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Bundesgymnasium für Berufstätige in Wien<br />

Henriettenplatz 6 , 1150 Wien<br />

Themen für die schriftliche Reifeprüfung<br />

aus Deutsch<br />

im Wintersemester 2012 /13<br />

Modul: 8. F im WS 2012 /13<br />

Themensteller: Mag. Günter Wittek<br />

Die Angaben und Textbeigaben wurden auf Vollständigkeit und Lesbarkeit überprüft.<br />

Wien, am 22. Oktober 2012


Schriftliche Reifeprüfung aus Deutsch<br />

Wintertermin 2012<br />

Wählen Sie ein Thema:<br />

Thema A) ist eine Problembehandlung mit Textgrundlage<br />

zum Bereich „Journalismus im 21. Jahrhundert“.<br />

Thema B) Interpretation einer Kurzgeschichte<br />

Rainer Brambach: Känsterle<br />

Thema C) Verfassen Sie eine Meinungsrede zum Thema Glück.<br />

Beziehen Sie die beiden Textbeilagen in ihre Überlegungen mit ein!<br />

Umfang der Arbeit (zu jedem Thema): etwa 900 Wörter<br />

Gutes Gelingen!<br />

Seite -­‐ 2 -­‐<br />

ab Seite 3<br />

ab Seite 6<br />

ab Seite 9


Schriftliche Reifeprüfung aus Deutsch<br />

Wintersemester 2012 /13<br />

<strong>Zur</strong> <strong>Wahl</strong>:<br />

A) Problembehandlung mit Textgrundlage<br />

„Journalismus im 21. Jahrhundert“<br />

Seite -­‐ 3 -­‐<br />

Unsere Printmedien haben in den letzten Jahren ihre Aufmerksamkeit auf möglichst<br />

rasche, genaue und umfassende Berichterstattung gelegt. Trotzdem fühlen sich manche<br />

Leser nicht immer gut informiert. Viele Themen werden aufgegriffen, medial hoch-­‐<br />

gespielt und bald wieder fallen gelassen.<br />

Beim Reporter-­‐Forum in Hamburg wurde die Zukunft des Journalismus diskutiert.<br />

Bewerten Sie die Ergebnisse, die Sie hier in der Textbeilage lesen können. An welchen<br />

Beispielen sollen sich demnach Journalisten orientieren? Skizzieren Sie den Arbeitstag<br />

von Journalisten, folgen Sie ihnen bei der Arbeit! Welche Rolle werden moderne<br />

Kommunikationsmittel spielen?<br />

Wagen Sie bitte eine vorsichtige (und nachvollziehbare) Zukunftsprognose über die<br />

Zukunft der Printmedien!


Die Renaissance des Erzählens<br />

Von Gregor Kucera<br />

Seite -­‐ 4 -­‐<br />

Textbeilage zu Thema A<br />

Die Zukunft der Printmedien liegt in den ausführlichen und gut recherchierten Reportagen, so die Meinung<br />

der Experten am Reporter-­‐Forum 2012 in Hamburg. Für Online-­‐Medien gilt es, die Leser bei der Geschichte<br />

zu halten.<br />

"Wenn Journalismus bleibt, wie er ist, bleibt er nicht". So lautet eine der durchaus provokanten Thesen der<br />

deutschen Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel, die mit einer Videobotschaft das diesjährige<br />

Reporter-­‐Forum in Hamburg eröffnete. Aus ihrer Sicht beschäftigt Journalisten und Medienmacher zurzeit nichts<br />

mehr als die Frage nach der Zukunft des Journalismus. Meckels Antwort auf diese Entwicklung ist simpel: Der<br />

einzelne Journalist muss zur Medienmarke wachsen. Doch nicht nur diese These sorgte für spannende Dis-­‐<br />

kussionen im neuen Spiegel-­‐Haus.<br />

Das jährlich stattfindende Reporter-­‐Forum suchte 2012 nach der Zukunft des Journalismus, Lösungsmöglichkeiten<br />

aus dem Dilemma Print versus Online und neuen Wegen des Geschichtenerzählens. "Der Medienwandel bedroht<br />

Magazine und Zeitungen. Nachrichten verlieren an Wert. Gleichzeitig gewinnen Reportagen an Wert. Sie stiften<br />

