INNOVATIVE 22.indd - Nordelbisches Frauenwerk - Nordkirche
INNOVATIVE 22.indd - Nordelbisches Frauenwerk - Nordkirche
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innovative<br />
innovative<br />
Zeitschrift<br />
des Nordelbischen<br />
<strong>Frauenwerk</strong>es<br />
Nr. 22<br />
Juni - November 2010<br />
22<br />
Besondere Orte für Frauen<br />
Aktuelles zur Frauenemanzipation<br />
Poster + Postkarten „Es geht auch<br />
anders – umkehren zum Leben“<br />
Interview mit Annegret Bergmann<br />
Klima(un)gerechtigkeit aus Frauensicht<br />
Frauen, die sich trauen<br />
Nachruf auf Mary Daly
I n h a l t ı I m p r e s s u m<br />
Inhalt<br />
Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2<br />
Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />
Anstoß<br />
Das kleine Wörtchen „noch“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />
Projekte/Aktionen<br />
Poster und Postkartenreihe „Es geht auch anders<br />
– umkehren zum Leben“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
Müttergenesungswerk wird 60! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
Frauensichten auf die Finanzkrise – wie geht es anders? . . . . . . . . . 7<br />
Es muss anders gehen … Überlegungen zum Wachstum . . . . . . . . . 8<br />
In diesen Seminaren und Reisen sind noch Plätze frei . . . . . . . . . . . . 9<br />
Aktuelles zur Frauenemanzipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />
Frauen-Friedens-Tag am 7. November 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />
Unser neues Internetportal und www.Kirche-im-Norden.de . . . . . . 11<br />
‚Frauensynode’ mit neuem Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
Ökumene weiblich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
Frauen begegnen im Land der Bibel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />
Dokumentationen: Neu – Noch zu bekommen – Restexemplare . . 14<br />
2011: 100 Jahre Internationaler Frauentag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
Eine-Welt-Kiosk im Zentrum Gartenstraße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
Mit Respekt und Empathie: Das interreligiöse Lernhaus . . . . . . . . . . 15<br />
Von Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />
innovative<br />
22<br />
innovative – Zeitschrift des<br />
Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong>es<br />
Nr. 22, Juni - November 2010<br />
(Redaktionsschluss: 15. Februar)<br />
Herausgeberin<br />
<strong>Nordelbisches</strong> <strong>Frauenwerk</strong><br />
Kerstin Möller, Leiterin<br />
Gartenstr. 20, 24103 Kiel<br />
Fon 0431 / 55 779 100<br />
Fax 0431 / 55 779 150<br />
<strong>Frauenwerk</strong>@ne-fw.de<br />
www.ne-fw.de<br />
Das Nordelbische <strong>Frauenwerk</strong><br />
gehört zum Hauptbereich<br />
„Frauen, Männer, Jugend“<br />
i n n o v a t i v e<br />
Interview<br />
mit Annegret Bergmann, Frauenbeauftragte der Stadt Kiel . . . . . . . 17<br />
Frauen-News . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />
Hintergrund<br />
Klimawandel und Klima(un)gerechtigkeit aus Frauensicht . . . . . . 20<br />
Aus den <strong>Frauenwerk</strong>en<br />
Bibliodrama: Frauenschätze – im Haus des Lebens . . . . . . . . . . . . . 22<br />
Klöster – besondere Orte für Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
Frauen, die sich trauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />
Brigitte Hasselmann: Klar und durchsetzungsstark . . . . . . . . . . . . . . 25<br />
Infobörsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />
Frauentag „Mädchenwissen – Frauenweisheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
Buchtipps<br />
Ein Jahr in Tel Aviv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
Das Kind von Holocaustüberlebenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
Überforderung ist Unterforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />
Was wäre wenn? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />
Mit guter Arbeit aus der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
Ist diese Dame Gott? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
Und außerdem<br />
Eine mutige Ruferin gegen das allgemeine Schweigen<br />
– Nachruf auf Mary Daly . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />
Die Rückseite<br />
Foto-Impressionen: „Frauensichten auf die Finanzkrise<br />
– wie geht es anders?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
Redaktion<br />
Annette Pawelitzki, Fon 0431 / 55 779 105, apawelitzki@ne-fw.de<br />
Die Redaktion behält sich vor, Manuskripte redaktionell zu bearbeiten,<br />
evtl. auch zu kürzen. Die innovative erscheint i.d.R. im Mai/Juni<br />
und November/Dezember.<br />
Nachdruck mit Quellenangabe und Belegexemplar gern gestattet.<br />
Gestaltung und Illustrationen<br />
Susanne Adamek, Kommunikation & Design<br />
Titelfoto INADES Formation Tanzania, VEN<br />
Sekretariat Bärbel Rimbach<br />
Auflage 12.000 Exemplare<br />
Druck Druckzentrum Neumünster<br />
Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier<br />
Redaktionsschluss für die inno 23: 1. Oktober 2010<br />
2
3 i n n o v a t i v e<br />
Foto: Martin Krok<br />
Liebe LeserInnen,<br />
E d i t o r i a l<br />
Haben Sie schon einmal Ihren ökologischen Fußabdruck gemessen?<br />
Wir sagen Ihnen im Artikel „Klima(un)gerechtigkeit““ wo<br />
und wie das geht und welche Folgen der Abdruck hat, auch aus<br />
Frauensicht.<br />
l „Es geht“<br />
l „auch anders“<br />
l „umkehren“<br />
l „zum Leben“<br />
Wir stellen Ihnen die leuchtende Postkartenserie + Poster vor zum<br />
Jahresthema der Frauenarbeit in Nordelbien (Ev. <strong>Frauenwerk</strong>e in<br />
den Kirchenkreisen und <strong>Nordelbisches</strong> <strong>Frauenwerk</strong>): „Es geht auch<br />
anders – umkehren zum Leben“. Anstöße zu einem großen Thema,<br />
gerade auch die Karten sind gut geeignet für Gruppenarbeit, und<br />
natürlich zum Versenden und Verschenken!<br />
Wollen Sie auch wissen, ob es mit dem Wachstum und der<br />
Finanzkrise immer so weiter geht? Wir geben hierzu viele Impulse<br />
aus Frauensicht.<br />
In der innovative lernen Sie engagierte Frauen kennen, die Ihnen<br />
vermutlich nicht immer bekannt sind: Unter „Von Personen“ erfahren<br />
Sie viel über Frauen hier und weltweit.<br />
Haben Sie Lust aufs Lesen? Die Büchertipps, z.B. über die tägliche<br />
Unterforderung, sind dann bestimmt das Richtige.<br />
Und diese innovative beginnt mit „Das können Sie noch gut tragen“<br />
– Nachdenkliches zu dem kleinen Wörtchen „noch“. Vielleicht<br />
finden Sie sich dort wieder …<br />
Die innovative wird viel gelesen – geben Sie sie gern auch weiter.<br />
Innovative Grüße von uns aus dem Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong>!<br />
Ihre<br />
Annette Pawelitzki<br />
b Schreiben Sie uns – wir freuen uns auf Ihre Rückmeldungen<br />
und Anregungen zur innovative!<br />
b In der letzten innovative hatten wir unser Konto nicht<br />
angegeben – das führte zu freundlichen Nachfragen<br />
– von Herzen Dank allen SpenderInenn!<br />
<strong>Nordelbisches</strong> <strong>Frauenwerk</strong>, „innovative“,<br />
EDG Kiel, Konto 10 740, BLZ 210 602 37<br />
b Und denken Sie daran:<br />
Teilen Sie uns bitte Ihre neue Adresse mit, wenn Sie<br />
umziehen, das kostet uns sonst immer das Rückporto.
