das einmal den<br />

„typisch männlichen“ Führungsstil nennen?<br />

Widerspruch?<br />

• Teilen kann aber auch groß machen, kann<br />

Gemeinschaft stiften. Und gibt es Widerspruch,<br />

wenn wir das eher als „typisch weiblichen“<br />

Führungsstil bezeichnen?<br />

Immer noch kein Widerspruch?<br />

– März 2012<br />

15<br />

Zurück zum Inhalt


Mitarbeitern, die aufb lühen (Stichwort „Th riving“),<br />

profi tieren. Im Vergleich mit vor sich hinwelkenden<br />

Mitarbeitern in ähnlichen Positionen, zeigt sich bei<br />

den Aufb lühenden:<br />

- eine nach Einschätzung ihrer Manager um 16 %<br />

bessere performance,<br />

- deutlich weniger burnout als Kollegen an vergleichbaren<br />

Arbeitsplätzen,<br />

- 32 % mehr commitment zum Unternehmen und<br />

eine<br />

- um 46% höhere Arbeitszufriedenheit<br />

„Th riving“ heißt: mehr Vitalität; mehr Begeisterung;<br />

ein stärkeres Gefühl, lebendig zu sein und am Leben<br />

teilzunehmen; mehr lernen, mehr wissen, besser<br />

ausgebildete Fähigkeiten (skills), und ein guter<br />

Einfl uss auf die Kollegen, ebenfalls mehr Vitalität zu<br />

entwickeln. Um das zu erreichen, braucht es keine<br />

großen und teuren und zweitaufwendigen Programme.<br />

Es reichen:<br />

- mehr Entscheidungsfreiheit<br />

- mehr Information über das Unternehmen und Unternehemensstrategien<br />

- weniger Unhöfl ichkeit und Grobheiten im Umgang<br />

miteinander<br />

- und zuverlässige, häufi ge Rückmeldungen über die<br />

Arbeitsergebnisse.<br />

MolinskySpreitzer und Porath belegen, dass diese<br />

Veränderungen nachhaltig sind.<br />

l Versuchen Sie nicht, Ihre Mitarbeiter zufrieden<br />

zu machen, raten im HBR die Management-Professorinnen<br />

Gretchen Spreitzer und Christine Porath.<br />

Zufriedenheit ganz in der Nähe von Selbstgefälligkeit,<br />

Selbstzufriedenheit, Wohlbehagen – das ist keine<br />

dynamische Nachbarschaft .<br />

l Spreitzer und Porath empfehlen, nicht zu viel<br />

Zeit für das Ersinnen von Methoden zur Mitarbeiter-Motivation<br />

aufzuwenden, sondern ihren<br />

Führungsstil an einem anderen Begriff zu verankern:<br />

THRIVING. Das heißt: gedeihen, fl orieren,<br />

blühen, aufb lühen. Sie raten, nach Mitarbeitern<br />

zu suchen, die in der Arbeit und durch die Arbeit<br />

aufb lühen wollen und die <strong>Energie</strong> haben, um für<br />

sich – und für das Unternehmen – eine blühende<br />

Zukunft zu erarbeiten.<br />

l Die zweite Empfehlung von Spreitzer und Porath<br />

ist: Fördern Sie Mitarbeiter, die neugierig sind, die<br />

nicht schon alles zu wissen meinen, sondern noch<br />

lernen wollen. Wer lernt, entwickelt sich weiter<br />

– und diese Entwicklung geht dann in Richtung<br />

THRIVING. n<br />

Serie: Neue Arbeitsfelder für Coaches<br />

JETZT WIRD NICHT MEHR IN DIE HÄNDE<br />

GESPUCKT. WIR PFEIFEN AUFS BRUTTO-<br />

SOZIALPRODUKT<br />

Robert Kennedys Kritik an der US-Wirtschaft am 18. März<br />

1968, wenige Wochen vor seiner Ermordung am 6. Juni 1968<br />

Too much and too long, we seem to have surrendered community excellence and<br />

community values in the mere accumulation of material things. Our Gross National<br />

Product, now, is over eight hundred billion dollars a year, but that GNP -- if<br />

we should judge America by that -- counts air pollution and cigarette advertising<br />

and ambulances to clear our highways of carnage. It counts special locks for our<br />

doors and the jails for those who break them. It counts the destruction of our redwoods<br />

and the loss of our natural wonder in chaotic sprawl. It counts napalm and<br />

the cost of a nuclear warhead, and armored cars for police who fi ght riots in our<br />

streets. It counts Whitman‘s rifl e and Speck‘s knife, and the television programs<br />

which glorify violence in order to sell toys to our children. Yet the Gross National<br />

Product does not allow for the health of our children, the quality of their education,<br />

or the joy of their play. It does not include the beauty of our poetry or the strength<br />

of our marriages, the intelligence of our public debate or the integrity of our public<br />

offi cials. It measures neither our wit nor our courage, neither our wisdom nor<br />

our learning, neither our compassion<br />

nor our devotion to<br />

our country; it measures everything,<br />

in short, except that<br />

which makes life worthwhile.<br />

And it can tell us everything<br />

about America except why<br />

we are proud that we are<br />

Americans.<br />

Frei übersetzt: Zu oft und zu lange, haben wir die Leistungen und Werte<br />

unserer Gesellschaft als eine Anhäufung materieller Dinge gesehen. Unser<br />

Bruttosozialprodukt beträgt mittlerweile mehr als 800 Milliarden Dollar im<br />

Jahr, aber diese Zahl – so sie denn überhaupt etwas über die USA etwas<br />

aussagt – schließt die Folgen von Luftverschmutzung, Zigarettenwerbung<br />

und Notfalleinsätzen auf unseren Straßen, die dem täglichen Gemetzel dort<br />

Herr werden wollen, ein. In die Ermittlung des Bruttosozialprodukts fl ießt der<br />

Aufwand für Sicherheitsschlösser in unseren Häusern und der Bau von Gefängnissen<br />

für jene, die diese Schlösser knacken, mit ein. Die Abholzung von<br />

majestetischen Wäldern und der Verlust von Naturwundern werden unterschiedslos<br />

mitgezählt. Die Ausgaben für Napalm, atomare Sprengköpfe und<br />

gepanzerte Fahrzeuge für Polizeikräfte, die zu Straßenkämpfen gerufen werden,<br />

ebenso. Im Bruttosozialprodukt werden die Gewehre und Messer der<br />

Gangs mitgezählt und die Ausgaben für jene Fernsehprogramme, die Gewalt<br />

verherrlichen, um entsprechendes Spielzeug an unsere Kinder zu verkaufen.<br />

Das Bruttosozialprodukt trifft dagegen keine Aussagen über die Gesundheit<br />

unserer Kinder, die Qualität ihrer Bildung und die Freude ihres Spiels. Es<br />

macht keine Angaben über den Reichtum unserer Dichtung, die Stabilität<br />

unserer Ehen oder die Unbestechlichkeit unserer Verwaltung. Es misst weder<br />

Gedankenfülle noch Zivilcourage, weder Weisheit noch Verstand, weder<br />

Mitgefühl noch Hingabe an unser Vaterland. Es hält, kurzum, alles statistisch<br />

fest, nur nicht das, was dem Leben Sinn gibt. Es schlüsselt die USA auf, aber<br />