Sinn, sie orientieren, sie berühren, sie binden Leser an ein Blatt. Es ist wichtiger denn je, dass in den Qualitäts-­‐<br />

medien gute Geschichten erzählt werden. Diese Kultur des journalistischen Erzählens zu fördern ist unser Ziel", so<br />

die Veranstalter. Müssen sich Medien in Zukunft die Frage stellen, ob teuer auf Papier oder umsonst im Netz<br />

publiziert wird? Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz erörterten ihre Sicht der aktuellen<br />

Herausforderungen und zahlreiche Chefredakteure, Blattmacher und Reporter gewährten Einblicke in den<br />

journalistischen Alltag. Allen Unkenrufen zum Trotz wird guter Printjournalismus auch in absehbarer Zeit nicht<br />

verschwinden. Im Gegenteil: Es wird zu einer Renaissance des Erzählens kommen, so der Tenor der Veranstaltung.<br />

Anstatt dem Aktualitätswahn und dem Versuch der Internetmedien die Welt in Echtzeit abzubilden, zu folgen,<br />

sollten Printmedien eine klare Gegenstrategie einschlagen. Lange, gut recherchierte Reportagen werden die<br />

gedruckten Medien weiter voranbringen. Ja, es wird eine wirtschaftlich durchaus schwierige Zeit werden, aber<br />

wenn sich die Verlage auf ihre Kompetenzen und fähige Reporter stützen, dann sei der gute Journalismus nicht<br />

verloren.<br />

Doch wie erzählt man eigentlich eine gute Geschichte? Diese Frage müssen sich nicht nur angehende Journalisten<br />

stellen, auch und gerade erfahrene Reporter sind gefordert, ihre Beobachtungen in einer adäquaten Form zu prä-­‐<br />

sentieren. Zahlreiche Workshops drehten sich genau um diese Frage. So etwa die Veranstaltung "Dramaturgische<br />

Intelligenz -­‐ wie man gute Texte besser macht" von Spiegel-­‐Journalist Cordt Schnibben. Die Filmemacherin und<br />

Autorin Doris Dörrie lud im Workshop "Lieben wir Helden? Von Helden und anderen dramaturgischen Reisen" zu<br />

einer Reise zum inneren Monster und dem Aufbau einer guten Geschichte ein. Charaktere zeichnen, Gefühle und<br />

Landschaften bildlich beschreiben und dies abseits des Alltagsgeschäfts und des Drucks durch Abgabefristen und<br />

Zeichenbeschränkungen.<br />

Die Leser wollen Geschichten "erlesen", erleben und entführt werden. Nicht nur stilsicheres Formulieren, auch<br />

das Geschichtenerzählen wird somit wieder wichtig. Eine Facette des Journalismus, der man in jüngster Zeit zu<br />

wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat, so die Experten. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine ausführliche<br />

Reportage auch Geld kostet, doch hier sind auch Verlage und Leser gefordert. Einerseits um diesen Aufwand ent-­‐<br />

sprechend zu honorieren und andererseits die Angebote auch zu kaufen. Dass dies durchaus möglich ist, zeigt ein<br />

Schweizer Verlag. Beim Magazin "Reportagen" ist der Name Programm. Hinter einem eher unscheinbaren Cover<br />

verbergen sich Geschichten, die man sonst vergeblich sucht. Chefredakteur und Gründer Daniel Puntas Bernet


Seite -­‐ 5 -­‐<br />

Textbeilage zu Thema A<br />

war Devisenhändler und Tennis-­‐Manager, dann Südamerika-­‐Tramper, Weinbauer, Taxi-­‐Tangotänzer, Deutsch-­‐<br />

lehrer und wurde schließlich Journalist. Seine Leidenschaft fürs Geschichtenerzählen und noch viel mehr fürs<br />

"Geschichtenerzähltbekommen" habe zur Idee von "Reportagen" geführt, so Bernet am Reporter-­‐Forum.<br />

Selbst der auf den ersten Blick mehr als gesättigte deutsche Magazinmarkt hat noch so manche Überraschung zu<br />

bieten. Das aktuellste und derzeit sicherlich beste Beispiel nennt sich "Landlust", erfreut sich auch in Österreich<br />

großer Beliebtheit und war in vielen Diskussionsrunden in Hamburg Thema. Der Wunsch nach Idylle, Authentizität<br />

und Charme sind bei dieser Publikation die Erfolgskombination. Nicht Prominente in Hochglanz-­‐Bildern zeigen ihre<br />