i n n o v a t i v e<br />
A n s t o ß 4<br />
Das kleine Wörtchen „noch“<br />
Kritisch und etwas skeptisch steht sie vor dem Spiegel. Meine<br />
Freundin hat gerade einen knallroten Blazer anprobiert. Wir<br />
Freundinnen schauen ihr aufmunternd dabei zu. Ja oder Nein? Das<br />
ist hier die Frage. Da kommt die Verkäuferin hinzu und gibt ihr Votum:<br />
„Das können Sie noch gut tragen!“ Der Stachel sitzt: „Noch!“ Meine<br />
Freundin ist 51 Jahre alt. Also noch kann sie rot tragen. Aber vielleicht<br />
bald nicht mehr? Dann nur noch dunkelblau oder grau?<br />
Später sitzen die Freundinnen in einem Cafe und denken über<br />
das kleine Wörtchen „noch“ nach. Nicht nur in modischen Fragen<br />
taucht es auf. Überall im Alltag macht es sich breit. Im Persönlichen,<br />
aber auch im Globalen. Da ist die eigene Gesundheit, aber genauso<br />
sind da die Fragen der Erderwärmung und des Klimawandels. Dass<br />
etwas „noch“ geht, heißt zugleich, dass es irgendwann „nicht mehr“<br />
geht. Und dieser Schritt vom „Noch“ ins „Nicht mehr“ kann leicht zu<br />
einem Schritt von Stolz und Selbstbewusstsein zu Angst und<br />
Niedergeschlagenheit werden. Etwas „nicht mehr“ zu können, markiert<br />
dann ein Versagen.<br />
Das andauernd schwingende Pendel der Gedanken zwischen „früher“<br />
und „später“ zwingt geradezu zum Vergleichen. Das kleine<br />
Wörtchen „noch“ zeigt Grenzen auf. Es beschreibt ein Jetzt, das<br />
sich nicht unbegrenzt fortschreiben lässt. Dieses Wissen kann Angst<br />
auslösen: Was wird, wenn ich „nicht mehr“ das bin, was ich „noch“<br />
bin? Dieses Wissen kann auch Hoffnung auslösen: „Ich muss nicht<br />
immer das sein, was ich jetzt bin.“ Und unter Umständen löst es noch<br />
etwas ganz anderes aus: Einen neuen und staunenden Blick auf das<br />
Selbstverständliche. Vielleicht auch alles zusammen. Oder von allem<br />
etwas. So lese ich es in einem Gedicht von Rose Ausländer:<br />
Noch bist du da<br />
Wirf deine Angst<br />
in die Luft<br />
Bald<br />
ist deine Zeit um<br />
Bald<br />
wächst der Himmel<br />
unter dem Gras<br />
fallen deine Träume<br />
ins Nirgends<br />
Noch<br />
duftet die Nelke<br />
singt die Drossel<br />
noch darfst du lieben<br />
Worte verschenken<br />
noch bist du da<br />
Sei was du bist<br />
Gib was du hast.<br />
In ihrem letzten Fernsehinterview – sie ist zu diesem Zeitpunkt schon<br />
sechs Jahre bettlägerig - wird Rose Ausländer gefragt: „Was erwarten<br />
Sie noch vom Leben?“ Sie antwortet: „Ich erwarte nichts. Aber<br />
ich lebe gern.“<br />
In ihrem Gedicht ist es, als würde der erste Teil die Frage des<br />
Interviewers aufnehmen: Bald ist deine Zeit um – was gibt es noch zu<br />
erwarten? Im zweiten Teil des Gedichts, der mit „Noch“ beginnt, wird<br />
eine Verbindung geknüpft von außen nach innen, von der Welt hin zu<br />
sich selbst: Die Nelke duftet. Die Drossel singt. Es ist das Wesen einer<br />
Blume zu duften. Das Wesen eines Vogels zu singen. Beide geben<br />
also ihrem Wesen Ausdruck. Und so auch das lyrische Ich: Noch<br />
darfst du lieben / Worte verschenken / noch bist du da. Und dann<br />
kommt, knapp und prägnant, der Schluss: Sei was du bist / Gib was<br />
du hast. In diesen beiden letzten Sätzen ist kein Noch, kein Bald und<br />
kein nicht mehr. Sie sind ganz Gegenwart. Sei, was du bist. / Gib was<br />
du hast. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es ist entlastend zu<br />
spüren: Ich muss nicht mehr sein, als ich bin. Ich muss nicht<br />
mehr geben, als ich habe.<br />
Die Nelke schenkt ihren Duft. Die Drossel ihren Gesang. Nicht mehr.<br />
Nicht weniger. Sie sind sie selbst und denken nicht darüber nach,<br />
dass sie sich verschenken. Wir können sicher nicht alles nachahmen,<br />
was uns die Blumen und die Vögel unter dem Himmel vormachen.<br />
Wir reflektieren unser Sein und unser Tun. Es macht uns ja zu<br />
Menschen, dass wir denken und Beziehungen zwischen gestern und<br />
morgen aufbauen. Dass wir an ein „Noch“ und ein „nicht mehr“<br />
denken – das gehört dazu.<br />
Und manchmal ist es so, dass mitten im Alltag, vor einem Spiegel im<br />
Modegeschäft, etwas aufbricht von der Frage nach dem Sinn. Von<br />
Angst und Freude und Hoffnung. Die Freundinnen sitzen noch lange<br />
Zeit im Cafe und reden. Die Frage nach der Farbe des Blazers ist<br />
unwichtig geworden.<br />
„Und manchmal ist es so, dass mitten im<br />
Alltag, vor einem Spiegel im Modegeschäft,<br />
etwas aufbricht von der Frage nach dem<br />
Sinn. Von Angst und Freude und Hoffnung.“<br />
Gundula Döring<br />
G u n d u l a D ö r i n g
5 i n n o v a t i v e<br />
P r o j e k t e ı A k t i o n e n<br />
Neu: Lebendige Poster und Postkartenreihe<br />
Ein leuchtendes Poster und farbig animierende<br />
Postkarten zum Jahresthema<br />
2010/2011 der Frauenarbeit in Nordelbien:<br />
„Es geht auch anders – umkehren zum<br />
Leben“<br />
Die Postkartenserie (4 Stück) kostet einen<br />
Euro. Die Postkarten eignen sich gut,<br />
um über das Jahresthema ins Gespräch<br />
zu kommen, für Gruppenarbeit – oder einfach<br />
zum Verschicken. Die Poster gibt es<br />
kostenlos.<br />
Zu beziehen ist alles in den Ev. <strong>Frauenwerk</strong>en<br />
vor Ort (wir nennen Ihnen gern Ihr<br />
nächstes <strong>Frauenwerk</strong>) und bei uns (Fon<br />
0431 – 55 779 107, uschroder@ne-fw.de).<br />
Schauen Sie diese vierfarbigen Produkte<br />
doch schon einmal an: www.ne-fw.de.<br />
A n n e t t e P a w e l i t z k i
i n n o v a t i v e<br />
