Engel in der Kinder- und Jugendliteratur - Religion im Kinderbuch

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waghalsigen Abenteuern und gefährlichen Beinah-Unfällen handeln, könnte „Glück gehabt“
lauten:„Einmal hätte mich fast ein Bus erwischt…obwohl es damals wenig Verkehr gab.“
Oder: „Aber ich fürchtete mich nicht. Ich war immer der Mutigste von allen…kletterte auf die
höchsten Bäume…sprang in die tiefsten Seen.“
Doch was der Großvater als pures Glück deutet, wird auf der Bildebene, in den subtilen
Skizzen der Cartoonistin Jutta Bauer, ganz anders gedeutet. Wir sehen, dass der Großvater nur
durch den tatkräftigen Einsatz seines persönlichen Schutzengels vor dem Zusammenstoß mit
dem Bus bewahrt worden ist. Und wir sehen, dass die höchsten Bäume von einem
unsichtbaren Auffangnetz umgeben waren, gehalten von seinem Schutzengel. Doch es sind
nicht nur die Schulhof-Erlebnisse, die Pausenhof-Streitereien und die Freundeskreis-
Erlebnisse, bei denen der Engel seine Hand im Spiel hatte. So erzählt der Großvater: „Feige
war ich nie. Damals wusste ich nicht, wie gefährlich das sein konnte.“ Wir sehen, wie er
einem SS-Mann die Zunge herausstreckt, während sein Schutzengel ihn vor der Verhaftung
beschützt.
So ist diese besondere Schutzengel-Geschichte zugleich auch ein Stück Zeitgeschichte, die
von NS-Diktatur, Krieg und Nachkriegszeit in eindringlichen Bildern erzählt. Text und Bild
stellen eine jeweils eigene Version der Wirklichkeit dar. Durch die kontrapunktische
Gestaltung der textuellen und visuellen Ebene wird damit jedoch auch deutlich, dass wir nicht
alles über unser Leben wissen – auch wenn wir alles zu wissen glauben. So liegt der Clou
dieses originellen Bilderbuches darin, dass der Großvater von der Existenz seines
persönlichen Schutzengels gar nichts weiß. Doch die Geschichte hat – neben dieser höchst
amüsanten Pointe – noch eine andere Dimension. Denn auf einer zweiten Ebene geht es um
das Thema der intergenerationellen Tradierung, um das Vermächtnis an die nachkommenden
Generationen. Der Schutzengel wird schließlich auch das Leben des Enkels beschützen –
natürlich ohne dass dieser etwas davon ahnt…
Engel als Mittlerwesen
Engel als Mittlerwesen haben in der Kinder- und Jugendliteratur nach wie vor eine wichtige
Funktion. Doch es ist zugleich eine Ankunft im Alltag, die die Engelsfiguren in der aktuellen
Kinder- und Jugendliteratur vollziehen – sie agieren (häufig als Schutzengel) in der normalen
Alltagswelt, in die sie helfend oder schützend eingreifen. Engelsdarstellungen sind in der
Kinder- und Jugendliteratur der Gegenwart nicht mehr eindeutig auf christliche
Glaubensvorstellungen bezogen. Dennoch lassen sie sich als Boten des Transzendenten, der
übersinnlichen Welt deuten.