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INNOVATIVE 22.indd - Nordelbisches Frauenwerk - Nordkirche

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innovative<br />

innovative<br />

Zeitschrift<br />

des Nordelbischen<br />

<strong>Frauenwerk</strong>es<br />

Nr. 22<br />

Juni - November 2010<br />

22<br />

Besondere Orte für Frauen<br />

Aktuelles zur Frauenemanzipation<br />

Poster + Postkarten „Es geht auch<br />

anders – umkehren zum Leben“<br />

Interview mit Annegret Bergmann<br />

Klima(un)gerechtigkeit aus Frauensicht<br />

Frauen, die sich trauen<br />

Nachruf auf Mary Daly


I n h a l t ı I m p r e s s u m<br />

Inhalt<br />

Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2<br />

Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />

Anstoß<br />

Das kleine Wörtchen „noch“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

Projekte/Aktionen<br />

Poster und Postkartenreihe „Es geht auch anders<br />

– umkehren zum Leben“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

Müttergenesungswerk wird 60! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

Frauensichten auf die Finanzkrise – wie geht es anders? . . . . . . . . . 7<br />

Es muss anders gehen … Überlegungen zum Wachstum . . . . . . . . . 8<br />

In diesen Seminaren und Reisen sind noch Plätze frei . . . . . . . . . . . . 9<br />

Aktuelles zur Frauenemanzipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

Frauen-Friedens-Tag am 7. November 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

Unser neues Internetportal und www.Kirche-im-Norden.de . . . . . . 11<br />

‚Frauensynode’ mit neuem Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

Ökumene weiblich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

Frauen begegnen im Land der Bibel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

Dokumentationen: Neu – Noch zu bekommen – Restexemplare . . 14<br />

2011: 100 Jahre Internationaler Frauentag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

Eine-Welt-Kiosk im Zentrum Gartenstraße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

Mit Respekt und Empathie: Das interreligiöse Lernhaus . . . . . . . . . . 15<br />

Von Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

innovative<br />

22<br />

innovative – Zeitschrift des<br />

Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong>es<br />

Nr. 22, Juni - November 2010<br />

(Redaktionsschluss: 15. Februar)<br />

Herausgeberin<br />

<strong>Nordelbisches</strong> <strong>Frauenwerk</strong><br />

Kerstin Möller, Leiterin<br />

Gartenstr. 20, 24103 Kiel<br />

Fon 0431 / 55 779 100<br />

Fax 0431 / 55 779 150<br />

<strong>Frauenwerk</strong>@ne-fw.de<br />

www.ne-fw.de<br />

Das Nordelbische <strong>Frauenwerk</strong><br />

gehört zum Hauptbereich<br />

„Frauen, Männer, Jugend“<br />

i n n o v a t i v e<br />

Interview<br />

mit Annegret Bergmann, Frauenbeauftragte der Stadt Kiel . . . . . . . 17<br />

Frauen-News . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />

Hintergrund<br />

Klimawandel und Klima(un)gerechtigkeit aus Frauensicht . . . . . . 20<br />

Aus den <strong>Frauenwerk</strong>en<br />

Bibliodrama: Frauenschätze – im Haus des Lebens . . . . . . . . . . . . . 22<br />

Klöster – besondere Orte für Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

Frauen, die sich trauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />

Brigitte Hasselmann: Klar und durchsetzungsstark . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

Infobörsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />

Frauentag „Mädchenwissen – Frauenweisheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

Buchtipps<br />

Ein Jahr in Tel Aviv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

Das Kind von Holocaustüberlebenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

Überforderung ist Unterforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

Was wäre wenn? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

Mit guter Arbeit aus der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

Ist diese Dame Gott? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

Und außerdem<br />

Eine mutige Ruferin gegen das allgemeine Schweigen<br />

– Nachruf auf Mary Daly . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

Die Rückseite<br />

Foto-Impressionen: „Frauensichten auf die Finanzkrise<br />

– wie geht es anders?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

Redaktion<br />

Annette Pawelitzki, Fon 0431 / 55 779 105, apawelitzki@ne-fw.de<br />

Die Redaktion behält sich vor, Manuskripte redaktionell zu bearbeiten,<br />

evtl. auch zu kürzen. Die innovative erscheint i.d.R. im Mai/Juni<br />

und November/Dezember.<br />

Nachdruck mit Quellenangabe und Belegexemplar gern gestattet.<br />

Gestaltung und Illustrationen<br />

Susanne Adamek, Kommunikation & Design<br />

Titelfoto INADES Formation Tanzania, VEN<br />

Sekretariat Bärbel Rimbach<br />

Auflage 12.000 Exemplare<br />

Druck Druckzentrum Neumünster<br />

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier<br />

Redaktionsschluss für die inno 23: 1. Oktober 2010<br />

2


3 i n n o v a t i v e<br />

Foto: Martin Krok<br />

Liebe LeserInnen,<br />

E d i t o r i a l<br />

Haben Sie schon einmal Ihren ökologischen Fußabdruck gemessen?<br />

Wir sagen Ihnen im Artikel „Klima(un)gerechtigkeit““ wo<br />

und wie das geht und welche Folgen der Abdruck hat, auch aus<br />

Frauensicht.<br />

l „Es geht“<br />

l „auch anders“<br />

l „umkehren“<br />

l „zum Leben“<br />

Wir stellen Ihnen die leuchtende Postkartenserie + Poster vor zum<br />

Jahresthema der Frauenarbeit in Nordelbien (Ev. <strong>Frauenwerk</strong>e in<br />

den Kirchenkreisen und <strong>Nordelbisches</strong> <strong>Frauenwerk</strong>): „Es geht auch<br />

anders – umkehren zum Leben“. Anstöße zu einem großen Thema,<br />

gerade auch die Karten sind gut geeignet für Gruppenarbeit, und<br />

natürlich zum Versenden und Verschenken!<br />

Wollen Sie auch wissen, ob es mit dem Wachstum und der<br />

Finanzkrise immer so weiter geht? Wir geben hierzu viele Impulse<br />

aus Frauensicht.<br />

In der innovative lernen Sie engagierte Frauen kennen, die Ihnen<br />

vermutlich nicht immer bekannt sind: Unter „Von Personen“ erfahren<br />

Sie viel über Frauen hier und weltweit.<br />

Haben Sie Lust aufs Lesen? Die Büchertipps, z.B. über die tägliche<br />

Unterforderung, sind dann bestimmt das Richtige.<br />

Und diese innovative beginnt mit „Das können Sie noch gut tragen“<br />

– Nachdenkliches zu dem kleinen Wörtchen „noch“. Vielleicht<br />

finden Sie sich dort wieder …<br />

Die innovative wird viel gelesen – geben Sie sie gern auch weiter.<br />

Innovative Grüße von uns aus dem Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong>!<br />

Ihre<br />

Annette Pawelitzki<br />

b Schreiben Sie uns – wir freuen uns auf Ihre Rückmeldungen<br />

und Anregungen zur innovative!<br />

b In der letzten innovative hatten wir unser Konto nicht<br />

angegeben – das führte zu freundlichen Nachfragen<br />

– von Herzen Dank allen SpenderInenn!<br />

<strong>Nordelbisches</strong> <strong>Frauenwerk</strong>, „innovative“,<br />

EDG Kiel, Konto 10 740, BLZ 210 602 37<br />

b Und denken Sie daran:<br />

Teilen Sie uns bitte Ihre neue Adresse mit, wenn Sie<br />

umziehen, das kostet uns sonst immer das Rückporto.


i n n o v a t i v e<br />

A n s t o ß 4<br />

Das kleine Wörtchen „noch“<br />

Kritisch und etwas skeptisch steht sie vor dem Spiegel. Meine<br />

Freundin hat gerade einen knallroten Blazer anprobiert. Wir<br />

Freundinnen schauen ihr aufmunternd dabei zu. Ja oder Nein? Das<br />

ist hier die Frage. Da kommt die Verkäuferin hinzu und gibt ihr Votum:<br />

„Das können Sie noch gut tragen!“ Der Stachel sitzt: „Noch!“ Meine<br />

Freundin ist 51 Jahre alt. Also noch kann sie rot tragen. Aber vielleicht<br />

bald nicht mehr? Dann nur noch dunkelblau oder grau?<br />

Später sitzen die Freundinnen in einem Cafe und denken über<br />

das kleine Wörtchen „noch“ nach. Nicht nur in modischen Fragen<br />

taucht es auf. Überall im Alltag macht es sich breit. Im Persönlichen,<br />

aber auch im Globalen. Da ist die eigene Gesundheit, aber genauso<br />

sind da die Fragen der Erderwärmung und des Klimawandels. Dass<br />

etwas „noch“ geht, heißt zugleich, dass es irgendwann „nicht mehr“<br />

geht. Und dieser Schritt vom „Noch“ ins „Nicht mehr“ kann leicht zu<br />

einem Schritt von Stolz und Selbstbewusstsein zu Angst und<br />

Niedergeschlagenheit werden. Etwas „nicht mehr“ zu können, markiert<br />

dann ein Versagen.<br />

Das andauernd schwingende Pendel der Gedanken zwischen „früher“<br />

und „später“ zwingt geradezu zum Vergleichen. Das kleine<br />

Wörtchen „noch“ zeigt Grenzen auf. Es beschreibt ein Jetzt, das<br />

sich nicht unbegrenzt fortschreiben lässt. Dieses Wissen kann Angst<br />

auslösen: Was wird, wenn ich „nicht mehr“ das bin, was ich „noch“<br />

bin? Dieses Wissen kann auch Hoffnung auslösen: „Ich muss nicht<br />

immer das sein, was ich jetzt bin.“ Und unter Umständen löst es noch<br />

etwas ganz anderes aus: Einen neuen und staunenden Blick auf das<br />

Selbstverständliche. Vielleicht auch alles zusammen. Oder von allem<br />

etwas. So lese ich es in einem Gedicht von Rose Ausländer:<br />

Noch bist du da<br />

Wirf deine Angst<br />

in die Luft<br />

Bald<br />

ist deine Zeit um<br />

Bald<br />

wächst der Himmel<br />

unter dem Gras<br />

fallen deine Träume<br />

ins Nirgends<br />

Noch<br />

duftet die Nelke<br />

singt die Drossel<br />

noch darfst du lieben<br />

Worte verschenken<br />

noch bist du da<br />

Sei was du bist<br />

Gib was du hast.<br />

In ihrem letzten Fernsehinterview – sie ist zu diesem Zeitpunkt schon<br />

sechs Jahre bettlägerig - wird Rose Ausländer gefragt: „Was erwarten<br />

Sie noch vom Leben?“ Sie antwortet: „Ich erwarte nichts. Aber<br />

ich lebe gern.“<br />

In ihrem Gedicht ist es, als würde der erste Teil die Frage des<br />

Interviewers aufnehmen: Bald ist deine Zeit um – was gibt es noch zu<br />

erwarten? Im zweiten Teil des Gedichts, der mit „Noch“ beginnt, wird<br />

eine Verbindung geknüpft von außen nach innen, von der Welt hin zu<br />

sich selbst: Die Nelke duftet. Die Drossel singt. Es ist das Wesen einer<br />

Blume zu duften. Das Wesen eines Vogels zu singen. Beide geben<br />

also ihrem Wesen Ausdruck. Und so auch das lyrische Ich: Noch<br />

darfst du lieben / Worte verschenken / noch bist du da. Und dann<br />

kommt, knapp und prägnant, der Schluss: Sei was du bist / Gib was<br />

du hast. In diesen beiden letzten Sätzen ist kein Noch, kein Bald und<br />

kein nicht mehr. Sie sind ganz Gegenwart. Sei, was du bist. / Gib was<br />

du hast. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es ist entlastend zu<br />

spüren: Ich muss nicht mehr sein, als ich bin. Ich muss nicht<br />

mehr geben, als ich habe.<br />

Die Nelke schenkt ihren Duft. Die Drossel ihren Gesang. Nicht mehr.<br />

Nicht weniger. Sie sind sie selbst und denken nicht darüber nach,<br />

dass sie sich verschenken. Wir können sicher nicht alles nachahmen,<br />

was uns die Blumen und die Vögel unter dem Himmel vormachen.<br />

Wir reflektieren unser Sein und unser Tun. Es macht uns ja zu<br />

Menschen, dass wir denken und Beziehungen zwischen gestern und<br />

morgen aufbauen. Dass wir an ein „Noch“ und ein „nicht mehr“<br />

denken – das gehört dazu.<br />

Und manchmal ist es so, dass mitten im Alltag, vor einem Spiegel im<br />

Modegeschäft, etwas aufbricht von der Frage nach dem Sinn. Von<br />

Angst und Freude und Hoffnung. Die Freundinnen sitzen noch lange<br />

Zeit im Cafe und reden. Die Frage nach der Farbe des Blazers ist<br />

unwichtig geworden.<br />

„Und manchmal ist es so, dass mitten im<br />

Alltag, vor einem Spiegel im Modegeschäft,<br />

etwas aufbricht von der Frage nach dem<br />

Sinn. Von Angst und Freude und Hoffnung.“<br />

Gundula Döring<br />

G u n d u l a D ö r i n g


5 i n n o v a t i v e<br />

P r o j e k t e ı A k t i o n e n<br />

Neu: Lebendige Poster und Postkartenreihe<br />

Ein leuchtendes Poster und farbig animierende<br />

Postkarten zum Jahresthema<br />

2010/2011 der Frauenarbeit in Nordelbien:<br />

„Es geht auch anders – umkehren zum<br />

Leben“<br />

Die Postkartenserie (4 Stück) kostet einen<br />

Euro. Die Postkarten eignen sich gut,<br />

um über das Jahresthema ins Gespräch<br />

zu kommen, für Gruppenarbeit – oder einfach<br />

zum Verschicken. Die Poster gibt es<br />

kostenlos.<br />

Zu beziehen ist alles in den Ev. <strong>Frauenwerk</strong>en<br />

vor Ort (wir nennen Ihnen gern Ihr<br />

nächstes <strong>Frauenwerk</strong>) und bei uns (Fon<br />

0431 – 55 779 107, uschroder@ne-fw.de).<br />

Schauen Sie diese vierfarbigen Produkte<br />

doch schon einmal an: www.ne-fw.de.<br />

A n n e t t e P a w e l i t z k i


i n n o v a t i v e<br />

P r o j e k t e ı A k t i o n e n 6<br />

Blaue Blumen für mehr Freundlichkeit<br />

Müttergenesungswerk wird 60!<br />

Die Elly Heuss-Knapp-Stiftung, Deutsches Müttergenesungswerk<br />

(MGW), begeht im Jahr 2010 ihr 60-jähriges Jubiläum. Die Gesundheit<br />

und die Gesunderhaltung der Mütter in Deutschland zu stärken<br />

ist das Ziel der Stiftung heute genauso wie zur Zeit der Gründung.<br />

Elly Heuss-Knapp, die Gattin des ersten Bundespräsidenten Theodor<br />

Heuss, gründete das Werk am 31. Januar 1950 als Zusammenschluss<br />

der großen Wohlfahrtsverbände Deutschlands.<br />

„Die Welt eines Kindes ist wieder fröhlicher, wenn die Mama gesund<br />

ist“, betont Eva Luise Köhler, Schirmherrin des MGW. „Mit der<br />

Gesundheit der Mütter wird die ganze Familie gestärkt. Denn noch<br />

immer tragen Mütter die Hauptlast der Familienverantwortung. Belastungen,<br />

die daraus entstehen, können krank machen. Dann sind die<br />

hochmodernen Vorsorge- und Rehamaßnahmen für Mütter und<br />

Mutter-Kind des Müttergenesungswerkes eine hervorragende Hilfe.“<br />

Die Vorsitzende des Kuratoriums Marlene Rupprecht, MdB, unterstreicht:<br />

„Unser großes Netzwerk ist seit 60 Jahren erfolgreich<br />

tätig – denn es ist einmalig in Struktur, Inhalt und Qualität. Praktisch<br />

geht es in unserer Arbeit darum die Gesundheit der Mütter zu<br />

stärken und dafür alle Möglichkeiten der Wohlfahrtsverbände zu nutzen.<br />

Der politische Aspekt ist, die Rahmenbedingungen für die Gesunderhaltung<br />

der Mütter in Deutschland zu schaffen bzw. zu erhalten.<br />

In ihrer Gründungsrede formulierte die ihr Leben lang sozialpolitische<br />

engagierte Elly Heuss-Knapp: „Wissen wir noch, was das ist, eine<br />

Familie?… – Es liegt an den Müttern, die die Seele der Familie sind.<br />

Aber wer fragt danach, wie die Mütter es noch schaffen? Das<br />

Müttergenesungswerk fragt nach ihnen.“ Nur wenige Monate vorher<br />

hatte sie beim Bayerischen Mütterdienst in Stein bei Nürnberg von<br />

der Not vieler Mütter im Nachkriegsdeutschland erfahren und sofort<br />

gehandelt: In der Stiftung sind Arbeiterwohlfahrt, Deutscher Paritätischer<br />

Wohlfahrtsverband, Deutsches Rotes Kreuz, Evangelischer<br />

Fachverband für Frauengesundheit e.V. und Katholische Arbeitsgemeinschaft<br />

für Müttergenesung zusammengeschlossen. Zum<br />

Verbund gehören heute rund 1.400 Beratungsstellen bei den<br />

Wohlfahrtsverbänden und 84 anerkannte Einrichtungen.<br />

Das MGW war seit jeher verbunden mit den Spendensammlungen<br />

rund um den Muttertag. Und auch heute noch werden die Spendengelder<br />

genutzt, um den Frauen bei der Finanzierung der Kurmaßnahmen<br />

zu helfen, die sie ansonsten nicht antreten könnten, um<br />

qualifizierte Nachsorge und Informations- und Aufklärungsarbeit anzubieten.<br />

SpenderInnen mit kleinen blauen oder bunten Blumen zu<br />

beschenken ist eine inzwischen fast 60jährige Tradition.<br />

Rund 4 Millionen Mütter und Kinder sind in 6 Jahrzehnten Müttergenesungswerk<br />

zu mehr Gesundheit und Lebensfreude gelangt.<br />

Mehr als 2 Millionen Mütter sind heute kurbedürftig. Hier liegt die<br />

Zukunft des MGW und die fängt jetzt an.<br />

Alle Informationen zum Müttergenesungswerk finden Sie auf<br />

www.muettergenesungswerk.de.<br />

K a t r i n G o ß e n s<br />

Das Ev. Kurzentrum GODE TIED im Nordseeheilbad Büsum bietet<br />

40 Müttern und ihren Kindern (1,5 -13 Jahre) frauenspezifische<br />

und ganzheitliche Vorsorge- und Rehamaßnahmen an. Dabei erfüllen<br />

wir zusätzlich zu den gesetzlichen Bestimmungen auch die besonderen<br />

Qualitätskriterien des Müttergenesungswerkes. Mehr unter<br />

www.godetied.com oder rufen Sie uns an: 04834 - 9509 0.<br />

Neu im Team ist Andrea Boyer. Nach acht Jahren als Gleichstellungsbeauftragte<br />

des Kreises Nordfriesland ist sie seit 1. Februar Geschäftsführerin<br />

von GODE TIED. Andrea Boyer ist Sozialpädagogin und hat<br />

den Master ‘Science of Social Work’ erworben. Sie ist zu erreichen<br />

unter Fon 04834 - 9509 130, aboyer@ne-fw.de.<br />

Das Nordelbische <strong>Frauenwerk</strong> ist die Landesgeschäftsstelle für<br />

