Energie statt Power - Coaching heute
Energie statt Power - Coaching heute
Energie statt Power - Coaching heute
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März 2012 – mit training <strong>heute</strong> und speaking <strong>heute</strong><br />
Sabine Asgodoms Weiterbildungs-Magazin<br />
„<strong>Energie</strong> <strong>statt</strong> <strong>Power</strong> –<br />
Die weibliche Formel für<br />
Erfolg und Lebensfreude“<br />
Das Management entdeckt den Menschen<br />
Chefdenker Jesper Juul – oder:<br />
Was Coaches von einem Therapeuten abschauen könnten<br />
WoMen<strong>Power</strong> 2012 auf der HANNOVER MESSE am 27. April<br />
mit Eva Loschky, Christa Schiffer, Sabine Asgodom
Willkommen<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
– März 2012<br />
Editorial<br />
jetzt liegen die ersten Ergebnisse unserer Leserbefragung im letzten Heft vor. Vielen Dank an alle,<br />
die den Fragebogen ausgefüllt haben. Einige erste Ergebnisse: Fast Zweidrittel unserer Leser/innen<br />
sind selbstständig, die meisten anderen sind angestellt, dazu kommen einige Student/innen. Ein<br />
Drittel der <strong>Coaching</strong><strong>heute</strong>-Leser/innen arbeiten als Coach, ein Fünftel sind Führungskräfte; andere<br />
Berufe: Berater/innen, Pädagog/innen, Therapeut/innen.<br />
Und hochinteressant: 90 Prozent der <strong>Coaching</strong><strong>heute</strong>-Leser sind Leserinnen! Vielleicht passt dieses<br />
Ergebnis zu unserer Beobachtung, dass <strong>Coaching</strong> immer weiblicher wird. Das Thema Frauen steht<br />
auch im Mittelpunkt meines Beitrags in dieser Ausgabe von <strong>Coaching</strong>-<strong>heute</strong>: „<strong>Energie</strong> <strong>statt</strong> <strong>Power</strong><br />
– Die weibliche Formel für Erfolg und Lebensfreude“ betrachtet alternative Herangehensweisen an<br />
Lebenserfüllung und Lebensfreude (Seite 5).<br />
Ergänzend dazu finden Sie einen Veranstaltungshinweis auf die WoMen<strong>Power</strong> 2012 am 27. April<br />
auf der HANNOVER MESSE, zu der wieder mehr als 1.000 Besucher/innen erwartet werden (Seite<br />
24). Ein hervorragendes Veranstaltungsprogramm und interessante Aussteller erwarten Sie. Dort<br />
können Sie u.a. meinen Workshop zum Thema „<strong>Coaching</strong>-Tools“ besuchen.<br />
Weltweit gibt es zwischen 30 000 und 50 000 Coaches, vermutet der Internationale <strong>Coaching</strong>verband<br />
IFC – Tendenz weiter steigend. Warum Coaches für die Wirtschaft immer wichtiger werden,<br />
beschreibt der Bericht von Siegfried Brockert „Das Management entdeckt den Menschen“, den Sie<br />
auf Seite 13 finden. Was Coaches von einem Therapeuten abschauen könnten, zeigt unser Beitrag<br />
über den Therapeuten und Chefdenker der Weiterbildungs-Szene Jesper Juul ab Seite 20.<br />
Noch ein Tipp: Falls Sie selbst erleben wollen, wie meine TV-<strong>Coaching</strong>-Sendung „Sabine Asgodom“<br />
entsteht, können Sie sich als Zuschauer/in für die Aufzeichnungen vom 21. bis 24. März in München-Unterföhring<br />
anmelden: martin.wohlfarth@ndf.de .<br />
Ich wünsche Spaß beim Lesen und freue mich auf Ihr Feedback – redaktion@coaching-<strong>heute</strong>.de<br />
Ihre<br />
Sabine Asgodom, CSP<br />
Herausgeberin<br />
P.S. Ab 26. März finden Sie mein neues Buch „So coache ich“ in den Buchhandlungen.<br />
Mehr dazu in der nächsten <strong>Coaching</strong>-<strong>heute</strong>.<br />
2
Entdecken<br />
Sie Ihr<br />
Potenzial<br />
l Ihr USP – Wir entwickeln<br />
Ihr persönliches Stärkenprofil<br />
l Wir erarbeiten Ihre persönlichen<br />
Kompetenzthemen<br />
l bessere Ziel-Durchsetzung<br />
l bei Kunden und Mitarbeitern<br />
besser überzeugen<br />
l Talente erkennen und<br />
besser nutzen<br />
l mehr Ausstrahlung, mehr<br />
Wirkung<br />
Sie sind gut in Ihrem Job, haben<br />
auch schon Erfolg, spüren<br />
aber: Da ist noch mehr drin! In<br />
diesem Seminar wecken wir<br />
Ihre verborgenen Talente, entfachen<br />
Ihre berufliche Leidenschaft,<br />
machen mit Ihnen Ihren<br />
ganz persönlichen Ziel-Check.<br />
Und das wichtigste: Wir entfachen<br />
in Ihnen nicht nur ein<br />
einmaliges Strohfeuer, sondern<br />
entwerfen ganz konkrete Maßnahmen<br />
für die Umsetzung.<br />
Denn darin sind wir Profis …<br />
Lesen Sie hier bitte weiter<br />
Termine<br />
12.1. 2012 (war ausgebucht)<br />
19. Juni 2012<br />
9. November 2012<br />
Zeit: 09:00 - 18:00 Uhr<br />
Trainerin: Sabine Asgodom<br />
Ort: München<br />
Preis (inkl. Seminar-Service):<br />
695,00 € zzgl. MwSt<br />
Selbst-PR<br />
für<br />
Profis<br />
l Nie wieder bewerben!<br />
l Nie wieder akquirieren!<br />
l Hallo Traumjob!<br />
l Aufträge satt!<br />
Wenn wir uns einen Namen<br />
gemacht haben, wenn die<br />
richtigen, wichtigen Personen<br />
von uns wissen, brauchen wir<br />
uns nie wieder um einen Job,<br />
einen Auftrag bemühen – die<br />
Chancen kommen zu uns. Es<br />
gibt eine bewährte Strategie,<br />
um auf die eigenen Kenntnisse,<br />
Fähigkeiten, Leistungen<br />
und Ideen aufmerksam zu<br />
machen: Selbst-PR.<br />
l So machen Sie auf sich<br />
aufmerksam<br />
l So machen Sie sich einen<br />
Namen als Experte/Expertin<br />
l So zeigen Sie Kompetenz<br />
l Nutzen Sie Ihre Bühnen<br />
l Berühmt durch ein Buch<br />
l Interviewtipps – vom Profi<br />
l Mitreden in Talk-Shows …<br />
Lesen Sie hier bitte weiter<br />
Termine<br />
13.1. 2012 (war ausgebucht)<br />
20. Juni 2012<br />
10. November 2012<br />
Zeit: 09:00 – 18:00 Uhr<br />
Trainerin: Sabine Asgodom<br />
Ort: München<br />
Preis (inkl. Seminar-Service):<br />
795,00 € zzgl. MwSt<br />
Beide Seminare liegen an aufeinander folgenden Tagen.<br />
Preisnachlass, wenn die Seminare<br />
Entdecken Sie Ihr Potenzial und Selbst-PR für Profis<br />
gemeinsam gebucht werden.<br />
© ASGODOM LIVE® Änderungen vorbehalten<br />
So schreiben<br />
Sie<br />
Ihr Buch<br />
Unser Wissensforum zum<br />
Thema „So schreiben Sie ein<br />
Buch“ hat bereits mehrfach<br />
erfolgreich <strong>statt</strong>gefunden –<br />
nun haben wir, auf Anregung<br />
vieler Teilnehmer, ein Kompaktseminar<br />
zum gleichen<br />
Thema entwickelt.<br />
l Lernen Sie von Sabine<br />
Asgodom, Autorin von 25<br />
Best- und Longsellern (mehr<br />
als 20 Wochen auf der SPIE-<br />
GEL-Bestsellerliste)<br />
l Lernen Sie von Dagmar<br />
Olzog, Cheflektorin im Kösel-<br />
Verlag<br />
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Buchexperten Karen Christine<br />
Angermayer und Isabel<br />
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Coaches, Trainer und Speaker,<br />
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haben möchten, ohne den oft<br />
Jahre dauernden Weg über<br />
normale Verlage zu gehen …<br />
Lesen Sie hier bitte weiter<br />
Termin<br />
Samstag, 20. Oktober 2012<br />
Ort: München, Hotel Le Meridien<br />
– direkt am Münchner<br />
Hauptbahnhof, Bayerstraße<br />
41 80335 München, Tel. +49<br />
(0)89/24220<br />
www.lemeridien.com/munich<br />
Zeit: 10 bis 18.30 Uhr<br />
Preis (inkl. Seminar-Service):<br />
575,00 € zzgl. MwSt<br />
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Sabine Asgodoms<br />
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Vom Trainer<br />
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Speaker<br />
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Klienten zu tollen Lösungen.<br />
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Bühne erobern: (mehr) Vorträge<br />
halten, Zuhörer inspirieren<br />
und begeistern; Impulse<br />
geben und Nachhaltigkeit<br />
erzeugen; und gutes Geld<br />
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mit Sabine Asgodom den<br />
Sprung auf die große Bühne:<br />
l Erfahren Sie, was Speaking<br />
vom Trainerberuf unterscheidet.<br />
l Finden Sie Ihr Selbstverständnis<br />
als Redner/in.<br />
l Werden Sie vom Seminar-<br />
Profi zum Bühnen-Profi.<br />
l Finden Sie Ihre Mischung<br />
aus Inhalt und Entertainment.<br />
l Holen Sie sich Feedback in<br />
intensiver Einzelarbeit …<br />
Lesen Sie hier bitte weiter<br />
Termine<br />
16.-18.3. 2012 (ausgebucht)<br />
15. bis 17. Juni 2012<br />
14. bis 16. Dezember 2012<br />
Beginn am ersten Tag: 11 Uhr.<br />
Ende am dritten Tag: 16 Uhr<br />
Trainerin Sabine Asgodom<br />
Maximal 9 Teilnehmer/innen!<br />
Ort: Bad Gögging, nahe<br />
Ingolstadt, Hotel Marc Aurel<br />
Preis (inkl. Seminar-Service):<br />
2.980,00 € zzgl. MwSt<br />
– März 2012<br />
3
Impressum:<br />
<strong>Coaching</strong>-<strong>heute</strong> – das Internet-Magazin<br />
wird herausgegeben von Sabine<br />
Asgodom. Mitherausgeber der oben auf<br />
den Seiten namentlich gekennzeichneten<br />
Beiträge sind die jeweils dort<br />
erwähnten Coaches. <strong>Coaching</strong>-<strong>heute</strong><br />
will durch die Mitherausgeber thematische<br />
Vielfalt <strong>statt</strong> einer festgelegten<br />
Blattlinie garantieren.<br />
Die Mitherausgeber beteiligen sich<br />
an den Redaktions- und Produktionskosten.<br />
Bitte richten Sie alle Kommentare,<br />
Fragen etc. zu Einzelbeiträgen<br />
an die jeweiligen Mitherausgeber.<br />
Informationen <strong>Coaching</strong>-<strong>heute</strong><br />
insgesamt betreffend erhalten Sie über<br />
redaktion@coaching-<strong>heute</strong>.de<br />
Falls Sie Mitherausgeber werden<br />
möchten, schreiben Sie bitte ebenfalls<br />
an redaktion@coaching-<strong>heute</strong>.de<br />
<strong>Coaching</strong>-<strong>heute</strong> erscheint bei<br />
Asgodom Live®<br />
Prinzregentenstr. 85<br />
81675 München<br />
Tel: 089 982 47 49 0<br />
Fax: 089 982 47 49 8<br />
info@asgodom.de,<br />
www.asgodom.de.<br />
Die Redaktion erreichen sie über:<br />
info@coaching-<strong>heute</strong>.de<br />
www.coaching-<strong>heute</strong>.de<br />
Tel: 089 982 47 49 0, Fax: 089 982 47 49 8<br />
Herausgeberin und v.i.S.d.P.:<br />
Sabine Asgodom, CSP<br />
Redaktion:<br />
Moni Jonza (Office Managerin)<br />
Heinz Fritz (Autor)<br />
Philipp Brockert (Gestaltung)<br />
Siegfried Brockert, Dipl.Psych.<br />
(Chefredakteur)<br />
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck,<br />
Weiterverbreitung ist nur mit schriftlicher<br />
Erlaubnis der Herausgeberin und<br />
der für bestimmte Texte betreffenden<br />
Mitherausgeber ge<strong>statt</strong>et. Die elektronische<br />
Archivierung der Inhalte zu Ihrem<br />
persönlichen Gebrauch ist erlaubt.<br />
Die Redaktion kann trotz sorgfältiger<br />
Recherchen und Überprüfung der<br />
zugrunde liegenden Quellen keine<br />
Gewähr für den Inhalt übernehmen.<br />
Jegliche Haftung für aus der Berichter<strong>statt</strong>ung<br />
entstandene Schäden ist<br />
ausgeschlossen.<br />
Coverfoto: © IKO – Fotolia<br />
05 20<br />
24<br />
02 Sabine Asgodom: Willkommen<br />
03 Asgodom Live-Seminare<br />
05 Titelthema<br />
<strong>Energie</strong> <strong>statt</strong> <strong>Power</strong><br />
Die weibliche Formel für mehr Erfolg<br />
und zugleich mehr Lebensfreude<br />
11 Das erste <strong>Coaching</strong>-Café in<br />
München<br />
13 Neue Arbeitsfelder<br />
für Coaches (2):<br />
Das Management<br />
entdeckt den Menschen<br />
Und Coaches können dazu beitragen,<br />
dass Entdecker wie Entdeckte Freude<br />
an der gemeinsamen Arbeit haben<br />
17 SPIEGEL WISSEN<br />
„Es muss nicht gleich Psychotherapie<br />
sein …<br />
… denn „auch ein Coach kann helfen,<br />
Probleme zu lösen“<br />
20 Chefdenker<br />
Jesper Juul<br />
Was Coaches von einem Familientherapeuten<br />
abschauen könnten<br />
26<br />
– März 2012<br />
Inhalt<br />
22 Erfolgsbremsen<br />
E i NSAMKE i T<br />
Einsamkeit strahlt aus, steckt an<br />
und reduziert die Produktivität von<br />
Arbeitsgruppen ähnlich, wie es Angst<br />
oder Feindseligkeit tun<br />
24 Hannover-Messe<br />
Effizient arbeiten und leben<br />
– design your future!<br />
26 Marshall Goldsmith<br />
Feedforward<br />
Besser als Feedback<br />
28 Gedächtnis-Training?<br />
Vergiss es. Wichtiger ist Vergessens-Training<br />
32 Muss man ein Schwein sein …?<br />
Wer bekommt im<br />
Arbeitsleben die A…karte<br />
Sozial sein schadet der Karriere<br />
33 Fundsache:<br />
Internet – ein Beichtstuhl<br />
34 Fundsache:<br />
Investment Banking<br />
gefährdet Ihre Gesundheit<br />
4
Titelthema: <strong>Energie</strong> <strong>statt</strong> <strong>Power</strong> – die weibliche Erfolgsformel<br />
ENERGIE STATT POWER<br />
Die weibliche Formel für beides: mehr Erfolg und zugleich mehr Lebensfreude<br />
von Sabine Asgodom<br />
Es ist ein ganz normaler Tag: Der Wecker klingelt,<br />
Sie springen fröhlich aus dem Bett. Dann:<br />
Mist, der Kaff ee ist alle, und aus dem Kühlschrank<br />
gähnt Ihnen ein Leberwurstzipfel entgegen.<br />
Bäh. Heutabend müssen Sie unbedingt einkaufen<br />
gehen.<br />
Die Bluse, die Sie eigentlich zu einem Termin anziehen<br />
wollten, ist nicht gebügelt. Also schnell, Bügelbrett holen,<br />
zwischen Duschen und Zähneputzen, hopp hopp. Als sie,<br />
zehn Minuten später als sonst, zur U-Bahn kommen, fährt<br />
Ihnen eine Bahn gerade vor der Nase weg … So geht das<br />
den ganzen Tag weiter: Der Chef bekommt einen Wutanfall;<br />
ein Kollege heult Ihnen die Ohren voll, weil seine<br />
Freundin ihn verlassen hat. Sie haben einen Briefentwurf<br />
verschlampt und müssen mit dem Dichten noch mal von<br />
vorne anfangen. In der Mittagspause kleckern Sie sich<br />
Salatsoße auf den Rock; und danach ruft Ihre Mutter an,<br />
und macht Ihnen Vorwürfe, dass Sie die Eltern so lange<br />
nicht besucht haben. Nachmittags verhandeln Sie zäh mit<br />
einem Geschäft spartner – um Peanuts. Als Sie gerade gehen<br />
wollen, knallt Ihnen Ihr Chef noch „gaaaanz“ wichtige<br />
Papiere auf den Tisch, „das brauche ich morgen früh“.<br />
Sie verschieben Ihre Verabredung zum Essen, Ihr Freund<br />
ist sauer. Sie vergessen das Einkaufen, machen sich fl uchend<br />
an die Arbeit und wanken um kurz nach halbneun<br />
aus dem Büro. Zu Hause wartet Ihre Steuererklärung. Na<br />
Mahlzeit.<br />
Wundern Sie sich auch manchmal, wo Ihre <strong>Energie</strong> bleibt?<br />
Bewundern Sie andere, die wie aus der Pistole geschossen<br />
Vorschläge, Lösungen, Konzepte präsentieren können?<br />
Und sind Sie sich wirklich ganz sicher, dass Sie noch viel<br />
mehr Erfolg im Beruf erreichen könnten, wenn Sie einfach<br />
mehr <strong>Energie</strong> hätten?<br />
Falls ja, dann verabschieden Sie sich doch als Erstes einmal<br />
von dem Wort „<strong>Power</strong>“. Die letzten Jahre standen<br />
ganz im Zeichen dieses Wortes: <strong>Power</strong>, powern, auspowern,<br />
<strong>Power</strong>training, <strong>Power</strong>walking, <strong>Power</strong>talking,<br />
<strong>Power</strong>frauen, <strong>Power</strong> sucht Frau … Oder, wie es der Diplom-Psychologe<br />
und Psychotherapeut Bernd Hohmann<br />
formuliert: „Wir müssen uns von dem mekanomorphen<br />
<strong>Energie</strong>modell 1) verabschieden. Nach diesem mechanischen<br />
Modell wird oben <strong>Energie</strong> eingefüllt und unten<br />
1) Schon Friedrich Nietzsches hatte erkannt: „Der Psychologe sagt<br />
Dinge, die jeder weiß, in einer Sprache, die keiner versteht.“<br />
– März 2012<br />
5<br />
Zurück zum Inhalt
kommt Leistung heraus, wie in einem gut geschmierten<br />
Motor.“<br />
Schließen Sie doch einmal kurz die Augen, und stellen Sie<br />
sich eine <strong>Power</strong>frau vor. Wie sieht sie aus? Wie bewegt sie<br />
sich? Wie spricht sie? Wie behandelt sie ihre Mitarbeiter/<br />
innen? Kann es sein, dass Ihr inneres Bild eine Frau mit<br />
vielen harten Zügen zeigt? Im streng-schwarzen Business-<br />
Anzug, mit strenger Frisur. Im Stakkatoschritt durchs Unternehmen<br />
eilend. Eine Frau, die weiß, was sie will. Eine<br />
Frau, die durchaus Erfolg hat.<br />
Jetzt stellen Sie sich einmal die Frage: Möchte ich diese<br />
Frau sein? Oder: Bin ich diese Frau? Oder: War ich mal<br />
diese Frau?<br />
Viele Jahre lang habe ich selbst als Journalistin dieses<br />
Bild der <strong>Power</strong>frau transportiert. Habe geglaubt, wir<br />
müssten nur „tough“ oder „smart“ genug sein, um unser<br />
berufliches Glück zu finden. Habe Frauen vermittelt:<br />
Sei hart, gib nicht nach, benutze deine Ellenbogen,<br />
sei der bessere Mann. Dann erreichst du auch den beruflichen<br />
Olymp. <strong>Power</strong>frau – dieses Attribut war eine<br />
Auszeichnung.<br />
Sie war ein Kerl von<br />
einer Frau – und wollte das nicht<br />
mehr sein<br />
Doch plötzlich fühlte ich so einen bitteren Geschmack<br />
auf der Zunge bei dem Wort. Und auf einem Kongress<br />
für „<strong>Power</strong>frauen“ wurde mir im Jahr 1998 endgültig klar:<br />
Das kann nicht der richtige Weg sein. Irgend etwas haben<br />
wir dabei vergessen. Und <strong>heute</strong> weiß ich – es war unsere<br />
Weiblichkeit.<br />
In einem „Kerl von einer Frau“ werden halt nur die männlichen<br />
Anteile anerkannt und gefördert. Die weiblichen<br />
Anteile hatten und haben sich diese karriereambitionierten<br />
Frauen tunlichst abzugewöhnen, so „schwache“ Eigenschaft<br />
en wie Weichheit, Verständnis, Mitgefühl, Emotionalität,<br />
Sinnlichkeit. Warum?<br />
l Weichheit. Für ehrgeizige Frauen im Beruf ist dies ein<br />
absolutes Tabu. Angefangen bei ihren Formen, denn nur<br />
in einem durchtrainierten Körper kann schließlich eine<br />
Führungskraft stecken. Deshalb musste vor allem der<br />
Bauch wegtrainiert werden. „Straff “ war das Zauberwort.<br />
Weibliche Kurven erinnerten überfl üssigerweise daran,<br />
dass es sich bei diesem „homo businnicus“ um eine Frau<br />
handelte – mit all ihren karrierehindernden biologischen<br />
Eigenarten. Und der Kampf gegen Weichheit ging bei ihrem<br />
Format weiter: Schneidigkeit galt mehr als Charme,<br />
Geradlinigkeit mehr als Ganzheitlichkeit, Schlagfertigkeit<br />
mehr als Einfühlungsvermögen. Business? Ja. Aber ohne<br />
Busen!<br />
l Verständnis. Das konnten Frauen im letzten Jahrzehnt<br />
am besten gleich beim Pförtner abgeben. Schließlich hatte<br />
Titelthema: <strong>Energie</strong> <strong>statt</strong> <strong>Power</strong> – die weibliche Erfolgsformel<br />
das harte Business nichts mit Eiapoppeia und heile, heile<br />
Segen zu tun. „Survival of the fi ttest“, das alte darwinsche<br />