sagt nichts darüber aus, warum wir stolz auf dieses Land sind. n<br />

– März 2012<br />

16<br />

Zurück zum Inhalt


SPIEGEL WISSEN, Heft 1/2012<br />

Eine wirklich lohnende Investition in die Weiterbildung<br />

aller Menschen, die berufl ich mit<br />

der schwierigsten Materie zu tun haben: mit<br />

Menschen. In dieser Randspalte über 3 Seiten<br />

fi nden Sie das Inhaltsverzeichnis. Vielleicht ist<br />

etwas für Sie dabei. Den Beitrag von Seite 104<br />

stellen wir Ihnen rechts näher vor:<br />

DAS ERSCHÖPFTE ICH<br />

6 Leben am Limit: Schnell noch mal die Mails checken,<br />

der nächste Termin wartet schon, wo ist<br />

bloß diese Kopie, gleich fängt die Videokonferenz<br />

an - der Takt des Alltags ist kurzatmig geworden,<br />

hektisch, ungesund.<br />

12 Im Krater der Seele: Ein Mann glaubt, alles richtig<br />

zu machen: Top-Karriere, tolle Frau, schönes Haus.<br />

Plötzlich läuft sein Leben aus dem Ruder. Die Geschichte<br />

einer Krise - und ihrer Überwindung.<br />

16 DIE ERSCHÖPFUNGSSPIRALE: Wie sich die Psyche<br />

auf dem Weg in die Depression verändert -<br />

Merkmale eines Prozesses in drei Stufen<br />

18 „Der Chef als Löwe“: Der Psychiater Hans-Peter<br />

Unger über verschiedene Formen der Erschöpfung,<br />

den richtigen Umgang mit Stress und die<br />

aktuelle Burnout-Debatte<br />

Wie kommen wir<br />

gestressten Menschen<br />

zu uns<br />

selbst? Diesem Thema geht<br />

Angela Gatterburg im SPIE-<br />

GEL WISSEN, 1/2012 nach,<br />

sie präsentiert dazu vier Coaches<br />

im Bild – und entlastet<br />

dabei bereits im Vorspann<br />

bereits die Psychotherapeuten-Gilde<br />

von ihrer selbstauferlegten<br />

Pfl icht, für alles<br />

menschliche Leid beratend,<br />

helfend und heilend zuständig<br />

zu sein.<br />

Angela Gatterburg macht<br />

dies mit einer einzigen Zeile,<br />

die übrigens an „Es muss<br />

nicht immer Kaviar sein“, den<br />

Erfolgs-Roman von Johannes<br />

Mario Simmel, erinnert: „Es<br />

muss nicht gleich Psychotherapie<br />

sein …“ wenn es in<br />

der Seele zwickt und zwackt<br />

oder – und bestimmt genau<br />

so häufi g – wenn in der Seele<br />

nichts mehr gespürt wird<br />

und Menschen sich nicht<br />

mehr selbst spüren.<br />

Was dann tun? Was ist die<br />

Alternative zum Aufsuchen<br />

eines Psychotherapeuten?<br />

SPIEGEL WISSEN klärt auf:<br />

„… auch ein Coach kann helfen,<br />

Probleme zu lösen.“ Und<br />

wie Coaches das tun, lässt<br />

sich am Beispiel von vier<br />

Coaches, die jeweils ihren ei-<br />

<strong>Coaching</strong> oder Psychotherapie<br />

„ES MUSS NICHT GLEICH<br />

PSYCHOTHERAPIE SEIN,<br />

AUCH EIN COACH KANN<br />

HELFEN, PROBLEME ZU<br />

LÖSEN“<br />

genen Weg und ihre eigenen<br />

Schwerpunkte setzen, schildern:<br />

„Typ 1“ – zum Beispiel Dr.<br />

Jutta Rossellit, ein Coach<br />

als Refl exions-Partner<br />

Angela Gatterburg schreibt:<br />

„Manche Menschen bringen<br />

ihr Leben so regelmäßig auf<br />

den Prüfstand wie ihr Auto zur<br />

Inspektion und suchen sich dafür<br />

einen Coach.<br />

Den meisten ist dabei klar, dass<br />

die kritische Betrachtung des<br />

eigenen Daseins komplizierter<br />

ist als die technische Untersuchung<br />

eines Wagens – aber<br />

auch reizvoller.<br />

Ein solcher Refl exions-Partner<br />

ist zum Beispiel Dr. Jutta<br />

Rossellit aus Hamburg, die für<br />

Menschen bereit steht, „die ihr<br />

Leben so regelmäßig auf den<br />

– März 2012<br />

17<br />

Zurück zum Inhalt


24 So ein Stress: Millionen Menschen fühlen sich<br />

chronisch erschöpft, schon ist eine neue Volkskrankheit<br />

ausgerufen. Nun streiten Ärzte und<br />

Therapeuten, wie das Gesundheitssystem damit<br />

umgehen soll.<br />

28 Die Melancholie am Kühlregal: Wie unser Leben<br />

zur Arbeitsfl äche wurde.<br />

32 Gestörtes Netzwerk im Gehirn: Ständiger Stress<br />

beeinträchtigt die Funktion der Nervenzellen und<br />

kann eine Depression bewirken. Mit richtiger Diagnose<br />

und Therapie lässt sich die Erkrankung besiegen.<br />

38 ZIEL: GELASSEN LEBEN: Ein Routenplan in elf Stationen.<br />

WIE DER STRESS ENTSTEHT<br />

40 Vernetzt in den Wahnsinn: Die Arbeitswelt erwartet<br />

<strong>heute</strong> große Flexibilität und permanenten<br />

Einsatz. Grenzen werden überschritten - geografi -<br />

sche, zeitliche und menschliche.<br />

48 „Keine Nachrichten am Wochenende“: Arbeitsministerin<br />

Ursula von der Leyen, 53, über psychische<br />

Belastung in Betrieben und ihre persönliche Erfahrung<br />

mit Erschöpfung<br />

50 Gelbe Karte für den Körper: Was Menschen in die<br />

Überforderung treibt - Fallgeschichten aus dem<br />

Arbeitsleben.<br />

54 „Ich brauch doch gute Noten!“: Ist das Bildungssystem<br />

daran schuld, dass viele Studenten unter<br />

dem Druck des gesteigerten Leistungstempos<br />

leiden? Sie haben Schlafstörungen, werden psychisch<br />

krank, schlucken Antidepressiva.<br />

58 Kindheit im Fulltime-Job: Bereits Schüler leiden<br />

an chronischem Stress und Überforderung. Einige<br />

Schulen setzen auf Prävention.<br />

61 „ICH KRIEG DAS HIN“: Protokoll eines Schüleralltags:<br />

Für Jula Mächler, 17, läuft das letzte Jahr vor<br />

dem Abitur.<br />

64 „Das ist ja nicht ansteckend“: Zwei Fußballer sprechen<br />

über ihre Erkrankung: Der eine möchte anonym<br />

bleiben, Torwart Markus Miller will aufklären.<br />

68 „Essen Sie doch ein paar Nüsse“: Mobbing kann<br />

Menschen an den Rand ihrer Kräfte und in eine<br />

Krankheit treiben. Doch das schikanöse Spiel ist<br />

schwer zu beweisen.<br />

70 Ausgestreckt am Expander: Politiker balancieren<br />

auf einem schmalen Grat zwischen narzisstischer<br />

Befriedigung und dem Scheitern. Noch immer besteht<br />

ein Tabu, offen über Schwäche zu reden.<br />

74 Der Feind in dir: Wenn Menschen Kränkungen<br />

nicht verwinden, werden sie für sich und andere<br />

unerträglich. Ein Berliner Psychiater hat die „Verbitterungsstörung“<br />

erforscht.<br />

76 Glaser lässt abschalten: VON MARTIN SUTER.<br />

Prüfstand wie ihr Auto zur<br />

Inspektion (bringen)“ und die<br />

sich deswegen eben nicht an<br />

Psychotherapeuten, sondern<br />

an Coaches wenden. Denn sie<br />

suchen keine Reparaturwerk<strong>statt</strong>,<br />

sondern eine – um im<br />

Bild zu bleiben – Inspektion,<br />

und bei der geht es auch nicht<br />

darum, dann doch zu „reparierende“<br />

Fehler, Mängel und<br />

Schwächen zu fi nden, sondern<br />

aus einem „diff usen Unbehagen“<br />

herauszukommen, sich<br />

neue Ziele und Wünsche zu<br />

formen und (vielleicht) zu der<br />

Erkenntnis zu kommen: „Ich<br />

werde etwas ändern.“<br />

„Typ 2“ – zum Beispiel<br />

Prof. Dr. Lothar Seiwert:<br />

ein Coach als Lehrer.<br />

Er predigt an gegen die<br />

„Hetzkrankheit“ und lehrt<br />

die Menschen zur Selbstbestimmung<br />

zu kommen<br />

Lothar Seiwert ist u.a. Co-<br />

Autor des Buches ,,Simplify<br />

your life“, ist Experte für Zeit-<br />

Management und Selbst-Management,<br />

und er stellt jene<br />

Tatsache ins Zentrum seiner<br />

<strong>Coaching</strong>s, die viele übersehen<br />

oder, schlimmer noch, für<br />

ein Abweichen vom rechten<br />

Weg halten, nämlich – dass die<br />

Menschen sich von einander<br />

unterscheiden.<br />

,,Was für den einen Stress ist,<br />

ist für den anderen gemütli-<br />

<strong>Coaching</strong> oder Psychotherapie<br />

che Routine“, sagt Seiwert in<br />

SPIEGEL WISSEN. Nur in<br />

den Extrembereichen des Lebens<br />

reagieren Menschen nach<br />

demselben Muster: „Wer zu viel<br />

arbeitet oder ganz anders als er<br />

eigentlich will, hat Stress.“ Und<br />

„Fremdbestimmung bedeutet<br />

fast immer Stress.“<br />

Seiwert coacht als Speaker große<br />

Gruppen und coacht Menschen<br />

in Einzelgesprächen.<br />

Im <strong>Coaching</strong> versucht Seiwert<br />

mit Hilfe verschiedener psychologischer<br />

Methoden, neue<br />

Muster zum Leben zu erwecken.<br />

,,<strong>Coaching</strong> zeigt Wege<br />

aus der Opferrolle.“<br />

Ob das gelingt, sagt er, liege<br />

an jedem Einzelnen, an seiner<br />

Konsequenz und seiner Selbstdisziplin,<br />

die neuen Muster anzuwenden.<br />

Manche haben eine<br />

Art Sprachfehler, sie können<br />

nicht nein sagen. Es ist wichtig<br />

die Eigenverantwortung zu erkennen.“<br />

„Typ 3“ – zum Beispiel<br />

Prof. Dr. Matthias Burisch:<br />

Menschen „ins Leben<br />

zurückholen“<br />

Matthias Burisch hat an der<br />

Universität Hamburg den PraxisschwerpunktOrganisations-<br />

und Personalentwicklung<br />

aufgebaut und 10 Jahre geleitet.<br />

Er ist einer der führenden<br />

Experten für alle Lebensleiden,<br />

die sich um den Begriff<br />

– März 2012<br />

18<br />

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HILFE FÜR PSYCHE UND KÖRPER<br />

78 Revolution im Kopf: Erschöpfungskranken hilft oft<br />

eine Psychotherapie. Bei Atemmeditation, Musiktherapie<br />

und Verhaltenstraining geht es auch darum,<br />

schwach zu sein, loszulassen.<br />

86 Die Mühsal des Nichts: Wie geht das: Stundenlang<br />

stillsitzen und dem eigenen Atem lauschen?<br />

Achtsamkeitsübungen gegen Stressleiden - ein<br />

Selbstversuch.<br />

90 Schnauben wie ein Pferd: Die einen schwören auf<br />

Yoga, andere versuchen mit Tanzen und Reiten<br />

zu entspannen. Zapchen, Zumba und Singen sind<br />

lustvolle Methoden der Entstressung.<br />

94 „Ich nehme mir meine Zeit“: Es gibt ein Leben nach<br />

dem Zusammenbruch: Drei Betroffene erzählen,<br />

wie sie sich und ihren Alltag verändert haben.<br />

98 Riechen, sehen, lauschen: Green Care heißt der<br />

neue Weg, ausgebrannten Menschen wieder Kraft<br />

und Lebensfreude zu geben. Er setzt auf die Heilkraft<br />

der Natur - Pferde, Schweine und Lamas<br />

sind hier Therapeuten.<br />

104 „Runter von der hohen Drehzahl“: Es muss nicht<br />

gleich Psychotherapie sein, auch ein Coach kann<br />

helfen, Probleme zu lösen. Manche Berater tun<br />

das sogar beim Joggen. Wo liegen die Grenzen der<br />

Profi -Ratgeber?<br />

108 Enge in der Brust: Viele Arbeitnehmer träumen<br />

von einer Auszeit, aber nur wenige nehmen sie.<br />

Was bringt ein Sabbatical?<br />

GESÜNDER IN DIE ZUKUNFT<br />

110 „Wie wollen wir morgen sein?“: Für die psychische<br />

Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu sorgen, haben<br />

nur wenige Topmanager gelernt. Doch inzwischen<br />

setzen einige Firmen auf Prävention - mit Erfolg.<br />

116 BEI ANRUF RAT: Stresstelefone sollen Mitarbeitern<br />

bei ihren Nöten und Sorgen helfen - sogar<br />

den privaten.<br />

118 „Wir brauchen Inspiratoren“: Der Neurobiologe<br />

Gerald Hüther über das Geheimnis gehirngerechter<br />

Führung.<br />

120 Vom Glück der kleinen Dinge: Wie Prominente<br />

ihre Balance halten.<br />

128 Balance für Seele und Hirn.<br />

130 SCHLAGWORT: STRESS: Der österreichisch-kanadische<br />

Mediziner Hans Seyle (1907 bis 1982) gilt<br />

als Vater der Stressforschung. Er entlehnte den Begriff<br />

aus der Werkstoffkunde, die damit Zug oder<br />

Druck auf ein Material bezeichnet. 1936 beschrieb<br />

Seyle erstmals „die unspezifi sche Reaktion des<br />

menschlichen Körpers auf jegliche Anforderung“,<br />

die er später als „Anpassungssyndrom“ defi nierte.<br />

„Ich habe allen Sprachen ein neues Wort geschenkt<br />

- Stress“, sagte er. n<br />

„Burn-out“ ranken – nicht<br />

zuletzt durch seine Gründung<br />

des BIND, des Burnout-Instituts<br />

Norddeutschland (BIND),<br />

das sich der Burnout-Diagnose<br />

und Prophylaxe widmet, und<br />

sein Standardwerk „Das Burnout-Syndrom<br />

— Th eorie der<br />

inneren Erschöpfung“, in erster<br />

Aufl age bereits 1989 erschienen<br />

(4. Aufl . 2010).<br />

Auf einem seiner Spezialgebiete,<br />

Personalarbeit mit Unternehmen,<br />

ist Prof. Burisch<br />

in puncto „Humanisierung<br />

des Arbeitslebens“ skeptisch.<br />

In SPIEGEL WISSEN erklärt<br />

er, dass die Menschen, die zu<br />

ihm kommen, in einer Falle<br />

stecken, denn sie verfolgen<br />

„ein Ziel, das unerreichbar ist“,<br />

das sie aber „weder umdefi nieren<br />

noch bescheidener fassen“<br />

können. Oder sie verharren „in<br />

einer subjektiv schwer erträglichen<br />

Situation“, die sie zu verändern<br />

versucht haben, daran<br />

aber gescheitert sind.<br />

Burisch: „Sie alle können über<br />

die Jahre in einen Burnout<br />

steuern.“ Zwei Burnout-Typen<br />

hat Burisch ausgemacht, den<br />

hoch-aktiven ,,Selbstverbrenner“<br />

den niedrig-aktiven Typ,<br />

der „schlecht nein zu anderen<br />

sagen könne“, der unentschlossen,<br />

unehrgeizig und seiner<br />

selbst unsicher ist.<br />

Prof. Burisch hat aufgrund seiner<br />

Qualifi kationen die Möglichkeit<br />

zu entscheiden, ob<br />

Psychotherapie und <strong>Coaching</strong><br />

oder sogar ein stationärer Klinik-Aufenthalt<br />

induziert sind.<br />

,,Wenn ich das Gefühl habe, ich<br />

müsse diesen Menschen täglich<br />

betreuen, dann ist <strong>Coaching</strong><br />

nicht geeignet. Zu stationären<br />

Aufenthalten rate ich, wenn<br />

den Betroff enen alles über den<br />

Kopf wächst, berufl ich und privat,<br />

dann sollten sie unbedingt<br />

raus aus der Situation und täglich<br />

mit einem Th erapieangebot<br />

<strong>Coaching</strong> oder Psychotherapie<br />

angesprochen werden.“ Wie<br />

immer die Behandlung läuft ,<br />

sein Ziel ist, die Menschen ins<br />

Leben zurückzuholen. Dazu<br />

brauchen sie „Verständnis für<br />

andere Arbeitsstile als den ihren,<br />

Kontakt, <strong>statt</strong> Einsamkeit,<br />

mehr Freude in ihrem Leben<br />

und den Mut, auch Schwäche<br />

zeigen zu können.<br />

„Typ 4“ – zum Beispiel Sabine<br />

Asgodom:<br />

<strong>Coaching</strong> – unkompliziert<br />

und pragmatisch<br />

<strong>Coaching</strong> ist für viele eine Wissenschaft<br />

geworden. SPIEGEL<br />

WISSEN aber kommt zu dem<br />

positiven Schluss:<br />

„Wie unkompliziert und pragmatisch<br />

das ablaufen kann, ließ<br />

sich unlängst im Bayerischen<br />

Fernsehen betrachten, wo einer<br />

der bekanntesten Coaches<br />

Deutschlands, die Münchnerin<br />

Sabine Asgodom, mit Herzenswärme<br />

und Humor Leute mit<br />

ganz unterschiedlichen Anliegen<br />

beriet. <strong>Coaching</strong> passt zu einer<br />

Zeit, in der lebenslanges Lernen<br />

und permanente Optimierung<br />

gefordert ist, ob im Job, an Figur,<br />

Frisur, Garderobe oder Fähigkeiten<br />

aller Art.“<br />

Und bei den vier hier genannten<br />

Coaches erkennt Autorin<br />

Angela Gatterburg eine große<br />

Gemeinsamkeit: Sie suchen<br />

und fi nden für ihre Klienten<br />

,,Wege aus der Opferrolle“. n<br />

– März 2012<br />

19<br />

Zurück zum Inhalt


JESPER<br />

JUUL<br />

Was Coaches bei<br />

einem Familientherapeuten<br />

abschauen<br />

könnten<br />

Foto – © Vanja Vukovic<br />

Der dänische Familientherapeut Jesper Juul ist einer<br />

der angesehensten Pädagogen weltweit. Er wirkt<br />

unter anderem durch „familylab.de – die Familienwerk<strong>statt</strong>“,<br />