Müttergenesung im Ev. Fachverband für Frauengesundheit. Die<br />

MGW-Kurberatungsstellen in den Kirchenkreisen vermitteln<br />

jährlich 3.000 Frauen und Kinder aus Hamburg und Schleswig-<br />

Holstein in eine Kur.<br />

M a r i a n n e L i n d e n b e r g


Fotos: Dagmar Krok, Annette Pawelitzki<br />

7<br />

i n n o v a t i v e<br />

Frauensichten auf die Finanzkrise<br />

Wie geht es anders?<br />

Unter diesem Motto fanden sich im Januar trotz Glatteis und Schnee<br />

90 Frauen und einige Männer in den Räumen der Kieler Landesbibliothek<br />

ein. „Verzockt“, so Heide Simonis, haben sich die<br />

Männer in den Banken. Dass Heide Simonis als eine der wenigen<br />

Frauen in der Männerdomäne des Aufsichtsrats der HSH-Nordbank<br />

nicht viel ausrichten konnte, wunderte die feministische Ethikerin, Ina<br />

Praetorius, nicht.<br />

In ihrem Modell einer ‚Ökonomie der Geburtlichkeit’ würde es so etwas<br />

wie eine Finanzkrise nicht geben. Ihr zufolge liegt der Ursprung<br />

der Fehlentwicklung der Ökonomie in der Antike, bei Aristoteles<br />

und dessen Zweiteilung der Welt in die Sphäre des Haushalts, der<br />

unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung, die den Frauen zugeordnet<br />

wurde und in die Sphäre des außerhäuslichen Bereichs, der Polis,<br />

die den freien Männern für Politik und Theoriebildung vorbehalten<br />

war. Die Folge davon sei, dass es in der Ökonomie von heute nicht<br />

mehr um Bedürfnisse von Menschen gehe, obgleich die Ökonomie<br />

beanspruche, die Lehre der Bedürfnisbefriedigung zu sein. Es gehe<br />

heute nur um Geld, Geldvermehrung, Zins-, Diskontsätze und Profite.<br />

Durch den freien Markt würden menschliche Bedürfnisse angeblich<br />

automatisch befriedigt. Menschen seien aber nicht autonome freie<br />

Markt-AkteurInnen, sondern vor ihrer Geburt abhängig vom Mutterleib<br />

und danach von anderen, von der Natur und ihrer Umwelt. Die<br />

‚Ökonomie der Geburtlichkeit’ jedoch überwinde die Zweiteilung von<br />

Hauhalt und Polis. In ihr dürfe es wieder um die Befriedigung menschlicher<br />

Bedürfnisse gehen. Sie stellt die Abhängigkeit des Menschen<br />

neben dessen Freiheit.<br />

Wenn wir die Sphären des Haushalts und der Polis verbinden wollen<br />

und ein neues Verständnis von Ökonomie suchen, müssen wir uns<br />

mit den Niederungen der heutigen Finanzwirtschaft auseinandersetzen.<br />

Hinsichtlich der Frage, was wir tun können, um der postpatriarchalen<br />

Wirtschaftsordnung ein Stück näher zu kommen, bekamen<br />

wir Hinweise von Heide Simonis, die die Sprache und Glaubwürdigkeit<br />

von BankerInnen und GutachterInnen kritisierte, von deren wahrheitsgemäßen<br />

Informationen sie als Aufsichtsratsmitglied der HSH-<br />

Weitere fotografische Impressionen der Veranstaltung „Frauensichten auf die Finanzkrise – wie geht es<br />

anders?“ finden Sie auf der Rückseite der innovative<br />

P r o j e k t e ı A k t i o n e n<br />

Nordbank abhängig war. Die mit Anglizismen durchsetzte Sprache<br />

der Banker grenze aus und erschwere die Aufsicht. „Wir brauchen<br />

eine verständliche und transparente Sprache“, forderte sie. Die<br />

HSH-Nordbank müsse wieder zu einer Regionalbank werden. Es<br />

müsse aufhören, dass Geld mit Geld erzeugt wird.<br />

Sehr authentisch war Kristina Kirchmann, die aus moralischen<br />

Gründen ihre Arbeit in verantwortlicher Position bei einer Bank<br />

aufgegeben hat und die üblichen Anlageprodukte (Versicherungen,<br />

private Renten, Fondssparen etc.), bei denen es mehr um Provisionen<br />

als um gute Beratung gehe, in Frage stellte.<br />

Die Frage der verantwortungsbewussten Anlageberatung wurde zum<br />

Schluss der Veranstaltung durch Christa Pruessner von Oiko-Credit<br />

gelöst. Bei Oiko-Credit kann Geld ethisch korrekt in sinnvolle<br />

Projekte der Realwirtschaft in der Einen Welt angelegt werden.<br />

Ein Highlight waren die ClowNetten mit drei wunderbaren Szenen<br />

zur Funktionsweise der Finanzmärkte. Kein noch so guter Vortrag<br />

hätte die Hintergründe klarer und anschaulicher vermitteln können.<br />

Angeregt wurde ich intensiver über unser Freiheitsverständnis, unser<br />

Menschenbild und seine philosophische und theologische Begründung<br />

nachzudenken – und gleichzeitig weiter Frauen zu ermutigen,<br />

jeden Tag den Wirtschaftsteil der Tageszeitung zu lesen und<br />

die dort reproduzierten Normen und Werte sowie die Sprache zu hinterfragen<br />

und den Ausverkauf des Gemeinwohls zugunsten der<br />

Misswirtschaft von Bankern zu beenden.<br />

Die Veranstalterinnen (Elisabeth Christa Markert, <strong>Frauenwerk</strong> Altholstein,<br />

Julia Patzke, Ev. Bildungswerk des Kirchenkreises Plön-<br />

Segeberg und Waltraud Waidelich, <strong>Nordelbisches</strong> <strong>Frauenwerk</strong>) regen<br />

an, in den <strong>Frauenwerk</strong>en Runde Tische zum Thema „Frauen<br />

und Geld“ als einen Ort des Nachdenkens zu etablieren und stellen<br />

dafür ihre fachliche Kompetenz zur Verfügung.<br />

Tipp<br />

www.bzw-weiterdenken.de<br />

„beziehungsweise – weiterdenken“<br />

ist ein Internetforum,<br />

das ein philosophisches<br />

und politisches Gespräch<br />

unter Frauen ermöglicht, u.a.<br />

auch über die Finanzkrise.<br />

W a l t r a u d W a i d e l i c h


P r o j e k t e ı A k t i o n e n i n n o v a t i v e<br />

Es muss anders gehen …<br />

Überlegungen zum ‚Wachstum’<br />

„Wenn der Professor seine Haushälterin heiratet, sinkt das<br />

Bruttoinlandsprodukt.“ Dieser Satz ist ein klassisches Beispiel aus<br />

Lehrveranstaltungen der Volkswirtschaftslehre. Das Bruttoinlandsprodukt<br />

(BIP) sinkt, weil die Arbeit der Haushälterin dann nicht mehr<br />

an sie bezahlt wird, denn das BIP erfasst den Wert aller Güter und<br />

Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft in einem bestimmten<br />

Zeitraum. Das BIP ist die zentrale Messgröße für die Leistungsfähigkeit<br />

von Volkswirtschaften. Ein sinkendes BIP geht bei steigender<br />

Bevölkerungszahl mit Erwerbslosigkeit einher. So lauten die<br />

Definitionen in Nachschlagewerken.<br />

In den letzten Jahren gibt es eine zunehmende Kritik, vor allem<br />

aus ökologischer Sicht, am Wachstumsbegriff, so beispielsweise<br />

in der Studie ‚Zukunftsfähiges Deutschland’ (Hg.: Brot für die<br />

Welt, BUND, Ev. Entwicklungsdienst) vom vergangenen Jahr, die an<br />

die Studie des Club of Rome erinnert, in der schon 1972 auf den<br />

Widerspruch zwischen Wachstum und Ökologie aufmerksam gemacht<br />

wurde. Das Statistische Bundesamt erfasst im BIP alle Güter<br />

und Dienstleistungen, die bezahlt werden. Dies hat zur Folge, dass<br />

alle Krankheiten, die gegen Gebühr behandelt werden, das BIP steigern.<br />

Auch Kriege, Katastrophen, Unfälle können das Wachstum<br />

erhöhen. Kritisch an unserem Wachstumskonzept ist, dass es auf<br />

Nutzung und Ausbeutung von Rohstoffen und natürlichen<br />

Ressourcen basiert, die nicht unendlich auf der Erde vorhanden<br />

sind und ökologische Folgekosten nicht einrechnet. Durch Ersteres<br />

ist dem Wachstum eine endliche Grenze gesetzt. Die exponentiellen<br />

Wachstumsraten müssen irgendwann, mit mathematischer<br />

Logik betrachtet, abflachen.<br />

„ÖkonomInnen sind der Gesellschaft schon seit Jahren intelligentere<br />

Wachstumsbegriffe und -messarten schuldig“, so ein<br />

empörter Meteorologe, mit dem ich neulich sprach. Wer sich mit<br />

Fragen von Ökologie und Nachhaltigkeit beschäftigt, der oder dem<br />

müsse Angela Merkels Appell „Wir müssen alle etwas tun für mehr<br />

Wachstum“ und das Wachstumsbeschleunigungsgesetz oder die<br />

Abwrackprämie wie aus einer Welt von vorgestern erscheinen. Die<br />

Widersprüche zwischen Nachhaltigkeitserfordernissen und den<br />

Aussagen der ParteipolitikerInnen aller Parteien sind unerträglich.<br />

Zum Glück gibt es einige Ökonomen, die über den Tellerrand schauen<br />

und z. B. den volkswirtschaftlichen Nutzen der Arbeit von<br />

Bankern mit der von Krankenschwestern vergleichen: Den französischen<br />

Präsidenten Sarkozy, der eine Studie zur Neuberechnung<br />

des Bruttoinlandsprodukts in Auftrag gab, oder den Ökonomen<br />

Niko Paech, der auf dem Politischen Kirchentag in Plön 2009 für<br />

eine „Ökonomie jenseits des Wachstums“ eintrat. Und es gibt das<br />

Positionspapier der Nordelbischen Arbeitsgemeinschaft für<br />

Frauenarbeit zur ‚Neubewertung von Arbeit’, in dem es um die<br />

Bezahlung von Sorgearbeit geht. Denn die Bezahlung von bislang<br />

unbezahlter Sorge- oder Care-Arbeit würde das Wachstum steigern.<br />

Wenn die Ehefrau des Professors von Anfang an Geld für ihre<br />

Leistung bekäme, wäre das ein ökologisch relativ neutraler Beitrag<br />

zum Wachstum. Die 96 Mrd. Stunden unbezahlte Arbeit, die<br />

jährlich in den privaten Haushalten der Volkswirtschaften geleistet<br />

werden, bilden ein ausreichend großes Wachstumsreservoir,<br />

das durch eine schlichte Neudefinition von Arbeit,<br />

gehoben werden könnte.<br />

8<br />

W a l t r a u d W a i d e l i c h<br />

„Kritisch an unserem Wachstumskonzept ist, dass<br />

es auf Nutzung und Ausbeutung von Rohstoffen<br />

und natürlichen Ressourcen basiert, die nicht<br />

unendlich auf der Erde vorhanden sind und ökolo-<br />

gische Folgekosten nicht einrechnet.“ Waltraud Waidelich


9<br />

i n n o v a t i v e<br />

P r o j e k t e ı A k t i o n e n<br />

In diesen Seminaren und Reisen sind noch Plätze frei<br />

– melden Sie sich an oder fordern Sie unser ausführliches Programm 2010 an<br />

Sommerliche Klosterreise auf den<br />

Schwanberg<br />

Eine Woche bei den Schwestern der<br />

Communität Casteller Ring<br />

b 14. - 21. August<br />

Schnupperkurs Feministische Theologie<br />

Hintergründe, Grundlagen und Methodik<br />

b SA, 4. September, 10 - 16 Uhr, Kiel<br />

Oase der Stille<br />

Ein Wochenende im Schweigen<br />

b 17. - 19. September, Ratzeburg<br />

Klosterwoche in der Abtei St. Hildegard<br />

bei Rüdesheim/Rhein<br />

Erholung für Seele, Geist und Körper<br />

– Hildegard von Bingen<br />

b 25. September - 1. Oktober<br />

Weltgebetstags - Special zu Chile<br />

Umkehren zum Leben<br />

Für Weltgebetstags-Teams und<br />

Interessierte<br />

b SA, 25. September<br />

9.30 - 16 Uhr, Kiel<br />

Zum herbstlichen Kranichzug<br />

auf die Halbinsel Darß<br />

Erholungstage in Mecklenburg-<br />

Vorpommern – zu Fuß, mit Rad,<br />

Bus und Schiff<br />

b 5. - 11. Oktober<br />

Es geht auch anders:<br />

Endlich Schluss mit dem Chaos<br />

Selbst- und Zeitmanagement für Frauen<br />

b MI, 6. Oktober, 10 - 16 Uhr, Kiel<br />

Nordelbische Musikwerkstatt<br />

zum Weltgebetstag 2011<br />

Musik aus Chile<br />

Für Weltgebetstags-Teams<br />

b SA, 16. Oktober, 10 - 17 Uhr, Hamburg<br />

Gekonnt diskutieren und Reden halten<br />

Fast ohne Stress – Für Synodalinnen<br />

und Frauen aus anderen Gremien<br />

b DO, 21. Oktober, 10 - 16 Uhr, Kiel<br />

Frauensichten auf das<br />

bedingungslose Grundeinkommen<br />

Es gibt Differenzen – diskutieren wir sie!<br />

b SA, 23. Oktober, 11 - 19 Uhr, Hamburg<br />

Fairführung ist (k)eine Kunst<br />

Über ‚ethischen’ Konsum<br />

b DO, 28. Oktober, 19 - 21 Uhr, Kiel<br />

Frauen-Friedens-Tag<br />

Gottesdienst und Engagement<br />

b SA, 30. Oktober, 10 - 15 Uhr, Flensburg<br />

Nordelbische Weltgebetstagswerkstätten<br />

Für <strong>Frauenwerk</strong>sleiterinnen<br />

und ihre Weltgebetstags-Teams<br />

b FR, 12. November (15 Uhr) –<br />

SA, 13. November (17 Uhr) Rendsburg<br />

bzw. MI, 17. November 10 - 18 Uhr, Kiel<br />

Völkervielfalt in Hamburg (Tagesfahrt)<br />

Jüdischer Salon des Cafés Leonar, „Markt der<br />

Völker“, Teezeremonie i. Chinesischen Pavillon<br />

b SA, 13. November<br />

Guter Lohn für gute Arbeit<br />

– was motiviert Frauen?<br />

Treffpunkt: Beruf & Karriere<br />

b DO, 25. November, 19 - 21 Uhr, Hamburg<br />

Weltgebetstag mit Jugendlichen<br />

Für Pastorinnen, Mitarbeiterinnen<br />

in der Jugendarbeit, <strong>Frauenwerk</strong>sleiterinnen<br />

und ihre Teams<br />

b SA, 27. November, 10 - 17 Uhr, Kiel<br />

Salzburg im Advent<br />

Ein Wintermärchen<br />

b 9. - 14. Dezember<br />

ANMELDUNG<br />

b SEMINARE<br />

Fon 0431 – 55 779 112<br />

seminare@ne-fw.de<br />

b REISEN<br />

Fon 0431 – 55 779 111<br />

frauenreisen@ne-fw.de


P r o j e k t e ı A k t i o n e n<br />

Entlassung aus der Vormundschaft<br />

Aktuelles zur Frauenemanzipation<br />

„Emanzipation“ heißt Entlassung aus der Vormundschaft oder –<br />

wörtlich – Freigabe aus der (behütenden und beherrschenden)<br />

Hand des Vormunds. Diese Worterklärung hat Barbara Sichtermann<br />

an den Anfang ihrer Vorrede gestellt. Mit großem Vergnügen habe ich<br />

das Buch gelesen, gut recherchiert, mit Blick auf die Entwicklungen<br />

in England, Frankreich, Amerika; klug zusammengefasst und interpretiert,<br />

mit vielen Aspekten, die auch mir neu waren.<br />

Beim Lesen sind mir viele Beispiele eingefallen für eine ungleiche<br />

Behandlung von Frauen und Männern. Manchmal waren es nur<br />

kleine Absonderlichkeiten, an die ich mich erinnerte und die<br />

heute zum Glück keine Rolle mehr spielen: z. B. die Damenhosen,<br />

die nur seitlich einen Reißverschluss haben durften. Kreuzunglücklich<br />

war ich, als ich die achte Klasse wiederholen musste und noch ein<br />

Jahr „Handarbeiten“ als Pflichtfach hatte, während die Jungen zwei<br />

Freistunden hatten. Oder das Verbot, als Praktikantin in der<br />

Stadtbücherei Hosen zu tragen. Auf meine Nachfrage hin sagte der<br />

Stadtrat: „Stellen Sie sich doch einmal Ihre Leiterin in Hosen vor, das<br />

sähe bei der Figur doch ganz unmöglich aus.“ Ich war damals nicht<br />

schlagfertig genug, um zu kontern: „Dann müssten ja auch alle dicken<br />

Männer einen Kilt tragen.“ Es sind oft diese kleinen schmerzhaften<br />

Stiche, die die scheinbar „natürliche“ Dominanz der Männer untermauern<br />

sollten. „Fräulein“ statt „Frau“, „Vikarin“ statt „Pastorin“.<br />

Wie gut, dass es immer mehr Männer und Frauen gibt, die heut einen<br />

anderen Blick auf die Welt haben, doch es bleibt notwendig, wachsam<br />

zu sein und sich zu wehren.<br />

Sichtermann beginnt die Geschichte der Frauenemanzipation<br />

mit dem Jahr 1733, als sich Emilie du Chátelet, eine junge selbstbewusste<br />

Dame mit herausragendem Wissen, durch das Tragen<br />

von Männerkleidung Zutritt verschafft in das Pariser Café<br />

Gradot, das, wie alle anderen Kaffeehäuser, Frauen den Besuch<br />

verbat. Nach ihrem Tod schreibt Voltaire, der lange Zeit ihr Geliebter<br />

war: „Sie war ein großer Mann, dessen einziger Fehler es war, eine<br />

Frau zu sein.“<br />

Barbara Sichtermann:<br />

Kurze Geschichte<br />

der Frauenemanzipation<br />

Verlagshaus Jacoby & Stuart<br />

Berlin 2009<br />

ISBN 978-3-94-1087-38-5<br />

14,95 Euro<br />

i n n o v a t i v e<br />

10<br />

Auch Simone de Beauvoir (1908 - 86) steht als junge Frau der Frauenbewegung<br />