P r o j e k t e ı A k t i o n e n 6<br />
Blaue Blumen für mehr Freundlichkeit<br />
Müttergenesungswerk wird 60!<br />
Die Elly Heuss-Knapp-Stiftung, Deutsches Müttergenesungswerk<br />
(MGW), begeht im Jahr 2010 ihr 60-jähriges Jubiläum. Die Gesundheit<br />
und die Gesunderhaltung der Mütter in Deutschland zu stärken<br />
ist das Ziel der Stiftung heute genauso wie zur Zeit der Gründung.<br />
Elly Heuss-Knapp, die Gattin des ersten Bundespräsidenten Theodor<br />
Heuss, gründete das Werk am 31. Januar 1950 als Zusammenschluss<br />
der großen Wohlfahrtsverbände Deutschlands.<br />
„Die Welt eines Kindes ist wieder fröhlicher, wenn die Mama gesund<br />
ist“, betont Eva Luise Köhler, Schirmherrin des MGW. „Mit der<br />
Gesundheit der Mütter wird die ganze Familie gestärkt. Denn noch<br />
immer tragen Mütter die Hauptlast der Familienverantwortung. Belastungen,<br />
die daraus entstehen, können krank machen. Dann sind die<br />
hochmodernen Vorsorge- und Rehamaßnahmen für Mütter und<br />
Mutter-Kind des Müttergenesungswerkes eine hervorragende Hilfe.“<br />
Die Vorsitzende des Kuratoriums Marlene Rupprecht, MdB, unterstreicht:<br />
„Unser großes Netzwerk ist seit 60 Jahren erfolgreich<br />
tätig – denn es ist einmalig in Struktur, Inhalt und Qualität. Praktisch<br />
geht es in unserer Arbeit darum die Gesundheit der Mütter zu<br />
stärken und dafür alle Möglichkeiten der Wohlfahrtsverbände zu nutzen.<br />
Der politische Aspekt ist, die Rahmenbedingungen für die Gesunderhaltung<br />
der Mütter in Deutschland zu schaffen bzw. zu erhalten.<br />
In ihrer Gründungsrede formulierte die ihr Leben lang sozialpolitische<br />
engagierte Elly Heuss-Knapp: „Wissen wir noch, was das ist, eine<br />
Familie?… – Es liegt an den Müttern, die die Seele der Familie sind.<br />
Aber wer fragt danach, wie die Mütter es noch schaffen? Das<br />
Müttergenesungswerk fragt nach ihnen.“ Nur wenige Monate vorher<br />
hatte sie beim Bayerischen Mütterdienst in Stein bei Nürnberg von<br />
der Not vieler Mütter im Nachkriegsdeutschland erfahren und sofort<br />
gehandelt: In der Stiftung sind Arbeiterwohlfahrt, Deutscher Paritätischer<br />
Wohlfahrtsverband, Deutsches Rotes Kreuz, Evangelischer<br />
Fachverband für Frauengesundheit e.V. und Katholische Arbeitsgemeinschaft<br />
für Müttergenesung zusammengeschlossen. Zum<br />
Verbund gehören heute rund 1.400 Beratungsstellen bei den<br />
Wohlfahrtsverbänden und 84 anerkannte Einrichtungen.<br />
Das MGW war seit jeher verbunden mit den Spendensammlungen<br />
rund um den Muttertag. Und auch heute noch werden die Spendengelder<br />
genutzt, um den Frauen bei der Finanzierung der Kurmaßnahmen<br />
zu helfen, die sie ansonsten nicht antreten könnten, um<br />
qualifizierte Nachsorge und Informations- und Aufklärungsarbeit anzubieten.<br />
SpenderInnen mit kleinen blauen oder bunten Blumen zu<br />
beschenken ist eine inzwischen fast 60jährige Tradition.<br />
Rund 4 Millionen Mütter und Kinder sind in 6 Jahrzehnten Müttergenesungswerk<br />
zu mehr Gesundheit und Lebensfreude gelangt.<br />
Mehr als 2 Millionen Mütter sind heute kurbedürftig. Hier liegt die<br />
Zukunft des MGW und die fängt jetzt an.<br />
Alle Informationen zum Müttergenesungswerk finden Sie auf<br />
www.muettergenesungswerk.de.<br />
K a t r i n G o ß e n s<br />
Das Ev. Kurzentrum GODE TIED im Nordseeheilbad Büsum bietet<br />
40 Müttern und ihren Kindern (1,5 -13 Jahre) frauenspezifische<br />
und ganzheitliche Vorsorge- und Rehamaßnahmen an. Dabei erfüllen<br />
wir zusätzlich zu den gesetzlichen Bestimmungen auch die besonderen<br />
Qualitätskriterien des Müttergenesungswerkes. Mehr unter<br />
www.godetied.com oder rufen Sie uns an: 04834 - 9509 0.<br />
Neu im Team ist Andrea Boyer. Nach acht Jahren als Gleichstellungsbeauftragte<br />
des Kreises Nordfriesland ist sie seit 1. Februar Geschäftsführerin<br />
von GODE TIED. Andrea Boyer ist Sozialpädagogin und hat<br />
den Master ‘Science of Social Work’ erworben. Sie ist zu erreichen<br />
unter Fon 04834 - 9509 130, aboyer@ne-fw.de.<br />
Das Nordelbische <strong>Frauenwerk</strong> ist die Landesgeschäftsstelle für<br />
Müttergenesung im Ev. Fachverband für Frauengesundheit. Die<br />
MGW-Kurberatungsstellen in den Kirchenkreisen vermitteln<br />
jährlich 3.000 Frauen und Kinder aus Hamburg und Schleswig-<br />
Holstein in eine Kur.<br />
M a r i a n n e L i n d e n b e r g
Fotos: Dagmar Krok, Annette Pawelitzki<br />
7<br />
i n n o v a t i v e<br />
Frauensichten auf die Finanzkrise<br />
Wie geht es anders?<br />
Unter diesem Motto fanden sich im Januar trotz Glatteis und Schnee<br />
90 Frauen und einige Männer in den Räumen der Kieler Landesbibliothek<br />
ein. „Verzockt“, so Heide Simonis, haben sich die<br />
Männer in den Banken. Dass Heide Simonis als eine der wenigen<br />
Frauen in der Männerdomäne des Aufsichtsrats der HSH-Nordbank<br />
nicht viel ausrichten konnte, wunderte die feministische Ethikerin, Ina<br />
Praetorius, nicht.<br />
In ihrem Modell einer ‚Ökonomie der Geburtlichkeit’ würde es so etwas<br />
wie eine Finanzkrise nicht geben. Ihr zufolge liegt der Ursprung<br />
der Fehlentwicklung der Ökonomie in der Antike, bei Aristoteles<br />
und dessen Zweiteilung der Welt in die Sphäre des Haushalts, der<br />
unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung, die den Frauen zugeordnet<br />
wurde und in die Sphäre des außerhäuslichen Bereichs, der Polis,<br />
die den freien Männern für Politik und Theoriebildung vorbehalten<br />