„familylab“ ist Juuls international<br />

tätige Organisation für Beratung und Kompetenzentwicklung<br />

in Familien, in Schulen und last, not least in Unternehmen.<br />

Jesper Juul will wichtige Erkenntnisse aus Familientherapie<br />

und Beziehungsforschung „übersetzen“ und für die tägliche<br />

Erziehungsarbeit und Beziehungsarbeit weitergeben.<br />

Anders als weniger begabte Geister will Jesper Juul die Menschen<br />

nicht belehren oder bekehren. Er sagt: „Ich habe für diese<br />

Arbeit die Bezeichnung Familienlabor gewählt. Es ist also keine<br />

Schule, sondern eher ein Laboratorium, in dem man fi nden, wieder<br />

fi nden, erfi nden und mit seiner eigenen Art und Weise, seine<br />

Familie zu entwickeln, experimentieren kann.“<br />

Es gilt für jede Familie, dass Liebe nicht ausreicht, um die Entwicklung<br />

und das Wohlbefi nden der Mitglieder zu sichern.<br />

Wir müssen lernen, unsere liebevollen Gefühle in liebevolle<br />

Handlungen umzusetzen, und das müssen wir unter anderem<br />

mit- und voneinander lernen. Die Familienwerk<strong>statt</strong> bietet eine<br />

Reihe von erprobten Prinzipien und Werten an, die den roten<br />

Faden im Leben der Familie ausmachen können, die aber mit<br />

den persönlichen Werten und Zielen, eine warme und sinnvolle<br />

Ganzheit für alle Familienmitglieder zu schaff en, vereint<br />

werden müssen.<br />

In der jüngsten Ausgabe (Februar 2012) von K+S (Kommunikation<br />

+ Seminar, Junferman-Verlag, Paderborn) hat Ute<br />

Kleindienst – Trainerin, Coach und Supervisorin mit Schwerpunkt<br />

Gewaltfreie Kommunikation in Schwerin – Jesper Juul<br />

am Rande einer Supervision von Familylab-Seminarleitern interviewt.<br />

Juul hat den Gründer der Gewaltfreien Kommunikation<br />

Marshall G. Rosenberg im zerstörten Vukovar nach dem<br />

Chefdenker<br />

Balkankrieg kennengelernt: bei einem Projekt, das jugendliche<br />

Serben, Kroaten und Bosnier zusammengebracht hatte.<br />

Juul erinnert sich: „Es war ein gefährliches Projekt. Es schien klar,<br />

dass die Menschen dort den inneren Frieden nicht ohne Hilfe von<br />

außen schaff en würden. Alle waren am Ende des Krieges kaputt<br />

und müde. Ohne die Methodik der Gewaltfreien Kommunikation<br />

und auch Rosenbergs Arbeit wäre es für die jungen Leute<br />

nicht möglich gewesen, überhaupt miteinander ins Gespräch zu<br />

kommen. Dies Projekt war wichtig, um zu beweisen, dass Verständigung<br />

und friedliches Miteinander möglich sind.“<br />

Kleindienst fragt ihn, was der Kern der von ihm immer wieder<br />

beschworenen „persönlichen Sprache“ ist. Juul:<br />

„Der Kern ist, deutlich zu sagen, was ich will. Also: Ich will – ich<br />

will nicht. Ich mag – ich mag nicht. Ich mache mit – ich mache<br />

nicht mit.“<br />

Also Grenzen errichten und Abgrenzung erreichen? Nein, sagt<br />

Juul, nicht nur das, sondern „für mich ist es die einzige verbale<br />

Sprache, mit der man eine gewisse Nähe erreichen kann, mit der<br />

man Konfl ikte zwischen Menschen überhaupt lösen kann. Es ist<br />

eine alte Wahrheit: Wenn wir beide einen Konfl ikt lösen wollen,<br />

redest du am besten über dich und ich über mich.“<br />

Juul hat sich immer wieder der Frage gestellt, ob gewaltfreie Erziehung<br />

und gewaltfreie Führung überhaupt möglich ist. Seine<br />

Antwort ist:<br />

„Führung ohne Gewalt ist möglich, absolut! Sie fordert von Eltern,<br />

dass sie den Unterschied zwischen echten Bedürfnissen und<br />

Wünschen kennen. Es muss allen Mitgliedern der Familie möglich<br />

sein, ihre Bedürfnisse und Wünsche zu äußern. Es gibt aber<br />

keine Garantie, dass sie alle ihre Bedürfnisse und Wünsche in<br />

der Familie erfüllt bekommen. Deswegen rege ich mich immer<br />

so über jene Eltern auf, die bei ihren Kindern beliebt sein wollen.<br />

Gewaltfrei heißt, die Familie ganzheitlich im Blick zu haben. Ge-<br />

– März 2012<br />

20<br />

Zurück zum Inhalt


waltfreiheit wird missverstanden, wenn man glaubt, dabei<br />

immer nur nett, sanft und freundlich sein zu dürfen. So ist<br />

Gewaltfreiheit nicht möglich.“<br />

Und das gilt besonders in der Zeit der Pubertät. Juul<br />

warnt:<br />

„Eltern sollten … der Versuchung widerstehen, mit den Jugendlichen<br />

mitmachen zu wollen, sich also wie die jungen<br />

Leute zu geben.“ Eltern dürfen ihre heranwachsenden<br />

Kinder kritisieren. Wenn sie damit aber ihre Ziele erreichen<br />

wollen, und nur das kann ja der Sinn konstruktiver<br />

Kritik sein, dann darf der wichtige zweite Satz nicht fehlen:<br />

Wenn ich dich nicht überzeugen kann, stehe ich dennoch<br />

hinter dir!<br />

Jesper Jul glaubt, es ist ein gewalttätiges Elternbild, immer<br />

zu wissen, wie und wohin sich meine Kinder entwickeln<br />

sollen. Denn es gibt einen Unterschied zwischen Erziehung<br />

und Entfaltung. Und wo viele Eltern, Lehrer und<br />

Führungskräft e in falscher Pädagogik glauben, es ginge<br />

um den richtigen Weg, geht es um Entfaltung – also um<br />

den eigenen Weg. Um das „I do it my way“.<br />

So funktioniert es auch zwischen den Eltern. Wenn bei<br />

einer Meinungsverschiedenheit alles gesagt ist, aber<br />

nichts passt, heißt die Aufl ösung dieses Konfl iktes trotz<br />

allem – oder gerade deshalb: Ich steh‘ hinter dir, weil es<br />

wichtig für unsere Beziehung ist, wichtig für dich und<br />

wichtig für mich.<br />

Jesper Juul redet keinerlei Leisetreterei das Wort, sondern<br />

größtmöglicher Authentizität in allen Lebenssituationen.<br />

Das heißt für ihn auch, Wut auszudrücken und eine Beziehung<br />

zur eigenen Wut zu fi nden. Juul:<br />

„Es geht darum, wie ich mich als Mensch selbst wahrnehmen<br />

und mich in einer solchen Art ausdrücken<br />

kann, dass auch andere mich wahrnehmen können.“ Das<br />

kann dann – zum Beispiel Wut betreff end – heißen, „ein<br />

bestimmtes Gefühl nicht nur zu benennen, sondern es<br />

auch zu zeigen.“ Über sich selbst die Wahrheit zu sagen<br />

und sie zu zeigen, ist immer noch besser als dem anderen<br />

Wahrheiten an den Kopf zu schleudern. n<br />

Kommunikation + Seminar,<br />

aktuelle Ausgabe (Junfermann<br />

Verlag Paderborn)<br />

und K+S-Chefredakteurin<br />

Regine Rachow). Quelle:<br />

www.ksmagazin.de/maga-<br />

zin/aktuelles-heft/<br />

JESPER JUUL: WIDER<br />

DEN PERFEKTIONISMUS<br />

IM UMGANG MIT MENSCHEN<br />

Chefdenker<br />

Selbst seine provokantesten Thesen trägt Jesper Juul fröhlich<br />

vor. Der gelassen argumentierende dänische Lehrer,<br />

Familientherapeut, Autor erfolgreicher Elternbücher und<br />

Gründer der internationalen Organisation für Beratung und<br />

Kompetenzentwicklung „familylab - die familienwerk<strong>statt</strong>“<br />

betont wieder und wieder, dass es in der Kindererziehung die<br />

perfekte Lösung nicht gibt. Wohl aber sei Erfolg und Glück<br />

möglich, wenn die Eltern bereit sind, sich mit ihren Kindern<br />

gemeinsam zu entwickeln.<br />

Juul hat in der Evangelischen Stadtakademie München vor<br />

vollem Haus seine Thesen vorgetragen und dabei auch auf<br />

sein neues Buch „Die kompetente Familie“, Kösel-Verlag,<br />

München, 14,95 Euro hingewiesen, das in leicht lesbarer<br />

Form seine Kerngedanken ausbreitet. Er fragt zum Beispiel:<br />

„Wollen wir noch Untertanen heranziehen, die auf Anweisungen<br />

und Befehl handeln. Oder wünschen wir uns, dass unsere<br />

Kinder zu Menschen heranwachsen, die ein hohes Maß<br />

an Selbständigkeit, Kompetenz und ein starkes Selbstwertgefühl<br />

mitbringen?“<br />

Wer letzteres will, muss sich auf seine Kinder wirklich einlassen,<br />

„sie wahrnehmen und ihnen so klar und so regelmäßig<br />

wie möglich Signale geben“, fordert er. Der Dialog,<br />

die Grundlage aller guten menschlichen Entwicklung, sei in<br />

vielen Familien ausgestorben. Statt „Intimität und Kontakt“<br />

regiere geschäftiges Handeln, das die Familienmitglieder im<br />

Kern voneinander entfremdet.<br />

Juul redet keinerlei antiautoritärem Wischiwaschi das Wort.<br />

Im Gegenteil. „Kinder brauchen Eltern, die wie Sparringspartner<br />

sind, die zu Hause gleichsam eine Trainingssituation<br />

bieten und dabei den größtmöglichen Widerstand leisten und<br />

zugleich den geringstmöglichen Schaden anrichten, Eltern,<br />

die täglich viele Fehler machen und keine Lust mehr haben,<br />

perfekt zu sein, die sich entspannen und die Kraft haben,<br />

Nein zu sagen, wenn ihnen danach ist.“ Be-ziehung <strong>statt</strong> Erziehung,<br />

das ist sein Credo.<br />

Fragen der Zuhörer nach dem besten Schulsystem wischt er<br />

schnell vom Tisch. Die Gesellschaft müsse für Lehrer sorgen,<br />

„die sich in der Schule wohlfühlen, die genug verdienen<br />

und sich dort auch persönlich entwickeln können“. Der Rest<br />

ergebe sich von allein, wenn Eltern und Lehrer lernten, sich<br />

in ihren „recht ähnlichen“ Aufgaben gegenseitig zu respektieren.<br />

Und bei Konfl ikten? Zum gelungenen Leben gehöre es<br />

eben auch, so Juul, „zu lernen, wie gehe ich mit Leuten um,<br />

die ich nicht mag und die mich vielleicht auch nicht mögen“.<br />

Wichtig sei, sich nicht gegenseitig herabzusetzen.<br />

(Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im epd, dem Evangelischen<br />