fern, überzeugt davon, dass jede Frau die Chance<br />

habe, durch Anstrengungen und Beharrlichkeit ihre Ziele zu erreichen.<br />

Doch das Leben hat sie anscheinend eines Besseren belehrt<br />

und uns ihr Buch „Das andere Geschlecht“ geschenkt. Viele Frauen<br />

und manche Männer sind dadurch ermutigt worden, ungleiche<br />

Verhältnisse zu ändern.<br />

Für die Frauenemanzipation in der Bundesrepublik von grundsätzlicher<br />

Bedeutung - im wahrsten Sinne - war die Juristin und<br />

SPD-Politikerin Elisabeth Selbert. Nur ihrer Beharrlichkeit haben<br />

wir es zu verdanken, dass der Artikel 3 im Grundgesetz ergänzt wurde<br />

durch die Sätze “Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der<br />

Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung<br />

von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender<br />

Nachteile hin.“ Für uns heute ist kaum noch vorstellbar, wie heftig der<br />

Widerstand der Männer war, ins besondere aus der CDU und beiden<br />

großen Kirchen.<br />

Barbara Sichtermann beendet ihre „Kurze Geschichte der Frauenemanzipation“<br />

mit einem Ausblick in die Zukunft: „Maßstab … der<br />

erfolgten Frauenemanzipation ist …, ob und wie die Frau den Schirm<br />

der männlichen Projektion, der über ihr und um sie herum aufgespannt<br />

ist, durchbricht und beseitigt und sich ihren Teil der Welt und<br />

der Öffentlichkeit und der Selbstbestimmung holt – und ihn genießt.“<br />

Ein weiteres Buch zum Thema „Emanzipation“ hat Irma Hildebrandt<br />

geschrieben: “Frauen setzen Akzente“. Biografien u. a. von Hannah<br />

Ahrendt, Hildegard Hamm-Brücher, Petra Kelly und Dorothee<br />

Sölle. Ein interessantes Buch – einen Kritikpunkt muss ich jedoch<br />

anmerken: Auch wenn ich berücksichtige, dass eine Auswahl von<br />

Personen immer lückenhaft bleiben muss, ist mir unverständlich,<br />

dass I. Hildebrandt zwar Artikel 3 des Grundgesetzes zitiert, aber im<br />

ganzen Buch kein Hinweis auf Elisabeth Selbert zu finden ist, die so<br />

heftig dafür gekämpft und damit die Bundesrepublik bis heute entscheidend<br />

mitgeprägt hat.<br />

Irma Hildebrandt:<br />

Frauen setzen Akzente<br />

Prägende Gestalten<br />

der Bundesrepublik<br />

Diederichs-Verlag<br />

München 2009<br />

ISBN 978-3-424-35003-6<br />

14,95 Euro<br />

M a r i a n n e L i n d e n b e r g


11 i n n o v a t i v e<br />

P r o j e k t e ı A k t i o n e n<br />

Frauen-Friedens-Tag<br />

Neuer Termin!<br />

Am 7. (!) November 2010 von 11 bis 15.30 Uhr (Achtung: Terminänderung<br />

gegenüber unserem Programm), zu Beginn der Friedensdekade<br />

„Es ist Krieg, entrüstet euch“, findet der zweite Frauen-<br />

Friedens-Tag statt, dieses Mal in St. Nikolai Flensburg. Frauen aus<br />

ganz Nordelbien sind herzlich willkommen!<br />

Angelehnt an das Motto des Weltgebetstages „Informiertes Beten,<br />

betendes Handeln“ setzen wir uns in einem thematischen und einem<br />

gottesdienstlichen Teil mit den Fragen „Gibt es einen Frieden<br />

um jeden Preis?“ „Kann mit Gewalt wirklich Frieden hergestellt<br />

werden?“ auseinander.<br />

Das Thema Frieden geriet in den letzten Jahren immer wieder in den<br />

Hintergrund. Mit dem Frauen-Friedens-Tag bleiben wir an dem Thema<br />

dran und wollen mit Ihnen darüber ins Gespräch kommen.<br />

An diesem Tag wird ein Teil der Ausstellung „1.000 Frauen für den<br />

Frieden“ zu sehen sein, bei der Porträts von Frauen aus aller Welt gezeigt<br />

werden, die sich tagtäglich mutig und oft wenig beachtet auf<br />

lokaler, nationaler und internationaler Ebene für Frieden und Sicherheit<br />

einsetzen. 2005 wurden die 1.000 Frauen für den Frieden stellvertretend<br />

für hunderttausende Friedensstifterinnen für den Friedensnobelpreis<br />

nominiert. Mehr unter www.1000peacewomen.org.<br />

Mit der Kollekte des Gottesdienstes<br />

werden wir<br />

wieder AMICA e.V. in ihrer<br />

Arbeit mit traumatisierten<br />

Frauen in Kriegsgebieten<br />

unterstützen.<br />

Anmeldung<br />

erbeten unter<br />

0431 – 55 779 112 oder<br />

seminare@ne-fw.de.<br />

J u l i a L e r s c h<br />

www.ne-fw.de<br />

Service für Sie:<br />

Unser neuer Internet-Auftritt startet<br />

immer mit „Aktuelles“ – damit Sie<br />

gleich auf dem Laufenden sind!<br />

Außerdem finden Sie das Nordelbische<br />

<strong>Frauenwerk</strong> auch unter<br />

www.Kirche-im-Norden.de, der<br />

Internetseite „Gemeinsam auf dem<br />

Weg“ des Verbandes der Evangelisch-lutherischen<br />

Kirchen in<br />

Norddeutschland.<br />

Wir geben Antworten zu:<br />

l Was kennzeichnet unseren<br />

Arbeitsbereich?<br />

l Was wünschen wir uns für<br />

die gemeinsame Kirche?<br />

l Welche Befürchtungen<br />

haben wir?<br />

l Was wird sich durch eine<br />

<strong>Nordkirche</strong> bei uns ändern?<br />

l Wie soll die neue Kirche<br />

heißen?<br />

A n n e t t e P a w e l i t z k i


P r o j e k t e ı A k t i o n e n<br />

Neuer Vorstand<br />

Nordelbische ‚Frauensynode’<br />

Auf ihrer konstituierenden Sitzung hat die Nordelbische Arbeitsgemeinschaft<br />

für Frauenarbeit, die ‚Frauensynode’, einen neuen Vorstand<br />

gewählt (siehe „Letzte Meldung“ in der innovative 21, Anm. d.<br />

Red.). Die Delegierten aus Kirchenkreisen und Gemeinden wählten<br />

Anne Riekenberg-Wittfoth (Sarkwitz), Ute Morgenroth (Flensburg)<br />

und Gabriele Lüttmer (Rendsburg) für die nächsten sechs Jahre.<br />

Neue Vorsitzende ist Anne Riekenberg-Wittfoth (50), sie war dies<br />

bereits in der letzten Legislaturperiode. A. Riekenberg-Wittfoth,<br />

Fachwirtin für Grundstücks- und Wohnungswirtschaft, gehört zum<br />

Beirat des Ev. <strong>Frauenwerk</strong>es Ostholstein/Region Eutin, ist dort<br />

Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Frauenarbeit und ist<br />

Mitglied im neu gebildeten Kuratorium des Hauptbereiches „Frauen,<br />

Männer, Jugend“. „Es ist wichtiger denn je, kirchen- und frauenpolitische<br />

Akzente zu setzen, z.B. gegen Frauen-Armut oder für Gleichberechtigung<br />

in Leitungsämtern und Gremien. Die Themen der<br />

Frauensynode sollen so sein, dass Frauen viel in die Kirchenkreise<br />

und Gemeinden mitnehmen können“, sagte Anne Riekenberg-<br />

Wittfoth nach ihrer Wahl.<br />

Ute Morgenroth (45), Referentin für Frauenarbeit im Kirchenkreis<br />

Schleswig-Flensburg (Region Flensburg), war bereits in der letzten<br />

Legislaturperiode im Vorstand der Frauensynode. Sie ist neben ihrer<br />

halben Stelle als Referentin Geschäftsführerin des Seniorenforums<br />

Flensburg sowie als Steuerfachgehilfin tätig.<br />

Gabriele Lüttmer (46) ist Logotherapeutin und Mentorin für Persönlichkeitsbildung,<br />

sie engagiert sich ehrenamtlich im Ev.<br />

<strong>Frauenwerk</strong> Rendsburg-Eckernförde und ist Koordinatorin von<br />

Wellcome (Praktische Hilfen für Familien nach der Geburt).<br />

Die Nordelbische AG für Frauenarbeit ist die ,Frauensynode’ Nordelbiens,<br />

mit Delegierten aus Kirchenkreisen, Gemeinden und Diensten<br />

und Werken. Dieses Frauenparlament tagt zweimal im Jahr und berät<br />

frauen-, gesellschafts- und kirchenpolitische Themen.<br />

Foto: Dagmar Krok<br />

Gabriele Lüttmer,<br />

Ute Morgenroth,<br />

Anne Riekenberg-Wittfoth,<br />

v. li.<br />

A n n e t t e P a w e l i t z k i<br />

Ökumene weiblich<br />

i n n o v a t i v e<br />

12<br />

Das Ökumenische Forum Christlicher Frauen in Europa<br />

war mehrmals Thema in der innovative – nun wurde die<br />

lebendige Geschichte aufgeschrieben. Autorinnen aus<br />

Nordelbien im gerade erschienenen Buch sind u.a.<br />

Gerhildt Calies, Ermina Freytag, Dr. Cornelia Göksu und<br />

Renate Gresens.<br />

Aus Anlass seines rund 30jährigen Bestehens gibt das deutsche<br />

Ökumenische Forum Christlicher Frauen in Europa (ÖFCFE) eine<br />

Dokumentation seiner Geschichte heraus. Forumsgeschichte wurde<br />

bisher überwiegend gelebt und nur mündlich weitergegeben. Die<br />

Geschichte des deutschen Forums ist, besonders in ihren Anfängen,<br />

untrennbar mit der Geschichte des gesamten Forums in Europa verknüpft.<br />

Es lebt und lebte von dem Engagement einzelner Persönlichkeiten.<br />

Die meisten sind Delegierte aus den zahlreichen Mitgliedsorganisationen,<br />

schauen Sie doch einmal auf die Homepage www.<br />

oekumeneforum.de. Das Buch enthält eine Fülle von Anregungen<br />

und „best practice-Beispielen“ aus mehr als 25 Jahren ökumenischer<br />

Bildungs- und Versöhnungsarbeit in Deutschland und Europa. Das<br />

Besondere: Alle Beiträge wurden von Zeitzeuginnen verfasst.<br />

Auch aus Nordelbien sind einige Beiträge von engagierten Frauen<br />

dabei, die Forumsgeschichte mitgeschrieben haben. So erhält die<br />

„Ökumene weiblich“ Antlitz und Profil.<br />

Dazu Dr. Cornelia Göksu, Redakteurin und Co-Autorin: „Als ich dem<br />

Forum 2002 in Berlin zum ersten Mal begegnete, wurde gerade das<br />

20-jährige Bestehen gefeiert. Spontan war ich fasziniert von der<br />

Fülle und der Vielfalt beeindruckender Frauenpersönlichkeiten.<br />

Und wo bleibt eine Festschrift, fragte sich bang die Historikerin in<br />

mir? Dass es nach vielen Jahren und zahlreichen Ansätzen den jetzigen<br />

Vorstandsfrauen und einem engagierten Redaktionsteam gelingen<br />

konnte, dieses Projekt umzusetzen, ist ein großer Erfolg!“.<br />

Sie sind herzlich zu einem Treffen des ÖFCFE eingeladen! Für weitere<br />

Fragen wenden Sie sich gern an mich, Fon 0431 - 55 779 101.<br />

Ökumenisches Forum Christlicher<br />

Frauen in Europa (Hg.):<br />

Ökumene weiblich<br />

J u l i a L e r s c h<br />

Frauen überschreiten Grenzen<br />

Frank & Timme Verlag<br />

Berlin 2010<br />

ISBN 978-3-86596-268-3<br />

25 Euro<br />

Vorzugspreis für Mitglieder<br />

des ÖFCFE: 13,50 Euro


13<br />

i n n o v a t i v e<br />

Etwas davon wird bleiben<br />

Frauen begegnen im Land der Bibel<br />

„Meistens steht am Anfang ein Felsen“ sagt unsere Reiseleiterin. „Auf<br />

ihm wird dann eine Kirche gebaut, später vielleicht auch eine Moschee.“<br />

Noch später vielleicht wieder eine Kirche. Wer in Israel/Palästina<br />

die „heiligen Stätten“ besucht, hat es mit vielen solcher Orte zu<br />

tun. Die Menschen, die zu diesen Stätten pilgern, suchen den<br />

Kontakt, legen die Hand auf den Felsen, berühren etwas, das älter<br />

und größer ist als sie selbst. Und in diesem Kontakt suchen sie<br />

Stärkung und Kraft. Da ist der Berg Moriah, auf dem heute der Felsendom<br />

steht, da ist der Felsen Golgatha, heute in der Grabeskirche,<br />

der Felsen in Gethsemane, wo Jesus das Gebet sprach „Lass diesen<br />

Kelch an mir vorüber gehen!“<br />

Die Frauen, die im März auf den Spuren der Bibel unterwegs sind,<br />

suchen ihren eigenen Umgang mit den Orten und Texten. Gemeinsam<br />

mit der Theologin Dr. Klara Butting und der Deutsch-Israelin Gaby<br />

Levy besichtigen wir die Stätten und Orte und lesen Texte der Bibel.<br />

„Ihr seid mit vielen Fragen hierher gekommen. Wenn ihr wieder nach<br />

Hause fahrt, werdet Ihr noch mehr Fragen haben“ sagt Gaby zur<br />

Begrüßung. Genauso ist es. Die Fragen werden mehr, nicht weniger.<br />

Im Garten Gethsemane stellte Jesus die Frage „Warum könnt ihr nicht<br />

eine Stunde mit mir wachen?“ Und wir fragen: „Was könnte es heute<br />

heißen zu wachen?“ Am Berg der Versuchung gehen wir der Erzählung<br />

nach, in der Jesus vom Teufel versucht wird, der ihm die Heilige<br />

Schrift zitiert und vorhält: „wenn du Gottes Sohn bist, so wirf dich hinab,<br />

denn es steht geschrieben. Er wird seinen Engeln befehlen, dich<br />

auf den Händen zu tragen.“ Und am Abend kommen wir miteinander<br />

ins Gespräch darüber, wie es ist, wenn die Schrift selbst zur<br />

Versuchung wird – in einem Land, wo der Fundamentalismus<br />

erstarkt und das Zitieren heiliger Schriften gebraucht wird, um<br />

Macht und Land zu legitimieren. Und: Was bedeutet uns selbst die<br />

Bibel? Wie verstehen wir sie? Wer ist Jesus Christus für uns? Warten<br />

wir auf den Messias oder warten wir überhaupt auf etwas? Was können<br />

wir vom Judentum lernen? Und dazwischen immer wieder die<br />

Frage: Wie kann Frieden werden in diesem Land? Denn das Land<br />

der Bibel ist ein Land voller Spannung, voller Gewalt. Hoffnung und<br />

Hoffnungslosigkeit liegen vielleicht nirgendwo näher beieinander.<br />

P r o j e k t e ı A k t i o n e n<br />

Neben den Begegnungen mit den Stätten und Texten, gibt es die<br />

Begegnung mit Frauen. In Bethlehem treffen wir Faten, eine Palästinenserin.<br />

Sie erzählt von einem Alltag mit Einschränkungen.<br />

Von Patriarchat. Von Besatzung. Von der Mauer, die den kurzen<br />

Weg nach Jerusalem oder zum Meer unmöglich oder zumindest zu<br />

einem seltenen Ereignis macht. Wir begegnen den Frauen im<br />

Flüchtlingscamp Dheisheh. Dort gibt es ein Projekt von Amica e.V., in<br />

dem traumatisierte Frauen betreut werden. Viele der Frauen haben<br />

einen Ehemann oder Sohn, der schon lange im Gefängnis sitzt. Von<br />

Amica finanziert gibt es Selbsthilfegruppen, Einzelberatung und auch<br />

andere Angebote, in denen die Frauen Unterstützung für ihren<br />

schwierigen Alltag finden. Wir kommen als Touristinnen ohne Probleme<br />

durch die Checkpoints an Grenzzaun und Mauer.<br />

Und am anderen Tag tauchen wir ein in eine andere Welt. Wir besuchen<br />

die Har-El-Synagoge in Jerusalem. Die Gemeinde wurde gegründet<br />

von Shalom Ben Chorin als erste Reformsynagoge in<br />

Jerusalem. Jetzt begrüßt uns die Leiterin der Gemeinde Rabbinerin<br />

Ada Zavidov. In dieser Gemeinde gibt es nicht nur die Bar Mizwa für<br />

Jungen, sondern auch die Bat Mizwa, das Ritual der ersten Toralesung<br />

vor der Gemeinde auch für Mädchen. Frauen und Männer sitzen gemeinsam<br />

im Gottesdienst. Die Sprache der Liturgie ist verständlich<br />

und egalitär. Ada erzählt mit leuchtenden Augen warum sie gerade<br />

hier Rabbinerin ist. Dann kommt noch Avital Ben Chorin, die<br />

Witwe Shalom Ben Chorins. Sie spricht einige Worte auf Deutsch zu<br />

uns. (Die gebürtige Eisenacherin kam 1936 nach Palästina.) Dann<br />

beginnt der Gottesdienst. Wir werden hinein genommen in das<br />

Singen und Beten der jüdischen Gemeinde. Wir sind Gäste, erleben<br />

Verbundenheit trotz aller Fremdheit. Etwas davon wird bleiben.<br />

Auf den Golanhöhen Rabbinerin Ada Zavidor zeigt die Torarolle<br />

G u n d u l a D ö r i n g


P r o j e k t e ı A k t i o n e n<br />

Neue Dokumentation:<br />

Christlich-islamischer Frauendialog<br />

Diese Dokumentation einer Studientagsreihe (2006 - 2008) des<br />

Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong>es in Kooperation mit dem Frauenausschuss<br />

der SCHURA (Rat islamischer Gemeinschaften) können Sie<br />

nun bei uns beziehen. Sie kostet 2 Euro.<br />

Fon 0431 - 55 779 107, uschroeder@ne-fw.de.<br />

2011: 100 Jahre Internationaler Frauentag<br />

Anlässlich des Jubiläums „100 Jahre Internationaler Frauentag“ wird<br />

es 2011 überall große Veranstaltungen geben, in Hamburg ist z.B.<br />

ein Empfang im Rathaus geplant, Workshops, eine Netzwerkmeile in<br />

der Handwerkskammer etc. Also: Den 8. März 2011 (und drum herum)<br />

schon einmal vormerken! In der nächsten Ausgabe der innovative<br />

(Nr. 23) erfahren Sie Genaueres!<br />

Restexemplare kostenlos!<br />

Noch zu bekommen<br />

Bärbel Fünfsinn, Kerstin Möller (Hg.):<br />

Sister, carry on!<br />

Ökumenische Feministische Theologie<br />

Ein Arbeitsbuch<br />

3 Euro<br />

Es ist zu bekommen unter:<br />

Fon 0431 - 55 779 107<br />

uschroeder@ne-fw.de<br />

info@nmz-mission.de<br />

Irmgard Busemann, Gundula Döring,<br />

Renate Gresens, Ulrike Schierenberg:<br />

Gemeinsam auf dem Weg …<br />

Gottesdienst lebendig gestalten<br />

Ein Handbuch<br />

Die Restexemplare dieses Buches<br />

bekommen Sie kostenlos.<br />

Fon 0431 - 55 779 107<br />

uschroeder@ne-fw.de<br />

i n n o v a t i v e<br />

Eine-Welt-Kiosk bringt<br />

fairen Handel ins Rollen<br />

14<br />

Seit Kurzem sieht es im Foyer des Nordelbischen Zentrums in der<br />

Gartenstraße in Kiel bunter aus! Der rollbare Eine-Welt-Kiosk ist<br />

eingezogen, der BesucherInnen und MitarbeiterInnen mit fair gehandelten<br />

Süßigkeiten, Saft, Kaffee und Snacks für den kleinen Hunger<br />

zwischendurch versorgt.<br />

Darüber hinaus informiert er über die Hintergründe des Fairen<br />

Handels und erleichtert so Interessierten den Einstieg ins Thema.<br />

Dazu Bärbel Rimbach: „Ich engagiere mich gern im Eine-Welt-<br />

Team, weil ich so die Idee des Fairen Handels bekannter machen<br />

kann, außerdem schmecken unsere Produkte auch richtig lecker“,<br />

was Annette Pawelitzki nur bestätigen kann: „Ich bin ein Fan<br />

von ‚Enérgico’, dieser fair gehandelte kleine Power-Riegel schmeckt<br />

hervorragend – und das auf der Verpackung versprochene ‚kraftvoll’<br />

spürt frau durchaus (Mann auch?).“<br />

Sobald sich der Kiosk amortisiert hat, soll von den Einnahmen ein<br />

Projekt unterstützt werden. Über Ideen und Anregungen zu<br />

Produkten und Projekten freuen wir uns! Fon 0431 - 55 779 101.<br />

J u l i a L e r s c h<br />

Fotos: Bärbel Rimbach, Annette Pawelitzki


Foto: Dagmar Stratenschulte<br />

15<br />

i n n o v a t i v e<br />

Mit Respekt und Empathie<br />

Das transkulturelle und interreligiöse Lernhaus<br />

Brücken bauen zwischen unterschiedlichen Kulturen –<br />

Erfahrungsberichte aus dem transkulturellen und interreligiösen<br />

Lernhaus der Frauen dessen Koordinatorin<br />

Irene Pabst war bevor sie als Referentin für u.a. Interkulturelle<br />

Frauenarbeit im Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong><br />

anfing.<br />

„Kulturen bekämpfen sich nicht, sie fließen ineinander.“ Dieser Satz<br />

des Schriftstellers Ilja Trojanow beschreibt Transkulturalität als<br />

Alltagsphänomen und wirft gleichzeitig die Frage auf, wie das<br />

Miteinander unterschiedlicher Kulturen so gestaltet werden<br />

kann, dass Vielfalt als Reichtum erlebbar wird. Im bundesweiten<br />

Modellprojekt Transkulturelles und interreligiöses Lernhaus der<br />

Frauen haben sich ca. 70 Frauen zu Kulturmittlerinnen weitergebildet,<br />

um Integration als Dialogprozess zwischen Mehrheitsgesellschaft<br />

und Minderheiten aktiv gestalten zu können.<br />

Für Hanaa El-Hussein war es die eigene Migrationserfahrung – sie<br />

und ihre Familie kamen als Flüchtlinge aus dem Libanon – und das<br />

Leben zwischen zwei Kulturen, die die studierte Diplom-Kauffrau<br />

dazu bewegten, am Lernhaus teilzunehmen. Sie suchte nach<br />

Möglichkeiten, ihre Erfahrungen als Potential zu nutzen, um andere<br />

MigrantInnen dabei zu unterstützen, einen Platz in der<br />

Gesellschaft zu finden. Im Lernhaus begegnete sie Frauen mit<br />

ähnlichen transkulturellen Biographien: Katja Eichner hat mit ihrem<br />

ägyptischen Mann zwei Kinder. Für sie stellte sich die Frage, wie<br />

Kinder in einer binationalen Familie die religiösen Traditionen beider<br />

Elternteile vermittelt werden können.<br />

In einem selbstorganisierten Lernprozess eigneten sich die Frauen<br />

spezielle Kommunikationsmethoden und Grundwissen über andere<br />

Kulturen an. Als wichtig hoben beide hervor, im Dialog eine lernende<br />

Haltung einzuüben, mit Respekt und Empathie zuzuhören und<br />

P r o j e k t e ı A k t i o n e n<br />

die eigenen Vorurteile offen zu legen. „Ich habe gelernt, mich zurückzunehmen,<br />