war. Die Folge davon sei, dass es in der Ökonomie von heute nicht<br />
mehr um Bedürfnisse von Menschen gehe, obgleich die Ökonomie<br />
beanspruche, die Lehre der Bedürfnisbefriedigung zu sein. Es gehe<br />
heute nur um Geld, Geldvermehrung, Zins-, Diskontsätze und Profite.<br />
Durch den freien Markt würden menschliche Bedürfnisse angeblich<br />
automatisch befriedigt. Menschen seien aber nicht autonome freie<br />
Markt-AkteurInnen, sondern vor ihrer Geburt abhängig vom Mutterleib<br />
und danach von anderen, von der Natur und ihrer Umwelt. Die<br />
‚Ökonomie der Geburtlichkeit’ jedoch überwinde die Zweiteilung von<br />
Hauhalt und Polis. In ihr dürfe es wieder um die Befriedigung menschlicher<br />
Bedürfnisse gehen. Sie stellt die Abhängigkeit des Menschen<br />
neben dessen Freiheit.<br />
Wenn wir die Sphären des Haushalts und der Polis verbinden wollen<br />
und ein neues Verständnis von Ökonomie suchen, müssen wir uns<br />
mit den Niederungen der heutigen Finanzwirtschaft auseinandersetzen.<br />
Hinsichtlich der Frage, was wir tun können, um der postpatriarchalen<br />
Wirtschaftsordnung ein Stück näher zu kommen, bekamen<br />
wir Hinweise von Heide Simonis, die die Sprache und Glaubwürdigkeit<br />
von BankerInnen und GutachterInnen kritisierte, von deren wahrheitsgemäßen<br />
Informationen sie als Aufsichtsratsmitglied der HSH-<br />
Weitere fotografische Impressionen der Veranstaltung „Frauensichten auf die Finanzkrise – wie geht es<br />
anders?“ finden Sie auf der Rückseite der innovative<br />
P r o j e k t e ı A k t i o n e n<br />
Nordbank abhängig war. Die mit Anglizismen durchsetzte Sprache<br />
der Banker grenze aus und erschwere die Aufsicht. „Wir brauchen<br />
eine verständliche und transparente Sprache“, forderte sie. Die<br />
HSH-Nordbank müsse wieder zu einer Regionalbank werden. Es<br />
müsse aufhören, dass Geld mit Geld erzeugt wird.<br />
Sehr authentisch war Kristina Kirchmann, die aus moralischen<br />
Gründen ihre Arbeit in verantwortlicher Position bei einer Bank<br />
aufgegeben hat und die üblichen Anlageprodukte (Versicherungen,<br />
private Renten, Fondssparen etc.), bei denen es mehr um Provisionen<br />
als um gute Beratung gehe, in Frage stellte.<br />
Die Frage der verantwortungsbewussten Anlageberatung wurde zum<br />
Schluss der Veranstaltung durch Christa Pruessner von Oiko-Credit<br />
gelöst. Bei Oiko-Credit kann Geld ethisch korrekt in sinnvolle<br />
Projekte der Realwirtschaft in der Einen Welt angelegt werden.<br />
Ein Highlight waren die ClowNetten mit drei wunderbaren Szenen<br />
zur Funktionsweise der Finanzmärkte. Kein noch so guter Vortrag<br />
hätte die Hintergründe klarer und anschaulicher vermitteln können.<br />
Angeregt wurde ich intensiver über unser Freiheitsverständnis, unser<br />
Menschenbild und seine philosophische und theologische Begründung<br />
nachzudenken – und gleichzeitig weiter Frauen zu ermutigen,<br />
jeden Tag den Wirtschaftsteil der Tageszeitung zu lesen und<br />
die dort reproduzierten Normen und Werte sowie die Sprache zu hinterfragen<br />
und den Ausverkauf des Gemeinwohls zugunsten der<br />
Misswirtschaft von Bankern zu beenden.<br />
Die Veranstalterinnen (Elisabeth Christa Markert, <strong>Frauenwerk</strong> Altholstein,<br />
Julia Patzke, Ev. Bildungswerk des Kirchenkreises Plön-<br />
Segeberg und Waltraud Waidelich, <strong>Nordelbisches</strong> <strong>Frauenwerk</strong>) regen<br />
an, in den <strong>Frauenwerk</strong>en Runde Tische zum Thema „Frauen<br />
und Geld“ als einen Ort des Nachdenkens zu etablieren und stellen<br />
dafür ihre fachliche Kompetenz zur Verfügung.<br />
Tipp<br />
www.bzw-weiterdenken.de<br />
„beziehungsweise – weiterdenken“<br />
ist ein Internetforum,<br />
das ein philosophisches<br />
und politisches Gespräch<br />
unter Frauen ermöglicht, u.a.<br />
auch über die Finanzkrise.<br />
W a l t r a u d W a i d e l i c h
P r o j e k t e ı A k t i o n e n i n n o v a t i v e<br />
Es muss anders gehen …<br />
Überlegungen zum ‚Wachstum’<br />
„Wenn der Professor seine Haushälterin heiratet, sinkt das<br />
Bruttoinlandsprodukt.“ Dieser Satz ist ein klassisches Beispiel aus<br />
Lehrveranstaltungen der Volkswirtschaftslehre. Das Bruttoinlandsprodukt<br />
(BIP) sinkt, weil die Arbeit der Haushälterin dann nicht mehr<br />
an sie bezahlt wird, denn das BIP erfasst den Wert aller Güter und<br />
Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft in einem bestimmten<br />
Zeitraum. Das BIP ist die zentrale Messgröße für die Leistungsfähigkeit<br />
von Volkswirtschaften. Ein sinkendes BIP geht bei steigender<br />
Bevölkerungszahl mit Erwerbslosigkeit einher. So lauten die<br />
Definitionen in Nachschlagewerken.<br />
In den letzten Jahren gibt es eine zunehmende Kritik, vor allem<br />
aus ökologischer Sicht, am Wachstumsbegriff, so beispielsweise<br />
in der Studie ‚Zukunftsfähiges Deutschland’ (Hg.: Brot für die<br />
Welt, BUND, Ev. Entwicklungsdienst) vom vergangenen Jahr, die an<br />
die Studie des Club of Rome erinnert, in der schon 1972 auf den<br />
Widerspruch zwischen Wachstum und Ökologie aufmerksam gemacht<br />
wurde. Das Statistische Bundesamt erfasst im BIP alle Güter<br />
und Dienstleistungen, die bezahlt werden. Dies hat zur Folge, dass<br />
alle Krankheiten, die gegen Gebühr behandelt werden, das BIP steigern.<br />
Auch Kriege, Katastrophen, Unfälle können das Wachstum<br />
erhöhen. Kritisch an unserem Wachstumskonzept ist, dass es auf<br />