Pressedienst. Autor ist der Münchner Journalist Heinz<br />

Brockert)<br />

– März 2012<br />

21<br />

Zurück zum Inhalt


Einsamkeit wird oft als persönliches Problem angesehen.<br />

Diese einfache Sachfeststellung fi ndet sich in<br />

der New York Times (NYT-Ausgabe der Süddeutschen<br />

Zeitung vom 20.2.2012) in einem Beitrag zum<br />

Th ema „Einsamkeit am Arbeitsplatz“. Allerdings hat diese einfache<br />

Sachfeststellung einen makaberen Unterton – denn sie<br />

schildert, wie wir wohl alle allermeistens mit der Einsamkeit<br />

anderer Menschen umgehen. Etwa so:<br />

„Wer sich einsam und allein fühlt in der Arbeitswelt oder anderswo,<br />

wo wir doch überall und fast immer umringt von anderen<br />

Menschen sind, der möge sich doch einfach an die Menschen um<br />

sich herum wenden, und dann wird – piff -paff – die Einsamkeit<br />

zur Zweisamkeit, Dreisamkeit oder zu noch größerer Gemeinsamkeit.“<br />

Ebenfalls makaber ist, dass auch wir selbst in dieser Weise mit<br />

uns sprechen, wenn seelisches Pattex unsere Schuhsohlen so<br />

fest an den Fußboden klebt, dass wir die drei Schritte auf andere<br />

Menschen zu einfach nicht schaff en. Trauer, Verzweifl ung<br />

Erfolgsbremse Einsamkeit<br />

E NSAMKE<br />

T<br />

i i<br />

und Resignation mischt sich dann in jene Sachfeststellung über<br />

unsere eigene Unfähigkeit, uns in den Kreis der Mitmenschen<br />

zu integrieren: Warum schaff e ich es nicht?! Warum reden alle,<br />

scherzen oder auch gift en und schimpfen alle anderen miteinander<br />

– und ich bin allein, bin isoliert … ganz so, wie die New York<br />

Times geschrieben hat: „Einsamkeit wird oft als persönliches<br />

Problem angesehen“ – auch von uns und bei uns selbst.<br />

Einsamkeit „strahlt aus“ und reduziert<br />

die Produktivität in Arbeitsgruppen –<br />

ähnlich wie es Angst oder Feindseligkeit tun<br />

Auch Einsamkeit am Arbeitsplatz wird oft immer noch als ein<br />

persönliches Problem angesehen, allerdings deutet sich bei den<br />

bessergecoachten Unternehmen ein neuer Blick auf die außerhalb<br />

der Gruppen stehenden Mitarbeiter an. Denn die Einsamkeit<br />

einzelner Menschen kann sich auswachsen zu einem<br />

wirtschaft lichen Problem für ein Unternehmen. Das zeigt zum<br />

Beispiel eine Studie des Wirtschaft s-Professors Sigal G. Barsade<br />

– März 2012<br />

22<br />

Zurück zum Inhalt


von der University of Pennsylvania, der herausgefunden hat,<br />

dass Einsamkeit zu den hoch ansteckenden Leiden in der Arbeitswelt<br />

und darüber hinaus auch im Privatleben gehört. Die<br />

Wissenschaft nennt, was hier passiert, einen „Ripple-Eff ect“, ein<br />

Ripple sind die Ringe, die entstehen, wenn man einen Stein ins<br />

Wasser wirft : Das zieht Kreise und immer größere Kreise, und<br />

es dauert lange, bis sich das alles wieder geglättet hat.<br />

Prof. Barsade hat nämlich herausgefunden, dass Einsamkeit die<br />

Produktivität reduziert – und nicht etwas nur die Produktivität<br />

des einsamen Menschen, sondern auch die Produktivität von<br />

Teams. Teams (oder zumindest die Teamleiter), die als produktiv<br />

dastehen wollen, sollten deshalb sicherstellen, dass sich in<br />

ihrem Beritt niemand alleingelassen fühlt.<br />

Dr. Sarah Wright, die 2005 mit einer der ersten Studien über<br />

Loneliness in the Workplace (http://ir.canterbury.ac.nz/bitstream/10092/1368/1/thesis_fulltext.pdf)<br />

zum Doktor der Psychologie<br />

promoviert worden ist, hat in der NYT die negativen<br />

Folgen von Einsamkeit erklärt:<br />

l die soziale Wahrnehmung wird gestört – also alles, was wir<br />

bei einzelnen Menschen und bei Gruppen und Arbeitsteams<br />

erkennen oder „hineinsehen“<br />

l das Verhältnis zu anderen Menschen und in Gruppen wird<br />

in einer Weise beeinfl usst, dass Feindseligkeit, Negativität, depressive<br />

Verstimmtheit, Ängste und das Gefühl von Kontrollverlust<br />

gesteigert werden, während Kooperationsfähigkeit und<br />

Kooperationsbereitschaft kleiner werden.<br />

l Und wo eben das Wort „depressiv“ bei dem Problem der<br />

Einsamkeit gefallen ist: Die Grenze zur Depression ist fl ießend.<br />

Depression ist jene Geisel unserer Zeit, die oft als Stress, „Chronisches<br />

Erschöpfungssyndrom“ oder „Burn-out“ verharmlost<br />

wird (siehe den Beitrag über <strong>Coaching</strong>-Felder der Zukunft , in<br />

<strong>Coaching</strong>-<strong>heute</strong> 2/2012), die aber eines der schwersten leibseelischen<br />

Leiden überhaupt ist.<br />

Der Unterschied zwischen Einsamkeit und Depression ist, so Dr.<br />

Sarah Wright, dass einsame Menschen von ihrem Leiden befreit<br />

werden möchten, während bei depressiven Menschen der Impuls<br />

(drive) vorhanden ist, „sich der Krankheit zu ergeben“.<br />

Depression ist kein Arbeitsfeld für Coaches.<br />

Warum ist Einsamkeit ein Arbeitsfeld für sie?<br />

In Teil 1 unserer neuen Beitragsfolge über <strong>Coaching</strong>-Felder der<br />

Zukunft ist die Prävention seelischer Leiden als wichtige Aufgabe<br />

für Coaches geschildert worden – das Paradebeispiel ist<br />

Stress, aus dem sich das „Chronische Erschöpfungssyndrom“,<br />

Burn-out und sogar eine Depression herausbilden können. Sol-<br />

Erfolgsbremse Einsamkeit<br />

che Zusammenhänge können als gesichert angesehen werden<br />

– wohlgemerkt: können, denn selbstverständlich wird nicht jeder<br />

gestresste Mensch letztendlich depressiv.<br />

Tatsache ist zudem, dass Coaches bei vielen Menschen verglichen<br />

mit Psychologen oder Psychotherapeuten einen Akzeptanz-Vorteil<br />

genießen. <strong>Coaching</strong> ist „in“, „Psychologie“ und<br />

deutlicher noch „Psychotherapie“ aber wecken Assoziationen<br />

mit „Krankheit“, „Leiden“ und anderen negativen Seelenzuständen,<br />

mit denen gerade sich jung und dynamisch gebende<br />

Arbeitnehmer nicht gern in Verbindung gebracht werden<br />

möchten, weshalb viele auf die „Psy“-Berufe instinktiv mit dem<br />

Mediamarkt-Slogan reagieren: „Ich bin doch nicht blöd.“<br />

Wie eine bekannte deutsche Psychologin geradezu<br />

fahrlässig mit dem Thema „Einsamkeit“ umgeht<br />

Viele Psychologen und Psychotherapeuten sind zudem – bedingt<br />

durch ihre Ausbildung – in der „negativen Psychologie“<br />

verhaft et. Sie arbeiten mit der Leidens-Seite der Menschen,<br />

während es oft fi nanziell und seelisch ökonomischer ist, mit<br />

Tools der neuen „positiven Psychologie“ zu arbeiten.<br />

Wohin das führt, zeigt Dr. Doris Wolf, eine der bekanntesten<br />

Populärpsychologinnen im deutschen Sprachraum. Sie und<br />

ihr Mann, Dr. Rolf Merkle, „arbeiten seit 25 Jahren als Diplom<br />

Psychologen und Psychotherapeuten“. Sie werben allerdings<br />

mit Guru-Schnick-Schnack wie „Werden Sie Ihr eigener Psychologe.<br />

Lernen Sie, Ihre Gefühle und Stimmungen zu steuern“<br />

(http://www.palverlag.de/Gefuehle_Selbsthilfe.html). Und<br />

zum Th ema Einsamkeit haben sie den folgenden Schnack ausgegraben:<br />

Einsamkeit ist eine Gefängniszelle, die sich nur von<br />

innen öff nen lässt. (Diese Worte stammen von einem „Alfredo<br />

Le Mont“, der sich als bisher „nicht ergooglebar“ herausgestellt<br />

hat – siehe Fußnote).<br />

Die Botschaft „Einsamkeit ist eine Gefängniszelle, die sich nur<br />

von innen öff nen lässt“ aber ist nicht harmlos, sondern zynisch,<br />

denn sie lautet: Die einsamen Menschen haben sich abgekapselt,<br />

sie haben die Tür von innen verschlossen, sie haben deshalb<br />

selbst Schuld daran, dass sie leiden. In Wahrheit aber lautet die<br />

Botschaft der einsamen Menschen, die noch nicht den oben<br />

erwähnten Impuls der Depression in sich tragen:<br />

Meine Tür ist weit geöff net, aber ihr seht es nicht? Ich schaff e es<br />

nicht, durch diese Tür zu euch herauszukommen. Nehmt mich<br />

mit, nehmt mich in euren Kreis auf, ich bin zwar kein Star, aber<br />

holt mich hier raus. n<br />

Wir haben Doris Wolf in der April-Ausgabe Raum für eine<br />

Stellungnahme angeboten.<br />

FUSSNOTE:<br />

Nach zwei Stunden Durchklicken von Suchergebnissen für „Alfredo Le Mont“, dem Spruch „Einsamkeit ist eine Gefängniszelle, die sich nur von<br />

innen öff nen lässt“ und der englischsprachigen Version „Loneliness is a prison cell which can only be opened from the inside“ zeigt sich kein Hinweis,<br />

wer dieser „Alfredo Le Mont“ sein könnte. Der Spruch taucht aber in mehreren von Doris Wolf betriebenen Webseiten auf, etwa www.palverlag.de,<br />

www.psychotipps.com/Einsamkeit.html, http://www.psychic.de/reizdarm.php.<br />

Einzug gehalten hat er auch auf http://cms.bistum-trier.de/bistum-trier/Integrale?MODULE=Frontend&ACTION=ViewPage&Page.PK=6579,<br />

http://de-de.facebook.com/pages/Für-immer-Papas-Prinzessin/178451125587756, http://www.elitepartner.de/forum/ich-bin-so-einsam-was-sollich-machen-3373.html<br />