Prinzip, war plötzlich wieder en vogue. Schließlich musste<br />
jeder sehen, wo er (sie) bleibt. Oder, wie es ein Unternehmensberater<br />
zum Ende des 20. Jahrhunderts formuliert<br />
hat: „Who is who and where are you?“<br />
l Mitgefühl. Wirklich ein Relikt aus der Gattung der<br />
Gattinnen. Dort war es durchaus akzeptiert und geschätzt.<br />
Beispielsweise wenn er, der Ernährer, abends von des Tages<br />
Mühe gezeichnet nach Hause kam. Aber doch nicht<br />
im Business. Dort galt: „Für Loser kein Pardon!“ Die Zahlen<br />
müssen stimmen, Lady.<br />
l Emotionalität. Oh Gott, diese gefühlvollen Frauen, immer<br />
nah am Wasser gebaut. Heulen gleich los, wenn man<br />
mal ein bisschen gegen sie intrigiert. Oder werden richtig<br />
hysterisch, wenn sie merken, dass man sich ihr Projekt unter<br />
den Nagel gerissen hat. Ach, mit Frauen kann man einfach<br />
nicht sachlich diskutieren. Da hatten nur Frauen eine<br />
Chance, die auch über den derbsten Blondinenwitz so richtig<br />
mitgröhlen konnten.<br />
l Sinnlichkeit. Das „Bäh“-Wort in der coolen Endzeit des<br />
20. Jahrhunderts. Sinnlichkeit, allein der Gedanke an dieses<br />
Wort brachte die Karrierefrau vom rechten Weg ab. Das<br />
klang nach erotischen Irrungen, nach heißen Schaumbädern<br />
mit sündiger Literatur und Schokoküssen satt. Igitt!<br />
Da knabberte die karriereambitionierte Frau doch lieber<br />
am Endiviensalat und nahm <strong>statt</strong> des „Decamerone“ den<br />
„Machiavelli für Frauen“ mit ins Bett.<br />
Mädels, Damen, Landfrauen: Wir brauchen bei diesen<br />
Szenarien der Neunziger Jahre gar nicht vor Wut auf „die<br />
bösen Männer“ in die Tischkante zu beißen. Wir haben<br />
uns das gefallen lassen! Wir haben diätet bis zum Delirium;<br />
uns fi t-trainiert bis zum fi nalen Muskelkater; uns mit<br />
Härte gewappnet wie ein australisches Gürteltier; haben<br />
uns sogar Mann und Kinder versagt (mehr als 80 Prozent<br />
der Frauen in Führungspositionen waren Mitte der 90er<br />
Jahre ohne Familie).<br />
Eine Frau in Führungspositionen<br />
aber ohne Familie – wollen wir<br />
das?<br />
Und was war die Belohnung dafür? Einmal, nur einmal<br />
– wie ein Mann – ein joviales Schulterklopfen unseres<br />
Vorgesetzten zu ernten! Wow, ich hab’s geschafft!<br />
Endlich aufgenommen in die Männerriege, raus aus<br />
Schläppchen und Tütü, rein in die Rugby-Kluft. Welche<br />
Selbstverleugnung für ein „Kommst du noch mit<br />
auf ein Bier?“<br />
Schade, dass wir dafür sowieso immer zu müde waren.<br />
… weiter auf Seite 8 – auf Seite 7 folgt ein Kasten<br />
mit dem Asgodom-Kurzprogramm für mehr<br />
Selbstachtung<br />
– März 2012<br />
6<br />
Zurück zum Inhalt
Titelthema: <strong>Energie</strong> <strong>statt</strong> <strong>Power</strong> – die weibliche Erfolgsformel<br />
SABINE ASGODOMS KURZ-PROGRAMM FÜR MEHR SELBSTACHTUNG<br />
Wie war das bisher?<br />
Ziehen Sie eine Selbstwert- Bilanz. Wie<br />
rede ich mit mir selbst? Wenn ich zum Beispiel<br />
abends faul auf dem Sofa liege, <strong>statt</strong><br />
zu joggen, zu bügeln oder für den Chinesisch-Kurs<br />
zu pauken? Welche Selbstwertspiele<br />
spiele ich da? Gestehe ich mir mein<br />
Handeln zu oder mache ich mich dafür moralisch<br />
fertig? Wie achte ich mich selbst?<br />
Gehe ich auf meine Gefühle, meine körperlichen<br />
Bedürfnisse, meine geistig-intellektuellen<br />
Bedürfnisse ein? Oder verdränge<br />
ich sie? Vielleicht, um Rücksicht auf jemand<br />
anderen zu nehmen?<br />
Urlaub vom Freizeit-Stress<br />
Tun Sie eine Woche lang in Ihrer Freizeit<br />
nur das, worauf Sie wirklich Lust haben.<br />
Es gibt kein „Ich muss...“ , „Ich müsste...“,<br />
„Ich sollte...“, „Ich wollte doch...“ Hören<br />
Sie auf Ihren Körper und tun Sie sieben<br />
Tage lang nur das, was er braucht: Aufs<br />
Sofa mit dem 700-Seiten-Schmacht-Schinken;<br />
stundenlang Wäscheschubladen aufräumen;<br />
faul im Fenster liegen und auf die<br />
Straße schauen; jede Nacht in einer anderen<br />
Disco abtanzen; Fernsehen, bis die Pupille<br />
krampft. Egal, es gibt kein falsch oder<br />
richtig, kein gut oder schlecht. Das Ziel:<br />
Den Körper einmal richtig satt mit dem<br />
machen, was er sich wirklich wünscht.<br />
Ziehen Sie eine <strong>Energie</strong>-Bilanz<br />
Wer tut Ihnen gut, wer zieht <strong>Energie</strong> von Ihnen<br />
ab? Erinnern Sie sich an Begegnungen,<br />
aus denen Sie unheimlich fröhlich und beschwingt<br />
zurückgekommen sind. Mit wem<br />
waren Sie zusammen? Was hat Sie so froh<br />
gemacht? Und denken Sie andererseits<br />
zurück, wer Sie „runterzieht?“ Wie schafft<br />
dieser Mensch es, Ihnen die Laune zu verderben?<br />
Schreiben Sie auf einer Liste die<br />
<strong>Energie</strong>spender und auf einer anderen die<br />
<strong>Energie</strong>klauer auf. Schauen Sie sich die<br />
beiden Listen an. Was fällt Ihnen auf? Was<br />
können Sie verändern?<br />
Eine Woche lang mehr <strong>Energie</strong>-<br />
Spender (positive <strong>Energie</strong>) als <strong>Energie</strong>-Räuber<br />
(negative <strong>Energie</strong>)<br />
Das heißt, suchen Sie die Nähe zu Menschen,<br />
die Sie fröhlich machen, rufen Sie<br />
sie an, fahren Sie zu Ihnen hin, warten Sie<br />
nicht auf Gelegenheiten, sondern schaffen<br />
Sie welche. Meiden Sie die Nähe von den<br />
Negaholikern, die Ihnen die Stimmung verhageln.<br />
Sagen Sie Verabredungen ab, ver-<br />
schieben Sie Termine mit solchen Miesepetern,<br />
gehen Sie mittags nicht mit ihnen<br />
zusammen in die Kantine. Ziehen Sie nach<br />
dieser Woche ein Fazit: Wie geht es Ihnen,<br />
spüren Sie einen Unterschied?<br />
Überlegen Sie sich: Was brauche<br />
ich von außen, um etwas zu<br />
ändern?<br />
Von wem kann ich dabei Hilfe annehmen?<br />
Brauche ich jemanden, der mich ab und zu<br />
an die Hand nimmt – kommst du mit? Wer<br />
darf mir ab und zu etwas Gutes tun? Lasse<br />
ich es zu?<br />
Bitten Sie eine Woche lang jeden<br />
Tag jemanden darum, Ihnen etwas<br />
Gutes zu tun.<br />
Fragen Sie z.B. eine Freundin, ob Sie sie<br />
abends zum Joggen abholt. Bitten Sie Ihren<br />
Mann, Sie an der Stelle zu streicheln,<br />
an der Sie es besonders genießen können<br />
– und dabei geht es nur um dieses Streicheln,<br />
nur um Sie, damit er auf keine falschen<br />
Gedanken kommt. Bitten Sie einen<br />
Kollegen darum, Sie in der Konferenz auf<br />
ein Thema anzusprechen, das Ihnen aber<br />
am Herzen liegt, wofür Ihnen aber bisher<br />
der Mut gefehlt hat, sich zu Wort zu melden.<br />
Bitten Sie eine Freundin darum, Ihnen<br />
zum Ausgehen ihre wundervolle Stola<br />
zu leihen. Ziehen Sie am Ende der sieben<br />
Tage ein Fazit: Was fi el Ihnen schwer?<br />
Wie ist es gelaufen? Wie wohl fühlen Sie<br />
sich?<br />
<strong>Energie</strong> nehmen und <strong>Energie</strong> geben<br />
wirken<br />
Wenn positive <strong>Energie</strong> fl ießt, geht es mir<br />
gut. Überlegen Sie sich: Wem kann ich etwas<br />
Gutes tun, wem gebe ich gern und freiwillig<br />
von meiner <strong>Energie</strong> ab, wem gebe ich<br />
<strong>Energie</strong> zurück? Es ist sehr spannend zu<br />
beobachten, was geschieht, wenn wir positive<br />
<strong>Energie</strong> abgeben, vor allem an Menschen,<br />
die das nicht von uns erwarten.<br />
Das Pfadfi ndererlebnis<br />
Tun Sie eine Woche lang jeden Tag einem<br />
Menschen etwas Gutes. Das muss kein<br />
großes Ding sein. Es reicht ein fröhliches<br />
Guten Morgen an die Nachbarin, mit der<br />
Sie sonst nichts zu tun haben. Es kann ein<br />
Gefallen sein, den Sie Ihrem Partner tun,<br />
ohne Gegengeschäft. Erledigen Sie schnell<br />
etwas für eine Freundin, von dem Sie wissen,<br />
dass sie immer nicht dazu kommt. Und<br />
genießen Sie den Blick der „beschenkten“<br />
Person, die Wärme, die zu Ihnen herüberschwappt,<br />
„like honey melting in the sun.“<br />
Ziehen Sie nach dieser Woche Bilanz: welche<br />
<strong>Energie</strong> haben Sie gegeben? Ist etwas<br />
davon zurückgekommen?<br />
Genauso wichtig zu wissen, was<br />
ich für die Lebensfreude brauche,<br />
ist zu wissen, was ich gewiss nicht<br />
brauche.<br />
Und der Mut, dies zu sagen: „Ich möchte<br />
heutabend nicht mit dir auf diese Party<br />
gehen.“ Oder auch mal: „Ich möchte nicht<br />
die Assistenzstelle, ich möchte die Projektleitung!“<br />
Das Zauberwort dabei heißt: N e<br />
i n.<br />
Sagen Sie eine Woche lang nein<br />
zu Dingen, die Sie nicht wollen<br />
Sagen Sie nein zum Stück von dem selbstgebackenen<br />
Kuchen, den Sie als Kind schon<br />
verabscheut haben. Sagen Sie nein, wenn<br />
eine Kollegin Ihnen zuckersüß fl ötend noch<br />
eine Arbeit auf den Tisch rüberschaufeln<br />
will. Sagen Sie „Nein“, wenn eine Freundin<br />
mit Ihnen auf Frust-Shopping-Tour gehen<br />
will, und Ihnen nicht danach ist.<br />
Lassen Sie endlich die Ego-Sau<br />
raus!<br />
Nachdem Sie herausgefunden haben, welche<br />
sinnlichen Bedürfnisse Sie haben, geht<br />
es im Kontakt mit anderen um die Umsetzung.<br />
Holen Sie sich, was Sie brauchen.<br />
Sie haben ein Recht darauf. Und es ist viel<br />
besser, Bedürfnisse direkt zu erfüllen als<br />
sie in materielle Ersatzhandlungen umzuformulieren.<br />
Was wollen Sie mit der 19.<br />
Bluse, als Frustkauf nach einem verkorksten<br />
Arbeitstag? Was hilft die Schachtel<br />
Pralinen vor dem Fernseher, an der Seite<br />
des Gatten, wenn Ihre Sinnlichkeit nach<br />
Orgien schreit?<br />
Machen Sie in der nächsten<br />
Woche mindestens einmal etwas<br />
völlig Unmögliches!<br />
Etwas wofür Sie sich normalerweise schämen<br />
würden, wenn es nicht die Aufgabe in<br />
Ihrem Selbstachtungsprogramm wäre. Etwas<br />
Sündiges oder Freches, etwas .... Also,<br />
das bleibt Ihrer Phantasie überlassen. Nur<br />
Sie können sich so etwas „Real Shocking“<br />
ausdenken. Ziehen Sie hinterher ein Fazit:<br />
Wie war dieses Erlebnis? Wie haben die<br />
anderen reagiert, wie haben Sie sich dabei<br />
gefühlt? Wie hat es Ihre Lebensenergie<br />
verändert? l<br />
– März 2012<br />
7<br />
Zurück zum Inhalt
Denn nach einem solchen <strong>Power</strong>-Arbeitstag waren wir<br />
fertig. Zu müde zum Ausgehen, zu müde, um Freunde zu<br />
treff en; zu müde, ach zu allem! Nix mehr <strong>Power</strong>!<br />
Doch das 20. Jahrhundert ist vorbei. Das Rezept „Werde<br />
ein besserer Mann“ hat nur Teilerfolge erzielt. Zwar haben<br />
es durchaus einige Frauen mit Betonfrisur, Betonlächeln<br />
und Betonseele bis fast an die Spitze geschafft . Und<br />
sie sind betonhart gegenüber anderen Frauen, die „absurde<br />
Lebensentwürfe“ wie Kinder, Privatleben, Freude<br />
verfolgen. „In Führungspositionen kann man keine Kinder<br />
haben!“ schleuderte mir in einer Podiumsdiskussion<br />
eine solche „Betonfrau“ entgegen. Das tat weh. Weil mir<br />
diese Frau und alle Frauen, die für sie arbeiten, leid tat.<br />
Sie tat mir auch leid, weil sie durch das Gefangensein in<br />
ihre Rolle ganz wichtige innovative Strömungen in der<br />
Wirtschaft nicht wahrnehmen kann. Strömungen, die<br />
längst Männer erfasst haben, und die diese auch bereits<br />
propagieren:<br />
l Dass Betonköpfe nicht die kreativen Lösungen fi nden<br />
können, die wir für die Zukunft brauchen.<br />
l Dass „Work-Life“ nicht „Arbeitsleben“ heißt, sondern<br />
„Arbeite und lebe“, und das heißt: „berücksichtige das<br />
ganze Leben bei der Berufsgestaltung. In immer mehr<br />
Unternehmen ist längst erkannt, dass nur glückliche Mitarbeiter<br />
Höchstleistungen bringen können (siehe den Beitrag<br />
auf Seite 12). Und die Arbeitsgestaltung wird danach<br />
ausgerichtet. Frauen haben als Vorkämpferinnen auch<br />
Männern die Möglichkeit für Teilzeit oder ein „Sabbatical“<br />
eröff net.<br />
l Dass Frauen gerade durch ihre weiblichen Fähigkeiten<br />
wichtige Impulse in Unternehmen einbringen können.<br />
Immer mehr Chefs wollen auf diese Impulse nicht mehr<br />
verzichten, Stichworte dazu sind Kundenzufriedenheit,<br />
Mitarbeiterführung und Teamarbeit.<br />
l Dass Frauen in Führungspositionen die besseren Zeitmanager<br />
sind. Sie kommen mit deutlich weniger Überstunden<br />
aus als ihre männlichen Kollegen, organisieren<br />
ihre Arbeit konsequenter als Männer, zeigen mehr Selbstdisziplin<br />
und gehen mit Recht früher nach Hause.<br />
l Dass „Emotionale Intelligenz“ zur Spitzenfähigkeit von<br />
Spitzenkräft en gehört. Es sind genau jene „weichen“ Eigenschaft<br />
en, die viele Frauen sich doch so mühsam abtrainiert<br />
haben.<br />
l Dass Frauen besser auf den ökonomischem, technischen,<br />
kulturellen und sozialen Wandel der Zukunft eingestellt<br />
sind, denn der verlangt Kommunikation satt. Und<br />
die ist eine Domäne der Frauen.<br />
Lebensenergie fi nden heißt:<br />
die Süße des Lebens kosten<br />
Aber auch die Bedeutung von <strong>Energie</strong> wandelt sich. Weg<br />
vom mechanischen, sehr männlichen „Oben <strong>Energie</strong> rein,<br />
Titelthema: <strong>Energie</strong> <strong>statt</strong> <strong>Power</strong> – die weibliche Erfolgsformel<br />
unten Leistung raus“ zu einer, sicher sehr stark von östlichen<br />
Weisheiten beeinfl ussten weiblichen <strong>Energie</strong>formel<br />
„Alles fl ießt“. Zu „Chi“, wie die Chinesen das Wort <strong>Energie</strong><br />
beispielsweise in Tai Chi verwenden; zu „Ki“, das japanische<br />
Wort für <strong>Energie</strong>, beispielsweise in Reiki.<br />
<strong>Energie</strong> wird auch von vormals coolen Machern neu defi<br />
niert, beispielsweise so: „Die lebensbejahende Kraft , die<br />
alles hervorbringt.“ Manche behaupten sogar, dass nach<br />
den Jahrzehnten der männlich geprägten „Yang-<strong>Energie</strong>“<br />
jetzt die Jahrzehnte der weiblichen „Yin-<strong>Energie</strong>“ die<br />
Wirtschaft bestimmen werden.<br />
In unserer Kultur bedeutete <strong>Energie</strong> immer Bewegung<br />
– schnell, laut, kräft ig. <strong>Power</strong> bedeutete kämpfen, oder<br />
du wirst verlieren. Es hieß: Höchstleistung bringen, sonst<br />
setzt du deine Karriere aufs Spiel. Hieß sich anpassen,<br />
denn Querdenker wurden nur in Anzeigen geschätzt.<br />
Auf einmal wird klar: <strong>Energie</strong> ist nicht gleich <strong>Power</strong>. Sie ist<br />
auch <strong>Power</strong>. Doch <strong>Power</strong> ist der eingeschränktere Begriff .<br />
Lassen Sie uns doch mal anschauen, was <strong>Energie</strong> in ihrer<br />
ganzen Form auszeichnet. Bernd Hohmann formuliert es<br />
so: „Lebensenergie heißt, die Süße des Lebens zu kosten.“<br />
Lebensenergie lässt sich nicht messen, weder in Watt oder<br />
Volt, hat auch nicht unbedingt immer etwas mit Leistung<br />
zu tun. Du kannst <strong>Energie</strong> nach außen schicken, und etwas<br />
bewegen. Du kannst sie aber auch nach innen schicken,<br />
und entweder in dir etwas bewegen („tut was ihr<br />
wirklich wollt“) oder auch dich ganz in Ruhe bringen, zu<br />
dir kommen.<br />
Der Wunsch nach dieser Lebensenergie, diesem „melting<br />
like honey in the sun“, ist eine ewige Sehnsucht der Menschen.<br />
In den meisten Schlagern beispielsweise wird dieses<br />
Sehnen besungen, nach Hingabe, nach Erfüllung …<br />
Oft bleibt es bei der Sehnsucht, denn diese Lebensenergie<br />
wird allzu oft vom Alltag aufgefressen, von Zwängen, in<br />
die wir uns begeben, von Ehrgeiz ohne Lockerheit, oder<br />
von Angst. Doch ohne Lebensenergie kann keine Lebensfreude<br />
entstehen. Und im Umkehrschluss: Mehr Lebensenergie<br />
bedeutet mehr Lebensfreude. Eine asiatische Weisheit<br />
sagt: „Ein Fluss, der wieder fl ießen kann, wird wieder<br />
lebendig; das Leben links und rechts erwacht.“<br />
Auf unser Leben umgesetzt: Wenn wir mehr Lebensfreude<br />
haben wollen, sollten wir <strong>Energie</strong> fl ießen lassen, nicht nur<br />
tun und tun und tun. Transpiration sollte durch Transformation<br />
ersetzt werden.<br />
Das Geheimnis dabei ist, in der Balance <strong>Energie</strong> abzugeben<br />
und <strong>Energie</strong> aufzunehmen. Hohmann: „Nur wer<br />
selbst brennt, kann andere zum Glühen bringen. Nur<br />
wenn ich selber keine Angst habe zu verbrennen, kann<br />
ich leuchten.“ Dazu gehört auch, andere <strong>Energie</strong>zustände<br />
anzunehmen.<br />
Wir sind nicht nur energetisch, wenn wir Hochleistungen<br />
bringen, sondern auch in Müdigkeit und Erschöpfung<br />
steckt <strong>Energie</strong>. Leider aber wurde bisher in unserer Gesell-<br />
– März 2012<br />
8<br />
Zurück zum Inhalt
schaft immer nur die <strong>Energie</strong> anerkannt, die nach außen<br />
wirkt. Nicht umsonst heißt „fi t sein“ in der ursprünglichen<br />
Übersetzung „angepasst“ sein. Und Charles Darwins berühmtes<br />
„survival of the fi ttest“ meint nicht, dass die Triathleten<br />
die besten Überlebens-Chancen haben – weder<br />
die männlichen, noch die weiblichen –, sondern die am<br />
besten an die Lebensbedingungen angepassten – innerlich<br />
wie äußerlich.<br />
Lebensenergie ist ein<br />
anderes Wort für „im Flow sein“<br />
„Seelenschau“, wie der Blick nach innen gern spöttisch<br />
genannt wird, hat einen verächtlichen Unterton. Laute<br />
Technomusik, zu der wir abtanzen können, ist <strong>Power</strong>. Stille,<br />
zur Meditation etwa, ist „Eso-Getue“. Und das, obwohl<br />
in beidem, in Lärm und Stille, die gleiche kraft volle <strong>Energie</strong><br />
wirkt.<br />
Kennen Sie die Geschichte „Sidharta“ von Hermann Hesse,<br />
in der ein Fährmann am Fluss sitzt, in totaler Stille? Er<br />
hört nur auf den Fluss und lernt vom Fluss. Das erinnert<br />
an den Ausdruck „Flow“, der die Management-Literatur<br />
erobert hat.<br />
Mit Flow wird der Zustand bezeichnet, in dem wir ganz in<br />
einer Arbeit, in einer Aufgabe, in einer Situation versinken.<br />
In diesem Zustand schaff en wir Außergewöhnliches.<br />
Fast trunken tauchen wir nach einiger Zeit aus diesem Zustand<br />
wieder auf, wie aus einer tiefen Trance. Wer einen<br />
solchen Flow-Zustand erlebt hat, kennt die Köstlichkeit<br />
dieses Geschenks, ganz und gar konzentriert zu sein, ohne<br />
angestrengt zu sein – ja, ohne sich überhaupt zu spüren.<br />
Im Fluss eben. Und manche empfi nden es auch so, an einen<br />
Fluss angeschlossen zu sein, der nicht nur mit ihnen<br />
selbst zu tun hat. In einem Strom sein, <strong>statt</strong> ständig unter<br />