nicht immer gleich etwas entgegnen zu müssen.<br />

Häufig habe ich gemerkt, dass das, was ich unbedingt meinte sagen<br />

zu müssen, gar nicht so wichtig war oder von einer anderen<br />

Frau eingebracht wurde“, berichtet Hanaa. Und Katja ergänzt: „Das<br />

ist ein Lernprozess, der immer wieder geübt werden muss.<br />

Dann verändert sich auch der alltägliche Umgang miteinander.“<br />

Solch einen Lernprozess zeigt folgende Episode: Als im Sommer<br />

2006 der Libanonkrieg ausbrach, kam die israelische Teilnehmerin<br />

nicht zum Treffen der Lerngruppe, weil sie Angst um ihre Familien<br />

hatte und sich keiner Diskussion über die Politik Israels aussetzen<br />

wollte. Die Gruppe reagierte darauf mit Verständnis. Die palästinensische<br />

Teilnehmerin fühlte sich dadurch jedoch ausgegrenzt, weil<br />

niemand sie fragte, wie es ihr mit dem Krieg ginge. In einer<br />

Dialogrunde konnten die Ängste beider Frauen wahrgenommen<br />

und eine einseitige Parteinahme aufgebrochen werden. Eine kleine<br />

Brücke in diesem tragischen Konflikt zwischen zwei Völkern war gebaut.<br />

Durch die Fähigkeit, sich in die Perspektive anderer hineinzuversetzen,<br />

entsteht Verständnis füreinander.<br />

Dialog ist eine Haltung, die in den beruflichen und familiären Alltag<br />

ausstrahlt. Diese Haltung ist für Katja als Lehrerin sehr hilfreich. Sie<br />

kennt die Probleme mit kulturell bedingten Missverständnissen nur<br />

zu gut. Eine Lehrerin hielt ihre Tochter für verhaltensauffällig, weil sie<br />

sehr laut sprach. „Zuerst war ich beleidigt und wütend über die<br />

Ignoranz der Lehrerin. Sie hat nicht verstanden, dass es sich um ein<br />

kulturelles Phänomen handelt. In der Familie meines Mannes sprechen<br />

alle laut, in Ägypten ist das normal. Durch die Erfahrung im<br />

Lernhaus war ich motiviert, mich in die Perspektive der Lehrerin hineinzuversetzen.<br />

Ich bin toleranter geworden, auch wenn mir die<br />

Meinung meines Gegenübers nicht passt.“ Erste Schritte, ein<br />

Lernhaus in Hamburg aufzubauen, werden bereits getan.<br />

Interkulturelle Frauenarbeit<br />

I r e n e P a b s t<br />

„Ich habe gelernt, mich<br />

zurückzunehmen, nicht<br />

immer gleich etwas<br />

entgegnen zu müssen.“<br />

Hanaa El-Hussein


V o n P e r s o n e n<br />

Ruth C. Cohn (97) ist gestorben. Die Psychotherapeutin entwickelte<br />

die weltweit bekannte Methode der Themenzentrierten<br />

Interaktion (TZI). Als Jüdin emigrierte sie 1941 in die USA, 1974 ließ<br />

sie sich in der Schweiz nieder und gründete die „Ecole d’Humanité“.<br />

Eva Rühmkorf (75) wurde mit der ‚Hammonia 2010’ geehrt.<br />

Der Landesfrauenrat Hamburg verlieh der ersten Leiterin der Leitstelle<br />

Gleichstellung der Frauen den Titel Hammonia, der Schutzgöttin<br />

Hamburgs. 1988 wurde sie Ministerin für Bildung, Wissenschaft,<br />

Jugend und Kultur in Schleswig-Holstein, 1990 übernahm sie das<br />

Ministerium für Bundesangelegenheiten.<br />

Prof. Dr. Gabriele Kaczmarczyk, Ärztin, Leiterin des<br />

Master-Studiengangs „Health & Society: International Gender<br />

Studies“ an der Charité, erhielt für ihr frauen- und gesundheitspolitisches<br />

Engagement das Bundesverdienstkreuz. Sie hat sich insbesondere<br />

eingesetzt für einen adäquaten Frauenanteil in Forschungseinrichtungen,<br />

für die strukturelle Verankerung der Geschlechterforschung<br />

in der Charité und für Vernetzung aller für Frauengesundheit<br />

relevanten Institutionen.<br />

Karen Kamensek (40), US-Amerikanische Dirigentin, wird<br />

neue Generalmusikdirektorin an der Staatsoper Hannover. Sie ist damit<br />

die erste Frau auf dem Spitzenposten an der Oper. Zurzeit ist K.<br />

Kamensek an der Hamburger Staatsoper stellv. Generalmusikdirektorin.<br />

Hero Hewa Taher (37), 1990 aus dem Irak geflüchtete Mutter<br />

von drei Kindern, wurde mit dem ‚Leuchtturm des Nordens 2009’<br />

ausgezeichnet. Mit diesem Preis ehrt der Flüchtlingsrat Schleswig-<br />

Holstein Menschen, die sich in der Flüchtlingssolidarität verdient gemacht<br />

haben. Als Mitglied der internationalen Gruppe „Mondfrauen“<br />

und als Ehrenamtliche der Diakonie hat sich H. Taher für Flüchtlingsfamilien<br />

eingesetzt.<br />

Prof. Dr. Wiltrud Gieseke (62), Erziehungswissenschaftlerin<br />

an der Humboldt-Universität Berlin, erhielt in Anerkennung ihres<br />

Beitrags zur wissenschaftlichen Frauenförderung und ihres kontinuierlichen<br />

Einsatzes für die Förderung des weiblichen Wissenschaftsnachwuchses<br />

das Bundesverdienstkreuz.<br />

Ruth C. Cohn<br />

Karen Kamensek<br />

Indra Nooyi<br />

Shadi Sadr<br />

i n n o v a t i v e<br />

16<br />

Prof. Dr. Fairy von Lilienfeld (92) ist gestorben. 1966<br />

bis zu Emeritierung 1984 war sie Professorin für Geschichte und<br />

Theologie des christlichen Ostens an der Uni Erlangen-Nürnberg und<br />

erste Dekanin einer theologischen Fakultät in Deutschland. Schon<br />

13 Jahre vor der Einführung der Frauenordination in Bayern wurde<br />

sie in Magdeburg ordiniert.<br />

Karoline Gernbauer (47), Juristin, persönliche Referentin<br />

von Edmund Stoiber und Leiterin der bayerischen Vertretung bei der<br />

EU, wurde von Ministerpräsident Seehofer zur Leiterin der Bayerischen<br />

Staatskanzlei ernannt. Sie ist die erste Frau in diesem Amt.<br />

Indra Nooyi (55), Konzernchefin von Pepsi-Cola, steht an der<br />

Spitze der 50 weltweit besten Managerinnen. Ines Kolmsee (39),<br />

Chefin der SKW Stahl-Metallurgie AG ist auf Rang 37 die erste Deutsche.<br />

Erstellt wurde diese Liste im Auftrag der „Financial Times“.<br />

Shadi Sadr (39) wurde von der niederländischen Regierung mit<br />

dem mit 10.000 € dotierten Preis „Menschenrechtstulpe“ ausgezeichnet.<br />

Die iranische Frauenrechtlerin ist u.a. Initiatorin der Kampagne<br />

gegen Steinigungen. S. Sadr war wegen ihres Engagements<br />

mehrfach im Gefängnis.<br />

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (58), Bundesjustizministerin,<br />

hat die Schirmherrschaft für den Stuttgarter Christopher-Street-Day<br />

von Schwulen und Lesben übernommen. Die<br />

Ministerin betrachtet die Gleichstellung von Homosexuellen als einen<br />

Schwerpunkt ihrer Tätigkeit. Im vorigen Jahr war Bundesfamilienministerin<br />

Kristina Schröder beim Christopher-Street-Day mitgefahren.<br />

Neue Kirchenleitung Merle Fromberg, Elisabeth Lingner,<br />

Annette Pawelitzki, Margrit Semmler, Martin Blöcher, Dr. Friedrich-<br />

August Bonde, Dr. Lars Emersleben, Dr. Karl-Heinrich Meltzer,<br />

Bernhard Schick und Peter Wiegner wurden in die Kirchenleitung (KL)<br />

der Nordelbischen Kirche gewählt. Qua Amt gehören der KL weiterhin<br />

an Bischöfin Maria Jepsen und Bischof Gerhard Ulrich; außerdem<br />

mit beratender Stimme der Bischofsbevollmächtigte, die Präsidentin<br />

des Kirchenamtes, der Synodenpräsident und eine der Landespastorinnen.<br />

Neue Kirchenleitung


17<br />

i n n o v a t i v e<br />

„Frauen müssen sich viel mehr vernetzen!“<br />

Annegret Bergmann, Frauenbeauftragte der Stadt Kiel,<br />

im Gespräch mit Annette Pawelitzki über Frauen in<br />

Spitzenpositionen, Kinderbetreuung und Berufstätigkeit,<br />

paritätische Besetzung, Zeit haben – und Perspektiven<br />

für den Ruhestand.<br />

Sie sind Frauenbeauftragte der Stadt Kiel,<br />

wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?<br />

Heute Morgen hatte ich z. B. die Arbeitsgruppe Prostitution. Die besteht<br />

aus contra, der Fachstelle gegen Frauenhandel in Schleswig-<br />

Holstein, aus einer Kriminalkommissarin von der Ermittlungsgruppe<br />

Milieu, aus einer Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes und zwei<br />

Praktikantinnen für Sozialarbeit. Wir haben die Lebens- und<br />

Arbeitssituation von Prostituierten betrachtet und überlegt, was sich<br />

an den Strukturen für die Betroffenen in dieser Stadt verbessern ließe.<br />

Außerdem schreibe ich gerade an einer Rede für die Vollversammlung<br />

der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen<br />

Frauenbeauftragten. Da geht es um die Zukunft der Frauenpolitik in<br />

Schleswig-Holstein. Eine meiner Aufgaben ist auch, darauf hinzuwirken,<br />

dass der Frauenförderplan nach innen umgesetzt wird, z.B. indem<br />

Frauen in Führungspositionen gelangen. In den nächsten Tagen<br />

werde ich mir die Bewerbungsunterlagen ansehen für das<br />

Personalamt und dann werden wir mit dem Auswahlgremium entscheiden,<br />

wie viele Frauen und Männer wir einladen. Die paritätische<br />

Besetzung der Ämter bei der Stadt ist ein Schwerpunkt für die<br />

Umsetzung des Frauenförderplans und des Gleichstellungsgesetzes.<br />

Welche Erfahrungen haben Sie mit einer Oberbürgermeisterin<br />

und den verschiedenen Oberbürgermeistern gemacht?<br />

Die Kernfrage „führen Frauen anders?“ beschäftigt uns auch. Wir<br />

brauchen wesentlich mehr Frauen in Spitzenpositionen. Da haben<br />

wir eindeutig eine Unterrepräsentanz von Frauen, sowohl in den politischen<br />

Parteien als auch in der Verwaltung. Ich hatte das Glück, dass<br />

ich sechs Jahre mit der Oberbürgermeisterin zusammen gearbeitet<br />

habe. Unsere gute Zusammenarbeit resultierte auch daraus, dass wir<br />

aus unseren Lebenserfahrungen und aus den politischen Erfahrungen<br />

wissen, dass Frauen aufgrund ihrer Biografien andere<br />

Foto: Annette Pawelitzki<br />

Neues Präsidium und<br />

Leiterin der EFiD<br />

Vorn v. li.: Marliese Walz,<br />

Ilona Helena Eisner,<br />

Antje Büsing, mit Miriam 40 % Aumeier, Frauen.“ Annegret Bergmann<br />

Dr. Beate Blatz (Leiterin EFiD)<br />

Hinten v. li.: Petra Zulauf,<br />

Sabine Zoske,<br />

Angelika Weigt-Blätgen,<br />

Kerstin Annegret Möller, Bergmann (*1945)<br />

Brunhilde Voller Elan Raiser …<br />

I n t e r v i e w<br />

Lebensbezüge haben, als Männer, dass insbesondere auch Frauen,<br />

die sich für Kinder entscheiden, ein großes Problem mit der<br />

Vereinbarkeit von Beruf und Familie haben. Gemeinsam haben wir<br />

vorangebracht, dass es nun in Kiel mehr Betreuungsangebote für<br />

Kinder unter drei Jahren gibt. Wir brauchen Ganztagsschulen, wir<br />

brauchen verlässliche Betreuung, sowohl in den Kindertagesstätten<br />

als auch in den Schulen. Wir brauchen bessere Koordinierung zwischen<br />

den Arbeitszeiten von Frauen und Männern und den Öffnungszeiten<br />

der Kinderbetreuung.<br />

Woran liegt es, dass es so wenige Frauen<br />

in Spitzenpositionen gibt?<br />

Wir haben eine Generation von Frauen, die noch nie so qualifiziert<br />

war, die auch noch nie so taff war wie heute. Es liegt viel auch an den<br />

Rollenstereotypen, von denen Frauen und Männer beeinflusst werden,<br />

die nach wie vor besagen, dass Frauen in bestimmte Positionen<br />

nicht passen. Und einige Männer haben nach wie vor Probleme damit,<br />

eine Frau als Vorgesetzte zu akzeptieren. Und es gibt immer wieder<br />

Vernetzungen von Männern, die sich gegenseitig in die Positionen<br />

bringen. Hiervon können wir lernen – wir Frauen müssen uns noch<br />

viel mehr vernetzen! Eine Erfolgsstrategie haben die Grünen. Die besetzen<br />

konsequent nach dem Reißverschlusssystem, eine Frau, ein<br />

Mann. Sowohl in den Parlamenten als auch in den Positionen in der<br />

Partei sind sie paritätisch besetzt. Die CDU hat das Quorum, die SPD<br />

40 % Frauenanteil in ihrer Satzung festgelegt. Wenn ich mir die<br />

Landesregierung ansehe, dann ist es eine Katastrophe, dass im 21.<br />

Jahrhundert nur eine Frau im Kabinett ist. Und mir macht keiner weiß,<br />

dass es dort nicht qualifizierte Frauen gegeben hat, die einen<br />

MinisterInposten hätten übernehmen können.<br />

Ich habe zusehends den Eindruck, dass wir<br />

– ähnlich wie in Norwegen – eine Quote brauchen.<br />

Ich glaube auch, dass wir eine verlässliche Quote brauchen. Es gibt<br />

jetzt auch, wie in Norwegen, eine Bewegung bei uns in Deutschland<br />

für die Besetzung von Aufsichtsräten mit 40 % Frauen. Wir haben<br />

überall qualifizierte Frauen. Die Frauen sind da, sie sind präsent. Aber<br />

die Männer machen alles unter sich ab.<br />

„Es gibt jetzt auch, wie in Norwegen,<br />

eine Bewegung bei uns in Deutschland<br />

für die Besetzung von Aufsichtsräten


I n t e r v i e w<br />

Gleichzeitig wird gesagt: Wozu brauchen wir<br />

eigentlich noch eine Frauenbeauftragte?<br />

Solange Frauen in der Gesellschaft nicht die gleiche Teilhabe an<br />

Macht und Einkommen haben, brauchen wir die Frauenpolitik und<br />

brauchen wir Frauenbeauftragte, in allen Institutionen. Zukünftig wird<br />

es hier in Kiel eine Gleichstellungsbeauftragte geben. Aber die<br />

Parteilichkeit sollte erst einmal den Frauen gehören, weil es nach wie<br />

vor eine strukturelle Benachteiligung von Frauen gibt. Wenn wir diese<br />

strukturelle Benachteiligung von Frauen beseitigt haben, dann geht<br />

es darum, wie wir die Positionen für Männer und für Frauen neu gestalten,<br />

z. B. gleiche Teilhabe an Beziehungsarbeit, an Erziehungsarbeit,<br />

dann geht es um eine neue Aufteilung.<br />

Sie arbeiten mit Kirchenfrauen zusammen,<br />

wie sieht diese Zusammenarbeit aus?<br />

Eine meiner Aufgaben ist, mit den Frauen und Expertinnen vor Ort<br />

zusammen zu arbeiten, um zu erfahren, was wir strukturell für die<br />

Lebenssituation der Frauen in Kiel verbessern müssen, und dies umzusetzen.<br />

Da sind die Kirchenfrauen hier vor Ort wichtige Partnerinnen.<br />

Wir haben schon viele gemeinsame Veranstaltungen gemacht, gerade<br />

auch in der Nikolai-Kirche: die Vortragsreihe „Frauen und Armut“,<br />

die Ausstellung „Was sehen Sie, Frau Lot?“ – eine künstlerische<br />

Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt an Frauen und<br />

Mädchen, oder die jährlichen Gottesdienste für Frauen, die Gewalt<br />

erfahren haben, mit Pastorin Elisabeth Christa Markert. Sie sind immer<br />

gut besucht. Die Kirchenfrauen sind mit vielen anderen zusammen<br />

eine wichtige Gruppe bei der Vorbereitung der jährlichen großen<br />

Veranstaltung zum Internationalen Frauentag in Kiel. Das Thema<br />

war in diesem Jahr „Popkultur, Kapitalismuskritik und Widerstand –<br />

feministische Perspektiven“. Und das Labyrinth haben wir zusammen<br />

gestaltet. Kirchenfrauen sind wichtig, weil sie eine große Gruppe von<br />

Frauen erreichen. In der Kirche selbst gibt es ja auch nach wie vor<br />

noch Benachteiligungen von Frauen. Die Kirchenfrauen sind fortschrittlich,<br />

emanzipiert, feministisch. Ich habe früher schon mit den<br />

kirchlichen „Frauen für den Frieden“ zusammen gearbeitet. Das gefällt<br />

mir an den Kirchenfrauen so gut, dass sie ihre Parteilichkeit für<br />

Frauen nie aufgegeben haben. Ich war überaus glücklich, dass Frau<br />

Käßmann die höchste Repräsentantin der Ev. Kirche in Deutschland<br />

wurde – ich bedauere ihren Rücktritt sehr.<br />

Foto: Ute Boeters<br />

... und konsequent<br />

i n n o v a t i v e<br />

18<br />

Wie sind Sie aufgewachsen?<br />

Ich bin aufgewachsen in einem sehr liberalen Elternhaus, im Sinne<br />

von Akzeptanz des /der anderen. Meine Eltern waren sozialliberal geprägt.<br />

Bei uns gab es ein sehr offenes Haus, mit vielen politischen<br />

Diskussionen. Ich war evangelisch, bin aber auf eine katholische<br />

Klosterschule gegangen. Als Schülerin war mein Vorbild für Gerechtigkeit<br />

Albert Schweitzer.<br />

Was können Sie richtig gut?<br />

Wenn ich von etwas begeistert bin, dann setze ich mich dafür ein und<br />

kann oft auch andere motivieren.<br />

Was mögen Sie an sich?<br />

Dass ich mit mir, so wie ich bin, sehr zufrieden bin.<br />

Wenn Sie viel Zeit hätten, was würden Sie<br />

dann am liebsten tun?<br />

Ich nehme mir viel Zeit für mich selbst, auch für meine Familie, meinen<br />

Mann, meine Kinder und Enkelkinder. Ich gehe spazieren am<br />

Meer – oder ich mache einfach nichts, nur sitzen und gucken.<br />

Sie gehen im Sommer in den Ruhestand …<br />

Wenn ich aufhöre hier zu arbeiten, dann mache ich einen neuen<br />

Schritt, etwas ganz anderes. Dann beginnt ein neuer Lebensabschnitt<br />

für meinen Mann und für mich. Das wird spannend, das wird noch<br />

mal eine richtig interessante Lebensphase, darauf freuen wir uns. Wir<br />

werden umziehen nach Bremen und uns ein neues Zuhause aufbauen,<br />

und auch die Stadt noch einmal neu erobern – das finde ich total<br />

spannend, eine neue Stadt, mit neuen Angeboten, mit neuen<br />

Menschen. Dort leben unsere Kinder und Enkelkinder. Und wer weiß,<br />

wo ich mich dann noch einmal engagieren werde …<br />

Herzlichen Dank für das Gespräch!<br />

Bisher wurden interviewt<br />

Erika Förster, Dr. Ute Grümbel, Antje Röckemann, Susanne Jürgensen,<br />

Jutta Gross-Ricker,Charlotte Knobloch, Prof. Dr. Annelie Keil,<br />

Uta Knolle, Dr. Elisabeth von Dücker, Rut Rohrandt, Bischöfin Maria<br />

Jepsen, Annette Hillebrand, Dr. Frauke Hansen-Dix, Ursula Schele,<br />

Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter, Margrit Semmler, Franziska<br />