– auch auf http://www.tierforen.net/index.php?page=Th read&threadID=8779 (auf dem „Wellensittich Forum“) und auf<br />

http://www.nwzonline.de/Region/Kreis/Wesermarsch/Nordenham/Artikel/2480284/So+sch%E4dlich+wie+15+Zigaretten+am+Tag.html und<br />

http://hpina.de/main.php?pageid=11 …<br />

– März 2012<br />

23<br />

Zurück zum Inhalt


Effi zient arbeiten und leben –<br />

DESIGN YOUR FUTURE!<br />

Für die einen ist sie eine Art Klassentreff en, weil sie sich jedes<br />

Jahr dort treff en; für die anderen ist sie eine Erfahrung, wie<br />

viele tolle Frauen es gibt: Die WoMen<strong>Power</strong>, der Fachkongress<br />

für Frauen und Männer am 27. April 2012 in Hannover. Das<br />

diesjährige Motto: Effi zient arbeiten und leben – Design your<br />

Future!<br />

Bereits zum neunten Mal veranstaltet die Deutsche Messe den<br />

Fachkongress anlässlich der HANNOVER MESSE. Mehr als<br />

1.000 Teilnehmer/innen besuchen die WoMen<strong>Power</strong>, Tendenz<br />

steigend. Geboten werden zum Auft akt im Congress Center<br />

um 9.30 Uhr Keynotes von hochkarätigen Managerinnen und<br />

Managern:<br />

- Dagmar Reim, Intendantin des Rundfunk Berlin-Brandenburg<br />

- Christoph Kübel, Geschäft sführer und Arbeitsdirektor Robert<br />

Bosch GmbH<br />

- Prof. Dr. Ulrike Dettmers, Geschäft sführerin und Gesellschaft<br />

erin Mestermacher GmbH<br />

- Danach gibt es eine prominent besetzte Podiumsdiskussion<br />

unter Leitung von Sabine Asgodom, Asgodom Live, München,<br />

zum Th ema „Aufb ruch in neue Arbeitswelten – Generation<br />

Y bis Generation 60 plus“.<br />

Der Kongress-Beirat unter Vorsitz von Prof. Barbara Schwarze<br />

(Kompetenzzentrum Bielefeld) und Angela Josephs (Phoenix<br />

Contact) hat wieder ein spannendes Forum für arbeitspoliti-<br />

WoMen<strong>Power</strong> 2012<br />

sche Th emen und Trends zusammengestellt. Work-Life-Balance,<br />

Beruf und Karriere, fl exible Arbeitszeiten, Diversität – das<br />

Angebot richtet sich an Führungskräft e und Personalverantwortliche<br />

sowie an Berufseinsteiger und Berufstätige.<br />

WoMen<strong>Power</strong> vermittelt praxisnah Informationen für alle Berufsphasen:<br />

vom Berufseinstieg bis zur Karriereförderung, wie<br />

z.B. Karriereperspektiven für Ingenieurinnen und Naturwissenschaft<br />

lerinnen, Beratung für eine berufsorientierte Lebensplanung,<br />

Trainings zum Umgang mit verdeckten Hemmnissen<br />

im berufl ichen Alltag u.v.m. Drei Workshop-Angebote sehen<br />

Sie auf der nächsten Seite.<br />

Die Tagesveranstaltung bietet neben den Workshops eine begleitende<br />

Ausstellung. Rund 60 Aussteller präsentieren Netzwerke,<br />

informieren über Marktforschung, Studien und Förderprogramme,<br />

zeigen <strong>Coaching</strong>- und Mentoring-Angebote auf. Darunter<br />

Bosch, BPW Germany, Deutscher Frauenrat, EON, Europäische<br />

Akademie für Frauen, EWMD, IG BCE, NDR, Phoenix Contact,<br />

Siemens, Telecom, VDI, VDU, Webgrrls, ZDF.<br />

Daneben gibt es Messerundgänge in den Ausstellungshallen,<br />

die den Bezug zu den ausstellenden Industrieunternehmen<br />

herstellen. Die Teilnahmegebühr beträgt 79 Euro (für Student/<br />

innen 40 Euro) inklusive Messe-Eintrittskarte, Mittagsbuff et<br />

und Teilnehme an Kongress und Workshops.<br />

Hier können Sie sich anmelden:<br />

www.womenpower-kongress.de<br />

– März 2012<br />

24<br />

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WoMen<strong>Power</strong> 2012<br />

9. Fachkongress Fachkongress zur HANNOVER MESSE<br />

am 27. April 2012<br />

SABINE ASGODOM<br />

Wer coachen kann, hat mehr vom Leben – <strong>Coaching</strong>-Tools, die Sie<br />

zur besseren Chefi n/Kollegin/Mitarbeiterin machen<br />

In diesem Workshop verrät Sabine Asgodom, Erfolgs-Coach mit eigener Fernsehsendung, wie<br />

Sie <strong>Coaching</strong> in Ihrem Berufsleben sinnvoll einsetzen können. Sie macht Sie mit den acht Prinzipien<br />

des „Lösungsorientierten Kurz-<strong>Coaching</strong>“ (LOKC) bekannt und stellt Ihnen fünf einfache<br />

<strong>Coaching</strong>-Tools vor, mit denen Sie sich und anderen helfen können, ganz schnell Lösungen<br />

zu fi nden. Dazu macht Sabine Asgodom mit Ihnen den Test: Können Sie coachen? Nach nur<br />

fünf Minuten haben Sie die Antwort. Ergänzt wird der Vortrag mit Live-<strong>Coaching</strong>-Sequenzen<br />

– Teilnehmer/innen haben die Möglichkeit, sich auf der Bühne kurz coachen zu lassen und zu<br />

erleben, wie Sabine Asgodom coacht.<br />

EVA LOSCHKY<br />

Souveräne Stimme unter Druck und Stress<br />

Emotionen, Stress und Lampenfi eber sind immer Teil des Alltags. Zorn verschlägt oft den<br />

Atem, Stress mindert das souveräne Auftreten, Lampenfi eber führt zum Stottern. Wenn die<br />

Stimme versagt, wirken wir wenig überzeugend. Doch Sie können souverän damit umgehen.<br />

Im Workshop erfahren Sie, wie Sie auch in schwierigen Situationen überzeugend kommunizieren<br />

und Ihre Stimme jederzeit bewusst, wirkungsvoll und zielsicher einsetzen. Wenn Sie<br />

wissen, wie Emotionen und Stress Ihre Körper-, Atem- und Stimmmuster beeinfl ussen, können<br />

Sie diese Mechanismen erfolgreich umgehen. Nutzen Sie diesen Workshop, um erfolgreiches<br />

Emotions- und Stressmanagement für die Stimmauftritte auf den kleinen und großen Bühnen<br />

Ihres Lebens zu lernen. Und erleben Sie gleichzeitig die Präsentation von Eva Loschky’s brandneuem<br />

Hörbuch!<br />

CHRISTA SCHIFFER<br />

Der Samurai-Impuls: Japanische Schwertkunst fürs Business<br />

In diesem Workshop mit Christa Schiffer geht es um Souveränität. Und damit um die Freiheit<br />

zu entscheiden, wie wir im berufl ichen Alltag agieren wollen, wenn die Aufgaben komplexer<br />

werden und das Miteinander schwieriger wird. Ein souveränes Selbst lässt uns entschlossen<br />

für uns und unsere Ziele einstehen. Es bedeutet, in Kontakt mit sich zu sein, situativ angemessen<br />

zu handeln und voller Selbstvertrauen souverän und friedvoll zu agieren. Wir können andere<br />

Menschen nicht ändern, aber wir können in schwierigen Situationen gut für uns sorgen,<br />

indem wir in unserer Mitte bleiben, Grenzen setzen, Provokationen an uns abgleiten lassen,<br />

Angriffe parieren und mutig für unsere Ziele gehen. Christa Schiffer ist aktive Budoka und hat<br />

den Samurai-Impuls für Workshops, Trainings und Vorträge entwickelt. Ihre Active- <strong>Coaching</strong>-<br />

Methode refl ektiert die Themen der TeilnehmerInnen und macht sie über Methoden aus dem<br />

japanischen Schwertkampf persönlich erlebbar. Dabei geht es nicht um Kampfsport, sondern<br />

darum zu spüren, dass wir alles Wichtige bereits in uns tragen und dies zu nutzen.<br />

Video: http://samurai-impuls.christaschiffer.de/in_aktion_video.phpk<br />

Jetzt anmelden unter<br />

www.womenpower-kongress.de<br />

WoMen<strong>Power</strong> 2012<br />

– März 2012<br />

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FEEDFORWARD<br />

Dr. Marshall Goldsmith ist gerade mit dem vom Harvard<br />

Business Review gesponsorten „Th inkers50 Leadership<br />

Award“ geehrt worden. Er darf sich bis zur nächsten Wahl<br />

als „weltweit einfl ussreichster Leadership-Denker“<br />

bezeichnen. Zugleich hat er in einer Ausscheidung<br />

über den „bedeutendsten Business-Denker“ dieser<br />

Welt Platz 7 erreicht. In der Laudatio wird Goldsmith<br />

als Praktiker gelobt, dem es wichtiger ist, die<br />

Businesswelt zu verändern als elegante und in sich<br />

stimmige Th eorien hervorzubringen. Typisch dafür<br />

sind seine Einsichten, warum Feedforward besser<br />

wirkt als Feedback.<br />

Wie kann die Geschäft swelt zum Besseren geändert<br />

werden? Für dieses Ziel hat der amerikanische<br />

Management-Experte (und frühere<br />

enge Mitarbeiter von Peter Drucker) Dr. Marshall<br />

Goldsmith ein Tool von bestechender Einfachheit entwickelt:<br />

Feedforward.<br />

Feedforward ist das Gegenteil von Feedback. Lassen Sie uns<br />

noch einmal genauer anschauen, was Feedback ist und woher<br />

es kommt. Sie erfahren es (und vieles andere über Psychologie)<br />

in den hoch wertvollen Arbeitsblättern von Werner Stangl<br />

(http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOMMUNIKATION/<br />

Feedback.shtml):<br />

Sozialpsychologen um Kurt Lewin – einem der großen Psychologen<br />

des 20. Jahrhunderts und Vater der Gruppendynamik – hielten<br />

Seminare ab und trafen sich am Abend eines jeden Seminartages,<br />

um das beobachtete Verhalten des Leiters, der Mitglieder und<br />

der Gruppe zu analysieren und interpretieren. Bald merkten alle<br />

Teilnehmer, dass sie daraus wichtige Einsichten in ihr eigenes Verhalten<br />

und das ihrer Gruppe gewannen. Der Trainerstab erkannte,<br />

dass sie auf ein wichtiges neues Verfahren der Umerziehung gestoßen<br />

waren:<br />

Indem sich die Forscher und Gruppenleiter über das unterhielten,<br />

was sie an den Teilnehmern wahrgenommen hatten und diejenigen,<br />

von denen sie sprachen, sich mit ihrem eigenen Verhalten<br />

konfrontierten und ohne Abwehr beim Nachdenken über dieses<br />

Marshall Goldsmith<br />

beteiligten, konnten die Teilnehmer viel über sich selbst und die<br />

Gruppenentwicklung lernen … Die Methode des Feedback hat<br />

sich so etabliert.<br />

Warum Feedback geben nicht immer optimal ist<br />

Feedback kann jeder geben. Oft aber wirkt Feedback wie ein<br />

Todesurteil mit sofortiger Vollstreckung. Stellen Sie sich vor,<br />

Sie sind ein junger, hoff nungsfroher Nachwuchsmanager, und<br />

Ihr Mentor hat es durchgesetzt, dass Sie vor dem Vorstand eine<br />

Business-Idee präsentieren dürfen. Sie haben sich für diesen<br />

großen Auft ritt als zukünft iger Meistersinger bestens präpariert,<br />

Sie haben Ihre Präsentation mehrfach vor Ihrem Lebenspartner<br />

/ Ihrer Lebenspartnerin geprobt – und dennoch lassen<br />

sich die Chefs nicht zu einem Lob hinreißen.<br />

Was Sie zu hören bekommen, ist Kritik an unwichtigen Details<br />

– aber leider ist einer der Vorstände Spezialist auf diesem abgelegenen<br />

Gebiet, und da Sie das nicht gewusst und deshalb nicht<br />

eingebaut haben, bekommen Sie nun die volle Dröhnung von<br />

einem beleidigten Vorgesetzten. Und Sie sehen, dass Ihr persönlicher<br />

Chef immer stinkiger wird, weil ihr geringer Erfolg<br />

auf ihn abstrahlt. Marshall Goldsmith nennt Gründe, warum<br />

Feedback zumeist die zweitbeste Idee ist, um eine gute Leistung<br />

zu würdigen und auch, um aus einer Leistung, wie jener, die Sie<br />

und mit der Sie sich gerade präsentiert haben, doch noch etwas<br />

Honig fürs Unternehmen zu saugen.<br />

– März 2012<br />

26<br />

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Einige Gründe, warum Feedback nur die<br />