Strom zu stehen.<br />
Mir geht es in manchen Momenten des Schreibens so:<br />
Meine Finger bewegen sich auf der Tastatur, ich sitze mit<br />
halbgeschlossenen Lidern da, und „es schreibt aus mir<br />
heraus“. Hinterher lese ich meine Texte wie eine<br />
Fremde und frage mich „Hab‘ wirklich ich das<br />
geschrieben?“ Solche Im-Flow-Passagen<br />
zählen nämlich zu den besten in meinen<br />
Büchern, den weitestgehenden,<br />
den originellsten. Ich erlebe<br />
diese Momente wie ein<br />
Geschenk, und ich spüre ein tiefes Verbundensein<br />
mit der Welt.<br />
Titelthema: <strong>Energie</strong> <strong>statt</strong> <strong>Power</strong> – die weibliche Erfolgsformel<br />
Wenn uns die Lebensenergie durchfl ießt, verspüren wir<br />
Glück, Befriedigung, Sinn. Wenn sie fehlt, empfi nden wir<br />
Mühe und Kampf, Anstrengung und Frustration. Aber<br />
was raubt uns die <strong>Energie</strong>? Es gibt zahlreiche <strong>Energie</strong>klauer:<br />
- Wenn beispielsweise in dem Unternehmen, in dem wir<br />
arbeiten, <strong>Energie</strong> vollständig in Profi t umgewandelt<br />
wird, fühlen wir uns „ausgebeutet“. Uns wird alles genommen,<br />
was wir haben, und wir bekommen nichts von<br />
dieser <strong>Energie</strong> zurück. Keine Anerkennung, kein Lob,<br />
kein Feedback, keine Ermutigung. Über- und Unterforderung<br />
sind ebenfalls <strong>Energie</strong>räuber: Routinearbeiten<br />
machen uns schlapp. Stress macht uns fertig. Wundern<br />
wir uns, wenn wir dann am Abend nicht mehr so wahnsinnig<br />
lebensfroh sind?<br />
- Es gibt Familienmitglieder, die alle anderen in der Familie<br />
aussaugen. Sie konsumieren <strong>Energie</strong> ohne Ende,<br />
geben aber nichts zurück. Vielleicht kennen Sie solche<br />
Familien, in denen stöhnend von diesen <strong>Energie</strong>klauern<br />
berichtet wird. Ich habe vor kurzem eine Frau gecoacht,<br />
die mit verzweifeltem Gesichtsausdruck schilderte:<br />
„Meine Mutter jammert ständig, dass ich sie nicht oft<br />
genug besuche. Wenn ich bei ihr bin, ist sie aber nur am<br />
Schimpfen, mäkelt an meinem Aussehen rum oder an<br />
meinem Lebensstil. Ich mag bald überhaupt nicht mehr<br />
hinfahren.“<br />
- Manche <strong>Energie</strong>klauer sitzen in unserem Freundes-<br />
oder Kollegenkreis. Jedesmal wenn wir uns mit ihnen<br />
unterhalten haben, fühlen wir uns hinterher schlechter<br />
als vorher. „Negaholiker“, wie diese Menschen genannt<br />
werden, können nur maulen, über andere hetzen, uns<br />
im wahrsten Sinne des Wortes „runterziehen“. Gerade<br />
neulich hörte ich in einem Frisiersalon, wie eine Frau<br />
sagte: „Mir gefällt diese neue Frisur gut. Aber mein<br />
Freund wird sicher wieder schimpfen.“<br />
Ich hatte mal eine <strong>Energie</strong>räuber-Freundin. Nach jedem<br />
Treff en mit ihr fühlte ich mich mies. Irgendwann wollte<br />
ich das nicht mehr. Ich sprach sie darauf<br />
an. Und sie sagte nur schnippisch:<br />
„Also, ich<br />
empfi nde das<br />
nicht so, das ist<br />
wohl dein Problem.“ Ich beschloss,<br />
dieses Problem zu lösen, und habe sie<br />
seitdem nie wieder ge- sehen. Andere<br />
Frauen haben mir von dem <strong>Energie</strong>schub<br />
berichtet, den sie empfanden,<br />
als sie beschlossen hatten, sich von einem<br />
Negaholiker-Partner nicht mehr<br />
klein machen zu lassen.<br />
- Es gibt aber<br />
auch innere<br />
Ener-<br />
– März 2012<br />
9<br />
Zurück zum Inhalt
gieklauer. Scham gehört zu den größten. Wenn ich mich<br />
schäme, bin ich mit meinem Gefühl in der Vergangenheit,<br />
bin damit also von der Lebensenergie<br />
im Heute abgeschnitten.<br />
Gründe, sich zu<br />
schämen, gibt es ohne<br />
Ende: Etwa weil ich anders<br />
bin als andere; oder weil ich ein<br />
„böses Mädchen“ bin; oder weil<br />
ich mich minderwertig fühle;<br />
oder weil ich einmal etwas<br />
Schlimmes getan habe; oder<br />
weil ich einmal etwas nicht getan<br />
habe; oder weil ich mir Fehler nicht verzeihen<br />
kann …<br />
Üben Sie Selbstachtung, <strong>statt</strong> immer<br />
streng auf sich selbst zu achten<br />
Mir selbst ging es mit meiner Figur jahrelang, ach, jahrzehntelang<br />
so. Ich schämte mich, weil ich zu dick war, nicht<br />
„passte“. Jeder Blick in den Spiegel bewies mein Versagen,<br />
meine Willensschwäche. Erst als ich mich nach 101 Diäten<br />
mit meinem Gewicht und meinem Körper aussöhnen<br />
konnte, endlich „okay“ fühlte, verschwand diese Scham. Ich<br />
beschloss, nie mehr in meinem Leben eine Diät zu machen.<br />
Von dem Tag an krempelte sich mein Leben um. Und ich<br />
bekam plötzlich massenhaft Lebensenergie.<br />
Wie lässt sich überhaupt feststellen, ob man<br />
- in einem <strong>Energie</strong>klau-Unternehmen,<br />
- in einer <strong>Energie</strong>klau-Beziehung oder<br />
- in einer <strong>Energie</strong>klau-Scham gefangen ist?<br />
Bernd Hohmann empfi ehlt eine „Selbstachtungs-Bilanz“.<br />
Denn Selbstachtung ist wie Achtung und Anerkennung<br />
ein menschliches Grundbedürfnis. Jeder Mensch braucht<br />
es,<br />
- gesehen zu werden<br />
- gehört zu werden<br />
- beachtet zu werden<br />
- geachtet zu werden<br />
- wichtig zu sein.<br />
Und so ziehen Sie Ihre<br />
Selbstachtungs-Bilanz:<br />
- Prüfen Sie sich: Steigt oder sinkt Ihr Selbstwertgefühl<br />
nach einem Arbeitstag, nach der Begegnung mit einem<br />
Familienmitglied oder einer Freundin/einem Freund?<br />
Titelthema: <strong>Energie</strong> <strong>statt</strong> <strong>Power</strong> – die weibliche Erfolgsformel<br />
- Sind Sie in einem Positiv- oder in einem Negativ-Kreislauf?<br />
Was steigt nach einer solchen Begegnung: Selbstachtung<br />
oder Verachtung?<br />
- Wie steht es um Ihre Achtsamkeit sich selbst gegenüber,<br />
gegenüber Ihrem Geist, Ihren Gefühlen, Ihrem Körper?<br />
Wird sie stärker durch die Begegnungen oder schwächer?<br />
Was uns „runter bringt“, das kostet Kraft .<br />
Psychotherapeut Bernd Hohmann, der schwerpunktmäßig<br />
in der Suchtberatung arbeitet, hat beobachtet, dass viele<br />
berufstätige Frauen„selbstw<br />
e r t m ä ß i g<br />
unterernährt“<br />
sind. „Sie hängen<br />
am Tropf des Unternehmens,<br />
bekommen nie genug<br />
Anerkennung, Streicheleinheiten. Und glauben deshalb,<br />
immer noch mehr leisten zu müssen, um gelobt zu<br />
werden.“<br />
Anders ausgedrückt: Wir verwenden einen Großteil unserer<br />
<strong>Energie</strong>, um so zu sein, wie andere uns haben wollen<br />
– Eltern, Partner, Vorgesetzte. Halt! Besser gesagt:<br />
Wir haben sie bisher so verwendet. Denn wir können das<br />
jederzeit ändern. Bernd Hohmann: „Selbstachtung kann<br />
gelernt werden!“ Durch Selbstachtung können Sie in einer<br />
Woche Ihr Leben verändern:<br />
- Hören Sie auf die Weisheit Ihres Körpers, er sagt Ihnen<br />
deutlich, was Sie brauchen.<br />
- Lassen Sie sich von Ihren Wünschen inspirieren, werden<br />
Sie kreativ, um sie zu erfüllen. Dann sind Sie mitten drin<br />
im <strong>Energie</strong>fl uss des Lebens.<br />
Warum nur eine Woche? Oft schrecken wir vor Veränderungen<br />
zurück, weil sie so nachhaltige Folgen haben.<br />
Aber eine Woche lang wird weder unser Körper<br />
verfallen, nur weil wir das gewohnte Fitness-Programm<br />
streichen. Noch wird uns unser Lover verlassen, nur<br />
weil wir mal eine Woche lang mehr Zeit für uns selbst<br />
brauchen.<br />
Die Nachbarn werden uns nicht verklagen, nur weil das<br />
Küchenfenster nicht geputzt ist. Und auch den Job riskieren<br />
wir nicht, nur weil wir einmal fröhlich pfeifend<br />
früher nach Hause gehen.<br />
Also, schenken Sie sich diese eine Woche. Danach können<br />
Sie immer noch entscheiden, ob Sie Ihnen gut getan<br />
hat oder nicht. Und ob Sie mehr von dem haben wollen,<br />
was Ihnen diese Woche an <strong>Energie</strong> geschenkt hat. Gerne<br />
möchte ich Ihnen die Weisheit eines Zen-Meisters mitgeben,<br />
der gesagt hat:<br />
„Wenn ihr gehen müsst, geht.<br />
Wenn ihr sitzen müsst, sitzt.<br />
Seid einfach euer gewöhnliches Selbst<br />
im gewöhnlichen Leben.“ n<br />
– März 2012<br />
10<br />
Zurück zum Inhalt
... ihr erwischt mich gerade dabei, wie ich in <strong>Coaching</strong><strong>heute</strong><br />
Schleichwerbung mache – lest also bitte unbedingt<br />
weiter, denn die (geringen) Mittel heiligen den Zweck. Es<br />
geht um<br />
1den Stemmerhof in Sendling (Plinganserstraße 6,<br />
knapp 2 km süd-westlichlich vom Stachus, mit U-Bahn<br />
und S-Bahn bis Harras fahren (Lageskizze und weitere<br />
Information über den Stemmerhof www.stemmerhof.de).<br />
Der Stemmerhof ist ein Bio-Ressort, ein Zentrum<br />
der Lebens-Kultur. Mehrere Lokale, Kunst, Restaurants,<br />
Suppenküche, Fischgeschäft, weitere<br />
Läden – alles mit alternativem Touch, und im<br />
Bioladen, kaufe ich selbst und günstig.<br />
2Im Stemmerhof gibt es – als Tipp für Coaches<br />
und Trainer – auch Räume zu mieten – auch<br />
für Seminare ... und für Catering wäre vor Ort<br />
mehrfach gesorgt.<br />
3Dann geht es darum, dass dort am 1. April<br />
(keine Aprilscherz!) das erste Münchner<br />
<strong>Coaching</strong> Café <strong>statt</strong>fi ndet (für <strong>Coaching</strong>-Café-Unkundige:<br />
In einem Lokal – zwanglose Atmosphäre<br />
– treffen Gäste auf dort anwesende Coaches,<br />
und man kann Gedanken und Visitenkarten<br />
etc. austauschen oder auch ein Kurz-<strong>Coaching</strong><br />
bekommen).<br />
4wird das <strong>Coaching</strong> Café klein angefangen – und zwar<br />
im Stemmerhof im Bistro CODEGA STREETFOOD, der<br />
ersten originalen Piadineria in München.<br />
Pia-was?<br />
Eine Piadina ist ein dünnes italienisches Fladenbrot, bekannt<br />
vor allem in der Emilia Romagna, das frisch auf einer<br />
heißen Platte gebacken und anschließend lecker gefüllt<br />
wird: mit Käse, Ruccola, Schinken, Salami oder Gemüse<br />
– und das alles, dem Stemmerhof entsprechend, „mit besten<br />
Bio-Zutaten, im Teig und auch bei den Füllungen,“ so<br />
Semhar Asgodom: „Jede Piadina wird frisch gebacken und<br />
gefüllt – und zwar erst, wenn sie bestellt worden ist.“<br />
Die Namensgleichheit zwischen Semhar und Sabine Asgodom<br />
erklärt sich aus dem, was Sie jetzt vermuten. Hier im<br />
Stemmerhof hat mein Sohn Anfang des Jahres mit Franziska<br />
Seidl und dem dritten Teilhaber, Robert Förster, das<br />
CODEGA STREETFOOD eröffnet. Spezialität des Hauses<br />
– siehe oben: leckere Piadinas.<br />
<strong>Coaching</strong>-Café<br />
Liebe Coach- und Trainer-Kollegen in<br />
München und im Umkreis von 800 Kilometern...<br />
Semhar Asgodom, Koch und Küchenchef<br />
des CODEGA STREET-<br />
FOOD, hat sein Metier bei Sternekoch<br />
Holger Stromberg (der unter anderem<br />
die Fußballnationalmannschaft bekocht)<br />
gelernt, er ist 29 Jahre alt und<br />
hat weitere fachliche Ausbildung in<br />
Australien erworben.<br />
Franziska Seidl, 23,<br />
stellt – als wir wieder<br />
einmal dort sind<br />
– köstlich duftende<br />
Apfel-Zimt-Muffi ns<br />
in die Vitrine.<br />
Franzi, aus<br />
einer RosenheimerKonditorendynastie<br />
stammend,<br />
backt nach Geschäftsschluss<br />
selbst noch Kuchen<br />
für die Kunden – denn<br />
das Streetfood hier ist kein<br />
Fabrikfood.<br />
Sie ist ausgebildete<br />
Restaurantfachfrau<br />
und „Barista“, sprich,<br />
sie zeichnet für den<br />
– März 2012<br />
11<br />
Zurück zum Inhalt
leckeren Kaffee im CODEGA STREETFOOD verantwortlich.<br />
Natürlich Bio-Kaffee mit köstlichem Milchschaum, natürlich<br />
ebenfalls Bio oder aus Sojamilch.<br />
Robert Förster hat die Idee zur Geschäftseröffnung<br />
gehabt. Sein Vater<br />
Franco Saponi betreibt ein schönes<br />
Familienhotel erfolgreich im Herzen von<br />
Rimini. Auf der Strandstraße vor dem<br />
Hotel reihen sich unzählige Piadinabars.<br />
Die Piadina war daher seit Roberts<br />
Kindertagen ein fester Bestandteil des<br />
Abendessens.<br />
Das CODEGA STREETFOOD ist täglich geöffnet,<br />
werktags von 9 bis 19 Uhr, Samstags von<br />
10 bis 16 und Sonntags von 12 bis 18 Uhr. Der<br />
Name leitet sich ab von dem Berufsstand der<br />
Codega in Venedig – das waren Lampenträger,<br />
die einst Menschen, die aufgrund von Lebensgenüssen<br />
an Abenden nicht mehr geh- und<br />
sehtüchtig waren, nach Hause geleitet haben,<br />
weil sie bei einem Sturz in Venedigs Kanäle<br />
auch nicht mehr seetüchtig waren.<br />
Dass Semhar Asgodom Koch und seit Kindertagen<br />
mit Robert befreundet ist, führte<br />
zu einigen Besuchen in Vater Francos Hotel.<br />
Mittags am Strand und natürlich auch Nachts<br />
als Gute-Nacht-Snack wurden die umliegenden<br />
Piadinabars ausgiebig getestet. Bei<br />
Lella, so heisst die beste Piadinabäckerin in<br />
Rimini, wurde ausgiebig<br />
geschlemmt, und kein Tag<br />
verging ohne den leckeren<br />
Teigfl aden. Warum gibt es<br />
die bei uns eigentlich nicht<br />
so? Weil‘s keiner macht, war<br />
die Antwort. Robert, eigentlich<br />
Sport und Fitnesskaufmann,<br />
hatte plötzlich ein<br />
Glänzen in den Augen und<br />
wusste sofort wer die Piadina<br />
nach München – in die<br />
nördlichste Stadt Italiens<br />
– bringt. Wir!!!.<br />
LAGEPLAN INFORMATIONEN<br />
<strong>Coaching</strong>-Café<br />
Die Piadinabar CODEGA<br />
STREETFOOD ist täglich<br />
geöffnet:<br />
werktags von 9 bis 19 Uhr,<br />
Samstags von 10 bis 16 Uhr<br />
Sonntags von 12 bis 18 Uhr.<br />
Mehr Informationen bekommen<br />
Sie demnächst unter:<br />
www.codega-streetfood.de<br />
Der Stemmerhof ist ein<br />
Zentrum der Lebens-Kultur,<br />
ein Bio-Ressort. Mehrere<br />
Lokale, Kunst, Restaurant,<br />
Suppenküche, Fischgeschäft,<br />
weitere Läden – alles<br />
mit alternativem Touch.<br />
www.stemmerhof.de<br />
– März 2012<br />
12<br />
Zurück zum Inhalt
Serie: Neue Arbeitsfelder für Coaches<br />
<strong>Coaching</strong><strong>heute</strong>-Serie: Neue Arbeitsfelder für Coaches (Teil 2)<br />
DAS MANAGEMENT<br />
ENTDECKT DEN<br />
MENSCHEN<br />
Und Coaches können dazu beitragen, dass<br />
Entdecker wie Entdeckte Freude an der gemeinsamen<br />
Arbeit haben<br />
Das Management entdeckt den Menschen“ – der<br />
Titel dieses Beitrages ist geklaut, aber ich habe ihn<br />
wenigstens bei mir selbst geklaut.<br />
Ausgabe 4/1976 von Psychologie <strong>heute</strong> hatte das<br />
Titelthema „Die Medizin entdeckt den Menschen“, es ging um<br />
psychosomatische Medizin, um die Einbeziehung von Psychologen<br />
in die Behandlung „des Blinddarms von Zimmer 7“.<br />
Psychologie <strong>heute</strong> hat durch Berichte dieser Art dazu beitragen<br />
können, dass hinter dem Menschen als „Fall“, der Th erapie<br />
braucht, der real existierende Mensch gesehen wird.<br />
<strong>Coaching</strong> <strong>heute</strong> soll in ähnlichem Geist dazu beitragen, dass es<br />
in der Wirtschaft nicht immer nur um den „Faktor Mensch“<br />
oder gar den „Kostenfaktor Mensch“ geht. Stattdessen ist es<br />
Aufgabe von Management und Menschenführung, die Mitarbeiter<br />
zum Aufb lühen zu bringen. Weil sie dann – genau dann<br />
und nur dann (!) – den ihnen größtmöglichen Beitrag zum<br />
Aufb lühen des Unternehmens leisten.<br />
Mitarbeiter zum Aufblühen bringen –<br />
„watt is‘ dat denn“<br />
Zwei Worte haben Sie in englischsprachigen Texten über Menschenführung,<br />
Management und Selbst-Management gelesen,<br />
und Sie werden sie immer häufi ger lesen: fl ourishing und thriving<br />
– thrive heißt: gedeihen, fl orieren, blühen, aufb lühen, Erfolg<br />
haben, gut gehen (mir geht es gut oder meinen Geschäft en<br />
geht es gut).<br />
Und fl ourish heißt ziemlich genau dasselbe: aufb lühen, blühen,<br />
fl orieren, ergrünen, eine Blüte (oder eine Blütezeit) erleben,<br />
geschäft lich erfolgreich sein, sich gut entwickeln, großen Erfolg<br />
haben. Wem läuft da, bei thriving und fl ourishing nicht das<br />
Wasser im Munde zusammen!<br />
Um diese beiden Worte und was in ihnen steckt, geht es<br />
in der Titelgeschichte der Ausgabe 01/02 2012 des Harvard<br />
Business Review. Wie dies flourishing und thriving der<br />
Menschen entsteht, ist der rote Faden, der sich fast durch<br />
das gesamte Heft zieht.<br />
Und da der Harvard Business<br />
Review als „Prawda der Weltwirtschaft “<br />
angesehen wird, sollten Führungskräfte<br />
und Coaches diese HBR-Ausgabe<br />
kennen. Sie fi nden hier in <strong>Coaching</strong><strong>heute</strong><br />
davon nicht viel mehr als ein<br />
paar Appetit-Häppchen, deshalb sollten Sie versuversuchen, das Original noch zu bekommen, Reprints herunterzuladen<br />
oder zumindest die deutschsprachige Ausgabe (April 2012,<br />
erscheint am 27. März) zu lesen. Angekündigt ist als Schwerpunktthema<br />
„Vom Wert des Glücks“ (im Original Th e Value of<br />
Happiness), und der gelbe Smiley hat keine Dollar-, sondern<br />
Euro-Zeichen in den nach oben gezogenen Mundwinkeln.<br />
Warum sollten Führungskräfte sich um das Glück<br />
ihrer Mitarbeiter kümmern?<br />
Der Harvard Business Review (im Folgenden als HBR abgekürzt)<br />
sagt gleich auf dem Cover, wie wertvoll glückliche Mitarbeiter<br />
für den Unternehmens-Erfolg sind. „Well-Being drives<br />
Profi ts“. Well-Being treibt die Profi te nach oben.<br />
Well-Being meint wörtlich Wohlsein, Wohlbefi nden oder<br />
Wohlergehen – etwa wie es in den Zehn Geboten heißt: … auf<br />
dass es dir wohlergehe und du lange lebest auf Erden. So weit, so<br />
gut, aber zufriedenstellend sind diese deutschen Worte nicht,<br />
weil sie sich wie die ausgetretenen Sandalen von Onkel Herbert<br />
anfühlen und zur Umgangssprache gehören wie Tante Marthas<br />
abgespreizter kleiner Finger an der Teetasse.<br />
Als Tipp: Wer einen deutschen Ausdruck für Well-Being fi ndet,<br />
der umgangssprachen-tauglich ist, hat vermutlich das nächste<br />
Wort des Jahres gefunden, denn der Geist von „Well-Being<br />
drives Profi ts“ wird uns lange umwehen.<br />
Dass Mitarbeiter, die anständig und ordentlich behandelt werden,<br />
dies mit guter Leistung, kooperativem Wesen und guter<br />
– März 2012<br />
13<br />
Zurück zum Inhalt
Motivation zurückzahlen, ist eigentlich selbstverständlich. Oder<br />
sollte es zumindest für Manager sein, denn auch sie haben als Kind<br />