Steiof, Prof. Dr. Ulrike Wagner-Rau, Edelgard Lessing, Elisabeth<br />

Lingner, Elsbeth Süßebecker


19<br />

i n n o v a t i v e<br />

Frauen-Quote I<br />

Die Deutsche Telekom führt als erstes DAX-Unternehmen eine Frauenquote<br />

ein. Bis 2015 sollen weltweit 30 % der Führungspositionen<br />

mit Frauen besetzt werden. Die Quote wird eingeführt, weil die jahrelangen<br />

Maßnahmen zur Frauenförderung ohne Erfolg blieben. In den<br />

80 umsatzstärksten deutschen Unternehmen gibt es nur eine einzige<br />

Frau im Vorstand: Barbara Kux (wir berichteten in der innovative 20).<br />

Frauen-Quote II<br />

Das Europäische Parlament hat mit Mehrheit die Entscheidung der<br />

norwegischen Regierung begrüßt, den Anteil von Frauen in Vorständen<br />

privater und staatlicher Unternehmen auf mindestens 40 % zu erhöhen.<br />

Die EU-Kommission sowie die Mitgliedsstaaten wurden aufgefordert,<br />

dem positiven Beispiel Norwegens zu folgen und ebenfalls<br />

solche Initiativen zu ergreifen. Die Mitgliedsstaaten sollten effektive<br />

Maßnahmen einleiten, mit denen eine ausgewogene Präsenz von<br />

Frauen und Männern in Entscheidungspositionen in Unternehmen,<br />

Verwaltungen und Politik gefördert wird.<br />

Frauen-Dramen<br />

Unter www.hambuger-dramen.de startet der Hamburger Notruf für<br />

vergewaltigte Frauen und Mädchen e.V. eine neue Aufklärungswebsite.<br />

Auf der virtuellen Bühne öffnet sich der Vorhang für scheinbar harmlose<br />

Situationen, aus denen plötzlich gefährlicher Ernst wird. Mit<br />

Schauspielerinnen sensibilisiert der Notruf für das alltägliche<br />

Thema Vergewaltigung.<br />

Frauen-Bank<br />

In Tansania wurde die erste Filiale der „Tansania Women’s Bank“ eröffnet.<br />

Wer ein Konto eröffnen will, braucht einen Ausweis und mindestens<br />

zwei US-Dollar. So können nun z. B. auch KleinunternehmerInnen,<br />

die kein Vermögen haben, ein Konto eröffnen und<br />

Kredite erhalten. Die Frauenbank akzeptiert auch Männer.<br />

Frauen-Schlaganfall<br />

Jedes Jahr erleiden in Deutschland mehr als 150.000 Menschen<br />

erstmals einen Schlaganfall; 40 % der Betroffenen sterben innerhalb<br />

eines Jahres. Das Risiko von Frauen an einem Schlaganfall zu<br />

sterben, ist doppelt so hoch, als das der Männer. Trotzdem wer-<br />

Frauen-Bank: In Tansania wurde die erste Filiale der „Tansania Women’s Bank“ eröffnet Das Europäische Parlament<br />

F r a u e n N e w s<br />

den Schlaganfälle, wie auch andere kardiovaskuläre Erkrankungen,<br />

noch als typische ‚Männererkrankungen’ betrachtet. Dies ergab das<br />

Forschungsprojekt Primärprävention von Schlaganfällen bei Frauen,<br />

das im Auftrag des Gesundheitsministeriums durchgeführt wurde.<br />

Frauen-Gehalt<br />

Frauen verdienen in Deutschland noch immer fast ein Viertel weniger<br />

als Männer. Im Durchschnitt lag der Bruttoverdienst der Männer 2008<br />

um 23,8 % über dem der Frauen, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.<br />

Damit ist die Einkommenskluft zwischen den Geschlechtern<br />

in Deutschland weiter deutlich tiefer als im EU-Durchschnitt<br />

mit 18 %. Die geringsten Unterschiede gab es mit 4,9 % in Italien, die<br />

größten in Estland mit 30,3 %.<br />

Frauen-Gleichberechtigung<br />

Das Europäische Parlament formulierte Wege zur Gleichberechtigung:<br />

❱ Die von Männern verursachte Wirtschaftskrise muss als Chance<br />

erkannt werden, alle politischen Konzepte auf Frauendiskriminierung<br />

und Gleichberechtigung zu überprüfen.<br />

❱ Eine umfassende Beteiligung von Frauen in Entscheidungsprozessen<br />

und ihr Zugang zu Führungspositionen sind sicherzustellen,<br />

zumal 60 % der Hochschulabsolventen weiblich sind.<br />

❱ Die Mitgliedsstaaten müssen angesichts des anhaltend großen<br />

Lohnabstands in der EU mehr für die Umsetzung des Prinzips der<br />

Entgeltgleichheit für Frauen und Männer tun.<br />

❱ Die Unionsorgane der EU und die Mitgliedsstaaten werden aufgefordert,<br />

den 22. Februar zum „Internationalen Tag für gleiches<br />

Entgelt“ zu erklären. Eine „Europäische Charta der Rechte von<br />

Frauen“ ist schnellstmöglich zu erstellen, um einen Mechanismus<br />

zu schaffen, der Gleichstellung in allen Bereichen des sozialen,<br />

wirtschaftlichen und politischen Lebens gewährleistet.<br />

❱ Zur Überwindung fortbestehender sexistischer Klischees sind<br />

besondere Maßnahmen erforderlich, insbesondere ‚Sensibilisierungskampagnen’<br />

am Arbeitsplatz.<br />

❱ Angesichts der Tatsache, dass bis zu 25 % der Frauen in der EU<br />

physische Gewalt erleben und 10 % Opfer sexueller Gewalt werden,<br />

sollte die EU einen „Europäischen Tag zur Bekämpfung der<br />

Gewalt gegen Frauen“ ausrufen.


H i n t e r g r u n d<br />

Foto: INADES Formation Tanzania, VEN<br />

Alles andere als gerecht<br />

Klimawandel und Klima(un)gerechtigkeit aus Frauensicht<br />

Haben Sie schon Ihren ökologischen Fußabdruck gemessen?<br />

Dabei kann frau leicht entdecken, dass eigene Einschätzung und<br />

Realität auseinanderklaffen! So ist es uns gegangen, aber probieren<br />

Sie selbst (s. S. 21). Vielleicht leben Sie auf kleinerem Fuße als gedacht?<br />

In den letzten 50 Jahren hat sich der globale ökologische Fußabdruck<br />

um 80 % vergrößert, d.h. die Welt verbraucht mehr<br />

Ressourcen, als die Natur erneuern kann, zurzeit den Gegenwert<br />

von jährlich 1,2 Planeten. Diese Überlastung haben zum größten Teil<br />

die Industrieländer zu verantworten. 1 Der Fußabdruck berechnet die<br />

Fläche, die die Natur braucht, um Rohstoffe zu erneuern, die der<br />

Mensch für Ackerbau, Tierhaltung, Mobilität, Energiegewinnung etc.<br />

verbraucht. Je größer der Fußabdruck, desto stärker wird die Umwelt<br />

belastet. Dem Fußabdruck gegenüber steht die Biokapazität eines<br />

Landes: Das Angebot an natürlichen Ressourcen. Ist der Fußabdruck<br />

eines Landes größer, als dessen Biokapazität, bedeutet dies ein ökologisches<br />

Defizit.<br />

Biokapazität und Fußabdruck werden in „Global Hectar“ gemessen.<br />

Ein „gha“ (10.000 m 2 ) entspricht einem Hektar durchschnittlicher biologischer<br />

Produktivität weltweit. So brauchen alle Produkte (Fleisch,<br />

Gemüse, Getreide etc.) einen Teil unserer Erdoberfläche, um entstehen<br />

zu können – genauso wie Müll und Abgase von Kraftwerken, Flug-<br />

und Autoreisen Naturkapazitäten benötigen, um wieder unschädlich<br />

gemacht zu werden. Fläche gehört zu den begrenzten Ressourcen auf<br />

dem Planeten. Teilt man die vorhandene nutzbare Fläche auf alle<br />

Menschen, dann entfallen auf jede/n etwa 1,8 gha. Der durchschnittliche<br />

Fußabdruck der Deutschen von 4,8 gha ist also viel zu<br />

hoch.<br />

Auswirkungen des Klimawandels<br />

Weltweit sind ca. 325 Mio. Menschen vom Klimawandel betroffen. Der<br />

Klimawandel findet bereits statt und wir, besonders in den<br />

Industriestaaten, haben daran großen Anteil. Dies wird seit dem Bericht<br />

des Weltklimarates (2007) von kaum jemandem bezweifelt. Der wichtigste<br />

Faktor ist die Erzeugung von Treibhausgasen, wie CO2. Ein kg<br />

i n n o v a t i v e<br />

20<br />

CO2 entspricht z. B. zweimal Waschen oder einer Autofahrt von 5<br />

km. Aufgrund der Trägheit und der zeitlichen Verzögerung von<br />

Klimaschutzmaßnahmen, gibt es für die erste Hälfte des 21.<br />

Jahrhunderts nur die Möglichkeit der Anpassung an den Klimawandel.<br />

Die reichen Industrieländer investieren schon jetzt große Summen in<br />

ihre Klimaschutzinfrastruktur, während die sog. Entwicklungsländer<br />

vor schwierigeren Anpassungsaufgaben stehen: Große finanzielle<br />

Einschränkungen und fehlende Kompetenzen zur Umsetzung von<br />

Klimaschutzmaßnahmen sind die Realität. 2<br />

Klima-Ungerechtigkeit: Süd und Nord, arm und reich<br />

Menschen weltweit sind nicht in gleicher Weise verantwortlich für den<br />

Klimawandel. Wie die Verantwortung so sind auch die Auswirkungen<br />

des Klimawandels nicht gerecht verteilt. Für den Großteil der klimaschädlichen<br />

Emissionen sind die reichen Länder des Nordens<br />

verantwortlich, obwohl dort nur 15 % der Erdbevölkerung leben.<br />

In Deutschland werden durchschnittlich 11 Tonnen CO2 pro Person/<br />

Jahr verbraucht, in Äthiopien nur 0,2 Tonnen. Aber auch hier bei uns<br />

klafft die Schere auseinander. Wer sich durchs Leben kämpfen und<br />

auf jeden Euro achten muss, beschäftigt sich vielleicht nicht ausführlich<br />

mit komplizierten Entwicklungs- und Klimafragen, verbraucht aber<br />

weniger an Emissionen und lebt nachhaltiger als viele der umweltbewegten<br />

Besserverdienenden: „Während ein Bewusstsein für den<br />

Schutz der Umwelt und für Fairness zu ihrer Grundausstattung gehört,<br />

sind ihre faktischen Ressourcenverbräuche hoch. Sie wollen Nachhaltigkeit,<br />

aber ohne nachhaltig zu sein.“ 3<br />

Der genderspezifische Blick auf das Klima<br />

Der Klimawandel verstärkt auch die Ungleichheiten zwischen den<br />

Geschlechtern. Sozial und wirtschaftlich schlecht gestellte Menschen<br />

werden von den Auswirkungen am härtesten getroffen: 70 % der<br />

Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, sind weiblich. Die<br />

Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich besonders in Lebensbereichen,<br />

wo Frauen die Verantwortung tragen, wie in der Ernährungs-,<br />

Wasser- und Energieversorgung, sowie in der Gesundheitssorge.<br />

Aber der Klimawandel führt nicht nur zu einer Verschärfung<br />

Frauen und die<br />

Klimaungerechtigkeit<br />

1 Zukunftsfähiges Deutschland II, S. 121 ff<br />

2 vgl. Deutsche Gesellschaft für die<br />

Vereinten Nationen e.V.: Bericht über die<br />

menschliche Entwicklung 2007/2008 (CD)<br />

3 Zukunftsfähiges Deutschland II, S. 571<br />

4 vgl. www.ven-nds.de<br />

5 Zukunftsfähiges Deutschland II, S. 144<br />

6 Vgl. Ina Praetorius, Handeln aus der Fülle,<br />

S. 40 - 43<br />

7 Ebd. S. 32<br />

8 Zukunftsfähiges Deutschland II, S. 112f.


21<br />

i n n o v a t i v e<br />

von Armut, er wirkt auch anderen Entwicklungsprozessen entgegen.<br />

So haben Frauen in vielen Ländern wegen des Klimawandels und seiner<br />

Folgen weniger Zeit für die Bereiche Bildung, Erholung und zur<br />

Partizipation an politischen Prozessen, schlicht dadurch, dass sich z.B.<br />

die Wege für das Sammeln von Brennholz oder hin zu einer Quelle mit<br />

sauberem Wasser durch Abholzung und Dürre erheblich verlängern.<br />

Die Strategien von Frauen im Umgang mit dem Klimawandel sowie<br />

ihr Potential zum Klimaschutz wurden bislang kaum untersucht<br />

und berücksichtigt. Der Verkehrsclub Österreich hat jedoch<br />

festgestellt, dass Frauen umweltfreundlicher unterwegs sind, als<br />

Männer. Sie legen mehr als die Hälfte ihrer Wege mit dem Fahrrad, zu<br />

Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück. Darüber hinaus zeigt<br />

sich ein hohes Umweltbewusstsein im Konsumverhalten: Frauen kaufen<br />

häufiger Bioprodukte, essen weniger Fleisch und sind beim<br />

Recycling konsequenter. 4 So hoch aber auch das private Umweltbewusstsein<br />

sein mag, in den meisten Klimadiskussionen finden bislang<br />

weder die Perspektive von Frauen noch ihre besondere Betroffenheit<br />

Eingang. Ohne eine gleichberechtigte politische Beteiligung<br />

von Frauen und Männern ist eine gerechte und effektive Klimapolitik<br />

nicht möglich. Ansätze gibt es jedoch schon: Die ‚Leitstelle Gender,<br />

Umwelt und Nachhaltigkeit’ (s.u.) oder das Projekt: ‚Frauen stärken,<br />

Klima wandeln’.<br />

Es geht auch anders – aber wie?<br />

„Wir können“, so Albert Einstein, „die Probleme nicht mit derselben<br />

Denkweise lösen, mit der wir sie geschaffen haben.“ Dafür müssen wir<br />

uns im ersten Schritt bewusst werden, wie wir denken, und dann entscheiden,<br />

welcher andere Weg förderlicher ist. Die eigentliche<br />

Herausforderung wartet aber nach diesen zwei Schritten auf uns: Den<br />

Weg dann auch zu gehen!<br />

11 Tonnen CO 2 , unser durchschnittlicher Verbrauch, ist viel zu hoch.<br />

Wo liegen die CO2 - Fallen, wie können wir langfristig auf einen durchschnittlichen<br />