Gärten, sondern Menschen von Nebenan verraten ihre Familienrezepte, geben Tipps für den Garten und erinnern<br />

so manch großes Verlagshaus an ein fast vergessenes Gut des Journalismus: Glaubwürdigkeit.<br />

Glaubwürdigkeit, Authentizität und die Suche nach Wahrheit sind die Triebfedern eines hochkarätigen Redners<br />

auf dem Reporter-­‐Forums 2012: Jon Lee Anderson, der Starreporter des "New Yorker", sprach über Qualitäts-­‐<br />

journalismus und seinen Kampf um Wahrheit mitten in den Kriegsschauplätzen dieser Welt. Anderson, der von<br />

Afghanistan bis in den Irak alle US-­‐Kriegsschauplätze der letzten Jahrzehnte besucht hatte, steht seit geraumer<br />

Zeit für hochwertige Reportagen. "Ich muss meine Interviewpartner nicht mögen, aber ich will sie verstehen", so<br />

Anderson über die Beweggründe für seine Reisen. Kriegsreporter sind aus seiner Sicht eine wesentliche Stütze des<br />

Journalismus als vierte Macht in einem Staat, werden aber immer seltener eingesetzt und sind dabei auch oft<br />

selbst nicht nur Opfer des Krieges, sondern vielfach mehr der Einsparungspolitik ihrer Verlagshäuser.<br />

Die Einsparungen sind aber bei Weitem nicht die einzige Gemeinsamkeit der Medienkonzerne. Die Suche nach<br />

neuen Konzepten, neuen Einnahmequellen und dem Stein der Weisen, eint. Von der "New York Times" über den<br />

"Guardian", die "Süddeutsche Zeitung" oder österreichische Zeitungen, derzeit scheint niemand eine definitive<br />

Antwort auf die Herausforderungen zu kennen. Es zeigt sich lediglich, dass Verlagshäuser mit großen Stiftungen<br />

im Hintergrund am meisten in neue Projekte investieren -­‐ auch wenn gar nicht klar ist, ob sich damit Geld ver-­‐<br />

dienen lässt.<br />

Doch vielfach gilt es nicht, das Rad neu zu erfinden, sondern sich vielmehr auf seine ureigenen Hausaufgaben zu<br />

konzentrieren, meinen die Chefredakteure. Journalismus ist Geschichten erzählen. War es immer schon. Hinter-­‐<br />

gründe aufzeigen. Leser abzuholen und zu begleiten. Moderne Technik erfordert neue Erzählformen, aber im Kern<br />

hat sich der Journalismus nicht verändert und wird das auch nicht tun.<br />

Genau diese Ansicht vertritt auch Amy O’Leary, ihres Zeichens verantwortlich für multimediales Erzählen bei der<br />

"New York Times". "Wir müssen nicht das Erzählen an die Technik, sondern die Technologie an das Erzählen<br />

anpassen", so ihr Resümee. O’Leary sorgt dabei für den Brückenschlag zwischen Geschichte und Erzählform,<br />

zwischen Journalist und Programmierer. In Teams werden die besten Möglichkeiten ausgelotet. Der schreibende<br />

Teil kann sich auf seine Arbeit konzentrieren, während die Techniker der Geschichte weit mehr als nur einen<br />

Rahmen, sondern vielmehr den bestmöglichen Raum geben. "Es zeigt sich oft, dass Verlage versuchen, die Tech-­‐<br />

nologie immer voranzutreiben und deren Grenzen auszuloten. Eine App hier und eine Infografik da, doch dabei<br />

wird die eigentliche Hausaufgabe vergessen -­‐ der Text. Die journalistische Arbeit, der Inhalt ist das Geschäft -­‐ nicht<br />

die Technik. Vielfach wird dies vergessen. Die Medien erledigen ihre Hausaufgabe nicht."<br />

Nicht nur Printmedien werden in Zukunft auf Reportagen und das Erzählen achten müssen, auch Online gibt es zahl-­‐<br />

reiche Möglichkeiten und Chancen für den langen Text. Allerdings ist hier das Umdenken und Einlenken schwieriger.<br />