gelernt „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem<br />
andern zu“. Die beiden Kern-Elemente schlechter Führung sind<br />
ja,<br />
a) sich selbst schlecht aufzuführen und<br />
b) respektlos zu sein.<br />
Warum sollten Führungskräfte sich um das Glück ihrer<br />
Mitarbeiter kümmern?<br />
Es gilt aber auch die Umkehrung des Satzes, nämlich: „Was du<br />
willst, dass man dir tu, das füg zuerst den andern zu.“ Was also<br />
fügen die Führungskräft e, die ihre Mitarbeiter zu hoher Leistung<br />
motivieren, den andern zu? Der HBR dokumentiert dies in Ausgabe<br />
1/2 2012 in bekannter Deutlichkeit. Hier einige Beispiele nur:<br />
l Rainer Werner Fassbinders Film-Titel „Angst fressen Seele auf “<br />
zeigt, was die Sollbruchstelle ist. Herauszufi nden, wer wem wann<br />
und wodurch Angst macht, und das dann abzustellen, setzt Seelenkräft<br />
e frei: Motivation, Durchhaltewillen, Engagement, Kreativität<br />
etc.<br />
l Vorgesetzte sollten garnicht erst versuchen, ihre Mitarbeiter<br />
„happy“ zu machen. Viele Vorgesetzte glauben, dass sie sich Engagement<br />
und Leistung ihrer Mitarbeiter durch Geld, Lob, Freizeitregelungen<br />
oder andere – fälschlicherweise so genante – Motivatoren<br />
kaufen könnten. Das einzige, was Menschen sicher und zuverlässig<br />
motiviert, ist eine Arbeit, an der die Menschen Freude haben. Und<br />
wenn die Arbeit keine Freude erzeugt, gibt es eine Hilfsgröße: Gegenseitiger<br />
Ansporn in einem Team. Hier sind die wichtigen „Stellschrauben“<br />
für gute Mitarbeiter-Führung:<br />
l Mathew Killingsworth von der Harvard University empfi ehlt,<br />
die „großen Motivatoren“ zu vergessen: hohes Gehalt, besondere<br />
Titel, das größere Geschäft sauto … all dies gibt einen kurzfristigen<br />
Kick. Es bringt aber auf Dauer keine stärke Leistungsmotivation.<br />
Wichtiger als die großen – aber eher einmaligen – „Motivatoren“<br />
ist, ständig am Motivations-Tropf zu hängen: Feedback geben<br />
(oder auch Feedforward – siehe Seite 26), loben, wenn es was zu<br />
loben gibt, als Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen – fachlich<br />
und manchmal auch menschlich, das „produziert“ motivierte<br />
Mitarbeiter.<br />
l Ziele setzen motiviert, sagt Harvard-Psychologe Prof. Daniel<br />
Gilbert, motiviert aber nur dann, wenn die Ziele herausfordernd,<br />
aber nicht überfordernd und somit außer Reichweite sind.<br />
l Gilbert empfi ehlt, mit Mitarbeitern nicht darüber zu verhandeln,<br />
auf welche Weise sie motiviert werden wollen. Wir alle sind schlecht<br />
darin vorauszusagen, was uns glücklich macht und wie lange es uns<br />
glücklich macht, Ein neues Haus, ein neuer Freund, ein neues Auto<br />
– wir Menschen gewöhnen uns rasant an das, was wir vor kurzem<br />
noch für außerordentlich motivierend gehalten haben.<br />
Serie: Neue Arbeitsfelder für Coaches<br />
DREI ODER VIER<br />
ARTEN VON GLÜCK<br />
ODER HAPPINESS<br />
1. Es gibt ein Zufalls-Glück, ein Schweine-Glück<br />
– also gute Ereignisse, für die man nichts<br />
getan hat und nichts kann. Dies Glück ist<br />
im Folgenden nicht gemeint, und falls doch,<br />
wird extra darauf hingewiesen.<br />
2. Es gibt ein Gefühl, einen Seelen-Zustand,<br />
der als „glücklich“ bezeichnet wird, der wird<br />
im Folgenden mit „die positive Emotion des<br />
Glücklich-Seins“ o.ä. umschrieben.<br />
3. Es gibt eine dritte Bedeutung von „Glück“<br />
– und um die geht es in aller Regel, wenn Sie<br />
auf die fünf Buchstaben g und l und ü und<br />
c und k stoßen. Diese Art von Glück taucht<br />
in Redewendungen auf wie „das ist mir geglückt“,<br />
ein „geglückter Versuch“, „ein letztlich<br />
doch geglücktes Vorhaben“ oder sogar<br />
„ein geglücktes Leben“. Diese Art von Glück<br />
meint: Ich tue etwas, ich strenge mich an,<br />
aber ich habe es nicht vollständig unter Kontrolle,<br />
ob es mir glückt.<br />
Gemeint ist, was im „Faust“ manchmal das<br />
Erlösungsmotiv genannt wird: „Wer immer<br />
strebend sich bemüht, den können wir erlösen“<br />
oder wie es in einem kirchlichen Erntedank-Lied<br />
heißt: „Wir pfl ügen und wir streuen<br />
den Samen auf das Land, doch Wachstum<br />
und Gedeihen liegt in des Himmels Hand“.<br />
Insofern ist das Cover des Harvard Business<br />
Review auf Seite 13 nicht gut geglückt, denn<br />
mit „Happiness“ ist von den Kollegen nicht<br />
die Lizenz zum Dauergrinsen gemeint.<br />
4. Manche Verwirrung gestiftet hat auch jene<br />
Formel, die Thomas Jefferson in die Erklärung<br />
der Unabhängigkeit der Vereinigten<br />
Staaten von der britischen Krone geschrieben<br />
hat: das Grundrecht auf Life, Liberty and<br />
the pursuit of Happiness, garantiert wurden<br />
Leben, Feiheit und das Streben nach Glück.<br />
Millionen Menschen sind in die USA ausgewandert,<br />
um dort „ihr Glück zu machen“. Ansonsten<br />
aber meint Happiness die positive<br />
Emotion des Glücklich-Seins“.<br />
Weil es trotz solcher Unterscheidungen<br />
schwer ist, „Glück“ für alle Menschen verbindlich<br />
zu defi nieren, verzichtet Martin Seligman<br />
inzwischen auf den Begriff und spricht<br />
nur noch von „Well-Being“. Mehr dazu in der<br />
nächsten <strong>Coaching</strong><strong>heute</strong>.<br />
– März 2012<br />
14<br />
Zurück zum Inhalt
l Und Gilbert glaubt, dass wir Mitarbeiter oft nach ihrem momentanen<br />
Befi nden befragen sollten. Die Antworten auf solche Fragen<br />
sind zuverlässig nahe an der Wahrheit gebaut. Selbsteinschätzungen<br />
über größere Zeiträume sind hingegen nicht zuverlässig. Deshalb<br />
müssen auch schwerste Schicksalsschläge, die sich selbstverständlich<br />
auch auf die Leistung von Menschen auswirken, nicht<br />
für unabänderbar genommen werden. Erfahrungswerte zeigen,<br />
dass auch das Schlimmste nach drei Monaten an Virulenz verloren<br />
hat. Ausnahme: Die seelischen Wunden werden immer wieder neu<br />
aufgerissen – und dabei ist es gleich, ob dies aus dem Willen heraus<br />
geschieht, helfen zu wollen.<br />
l Kevin Ryan, CEO der Gilt Groupe, erklärt, warum er als CEO<br />
die Personalarbeit nicht etwa seiner Personalabteilung überlässt,<br />
sondern den größten Teil seiner Arbeitszeit dem Recruiting von<br />
Mitarbeitern und dem Personal-Management widmet. Er geht<br />
auch nicht den Dienstweg, wenn er mit Mitarbeitern – gleich auf<br />
welcher hierarchischen Ebene – spricht. Er glaubt, dass gerade für<br />
das Unternehmen wichtige Mitarbeiter kündigen, wenn sie ihre<br />
Vorgesetzen nicht mögen oder nicht respektieren können.<br />
In der Gilt Groupe (eine Shopping Website für „Luxussüchtige<br />
Schnäppchenjäger“), werden Mitarbeiter aufgrund von persönlichen<br />
Empfehlungen eingestellt und nicht aufgrund von Lebensläufen<br />
(die immer auch getürkt sein können) oder aufgrund von<br />
Job-Interviews (weil es Selbst-PR-Genies gibt, die als Angestellte<br />
aber enttäuschend wenig leisten).<br />
l Wiederlegt wird die Th ese, dass Erfolg glücklich macht. Es ist<br />
genau umgekehrt: Bei KPMG and Pfi zer konnte nachgewiesen<br />
werden, dass zuerst die happiness und dann die Erfolge kommen.<br />
Glücklichere Mitarbeiter sind produktiver, kreativer und sind bessere<br />
Problemlöser. Well-Being-Programme sind ein Gebot der<br />
Stunden wirtschaft lich herausfordernder, ja belastender, Zeiten.<br />
l Eine Ökonomie des Well-Being zeichnet sich ab. Soll heißen:<br />
Wirtschaft sexperten wenden sich ab von dem zur Zeit noch wichtigsten<br />
Maß für eine Volkswirtschaft , vom BIP (Bruttoinlandsprodukt.<br />
Englisch: GDP für gross domestic product). Das BIP erfasst<br />
in etwa den „Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, einer<br />
Volkswirtschaft “, es wird kritisiert, weil BIP oder GDP<br />
a) nicht alle wirtschaft lichen Aktivitäten berücksichtigt<br />
b) weder die wirtschaft liche, noch die die Umwelt betreff ende<br />
Nachhaltigkeit berücksicht und weil es<br />
c) andere Mess-Verfahren gibt, die Faktoren der Lebensqualität<br />
mit berücksichtigen (Leistungen des Erziehungssystem, Gesundheit<br />
oder Lebenserwartung zum Beispiel).<br />
Nicolas Sarkozy hat ein der Ökonomie des Well-Being näher kommendes<br />
Maß in Frankreich eingeführt. Die arbeiten seit Jahren mit<br />
dem „Human Development Index“, und viel Aufmerksamkeit wird<br />
der Kritik geschenkt, die Robert Kennedy kurz vor seinem Tod am<br />
GDP geübt hat (siehe Seite 16)<br />
l Die Managementprofessorinnen Gretchen Spreitzer und Christine<br />
Porath belegen mit harten Zahlen, wie Unternehmen von<br />
Serie: Neue Arbeitsfelder für Coaches<br />
„TEILE UND HERRSCHE“,<br />
DAS WAR MAL, DAS IST<br />
MÄNNERKRAM.<br />
„TEILEN“ HEISST ABER<br />
AUCH SHARING.<br />
„Teile und Herrsche“, divide et impera – das<br />
Wort geht auf den „Philosophen der Macht“,<br />
Niccolò Machiavelli, zurück. Es galt bis in unsere<br />
Zeit hinein als Führungs-Tipp: Nimm‘ es<br />
nicht mit allen nur möglichen Gegnern gleichzeitig<br />
auf. Tue alles dir mögliche, damit sich<br />
nicht alle möglichen Gegner gegen dich verbinden.<br />
Wo Kriege geführt werden, macht divide et<br />
impera Sinn. Aber wo Menschen geführt<br />
werden, ist es eine Kriegserklärung an die<br />
Mitarbeiter, an die Kollegen und an die Vorgesetzten:<br />
„Zieh‘ die Wichtigen auf deine Seite,<br />
damit sie dir nicht gefährlich werden …“. Und<br />
mit denen, die stärker sind als du, schließe Allianzen:<br />
„If you cant‘t beat them, join them.“<br />
Aber ist das eine Führungsphilosophie? Nein.<br />
Es sind „Last minute“-Tipps für Menschen,<br />
die ihre eigene Haut retten wollen. Und nach<br />
aller Erfahrung sind es eher Männer als Frauen,<br />
die ihre Haut nach Kriegsregeln zu retten<br />
glauben.<br />
Teile und herrsche? Das Wort „teilen“ hat ja<br />
durchaus noch eine andere Bedeutung: etwas<br />
mitteilen, etwas mit anderen teilen, und über<br />
Facebook – und die notorische Aufforderung,<br />
den Share-Button zu benutzen – dringt es als<br />
„sharing“, „etwas sharen“ oder „ich share das<br />
mit dir“ in unsere Alltagssprache ein. Und so<br />
ergibt sich:<br />
• Teilen kann kleinmachen – so wie es Machiavelli<br />
seinem Fürsten empfohlen hat: Diejenigen<br />
Gegner oder möglichen Feinde auf<br />
die eigene Seite ziehen – oder sich auf deren<br />
Seite begeben. Sollen wir das einmal den<br />
„typisch männlichen“ Führungsstil nennen?<br />
Widerspruch?<br />
• Teilen kann aber auch groß machen, kann<br />
Gemeinschaft stiften. Und gibt es Widerspruch,<br />
wenn wir das eher als „typisch weiblichen“<br />
Führungsstil bezeichnen?<br />
Immer noch kein Widerspruch?<br />
– März 2012<br />
15<br />
Zurück zum Inhalt
Mitarbeitern, die aufb lühen (Stichwort „Th riving“),<br />
profi tieren. Im Vergleich mit vor sich hinwelkenden<br />
Mitarbeitern in ähnlichen Positionen, zeigt sich bei<br />
den Aufb lühenden:<br />
- eine nach Einschätzung ihrer Manager um 16 %<br />
bessere performance,<br />
- deutlich weniger burnout als Kollegen an vergleichbaren<br />
Arbeitsplätzen,<br />
- 32 % mehr commitment zum Unternehmen und<br />
eine<br />
- um 46% höhere Arbeitszufriedenheit<br />
„Th riving“ heißt: mehr Vitalität; mehr Begeisterung;<br />
ein stärkeres Gefühl, lebendig zu sein und am Leben<br />
teilzunehmen; mehr lernen, mehr wissen, besser<br />
ausgebildete Fähigkeiten (skills), und ein guter<br />
Einfl uss auf die Kollegen, ebenfalls mehr Vitalität zu<br />
entwickeln. Um das zu erreichen, braucht es keine<br />
großen und teuren und zweitaufwendigen Programme.<br />
Es reichen:<br />
- mehr Entscheidungsfreiheit<br />
- mehr Information über das Unternehmen und Unternehemensstrategien<br />
- weniger Unhöfl ichkeit und Grobheiten im Umgang<br />
miteinander<br />
- und zuverlässige, häufi ge Rückmeldungen über die<br />
Arbeitsergebnisse.<br />
MolinskySpreitzer und Porath belegen, dass diese<br />
Veränderungen nachhaltig sind.<br />
l Versuchen Sie nicht, Ihre Mitarbeiter zufrieden<br />
zu machen, raten im HBR die Management-Professorinnen<br />
Gretchen Spreitzer und Christine Porath.<br />
Zufriedenheit ganz in der Nähe von Selbstgefälligkeit,<br />
Selbstzufriedenheit, Wohlbehagen – das ist keine<br />
dynamische Nachbarschaft .<br />
l Spreitzer und Porath empfehlen, nicht zu viel<br />
Zeit für das Ersinnen von Methoden zur Mitarbeiter-Motivation<br />
aufzuwenden, sondern ihren<br />
Führungsstil an einem anderen Begriff zu verankern:<br />
THRIVING. Das heißt: gedeihen, fl orieren,<br />
blühen, aufb lühen. Sie raten, nach Mitarbeitern<br />
zu suchen, die in der Arbeit und durch die Arbeit<br />
aufb lühen wollen und die <strong>Energie</strong> haben, um für<br />
sich – und für das Unternehmen – eine blühende<br />
Zukunft zu erarbeiten.<br />
l Die zweite Empfehlung von Spreitzer und Porath<br />
ist: Fördern Sie Mitarbeiter, die neugierig sind, die<br />
nicht schon alles zu wissen meinen, sondern noch<br />
lernen wollen. Wer lernt, entwickelt sich weiter<br />
– und diese Entwicklung geht dann in Richtung<br />
THRIVING. n<br />
Serie: Neue Arbeitsfelder für Coaches<br />
JETZT WIRD NICHT MEHR IN DIE HÄNDE<br />
GESPUCKT. WIR PFEIFEN AUFS BRUTTO-<br />
SOZIALPRODUKT<br />
Robert Kennedys Kritik an der US-Wirtschaft am 18. März<br />
1968, wenige Wochen vor seiner Ermordung am 6. Juni 1968<br />
Too much and too long, we seem to have surrendered community excellence and<br />
community values in the mere accumulation of material things. Our Gross National<br />
Product, now, is over eight hundred billion dollars a year, but that GNP -- if<br />
we should judge America by that -- counts air pollution and cigarette advertising<br />
and ambulances to clear our highways of carnage. It counts special locks for our<br />
doors and the jails for those who break them. It counts the destruction of our redwoods<br />
and the loss of our natural wonder in chaotic sprawl. It counts napalm and<br />
the cost of a nuclear warhead, and armored cars for police who fi ght riots in our<br />
streets. It counts Whitman‘s rifl e and Speck‘s knife, and the television programs<br />
which glorify violence in order to sell toys to our children. Yet the Gross National<br />
Product does not allow for the health of our children, the quality of their education,<br />
or the joy of their play. It does not include the beauty of our poetry or the strength<br />
of our marriages, the intelligence of our public debate or the integrity of our public<br />
offi cials. It measures neither our wit nor our courage, neither our wisdom nor<br />
our learning, neither our compassion<br />
nor our devotion to<br />
our country; it measures everything,<br />
in short, except that<br />
which makes life worthwhile.<br />
And it can tell us everything<br />
about America except why<br />
we are proud that we are<br />
Americans.<br />
Frei übersetzt: Zu oft und zu lange, haben wir die Leistungen und Werte<br />
unserer Gesellschaft als eine Anhäufung materieller Dinge gesehen. Unser<br />
Bruttosozialprodukt beträgt mittlerweile mehr als 800 Milliarden Dollar im<br />
Jahr, aber diese Zahl – so sie denn überhaupt etwas über die USA etwas<br />
aussagt – schließt die Folgen von Luftverschmutzung, Zigarettenwerbung<br />
und Notfalleinsätzen auf unseren Straßen, die dem täglichen Gemetzel dort<br />
Herr werden wollen, ein. In die Ermittlung des Bruttosozialprodukts fl ießt der<br />
Aufwand für Sicherheitsschlösser in unseren Häusern und der Bau von Gefängnissen<br />
für jene, die diese Schlösser knacken, mit ein. Die Abholzung von<br />
majestetischen Wäldern und der Verlust von Naturwundern werden unterschiedslos<br />
mitgezählt. Die Ausgaben für Napalm, atomare Sprengköpfe und<br />
gepanzerte Fahrzeuge für Polizeikräfte, die zu Straßenkämpfen gerufen werden,<br />
ebenso. Im Bruttosozialprodukt werden die Gewehre und Messer der<br />
Gangs mitgezählt und die Ausgaben für jene Fernsehprogramme, die Gewalt<br />
verherrlichen, um entsprechendes Spielzeug an unsere Kinder zu verkaufen.<br />
Das Bruttosozialprodukt trifft dagegen keine Aussagen über die Gesundheit<br />
unserer Kinder, die Qualität ihrer Bildung und die Freude ihres Spiels. Es<br />
macht keine Angaben über den Reichtum unserer Dichtung, die Stabilität<br />
unserer Ehen oder die Unbestechlichkeit unserer Verwaltung. Es misst weder<br />
Gedankenfülle noch Zivilcourage, weder Weisheit noch Verstand, weder<br />
Mitgefühl noch Hingabe an unser Vaterland. Es hält, kurzum, alles statistisch<br />
fest, nur nicht das, was dem Leben Sinn gibt. Es schlüsselt die USA auf, aber<br />
sagt nichts darüber aus, warum wir stolz auf dieses Land sind. n<br />
– März 2012<br />
16<br />
Zurück zum Inhalt
SPIEGEL WISSEN, Heft 1/2012<br />
Eine wirklich lohnende Investition in die Weiterbildung<br />
aller Menschen, die berufl ich mit<br />
der schwierigsten Materie zu tun haben: mit<br />
Menschen. In dieser Randspalte über 3 Seiten<br />
fi nden Sie das Inhaltsverzeichnis. Vielleicht ist<br />
etwas für Sie dabei. Den Beitrag von Seite 104<br />
stellen wir Ihnen rechts näher vor:<br />
DAS ERSCHÖPFTE ICH<br />
6 Leben am Limit: Schnell noch mal die Mails checken,<br />
der nächste Termin wartet schon, wo ist<br />
bloß diese Kopie, gleich fängt die Videokonferenz<br />
an - der Takt des Alltags ist kurzatmig geworden,<br />
hektisch, ungesund.<br />
12 Im Krater der Seele: Ein Mann glaubt, alles richtig<br />
zu machen: Top-Karriere, tolle Frau, schönes Haus.<br />
Plötzlich läuft sein Leben aus dem Ruder. Die Geschichte<br />
einer Krise - und ihrer Überwindung.<br />
16 DIE ERSCHÖPFUNGSSPIRALE: Wie sich die Psyche<br />
auf dem Weg in die Depression verändert -<br />
Merkmale eines Prozesses in drei Stufen<br />
18 „Der Chef als Löwe“: Der Psychiater Hans-Peter<br />
Unger über verschiedene Formen der Erschöpfung,<br />
den richtigen Umgang mit Stress und die<br />
aktuelle Burnout-Debatte<br />
Wie kommen wir<br />
gestressten Menschen<br />
zu uns<br />
selbst? Diesem Thema geht<br />
Angela Gatterburg im SPIE-<br />
GEL WISSEN, 1/2012 nach,<br />
sie präsentiert dazu vier Coaches<br />
im Bild – und entlastet<br />
dabei bereits im Vorspann<br />
bereits die Psychotherapeuten-Gilde<br />
von ihrer selbstauferlegten<br />
Pfl icht, für alles<br />
menschliche Leid beratend,<br />
helfend und heilend zuständig<br />
zu sein.<br />
Angela Gatterburg macht<br />