Nutzung und Ausbeutung von Rohstoffen und natürlichen<br />
Ressourcen basiert, die nicht unendlich auf der Erde vorhanden<br />
sind und ökologische Folgekosten nicht einrechnet. Durch Ersteres<br />
ist dem Wachstum eine endliche Grenze gesetzt. Die exponentiellen<br />
Wachstumsraten müssen irgendwann, mit mathematischer<br />
Logik betrachtet, abflachen.<br />
„ÖkonomInnen sind der Gesellschaft schon seit Jahren intelligentere<br />
Wachstumsbegriffe und -messarten schuldig“, so ein<br />
empörter Meteorologe, mit dem ich neulich sprach. Wer sich mit<br />
Fragen von Ökologie und Nachhaltigkeit beschäftigt, der oder dem<br />
müsse Angela Merkels Appell „Wir müssen alle etwas tun für mehr<br />
Wachstum“ und das Wachstumsbeschleunigungsgesetz oder die<br />
Abwrackprämie wie aus einer Welt von vorgestern erscheinen. Die<br />
Widersprüche zwischen Nachhaltigkeitserfordernissen und den<br />
Aussagen der ParteipolitikerInnen aller Parteien sind unerträglich.<br />
Zum Glück gibt es einige Ökonomen, die über den Tellerrand schauen<br />
und z. B. den volkswirtschaftlichen Nutzen der Arbeit von<br />
Bankern mit der von Krankenschwestern vergleichen: Den französischen<br />
Präsidenten Sarkozy, der eine Studie zur Neuberechnung<br />
des Bruttoinlandsprodukts in Auftrag gab, oder den Ökonomen<br />
Niko Paech, der auf dem Politischen Kirchentag in Plön 2009 für<br />
eine „Ökonomie jenseits des Wachstums“ eintrat. Und es gibt das<br />
Positionspapier der Nordelbischen Arbeitsgemeinschaft für<br />
Frauenarbeit zur ‚Neubewertung von Arbeit’, in dem es um die<br />
Bezahlung von Sorgearbeit geht. Denn die Bezahlung von bislang<br />
unbezahlter Sorge- oder Care-Arbeit würde das Wachstum steigern.<br />
Wenn die Ehefrau des Professors von Anfang an Geld für ihre<br />
Leistung bekäme, wäre das ein ökologisch relativ neutraler Beitrag<br />
zum Wachstum. Die 96 Mrd. Stunden unbezahlte Arbeit, die<br />
jährlich in den privaten Haushalten der Volkswirtschaften geleistet<br />
werden, bilden ein ausreichend großes Wachstumsreservoir,<br />
das durch eine schlichte Neudefinition von Arbeit,<br />
gehoben werden könnte.<br />
8<br />
W a l t r a u d W a i d e l i c h<br />
„Kritisch an unserem Wachstumskonzept ist, dass<br />
es auf Nutzung und Ausbeutung von Rohstoffen<br />
und natürlichen Ressourcen basiert, die nicht<br />
unendlich auf der Erde vorhanden sind und ökolo-<br />
gische Folgekosten nicht einrechnet.“ Waltraud Waidelich
9<br />
i n n o v a t i v e<br />
P r o j e k t e ı A k t i o n e n<br />
In diesen Seminaren und Reisen sind noch Plätze frei<br />
– melden Sie sich an oder fordern Sie unser ausführliches Programm 2010 an<br />
Sommerliche Klosterreise auf den<br />
Schwanberg<br />
Eine Woche bei den Schwestern der<br />
Communität Casteller Ring<br />
b 14. - 21. August<br />
Schnupperkurs Feministische Theologie<br />
Hintergründe, Grundlagen und Methodik<br />
b SA, 4. September, 10 - 16 Uhr, Kiel<br />
Oase der Stille<br />
Ein Wochenende im Schweigen<br />
b 17. - 19. September, Ratzeburg<br />
Klosterwoche in der Abtei St. Hildegard<br />
bei Rüdesheim/Rhein<br />
Erholung für Seele, Geist und Körper<br />
– Hildegard von Bingen<br />
b 25. September - 1. Oktober<br />
Weltgebetstags - Special zu Chile<br />
Umkehren zum Leben<br />
Für Weltgebetstags-Teams und<br />
Interessierte<br />
b SA, 25. September<br />
9.30 - 16 Uhr, Kiel<br />
Zum herbstlichen Kranichzug<br />
auf die Halbinsel Darß<br />
Erholungstage in Mecklenburg-<br />
Vorpommern – zu Fuß, mit Rad,<br />
Bus und Schiff<br />
b 5. - 11. Oktober<br />
Es geht auch anders:<br />
Endlich Schluss mit dem Chaos<br />
Selbst- und Zeitmanagement für Frauen<br />
b MI, 6. Oktober, 10 - 16 Uhr, Kiel<br />
Nordelbische Musikwerkstatt<br />
zum Weltgebetstag 2011<br />
Musik aus Chile<br />
Für Weltgebetstags-Teams<br />
b SA, 16. Oktober, 10 - 17 Uhr, Hamburg<br />
Gekonnt diskutieren und Reden halten<br />
Fast ohne Stress – Für Synodalinnen<br />
und Frauen aus anderen Gremien<br />
b DO, 21. Oktober, 10 - 16 Uhr, Kiel<br />
Frauensichten auf das<br />
bedingungslose Grundeinkommen<br />
Es gibt Differenzen – diskutieren wir sie!<br />
b SA, 23. Oktober, 11 - 19 Uhr, Hamburg<br />
Fairführung ist (k)eine Kunst<br />
Über ‚ethischen’ Konsum<br />
b DO, 28. Oktober, 19 - 21 Uhr, Kiel<br />
Frauen-Friedens-Tag<br />
Gottesdienst und Engagement<br />
b SA, 30. Oktober, 10 - 15 Uhr, Flensburg<br />
Nordelbische Weltgebetstagswerkstätten<br />
Für <strong>Frauenwerk</strong>sleiterinnen<br />
und ihre Weltgebetstags-Teams<br />
b FR, 12. November (15 Uhr) –<br />
SA, 13. November (17 Uhr) Rendsburg<br />
bzw. MI, 17. November 10 - 18 Uhr, Kiel<br />
Völkervielfalt in Hamburg (Tagesfahrt)<br />
Jüdischer Salon des Cafés Leonar, „Markt der<br />
Völker“, Teezeremonie i. Chinesischen Pavillon<br />
b SA, 13. November<br />
Guter Lohn für gute Arbeit<br />
– was motiviert Frauen?<br />
Treffpunkt: Beruf & Karriere<br />
b DO, 25. November, 19 - 21 Uhr, Hamburg<br />
Weltgebetstag mit Jugendlichen<br />
Für Pastorinnen, Mitarbeiterinnen<br />
in der Jugendarbeit, <strong>Frauenwerk</strong>sleiterinnen<br />
und ihre Teams<br />
b SA, 27. November, 10 - 17 Uhr, Kiel<br />
Salzburg im Advent<br />
Ein Wintermärchen<br />
b 9. - 14. Dezember<br />
ANMELDUNG<br />
b SEMINARE<br />
Fon 0431 – 55 779 112<br />
seminare@ne-fw.de<br />
b REISEN<br />
Fon 0431 – 55 779 111<br />
frauenreisen@ne-fw.de
P r o j e k t e ı A k t i o n e n<br />
Entlassung aus der Vormundschaft<br />