Journalismus lebt, ist wichtig und muss sich nicht neu erfinden. Geschichten gab es immer, und wird es immer<br />

geben, die Kunst liegt darin, sie auch zu erzählen.<br />

[Text gekürzt] Der Artikel erschien am 21. September 2012 in: "Wiener Zeitung", Beilage "Wiener Journal", S. 14-­‐17


<strong>Zur</strong> <strong>Wahl</strong>:<br />

B) Interpretation einer Kurzgeschichte<br />

Interpretieren und analysieren Sie die Kurzgeschichte Känsterle von Rainer Brambach und<br />

beachten Sie folgende Leitfragen!<br />

1) Wie geht der Autor mit dem Thema Kälte und Gefühllosigkeit in einer Beziehung um?<br />

2) Woran erkennen Sie, dass die Kommunikation zwischen den Partnern gestört ist?<br />

3) Beachten und deuten Sie, wie hier nonverbal durchaus viel kommuniziert wird.<br />

Seite -­‐ 6 -­‐<br />

4) Stellen Sie eine einfache Dialoganalyse an, in der Sie die Bedeutung der Anteile der Personen am<br />

Gespräch (Dominanz und Redeanteile), den Gesprächsverlauf und das Gesprächsverhalten<br />

(Akzeptanz oder Widerspruch) untersuchen!<br />

5) Die komplementäre Gesprächssituation wird während Känsterles Revolte kurz getauscht. Zeigen<br />

Sie auf, wie das „aus der Rolle fallen“ Känsterles pariert wird!<br />

6) Untersuchen Sie, welche (möglicherweise übertragene und symbolische) Bedeutung die<br />

Winterfenster in der Geschichte haben! Ergänzen Sie den unausgesprochenen Vorwurf, wenn<br />

Rosa bemerkt, dass der Nachbar Herr Hansmann ein ordentlicher Mann ist! Welche Ansprüche<br />

stellt sie damit?<br />

7) Die Kurzgeschichte zeichnet sich durch eine weitgehend neutrale Erzählhaltung aus. Wodurch<br />

entsteht trotzdem viel Sympathie für Känsterle?<br />

8) Meinen Sie, dass die „zerbrochenen Fenster“ wieder repariert und gekittet werden können?<br />

Begründen Sie ihre Meinung!


Rainer Brambach: Känsterle<br />

Seite -­‐ 7 -­‐<br />

Textvorlage zu Thema B<br />

Wallfried Känsterle, der einfache Schlosser, sitzt nach Feierabend vor dem Fernsehschirm. Wo denn<br />

sonst? -­‐ Tagesschau, Wetterkarte; die Meisterschaft der Gewichtheber interessiert Känsterle.<br />

„Mach den Ton leiser, die Buben schlafen!" ruft Rosa, die in der Küche Geschirr gespült hat und nun<br />

hereinkommt.<br />

Känsterle gehorcht.<br />

„Es ist kalt draußen", plaudert sie, „wie gut, dass wir Winterfenster haben. Nur frisch anstreichen sollte<br />

man sie wieder einmal. Wallfried, im Frühjahr musst du unbedingt die Winterfenster streichen. Und<br />

kitten muss man sie! Überall bröckelt der Kitt. Niemand im Haus hat so schäbige Winterfenster wie wir!<br />

Ich ärgere mich jedesmal, wenn ich die Winterfenster putze. Hast du gehört?"<br />

„Ja, ja", sagt Känsterle abwesend.<br />

„Was macht denn der da?" fragt Rosa und deutet auf den Fernsehschirm. „Der könnte seine Kraft auch<br />

für was Besseres gebrauchen! Stell das doch ab, ich hab mit dir zu reden!"<br />

„Gleich, gleich!" sagte Känsterle und beugt sich etwas näher zum Schirm.<br />

„Herr Hansmann im Parterre hat im letzten Sommer seine Winterfenster neu gekittet und gestrichen,<br />

obwohl es gar nicht nötig war. Nimm dir mal ein Beispiel an Herrn Hansmann! Seine ganzen Ferien hat<br />

er dran gegeben. So ein ordentlicher Mann ...<br />

Übermorgen ist Sankt Nikolaus. Erinnerst du dich an Herrn Weckhammer? Ich hab heut im Konsum<br />

seine Frau getroffen, ganz in Schwarz. Der alte Weckhammer ist umgefallen, beim Treppensteigen,<br />