zweitbeste Idee zur Würdigung einer Leistung ist<br />

Marshall Goldsmith weiß aus seiner Erfahrung als Coach des Top-<br />

Managements:<br />

1. Negativ-destruktive Kritik fällt den meisten Menschen – gerade<br />

so als ob es ein Naturgesetz wäre –, leichter als positiv-konstruktive.<br />

Was schlecht läuft – darüber gibt es meist auch einen breiten<br />

Konsens, denn es fällt fast jedem auf. Da braucht es nur noch einen<br />

einzigen Menschen, der ausspricht, was alle denken – und der bekommt<br />

dann auch noch Zustimmung und Wertschätzung.<br />

2. Feedback wird immer im Nachhinein gegeben. Eine schlechte<br />

Präsentation wird kritisiert – und daraus lernt der Beurteilte weniger<br />

als möglich wäre.<br />

3. Negatives Feedback sagt noch nichts darüber, wie es hätte besser<br />

gemacht werden können. Aus dem Herausarbeiten, was – weil<br />

falsch – nicht gemacht werden sollte, ergibt sich eben noch nicht,<br />

was richtigerweise gemacht werden sollte. Darum aber geht es bei<br />

Beurteilungen im Geschäft sleben – Verurteilungen, wie vor Gericht,<br />

bringen da einfach nicht viel.<br />

4. Dieser Unterschied zwischen A und B, zwischen Be-urteilen und<br />

Ab-urteilen, ist wichtig dafür, dass Unternehmensziele erreicht<br />

werden. Auch bei notwendigem negativen Feedback muss deshalb<br />

ein konstruktives Feedforward folgen. Mitarbeiter müssen wissen,<br />

was sie schon richtig gut machen, und was sie noch besser machen<br />

könnten. Dieser zweite Teil fällt beim Feedback zumeist unter den<br />

Tisch.<br />

So geben Sie gutes Feedforward?<br />

l Wenn Sie einem Menschen Feedforward geben, übergehen Sie<br />

alle Fehler, die Sie erkannt haben. Sagen Sie einfach nur, was richtig<br />

gemacht worden ist – und geben Sie Tipps, wie dies noch optimiert<br />

werden könnte.<br />

l Vergessen Sie also das Vergangene! Für‘s Gewesene gibt der<br />

Kaufmann nichts, denn was geschehen ist, lässt sich nicht mehr<br />

ändern – und oft sind ein Neuanfang und ein Neubesinnung wertvoller<br />

als im alten Quark herumzutreten.<br />

l Wenn Sie eine Führungsposition innehaben: Lassen Sie sich<br />

Feedforward von Ihren Mitarbeitern geben – auch und gerade,<br />

wenn Sie bisher nicht im Traum darauf gekommen wären, sich<br />

„von denen da unten“ kritisieren zu lassen. „Die da unten“ kritisieren<br />

Sie ja auch gar nicht, denn sie geben Ihnen ja kein Feedback,<br />

sondern Feedforward.<br />

l Geben Sie und fordern Sie für Feedforward keine Begründungen.<br />

Nehmen Sie das Feedforward an – oder auch nicht. Und wenn<br />

Sie selbst Feedforward geben, dann niemals in der „Du musst“-<br />

Form, sondern als „Ich denke“ und „Ich würde“.<br />

l Denken Sie auch daran, dass Sie kaum auf eine bessere Weise<br />

ihre Autorität bei Ihren Mitarbeitern festigen können als dadurch,<br />

dass Sie sich von ihnen … nein: nicht kritisieren lassen, sondern<br />

Feedforward geben lassen.<br />

l Üben Sie, Feedforward zu geben in der Gruppe. Jede und jeder<br />

kommt mal dran – als Vortragender und als Feedforward-Geber.<br />

Und lassen Sie die jüngsten Gruppenteilnehmer zuerst sprechen,<br />

damit sie vor der Klugheit der Älteren nicht verstummen. n<br />

Marshall Goldsmith<br />

AUS MARSHALL GOLD-<br />

SMITH‘S TOOLBOX:<br />

WIE SIE GUTES FEED-<br />

FORWARD EINÜBEN<br />

Lernen Sie Zuhören<br />

Goldman empfi ehlt als Anfängerübung,<br />

dass Sie sich selbst zuhören, während Sie<br />

von 50 bis Null rückwärts zählen. „Irgendwann<br />

zwischen 30 und 20 schweifen die<br />

Gedanken ab“, weiß Goldsmith, „Probleme<br />

in der Arbeit, <strong>heute</strong> Mittag zu viel gegessen,<br />

was machen die Kinder gerade …“ Sie merken:<br />

„Ich kann mir selbst nicht voll konzentriert<br />

zuhören“ und werden bescheidener in<br />

Ihrer Selbsteinschätzung, wie gut Sie anderen<br />

Menschen zuhören können.<br />

Üben Sie Zuhören<br />

Zuhören aber müssen Sie – bei Feedback<br />

genauso wie bei Feedforward. Deshalb<br />

üben Sie:<br />

• einfach den Mund zu halten, wenn ein anderer<br />

Mensch redet<br />

• nicht unterbrechen<br />

• nie die Sätze eines anderen Menschen beenden<br />

• nie denken: „Ich weiß ja schon, was kommt<br />

…“ Sie hören ja einfach nur zu<br />

• kein Zwischendurch-Feedback geben: Tadel<br />

ist genauso gut oder schlecht wie Lob,<br />

denn beides hindert Sie am Zuhören<br />

• die ganz große Herausforderung ist: niemals<br />

„nein“, niemals „aber“ und niemals<br />

„andererseits“ sagen. Kein Widerspruch,<br />

denn damit werfen Sie den Redenden aus<br />

der Bahn<br />

• und selbst wenn Sie ihren Mund unter<br />

Kontrolle haben: Kontrollieren Sie auch<br />

ihre Augen: Die dürfen ebenso wenig wie<br />

Ihre Gedanken abschweifen<br />

• stellen Sie Sach-Fragen<br />

• stellen Sie gute Fragen (was nur kann, wer<br />

auch gut zugehört hat<br />

• setzen sie sich selbst nicht in Szene, zeigen<br />

Sie nicht, wie klug, wie humorvoll Sie sind,<br />

versuchen Sie nicht, dem Menschen, dem<br />

Sie zuhören, zu imponieren.<br />

– März 2012<br />

27<br />

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Gedächtnis-Training? Vergiss es. Wichtiger ist Vergessens-Training<br />

AKTIV VERGESSEN LERNEN<br />

Es ist auch nach zehn Jahren nicht leicht, sich dieses Foto anzuschauen.<br />

Manche Menschen haben Eindrücke, wie sie hier festgehalten sind, verarbeitet<br />

– andere werden sie ihr Leben lang im Gedächtnis festhalten. Ihnen könnte<br />

die Gedächtnis-Forschung helfen, aktives Vergessen zu lernen.<br />

– März 2012<br />

28<br />

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An einem sonnigen Septembermorgen<br />

2001 hat Elizabeth<br />

Phelps ihr Appartment in<br />

Manhatten verlassen. Sie sah<br />

auf der Straße einen Mann, der in Richtung<br />

des World Trade Center starrte. Elisabeth<br />

Phelps blickte hoch und sah „dieses<br />

riesige brennende Loch“, dass Sie auf dem<br />

Foto erkennen können. Der Mann sagte<br />

ihr, dass ein großes Flugzeug in einen der<br />

beiden Wolkenkratzer geflogen sei, Phelps<br />

hielt dies für einen entsetzlichen Unfall.<br />

Sie ging weiter in Richtung ihres Arbeitsplatzes<br />

an der New York University. Als<br />

sie dort angekommen war, spielte sich die<br />

Szene mit dem zweiten Flugzeug ab, deren<br />

Folgen sich auf dem Foto (auf der vorherigen<br />

Seite) mehr als nur andeutet.<br />

Dr. Elizabeth Phelps ist Psychologin,<br />

Hirnforscherin und Labor-Direktorin an<br />

der New York University (http://www.<br />

psych.nyu.edu/phelpslab/pages/liz.html).<br />

Sie forscht über Emotionen, Lernen und<br />

Gedächtnis. Nach „9/11“ hat sie real geschehene<br />

emotional belastende Lebensereignisse<br />

in ihr Forschungsprogamm integriert.<br />

Wie ist es Ihnen an „9/11“ ergangen<br />

– was erinnern Sie?<br />

Konkret hat Dr. Phelps, die Gedächtnisforscherin,<br />

eine USA-weite Studie über<br />

Erinnerungen an 9/11 gemacht. Die Studie<br />

hat zu einem neuen Verständnis von<br />

Erinnerungen an hoch emotionale Ereignisse<br />

beigetragen.<br />

Psychologen von der Harvard Universität<br />

haben für die Verarbeitung solcher<br />

Situationen den Ausdruck „Blitzlicht-Erinnerungen“<br />

geprägt. Auch Menschen in<br />

Europa haben solche „Blitzlicht-Erinnerungen“<br />

gehabt, bei denen ein hoch-emotionaler<br />

Moment wie mit einem Blitzlicht<br />

so ausgeleuchtet wird, dass jedes Detail<br />

sichtbar wird und sich in das Gedächtnis<br />

oder sonst einen Datenträger gleichsam<br />

einbrennt.<br />

Wie ist es Ihnen an „9/11“ ergangen? Im<br />

Kasten auf Seite 31 finden Sie eine kurze,<br />

von vielen Menschen aber vergleichbar<br />

erlebte Erinnerung an die Seelennöte am<br />

11. September 2001 und das „Abflauen“<br />

dieser Nöte in den folgenden Monaten.<br />

Spannend ist auch die Frage, was <strong>heute</strong>,<br />

Gedächtnis-Training? Vergiss es. Wichtiger ist Vergessens-Training<br />

WIE VERGESSEN FUNKTIONIERT.<br />

UND WIE SIE DAS IM COACHING<br />

NUTZEN KÖNNEN<br />

Drei Wege beschreibt der Regensburger Gedächtnisforscher Prof. Dr.<br />

Karl-Heinz T. Bäuml, die uns Vergessen lassen. Coaches sollten sie<br />

kennen:<br />

1. Selektives Abrufen / abrufi nduziertes Vergessen<br />

Wenn wir ein Gedicht lernen, können wir einige Passagen ziemlich<br />

rasch auswendig, andere geben wir fehlerhaft wieder – und wenn wir<br />

an dieser Stelle aufhören würden, das Gedicht zu lernen, hätten wir<br />

etwas teilweise Falsches gelernt, dass wir aber dennoch „intus“ hätten.<br />

Um das nicht geschehen zu lassen, nehmen wir uns die bis dahin<br />

falsch oder nur bruchstückhaft gelernten Passagen vor, memorieren<br />

sie und rufen sie aus dem Kurzzeitgedächtnis ab, bis sie „sitzen“.<br />

Was aber passiert mit den anfangs fehlerhaft gelernten Passagen des<br />

Gedichtes? Ob sie komplett getilgt werden, ist eine eher philosophische<br />

Frage. Tatsache aber ist, dass sie durch die korrekt gelernten<br />

Passagen überlagert, ersetzt, verdrängt oder was auch immer werden.<br />

Ähnlich im <strong>Coaching</strong>: Statt sich wie Therapeuten um der Klienten und<br />

der Menschheit ganzen Jammer zu kümmern, den Jammer immer wieder<br />

neu ins Bewusstsein zu rufen, konzentrieren sich Coaches, die<br />

keine Minitherapeuten sein wollen, weil sie Besseres im Repertoire<br />

haben, das rascher hilft und besser nutzt auf die Stärken der Klienten,<br />

auf die positiven Seiten des Lebens. Und sie leisten so einen<br />

wichtigen Beitrag zum (zumindest teilweisen) Vergessen oder – um<br />

Sigmund Freuds Ausdruck zu benutzen – zum Verdrängen des Negativen.<br />

Dies SELEKTIVE ABRUFEN ist der heilsamen, heilende, therapeutische<br />

Effekt des <strong>Coaching</strong>. Auch wenn Coaches eben keine Mini-Freuds<br />

und Schmalspurtherapeuten sein wollen. Recht tun die Coaches daran,<br />

weil Stärken rascher und effektiver Nutzen bringen können als<br />

sich mit den „4 P“ (Pleiten, Pech, Pannen, Probleme) und den „4 K“<br />

(Krisen, Krankheit, Konfl ikte, Katastrophen) zu befassen.<br />

2. Gedächtnisaktualisierung /gerichtetes Vergessen<br />

Hierbei werden Gedächtnis-Inhalte „ins Vergessen befördert“. Im psychologischen<br />