dies mit einer einzigen Zeile,<br />
die übrigens an „Es muss<br />
nicht immer Kaviar sein“, den<br />
Erfolgs-Roman von Johannes<br />
Mario Simmel, erinnert: „Es<br />
muss nicht gleich Psychotherapie<br />
sein …“ wenn es in<br />
der Seele zwickt und zwackt<br />
oder – und bestimmt genau<br />
so häufi g – wenn in der Seele<br />
nichts mehr gespürt wird<br />
und Menschen sich nicht<br />
mehr selbst spüren.<br />
Was dann tun? Was ist die<br />
Alternative zum Aufsuchen<br />
eines Psychotherapeuten?<br />
SPIEGEL WISSEN klärt auf:<br />
„… auch ein Coach kann helfen,<br />
Probleme zu lösen.“ Und<br />
wie Coaches das tun, lässt<br />
sich am Beispiel von vier<br />
Coaches, die jeweils ihren ei-<br />
<strong>Coaching</strong> oder Psychotherapie<br />
„ES MUSS NICHT GLEICH<br />
PSYCHOTHERAPIE SEIN,<br />
AUCH EIN COACH KANN<br />
HELFEN, PROBLEME ZU<br />
LÖSEN“<br />
genen Weg und ihre eigenen<br />
Schwerpunkte setzen, schildern:<br />
„Typ 1“ – zum Beispiel Dr.<br />
Jutta Rossellit, ein Coach<br />
als Refl exions-Partner<br />
Angela Gatterburg schreibt:<br />
„Manche Menschen bringen<br />
ihr Leben so regelmäßig auf<br />
den Prüfstand wie ihr Auto zur<br />
Inspektion und suchen sich dafür<br />
einen Coach.<br />
Den meisten ist dabei klar, dass<br />
die kritische Betrachtung des<br />
eigenen Daseins komplizierter<br />
ist als die technische Untersuchung<br />
eines Wagens – aber<br />
auch reizvoller.<br />
Ein solcher Refl exions-Partner<br />
ist zum Beispiel Dr. Jutta<br />
Rossellit aus Hamburg, die für<br />
Menschen bereit steht, „die ihr<br />
Leben so regelmäßig auf den<br />
– März 2012<br />
17<br />
Zurück zum Inhalt
24 So ein Stress: Millionen Menschen fühlen sich<br />
chronisch erschöpft, schon ist eine neue Volkskrankheit<br />
ausgerufen. Nun streiten Ärzte und<br />
Therapeuten, wie das Gesundheitssystem damit<br />
umgehen soll.<br />
28 Die Melancholie am Kühlregal: Wie unser Leben<br />
zur Arbeitsfl äche wurde.<br />
32 Gestörtes Netzwerk im Gehirn: Ständiger Stress<br />
beeinträchtigt die Funktion der Nervenzellen und<br />
kann eine Depression bewirken. Mit richtiger Diagnose<br />
und Therapie lässt sich die Erkrankung besiegen.<br />
38 ZIEL: GELASSEN LEBEN: Ein Routenplan in elf Stationen.<br />
WIE DER STRESS ENTSTEHT<br />
40 Vernetzt in den Wahnsinn: Die Arbeitswelt erwartet<br />
<strong>heute</strong> große Flexibilität und permanenten<br />
Einsatz. Grenzen werden überschritten - geografi -<br />
sche, zeitliche und menschliche.<br />
48 „Keine Nachrichten am Wochenende“: Arbeitsministerin<br />
Ursula von der Leyen, 53, über psychische<br />
Belastung in Betrieben und ihre persönliche Erfahrung<br />
mit Erschöpfung<br />
50 Gelbe Karte für den Körper: Was Menschen in die<br />
Überforderung treibt - Fallgeschichten aus dem<br />
Arbeitsleben.<br />
54 „Ich brauch doch gute Noten!“: Ist das Bildungssystem<br />
daran schuld, dass viele Studenten unter<br />
dem Druck des gesteigerten Leistungstempos<br />
leiden? Sie haben Schlafstörungen, werden psychisch<br />
krank, schlucken Antidepressiva.<br />
58 Kindheit im Fulltime-Job: Bereits Schüler leiden<br />
an chronischem Stress und Überforderung. Einige<br />
Schulen setzen auf Prävention.<br />
61 „ICH KRIEG DAS HIN“: Protokoll eines Schüleralltags:<br />
Für Jula Mächler, 17, läuft das letzte Jahr vor<br />
dem Abitur.<br />
64 „Das ist ja nicht ansteckend“: Zwei Fußballer sprechen<br />
über ihre Erkrankung: Der eine möchte anonym<br />
bleiben, Torwart Markus Miller will aufklären.<br />
68 „Essen Sie doch ein paar Nüsse“: Mobbing kann<br />
Menschen an den Rand ihrer Kräfte und in eine<br />
Krankheit treiben. Doch das schikanöse Spiel ist<br />
schwer zu beweisen.<br />
70 Ausgestreckt am Expander: Politiker balancieren<br />
auf einem schmalen Grat zwischen narzisstischer<br />
Befriedigung und dem Scheitern. Noch immer besteht<br />
ein Tabu, offen über Schwäche zu reden.<br />
74 Der Feind in dir: Wenn Menschen Kränkungen<br />
nicht verwinden, werden sie für sich und andere<br />
unerträglich. Ein Berliner Psychiater hat die „Verbitterungsstörung“<br />
erforscht.<br />
76 Glaser lässt abschalten: VON MARTIN SUTER.<br />
Prüfstand wie ihr Auto zur<br />
Inspektion (bringen)“ und die<br />
sich deswegen eben nicht an<br />
Psychotherapeuten, sondern<br />
an Coaches wenden. Denn sie<br />
suchen keine Reparaturwerk<strong>statt</strong>,<br />
sondern eine – um im<br />
Bild zu bleiben – Inspektion,<br />
und bei der geht es auch nicht<br />
darum, dann doch zu „reparierende“<br />
Fehler, Mängel und<br />
Schwächen zu fi nden, sondern<br />
aus einem „diff usen Unbehagen“<br />
herauszukommen, sich<br />
neue Ziele und Wünsche zu<br />
formen und (vielleicht) zu der<br />
Erkenntnis zu kommen: „Ich<br />
werde etwas ändern.“<br />
„Typ 2“ – zum Beispiel<br />
Prof. Dr. Lothar Seiwert:<br />
ein Coach als Lehrer.<br />
Er predigt an gegen die<br />
„Hetzkrankheit“ und lehrt<br />
die Menschen zur Selbstbestimmung<br />
zu kommen<br />
Lothar Seiwert ist u.a. Co-<br />
Autor des Buches ,,Simplify<br />
your life“, ist Experte für Zeit-<br />
Management und Selbst-Management,<br />
und er stellt jene<br />
Tatsache ins Zentrum seiner<br />
<strong>Coaching</strong>s, die viele übersehen<br />
oder, schlimmer noch, für<br />
ein Abweichen vom rechten<br />
Weg halten, nämlich – dass die<br />
Menschen sich von einander<br />
unterscheiden.<br />
,,Was für den einen Stress ist,<br />
ist für den anderen gemütli-<br />
<strong>Coaching</strong> oder Psychotherapie<br />
che Routine“, sagt Seiwert in<br />
SPIEGEL WISSEN. Nur in<br />
den Extrembereichen des Lebens<br />
reagieren Menschen nach<br />
demselben Muster: „Wer zu viel<br />
arbeitet oder ganz anders als er<br />
eigentlich will, hat Stress.“ Und<br />
„Fremdbestimmung bedeutet<br />
fast immer Stress.“<br />
Seiwert coacht als Speaker große<br />
Gruppen und coacht Menschen<br />
in Einzelgesprächen.<br />
Im <strong>Coaching</strong> versucht Seiwert<br />
mit Hilfe verschiedener psychologischer<br />
Methoden, neue<br />
Muster zum Leben zu erwecken.<br />
,,<strong>Coaching</strong> zeigt Wege<br />
aus der Opferrolle.“<br />
Ob das gelingt, sagt er, liege<br />
an jedem Einzelnen, an seiner<br />
Konsequenz und seiner Selbstdisziplin,<br />
die neuen Muster anzuwenden.<br />
Manche haben eine<br />
Art Sprachfehler, sie können<br />
nicht nein sagen. Es ist wichtig<br />
die Eigenverantwortung zu erkennen.“<br />
„Typ 3“ – zum Beispiel<br />
Prof. Dr. Matthias Burisch:<br />
Menschen „ins Leben<br />
zurückholen“<br />
Matthias Burisch hat an der<br />
Universität Hamburg den PraxisschwerpunktOrganisations-<br />
und Personalentwicklung<br />
aufgebaut und 10 Jahre geleitet.<br />
Er ist einer der führenden<br />
Experten für alle Lebensleiden,<br />
die sich um den Begriff<br />
– März 2012<br />
18<br />
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HILFE FÜR PSYCHE UND KÖRPER<br />
78 Revolution im Kopf: Erschöpfungskranken hilft oft<br />
eine Psychotherapie. Bei Atemmeditation, Musiktherapie<br />
und Verhaltenstraining geht es auch darum,<br />
schwach zu sein, loszulassen.<br />
86 Die Mühsal des Nichts: Wie geht das: Stundenlang<br />
stillsitzen und dem eigenen Atem lauschen?<br />
Achtsamkeitsübungen gegen Stressleiden - ein<br />
Selbstversuch.<br />
90 Schnauben wie ein Pferd: Die einen schwören auf<br />
Yoga, andere versuchen mit Tanzen und Reiten<br />
zu entspannen. Zapchen, Zumba und Singen sind<br />
lustvolle Methoden der Entstressung.<br />
94 „Ich nehme mir meine Zeit“: Es gibt ein Leben nach<br />
dem Zusammenbruch: Drei Betroffene erzählen,<br />
wie sie sich und ihren Alltag verändert haben.<br />
98 Riechen, sehen, lauschen: Green Care heißt der<br />
neue Weg, ausgebrannten Menschen wieder Kraft<br />
und Lebensfreude zu geben. Er setzt auf die Heilkraft<br />
der Natur - Pferde, Schweine und Lamas<br />
sind hier Therapeuten.<br />
104 „Runter von der hohen Drehzahl“: Es muss nicht<br />
gleich Psychotherapie sein, auch ein Coach kann<br />
helfen, Probleme zu lösen. Manche Berater tun<br />
das sogar beim Joggen. Wo liegen die Grenzen der<br />
Profi -Ratgeber?<br />
108 Enge in der Brust: Viele Arbeitnehmer träumen<br />
von einer Auszeit, aber nur wenige nehmen sie.<br />
Was bringt ein Sabbatical?<br />
GESÜNDER IN DIE ZUKUNFT<br />
110 „Wie wollen wir morgen sein?“: Für die psychische<br />
Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu sorgen, haben<br />
nur wenige Topmanager gelernt. Doch inzwischen<br />
setzen einige Firmen auf Prävention - mit Erfolg.<br />
116 BEI ANRUF RAT: Stresstelefone sollen Mitarbeitern<br />
bei ihren Nöten und Sorgen helfen - sogar<br />
den privaten.<br />
118 „Wir brauchen Inspiratoren“: Der Neurobiologe<br />
Gerald Hüther über das Geheimnis gehirngerechter<br />
Führung.<br />
120 Vom Glück der kleinen Dinge: Wie Prominente<br />
ihre Balance halten.<br />
128 Balance für Seele und Hirn.<br />
130 SCHLAGWORT: STRESS: Der österreichisch-kanadische<br />
Mediziner Hans Seyle (1907 bis 1982) gilt<br />
als Vater der Stressforschung. Er entlehnte den Begriff<br />
aus der Werkstoffkunde, die damit Zug oder<br />
Druck auf ein Material bezeichnet. 1936 beschrieb<br />
Seyle erstmals „die unspezifi sche Reaktion des<br />
menschlichen Körpers auf jegliche Anforderung“,<br />
die er später als „Anpassungssyndrom“ defi nierte.<br />
„Ich habe allen Sprachen ein neues Wort geschenkt<br />
- Stress“, sagte er. n<br />
„Burn-out“ ranken – nicht<br />
zuletzt durch seine Gründung<br />
des BIND, des Burnout-Instituts<br />
Norddeutschland (BIND),<br />
das sich der Burnout-Diagnose<br />
und Prophylaxe widmet, und<br />
sein Standardwerk „Das Burnout-Syndrom<br />
— Th eorie der<br />
inneren Erschöpfung“, in erster<br />
Aufl age bereits 1989 erschienen<br />
(4. Aufl . 2010).<br />
Auf einem seiner Spezialgebiete,<br />
Personalarbeit mit Unternehmen,<br />
ist Prof. Burisch<br />
in puncto „Humanisierung<br />
des Arbeitslebens“ skeptisch.<br />
In SPIEGEL WISSEN erklärt<br />
er, dass die Menschen, die zu<br />
ihm kommen, in einer Falle<br />
stecken, denn sie verfolgen<br />
„ein Ziel, das unerreichbar ist“,<br />
das sie aber „weder umdefi nieren<br />
noch bescheidener fassen“<br />
können. Oder sie verharren „in<br />
einer subjektiv schwer erträglichen<br />
Situation“, die sie zu verändern<br />
versucht haben, daran<br />
aber gescheitert sind.<br />
Burisch: „Sie alle können über<br />
die Jahre in einen Burnout<br />
steuern.“ Zwei Burnout-Typen<br />
hat Burisch ausgemacht, den<br />
hoch-aktiven ,,Selbstverbrenner“<br />
den niedrig-aktiven Typ,<br />
der „schlecht nein zu anderen<br />
sagen könne“, der unentschlossen,<br />
unehrgeizig und seiner<br />
selbst unsicher ist.<br />
Prof. Burisch hat aufgrund seiner<br />
Qualifi kationen die Möglichkeit<br />
zu entscheiden, ob<br />
Psychotherapie und <strong>Coaching</strong><br />
oder sogar ein stationärer Klinik-Aufenthalt<br />
induziert sind.<br />
,,Wenn ich das Gefühl habe, ich<br />
müsse diesen Menschen täglich<br />
betreuen, dann ist <strong>Coaching</strong><br />
nicht geeignet. Zu stationären<br />
Aufenthalten rate ich, wenn<br />
den Betroff enen alles über den<br />
Kopf wächst, berufl ich und privat,<br />
dann sollten sie unbedingt<br />
raus aus der Situation und täglich<br />
mit einem Th erapieangebot<br />
<strong>Coaching</strong> oder Psychotherapie<br />
angesprochen werden.“ Wie<br />
immer die Behandlung läuft ,<br />
sein Ziel ist, die Menschen ins<br />
Leben zurückzuholen. Dazu<br />
brauchen sie „Verständnis für<br />
andere Arbeitsstile als den ihren,<br />
Kontakt, <strong>statt</strong> Einsamkeit,<br />
mehr Freude in ihrem Leben<br />
und den Mut, auch Schwäche<br />
zeigen zu können.<br />
„Typ 4“ – zum Beispiel Sabine<br />
Asgodom:<br />
<strong>Coaching</strong> – unkompliziert<br />
und pragmatisch<br />
<strong>Coaching</strong> ist für viele eine Wissenschaft<br />
geworden. SPIEGEL<br />
WISSEN aber kommt zu dem<br />
positiven Schluss:<br />
„Wie unkompliziert und pragmatisch<br />
das ablaufen kann, ließ<br />
sich unlängst im Bayerischen<br />
Fernsehen betrachten, wo einer<br />
der bekanntesten Coaches<br />
Deutschlands, die Münchnerin<br />
Sabine Asgodom, mit Herzenswärme<br />
und Humor Leute mit<br />
ganz unterschiedlichen Anliegen<br />
beriet. <strong>Coaching</strong> passt zu einer<br />
Zeit, in der lebenslanges Lernen<br />
und permanente Optimierung<br />
gefordert ist, ob im Job, an Figur,<br />
Frisur, Garderobe oder Fähigkeiten<br />
aller Art.“<br />
Und bei den vier hier genannten<br />
Coaches erkennt Autorin<br />
Angela Gatterburg eine große<br />
Gemeinsamkeit: Sie suchen<br />
und fi nden für ihre Klienten<br />
,,Wege aus der Opferrolle“. n<br />
– März 2012<br />
19<br />
Zurück zum Inhalt
JESPER<br />
JUUL<br />
Was Coaches bei<br />
einem Familientherapeuten<br />
abschauen<br />
könnten<br />
Foto – © Vanja Vukovic<br />
Der dänische Familientherapeut Jesper Juul ist einer<br />
der angesehensten Pädagogen weltweit. Er wirkt<br />
unter anderem durch „familylab.de – die Familienwerk<strong>statt</strong>“,<br />
„familylab“ ist Juuls international<br />
tätige Organisation für Beratung und Kompetenzentwicklung<br />
in Familien, in Schulen und last, not least in Unternehmen.<br />
Jesper Juul will wichtige Erkenntnisse aus Familientherapie<br />
und Beziehungsforschung „übersetzen“ und für die tägliche<br />
Erziehungsarbeit und Beziehungsarbeit weitergeben.<br />
Anders als weniger begabte Geister will Jesper Juul die Menschen<br />
nicht belehren oder bekehren. Er sagt: „Ich habe für diese<br />
Arbeit die Bezeichnung Familienlabor gewählt. Es ist also keine<br />
Schule, sondern eher ein Laboratorium, in dem man fi nden, wieder<br />
fi nden, erfi nden und mit seiner eigenen Art und Weise, seine<br />
Familie zu entwickeln, experimentieren kann.“<br />
Es gilt für jede Familie, dass Liebe nicht ausreicht, um die Entwicklung<br />
und das Wohlbefi nden der Mitglieder zu sichern.<br />
Wir müssen lernen, unsere liebevollen Gefühle in liebevolle<br />
Handlungen umzusetzen, und das müssen wir unter anderem<br />
mit- und voneinander lernen. Die Familienwerk<strong>statt</strong> bietet eine<br />
Reihe von erprobten Prinzipien und Werten an, die den roten<br />
Faden im Leben der Familie ausmachen können, die aber mit<br />
den persönlichen Werten und Zielen, eine warme und sinnvolle<br />
Ganzheit für alle Familienmitglieder zu schaff en, vereint<br />
werden müssen.<br />
In der jüngsten Ausgabe (Februar 2012) von K+S (Kommunikation<br />
+ Seminar, Junferman-Verlag, Paderborn) hat Ute<br />
Kleindienst – Trainerin, Coach und Supervisorin mit Schwerpunkt<br />
Gewaltfreie Kommunikation in Schwerin – Jesper Juul<br />
am Rande einer Supervision von Familylab-Seminarleitern interviewt.<br />
Juul hat den Gründer der Gewaltfreien Kommunikation<br />
Marshall G. Rosenberg im zerstörten Vukovar nach dem<br />
Chefdenker<br />
Balkankrieg kennengelernt: bei einem Projekt, das jugendliche<br />
Serben, Kroaten und Bosnier zusammengebracht hatte.<br />
Juul erinnert sich: „Es war ein gefährliches Projekt. Es schien klar,<br />
dass die Menschen dort den inneren Frieden nicht ohne Hilfe von<br />
außen schaff en würden. Alle waren am Ende des Krieges kaputt<br />
und müde. Ohne die Methodik der Gewaltfreien Kommunikation<br />
und auch Rosenbergs Arbeit wäre es für die jungen Leute<br />
nicht möglich gewesen, überhaupt miteinander ins Gespräch zu<br />
kommen. Dies Projekt war wichtig, um zu beweisen, dass Verständigung<br />
und friedliches Miteinander möglich sind.“<br />
Kleindienst fragt ihn, was der Kern der von ihm immer wieder<br />
beschworenen „persönlichen Sprache“ ist. Juul:<br />
„Der Kern ist, deutlich zu sagen, was ich will. Also: Ich will – ich<br />
will nicht. Ich mag – ich mag nicht. Ich mache mit – ich mache<br />
nicht mit.“<br />
Also Grenzen errichten und Abgrenzung erreichen? Nein, sagt<br />
Juul, nicht nur das, sondern „für mich ist es die einzige verbale<br />
Sprache, mit der man eine gewisse Nähe erreichen kann, mit der<br />
man Konfl ikte zwischen Menschen überhaupt lösen kann. Es ist<br />
eine alte Wahrheit: Wenn wir beide einen Konfl ikt lösen wollen,<br />
redest du am besten über dich und ich über mich.“<br />
Juul hat sich immer wieder der Frage gestellt, ob gewaltfreie Erziehung<br />
und gewaltfreie Führung überhaupt möglich ist. Seine<br />
Antwort ist:<br />
„Führung ohne Gewalt ist möglich, absolut! Sie fordert von Eltern,<br />
dass sie den Unterschied zwischen echten Bedürfnissen und<br />
Wünschen kennen. Es muss allen Mitgliedern der Familie möglich<br />
sein, ihre Bedürfnisse und Wünsche zu äußern. Es gibt aber<br />
keine Garantie, dass sie alle ihre Bedürfnisse und Wünsche in<br />
der Familie erfüllt bekommen. Deswegen rege ich mich immer<br />
so über jene Eltern auf, die bei ihren Kindern beliebt sein wollen.<br />
Gewaltfrei heißt, die Familie ganzheitlich im Blick zu haben. Ge-<br />
– März 2012<br />
20<br />
Zurück zum Inhalt
waltfreiheit wird missverstanden, wenn man glaubt, dabei<br />
immer nur nett, sanft und freundlich sein zu dürfen. So ist<br />
Gewaltfreiheit nicht möglich.“<br />
Und das gilt besonders in der Zeit der Pubertät. Juul<br />
warnt:<br />
„Eltern sollten … der Versuchung widerstehen, mit den Jugendlichen<br />
mitmachen zu wollen, sich also wie die jungen<br />
Leute zu geben.“ Eltern dürfen ihre heranwachsenden<br />
Kinder kritisieren. Wenn sie damit aber ihre Ziele erreichen<br />
wollen, und nur das kann ja der Sinn konstruktiver<br />
Kritik sein, dann darf der wichtige zweite Satz nicht fehlen:<br />
Wenn ich dich nicht überzeugen kann, stehe ich dennoch<br />
hinter dir!<br />
Jesper Jul glaubt, es ist ein gewalttätiges Elternbild, immer<br />
zu wissen, wie und wohin sich meine Kinder entwickeln<br />
sollen. Denn es gibt einen Unterschied zwischen Erziehung<br />
und Entfaltung. Und wo viele Eltern, Lehrer und<br />
Führungskräft e in falscher Pädagogik glauben, es ginge<br />
um den richtigen Weg, geht es um Entfaltung – also um<br />
den eigenen Weg. Um das „I do it my way“.<br />
So funktioniert es auch zwischen den Eltern. Wenn bei<br />
einer Meinungsverschiedenheit alles gesagt ist, aber<br />
nichts passt, heißt die Aufl ösung dieses Konfl iktes trotz<br />