Verbrauch von 2 Tonnen kommen? Die Antwort ist überraschend:<br />

„Es sind vor allem die täglichen Gewohnheiten, die den<br />

größten Teil der Umweltbelastungen ausmachen: Essen und Trinken,<br />

Wohnen und Infrastrukturen sowie Transport von Personen und<br />

Gütern.“ 5 Dabei geht es dann nicht nur darum, ein ökologisch gutes<br />

Gefühl zu haben, sondern nachhaltig etwas zur Veränderung beizutragen.<br />

Knapp gesagt:<br />

Gut ist<br />

ü Umsteigen auf Ökostrom<br />

ü Ausgleichszahlung fürs Fliegen<br />

(Flugfaircare)<br />

ü Biofleisch oder regionales Fleisch essen<br />

ü Ökologisch bewusst Auto fahren<br />

ü Energie aus Sonne gewinnen<br />

Besser ist<br />

ü Deutlich weniger Strom verbrauchen<br />

ü Weniger (noch besser: gar nicht) fliegen<br />

ü Weniger Fleisch essen<br />

ü Auf Bus und Bahn umsteigen<br />

(noch besser: aufs Fahrrad)<br />

ü Für eine gute Dämmung sorgen<br />

H i n t e r g r u n d<br />

Es geht auch anders!<br />

Eine wirkliche Energiewende erfordert eine neue Grundhaltung, die<br />

Veränderung hin zu weniger Energieverbrauch und zu einem bewussten<br />

Verzicht auf eine Energie verschlingende Lebens- und<br />

Wirtschaftsweise. Es geht darum, die technischen Potentiale zum<br />

effizienteren Gebrauch von Energie zu nutzen und gleichzeitig<br />

mit der Selbstbeschränkung im Energieverbrauch zu beginnen.<br />

Die Frage „Wie viel ist genug?“ ist unumgänglich.<br />

Biblisch sind wir mit dieser Frage bei der Sabbattradition, einer<br />

Tradition der bewussten Zurücknahme. Sabbat verstanden als<br />

Hinweis Gottes auf die Notwendigkeit, sich selbst zu beschränken,<br />

auch in den eigenen Möglichkeiten und Bedürfnissen.<br />

Zugleich geht es darum, so Ina Praetorius 6 , dass wir uns als einbezogen<br />

in die Schöpfung Gottes verstehen und immer wieder<br />

Neuanfänge wagen, die das Zusammenleben aller auch in Zukunft<br />

stärken und nähren. „Sich täglich neu staunend bewusst zu werden,<br />

dass mein Dasein und Tun sich in einem Kosmos ereignet, den ich<br />

nicht mir selbst verdanke, ist der Anfang jeder angemessenen<br />

menschlichen Tätigkeit.“ 7 In der jüdischen Tradition des Sabbats<br />

wird die Vorherrschaft der Ökonomie regelmäßig durchbrochen. Der<br />

kollektiv vollzogene Rhythmus von Arbeit und Ruhe verhindert, dass<br />

aus allem das Letzte herausgeholt wird. Am Sabbat wird die<br />

Fremdbestimmtheit der Menschen durch Zeit, Arbeit und Geld umgekehrt<br />

in eine Gleichheit aller in einer arbeitsfreien und geldlosen Zeit.<br />

Angesichts des Klimawandels könnte diese Tradition noch einmal<br />

eine ganz neue, eminent politische Dimension gewinnen. Es wird<br />

zukünftig darum gehen müssen, die Wirtschaftsdynamik so zu<br />

regulieren, dass Ökologie und Menschenrechte die Leitkriterien<br />

sind und nicht mehr das westliche Leitbild des ständigen und<br />

scheinbar unbegrenzten Wachstums: „Eine Gesellschaft, die zukunftsfähig<br />

werden will, muss sich mit der Möglichkeit auseinandersetzen,<br />

… mit weniger und schließlich ohne Wirtschaftswachstum<br />

auskommen zu müssen.“ 8<br />

Lust auf mehr Infos?<br />

J u l i a L e r s c h , K e r s t i n M ö l l e r<br />

Grundlagen-Infos www.zukunftsfaehiges-deutschland.de<br />

Ökologischer Fußabdruck www.gjgt.de/fussabdruck<br />

Emissionsrechner www.greenpeace.klima-aktiv.com<br />

Infostelle Klimagerechtigkeit www.klimagerechtigkeit.de<br />

Leitstelle Gender, Umwelt und Nachhaltigkeit www.genanet.de<br />

Frauenstärken, Klima wandeln www.ven-nds.de<br />

Klimagerecht einkaufen www.nabu-klimaladen.de<br />

Tipps der VerbraucherInnenzentrale www.verbraucherfuersklima.de


A u s d e n F r a u e n w e r k e n<br />

Frauenschätze – im Haus des Lebens<br />

Ein Bibliodrama<br />

Die Frauenarbeit im Ev. Bildungswerk des Kirchenkreises<br />

Plön-Segeberg lud zwei Tage lang zum Schätze heben ein.<br />

Ein Freitagnachmittag im Preetzer Haus der Diakonie. Wie im letzten<br />

Jahr habe ich zu einer „Werkstatt mit bibliodramatischen Elementen“<br />

mit Heidemarie Langer eingeladen. Thema ist das Gleichnis von der<br />

Suche nach dem verlorenen Groschen. Zehn Teilnehmerinnen haben<br />

sich angemeldet. Zögernd ist der Anfang. Da liegt der Bibeltext:<br />

Drei Sätze lang - werden wir damit zwölf gemeinsame Stunden füllen<br />

können? Wir beginnen die Sätze zu lesen, zwei verschiedene<br />

Übersetzungen zu vergleichen. Gott vergleicht sich mit einer Hausfrau<br />

.... Heidemarie Langer fragt: „Welches Haus kann dieses Haus sein?“<br />

Ganz unterschiedliche Häuser wie Lebenshaus, Haus der Liebe,<br />

Mutterhaus, Freudenhaus, Haus der Diakonie fallen uns ein ... Die<br />

Weite des Textes beginnt zu dämmern. Und wir sehen staunend,<br />

dass das Gleichnis gar nicht beim Verlieren beginnt, sondern<br />

beim „Haben“. Eine Frau hat 10 Silberstücke!<br />

Dann sind wir 10 Frauen die Schätze einer elften. Als beim gemeinsamen<br />

Tanz eine Frau den Reigen verließ, ist der Schatz nicht mehr vollständig,<br />

der Tanz verändert sich. Heidemarie Langer formuliert unsere<br />

gemeinsame Erkenntnis: „Wenn Eine dem System verloren geht<br />

oder es selbstverantwortlich verlässt, ist das System nicht mehr das<br />

gleiche und muss sich neu organisieren.“ Und Jede ist davon angesichts<br />

ihrer eigenen Lebenswirklichkeit auf andere Weise bewegt.<br />

„Eine Frau hatte 10 Silberstücke.“ Wir ordnen zehn Geldstücke (natürlich<br />

Kupfer, nicht Silber) auf unserer Hand zu einem vollständigen<br />

System und benennen Stück für Stück, für welchen tatsächlichen<br />

materiellen Wert in unserem Leben sie stehen. Danach wird der<br />

wertvollste Schatz von allen gewählt, derjenige, der am wenigsten<br />

verloren gehen darf. Welch ein Reichtum, solche Schätze zu<br />

besitzen! Das Brot, das Jesus so wunderbar vermehrte, war dasjenige,<br />

über dem er vorher gedankt hatte ... Unseren Dank für unsere<br />

Schätze drücken wir in Tanz aus. In einer sehr persönlichen Runde<br />

beschenken wir jede Frau, die es sich wünscht, mit dem, was Geld<br />

nicht kaufen kann: Mit Anerkennung, Zeichen persönlicher Verbundenheit<br />

und Dankbarkeit.<br />

„Intensive zwölf Stunden, verteilt auf zwei Tage, liegen<br />

hinter uns. Wir haben für diese Zeit ein Haus betreten,<br />

das uns Raum bot, in schützender Atmosphäre unser Herz<br />

zu öffnen, die Schätze unseres Lebens anzusehen und zu<br />

teilen und die Pfade zu sehen, auf die uns unsere Fragen<br />

und Antworten führen werden.“ Julia Patzke<br />

i n n o v a t i v e<br />

22<br />

Und weiter gehen wir durch das Haus unseres Lebens mit seinen<br />

Schätzen. Wir erzählen uns gegenseitig von Menschen und Gefühlen,<br />

von den Quellen unserer Kraft, der Natur und vielem mehr. Wir schreiben<br />

unsere Schätze auf und tanzen mit der Freude über sie. Die<br />

Frage „Welchen Schatz möchtest du am wenigsten missen?“<br />

führt uns behutsam zum Verlieren und Wiederfinden.<br />

„Gehöre ich hier denn noch dazu?“ fragt die Gruppe Rosenstolz musikalisch.<br />

Dann kehren fleißige Frauen „sorgfältig“ den Raum und<br />

suchen nach denen, die die Rolle gewählt haben, verloren zu gehen<br />

– versteckt in einer Ecke sitzend, allein mit dem, was sie in diesen<br />

Minuten bewegt. Sie werden gefunden und strahlend zurück geleitet<br />

zu unserer Kerze, um die wir uns versammeln und uns erzählen,<br />

wie es uns in unseren Rollen gegangen ist. Und unser Gespräch führt<br />

uns weiter, von unserem Raum im Preetzer Haus der Diakonie hinaus<br />

in die Welt, zu den Menschen, die auf so vielerlei Weise verloren gehen.<br />

Mit unserer letzten Arbeitseinheit bewegen wir uns in das Haus<br />

der Zukunft. Wir sammeln die Schätze, die wir uns für die Zukunft<br />

unserer Welt wünschen. Und jede nimmt den einen Schatz, der ihr<br />

Herz besonders bewegt, in die geöffnete Hand. Er ist der Baustein<br />

des Hauses Zukunft, zu dem die einzelne besonders beitragen möchte.<br />

Mit unserem Schatz in der Hand empfangen wir den Schlusssegen<br />

für unsere gemeinsame Werkstatt-Zeit.<br />

Intensive zwölf Stunden, verteilt auf zwei Tage, liegen hinter uns. Wir<br />

haben für diese Zeit ein Haus betreten, das uns Raum bot, in schützender<br />

Atmosphäre unser Herz zu öffnen, die Schätze unseres<br />

Lebens anzusehen und zu teilen und die Pfade zu sehen, auf die uns<br />

unsere Fragen und Antworten führen werden. Und es waren<br />

Stunden voller Herzlichkeit, Wärme, Musik, Bewegung und intensiver<br />

Arbeit. Auch in diesem Jahr war es beglückend und inspirierend,<br />

mit Heidemarie Langer zu arbeiten.<br />

Julia Patzke und<br />

Heidemarie Langer, v. l.<br />

J u l i a P a t z k e


23<br />

i n n o v a t i v e<br />

Besondere Orte für Frauen<br />

Die Klöster Medingen, Lüne und Ebstorf<br />

Das Ev. <strong>Frauenwerk</strong> Hamburg-West/Südholstein hat gemeinsam<br />

mit dem Frauenreferat Düsseldorf die Klöster<br />

Medingen, Lüne und Ebstorf besucht und die besondere<br />

Atmosphäre dieser Orte für Frauen erkundet.<br />

„Schweige und höre, neige deines Herzens Ohr, suche den Frieden“<br />

– diese Liedzeile war das Motto einer Fahrt zu drei Heideklöstern<br />

rund um Lüneburg, Uelzen und Bad Bevensen. Neben den Besuchen<br />

standen die Themen Spiritualität, Lebensgemeinschaften,<br />

Frauenbildung in den Klöstern, die Klöster und ihre Bedeutung<br />

für die Region zu unterschiedlichen Zeiten auf dem Programm.<br />

Die Klöster werden verwaltet von der Klosterkammer Hannover, zu<br />

der insgesamt 17 Klöster und Stifte gehören im niedersächsischen<br />

Raum, in der Lüneburger Heide und an der Weser. Alle liegen in<br />

schönen, charakteristischen Landschaften.<br />

Klöster können Orte der Besinnlichkeit und Glaubensgewissheit<br />

sein. Weibliche Spiritualität prägte in den Jahrhunderten ihr Leben.<br />

Heute leben in den Klöstern Frauen in Gemeinschaften, evangelische<br />

Damenstifte genannt. Aktuell sind es 129 alleinstehende Frauen,<br />

die diese Lebensform gewählt haben. Die meisten ziehen nach<br />

ihrer Berufstätigkeit ein, es gibt aber auch einige jüngere Bewohnerinnen.<br />

Entstanden sind die Damenstifte aus katholischen Nonnenklöstern,<br />

denen in der Reformationszeit das Ende drohte. Der Adel<br />

und die Patrizierfamilien wollten auf diese Versorgungseinrichtung<br />

für unverheiratete Töchter nicht verzichten und so nahmen die Klöster<br />

das evangelische Bekenntnis an. Aus den Klöstern sind Orte<br />

kulturellen, kirchlichen und sozialen Engagements geworden.<br />

Jedes der Klöster und Stifte der Klosterkammer Hannover hat ein<br />

eigenes Profil und Schwerpunkte entwickelt.<br />

Als wir den Klöstern im Oktober einen Besuch abstatteten, um die<br />

Orte vorab kennenzulernen, hatte die herbstliche Schließungszeit<br />

begonnen und die zahlreichen Führungen durch die alten Backsteingebäude,<br />

die Klostergärten und zu den jeweiligen Kunstschätzen<br />

waren nur eingeschränkt möglich. Die besondere Atmosphäre,<br />

eine Mischung aus Beständigkeit, Stille und lebendiger Aktuali-<br />

„Klöster können Orte der Besinnlichkeit und<br />

A u s d e n F r a u e n w e r k e n<br />

tät war aber deutlich spürbar. So präsentierte das Kloster Ebstorf<br />

eine beeindruckende Fotoausstellung zu den Ereignissen um den<br />

Fall der Mauer vor 20 Jahren. Ebstorf wurde im 12. Jahrhundert<br />

gegründet und nach einem Brand im Kloster Walsrode von Benediktinerinnen<br />

bewohnt. Dieses Kloster wurde berühmt durch seine<br />

Weltkarte aus dem 13. Jahrhundert. Die im Mittelalter bekannten<br />

Länder mit Jerusalem als Mitte der Welt sind dargestellt, umfasst<br />

und getragen von der Gestalt Jesu Christi. In der Nähe des Klosters<br />

befindet sich ein meditativer Auferstehungsweg, große Bildtafeln<br />

mit Texten sind auf einem Weg durch die Waldlandschaft aufgestellt<br />

und regen zur Meditation und Betrachtung an. Wir sind ihn<br />

gemeinsam gewandert.<br />

Wahrzeichen des Klosters Lüne ist ein über 600 Jahre alter Brunnen,<br />

der Handstein. Diese Klosteranlage konnte durch die Jahrhunderte<br />

in ihrer Gesamtheit erhalten bleiben und so gelingt das<br />

Eintauchen in eine andere Welt besonders gut, viele Kunstschätze<br />

sind erhalten. Das Textilmuseum zeigt die textilen Kunstwerke der<br />

Benediktinernonnen und evangelischen Stiftsdamen. Das Kloster<br />

Medingen gibt es seit 1336, es war ursprünglich ein Zisterzienserinnen-Frauenkloster.<br />

Die Nonnen widersetzten sich der Anordnung,<br />

den evangelischen Glauben anzunehmen beständig, die<br />

Lutherbibel die ihnen der Herzog 1524 schickte, ließ die Äbtissin<br />

verbrennen. Nach einem Brand im Jahr 1781 wurde es wieder aufgebaut<br />

und ist der einzige Klosterneubau des Protestantismus in<br />

Norddeutschland. In Medingen leben heute 18 Konventualinnen, es<br />

ist der größte Konvent in Niedersachsen.<br />

Mit 18 Frauen aus der rheinischen und nordelbischen Frauenarbeit<br />

haben wir diese drei Orte besucht und auch unsere Spiritualität thematisiert.<br />

Wir haben bereits gemeinsame Erfahrungen auf Fahrten<br />

nach Worpswede und Weimar gemacht und erleben die teilweise<br />

unterschiedlichen Mentalitäten bereichernd. Das <strong>Frauenwerk</strong><br />

Hamburg-West/Südholstein wird die Kontakte zu den Klöstern,<br />

die für uns „vor der Haustür“ liegen, fortsetzen.<br />

Glaubensgewissheit sein, weibliche Spiritualität prägte<br />

in den Jahrhunderten ihr Leben.“ Karin Kluck<br />

K a r i n K l u c k


A u s d e n F r a u e n w e r k e n<br />

Anzeige<br />

Originell und liebenswert<br />

Frauen, die sich trauen<br />

Das Ev. <strong>Frauenwerk</strong> Oldenburg (Kirchenkreis<br />

Ostholstein) bot eine Mut- und Mitmach-Reihe an<br />

– und viele Frauen kamen.<br />

Mein Blick wandert durch den Raum. Ich sehe die vielen Frauen, wir<br />

sind so verschieden und ich hoffe und bete, dass ich richtig hinsehe.<br />

Da sitzen die Treuen, die kein Treffen versäumen, die Praktischen,<br />

die schon mal das Teewasser aufgesetzt haben, die Kritischen, die<br />

immer noch eine Frage stellen, die Einsamen, denen die Gemeinschaft<br />

besonders wichtig ist, die Aufmerksamen, die wirklich verstehen<br />

möchten. Mein Blick trifft sich mit den Augen einer Freundin, ruht<br />

auf den Händen einer Älteren und streift für einen Moment das<br />

Gesicht einer jüngeren Frau und ich möchte zu jeder von uns, ohne<br />

Ausnahme, sagen: „Originell!“ und „Liebenswert!“<br />

„Frauen, die sich trauen“ – eine Mut- und Mit-mach-Veranstaltungsreihe<br />

mit biblischen Geschichten, Beispiel- und Lebensgeschichten<br />

über und von Frauen, die Gott beim Wort nehmen.<br />

Wie der starke, rote Faden, der sich durch ein Hanfseil zieht und es<br />

hält, zieht sich ein Thema durch alle Lebensgeschichten: Gott trauen<br />

und von daher sich trauen, sich als Frau etwas zutrauen, einander<br />

vertrauen, auf die Wirksamkeit gemeinsamen Betens und Handelns<br />

vertrauen.<br />

i n n o v a t i v e<br />

24<br />

Um diesen roten Faden winden sich andere Fäden, die ebenfalls<br />

nicht abreißen, nämlich die Folgen dieses Gottvertrauens und<br />

Selbstvertrauens: Der Einsatz für Freiheit und Ehrlichkeit im Glauben,<br />

für mehr Gerechtigkeit zwischen den Menschen, für Gleichbehandlung<br />

der Geschlechter, für Bildungschancen, Mitbestimmungsmöglichkeiten,<br />

für Befreiung aus sinnlos gewordenen Strukturen. Und der<br />

Widerspruch gegen ungerechte Machtverteilung, gegen jede<br />

Unterdrückung Schwacher durch Stärkere, gegen das Festhalten<br />

an Privilegien. Jede Frau bringt ihre eigene Lebensgeschichte mit<br />

und diese sind in ihrer Vielfalt so bunt wie das Leben selbst. Wir erleben<br />

Künstlerinnen und Kämpferinnen, Trösterinnen und Entdeckerinnen,<br />

Visionärinnen und Bewahrerinnen, Forscherinnen und Freundinnen,<br />

Ermutigerinnen und Dienerinnen.<br />

Wir brauchen alle Vorbilder, Menschen, die uns und anderen<br />

eine Vorstellung davon geben, wie das Leben gelingen kann, wie<br />

man eigentlich glücklich wird. Vorbilder sind Menschen, die Ziele<br />

haben und andere dafür gewinnen können. Die Menschen inspirieren<br />

und mitreißen. Für mich sind Vorbilder zum Beispiel Menschen,<br />

die dankbar, aufmerksam, großzügig, zurückhaltend, treu und ehrlich<br />

sind. Die die richtigen Fragen stellen und wirklich nach Antworten<br />

suchen, zuhören und den Sachen auf den Grund gehen. Die einen<br />

weiten Horizont haben. Die ihre Gaben kennen und einbringen. Die<br />

andere nicht in Schubladen stecken, sondern offen sind für neue<br />

Begegnungen. Die Frieden stiften, Träume haben, authentisch sind.<br />

„Frauen, die sich trauen“ verbindet der Glaube an Gott und die unpopuläre<br />

Art, diesen Glauben zu leben. Auf unterschiedliche Weise trauen<br />

und trauten sie sich, Grenzen zu überschreiten und eigene<br />

Lebensmöglichkeiten zu suchen. Sie machen Lust, Frauen zu sein,<br />

die sich trauen, mit dem eigenen Leben das Kontingent an Liebe auf<br />

dieser Welt zu vermehren, Hoffnung zu verbreiten und Gleichgültigkeit<br />

abzubauen. Es ist spannend, nach dem Schnittpunkt in der eigenen<br />

Lebensgeschichte zu suchen.<br />

A n d r e a R a t h j e n<br />

„Sie machen Lust, Frauen zu sein, die sich<br />

trauen, mit dem eigenen Leben das Kontingent<br />

an Liebe auf dieser Welt zu vermehren,<br />

Hoffnung zu verbreiten und Gleichgültigkeit<br />

abzubauen.“ Andrea Rathjen


25<br />

i n n o v a t i v e<br />

Klar und durchsetzungsstark<br />

Bugenhagenmedaille für Brigitte Hasselmann<br />

Sie stand oft allein am RednerInnenpult, aber eine Einzelkämpferin<br />

war sie nie. Schon lange bevor der Begriff „Teamwork“ erfunden<br />

wurde, hat Brigitte Hasselmann danach gelebt. Für ihr jahrzehntelanges<br />

ehrenamtliches Engagement im <strong>Frauenwerk</strong> Lübeck, in der<br />

Telefonseelsorge, der Kirchenkreissynode, der Nordelbischen<br />

Synode, der Kirchenleitung und der EKD-Synode wurde sie mit der<br />

Bugenhagen-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Nordelbischen<br />