Labor lernen Menschen eine Wortliste bis zur Perfektion<br />

auswendig. Danach wird ihnen gesagt: „Das war nur ein Probelauf,<br />

vergessen Sie die Worte. Jetzt kommt die Liste, die Sie wirklich lernen<br />

sollen.“ Ergebnis:<br />

•der Hinweis verbessert das Erinnern der Wörter der zweiten Liste<br />

•und er verschlechtert das Erinnern der Wörter der ersten Liste.<br />

Dieser Befund zeigt das Muster einer GEDÄCHTNISAKTUALISIERUNG,<br />

indem er<br />

•einen verbesserten Zugriff auf das „relevante“ Material (zweite Liste)<br />

und<br />

•einen erschwerten Zugriff auf das irrelevante Material demonstriert.<br />

Prof. Bäuml hat nachgewiesen, dass abrufi nduziertes und gerichtetes Vergessen<br />

nicht nur mit Wortlisten, sondern auch mit alltagsrelevanten Materialien<br />

funktioniert.<br />

– März 2012<br />

29<br />

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mehr als ein Jahrzehnt später, in Ihnen<br />

vorgegangen ist, als Sie sich in das Bild auf<br />

Seite 28 vertieft haben. Einiges könnte sich<br />

mit dem decken, was die Gehirnforschung<br />

seither herausgefunden hat, und was im<br />

<strong>Coaching</strong> von traumatisierten Menschen<br />

hilfreich sein könnte:<br />

Traumatisierte Menschen scheinen sich<br />

an den oder die Auslöser ihres Schreckens<br />

regelrecht zu klammern, sie erleben einen<br />

Schrecken in sehr konkretem Detail<br />

immer wieder. Vermutlich aber täuschen<br />

sie sich dennoch, wenn sie glauben, eine<br />

1:1-Erinnerung zu haben. Denn die <strong>Coaching</strong>-Forschung<br />

zeigt:<br />

1. „Blitzlicht-Erinnerungen“ gibt es vermutlich<br />

selten oder nie. Das Gedächtnis<br />

ist keine CD, keine DVD, keine Festplatte.<br />

2. Was Gehirn und Gedächtnis tun, wenn<br />

sich ein Ereignis als bemerkenswert herausstellt,<br />

ist zu entscheiden – und das läuft<br />

für uns Gehirn- und Gedächtnis-Eigner<br />

unbewusst ab –, ob das Ereignis auch merkenswert<br />

ist.<br />

3. In aller Regel werden Ereignisse im Gehirn<br />

nicht separat – jedes für sich – gespeichert,<br />

sondern eine Vielzahl tatsächlich<br />

oder nur auf den ersten Eindruck<br />

hin merkenswert erscheinende Ereignisse<br />

werden zusammengeworfen und zum Beispiel<br />

im selben „Gehirn-Kästchen“ abgespeichert<br />

– etwa in dem mit der Aufschrift<br />

„Urlaub 2011“ .<br />

4. Viele – vielleicht sogar alle – Ereignisse<br />

werden allerdings in mehr als nur einem<br />

einzigen „Gehirn-Kästchen“ aufbewahrt.<br />

Nehmen Sie den Inhalt von „Urlaub 2011“:<br />

Sie waren in Italien, am Meer, haben gesegelt,<br />

den Ausflug zum Papst gemacht und<br />

haben doch nur Herrn Genswein gesehen<br />

… ein einziger Urlaub liefert also bereits<br />

viele Erinnerungs-Exponate für viele „Gehirn-Kästchen“.<br />

Unser großartiges Talent,<br />

vergessen zu können<br />

Normalerweise kommen Gehirn und Gedächtnis<br />

mit ihrer Datenflut gut zurecht,<br />

weil Gedächtnisinhalte eben nicht 1:1 wie<br />

auf einer CD gespeichert, sondern ständig<br />

bearbeitet und dabei in aller Regel vereinfacht<br />

werden – dies geschieht durch weglassen<br />

von Details. Für diese, unsere Bega-<br />

Gedächtnis-Training? Vergiss es. Wichtiger ist Vergessens-Training<br />

WAS TUN IM COACHING, WENN DAS<br />

LEBEN EINEM KLIENTEN IMMER WIE-<br />

DER „SCHMUTZIGE BILDER“ ZEIGT?<br />

Drei Wege beschreibt der Regensburger Gedächtnisforscher Prof. Dr.<br />

Karl-Heinz T. Bäuml, die uns Vergessen lassen. Hier ist der dritte Weg:<br />

3. Nicht ins Bewusstsein lassen / Vergessen durch Unterdrücken<br />

Einer der wenigen Psychologenwitze, der sich zu erzählen lohnt. Ein<br />

Psychologe legt einem Klienten<br />

den Rorschach-Test vor –<br />

Tintenklecks-Bilder mit nicht<br />

eindeutig erkennbaren Darstellungen<br />

(Beispiel links), in<br />

die Menschen etwas „hineinsehen“<br />

können.<br />

Der Psychologe fragt den Klienten,<br />

was er auf dem ersten<br />

Bild sieht. Der Klient sagt:<br />

„Geschlechtsverkehr.“ Er sagt auch beim zweiten bis zehnten Bild:<br />

„Geschlechtsverkehr.“ Da platzt dem Psychologen der Kragen, und er<br />

sagt ganz unprofessionell: „So ein Ferkel wie Sie habe ich noch nie in<br />

Therapie gehabt.“ „Wieso ich,“ antwortet der Klient: „Wer zeigt hier<br />

eigentlich die schmutzigen Bilder?!“<br />

Gedächtnisinhalte können die Funktion solcher „schmutzigen“, Angst<br />

und Ekel auslösenden Bilder haben. Oft sind diese Gedächtnisinhalte<br />

verdrängt – was aber tun, wenn unerwünschte Erinnerungen den Weg<br />

„vom momentanen Vergessensein“ ins Bewusstsein fi nden? Allein<br />

die Fragestellung ist bereits lehrreich, denn wenn es einen Weg vom<br />

Vergessensein ins Bewusstsein gibt, heißt das eben auch, dass die<br />

Gedächtnisinhalte, die nicht mehr präsent, nicht mehr greifbar, nicht<br />

mehr spontan abrufbar sind, nicht total verloren sein müssen – dies<br />

als Fluch, aber auch als Segen.<br />

Wie damit umgehen? Dies wird seit einigen Jahren mit Hilfe des<br />

Unterdrückungsparadigmas untersucht. Dabei lernen Probanden<br />

z.B. schwach verwandte Wortpaare (Butter/Oper) und sollen, wenn<br />

Sie „Butter“ hören, mit „Oper“ antworten. Dann folgt die Unterdrückungsaufgabe:<br />

Die ersten Worte werden jeweils wieder präsentiert,<br />

und die Probanden sollen dann entweder mit dem gelernten zweiten<br />

Wort antworten (Butter/Oper), aber bei einzelnen Worten wird ihnen<br />

gesagt, sie sollen das zweite Wort des Wortpaares aktiv unterdrücken<br />

und es möglichst gar nicht erst ins Bewusstsein kommen lassen.<br />

Nach mehreren Durchgänge sollen die Probanden sich an die anfangs<br />

gelernten Wörter zu erinnern. Es zeigt sich, dass sie die aktiv unterdrückten<br />

Wörter schlechter erinnern. Das heißt: Einige – einstmals<br />

gut eingeprägte (!) – Wörter sind auf den Weg des Vergessen gebracht<br />

worden. Den Klienten in diesem Experiment ist das durchaus bewusst<br />

gewesen – und es hat dennoch funktioniert.<br />

Sie kennen das ewige Gerede über „Denken Sie jetzt einmal nicht an<br />

einen rosa Elefanten“ mit dem angeblich bewiesen wird, dass das<br />

Gehirn, des Unbewusste oder sogar der Kosmos kein „Nein“ und kein<br />

„Nicht“ versteht. Wer so etwas sagt, ist dumm oder ein Täuscher.<br />

– März 2012<br />

30<br />

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ung der Informations-Bearbeitung und<br />