Herzschlag."<br />

Känsterle drückt auf die Taste „Aus".<br />

„Ein Trost", fängt Rosa wieder an, „dass die Weckhammerschen Kinder aus dem Gröbsten raus sind. Die<br />

Witwe fragt, ob wir den Nikolaus gebrauchen könnten. Eine Kutte mit Kaninchenfell am Kragen,<br />

schöner weißer Bart, Stiefel, Sack und Krummstab, alles gut erhalten. Nur vierzig Mark will sie dafür,<br />

hat sie gesagt. Mein Mann wird kommen und ihn holen, hab ich da gesagt. Nicht wahr, Wallfried, du<br />

wirst Paul und Konradle die Freude machen?"<br />

Känsterle schaut auf die matte Scheibe.<br />

„Wallfried!" ruft Rosa.<br />

„Aber Rosa", murmelt Känsterle hilflos, „du weißt doch, dass ich nicht zu so was tauge. Was soll ich<br />

denn den Buben sagen? Ein Nikolaus muss ein geübter Redner sein! Muss gut und viel sprechen ..."<br />

Rosa glättet mit der Hand das Tischtuch und schüttelt den Kopf, wobei der Haarknoten trotz des Kamms,<br />

der ihn wie ein braunes Gebiss festhält, eigensinnig wackelt.<br />

„Vermaledeiter Stockfisch!" zischt sie. „Nicht einmal den eigenen Buben willst du diese Freude machen!<br />

Dabei hab ich schon im Konsum Nüsse, Datteln, Feigen, ein paar Apfelsinen und alles eingekauft!"<br />

Känsterles Gemüt verdüstert sich. Er denkt an das schwere, ihm aufgezwungene Amt.<br />

Eine verstaubte Glühbirne wirft trübes Licht. Känsterle steht auf dem Dachboden; er verwandelt sich<br />

zögernd in einen Weihnachtsmann. Die Kutte, die den Hundertkilomann Weckhammer einst so<br />

prächtig gekleidet hat, ist dem gedrungenen Känsterle viel zu geräumig. Er klebt den Bart an die Ohren.<br />

Sein Blick streift die Stiefel, und dabei versucht er sich an die Füße Weckhammers zu erinnern. Er<br />

zerknüllt ein paar Zeitungen und stopft sie in die steinharten Bottiche. Obwohl er zwei Paar grob-­‐<br />

wollene Socken anhat, findet er noch immer keinen rechten Halt. Er zieht die Kapuze über den Kopf,<br />

schwingt den vollen Sack über die Schulter und ergreift den Krummstab.


Seite -­‐ 8 -­‐<br />

Textvorlage zu Thema B<br />

Der Abstieg beginnt. Langsam rutscht ihm die Kapuze über Stirn und Augen; der Bart verschiebt sich<br />

nach oben und kitzelt seine Nase. Känsterle sucht mit dem linken Fuß die nächste Treppenstufe und<br />

tritt auf den Kuttensaum. Er beugt den Oberkörper vor und will den rechten Fuß vorsetzen; dabei rollt<br />

der schwere Sack von der Schulter nach vorn, Mann und Sack rumpeln in die Tiefe.<br />

Ein dumpfer Schlag.<br />

In Känsterles Ohren trillert's.<br />

Ein Gipsfladen fällt von der Wand.<br />

„Oh! Jetzt hat sicher der Nikolaus angeklopft!" tönt Rosas Stimme hinter der Tür. Sie öffnet und sagt:<br />

„Mein Gott ... was machst du denn da am Boden? Zieh den Bart zurecht, die Kinder kommen!"<br />

Känsterle zieht sich am Treppengeländer hoch, steht unsicher da. Dann holt er aus und versetzt Rosa<br />

eine Backpfeife. Rosa heult auf, taumelt zurück; Känsterle stampft ins Wohnzimmer, reißt Rosas<br />

Lieblingsstück, einen Porzellanpfauen, von der Kommode und schlägt ihm an der Kante den Kopf ab.<br />

Dann packt er den Geschirrschrank; er schüttelt ihn, bis die Scherben aus den Fächern hageln. Dann<br />

fliegt der Gummibaum samt Topf durch ein Fenster und ein Winterfenster; auf der Straße knallt es.<br />