Aktuelles zur Frauenemanzipation<br />
„Emanzipation“ heißt Entlassung aus der Vormundschaft oder –<br />
wörtlich – Freigabe aus der (behütenden und beherrschenden)<br />
Hand des Vormunds. Diese Worterklärung hat Barbara Sichtermann<br />
an den Anfang ihrer Vorrede gestellt. Mit großem Vergnügen habe ich<br />
das Buch gelesen, gut recherchiert, mit Blick auf die Entwicklungen<br />
in England, Frankreich, Amerika; klug zusammengefasst und interpretiert,<br />
mit vielen Aspekten, die auch mir neu waren.<br />
Beim Lesen sind mir viele Beispiele eingefallen für eine ungleiche<br />
Behandlung von Frauen und Männern. Manchmal waren es nur<br />
kleine Absonderlichkeiten, an die ich mich erinnerte und die<br />
heute zum Glück keine Rolle mehr spielen: z. B. die Damenhosen,<br />
die nur seitlich einen Reißverschluss haben durften. Kreuzunglücklich<br />
war ich, als ich die achte Klasse wiederholen musste und noch ein<br />
Jahr „Handarbeiten“ als Pflichtfach hatte, während die Jungen zwei<br />
Freistunden hatten. Oder das Verbot, als Praktikantin in der<br />
Stadtbücherei Hosen zu tragen. Auf meine Nachfrage hin sagte der<br />
Stadtrat: „Stellen Sie sich doch einmal Ihre Leiterin in Hosen vor, das<br />
sähe bei der Figur doch ganz unmöglich aus.“ Ich war damals nicht<br />
schlagfertig genug, um zu kontern: „Dann müssten ja auch alle dicken<br />
Männer einen Kilt tragen.“ Es sind oft diese kleinen schmerzhaften<br />
Stiche, die die scheinbar „natürliche“ Dominanz der Männer untermauern<br />
sollten. „Fräulein“ statt „Frau“, „Vikarin“ statt „Pastorin“.<br />
Wie gut, dass es immer mehr Männer und Frauen gibt, die heut einen<br />
anderen Blick auf die Welt haben, doch es bleibt notwendig, wachsam<br />
zu sein und sich zu wehren.<br />
Sichtermann beginnt die Geschichte der Frauenemanzipation<br />
mit dem Jahr 1733, als sich Emilie du Chátelet, eine junge selbstbewusste<br />
Dame mit herausragendem Wissen, durch das Tragen<br />
von Männerkleidung Zutritt verschafft in das Pariser Café<br />
Gradot, das, wie alle anderen Kaffeehäuser, Frauen den Besuch<br />
verbat. Nach ihrem Tod schreibt Voltaire, der lange Zeit ihr Geliebter<br />
war: „Sie war ein großer Mann, dessen einziger Fehler es war, eine<br />
Frau zu sein.“<br />
Barbara Sichtermann:<br />
Kurze Geschichte<br />
der Frauenemanzipation<br />
Verlagshaus Jacoby & Stuart<br />
Berlin 2009<br />
ISBN 978-3-94-1087-38-5<br />
14,95 Euro<br />
i n n o v a t i v e<br />
10<br />
Auch Simone de Beauvoir (1908 - 86) steht als junge Frau der Frauenbewegung<br />
fern, überzeugt davon, dass jede Frau die Chance<br />
habe, durch Anstrengungen und Beharrlichkeit ihre Ziele zu erreichen.<br />
Doch das Leben hat sie anscheinend eines Besseren belehrt<br />
und uns ihr Buch „Das andere Geschlecht“ geschenkt. Viele Frauen<br />
und manche Männer sind dadurch ermutigt worden, ungleiche<br />
Verhältnisse zu ändern.<br />
Für die Frauenemanzipation in der Bundesrepublik von grundsätzlicher<br />
Bedeutung - im wahrsten Sinne - war die Juristin und<br />
SPD-Politikerin Elisabeth Selbert. Nur ihrer Beharrlichkeit haben<br />
wir es zu verdanken, dass der Artikel 3 im Grundgesetz ergänzt wurde<br />
durch die Sätze “Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der<br />
Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung<br />
von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender<br />
Nachteile hin.“ Für uns heute ist kaum noch vorstellbar, wie heftig der<br />
Widerstand der Männer war, ins besondere aus der CDU und beiden<br />
großen Kirchen.<br />
Barbara Sichtermann beendet ihre „Kurze Geschichte der Frauenemanzipation“<br />
mit einem Ausblick in die Zukunft: „Maßstab … der<br />
erfolgten Frauenemanzipation ist …, ob und wie die Frau den Schirm<br />
der männlichen Projektion, der über ihr und um sie herum aufgespannt<br />
ist, durchbricht und beseitigt und sich ihren Teil der Welt und<br />
der Öffentlichkeit und der Selbstbestimmung holt – und ihn genießt.“<br />
Ein weiteres Buch zum Thema „Emanzipation“ hat Irma Hildebrandt<br />
geschrieben: “Frauen setzen Akzente“. Biografien u. a. von Hannah<br />
Ahrendt, Hildegard Hamm-Brücher, Petra Kelly und Dorothee<br />
Sölle. Ein interessantes Buch – einen Kritikpunkt muss ich jedoch<br />
anmerken: Auch wenn ich berücksichtige, dass eine Auswahl von<br />
Personen immer lückenhaft bleiben muss, ist mir unverständlich,<br />
dass I. Hildebrandt zwar Artikel 3 des Grundgesetzes zitiert, aber im<br />
ganzen Buch kein Hinweis auf Elisabeth Selbert zu finden ist, die so<br />
heftig dafür gekämpft und damit die Bundesrepublik bis heute entscheidend<br />
mitgeprägt hat.<br />
Irma Hildebrandt:<br />
Frauen setzen Akzente<br />
Prägende Gestalten<br />
der Bundesrepublik<br />
Diederichs-Verlag<br />
München 2009<br />
ISBN 978-3-424-35003-6<br />
14,95 Euro<br />
M a r i a n n e L i n d e n b e r g
11 i n n o v a t i v e<br />
P r o j e k t e ı A k t i o n e n<br />
Frauen-Friedens-Tag<br />
Neuer Termin!<br />
Am 7. (!) November 2010 von 11 bis 15.30 Uhr (Achtung: Terminänderung<br />
gegenüber unserem Programm), zu Beginn der Friedensdekade<br />
„Es ist Krieg, entrüstet euch“, findet der zweite Frauen-<br />
Friedens-Tag statt, dieses Mal in St. Nikolai Flensburg. Frauen aus<br />
ganz Nordelbien sind herzlich willkommen!<br />
Angelehnt an das Motto des Weltgebetstages „Informiertes Beten,<br />
betendes Handeln“ setzen wir uns in einem thematischen und einem<br />