allem – oder gerade deshalb: Ich steh‘ hinter dir, weil es<br />
wichtig für unsere Beziehung ist, wichtig für dich und<br />
wichtig für mich.<br />
Jesper Juul redet keinerlei Leisetreterei das Wort, sondern<br />
größtmöglicher Authentizität in allen Lebenssituationen.<br />
Das heißt für ihn auch, Wut auszudrücken und eine Beziehung<br />
zur eigenen Wut zu fi nden. Juul:<br />
„Es geht darum, wie ich mich als Mensch selbst wahrnehmen<br />
und mich in einer solchen Art ausdrücken<br />
kann, dass auch andere mich wahrnehmen können.“ Das<br />
kann dann – zum Beispiel Wut betreff end – heißen, „ein<br />
bestimmtes Gefühl nicht nur zu benennen, sondern es<br />
auch zu zeigen.“ Über sich selbst die Wahrheit zu sagen<br />
und sie zu zeigen, ist immer noch besser als dem anderen<br />
Wahrheiten an den Kopf zu schleudern. n<br />
Kommunikation + Seminar,<br />
aktuelle Ausgabe (Junfermann<br />
Verlag Paderborn)<br />
und K+S-Chefredakteurin<br />
Regine Rachow). Quelle:<br />
www.ksmagazin.de/maga-<br />
zin/aktuelles-heft/<br />
JESPER JUUL: WIDER<br />
DEN PERFEKTIONISMUS<br />
IM UMGANG MIT MENSCHEN<br />
Chefdenker<br />
Selbst seine provokantesten Thesen trägt Jesper Juul fröhlich<br />
vor. Der gelassen argumentierende dänische Lehrer,<br />
Familientherapeut, Autor erfolgreicher Elternbücher und<br />
Gründer der internationalen Organisation für Beratung und<br />
Kompetenzentwicklung „familylab - die familienwerk<strong>statt</strong>“<br />
betont wieder und wieder, dass es in der Kindererziehung die<br />
perfekte Lösung nicht gibt. Wohl aber sei Erfolg und Glück<br />
möglich, wenn die Eltern bereit sind, sich mit ihren Kindern<br />
gemeinsam zu entwickeln.<br />
Juul hat in der Evangelischen Stadtakademie München vor<br />
vollem Haus seine Thesen vorgetragen und dabei auch auf<br />
sein neues Buch „Die kompetente Familie“, Kösel-Verlag,<br />
München, 14,95 Euro hingewiesen, das in leicht lesbarer<br />
Form seine Kerngedanken ausbreitet. Er fragt zum Beispiel:<br />
„Wollen wir noch Untertanen heranziehen, die auf Anweisungen<br />
und Befehl handeln. Oder wünschen wir uns, dass unsere<br />
Kinder zu Menschen heranwachsen, die ein hohes Maß<br />
an Selbständigkeit, Kompetenz und ein starkes Selbstwertgefühl<br />
mitbringen?“<br />
Wer letzteres will, muss sich auf seine Kinder wirklich einlassen,<br />
„sie wahrnehmen und ihnen so klar und so regelmäßig<br />
wie möglich Signale geben“, fordert er. Der Dialog,<br />
die Grundlage aller guten menschlichen Entwicklung, sei in<br />
vielen Familien ausgestorben. Statt „Intimität und Kontakt“<br />
regiere geschäftiges Handeln, das die Familienmitglieder im<br />
Kern voneinander entfremdet.<br />
Juul redet keinerlei antiautoritärem Wischiwaschi das Wort.<br />
Im Gegenteil. „Kinder brauchen Eltern, die wie Sparringspartner<br />
sind, die zu Hause gleichsam eine Trainingssituation<br />
bieten und dabei den größtmöglichen Widerstand leisten und<br />
zugleich den geringstmöglichen Schaden anrichten, Eltern,<br />
die täglich viele Fehler machen und keine Lust mehr haben,<br />
perfekt zu sein, die sich entspannen und die Kraft haben,<br />
Nein zu sagen, wenn ihnen danach ist.“ Be-ziehung <strong>statt</strong> Erziehung,<br />
das ist sein Credo.<br />
Fragen der Zuhörer nach dem besten Schulsystem wischt er<br />
schnell vom Tisch. Die Gesellschaft müsse für Lehrer sorgen,<br />
„die sich in der Schule wohlfühlen, die genug verdienen<br />
und sich dort auch persönlich entwickeln können“. Der Rest<br />
ergebe sich von allein, wenn Eltern und Lehrer lernten, sich<br />
in ihren „recht ähnlichen“ Aufgaben gegenseitig zu respektieren.<br />
Und bei Konfl ikten? Zum gelungenen Leben gehöre es<br />
eben auch, so Juul, „zu lernen, wie gehe ich mit Leuten um,<br />
die ich nicht mag und die mich vielleicht auch nicht mögen“.<br />
Wichtig sei, sich nicht gegenseitig herabzusetzen.<br />
(Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im epd, dem Evangelischen<br />
Pressedienst. Autor ist der Münchner Journalist Heinz<br />
Brockert)<br />
– März 2012<br />
21<br />
Zurück zum Inhalt
Einsamkeit wird oft als persönliches Problem angesehen.<br />
Diese einfache Sachfeststellung fi ndet sich in<br />
der New York Times (NYT-Ausgabe der Süddeutschen<br />
Zeitung vom 20.2.2012) in einem Beitrag zum<br />
Th ema „Einsamkeit am Arbeitsplatz“. Allerdings hat diese einfache<br />
Sachfeststellung einen makaberen Unterton – denn sie<br />
schildert, wie wir wohl alle allermeistens mit der Einsamkeit<br />
anderer Menschen umgehen. Etwa so:<br />
„Wer sich einsam und allein fühlt in der Arbeitswelt oder anderswo,<br />
wo wir doch überall und fast immer umringt von anderen<br />
Menschen sind, der möge sich doch einfach an die Menschen um<br />
sich herum wenden, und dann wird – piff -paff – die Einsamkeit<br />
zur Zweisamkeit, Dreisamkeit oder zu noch größerer Gemeinsamkeit.“<br />
Ebenfalls makaber ist, dass auch wir selbst in dieser Weise mit<br />
uns sprechen, wenn seelisches Pattex unsere Schuhsohlen so<br />
fest an den Fußboden klebt, dass wir die drei Schritte auf andere<br />
Menschen zu einfach nicht schaff en. Trauer, Verzweifl ung<br />
Erfolgsbremse Einsamkeit<br />
E NSAMKE<br />
T<br />
i i<br />
und Resignation mischt sich dann in jene Sachfeststellung über<br />
unsere eigene Unfähigkeit, uns in den Kreis der Mitmenschen<br />
zu integrieren: Warum schaff e ich es nicht?! Warum reden alle,<br />
scherzen oder auch gift en und schimpfen alle anderen miteinander<br />
– und ich bin allein, bin isoliert … ganz so, wie die New York<br />
Times geschrieben hat: „Einsamkeit wird oft als persönliches<br />
Problem angesehen“ – auch von uns und bei uns selbst.<br />
Einsamkeit „strahlt aus“ und reduziert<br />
die Produktivität in Arbeitsgruppen –<br />
ähnlich wie es Angst oder Feindseligkeit tun<br />
Auch Einsamkeit am Arbeitsplatz wird oft immer noch als ein<br />
persönliches Problem angesehen, allerdings deutet sich bei den<br />
bessergecoachten Unternehmen ein neuer Blick auf die außerhalb<br />
der Gruppen stehenden Mitarbeiter an. Denn die Einsamkeit<br />
einzelner Menschen kann sich auswachsen zu einem<br />
wirtschaft lichen Problem für ein Unternehmen. Das zeigt zum<br />
Beispiel eine Studie des Wirtschaft s-Professors Sigal G. Barsade<br />
– März 2012<br />
22<br />
Zurück zum Inhalt
von der University of Pennsylvania, der herausgefunden hat,<br />
dass Einsamkeit zu den hoch ansteckenden Leiden in der Arbeitswelt<br />
und darüber hinaus auch im Privatleben gehört. Die<br />
Wissenschaft nennt, was hier passiert, einen „Ripple-Eff ect“, ein<br />
Ripple sind die Ringe, die entstehen, wenn man einen Stein ins<br />
Wasser wirft : Das zieht Kreise und immer größere Kreise, und<br />
es dauert lange, bis sich das alles wieder geglättet hat.<br />
Prof. Barsade hat nämlich herausgefunden, dass Einsamkeit die<br />
Produktivität reduziert – und nicht etwas nur die Produktivität<br />
des einsamen Menschen, sondern auch die Produktivität von<br />
Teams. Teams (oder zumindest die Teamleiter), die als produktiv<br />
dastehen wollen, sollten deshalb sicherstellen, dass sich in<br />
ihrem Beritt niemand alleingelassen fühlt.<br />
Dr. Sarah Wright, die 2005 mit einer der ersten Studien über<br />
Loneliness in the Workplace (http://ir.canterbury.ac.nz/bitstream/10092/1368/1/thesis_fulltext.pdf)<br />
zum Doktor der Psychologie<br />
promoviert worden ist, hat in der NYT die negativen<br />
Folgen von Einsamkeit erklärt:<br />
l die soziale Wahrnehmung wird gestört – also alles, was wir<br />
bei einzelnen Menschen und bei Gruppen und Arbeitsteams<br />
erkennen oder „hineinsehen“<br />
l das Verhältnis zu anderen Menschen und in Gruppen wird<br />
in einer Weise beeinfl usst, dass Feindseligkeit, Negativität, depressive<br />
Verstimmtheit, Ängste und das Gefühl von Kontrollverlust<br />
gesteigert werden, während Kooperationsfähigkeit und<br />
Kooperationsbereitschaft kleiner werden.<br />
l Und wo eben das Wort „depressiv“ bei dem Problem der<br />
Einsamkeit gefallen ist: Die Grenze zur Depression ist fl ießend.<br />
Depression ist jene Geisel unserer Zeit, die oft als Stress, „Chronisches<br />
Erschöpfungssyndrom“ oder „Burn-out“ verharmlost<br />
wird (siehe den Beitrag über <strong>Coaching</strong>-Felder der Zukunft , in<br />
<strong>Coaching</strong>-<strong>heute</strong> 2/2012), die aber eines der schwersten leibseelischen<br />
Leiden überhaupt ist.<br />
Der Unterschied zwischen Einsamkeit und Depression ist, so Dr.<br />
Sarah Wright, dass einsame Menschen von ihrem Leiden befreit<br />
werden möchten, während bei depressiven Menschen der Impuls<br />
(drive) vorhanden ist, „sich der Krankheit zu ergeben“.<br />
Depression ist kein Arbeitsfeld für Coaches.<br />
Warum ist Einsamkeit ein Arbeitsfeld für sie?<br />
In Teil 1 unserer neuen Beitragsfolge über <strong>Coaching</strong>-Felder der<br />
Zukunft ist die Prävention seelischer Leiden als wichtige Aufgabe<br />
für Coaches geschildert worden – das Paradebeispiel ist<br />
Stress, aus dem sich das „Chronische Erschöpfungssyndrom“,<br />
Burn-out und sogar eine Depression herausbilden können. Sol-<br />
Erfolgsbremse Einsamkeit<br />
che Zusammenhänge können als gesichert angesehen werden<br />
– wohlgemerkt: können, denn selbstverständlich wird nicht jeder<br />
gestresste Mensch letztendlich depressiv.<br />
Tatsache ist zudem, dass Coaches bei vielen Menschen verglichen<br />
mit Psychologen oder Psychotherapeuten einen Akzeptanz-Vorteil<br />
genießen. <strong>Coaching</strong> ist „in“, „Psychologie“ und<br />
deutlicher noch „Psychotherapie“ aber wecken Assoziationen<br />
mit „Krankheit“, „Leiden“ und anderen negativen Seelenzuständen,<br />
mit denen gerade sich jung und dynamisch gebende<br />
Arbeitnehmer nicht gern in Verbindung gebracht werden<br />
möchten, weshalb viele auf die „Psy“-Berufe instinktiv mit dem<br />
Mediamarkt-Slogan reagieren: „Ich bin doch nicht blöd.“<br />
Wie eine bekannte deutsche Psychologin geradezu<br />
fahrlässig mit dem Thema „Einsamkeit“ umgeht<br />
Viele Psychologen und Psychotherapeuten sind zudem – bedingt<br />
durch ihre Ausbildung – in der „negativen Psychologie“<br />
verhaft et. Sie arbeiten mit der Leidens-Seite der Menschen,<br />
während es oft fi nanziell und seelisch ökonomischer ist, mit<br />
Tools der neuen „positiven Psychologie“ zu arbeiten.<br />
Wohin das führt, zeigt Dr. Doris Wolf, eine der bekanntesten<br />
Populärpsychologinnen im deutschen Sprachraum. Sie und<br />
ihr Mann, Dr. Rolf Merkle, „arbeiten seit 25 Jahren als Diplom<br />
Psychologen und Psychotherapeuten“. Sie werben allerdings<br />
mit Guru-Schnick-Schnack wie „Werden Sie Ihr eigener Psychologe.<br />
Lernen Sie, Ihre Gefühle und Stimmungen zu steuern“<br />
(http://www.palverlag.de/Gefuehle_Selbsthilfe.html). Und<br />
zum Th ema Einsamkeit haben sie den folgenden Schnack ausgegraben:<br />
Einsamkeit ist eine Gefängniszelle, die sich nur von<br />
innen öff nen lässt. (Diese Worte stammen von einem „Alfredo<br />
Le Mont“, der sich als bisher „nicht ergooglebar“ herausgestellt<br />
hat – siehe Fußnote).<br />
Die Botschaft „Einsamkeit ist eine Gefängniszelle, die sich nur<br />
von innen öff nen lässt“ aber ist nicht harmlos, sondern zynisch,<br />
denn sie lautet: Die einsamen Menschen haben sich abgekapselt,<br />
sie haben die Tür von innen verschlossen, sie haben deshalb<br />
selbst Schuld daran, dass sie leiden. In Wahrheit aber lautet die<br />
Botschaft der einsamen Menschen, die noch nicht den oben<br />
erwähnten Impuls der Depression in sich tragen:<br />
Meine Tür ist weit geöff net, aber ihr seht es nicht? Ich schaff e es<br />
nicht, durch diese Tür zu euch herauszukommen. Nehmt mich<br />
mit, nehmt mich in euren Kreis auf, ich bin zwar kein Star, aber<br />
holt mich hier raus. n<br />
Wir haben Doris Wolf in der April-Ausgabe Raum für eine<br />
Stellungnahme angeboten.<br />
FUSSNOTE:<br />
Nach zwei Stunden Durchklicken von Suchergebnissen für „Alfredo Le Mont“, dem Spruch „Einsamkeit ist eine Gefängniszelle, die sich nur von<br />
innen öff nen lässt“ und der englischsprachigen Version „Loneliness is a prison cell which can only be opened from the inside“ zeigt sich kein Hinweis,<br />
wer dieser „Alfredo Le Mont“ sein könnte. Der Spruch taucht aber in mehreren von Doris Wolf betriebenen Webseiten auf, etwa www.palverlag.de,<br />
www.psychotipps.com/Einsamkeit.html, http://www.psychic.de/reizdarm.php.<br />
Einzug gehalten hat er auch auf http://cms.bistum-trier.de/bistum-trier/Integrale?MODULE=Frontend&ACTION=ViewPage&Page.PK=6579,<br />
http://de-de.facebook.com/pages/Für-immer-Papas-Prinzessin/178451125587756, http://www.elitepartner.de/forum/ich-bin-so-einsam-was-sollich-machen-3373.html<br />
– auch auf http://www.tierforen.net/index.php?page=Th read&threadID=8779 (auf dem „Wellensittich Forum“) und auf<br />
http://www.nwzonline.de/Region/Kreis/Wesermarsch/Nordenham/Artikel/2480284/So+sch%E4dlich+wie+15+Zigaretten+am+Tag.html und<br />
http://hpina.de/main.php?pageid=11 …<br />
– März 2012<br />
23<br />
Zurück zum Inhalt
Effi zient arbeiten und leben –<br />
DESIGN YOUR FUTURE!<br />
Für die einen ist sie eine Art Klassentreff en, weil sie sich jedes<br />
Jahr dort treff en; für die anderen ist sie eine Erfahrung, wie<br />
viele tolle Frauen es gibt: Die WoMen<strong>Power</strong>, der Fachkongress<br />
für Frauen und Männer am 27. April 2012 in Hannover. Das<br />
diesjährige Motto: Effi zient arbeiten und leben – Design your<br />
Future!<br />
Bereits zum neunten Mal veranstaltet die Deutsche Messe den<br />
Fachkongress anlässlich der HANNOVER MESSE. Mehr als<br />
1.000 Teilnehmer/innen besuchen die WoMen<strong>Power</strong>, Tendenz<br />
steigend. Geboten werden zum Auft akt im Congress Center<br />
um 9.30 Uhr Keynotes von hochkarätigen Managerinnen und<br />
Managern:<br />
- Dagmar Reim, Intendantin des Rundfunk Berlin-Brandenburg<br />
- Christoph Kübel, Geschäft sführer und Arbeitsdirektor Robert<br />
Bosch GmbH<br />
- Prof. Dr. Ulrike Dettmers, Geschäft sführerin und Gesellschaft<br />
erin Mestermacher GmbH<br />
- Danach gibt es eine prominent besetzte Podiumsdiskussion<br />
unter Leitung von Sabine Asgodom, Asgodom Live, München,<br />
zum Th ema „Aufb ruch in neue Arbeitswelten – Generation<br />
Y bis Generation 60 plus“.<br />
Der Kongress-Beirat unter Vorsitz von Prof. Barbara Schwarze<br />
(Kompetenzzentrum Bielefeld) und Angela Josephs (Phoenix<br />
Contact) hat wieder ein spannendes Forum für arbeitspoliti-<br />
WoMen<strong>Power</strong> 2012<br />
sche Th emen und Trends zusammengestellt. Work-Life-Balance,<br />
Beruf und Karriere, fl exible Arbeitszeiten, Diversität – das<br />
Angebot richtet sich an Führungskräft e und Personalverantwortliche<br />
sowie an Berufseinsteiger und Berufstätige.<br />
WoMen<strong>Power</strong> vermittelt praxisnah Informationen für alle Berufsphasen:<br />
vom Berufseinstieg bis zur Karriereförderung, wie<br />
z.B. Karriereperspektiven für Ingenieurinnen und Naturwissenschaft<br />
lerinnen, Beratung für eine berufsorientierte Lebensplanung,<br />
Trainings zum Umgang mit verdeckten Hemmnissen<br />
im berufl ichen Alltag u.v.m. Drei Workshop-Angebote sehen<br />
Sie auf der nächsten Seite.<br />
Die Tagesveranstaltung bietet neben den Workshops eine begleitende<br />
Ausstellung. Rund 60 Aussteller präsentieren Netzwerke,<br />
informieren über Marktforschung, Studien und Förderprogramme,<br />
zeigen <strong>Coaching</strong>- und Mentoring-Angebote auf. Darunter<br />
Bosch, BPW Germany, Deutscher Frauenrat, EON, Europäische<br />
Akademie für Frauen, EWMD, IG BCE, NDR, Phoenix Contact,<br />
Siemens, Telecom, VDI, VDU, Webgrrls, ZDF.<br />
Daneben gibt es Messerundgänge in den Ausstellungshallen,<br />
die den Bezug zu den ausstellenden Industrieunternehmen<br />
herstellen. Die Teilnahmegebühr beträgt 79 Euro (für Student/<br />
innen 40 Euro) inklusive Messe-Eintrittskarte, Mittagsbuff et<br />
und Teilnehme an Kongress und Workshops.<br />
Hier können Sie sich anmelden:<br />
www.womenpower-kongress.de<br />
– März 2012<br />
24<br />
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WoMen<strong>Power</strong> 2012<br />
9. Fachkongress Fachkongress zur HANNOVER MESSE<br />
am 27. April 2012<br />
SABINE ASGODOM<br />
Wer coachen kann, hat mehr vom Leben – <strong>Coaching</strong>-Tools, die Sie<br />
zur besseren Chefi n/Kollegin/Mitarbeiterin machen<br />
In diesem Workshop verrät Sabine Asgodom, Erfolgs-Coach mit eigener Fernsehsendung, wie<br />
Sie <strong>Coaching</strong> in Ihrem Berufsleben sinnvoll einsetzen können. Sie macht Sie mit den acht Prinzipien<br />
des „Lösungsorientierten Kurz-<strong>Coaching</strong>“ (LOKC) bekannt und stellt Ihnen fünf einfache<br />
<strong>Coaching</strong>-Tools vor, mit denen Sie sich und anderen helfen können, ganz schnell Lösungen<br />
zu fi nden. Dazu macht Sabine Asgodom mit Ihnen den Test: Können Sie coachen? Nach nur<br />
fünf Minuten haben Sie die Antwort. Ergänzt wird der Vortrag mit Live-<strong>Coaching</strong>-Sequenzen<br />
– Teilnehmer/innen haben die Möglichkeit, sich auf der Bühne kurz coachen zu lassen und zu<br />
erleben, wie Sabine Asgodom coacht.<br />
EVA LOSCHKY<br />
Souveräne Stimme unter Druck und Stress<br />
Emotionen, Stress und Lampenfi eber sind immer Teil des Alltags. Zorn verschlägt oft den<br />
Atem, Stress mindert das souveräne Auftreten, Lampenfi eber führt zum Stottern. Wenn die<br />
Stimme versagt, wirken wir wenig überzeugend. Doch Sie können souverän damit umgehen.<br />
Im Workshop erfahren Sie, wie Sie auch in schwierigen Situationen überzeugend kommunizieren<br />
und Ihre Stimme jederzeit bewusst, wirkungsvoll und zielsicher einsetzen. Wenn Sie<br />
wissen, wie Emotionen und Stress Ihre Körper-, Atem- und Stimmmuster beeinfl ussen, können<br />
Sie diese Mechanismen erfolgreich umgehen. Nutzen Sie diesen Workshop, um erfolgreiches<br />
Emotions- und Stressmanagement für die Stimmauftritte auf den kleinen und großen Bühnen<br />
Ihres Lebens zu lernen. Und erleben Sie gleichzeitig die Präsentation von Eva Loschky’s brandneuem<br />
Hörbuch!<br />
CHRISTA SCHIFFER<br />
Der Samurai-Impuls: Japanische Schwertkunst fürs Business<br />
In diesem Workshop mit Christa Schiffer geht es um Souveränität. Und damit um die Freiheit<br />