„Er schlachtet die Buben ab!" kreischt Rosa durchs Treppenhaus. Auf allen Stockwerken öffnen sich<br />

Türen. Ein wildes Gerenne nach oben. Man versammelt sich um Rosa, die verdattert an der Wand steht<br />

und in die offene Wohnung zeigt. Als erster wagt sich Herr Hansmann in die Stube, betrachtet die<br />

Zerstörungen; ein Glitzern kommt in seine Augen, und er sagt:<br />

„Mein lieber Känsterle, ist das alles?"<br />

Elend hockt der Weihnachtsmann im Sessel, während Paul und Konradle unter dem Sofa hervor-­‐<br />

kriechen.<br />

Ein kalter Wind zieht durch die Stube.<br />

_________<br />

Rainer Brambach (* 1917 in Basel, als Reinhard Brambach; † 1983 ebenfalls in Basel)<br />

Rainer Brambach war der Sohn eines Klavierstimmers, wuchs im Basler Industrieviertel St. Johann auf und absolvierte nach der<br />

Schule eine Anstreicherlehre. Anschließend arbeitete er als Möbelpacker, Torfstecher oder Werbetexter. In den dreißiger<br />

Jahren unternahm er ausgedehnte Wanderungen durch Deutschland, Österreich und Frankreich. 1939 nahm er eine Stelle als<br />

Maler in Stuttgart an und wurde bei Kriegsausbruch zur Wehrmacht eingezogen. Er desertierte und ging zurück in die Schweiz.<br />

Ab 1950 war er als Gärtner und Gartenbauarbeiter in Basel tätig; ab 1959 lebte er als freier Schriftsteller. 1977 wurde er in<br />

Basel eingebürgert. Rainer Brambachs Werk, das seit 1947 entstand, besteht im Wesentlichen aus Gedichten und Erzählungen.<br />

Er veröffentlichte seine Werke zunächst in den Akzenten. (nach wikipedia; gekürzt)


<strong>Zur</strong> <strong>Wahl</strong>:<br />

C) Verfassen Sie eine Meinungsrede zum Thema Glück.<br />

In der Steiermark wurde 2009 an einigen Schulen unterschiedlicher Schultypen das<br />

Unterrichtsfach Glück eingeführt.<br />

In den 1970 er Jahren war die Sängerin Ramona mit ihrem Glück-­‐Lied in der Hitparade<br />

sehr erfolgreich.<br />

Ist Glück erreichbar und erlernbar? Ist Glück lediglich eine Frage für den Einzelnen und<br />

der persönlichen Sehnsucht danach oder doch vielleicht auch auf unsere Mitmenschen<br />

übertragbar?<br />

Seite -­‐ 9 -­‐<br />

Gibt es Unterschiede, wenn wir uns in der Gesellschaft meist fröhlicher Menschen aufhalten<br />

oder in einer Gemeinschaft von Ausgebrannten (Burn out), Depressiven, Verzweifelten oder<br />

Mieselsüchtigen?<br />

Wie kann es gelingen, dass wir in unserer Umgebung mehr Wohlbefinden, Zuversicht und<br />

Glück antreffen können?<br />

Liegt es möglicherweise auch an gesellschaftlichen Strukturen (Arbeitsbedingungen,<br />

Arbeitszeiten, beruflichen und privaten Belastungen), dass unser Wunsch nach mehr Glück<br />

oft nur schwer erfüllbar erscheint?<br />

Beziehen Sie die beiden Textbeilagen in die Arbeit ein!<br />

Verfassen Sie dazu eine überzeugende Meinungsrede!