gottesdienstlichen Teil mit den Fragen „Gibt es einen Frieden<br />
um jeden Preis?“ „Kann mit Gewalt wirklich Frieden hergestellt<br />
werden?“ auseinander.<br />
Das Thema Frieden geriet in den letzten Jahren immer wieder in den<br />
Hintergrund. Mit dem Frauen-Friedens-Tag bleiben wir an dem Thema<br />
dran und wollen mit Ihnen darüber ins Gespräch kommen.<br />
An diesem Tag wird ein Teil der Ausstellung „1.000 Frauen für den<br />
Frieden“ zu sehen sein, bei der Porträts von Frauen aus aller Welt gezeigt<br />
werden, die sich tagtäglich mutig und oft wenig beachtet auf<br />
lokaler, nationaler und internationaler Ebene für Frieden und Sicherheit<br />
einsetzen. 2005 wurden die 1.000 Frauen für den Frieden stellvertretend<br />
für hunderttausende Friedensstifterinnen für den Friedensnobelpreis<br />
nominiert. Mehr unter www.1000peacewomen.org.<br />
Mit der Kollekte des Gottesdienstes<br />
werden wir<br />
wieder AMICA e.V. in ihrer<br />
Arbeit mit traumatisierten<br />
Frauen in Kriegsgebieten<br />
unterstützen.<br />
Anmeldung<br />
erbeten unter<br />
0431 – 55 779 112 oder<br />
seminare@ne-fw.de.<br />
J u l i a L e r s c h<br />
www.ne-fw.de<br />
Service für Sie:<br />
Unser neuer Internet-Auftritt startet<br />
immer mit „Aktuelles“ – damit Sie<br />
gleich auf dem Laufenden sind!<br />
Außerdem finden Sie das Nordelbische<br />
<strong>Frauenwerk</strong> auch unter<br />
www.Kirche-im-Norden.de, der<br />
Internetseite „Gemeinsam auf dem<br />
Weg“ des Verbandes der Evangelisch-lutherischen<br />
Kirchen in<br />
Norddeutschland.<br />
Wir geben Antworten zu:<br />
l Was kennzeichnet unseren<br />
Arbeitsbereich?<br />
l Was wünschen wir uns für<br />
die gemeinsame Kirche?<br />
l Welche Befürchtungen<br />
haben wir?<br />
l Was wird sich durch eine<br />
<strong>Nordkirche</strong> bei uns ändern?<br />
l Wie soll die neue Kirche<br />
heißen?<br />
A n n e t t e P a w e l i t z k i
P r o j e k t e ı A k t i o n e n<br />
Neuer Vorstand<br />
Nordelbische ‚Frauensynode’<br />
Auf ihrer konstituierenden Sitzung hat die Nordelbische Arbeitsgemeinschaft<br />
für Frauenarbeit, die ‚Frauensynode’, einen neuen Vorstand<br />
gewählt (siehe „Letzte Meldung“ in der innovative 21, Anm. d.<br />
Red.). Die Delegierten aus Kirchenkreisen und Gemeinden wählten<br />
Anne Riekenberg-Wittfoth (Sarkwitz), Ute Morgenroth (Flensburg)<br />
und Gabriele Lüttmer (Rendsburg) für die nächsten sechs Jahre.<br />
Neue Vorsitzende ist Anne Riekenberg-Wittfoth (50), sie war dies<br />
bereits in der letzten Legislaturperiode. A. Riekenberg-Wittfoth,<br />
Fachwirtin für Grundstücks- und Wohnungswirtschaft, gehört zum<br />
Beirat des Ev. <strong>Frauenwerk</strong>es Ostholstein/Region Eutin, ist dort<br />
Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Frauenarbeit und ist<br />
Mitglied im neu gebildeten Kuratorium des Hauptbereiches „Frauen,<br />
Männer, Jugend“. „Es ist wichtiger denn je, kirchen- und frauenpolitische<br />
Akzente zu setzen, z.B. gegen Frauen-Armut oder für Gleichberechtigung<br />
in Leitungsämtern und Gremien. Die Themen der<br />
Frauensynode sollen so sein, dass Frauen viel in die Kirchenkreise<br />
und Gemeinden mitnehmen können“, sagte Anne Riekenberg-<br />
Wittfoth nach ihrer Wahl.<br />
Ute Morgenroth (45), Referentin für Frauenarbeit im Kirchenkreis<br />
Schleswig-Flensburg (Region Flensburg), war bereits in der letzten<br />
Legislaturperiode im Vorstand der Frauensynode. Sie ist neben ihrer<br />
halben Stelle als Referentin Geschäftsführerin des Seniorenforums<br />
Flensburg sowie als Steuerfachgehilfin tätig.<br />
Gabriele Lüttmer (46) ist Logotherapeutin und Mentorin für Persönlichkeitsbildung,<br />
sie engagiert sich ehrenamtlich im Ev.<br />
<strong>Frauenwerk</strong> Rendsburg-Eckernförde und ist Koordinatorin von<br />
Wellcome (Praktische Hilfen für Familien nach der Geburt).<br />
Die Nordelbische AG für Frauenarbeit ist die ,Frauensynode’ Nordelbiens,<br />
mit Delegierten aus Kirchenkreisen, Gemeinden und Diensten<br />
und Werken. Dieses Frauenparlament tagt zweimal im Jahr und berät<br />
frauen-, gesellschafts- und kirchenpolitische Themen.<br />
Foto: Dagmar Krok<br />
Gabriele Lüttmer,<br />
Ute Morgenroth,<br />
Anne Riekenberg-Wittfoth,<br />
v. li.<br />
A n n e t t e P a w e l i t z k i<br />
Ökumene weiblich<br />
i n n o v a t i v e<br />
12<br />
Das Ökumenische Forum Christlicher Frauen in Europa<br />
war mehrmals Thema in der innovative – nun wurde die<br />
lebendige Geschichte aufgeschrieben. Autorinnen aus<br />
Nordelbien im gerade erschienenen Buch sind u.a.<br />
Gerhildt Calies, Ermina Freytag, Dr. Cornelia Göksu und<br />
Renate Gresens.<br />
Aus Anlass seines rund 30jährigen Bestehens gibt das deutsche<br />
Ökumenische Forum Christlicher Frauen in Europa (ÖFCFE) eine<br />
Dokumentation seiner Geschichte heraus. Forumsgeschichte wurde<br />
bisher überwiegend gelebt und nur mündlich weitergegeben. Die<br />
Geschichte des deutschen Forums ist, besonders in ihren Anfängen,<br />
untrennbar mit der Geschichte des gesamten Forums in Europa verknüpft.<br />
Es lebt und lebte von dem Engagement einzelner Persönlichkeiten.<br />
Die meisten sind Delegierte aus den zahlreichen Mitgliedsorganisationen,<br />
schauen Sie doch einmal auf die Homepage www.<br />
oekumeneforum.de. Das Buch enthält eine Fülle von Anregungen<br />
und „best practice-Beispielen“ aus mehr als 25 Jahren ökumenischer<br />
Bildungs- und Versöhnungsarbeit in Deutschland und Europa. Das<br />