Kirche, ausgezeichnet. „Ich bekomme diese Auszeichnung<br />

stellvertretend für die vielen Frauen, die sich in den vergangenen<br />

Jahrzehnten für die Ehrenamtlichen engagiert haben“, sagt sie. Die<br />

Auszeichnung wurde ihr ihm Rahmen des Weltgebetstagsgottesdien<br />

stes durch Bischöfin Maria Jepsen in St. Petri zu Lübeck überreicht.<br />

Brigitte Hasselmann wuchs in der Nachkriegszeit in Wuppertal auf<br />

und studierte Deutsch und Geschichte für das höhere Lehramt. „Ich<br />

habe nicht Theologie studiert, weil ich als Frau damals nur in der<br />

Schule oder im Krankenhaus hätte wirken können“, erinnert sie sich,<br />

und schüttelt den Kopf. „Das kann man sich heute kaum noch vorstellen,<br />

zum Glück.“ Dass sich das geändert hat, ist ganz maßgeblich<br />

auch Frauen wie ihr zu verdanken, die sich hartnäckig und<br />

mitfühlend, mit Blick sowohl fürs Ganze als fürs Detail eingesetzt<br />

hat für die Belange der Ehrenamtlichen, besonders der ehrenamtlichen<br />

Frauen.<br />

Nach dem Studium heiratete sie Pastor Niels Hasselmann und zog<br />

mit ihm 1963 -1966 nach Genf und 1967 - 1975 nach Kopenhagen.<br />

„Traditionell wird in Kopenhagen von der Pastorenfrau ohnehin ehrenamtliche<br />

Tätigkeit erwartet“, erinnert sie sich. „Die Gemeinde<br />

schlug vor, ich solle den Bastelkreis leiten.“ Noch heute amüsiert sie<br />

sich bei dieser Vorstellung: „Bastelkreis! Ich habe dann jahrelang den<br />

Kindergottesdienst organisiert.“ Das sei das Schöne am Ehrenamt:<br />

„Man kann sich wirklich entscheiden, was und wie viel man tun will.“<br />

1975 wechselte ihr Mann nach Hannover, 1980 nach Lübeck, und<br />

wieder zog die inzwischen zweifache Mutter hinterher. „Hier in<br />

Lübeck habe ich im <strong>Frauenwerk</strong> meine „Gemeinde“ gefunden“,<br />

sagt sie. „Das Kennenlernen dieses starken Frauennetzwerkes, das<br />

Foto: Katja Launer<br />

A u s d e n F r a u e n w e r k e n<br />

füreinander Eintreten, das selbständige Agieren und die Ernsthaftigkeit<br />

des Engagements haben mich damals ungemein beeindruckt.“ 1981<br />

- 2003 engagierte sich Brigitte Hasselmann im Frauenbeirat, dem sie<br />

seit 1989 vorsaß. Das <strong>Frauenwerk</strong> war stets ihr Netzwerk, wo sie Kraft<br />

tankte für ihre umfangreiche ehrenamtliche Tätigkeit: 10 Jahre war<br />

sie eine der vielen Ehrenamtlichen in der Telefonseelsorge, 15 Jahre<br />

lang hielt sie regelmäßig Mittagsandachten in St. Marien. „Ich habe<br />

als westliche Frau mit einer guten Ausbildung viel geschenkt bekommen.<br />

Ich betrachte es als meine Pflicht als Christin, davon etwas zurückzugeben.“<br />

Es wundert nicht, dass die Frau mit dem klaren Blick für Strukturen<br />

auch schnell in die politische Ebene gewählt wurde: Seit<br />

1989 gehörte sie der Kirchenkreissynode an, seit 1992 der<br />

Nordelbischen Synode und seit 1995 der EKD-Synode. Auch hier<br />

suchte sie sich stets Gruppen, in denen sie etwas bewegen konnte:<br />

Brigitte Hasselmann war lange Vorsitzende im Dekade-Ausschuss,<br />

im Arbeitskreis KDA und im Beirat der Akademie, 1999 - 2005 gehörte<br />

sie der Kirchenleitung an.<br />

Besonders am Herzen aber liegt ihr das Forum Ehrenamt, das sie<br />

mitbegründet hat und dem sie als Vorsitzende immer noch angehört.<br />

„Das ehrenamtliche Engagement – besonders von Frauen – wird<br />

immer noch zu wenig gesehen“, sagt sie. Die Vernetzung und<br />

Fortbildung von Ehrenamtlichen wird hier gefördert. „Besonders stolz<br />

bin ich darauf, dass es uns im Forum Ehrenamt gelungen ist, beim<br />

Gemeindedienst eine Ombudsstelle für Ehrenamtliche einzurichten,<br />

wo Ehrenamtliche, die im Konflikt mit Hauptamtlichen stehen,<br />

Unterstützung erhalten“, sagt sie. Nun wird sie sich mit 70 Jahren zurückziehen<br />

in das, was eine aktive Frau wie Brigitte Hasselmann halt<br />

„Ruhestand“ nennt. „Im <strong>Frauenwerk</strong> werde ich mich weiterhin engagieren“,<br />

sagt sie, „für die Arbeit in den politischen Gremien – beispielsweise<br />

für die <strong>Nordkirche</strong> – stehen genug Nachfolgerinnen bereit.“<br />

„Ich bekomme diese Auszeichnung stell-<br />

vertretend für die vielen Frauen, die<br />

sich in den vergangenen Jahrzehnten für<br />

die Ehrenamtlichen engagiert haben.“<br />

Brigitte Hasselmann<br />

K a t j a L a u n e r


A u s d e n F r a u e n w e r k e n<br />

Interessiert und engagiert<br />

Infobörsen als Wege der Vernetzung<br />

Das Ev. <strong>Frauenwerk</strong> Rantzau-Münsterdorf ist Mitglied im Frauennetzwerk<br />

Elmshorn. Für uns ist die Mitarbeit in diesem Netzwerk ein<br />

wichtiger Schwerpunkt, weil es zum Selbstverständnis der kirchlichen<br />

Frauenarbeit gehört, das gesellschaftliche und politische<br />

Leben mit zu gestalten. In diesem Netzwerk führen wir gemeinsam<br />

Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag, eine<br />

Interkulturelle Woche, Brustkrebstage und Aktionen zum Internationalen<br />

Tag gegen Gewalt an Frauen durch. Die Gleichstellungsbeauftragte<br />

der Stadt Elmshorn koordiniert die Arbeit und moderiert<br />

die monatlichen Treffen.<br />

Ein besonderes Projekt des Frauennetzwerks waren zwei Infobörsen<br />

für Frauen, die erste 2008, die zweite 2010. Infobörsen wurden in<br />

den siebziger Jahren als frauen- und gleichstellungspolitische<br />

Initiative von der damaligen Bundesministerin Antje Huber ins<br />

Leben gerufen, als Errungenschaft der neuen Frauenbewegung.<br />

Nach der Wiedervereinigung gab es solche Infobörsen auch in den<br />

neuen Bundesländern.<br />

Unsere Infobörse für Frauen am 13. März 2010 hatte den Titel<br />

„Interessiert und engagiert in jedem Lebensalter.“ Jedes Alter hat<br />

neue Herausforderungen und Chancen, die es zu bewältigen und zu<br />

nutzen gilt. Die Infobörse bot den BesucherInnen Informationen und<br />

Ansprechpartnerinnen zu beruflicher Orientierung, gesellschaftlichem<br />

Engagement und Familien- und Selbstmanagement, so gab es<br />

z. B. einen Vortrag über „Kreative Geschäftsideen“. Neben den<br />

Informationsständen und Workshops war eine Talkrunde mit Frauen<br />

aus verschiedenen Generationen besonders eindrücklich. Diese<br />

Frauen schilderten, wie sie gewollte oder unerwartete Veränderungen<br />

in ihrem Leben gestaltet haben. Sie machten Mut, nach eigenen<br />

Möglichkeiten und neuen Wegen zu suchen.<br />

Am Stand des <strong>Frauenwerk</strong>s kamen wir mit vielen Frauen über<br />

unsere Arbeit ins Gespräch – unser Jahresprogramm kam gut<br />

an. Es war eine gelungene Veranstaltung, bei der wieder deutlich<br />

wurde, wie sinnvoll und nützlich es für Beteiligte und für NutzerInnen<br />

ist, sich zu begegnen und sich zu vernetzen. Und selbstverständlich<br />

gab es eine Kinderbetreuung.<br />

Foto: Jannes Laedtke<br />

i n n o v a t i v e<br />

26<br />

Die Idee der Infobörsen hat sich über viele Jahre bewährt. Sie vermitteln<br />

einen Überblick über die Vielfalt der Organisationen und<br />

Beratungsmöglichkeiten vor Ort, unterstützen die Vernetzung, stellen<br />

Möglichkeiten für gesellschaftliches Engagement vor, informieren<br />

über aktuelle frauenspezifische Themen und ermutigen Frauen,<br />

auch Männer, ihre Chancen zu nutzen und ihren ganz persönlichen<br />

Weg zu finden. Ursula von der Leyen hat sich während ihrer Amtszeit<br />

für die Ausweitung der Infobörsen eingesetzt: „Gleiche Chancen<br />

von Frauen und Männern sind ein Ziel, das wir nur gemeinsam erreichen<br />

können. Auf dem Weg dahin brauchen wir das Engagement<br />

des Staates, der Wirtschaft, der Gesellschaft, aber auch von uns.<br />

Ich möchte Sie daher ermutigen, auch in Ihrer Region eine<br />

Infobörse zu organisieren oder zu besuchen.“ Wir im Frauennetzwerk<br />

haben diese Idee gerne aufgenommen, besonders da wir<br />

in Workshops auf die Durchführung solcher Infobörsen vorbereitet<br />

wurden – ein Angebot des Bundesministeriums, es finanziert die<br />

Workshops, das Arbeitsmaterial und mit dem Druck von Einladungsbroschüren<br />

und Werbematerial die Öffentlichkeitsarbeit.<br />

Zugeschnitten auf die Situation in unserer Stadt wurde am 8. März<br />

2008 - dem Internationalen Frauentag – die erste Infobörse für<br />

Frauen im Elmshorner Rathaus eröffnet. Unter dem Motto „Da mache<br />

ich mit!“ waren Schwerpunktthemen der Wiedereinstieg in<br />

den Beruf, die Suche nach neuen Aufgaben und Perspektiven nach<br />

einer Familienzeit oder nach Umbrüchen im eigenen Leben. Die<br />

BesucherInnen erhielten fundierte Informationen und konkrete<br />

Unterstützungsangebote. Die gemeinsame Idee hat die Zusammenarbeit<br />

der Frauen leicht gemacht, erfreulich wenn man bedenkt,<br />

dass sie sich aus vielen unterschiedlichen Einrichtungen zusammengefunden<br />

haben, von Kita-TrägerInnen bis zum SeniorInnenrat.<br />

Die Infobörse 2008 hatte großes Interesse gefunden. Diese gute<br />

Resonanz hatte uns ermutigt, 2010 wieder eine Infobörse durchzuführen.<br />

M a r e n S c h l o t f e l d , I n g r i d R e i t z<br />

„Infobörsen vermitteln einen Überblick über die Vielfalt der<br />

Organisationen und Beratungsmöglichkeiten vor Ort, unterstützen<br />

die Vernetzung, stellen Möglichkeiten für gesellschaftliches<br />

Engagement vor, informieren über aktuelle frauenspezifische Themen<br />

und ermutigen Frauen, auch Männer, ihre Chancen zu nutzen<br />

und ihren ganz persönlichen Weg zu finden.“ Maren Schlotfeld, Ingrid Reitz


27<br />

i n n o v a t i v e<br />

Frauentag: Mädchenwissen – Frauenweisheit<br />

Frauen ermutigen, ihren eigenen Weg in der Vielfalt der<br />

Gesundheitsangebote zu gehen – ein gelungenes<br />

Beispiel, auch der Vernetzung, ist der Frauentag des Ev.<br />

<strong>Frauenwerk</strong>es Flensburg und der Gesundheitswerkstatt.<br />

Willkommen mit Gesten der Klinikclownin „Upps“ – und die rote Nase<br />

leuchtete den Frauen den Eingang zum alten Pastorat St. Nikolai in<br />

Flensburg. Es ging los mit den Wechseljahren, den Veränderungen<br />

in unseren Körpern. Margret Heider, Frauenärztin, erklärte einfühlsam,<br />

was während der Wechseljahre vor sich geht. Mit verständlichen<br />

Worten brachte sie uns nahe, was normal ist und was die Umwelt –<br />

oft bestimmt von der Pharmaindustrie – uns als nicht normal vormacht.<br />

Frau Heider befähigt Frauen, eigene Entscheidungen zu treffen,<br />

zeigt Konsequenzen auf und benennt den gesellschaftlichen<br />

Druck, unter dem Frauen heute stehen, sich für oder gegen Hormone<br />

zu entscheiden. Sie ermächtigte uns – wieder – über unseren Körper<br />

zu bestimmen. Und sie tat das mit einer Geduld unseren Fragen gegenüber,<br />

dass wir angesteckt wurden zur inneren (eigenen) und äußeren<br />

(politischen) Achtsamkeit für Frauengesundheit.<br />

Dann ging es weiter mit Luna Yoga, angeleitet von der Bewegungstherapeutin<br />

Bettina Münster. In dem Schnupperworkshop erfuhr frau,<br />

was Luna Yoga will: Lust und Lebenskraft durch und mit dem eigenen<br />

Körper entwickeln und neue Energiequellen erleben. Das<br />

geschieht mit Übungen des Hatha Yogas, durch Tanzübungen, die<br />

das Becken in den Mittelpunkt stellen und durch Massageübungen.<br />

Renate Kuschke, Qigong-Lehrerin, lies die andere Hälfte der Teilnehmerinnen<br />

in die „Frauenvariante“ des Qigongs hineinschnuppern:<br />

„Wenn wir die drei Schätze Jing, Qi und Shen (vereinfacht übersetzt<br />

mit Körper, Geist und Seele) wirklich wertschätzen, liebevoll pflegen<br />

und achtsam wachsen lassen, kann in uns heitere Gelassenheit,<br />

Selbstakzeptanz und neue Vitalität entstehen.“<br />

Den nächsten Vortrag „Brust =<br />

Lust oder Last?“ hielt Dr. med<br />

Catrin Halves aus Wildeshausen.<br />

Sie begann mit einem unterhaltsamen<br />

geschichtlichen Abriss<br />

A u s d e n F r a u e n w e r k e n<br />

zur weiblichen Unterwäsche, vom Korsett über das Schnüren bis zum<br />

BH. Ihn preist uns die Werbung als Mittel, dem jeweiligen<br />

Schönheitsideal zu entsprechen. Aber wer hat eigentlich Interesse<br />

daran, die Formen und Abzeichnungen der weiblichen Brust zu sehen<br />

bzw. unsichtbar gemacht zu bekommen? Warum muss der<br />

„Busen“ immer so aussehen, wie man(n) uns weiß macht und wir<br />

kaufen diese teuren Dinger dann auch noch? Dann wurde es ernster:<br />

Die Brust als Vor-Sorge-Objekt oder im Krankheitsfall. Neben<br />

Informationen zum Brustkrebs wurden wir angeleitet, einen<br />

Blickwechsel zu vollziehen, hin zum Wahrnehmen und liebenden<br />

Umgang mit der Brust.<br />

Weiter ging es erneut mit Luna Yoga oder DanseVita mit Frida Urte<br />

Nitsch. Freies und angeleitetes Tanzen will Lebensfreude, Lebenskraft<br />

und Kreativität in Verbindung bringen. Nach der Mittagspause war<br />

Thema der Sinn und die „Schein“-Sicherheit von HPV, einer<br />

Impfung für Mädchen und junge Frauen als Vorsorge des Gebärmutterhalskrebses.<br />