Sängerin: Ramona<br />

Refrain: Alles was wir woll'n auf Erden<br />

wir woll'n alle glücklich werden.<br />

Du und ich und er und sie<br />

glücklich wie noch nie!<br />

Ich wünsche mir<br />

immer happy zu sein<br />

denn happy zu sein ist so schön.<br />

Refrain: Alles was wir woll'n ...<br />

Wenn man bedenkt<br />

was die Liebe uns schenkt<br />

ist das schließlich ja auch zu versteh'n.<br />

Refrain: Alles was wir woll'n ...<br />

Ich bin ja sonst sehr bescheiden<br />

aber ich wünsche uns beiden<br />

dass sich ganz im Still'n<br />

uns're heimlichen Wünsche erfüll'n.<br />

Refrain: Alles was wir woll'n ...<br />

Leider gibt's nicht immer rosige Tage<br />

das ändert sich leider auch nie.<br />

Doch was ich so an Humor mit mir trage<br />

das reicht immer schon irgendwie.<br />

Seite -­‐ 10 -­‐<br />

Textbeilage 1 zum Thema C


„Glück“ als Schulfach in der Steiermark<br />

07.07.2009 | Die Presse<br />

Seite -­‐ 11 -­‐<br />

Textbeilage 2 zum Thema C<br />

Ab Herbst wird in sechs steirischen Schulen "Glück" unterrichtet. Die Lehrer sprechen dabei<br />

über Selbstwert und Empathie genauso wie über Bewegung und Körper. Alle Schultypen sind<br />

dabei.<br />

Wie man glücklich und zufrieden werden kann war lange nur in der esoterischen Ratgeberliteratur<br />

nachzulesen. Erst seit wenigen Jahren beschäftigt sich auch die Wissenschaft mit diesem Thema. Nun<br />

wird diese Kunst auch an einigen österreichischen Schulen gelehrt. An sechs steirischen Pflicht-­‐<br />

schulen steht ab dem kommenden Herbst das Unterrichtsfach "Glück" am Programm: In diesem<br />

österreichweit einzigartigem Pilotprojekt lernen Kinder und Jugendliche, dass sie selbst etwas dazu<br />

beitragen können, ein glückliches Leben zu führen. Unterrichtet wird das Fach einmal pro Woche.<br />

Am Pilotprojekt nehmen sämtliche gängigen Schultypen von der Volksschule bis zur HTL teil.<br />

"Glück ist Lebenskompetenz"<br />

Glück ist laut SP-­‐Landesschulratpräsident Wolfgang Erlitz nicht nur "Glückssache", sondern ein Stück<br />

erlernbare Lebenskompetenz: "Es ist schon wichtig, den Kindern und Jugendlichen klar zu machen,<br />

dass das Glück nicht ein Vogerl ist, das einfach so daherfliegt, sondern dass sie es zu einem guten Teil<br />

selbst in der Hand haben, wie glücklich sie sind", so Erlitz. Aber auch an die Lehrer sei gedacht:<br />

"Wenn sie sich mit dem Thema intensiv beschäftigen, um den Unterricht vorzubereiten, profitieren<br />

sie persönlich auch davon", ist der Landesschulratspräsident überzeugt.<br />

Glück in Module aufgeteilt<br />

Bei der Gestaltung des Projekts hat sich der Landesschulrat Anleihen am "Schulfach Glück" genom-­‐<br />

men, das schon seit zwei Jahren an der Willy-­‐Hellpach-­‐Schule in Heidelberg unterrichtet wird. Dabei<br />

nehmen die Schülern an "Erlebnissen" teil (z. B. Rollenspiele, Klettern), die Vertrauen und Achtsam-­‐<br />

keit einüben und reflektieren danach darüber. Anders als in Heidelberg, wo man auch im "Schulfach<br />

Glück" Abitur machen kann, ist in der Steiermark "Glück macht Schule" kein Prüfungsfach.<br />

Die insgesamt 36 Stunden werden thematisch in Module aufgeteilt:<br />

• Zwölf Stunden dienen der psychosozialen Gesundheit, aufbauend auf den großen Themen Selbst-­‐<br />

wert und Empathie sowie Kommunikation und Konfliktbewältigung als Methoden zur Gewaltprävention.<br />

• Zehn Stunden sind der Bewegung gewidmet.<br />

• Dem Zusammenhang von Ernährung, Gesundheit und Glücksempfinden wird in sechs Stunden<br />

Aufmerksamkeit gewidmet.<br />

• Acht Stunden thematisieren den Körper als Ausdrucksmittel. Theaterpädagogische Elemente und<br />

die Hinführung zu Kultur als Bildungs-­‐ und Freizeitprogramm finden hier Platz.<br />

Quelle: http://diepresse.com/home/bildung/schule/493125/Glueck-als-Schulfach-in-der-Steiermark (22.Okt. 2012)

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