Informations-Neustrukturierung haben<br />

wir einen eigentlich viel zu wenig spektakulären<br />

Namen – Vergessen.<br />

Wie wertvoll die hohe Kunst des Vergessens<br />

ist, kann Ihnen ein zweiter Blick auf<br />

das „9/11“-Bild zeigen. Denn wie wäre es<br />

Ihnen ergangen, wenn Sie „Blitzlicht-Erinnerungen“<br />

an den Einsturz des World<br />

Trade Centers gehabt und bis <strong>heute</strong> – mit<br />

allen emotionalen Belastungen – konserviert<br />

hätten? Und denken Sie einmal an<br />

die Menschen, die damals nicht nur als<br />

Zuschauer geschockt worden sind, sondern<br />

die als Opfer Nahtod-Erfahrungen<br />

gesammelt haben. Die Psychologische<br />

Forschung über die Kunst des Vergessens<br />

durch Experten wie Dr. Elizabeth Phelps<br />

von der New York University kann in Forschungslabors<br />

bereits darstellen, wie Vergessen<br />

„funktioniert“. Ein weltweit anerkannter<br />

Experte auf diesem Gebiet ist der<br />

Psychologe Prof. Dr. Karl-Heinz T. Bäuml,<br />

der das Memory Lab (Gedächtnis-Laboratorium)<br />

der Universität Regensburg leitet.<br />

Bäuml erklärt, warum wir Vergessen lernen<br />

können:<br />

„Gedächtnisinhalte konkurrieren miteinander<br />

um das Erinnern. Der zielgerichtete Gebrauch<br />

unseres Gedächtnisses erfordert es<br />

deshalb, dass der Zugriff auf unerwünschte<br />

oder veraltete Gedächtnisinhalte erschwert<br />

und so der Abruf erwünschter oder aktueller<br />

Informationen erleichtert wird.<br />

l Ermöglicht wird der Zugriff auf Gedächtnis-Inhalte<br />

durch „exzitatorische<br />

Prozesse“ (anreizende Vorgänge) an den<br />

Synapsen (Synapsen sind jene Orte, an<br />

denen Nervenzellen an einander „andocken“<br />

und dann Reize, resp. Information<br />

von einer Zelle auf die andere übertragen<br />

können).<br />

l Erschwert wird der Zugriff auf Gedächtnis-Inhalte<br />

durch „inhibitorische<br />

Prozesse“ (hemmende Vorgänge) in den<br />

Synapsen, die also ganz oder teilweise unterbinden,<br />

dass Reize oder Information<br />

von einer Zelle auf die andere übertragen<br />

können).<br />

Auch das nur teilweise Unterbinden zeigt<br />

an, dass Verlernen <strong>statt</strong>gefunden hat. Etwas<br />

mehr oder weniger Verlernen ist der<br />

Normalfall. Das perfekte Verlernen hingegen<br />

ist selten. n<br />

Gedächtnis-Training? Vergiss es. Wichtiger ist Vergessens-Training<br />

WIE UNSER GEDÄCHTNIS UNS<br />

HILFT, SELBST DIE SCHLIMMSTEN<br />

ERINNERUNGEN ABZUBAUEN<br />

Wie ist es Ihnen an „9/11“ ergangen?<br />

Haben Sie noch Details parat?<br />

Wo waren Sie, was haben Sie gemacht, als Sie die<br />

Nachricht bekommen haben?<br />

Was haben Sie gefühlt? Zorn? Trauer?<br />

Oder auch gar nichts, weil sie nur fassungslos waren?<br />

Ich weiß noch genau, wie es war, lautet ein solcher Bericht.<br />

Ich lag auf der Couch, weil ich mich von stundenlangem<br />

Schreiben an meinem neuen Buch erholen wollte. Mein Sohn<br />

hat angerufen und nur gesagt: Mach den Fernseher an, es<br />

passiert gerade etwas Fürchterliches.<br />

Und dann habe ich die Szene gesehen, wie das zweite Flugzeug<br />

in den zweiten Turm rast … unfassbar. Und die Folge<br />

war, dass ich in den Wochen darauf keine einzige Zeile an<br />

meinem Buch zustande gebracht habe. Heute kommt es mir<br />

so vor, als hätte ich drei Wochen lang eigentlich nur den Kopf<br />

geschüttelt.<br />

Nach heutigem Stand der Gedächtnisforschung könnte mit<br />

diesem Menschen im Laufe der Zeit das Folgende passiert<br />

sein:<br />

Er war seelisch mitgenommen. Aber bald schon und – das<br />

ist ein öfter bestätigter Richtwert – spätestens nach etwa<br />

drei Monaten – war sein Leben wie vor 9/11 – außer er hatte<br />

selbst einen Menschen verloren, oder er war in eine tiefere<br />

seelische Krise geraten.<br />

Viele Menschen haben in den Wochen nach 9/11 die Bilder,<br />

die Sie gesehen haben, in Ihrem Kopf „durchgespielt“ und<br />

obwohl eins der am stärksten angstbesetzten Szenarien<br />

abgelaufen ist, hat Ihr anfänglicher Schreck nachgelassen.<br />

Das heißt: Ihr „Ich-Gedächtnis“ für Fakten und Ihre Seele (Ihr<br />

„Gefühls-Gedächtnis“) haben selbst so etwas Schreckliches<br />

wie „9/11“ verarbeiten könnten.<br />

Was bei diesem heilsamen Vergessen genau im Gedächtnis<br />

passiert, ist noch ziemlich wenig geklärt. Aber Psychologen<br />

weltweit arbeiten daran, dieses Wunder besser zu verstehen<br />

und daraus Behandlungen für traumatisierte Menschen<br />

abzuleiten. Ein Weg ist, Menschen, wenn sie entspannt sind,<br />

liebevoll nahezulegen, die hochkommenden schlimmen<br />

Erinnerungen „von sich zu weisen“ oder sie „sich leerlaufen<br />

zu lassen“<br />

– März 2012<br />

31<br />

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WER BEKOMMT IM<br />

ARBEITSLEBEN DIE<br />

„ARSCHKARTE“<br />

?<br />

Die Menschen, die sich sozialverträglich ver- verhalten?<br />

Oder die Menschen, die sich nicht<br />

sozialverträglich verhalten?<br />

Immer noch gilt im Business das Wort des legendären<br />

Sport-Managers Leo Durocher (New York Giants) „Nice<br />

guys fi nish last” – und die netten Guys und Girls bekommen<br />

auch weniger Geld, wie eine gerade in der Februar-<br />

Ausgabe der Fachzeitschrift Journal of Personality and Social<br />

Psychology (PsycINFO Database Record (c) 2012 APA) veröffentlichte<br />

Studie zeigt. Titel: Do nice guys and gals really fi nish<br />

last? Th e joint eff ects of sex and agreeableness on income“.<br />

Nachgewiesen wurde darin, dass sich agreeableness (Verträglichkeit,<br />

Liebenswürdigkeit, angenehmes Wesen) negativ auf<br />

das Einkommen auswirkt – bei Frauen sowieso, aber auch bei<br />

nicht-aggressiven Männern. Bei nicht-aggressiven Männern<br />

scheint der Grund für diese Zurücksetzung gerade darin zu liegen,<br />

dass sie keine Aggressivität zeigen. Sie entsprechen damit<br />

nicht der männlichen Rollen-Erwartung – speziell nicht jener<br />

in Unternehmen, in denen Aggressivität als Führungsqualität<br />

angesehen wird. Deshalb werden diese Männer – und eben deshalb<br />

werden auch Frauen – nicht in die Aufsteiger-Seilschaft en<br />

aufgenommen. Und ihnen wirft auch kaum einer von denen,<br />

die ganz oben angekommen sind, ein Seil zu.<br />

Einzel-Ergebnisse der Studie sind:<br />

1. Der Zusammenhang zwischen Geschlechtszugehörigkeit<br />

und agreeableness (sozialverträgliche Verhaltensweisen wie<br />

geringe Aggressionsbereitschaft , Liebenswürdigkeit und angenehmes<br />

Wesen) konnte nachgewiesen werden. Frauen sind in<br />

ihrem Verhalten im Durchschnitt gesehen also sozialverträglicher<br />

als Männer.<br />

2. Bei beiden Geschlechtern wirkt agreeableness sich negativ<br />

auf des Einkommen aus – und dies<br />

3. bei Frauen signifi kant negativer als bei Männern („signifi kant“<br />

heißt: „Hier handelt es sich nicht um ein Zufallsergebnis, son-<br />

„Arschkarte“<br />

dern es ist wissenschaft lich<br />

nachgewiesen“). Frauen, die sich sozi- alverträglich<br />

verhalten, bekommen also weniger Geld als MänMänner, die sich in genau demselben Maße sozialverträglich verhalten,<br />

wie Frauen.<br />

4. Männer können also dadurch Karriere machen und/oder<br />

mehr Geld verdienen, dass sie sich gezielt weniger sozialverträglich<br />

verhalten.<br />

5. Männer können also dadurch Karriere machen und/oder<br />

mehr Geld verdienen, dass sie sich gezielt weniger sozialverträglich<br />

verhalten.<br />

Sollten Frauen sich also mehr wie sozial unverträgliche<br />

Männer benehmen, um Karriere zu machen?<br />

Wie immer ist auch hier guter Rat nicht einfach. Bekannt ist,<br />

dass sozial unverträgliche Menschen einen weiteren Wesenszug<br />

haben – oder haben können: Geld bedeutet ihnen viel mehr als<br />

dies bei den meisten Menschen der Fall ist. Deshalb investieren<br />

sie mehr „Seelenschweiß“ in Th emen wie „Geld“ und „Karriere“.<br />

Und sie machen dies in einer zwar unfeinen – aber eben<br />

doch – stimmigen Unart und Weise.<br />

Wenn also Frauen oder Männer den unsozialen Männern nacheifern<br />

wollten, um dadurch mehr Geld und Prestige zu erreichen,<br />

müsste ihr Verhalten also authentisch sein – sonst nimmt<br />

kein Chef es ihnen ab. Und sie sollten dabei bedenken, dass ihre<br />

Chefs selbst – möglicherweise – Experten für Unverträglichkeit<br />

sind und „Fakes“ erkennen. Wie so oft gibt es auch hier keine<br />

einfachen Regeln. Generell gilt: Verhalten von Männern und<br />

Frauen wird akzeptiert, wenn es „angemessen“ ist. „Angemessen“<br />

für Männer ist, aggressiver aufzutreten als Frauen es tun.<br />

Wenn Frauen aggressiv auft reten wie Männer, gilt das als „unangemessen“.<br />

n<br />

– März 2012<br />

32<br />

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UNS BLEIBT NICHTS ERSPART –<br />

UND IHNEN AUCH NICHT<br />

Hier sehen Sie, was so auf dem<br />

neuesten Facebook (das „pinterest“<br />

heißt und sich nicht mehr<br />

lange hinter der Adresse http://<br />

pinterest.com/ verbergen wird) ge- gepostet<br />

wird.<br />

Pinterest stellt sich vor als Online<br />

Pinboard und fordert uns auf: Organize<br />

and share things you love.<br />

Wirklich? Warum soll ich den, die<br />

oder das, was ich liebe, in eine<br />

Ordnung bringen? Und Sharing? Da<br />

habt ihr wohl einen an der Backe …<br />

Fundsachen<br />

DAS INTERNET –<br />

EIN BEICHTSTUHL<br />

Menschen haben Hemmungen, anderen<br />

Menschen Wahrheiten ins Gesicht<br />

zu sagen, Wahrheiten über sich selbst<br />

und Wahrheiten über ihr Gegenüber.<br />

Warum verlieren Menschen diese Hemmungen<br />

im Internet?<br />

Der Psychologie-Professor und Blogger<br />

Dr. John Suhler von der Rider University<br />

im US-Staat New Jersey, der über<br />

„Psychologie des Cyberspace“ und „Cybertherapeutische<br />

Theorie und Techniken“<br />

publiziert hat ( (http://psycyber.<br />

blogspot.com/), blogspot.com/ erklärt dies durch ei-<br />

nen Vergleich mit unseren nahen Verwandten.<br />

Wenn Affen von ranghöheren<br />

Tieren ihrer Horde angestarrt werden,<br />

erleben sie einen Machtkampf, von dem<br />

sie wissen, dass sie ihn verlieren.<br />

Dieses Anstarren aber entfällt in der<br />

Anonymität des Web. Das fördert die<br />

Offenheit anderen gegenüber – und<br />

auch die Ehrlichkeit bei den Selbstenthüllungen.<br />

– März 2012<br />

33<br />

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„INVESTMENT BANKING<br />

GEFÄHRDET IHRE<br />

GESUNDHEIT“<br />

Schlafl osigkeit, Alkoholabhängigkeit,<br />

Herzrasen, Ess-Störungen, Jähzorn<br />

– das ist die medizinische Bilanz einer<br />

über zehn Jahre durchgeführte Studie<br />

an rd. zwei Dutzend Investment-Bankern,<br />

berichtet das Wall Street Journal in der Ausgabe<br />

vom 15. Februar 2012. Und kommt zu<br />

dem Schluss:<br />

Add investment banking to the list of things<br />

that could be dangerous to your health – also:<br />

Investment-Banking gehört auf die Liste der<br />

gesundheitsgefährdenden Lebensweisen.<br />

Andere Meldungen ergänzen die oben erwähnten<br />

Krankheiten allgemein um „zumindest<br />

ein weiteres auf Stress zurückführbares<br />

körperliches und/oder seelisches<br />

Leiden nach einigen Jahren in diesem Job“<br />

(a stress-related physical or emotional ailment<br />

within several years on the job).<br />

Weitere Diganosen erbrachten – etwa ab<br />

dem vierten Berufsjahr – (www.observer.<br />

com/2012/02/investment-banking-badfor-you-02152012/)<br />

bei Investment-Bankern<br />

aus der Studie Allergien, Morbus Crohn<br />

(eine chronisch-entzündlichen Darmerkrankung),<br />

Psoriasis (Schuppenfl echte), Gelenkrheumatismus<br />

und Erkrankungen der<br />

Schilddrüse.<br />

Ebenso Drogenabhängigkeit (substance addictions)<br />

und dazu gezählt wird auch Medikamenten-Abhängigkeit<br />

– etwa eine Abhängigkeit<br />

von dem „Psycho-Stimulanz-Mittel“<br />

Ritalin oder von Adderall (zu den Amphetaminen<br />

gehörig – und wie bei Wikipedia<br />

zu lesen ist: „Die kanadische Arzneibehör-<br />

Warnt Investment-Banker<br />

vor Berufs-Erkrankungen:<br />

Alexandra<br />

Michel,<br />

Management<br />

Professorin an<br />

der University<br />

of Southern<br />

California<br />

de „Health Canada” hat die Zulassung für<br />

das Medikament Adderall bis auf weiteres<br />

suspendiert. Der Grund sind Berichte über<br />

Todesfälle, die nach Einnahme des Mittels<br />

in normalen Dosierungen aufgetreten sind.“<br />

Psychopharmaka sollten einer „Depersonalisierung“<br />

entgegenwirken – einem Gefühl<br />

der Dumpfheit (numbness) dem Rest der<br />

Welt gegenüber. Ebenso wird von Tendenzen<br />

zum Selbstmord berichtet.<br />

Quelle dieser negativen Nachrichten über<br />

jene Menschen, die <strong>heute</strong> mehr Macht<br />

in der Welt ausüben als manche Weltmächte,<br />

ist eine über wohl jeden Zweifel<br />

erhabene Studie – vorgelegt von Alexandra<br />

Michel, <strong>heute</strong> Assistenz-Professorin an der<br />

University of Southern California. Zehn Jahre<br />

lang hat sie Investment-Manager begleitet.<br />

Neben der von ihr protokollierten Statistik<br />

der Erkrankungen hat sie ebenfalls persönliche<br />

Einlassungen von Investment-Bankern<br />

notiert. Ein Vice President hat seine Arbeit<br />

zum Beispiel ihr gegenüber als einen nie endenden<br />

Albtraum beschrieben (Du „wachst<br />

jeden Morgen auf und wünschst, dass der<br />

gestrige Tag nur ein Albtraum gewesen<br />

ist.“)<br />

Ein anderer Vice President berichtet von<br />

seiner Sorge, dass die Menschen bereits<br />

in Gesprächen seine Alkohol-Abhängigkeit<br />

entdecken würden. Und er konzentriert<br />

sich so sehr darauf, dies zu verhindern,<br />

dass er „nur die Hälfte des Gespräches“<br />

mitbekommt.<br />

Nach sches Jahren hatte sich die Gruppe<br />

der Investment-Banker, inzwischen Mitt-<br />

Dreißiger, auf zwei Lager verteilt: 60 % sind<br />

„im Krieg gegen ihren Körper“ verblieben<br />

und nur 40 % haben ihrer Gesundheit Priorität<br />

eingeräumt. Ironisch kommentiert das<br />

Wall Street Journal: „Wenn du meinst, dass<br />

in einem Zelt im Zuccotti Park zu leben hart<br />

ist, „try this on“ – und gemeint ist das Leben<br />

als Investment-Banker.<br />

Der Zuccotti Park war das Quartier der Occupy-Wallstreet-Bewegung.<br />

WARNING<br />

OCCUPY WALL<br />

STREET‘(S PANTS)<br />

Fundsachen<br />

BANKING IS<br />

HAZERDOUS TO<br />

YOUR HEALTH<br />

Besonderen Rat für Damen, die nicht von<br />

der Wallstreet Beschlag nehmen wollen,<br />

sondern von den Hosen der Männer von<br />

der Wallstreet – und vor allem von deren<br />

Brieftaschen – , hat die Szene-Zeitung<br />

„The New York Observer“ am 8.<br />

Februar veröffentlicht (www.observer.<br />

com/2012/02/cnbc-wall-street-men-<br />

02082012/).<br />

Textproben: Wallstreet-Männer lieben<br />

Frauen, die sexy und easy sind. Und: Sei<br />

scharf oder GTFO („get the fuck out“:<br />

mögliche Übersetzung: „verschwinde“).<br />

Wallstreet-Männer mögen es, wenn andere<br />

Männer sie in Gesellschaft von attraktiven<br />

Frauen sehen.<br />

– März 2012<br />

34<br />

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