Verwirrende Zahlen und widersprüchliche<br />

Meldungen zu Nutzen und Neben-Wirkungen der HPV-Impfung – die<br />

ärztlichen und pharmazeutischen Interessenvertretungen scheinen<br />

ein eindeutiges Interesse „pro Impfung“ zu haben. Frau Heider klärte<br />

auf, und das tat Not!<br />

Der letzte Vortrag von der Heilpraktikerin Tamara Gra über Göttinnen<br />

und Klosterfrauen lenkte unsere Aufmerksamkeit auf ganz andere<br />

Themen. Humorvoll bot sie Jeder von uns einen Anknüpfungspunkt,<br />

sich der eigenen Göttinnenkraft bewusst zu werden! Ein äußerst lockerer<br />

und ressourcenorientierter Vortrag!<br />

Voller Dankbarkeit für diesen berührenden und bewegenden Tag bot<br />

das Ritual „Sich dem Leben in die Arme werfen – Auferstehung<br />

mitten am Tage“, angeleitet von Ute Morgenroth und Marianne<br />

Riecke, die Möglichkeit, den Tag gemeinsam abzuschließen.<br />

Eine gelungene Zusammenarbeit<br />

zwischen Gesundheitswerkstatt und Evangelischem<br />

<strong>Frauenwerk</strong>!<br />

E v a V i e d t<br />

Mit Pepp – der Frauentag in Flensburg


B u c h t i p p s<br />

Ins Leben hineingeworfen Das Kind von<br />

Holocaustüberlebenden<br />

An einem Karfreitag sitzt die 35-jährige Anwältin in ihrem Büro und<br />

arbeitet an einem Vertragsentwurf. Der muss noch unbedingt über<br />

Ostern fertig werden. Ihr Leben scheint vorgezeichnet: Juniorpartnerin<br />

in einer renommierten Kanzlei. Verträge. Verhandlungen. So will es<br />

vor allem ihr Vater. Aber: Der Vertrag wird nicht fertig. Stattdessen<br />

geht Christiane Wirtz am Osterdienstag zu ihrem Chef und kündigt.<br />

Und ein paar Monate später sitzt sie in der Maschine der EL AL,<br />

die sie nach Tel Aviv bringen soll. „Ein Jahr in Tel Aviv. Reise in den<br />

Alltag“ heißt der spannend und zugleich leicht und doch nicht leicht<br />

geschriebene Bericht von Christiane Wirtz, in dem sie das Jahr beschreibt,<br />

in dem sie in Israel, genauer in Tel Aviv, in den ganz eigenen<br />

Alltag dieses Landes eintaucht.<br />

Sie findet eine Bleibe bei einem ehemaligen israelischen Studienkollegen,<br />

der inzwischen Dozent an der juristischen Fakultät in<br />

Jerusalem ist. Und sie wird in ein Leben hineingeworfen, in dem<br />

alles anders ist: zunächst einmal schon die Schrift. Wie soll sie<br />

den Stadtplan lesen? Oder die Zeichen auf dem Geldautomaten?<br />

Und dann ist da die Frage: Kann sie den Bus benutzen? Oder ist das<br />

zu gefährlich? (wie ihre Mutter findet) Sie lernt Ivrit, sie lernt das Bus<br />

fahren und vieles mehr.<br />

Sie sucht sich einen Job und findet ihn bei Charlotte Strohbach,<br />

einer 99 - jährigen Frau, die bereits in den dreißiger Jahren aus<br />

Nazideutschland emigriert war, aber durch einen Schlaganfall ihre<br />

Ivrit-, Englisch- und Französischkenntnisse verloren hat. Nun ist nur<br />

noch ihr Deutsch da. Und so sucht die alte Frau eine deutschsprachige<br />

Betreuerin. Die beiden spielen Scrabble und manchmal taucht<br />

Charlotte Strohbach ein in alte Erinnerungen.<br />

Aber es gibt auch die Begegnungen mit den neuen Freunden, die<br />

Ausflüge nach Haifa oder ans Tote Meer, der Alltag mit denen, für die<br />

Krieg und Bedrohung fast schon alltäglich ist. Religion, Politik,<br />

Geschichte - alles spiegelt sich in kleinen Alltagsbegebenheiten. Und<br />

in all dem ist eine junge Frau auf dem Weg zu sich selbst.<br />

Christiane Wirtz:<br />

Ein Jahr in Tel Aviv<br />

Reise in den Alltag<br />

Herder Verlag<br />

Freiburg 2009<br />

ISBN 978-3-451-05928-5<br />

12,95 Euro<br />

G u n d u l a D ö r i n g<br />

„Meine Eltern haben Auschwitz überlebt. Mein Leben steht unter keinem<br />

bösen Fluch, aber ihres. Sie wurden unter einem schlechten<br />

Stern geboren, den sie sich später auf die Jacke nähen mussten.“<br />

So beginnt Bernice Eisenstein ihre Geschichte.<br />

Bernice Eisenstein wurde 1949 in Toronto geboren und steht für die<br />

zweite Generation, die versucht, mit dem Horror umzugehen. Ihre<br />

Eltern glaubten, den Schrecken hinter sich lassen zu können, indem<br />

sie nach Toronto auswanderten. „Betreten verboten“ stand jetzt<br />

wie ein Schild vor der Vergangenheit in Auschwitz. So erlebte es<br />

Bernice Eisenstein. Die Eltern wollten sich selbst und ihre Kinder vor<br />

der tödlichen Bedrohung schützen. Doch Bernice Eisenstein begegnete<br />

der Vergangenheit ihrer Eltern in fast allen Dingen des Alltags,<br />

wie sie eindringlich beschreibt. Mit brennender Energie spürt sie der<br />

Vergangenheit ihrer Eltern nach. Sie will etwas von dem wiederfinden,<br />

was die Eltern in Auschwitz verloren haben, als ginge es um ihr<br />

eigenes Leben. So vermittelt Bernice Eisenstein den LeserInnen wie<br />

die Shoa nicht nur die Überlebenden weiter prägt, sondern auch das<br />

Leben der nachfolgenden Generationen überschattet.<br />

Bernice Eisenstein wird Künstlerin und versucht durch Zeichnungen<br />

im Comicstil ihre Erfahrungen als Kind von Shoa-Überlebenden darzustellen.<br />

Das Bild auf dem Buchumschlag drückt ihre Erfahrungen<br />

pointiert aus: Als kleines Mädchen wirft sie nicht den eigenen,<br />

sondern den doppelten Schatten ihrer Eltern. Sie lässt uns aber<br />

auch durch ihre Erzählung an ihrer Spurensuche teilhaben und ihr<br />

folgen auf ihrem Weg, der Erinnerungen wach werden lässt. Wir lesen<br />

eine tief berührende Lebensgeschichte, die uns die gelungene,<br />

transgenerationale Weitergabe von Erinnerung vor Augen führt.<br />

Bernice Eisenstein:<br />

E l i s a b e t h C h r i s t a M a r k e r t<br />

Ich war das Kind von<br />

Holocaustüberlebenden<br />

Berlin Verlag, Berlin 2007<br />

ISBN 978-3-82700-7-568<br />

9,70 Euro<br />

i n n o v a t i v e<br />

28


29<br />

i n n o v a t i v e<br />

Was wäre wenn?<br />

Junge Frauen diskutieren wieder über den Feminismus – und Antje<br />

Schrupp entfaltet feministische Ideen für unsere Zeit mit und nach<br />

der Gleichberechtigung. Deutlich arbeitet sie heraus, dass<br />

Feminismus mehr ist, als Gleichberechtigung und umso wichtiger<br />

wird, je mehr die Gleichstellung umgesetzt ist: „ … je einflussreicher<br />

Frauen sind, je mehr öffentliche Positionen sie einnehmen und<br />

je mehr Entscheidungen sie zu treffen haben, desto wichtiger ist es,<br />

nach welchem Maßstab sie all das tun.“ Dieser Maßstab „liegt nicht<br />

in jener Realität, die eine männliche Ordnung hervorgebracht hat<br />

und die sie in der Emanzipation also bereits vorfinden, sondern in<br />

ihren Visionen und Träumen, über die sie sich miteinander austauschen,<br />

inspirieren und streiten.“ Es geht also um die weibliche<br />

Freiheit, das Wünschen und Wollen von Frauen selbst zu definieren,<br />

und die Welt entsprechend zu gestalten.<br />

Lebendig beschreibt Antje Schrupp eine Sicht auf die Welt, die<br />

sich deutlich von der traditionellen westlichen, dualistisch und<br />

männlich geprägten Sichtweise unterscheidet. Oft inspirierend,<br />

manchmal auch fremd und provozierend behandelt sie wesentliche<br />

Fragen des Daseins und entwirft Bedingungen weiblicher Freiheit.<br />

„Freiheit entsteht in Bezogenheit“, diese These entfaltet sie durch<br />

eine Vielzahl von Zitaten, die mir einen Überblick über den Stand<br />

der Diskussionen bietet, und gleichzeitig ihre philosophisch feministische<br />

Denkrichtung verdeutlicht.<br />

Das Buch ist eine Aufforderung, einfach anzufangen, „Was wäre<br />

wenn?“ und dem eigenen Begehren zu folgen. Mag dies auch<br />

unbestimmt sein: „Das Begehren öffnet Wege für das Unvorhergesehene.<br />

Es scheut sich nicht, zuzugeben, dass es ohne die Hilfe<br />

von anderen nicht erfüllt werden kann. … Im Begehren den Motor für<br />

Veränderung zu sehen und nicht in den Zielen, die man sich setzt,<br />

das bedeutet ein radikales Umdenken.“ Was wäre, wenn wir es einfach<br />

mal probierten?<br />

Antje Schrupp:<br />

Was wäre wenn?<br />

Über das Begehren und<br />

die Bedingungen<br />

weiblicher Freiheit<br />

Ulrike Helmer Verlag<br />

Sulzbach 2009<br />

ISBN 978-3-89741-292-7<br />

16,90 Euro<br />

D a g m a r K r o k<br />

Überforderung<br />

ist Unterforderung<br />

Die zehn Autorinnen der Gruppe pro:fem nehmen sich eines existentiellen<br />

Themas an. Wer kennt nicht das Gefühl, nie genug Zeit zu<br />

haben, um alle beruflichen und familiären Aufgaben erledigen<br />

zu können, wer kennt nicht die Frustration, wenn kaum Zeit für<br />

persönliche Projekte bleibt? Und wer kennt nicht die Sehnsucht,<br />

nach Leichtigkeit und Lebendigkeit um aus dem Hamsterrad auszusteigen?<br />

Das Büchlein reiht sich nicht in die Reihe der praktischen Ratgeber<br />

zu work-life-balance ein, die nach Erfahrung der Autorinnen nur bedingt<br />

hilfreich sind, sie wollen – und darin liegt die Stärke ihres<br />

Ansatzes – den strukturellen Ursachen des Phänomens auf den<br />

Grund gehen. Ausgangspunkt sind ihre eigenen, in Tagesprotokollen<br />

gesammelten Erfahrungen, in denen sich sicher viele Leserinnen<br />

wiederfinden. Sehr spannend ist ihre dialektische Analyse der gefühlten<br />

Überforderung als Unterforderung – als Unterforderung<br />

in den Möglichkeiten, die Fülle des Menschseins leben zu können,<br />

weil wir maschinenhaft in gegebenen Strukturen funktionieren.<br />

So lenken sie den Blick weg von dem Problem der Einzelnen<br />

hin auf die Macht des weltweiten neoliberalen Wirtschaftssystems.<br />

Mit seinem absoluten Streben nach Profit und Wachstum, mit seinem<br />

Diktat der Angst und Menschenverachtung bringt es uns dazu, zu<br />

funktionieren und lähmt die Energie für den Kampf für Alternativen.<br />

Um die Strukturen zu durchbrechen, schlagen die Autorinnen in<br />

Anlehnung an Frigga Haug vor, Arbeit nicht allein als Erwerbsarbeit<br />

zu definieren, sondern auch die Zeit, die wir für Reproduktionsarbeit,<br />

politisches Engagement und persönliche Weiterentwicklung aufwenden,<br />

mit einzubeziehen. Diese ganzheitliche Vier-in-Einem-<br />

Perspektive eröffnet mehr Lebensqualität, erfüllte Zeit und gerechte<br />

Verteilung für alle.<br />

Das sehr lesenswerte Büchlein inspiriert mit seinem politischen<br />

Ansatz zum kreativen Weiterdenken und - diskutieren und fügt<br />

sich hervorragend in den Diskurs über das Jahresthema der<br />

Frauenarbeit in Nordelbien.<br />

Pro:fem (Hg.):<br />

Auf der Suche nach<br />

der verlorenen Zeit<br />

Überforderung ist Unterforderung<br />

Werkstatt-Texte 04<br />

Argument Verlag, Hamburg 2009<br />

ISBN 978-3-86754-804-5<br />

7 Euro<br />

B u c h t i p p s<br />

I r e n e P a b s t


B u c h t i p p s<br />

Mit guter Arbeit<br />

Ist diese Dame Gott?<br />

aus der Krise ‚Gender und religiöse Bildung weltweit’ ist kein Buch voller Theorien<br />

Die Philosophin und Ökonomin Christine Ax lädt in ‚Die Könnensgesellschaft’<br />

die Leserin ein, zusammen mit Hannah Arendt, Oskar<br />

Wilde und Anderen „Arbeit zu denken“ und ein Bild von „guter“ Arbeit<br />

zu finden. Sie wirft einen kritischen Blick auf unsere Arbeitswelt<br />

inmitten einer „Wissensgesellschaft“ und grenzt „Wissen“ als<br />

rein kognitive Fähigkeit zum „Können“ als angewandtes Wissen<br />

ab. Folgerichtig fordert sie eine ganzheitliche Bildung, in der Kinder<br />

sich mit ihrer ganzen Persönlichkeit entwickeln können.<br />

Ausgehend vom Modell des Handwerks, zeichnet Christine Ax<br />

das visionäre Bild einer Arbeitswelt, in der das Können von<br />

Menschen sich entfalten kann und auch angemessen entlohnt<br />

wird. Als Möglichkeiten, diese Vision zu verwirklichen, beschreibt sie<br />

u.a. die Regionalisierung von Wirtschaftskreisläufen. Christiane Ax<br />

unterlegt ihre Ausführungen mit einem fachkundigen Gang durch die<br />

Geschichte von Arbeit, Kunst, Handwerk und Industrie und stellt beispielhafte<br />

Modelle aus Vergangenheit und Gegenwart vor. So entführt<br />

sie die interessierte und stellenweise faszinierte Leserin in das<br />

Land Edo vor vielen, vielen Jahren und in die Welt des vielfältigen<br />

Handwerks im Mittelalter ebenso wie in eine österreichische Talschaft<br />

im Jahre 2010.<br />

Das Buch ist verständlich und lebendig geschrieben, eine übersichtliche<br />

Gliederung erleichtert gezieltes Nachlesen. Spaß machen<br />

scharf formulierte Zwischenüberschriften, wie ‚Aus dem Homo<br />

Faber wird der Animal Laborans’. ‚Die Könnensgesellschaft’ ist<br />

kein explizit feministisches Buch. Aber wenn Christine Ax beispielsweise<br />

„ein Wachstum, das Menschen überflüssig macht“ kritisiert<br />

oder auf die „Achtsamkeit in alltäglichen Dingen“ hinweist, lässt sich<br />

erahnen, dass die Werte weiblicher Lebenswelten auch die<br />

Grundpfeiler einer „Könnensgesellschaft“ sein könnten.<br />

Mein Fazit: Ein interessanter Schmöker, mit der Verführung zum<br />

Weiterdenken.<br />

Christine Ax:<br />

Die Könnensgesellschaft<br />

Mit guter Arbeit aus der Krise<br />

Rhombos Verlag, Berlin 2009<br />

ISBN 978-3-93880-7-965<br />

29,80 Euro<br />

J u l i a P a t z k e<br />

und Erläuterungen. Es handelt sich vielmehr um eine biografische<br />

Annäherung ans Thema. 24 Frauen und Männer aus Afrika, Asien,<br />

Europa und Lateinamerika, die sich in Kirchen und zivilen Organisationen<br />

für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen, berichten von ihren<br />

Träumen von einer besseren Kirche und Gesellschaft und ihren<br />

Erfahrungen zu bestehender Geschlechter-Ungerechtigkeit.<br />

Eingerahmt werden diese interessanten Erfahrungsberichte von<br />

Informationen zu den Herkunftsländern der AutorInnen. Durch die<br />

breite Vielfalt an Kontexten und den persönlichen Bezug fällt es leicht,<br />

sich auf das Thema des Buches einzulassen. Neu war die<br />

Erkenntnis, dass in vielen Ländern bereits eine genderbewusste<br />

Bibelauslegung existiert. Die AutorInnen aus aller Welt ermutigen<br />

uns, die Gender-Frage als eine Frage der Gerechtigkeit und der christlichen<br />

Nächstenliebe zu sehen, die uns alle angeht.<br />

Die Berichte orientieren sich an vier Leitfragen, z. B. „Wie wurden Sie<br />

als Kind zur Frau, zum Mann erzogen?“ Wie ein bunter Fächer wirken<br />

die unterschiedlichen Annäherungen an das Thema. Es wird sichtbar,<br />

in welchem Spannungsverhältnis, Erfahrungen aus der Kindheit<br />

und das Erlernte aus Studium und Beruf stehen. So beschreibt Larry<br />

José Madrigal Rajo aus El Salvador, wie er als kleiner Junge beim<br />

Niederknien vor der Statue der heiligen Anna naiv fragt: „Ist diese<br />

Dame Gott?“ und dafür von der Lehrerin einen harten Schlag auf<br />

den Kopf bekam.<br />

Zur Frage, warum sie sich für Geschlechtergerechtigkeit einsetze,<br />

schreibt Prof. Mercy Amba aus Ghana: „Eine zentrale Erkenntnis<br />

war für mich, dass wir Menschen es selbst sind, die unsere<br />

Kultur und Welt gestalten. Also können wir sie auch ändern. Was<br />

Menschen entwürdigt, können und sollen wir überwinden.“<br />

Ein empfehlenswertes, lebendiges Buch!<br />

Bärbel Fünfsinn,<br />

Gabriele Mayer:<br />

Gender und religiöse<br />

Bildung weltweit<br />

i n n o v a t i v e<br />

Biografische Einsichten<br />

Lembeck Verlag<br />

Frankfurt/Main 2009<br />

ISBN 978-3-87476-604-3<br />

16 Euro<br />

30<br />

J u l i a L e r s c h


31<br />

i n n o v a t i v e<br />

U n d a u ß e r d e m<br />

Eine mutige Ruferin gegen das allgemeine Schweigen<br />

Nachruf auf Mary Daly<br />

Mary Daly ist tot! Als ich diese Nachricht las, wanderten meine<br />

Gedanken zurück in die 70er Jahre, zu meinem Aufenthalt in den<br />

USA. Dort habe ich sie kennen gelernt, bei Veranstaltungen zur feministischen<br />

Theologie. Drei „k“ fallen mir spontan zu ihr ein: Klug,<br />

kämpferisch, kreativ. Bei ihr habe ich zum ersten Mal verstanden, worum<br />

es in der feministischen Theologie geht: Nicht um ein bisschen<br />

mehr Gleichstellung und bessere Frauenkarrieren, sondern: Mary<br />

Daly war die erste feministische Theologin und Philosophin, die<br />

mir begegnete, die eine umfassende Patriarchats-Analyse und<br />

Gesellschaftskritik veröffentlichte und daraus eine grundlegende<br />

Philosophie der Frauenbefreiung entwickelte. Ich höre sie<br />

noch: „In einer Theologie, in der Gott männlich ist, ist das Männliche<br />

Gott ...“ Die Befreiung von diesem „vorherrschend-männlichen“ Gott,<br />

war der Zugang zur feministischen Theologie und zur Frauenbewegung.<br />

Sie verstand sich als Grenzgängerin zwischen Philosophie und<br />

Theologie, wobei sie sich im Unterschied zu Tillich nicht „auf der<br />

Grenze“, sondern auf den Grenzen beider Disziplinen befand, indem<br />

sie die Erfahrungen von Frauen (der Hälfte der Menschheit!), die in<br />

Theologie und Philosophie nicht vor kamen, zum Thema machte. In<br />

ihren Seminaren erlebte ich, was ich in meinem ganzen Theologiestudium<br />

nie erfahren habe, dass das Leben und Leiden von Frauen<br />

relevante Themen im Studium der Theologie sind, um zu einer gerechten<br />

„non-sexist“ Theologie und Ethik zu kommen. Sie war für<br />

mich die erste feministische Lehrerin, die die Gräuel des Patriarchats<br />

beim Namen nannte und sie damit aus dem Schweigen und<br />

Tabuisieren in die Öffentlichkeit brachte. Sie stellte Zusammenhänge<br />

her zwischen den Sado-Ritualen an Frauen in aller Welt (z. B.<br />

Hexenverbrennungen in Europa, Witwenverbrennungen in Indien,<br />

Füßeeinbinden in China, Genital- verstümmelungen in Afrika) und<br />

den frauenfeindlichen Praktiken von Kirche, Gesellschaft und Medizin<br />

im 20. Jahrhundert. Durch sie wurde mir klar, dass mein Denken,<br />

als deutsche Frau damals, sich hauptsächlich um den<br />

Faschismus und Holocaust drehte, und mir eine kritische<br />

Auseinandersetzung speziell mit Frauenunterdrückung und<br />

„In ihren Seminaren erlebte ich, was ich in meinem ganzen The-<br />

ologiestudium nie erfahren habe, dass das Leben und Leiden von<br />

Frauen relevante Themen im Studium der Theologie sind, um<br />

zu einer gerechten ‚non-sexist’ Theologie und Ethik zu kommen.“<br />

Jutta Gross-Ricker<br />

Gewalt weltweit ganz fremd war. Oft denke ich heute an sie, wenn<br />

wieder Fälle von Missbrauch an Kindern und Mädchenhandel offenbar<br />

werden, Frauenvergewaltigungen als Kriegswaffe eingesetzt werden<br />

und es um das Abtreibungs- und Verhütungsverbot in der katholischen<br />

Kirche geht.<br />

Damals erschien mir Mary Daly wie Kassandra, eine mutige Ruferin<br />

gegen das allgemeine Schweigen und gegen kirchliche Macht. Sie<br />

entwickelte an Hand ihrer Recherchen eine „Meta-Ethik des radikalen<br />

Feminismus“ und betitelte ihr bahnbrechendes Buch: „Gyn/<br />

Ökologie.“ Sie war überzeugt davon, dass „nur was völlig durchschaut<br />

ist, kann uns nichts mehr anhaben und den Weg frei machen<br />

für die Möglichkeit von Frauen, die eigene gynergetische Kraft zu finden.“<br />

Auf Grund dieser feministischen Tradition sind wir heute<br />

sensibler für Unrecht, das an Frauen und Kindern geschieht.<br />

Gleichzeitig haben wir von ihren Forschungsergebnissen profitiert,<br />

durch die kritisches Denken in die Theologie eingekehrt ist.<br />

Gleichwohl ist ihre radikale System- und Patriarchatskritik an Kirche<br />

und Gesellschaft noch lange nicht ausgeschöpft.<br />

Dr. Dr. Dr. Mary Daly war katholische Theologin mit drei Doktortiteln in<br />

Theologie und Philosophie und lehrte zu meiner Zeit an dem jesuitischen<br />

College in Boston. Es waren ihre Studentinnen, die darum<br />

kämpften, dass die umstrittene Theologin am College weiter lehren<br />

konnte, trotz ihrer kritischen Auseinandersetzung mit der katholischen<br />

Kirche. Mary Daly ist eine der ersten herausragenden<br />

Persönlichkeiten der feministischen Bewegung des 20. Jahrhunderts.<br />

Mit ihrem Tod wird die Aktualität ihrer Arbeit und ihres Engagements<br />

nicht zu Ende sein, im Gegenteil!<br />

J u t t a G r o s s - R i c k e r


„Frauensichten auf die Finanzkrise<br />

– wie geht es anders?“<br />

Veranstalterinnen: <strong>Nordelbisches</strong> <strong>Frauenwerk</strong>, Ev. <strong>Frauenwerk</strong> Altholstein, Ev. Bildungswerk Plön-Segeberg<br />

Fotos: Dagmar Krok, Annette Pawelitzki, Agnes Witte

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