zu entscheiden, wie wir im berufl ichen Alltag agieren wollen, wenn die Aufgaben komplexer<br />
werden und das Miteinander schwieriger wird. Ein souveränes Selbst lässt uns entschlossen<br />
für uns und unsere Ziele einstehen. Es bedeutet, in Kontakt mit sich zu sein, situativ angemessen<br />
zu handeln und voller Selbstvertrauen souverän und friedvoll zu agieren. Wir können andere<br />
Menschen nicht ändern, aber wir können in schwierigen Situationen gut für uns sorgen,<br />
indem wir in unserer Mitte bleiben, Grenzen setzen, Provokationen an uns abgleiten lassen,<br />
Angriffe parieren und mutig für unsere Ziele gehen. Christa Schiffer ist aktive Budoka und hat<br />
den Samurai-Impuls für Workshops, Trainings und Vorträge entwickelt. Ihre Active- <strong>Coaching</strong>-<br />
Methode refl ektiert die Themen der TeilnehmerInnen und macht sie über Methoden aus dem<br />
japanischen Schwertkampf persönlich erlebbar. Dabei geht es nicht um Kampfsport, sondern<br />
darum zu spüren, dass wir alles Wichtige bereits in uns tragen und dies zu nutzen.<br />
Video: http://samurai-impuls.christaschiffer.de/in_aktion_video.phpk<br />
Jetzt anmelden unter<br />
www.womenpower-kongress.de<br />
WoMen<strong>Power</strong> 2012<br />
– März 2012<br />
25
FEEDFORWARD<br />
Dr. Marshall Goldsmith ist gerade mit dem vom Harvard<br />
Business Review gesponsorten „Th inkers50 Leadership<br />
Award“ geehrt worden. Er darf sich bis zur nächsten Wahl<br />
als „weltweit einfl ussreichster Leadership-Denker“<br />
bezeichnen. Zugleich hat er in einer Ausscheidung<br />
über den „bedeutendsten Business-Denker“ dieser<br />
Welt Platz 7 erreicht. In der Laudatio wird Goldsmith<br />
als Praktiker gelobt, dem es wichtiger ist, die<br />
Businesswelt zu verändern als elegante und in sich<br />
stimmige Th eorien hervorzubringen. Typisch dafür<br />
sind seine Einsichten, warum Feedforward besser<br />
wirkt als Feedback.<br />
Wie kann die Geschäft swelt zum Besseren geändert<br />
werden? Für dieses Ziel hat der amerikanische<br />
Management-Experte (und frühere<br />
enge Mitarbeiter von Peter Drucker) Dr. Marshall<br />
Goldsmith ein Tool von bestechender Einfachheit entwickelt:<br />
Feedforward.<br />
Feedforward ist das Gegenteil von Feedback. Lassen Sie uns<br />
noch einmal genauer anschauen, was Feedback ist und woher<br />
es kommt. Sie erfahren es (und vieles andere über Psychologie)<br />
in den hoch wertvollen Arbeitsblättern von Werner Stangl<br />
(http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOMMUNIKATION/<br />
Feedback.shtml):<br />
Sozialpsychologen um Kurt Lewin – einem der großen Psychologen<br />
des 20. Jahrhunderts und Vater der Gruppendynamik – hielten<br />
Seminare ab und trafen sich am Abend eines jeden Seminartages,<br />
um das beobachtete Verhalten des Leiters, der Mitglieder und<br />
der Gruppe zu analysieren und interpretieren. Bald merkten alle<br />
Teilnehmer, dass sie daraus wichtige Einsichten in ihr eigenes Verhalten<br />
und das ihrer Gruppe gewannen. Der Trainerstab erkannte,<br />
dass sie auf ein wichtiges neues Verfahren der Umerziehung gestoßen<br />
waren:<br />
Indem sich die Forscher und Gruppenleiter über das unterhielten,<br />
was sie an den Teilnehmern wahrgenommen hatten und diejenigen,<br />
von denen sie sprachen, sich mit ihrem eigenen Verhalten<br />
konfrontierten und ohne Abwehr beim Nachdenken über dieses<br />
Marshall Goldsmith<br />
beteiligten, konnten die Teilnehmer viel über sich selbst und die<br />
Gruppenentwicklung lernen … Die Methode des Feedback hat<br />
sich so etabliert.<br />
Warum Feedback geben nicht immer optimal ist<br />
Feedback kann jeder geben. Oft aber wirkt Feedback wie ein<br />
Todesurteil mit sofortiger Vollstreckung. Stellen Sie sich vor,<br />
Sie sind ein junger, hoff nungsfroher Nachwuchsmanager, und<br />
Ihr Mentor hat es durchgesetzt, dass Sie vor dem Vorstand eine<br />
Business-Idee präsentieren dürfen. Sie haben sich für diesen<br />
großen Auft ritt als zukünft iger Meistersinger bestens präpariert,<br />
Sie haben Ihre Präsentation mehrfach vor Ihrem Lebenspartner<br />
/ Ihrer Lebenspartnerin geprobt – und dennoch lassen<br />
sich die Chefs nicht zu einem Lob hinreißen.<br />
Was Sie zu hören bekommen, ist Kritik an unwichtigen Details<br />
– aber leider ist einer der Vorstände Spezialist auf diesem abgelegenen<br />
Gebiet, und da Sie das nicht gewusst und deshalb nicht<br />
eingebaut haben, bekommen Sie nun die volle Dröhnung von<br />
einem beleidigten Vorgesetzten. Und Sie sehen, dass Ihr persönlicher<br />
Chef immer stinkiger wird, weil ihr geringer Erfolg<br />
auf ihn abstrahlt. Marshall Goldsmith nennt Gründe, warum<br />
Feedback zumeist die zweitbeste Idee ist, um eine gute Leistung<br />
zu würdigen und auch, um aus einer Leistung, wie jener, die Sie<br />
und mit der Sie sich gerade präsentiert haben, doch noch etwas<br />
Honig fürs Unternehmen zu saugen.<br />
– März 2012<br />
26<br />
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Einige Gründe, warum Feedback nur die<br />
zweitbeste Idee zur Würdigung einer Leistung ist<br />
Marshall Goldsmith weiß aus seiner Erfahrung als Coach des Top-<br />
Managements:<br />
1. Negativ-destruktive Kritik fällt den meisten Menschen – gerade<br />
so als ob es ein Naturgesetz wäre –, leichter als positiv-konstruktive.<br />
Was schlecht läuft – darüber gibt es meist auch einen breiten<br />
Konsens, denn es fällt fast jedem auf. Da braucht es nur noch einen<br />
einzigen Menschen, der ausspricht, was alle denken – und der bekommt<br />
dann auch noch Zustimmung und Wertschätzung.<br />
2. Feedback wird immer im Nachhinein gegeben. Eine schlechte<br />
Präsentation wird kritisiert – und daraus lernt der Beurteilte weniger<br />
als möglich wäre.<br />
3. Negatives Feedback sagt noch nichts darüber, wie es hätte besser<br />
gemacht werden können. Aus dem Herausarbeiten, was – weil<br />
falsch – nicht gemacht werden sollte, ergibt sich eben noch nicht,<br />
was richtigerweise gemacht werden sollte. Darum aber geht es bei<br />
Beurteilungen im Geschäft sleben – Verurteilungen, wie vor Gericht,<br />
bringen da einfach nicht viel.<br />
4. Dieser Unterschied zwischen A und B, zwischen Be-urteilen und<br />
Ab-urteilen, ist wichtig dafür, dass Unternehmensziele erreicht<br />
werden. Auch bei notwendigem negativen Feedback muss deshalb<br />
ein konstruktives Feedforward folgen. Mitarbeiter müssen wissen,<br />
was sie schon richtig gut machen, und was sie noch besser machen<br />
könnten. Dieser zweite Teil fällt beim Feedback zumeist unter den<br />
Tisch.<br />
So geben Sie gutes Feedforward?<br />
l Wenn Sie einem Menschen Feedforward geben, übergehen Sie<br />
alle Fehler, die Sie erkannt haben. Sagen Sie einfach nur, was richtig<br />
gemacht worden ist – und geben Sie Tipps, wie dies noch optimiert<br />
werden könnte.<br />
l Vergessen Sie also das Vergangene! Für‘s Gewesene gibt der<br />
Kaufmann nichts, denn was geschehen ist, lässt sich nicht mehr<br />
ändern – und oft sind ein Neuanfang und ein Neubesinnung wertvoller<br />
als im alten Quark herumzutreten.<br />
l Wenn Sie eine Führungsposition innehaben: Lassen Sie sich<br />
Feedforward von Ihren Mitarbeitern geben – auch und gerade,<br />
wenn Sie bisher nicht im Traum darauf gekommen wären, sich<br />
„von denen da unten“ kritisieren zu lassen. „Die da unten“ kritisieren<br />
Sie ja auch gar nicht, denn sie geben Ihnen ja kein Feedback,<br />
sondern Feedforward.<br />
l Geben Sie und fordern Sie für Feedforward keine Begründungen.<br />
Nehmen Sie das Feedforward an – oder auch nicht. Und wenn<br />
Sie selbst Feedforward geben, dann niemals in der „Du musst“-<br />
Form, sondern als „Ich denke“ und „Ich würde“.<br />
l Denken Sie auch daran, dass Sie kaum auf eine bessere Weise<br />
ihre Autorität bei Ihren Mitarbeitern festigen können als dadurch,<br />
dass Sie sich von ihnen … nein: nicht kritisieren lassen, sondern<br />
Feedforward geben lassen.<br />
l Üben Sie, Feedforward zu geben in der Gruppe. Jede und jeder<br />
kommt mal dran – als Vortragender und als Feedforward-Geber.<br />
Und lassen Sie die jüngsten Gruppenteilnehmer zuerst sprechen,<br />
damit sie vor der Klugheit der Älteren nicht verstummen. n<br />
Marshall Goldsmith<br />
AUS MARSHALL GOLD-<br />
SMITH‘S TOOLBOX:<br />
WIE SIE GUTES FEED-<br />
FORWARD EINÜBEN<br />
Lernen Sie Zuhören<br />
Goldman empfi ehlt als Anfängerübung,<br />
dass Sie sich selbst zuhören, während Sie<br />
von 50 bis Null rückwärts zählen. „Irgendwann<br />
zwischen 30 und 20 schweifen die<br />
Gedanken ab“, weiß Goldsmith, „Probleme<br />
in der Arbeit, <strong>heute</strong> Mittag zu viel gegessen,<br />
was machen die Kinder gerade …“ Sie merken:<br />
„Ich kann mir selbst nicht voll konzentriert<br />
zuhören“ und werden bescheidener in<br />
Ihrer Selbsteinschätzung, wie gut Sie anderen<br />
Menschen zuhören können.<br />
Üben Sie Zuhören<br />
Zuhören aber müssen Sie – bei Feedback<br />
genauso wie bei Feedforward. Deshalb<br />
üben Sie:<br />
• einfach den Mund zu halten, wenn ein anderer<br />
Mensch redet<br />
• nicht unterbrechen<br />
• nie die Sätze eines anderen Menschen beenden<br />
• nie denken: „Ich weiß ja schon, was kommt<br />
…“ Sie hören ja einfach nur zu<br />
• kein Zwischendurch-Feedback geben: Tadel<br />
ist genauso gut oder schlecht wie Lob,<br />
denn beides hindert Sie am Zuhören<br />
• die ganz große Herausforderung ist: niemals<br />
„nein“, niemals „aber“ und niemals<br />
„andererseits“ sagen. Kein Widerspruch,<br />
denn damit werfen Sie den Redenden aus<br />
der Bahn<br />
• und selbst wenn Sie ihren Mund unter<br />
Kontrolle haben: Kontrollieren Sie auch<br />
ihre Augen: Die dürfen ebenso wenig wie<br />
Ihre Gedanken abschweifen<br />
• stellen Sie Sach-Fragen<br />
• stellen Sie gute Fragen (was nur kann, wer<br />
auch gut zugehört hat<br />
• setzen sie sich selbst nicht in Szene, zeigen<br />
Sie nicht, wie klug, wie humorvoll Sie sind,<br />
versuchen Sie nicht, dem Menschen, dem<br />
Sie zuhören, zu imponieren.<br />
– März 2012<br />
27<br />
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Gedächtnis-Training? Vergiss es. Wichtiger ist Vergessens-Training<br />
AKTIV VERGESSEN LERNEN<br />
Es ist auch nach zehn Jahren nicht leicht, sich dieses Foto anzuschauen.<br />
Manche Menschen haben Eindrücke, wie sie hier festgehalten sind, verarbeitet<br />
– andere werden sie ihr Leben lang im Gedächtnis festhalten. Ihnen könnte<br />
die Gedächtnis-Forschung helfen, aktives Vergessen zu lernen.<br />
– März 2012<br />
28<br />
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An einem sonnigen Septembermorgen<br />
2001 hat Elizabeth<br />
Phelps ihr Appartment in<br />
Manhatten verlassen. Sie sah<br />
auf der Straße einen Mann, der in Richtung<br />
des World Trade Center starrte. Elisabeth<br />
Phelps blickte hoch und sah „dieses<br />
riesige brennende Loch“, dass Sie auf dem<br />
Foto erkennen können. Der Mann sagte<br />
ihr, dass ein großes Flugzeug in einen der<br />
beiden Wolkenkratzer geflogen sei, Phelps<br />
hielt dies für einen entsetzlichen Unfall.<br />
Sie ging weiter in Richtung ihres Arbeitsplatzes<br />
an der New York University. Als<br />
sie dort angekommen war, spielte sich die<br />
Szene mit dem zweiten Flugzeug ab, deren<br />
Folgen sich auf dem Foto (auf der vorherigen<br />
Seite) mehr als nur andeutet.<br />
Dr. Elizabeth Phelps ist Psychologin,<br />
Hirnforscherin und Labor-Direktorin an<br />
der New York University (http://www.<br />
psych.nyu.edu/phelpslab/pages/liz.html).<br />
Sie forscht über Emotionen, Lernen und<br />
Gedächtnis. Nach „9/11“ hat sie real geschehene<br />
emotional belastende Lebensereignisse<br />
in ihr Forschungsprogamm integriert.<br />
Wie ist es Ihnen an „9/11“ ergangen<br />
– was erinnern Sie?<br />
Konkret hat Dr. Phelps, die Gedächtnisforscherin,<br />
eine USA-weite Studie über<br />
Erinnerungen an 9/11 gemacht. Die Studie<br />
hat zu einem neuen Verständnis von<br />
Erinnerungen an hoch emotionale Ereignisse<br />
beigetragen.<br />
Psychologen von der Harvard Universität<br />
haben für die Verarbeitung solcher<br />
Situationen den Ausdruck „Blitzlicht-Erinnerungen“<br />
geprägt. Auch Menschen in<br />
Europa haben solche „Blitzlicht-Erinnerungen“<br />
gehabt, bei denen ein hoch-emotionaler<br />
Moment wie mit einem Blitzlicht<br />
so ausgeleuchtet wird, dass jedes Detail<br />
sichtbar wird und sich in das Gedächtnis<br />
oder sonst einen Datenträger gleichsam<br />
einbrennt.<br />
Wie ist es Ihnen an „9/11“ ergangen? Im<br />
Kasten auf Seite 31 finden Sie eine kurze,<br />
von vielen Menschen aber vergleichbar<br />
erlebte Erinnerung an die Seelennöte am<br />
11. September 2001 und das „Abflauen“<br />
dieser Nöte in den folgenden Monaten.<br />
Spannend ist auch die Frage, was <strong>heute</strong>,<br />
Gedächtnis-Training? Vergiss es. Wichtiger ist Vergessens-Training<br />
WIE VERGESSEN FUNKTIONIERT.<br />
UND WIE SIE DAS IM COACHING<br />
NUTZEN KÖNNEN<br />
Drei Wege beschreibt der Regensburger Gedächtnisforscher Prof. Dr.<br />
Karl-Heinz T. Bäuml, die uns Vergessen lassen. Coaches sollten sie<br />
kennen:<br />
1. Selektives Abrufen / abrufi nduziertes Vergessen<br />
Wenn wir ein Gedicht lernen, können wir einige Passagen ziemlich<br />
rasch auswendig, andere geben wir fehlerhaft wieder – und wenn wir<br />
an dieser Stelle aufhören würden, das Gedicht zu lernen, hätten wir<br />
etwas teilweise Falsches gelernt, dass wir aber dennoch „intus“ hätten.<br />
Um das nicht geschehen zu lassen, nehmen wir uns die bis dahin<br />
falsch oder nur bruchstückhaft gelernten Passagen vor, memorieren<br />
sie und rufen sie aus dem Kurzzeitgedächtnis ab, bis sie „sitzen“.<br />
Was aber passiert mit den anfangs fehlerhaft gelernten Passagen des<br />
Gedichtes? Ob sie komplett getilgt werden, ist eine eher philosophische<br />
Frage. Tatsache aber ist, dass sie durch die korrekt gelernten<br />
Passagen überlagert, ersetzt, verdrängt oder was auch immer werden.<br />
Ähnlich im <strong>Coaching</strong>: Statt sich wie Therapeuten um der Klienten und<br />
der Menschheit ganzen Jammer zu kümmern, den Jammer immer wieder<br />
neu ins Bewusstsein zu rufen, konzentrieren sich Coaches, die<br />
keine Minitherapeuten sein wollen, weil sie Besseres im Repertoire<br />
haben, das rascher hilft und besser nutzt auf die Stärken der Klienten,<br />
auf die positiven Seiten des Lebens. Und sie leisten so einen<br />
wichtigen Beitrag zum (zumindest teilweisen) Vergessen oder – um<br />
Sigmund Freuds Ausdruck zu benutzen – zum Verdrängen des Negativen.<br />
Dies SELEKTIVE ABRUFEN ist der heilsamen, heilende, therapeutische<br />
Effekt des <strong>Coaching</strong>. Auch wenn Coaches eben keine Mini-Freuds<br />
und Schmalspurtherapeuten sein wollen. Recht tun die Coaches daran,<br />
weil Stärken rascher und effektiver Nutzen bringen können als<br />
sich mit den „4 P“ (Pleiten, Pech, Pannen, Probleme) und den „4 K“<br />
(Krisen, Krankheit, Konfl ikte, Katastrophen) zu befassen.<br />
2. Gedächtnisaktualisierung /gerichtetes Vergessen<br />
Hierbei werden Gedächtnis-Inhalte „ins Vergessen befördert“. Im psychologischen<br />
Labor lernen Menschen eine Wortliste bis zur Perfektion<br />
auswendig. Danach wird ihnen gesagt: „Das war nur ein Probelauf,<br />
vergessen Sie die Worte. Jetzt kommt die Liste, die Sie wirklich lernen<br />
sollen.“ Ergebnis:<br />
•der Hinweis verbessert das Erinnern der Wörter der zweiten Liste<br />
•und er verschlechtert das Erinnern der Wörter der ersten Liste.<br />
Dieser Befund zeigt das Muster einer GEDÄCHTNISAKTUALISIERUNG,<br />
indem er<br />
•einen verbesserten Zugriff auf das „relevante“ Material (zweite Liste)<br />
und<br />
•einen erschwerten Zugriff auf das irrelevante Material demonstriert.<br />
Prof. Bäuml hat nachgewiesen, dass abrufi nduziertes und gerichtetes Vergessen<br />
nicht nur mit Wortlisten, sondern auch mit alltagsrelevanten Materialien<br />
funktioniert.<br />
– März 2012<br />
29<br />
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mehr als ein Jahrzehnt später, in Ihnen<br />
vorgegangen ist, als Sie sich in das Bild auf<br />
Seite 28 vertieft haben. Einiges könnte sich<br />
mit dem decken, was die Gehirnforschung<br />
seither herausgefunden hat, und was im<br />
<strong>Coaching</strong> von traumatisierten Menschen<br />
hilfreich sein könnte:<br />
Traumatisierte Menschen scheinen sich<br />
an den oder die Auslöser ihres Schreckens<br />
regelrecht zu klammern, sie erleben einen<br />
Schrecken in sehr konkretem Detail<br />
immer wieder. Vermutlich aber täuschen<br />
sie sich dennoch, wenn sie glauben, eine<br />
1:1-Erinnerung zu haben. Denn die <strong>Coaching</strong>-Forschung<br />
zeigt:<br />
1. „Blitzlicht-Erinnerungen“ gibt es vermutlich<br />
selten oder nie. Das Gedächtnis<br />
ist keine CD, keine DVD, keine Festplatte.<br />
2. Was Gehirn und Gedächtnis tun, wenn<br />
sich ein Ereignis als bemerkenswert herausstellt,<br />
ist zu entscheiden – und das läuft<br />
für uns Gehirn- und Gedächtnis-Eigner<br />
unbewusst ab –, ob das Ereignis auch merkenswert<br />
ist.<br />
3. In aller Regel werden Ereignisse im Gehirn<br />
nicht separat – jedes für sich – gespeichert,<br />
sondern eine Vielzahl tatsächlich<br />
oder nur auf den ersten Eindruck<br />
hin merkenswert erscheinende Ereignisse<br />
werden zusammengeworfen und zum Beispiel<br />
im selben „Gehirn-Kästchen“ abgespeichert<br />
– etwa in dem mit der Aufschrift<br />
„Urlaub 2011“ .<br />
4. Viele – vielleicht sogar alle – Ereignisse<br />
werden allerdings in mehr als nur einem<br />
einzigen „Gehirn-Kästchen“ aufbewahrt.<br />
Nehmen Sie den Inhalt von „Urlaub 2011“:<br />
Sie waren in Italien, am Meer, haben gesegelt,<br />
den Ausflug zum Papst gemacht und<br />
haben doch nur Herrn Genswein gesehen<br />
… ein einziger Urlaub liefert also bereits<br />
viele Erinnerungs-Exponate für viele „Gehirn-Kästchen“.<br />
Unser großartiges Talent,<br />
vergessen zu können<br />
Normalerweise kommen Gehirn und Gedächtnis<br />
mit ihrer Datenflut gut zurecht,<br />
weil Gedächtnisinhalte eben nicht 1:1 wie<br />
auf einer CD gespeichert, sondern ständig<br />
bearbeitet und dabei in aller Regel vereinfacht<br />
werden – dies geschieht durch weglassen<br />
von Details. Für diese, unsere Bega-<br />
Gedächtnis-Training? Vergiss es. Wichtiger ist Vergessens-Training<br />
WAS TUN IM COACHING, WENN DAS<br />
LEBEN EINEM KLIENTEN IMMER WIE-<br />
DER „SCHMUTZIGE BILDER“ ZEIGT?<br />
Drei Wege beschreibt der Regensburger Gedächtnisforscher Prof. Dr.<br />
Karl-Heinz T. Bäuml, die uns Vergessen lassen. Hier ist der dritte Weg:<br />
3. Nicht ins Bewusstsein lassen / Vergessen durch Unterdrücken<br />
Einer der wenigen Psychologenwitze, der sich zu erzählen lohnt. Ein<br />
Psychologe legt einem Klienten<br />
den Rorschach-Test vor –<br />
Tintenklecks-Bilder mit nicht<br />
eindeutig erkennbaren Darstellungen<br />
(Beispiel links), in<br />
die Menschen etwas „hineinsehen“<br />
können.<br />
Der Psychologe fragt den Klienten,<br />
was er auf dem ersten<br />
Bild sieht. Der Klient sagt:<br />
„Geschlechtsverkehr.“ Er sagt auch beim zweiten bis zehnten Bild:<br />
„Geschlechtsverkehr.“ Da platzt dem Psychologen der Kragen, und er<br />
sagt ganz unprofessionell: „So ein Ferkel wie Sie habe ich noch nie in<br />
Therapie gehabt.“ „Wieso ich,“ antwortet der Klient: „Wer zeigt hier<br />
eigentlich die schmutzigen Bilder?!“<br />
Gedächtnisinhalte können die Funktion solcher „schmutzigen“, Angst<br />
und Ekel auslösenden Bilder haben. Oft sind diese Gedächtnisinhalte<br />
verdrängt – was aber tun, wenn unerwünschte Erinnerungen den Weg<br />
„vom momentanen Vergessensein“ ins Bewusstsein fi nden? Allein<br />
die Fragestellung ist bereits lehrreich, denn wenn es einen Weg vom<br />
Vergessensein ins Bewusstsein gibt, heißt das eben auch, dass die<br />
Gedächtnisinhalte, die nicht mehr präsent, nicht mehr greifbar, nicht<br />
mehr spontan abrufbar sind, nicht total verloren sein müssen – dies<br />
als Fluch, aber auch als Segen.<br />
Wie damit umgehen? Dies wird seit einigen Jahren mit Hilfe des<br />
Unterdrückungsparadigmas untersucht. Dabei lernen Probanden<br />
z.B. schwach verwandte Wortpaare (Butter/Oper) und sollen, wenn<br />
Sie „Butter“ hören, mit „Oper“ antworten. Dann folgt die Unterdrückungsaufgabe:<br />
Die ersten Worte werden jeweils wieder präsentiert,<br />
und die Probanden sollen dann entweder mit dem gelernten zweiten<br />
Wort antworten (Butter/Oper), aber bei einzelnen Worten wird ihnen<br />
gesagt, sie sollen das zweite Wort des Wortpaares aktiv unterdrücken<br />
und es möglichst gar nicht erst ins Bewusstsein kommen lassen.<br />
Nach mehreren Durchgänge sollen die Probanden sich an die anfangs<br />
gelernten Wörter zu erinnern. Es zeigt sich, dass sie die aktiv unterdrückten<br />
Wörter schlechter erinnern. Das heißt: Einige – einstmals<br />
gut eingeprägte (!) – Wörter sind auf den Weg des Vergessen gebracht<br />
worden. Den Klienten in diesem Experiment ist das durchaus bewusst<br />
gewesen – und es hat dennoch funktioniert.<br />
Sie kennen das ewige Gerede über „Denken Sie jetzt einmal nicht an<br />
einen rosa Elefanten“ mit dem angeblich bewiesen wird, dass das<br />
Gehirn, des Unbewusste oder sogar der Kosmos kein „Nein“ und kein<br />
„Nicht“ versteht. Wer so etwas sagt, ist dumm oder ein Täuscher.<br />
– März 2012<br />
30<br />
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ung der Informations-Bearbeitung und<br />
Informations-Neustrukturierung haben<br />
wir einen eigentlich viel zu wenig spektakulären<br />
Namen – Vergessen.<br />
Wie wertvoll die hohe Kunst des Vergessens<br />
ist, kann Ihnen ein zweiter Blick auf<br />
das „9/11“-Bild zeigen. Denn wie wäre es<br />
Ihnen ergangen, wenn Sie „Blitzlicht-Erinnerungen“<br />
an den Einsturz des World<br />
Trade Centers gehabt und bis <strong>heute</strong> – mit<br />
allen emotionalen Belastungen – konserviert<br />
hätten? Und denken Sie einmal an<br />
die Menschen, die damals nicht nur als<br />
Zuschauer geschockt worden sind, sondern<br />
die als Opfer Nahtod-Erfahrungen<br />
gesammelt haben. Die Psychologische<br />
Forschung über die Kunst des Vergessens<br />
durch Experten wie Dr. Elizabeth Phelps<br />
von der New York University kann in Forschungslabors<br />
bereits darstellen, wie Vergessen<br />
„funktioniert“. Ein weltweit anerkannter<br />
Experte auf diesem Gebiet ist der<br />
Psychologe Prof. Dr. Karl-Heinz T. Bäuml,<br />
der das Memory Lab (Gedächtnis-Laboratorium)<br />
der Universität Regensburg leitet.<br />
Bäuml erklärt, warum wir Vergessen lernen<br />
können:<br />
„Gedächtnisinhalte konkurrieren miteinander<br />
um das Erinnern. Der zielgerichtete Gebrauch<br />
unseres Gedächtnisses erfordert es<br />
deshalb, dass der Zugriff auf unerwünschte<br />
oder veraltete Gedächtnisinhalte erschwert<br />
und so der Abruf erwünschter oder aktueller<br />
Informationen erleichtert wird.<br />
l Ermöglicht wird der Zugriff auf Gedächtnis-Inhalte<br />
durch „exzitatorische<br />
Prozesse“ (anreizende Vorgänge) an den<br />
Synapsen (Synapsen sind jene Orte, an<br />
denen Nervenzellen an einander „andocken“<br />
und dann Reize, resp. Information<br />
von einer Zelle auf die andere übertragen<br />
können).<br />
l Erschwert wird der Zugriff auf Gedächtnis-Inhalte<br />
durch „inhibitorische<br />
Prozesse“ (hemmende Vorgänge) in den<br />
Synapsen, die also ganz oder teilweise unterbinden,<br />
dass Reize oder Information<br />
von einer Zelle auf die andere übertragen<br />
können).<br />
Auch das nur teilweise Unterbinden zeigt<br />
an, dass Verlernen <strong>statt</strong>gefunden hat. Etwas<br />
mehr oder weniger Verlernen ist der<br />
Normalfall. Das perfekte Verlernen hingegen<br />
ist selten. n<br />
Gedächtnis-Training? Vergiss es. Wichtiger ist Vergessens-Training<br />
WIE UNSER GEDÄCHTNIS UNS<br />
HILFT, SELBST DIE SCHLIMMSTEN<br />
ERINNERUNGEN ABZUBAUEN<br />
Wie ist es Ihnen an „9/11“ ergangen?<br />
Haben Sie noch Details parat?<br />
Wo waren Sie, was haben Sie gemacht, als Sie die<br />
Nachricht bekommen haben?<br />
Was haben Sie gefühlt? Zorn? Trauer?<br />
Oder auch gar nichts, weil sie nur fassungslos waren?<br />
Ich weiß noch genau, wie es war, lautet ein solcher Bericht.<br />
Ich lag auf der Couch, weil ich mich von stundenlangem<br />
Schreiben an meinem neuen Buch erholen wollte. Mein Sohn<br />
hat angerufen und nur gesagt: Mach den Fernseher an, es<br />
passiert gerade etwas Fürchterliches.<br />
Und dann habe ich die Szene gesehen, wie das zweite Flugzeug<br />
in den zweiten Turm rast … unfassbar. Und die Folge<br />
war, dass ich in den Wochen darauf keine einzige Zeile an<br />
meinem Buch zustande gebracht habe. Heute kommt es mir<br />
so vor, als hätte ich drei Wochen lang eigentlich nur den Kopf<br />
geschüttelt.<br />
Nach heutigem Stand der Gedächtnisforschung könnte mit<br />
diesem Menschen im Laufe der Zeit das Folgende passiert<br />
sein:<br />
Er war seelisch mitgenommen. Aber bald schon und – das<br />
ist ein öfter bestätigter Richtwert – spätestens nach etwa<br />
drei Monaten – war sein Leben wie vor 9/11 – außer er hatte<br />
selbst einen Menschen verloren, oder er war in eine tiefere<br />
seelische Krise geraten.<br />
Viele Menschen haben in den Wochen nach 9/11 die Bilder,<br />
die Sie gesehen haben, in Ihrem Kopf „durchgespielt“ und<br />
obwohl eins der am stärksten angstbesetzten Szenarien<br />
abgelaufen ist, hat Ihr anfänglicher Schreck nachgelassen.<br />
Das heißt: Ihr „Ich-Gedächtnis“ für Fakten und Ihre Seele (Ihr<br />
„Gefühls-Gedächtnis“) haben selbst so etwas Schreckliches<br />
wie „9/11“ verarbeiten könnten.<br />
Was bei diesem heilsamen Vergessen genau im Gedächtnis<br />
passiert, ist noch ziemlich wenig geklärt. Aber Psychologen<br />
weltweit arbeiten daran, dieses Wunder besser zu verstehen<br />
und daraus Behandlungen für traumatisierte Menschen<br />
abzuleiten. Ein Weg ist, Menschen, wenn sie entspannt sind,<br />
liebevoll nahezulegen, die hochkommenden schlimmen<br />
Erinnerungen „von sich zu weisen“ oder sie „sich leerlaufen<br />
zu lassen“<br />
– März 2012<br />
31<br />
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WER BEKOMMT IM<br />
ARBEITSLEBEN DIE<br />
„ARSCHKARTE“<br />
?<br />
Die Menschen, die sich sozialverträglich ver- verhalten?<br />
Oder die Menschen, die sich nicht<br />
sozialverträglich verhalten?<br />
Immer noch gilt im Business das Wort des legendären<br />
Sport-Managers Leo Durocher (New York Giants) „Nice<br />
guys fi nish last” – und die netten Guys und Girls bekommen<br />
auch weniger Geld, wie eine gerade in der Februar-<br />
Ausgabe der Fachzeitschrift Journal of Personality and Social<br />
Psychology (PsycINFO Database Record (c) 2012 APA) veröffentlichte<br />
Studie zeigt. Titel: Do nice guys and gals really fi nish<br />
last? Th e joint eff ects of sex and agreeableness on income“.<br />
Nachgewiesen wurde darin, dass sich agreeableness (Verträglichkeit,<br />
Liebenswürdigkeit, angenehmes Wesen) negativ auf<br />
das Einkommen auswirkt – bei Frauen sowieso, aber auch bei<br />
nicht-aggressiven Männern. Bei nicht-aggressiven Männern<br />
scheint der Grund für diese Zurücksetzung gerade darin zu liegen,<br />
dass sie keine Aggressivität zeigen. Sie entsprechen damit<br />
nicht der männlichen Rollen-Erwartung – speziell nicht jener<br />
in Unternehmen, in denen Aggressivität als Führungsqualität<br />
angesehen wird. Deshalb werden diese Männer – und eben deshalb<br />
werden auch Frauen – nicht in die Aufsteiger-Seilschaft en<br />
aufgenommen. Und ihnen wirft auch kaum einer von denen,<br />
die ganz oben angekommen sind, ein Seil zu.<br />
Einzel-Ergebnisse der Studie sind:<br />
1. Der Zusammenhang zwischen Geschlechtszugehörigkeit<br />
und agreeableness (sozialverträgliche Verhaltensweisen wie<br />
geringe Aggressionsbereitschaft , Liebenswürdigkeit und angenehmes<br />
Wesen) konnte nachgewiesen werden. Frauen sind in<br />
ihrem Verhalten im Durchschnitt gesehen also sozialverträglicher<br />
als Männer.<br />
2. Bei beiden Geschlechtern wirkt agreeableness sich negativ<br />
auf des Einkommen aus – und dies<br />
3. bei Frauen signifi kant negativer als bei Männern („signifi kant“<br />
heißt: „Hier handelt es sich nicht um ein Zufallsergebnis, son-<br />
„Arschkarte“<br />
dern es ist wissenschaft lich<br />
nachgewiesen“). Frauen, die sich sozi- alverträglich<br />
verhalten, bekommen also weniger Geld als MänMänner, die sich in genau demselben Maße sozialverträglich verhalten,<br />
wie Frauen.<br />
4. Männer können also dadurch Karriere machen und/oder<br />
mehr Geld verdienen, dass sie sich gezielt weniger sozialverträglich<br />
verhalten.<br />
5. Männer können also dadurch Karriere machen und/oder<br />
mehr Geld verdienen, dass sie sich gezielt weniger sozialverträglich<br />
verhalten.<br />
Sollten Frauen sich also mehr wie sozial unverträgliche<br />
Männer benehmen, um Karriere zu machen?<br />
Wie immer ist auch hier guter Rat nicht einfach. Bekannt ist,<br />
dass sozial unverträgliche Menschen einen weiteren Wesenszug<br />
haben – oder haben können: Geld bedeutet ihnen viel mehr als<br />
dies bei den meisten Menschen der Fall ist. Deshalb investieren<br />
sie mehr „Seelenschweiß“ in Th emen wie „Geld“ und „Karriere“.<br />
Und sie machen dies in einer zwar unfeinen – aber eben<br />
doch – stimmigen Unart und Weise.<br />
Wenn also Frauen oder Männer den unsozialen Männern nacheifern<br />
wollten, um dadurch mehr Geld und Prestige zu erreichen,<br />
müsste ihr Verhalten also authentisch sein – sonst nimmt<br />
kein Chef es ihnen ab. Und sie sollten dabei bedenken, dass ihre<br />
Chefs selbst – möglicherweise – Experten für Unverträglichkeit<br />
sind und „Fakes“ erkennen. Wie so oft gibt es auch hier keine<br />
einfachen Regeln. Generell gilt: Verhalten von Männern und<br />
Frauen wird akzeptiert, wenn es „angemessen“ ist. „Angemessen“<br />
für Männer ist, aggressiver aufzutreten als Frauen es tun.<br />
Wenn Frauen aggressiv auft reten wie Männer, gilt das als „unangemessen“.<br />
n<br />
– März 2012<br />
32<br />
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UNS BLEIBT NICHTS ERSPART –<br />
UND IHNEN AUCH NICHT<br />
Hier sehen Sie, was so auf dem<br />
neuesten Facebook (das „pinterest“<br />
heißt und sich nicht mehr<br />
lange hinter der Adresse http://<br />
pinterest.com/ verbergen wird) ge- gepostet<br />
wird.<br />
Pinterest stellt sich vor als Online<br />
Pinboard und fordert uns auf: Organize<br />
and share things you love.<br />
Wirklich? Warum soll ich den, die<br />
oder das, was ich liebe, in eine<br />
Ordnung bringen? Und Sharing? Da<br />
habt ihr wohl einen an der Backe …<br />
Fundsachen<br />
DAS INTERNET –<br />
EIN BEICHTSTUHL<br />
Menschen haben Hemmungen, anderen<br />
Menschen Wahrheiten ins Gesicht<br />
zu sagen, Wahrheiten über sich selbst<br />
und Wahrheiten über ihr Gegenüber.<br />
Warum verlieren Menschen diese Hemmungen<br />
im Internet?<br />
Der Psychologie-Professor und Blogger<br />
Dr. John Suhler von der Rider University<br />
im US-Staat New Jersey, der über<br />
„Psychologie des Cyberspace“ und „Cybertherapeutische<br />
Theorie und Techniken“<br />
publiziert hat ( (http://psycyber.<br />
blogspot.com/), blogspot.com/ erklärt dies durch ei-<br />
nen Vergleich mit unseren nahen Verwandten.<br />
Wenn Affen von ranghöheren<br />
Tieren ihrer Horde angestarrt werden,<br />
erleben sie einen Machtkampf, von dem<br />
sie wissen, dass sie ihn verlieren.<br />
Dieses Anstarren aber entfällt in der<br />
Anonymität des Web. Das fördert die<br />
Offenheit anderen gegenüber – und<br />
auch die Ehrlichkeit bei den Selbstenthüllungen.<br />
– März 2012<br />
33<br />
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„INVESTMENT BANKING<br />
GEFÄHRDET IHRE<br />
GESUNDHEIT“<br />
Schlafl osigkeit, Alkoholabhängigkeit,<br />
Herzrasen, Ess-Störungen, Jähzorn<br />
– das ist die medizinische Bilanz einer<br />
über zehn Jahre durchgeführte Studie<br />
an rd. zwei Dutzend Investment-Bankern,<br />
berichtet das Wall Street Journal in der Ausgabe<br />
vom 15. Februar 2012. Und kommt zu<br />
dem Schluss:<br />
Add investment banking to the list of things<br />
that could be dangerous to your health – also:<br />
Investment-Banking gehört auf die Liste der<br />
gesundheitsgefährdenden Lebensweisen.<br />
Andere Meldungen ergänzen die oben erwähnten<br />
Krankheiten allgemein um „zumindest<br />
ein weiteres auf Stress zurückführbares<br />
körperliches und/oder seelisches<br />
Leiden nach einigen Jahren in diesem Job“<br />
(a stress-related physical or emotional ailment<br />
within several years on the job).<br />
Weitere Diganosen erbrachten – etwa ab<br />
dem vierten Berufsjahr – (www.observer.<br />
com/2012/02/investment-banking-badfor-you-02152012/)<br />
bei Investment-Bankern<br />
aus der Studie Allergien, Morbus Crohn<br />
(eine chronisch-entzündlichen Darmerkrankung),<br />
Psoriasis (Schuppenfl echte), Gelenkrheumatismus<br />
und Erkrankungen der<br />
Schilddrüse.<br />
Ebenso Drogenabhängigkeit (substance addictions)<br />
und dazu gezählt wird auch Medikamenten-Abhängigkeit<br />
– etwa eine Abhängigkeit<br />
von dem „Psycho-Stimulanz-Mittel“<br />
Ritalin oder von Adderall (zu den Amphetaminen<br />
gehörig – und wie bei Wikipedia<br />
zu lesen ist: „Die kanadische Arzneibehör-<br />
Warnt Investment-Banker<br />
vor Berufs-Erkrankungen:<br />
Alexandra<br />
Michel,<br />
Management<br />
Professorin an<br />
der University<br />
of Southern<br />
California<br />
de „Health Canada” hat die Zulassung für<br />
das Medikament Adderall bis auf weiteres<br />
suspendiert. Der Grund sind Berichte über<br />
Todesfälle, die nach Einnahme des Mittels<br />
in normalen Dosierungen aufgetreten sind.“<br />
Psychopharmaka sollten einer „Depersonalisierung“<br />
entgegenwirken – einem Gefühl<br />
der Dumpfheit (numbness) dem Rest der<br />
Welt gegenüber. Ebenso wird von Tendenzen<br />
zum Selbstmord berichtet.<br />
Quelle dieser negativen Nachrichten über<br />
jene Menschen, die <strong>heute</strong> mehr Macht<br />
in der Welt ausüben als manche Weltmächte,<br />
ist eine über wohl jeden Zweifel<br />
erhabene Studie – vorgelegt von Alexandra<br />
Michel, <strong>heute</strong> Assistenz-Professorin an der<br />
University of Southern California. Zehn Jahre<br />
lang hat sie Investment-Manager begleitet.<br />
Neben der von ihr protokollierten Statistik<br />
der Erkrankungen hat sie ebenfalls persönliche<br />
Einlassungen von Investment-Bankern<br />
notiert. Ein Vice President hat seine Arbeit<br />
zum Beispiel ihr gegenüber als einen nie endenden<br />
Albtraum beschrieben (Du „wachst<br />
jeden Morgen auf und wünschst, dass der<br />
gestrige Tag nur ein Albtraum gewesen<br />
ist.“)<br />
Ein anderer Vice President berichtet von<br />
seiner Sorge, dass die Menschen bereits<br />
in Gesprächen seine Alkohol-Abhängigkeit<br />
entdecken würden. Und er konzentriert<br />
sich so sehr darauf, dies zu verhindern,<br />
dass er „nur die Hälfte des Gespräches“<br />
mitbekommt.<br />
Nach sches Jahren hatte sich die Gruppe<br />
der Investment-Banker, inzwischen Mitt-<br />
Dreißiger, auf zwei Lager verteilt: 60 % sind<br />
„im Krieg gegen ihren Körper“ verblieben<br />
und nur 40 % haben ihrer Gesundheit Priorität<br />
eingeräumt. Ironisch kommentiert das<br />
Wall Street Journal: „Wenn du meinst, dass<br />
in einem Zelt im Zuccotti Park zu leben hart<br />
ist, „try this on“ – und gemeint ist das Leben<br />
als Investment-Banker.<br />
Der Zuccotti Park war das Quartier der Occupy-Wallstreet-Bewegung.<br />
WARNING<br />
OCCUPY WALL<br />
STREET‘(S PANTS)<br />
Fundsachen<br />
BANKING IS<br />
HAZERDOUS TO<br />
YOUR HEALTH<br />
Besonderen Rat für Damen, die nicht von<br />
der Wallstreet Beschlag nehmen wollen,<br />
sondern von den Hosen der Männer von<br />
der Wallstreet – und vor allem von deren<br />
Brieftaschen – , hat die Szene-Zeitung<br />
„The New York Observer“ am 8.<br />
Februar veröffentlicht (www.observer.<br />
com/2012/02/cnbc-wall-street-men-<br />
02082012/).<br />
Textproben: Wallstreet-Männer lieben<br />
Frauen, die sexy und easy sind. Und: Sei<br />
scharf oder GTFO („get the fuck out“:<br />
mögliche Übersetzung: „verschwinde“).<br />
Wallstreet-Männer mögen es, wenn andere<br />
Männer sie in Gesellschaft von attraktiven<br />
Frauen sehen.<br />
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