Besondere: Alle Beiträge wurden von Zeitzeuginnen verfasst.<br />
Auch aus Nordelbien sind einige Beiträge von engagierten Frauen<br />
dabei, die Forumsgeschichte mitgeschrieben haben. So erhält die<br />
„Ökumene weiblich“ Antlitz und Profil.<br />
Dazu Dr. Cornelia Göksu, Redakteurin und Co-Autorin: „Als ich dem<br />
Forum 2002 in Berlin zum ersten Mal begegnete, wurde gerade das<br />
20-jährige Bestehen gefeiert. Spontan war ich fasziniert von der<br />
Fülle und der Vielfalt beeindruckender Frauenpersönlichkeiten.<br />
Und wo bleibt eine Festschrift, fragte sich bang die Historikerin in<br />
mir? Dass es nach vielen Jahren und zahlreichen Ansätzen den jetzigen<br />
Vorstandsfrauen und einem engagierten Redaktionsteam gelingen<br />
konnte, dieses Projekt umzusetzen, ist ein großer Erfolg!“.<br />
Sie sind herzlich zu einem Treffen des ÖFCFE eingeladen! Für weitere<br />
Fragen wenden Sie sich gern an mich, Fon 0431 - 55 779 101.<br />
Ökumenisches Forum Christlicher<br />
Frauen in Europa (Hg.):<br />
Ökumene weiblich<br />
J u l i a L e r s c h<br />
Frauen überschreiten Grenzen<br />
Frank & Timme Verlag<br />
Berlin 2010<br />
ISBN 978-3-86596-268-3<br />
25 Euro<br />
Vorzugspreis für Mitglieder<br />
des ÖFCFE: 13,50 Euro
13<br />
i n n o v a t i v e<br />
Etwas davon wird bleiben<br />
Frauen begegnen im Land der Bibel<br />
„Meistens steht am Anfang ein Felsen“ sagt unsere Reiseleiterin. „Auf<br />
ihm wird dann eine Kirche gebaut, später vielleicht auch eine Moschee.“<br />
Noch später vielleicht wieder eine Kirche. Wer in Israel/Palästina<br />
die „heiligen Stätten“ besucht, hat es mit vielen solcher Orte zu<br />
tun. Die Menschen, die zu diesen Stätten pilgern, suchen den<br />
Kontakt, legen die Hand auf den Felsen, berühren etwas, das älter<br />
und größer ist als sie selbst. Und in diesem Kontakt suchen sie<br />
Stärkung und Kraft. Da ist der Berg Moriah, auf dem heute der Felsendom<br />
steht, da ist der Felsen Golgatha, heute in der Grabeskirche,<br />
der Felsen in Gethsemane, wo Jesus das Gebet sprach „Lass diesen<br />
Kelch an mir vorüber gehen!“<br />
Die Frauen, die im März auf den Spuren der Bibel unterwegs sind,<br />
suchen ihren eigenen Umgang mit den Orten und Texten. Gemeinsam<br />
mit der Theologin Dr. Klara Butting und der Deutsch-Israelin Gaby<br />
Levy besichtigen wir die Stätten und Orte und lesen Texte der Bibel.<br />
„Ihr seid mit vielen Fragen hierher gekommen. Wenn ihr wieder nach<br />
Hause fahrt, werdet Ihr noch mehr Fragen haben“ sagt Gaby zur<br />
Begrüßung. Genauso ist es. Die Fragen werden mehr, nicht weniger.<br />
Im Garten Gethsemane stellte Jesus die Frage „Warum könnt ihr nicht<br />
eine Stunde mit mir wachen?“ Und wir fragen: „Was könnte es heute<br />
heißen zu wachen?“ Am Berg der Versuchung gehen wir der Erzählung<br />
nach, in der Jesus vom Teufel versucht wird, der ihm die Heilige<br />
Schrift zitiert und vorhält: „wenn du Gottes Sohn bist, so wirf dich hinab,<br />
denn es steht geschrieben. Er wird seinen Engeln befehlen, dich<br />
auf den Händen zu tragen.“ Und am Abend kommen wir miteinander<br />
ins Gespräch darüber, wie es ist, wenn die Schrift selbst zur<br />
Versuchung wird – in einem Land, wo der Fundamentalismus<br />
erstarkt und das Zitieren heiliger Schriften gebraucht wird, um<br />
Macht und Land zu legitimieren. Und: Was bedeutet uns selbst die<br />
Bibel? Wie verstehen wir sie? Wer ist Jesus Christus für uns? Warten<br />
wir auf den Messias oder warten wir überhaupt auf etwas? Was können<br />
wir vom Judentum lernen? Und dazwischen immer wieder die<br />
Frage: Wie kann Frieden werden in diesem Land? Denn das Land<br />
der Bibel ist ein Land voller Spannung, voller Gewalt. Hoffnung und<br />
Hoffnungslosigkeit liegen vielleicht nirgendwo näher beieinander.<br />
P r o j e k t e ı A k t i o n e n<br />
Neben den Begegnungen mit den Stätten und Texten, gibt es die<br />
Begegnung mit Frauen. In Bethlehem treffen wir Faten, eine Palästinenserin.<br />
Sie erzählt von einem Alltag mit Einschränkungen.<br />
Von Patriarchat. Von Besatzung. Von der Mauer, die den kurzen<br />
Weg nach Jerusalem oder zum Meer unmöglich oder zumindest zu<br />
einem seltenen Ereignis macht. Wir begegnen den Frauen im<br />
Flüchtlingscamp Dheisheh. Dort gibt es ein Projekt von Amica e.V., in<br />
dem traumatisierte Frauen betreut werden. Viele der Frauen haben<br />
einen Ehemann oder Sohn, der schon lange im Gefängnis sitzt. Von<br />
Amica finanziert gibt es Selbsthilfegruppen, Einzelberatung und auch<br />
andere Angebote, in denen die Frauen Unterstützung für ihren<br />
schwierigen Alltag finden. Wir kommen als Touristinnen ohne Probleme<br />
durch die Checkpoints an Grenzzaun und Mauer.<br />
Und am anderen Tag tauchen wir ein in eine andere Welt. Wir besuchen<br />
die Har-El-Synagoge in Jerusalem. Die Gemeinde wurde gegründet<br />
von Shalom Ben Chorin als erste Reformsynagoge in<br />
Jerusalem. Jetzt begrüßt uns die Leiterin der Gemeinde Rabbinerin<br />
Ada Zavidov. In dieser Gemeinde gibt es nicht nur die Bar Mizwa für<br />
Jungen, sondern auch die Bat Mizwa, das Ritual der ersten Toralesung<br />
vor der Gemeinde auch für Mädchen. Frauen und Männer sitzen gemeinsam<br />
im Gottesdienst. Die Sprache der Liturgie ist verständlich<br />
und egalitär. Ada erzählt mit leuchtenden Augen warum sie gerade<br />
hier Rabbinerin ist. Dann kommt noch Avital Ben Chorin, die<br />
Witwe Shalom Ben Chorins. Sie spricht einige Worte auf Deutsch zu<br />
uns. (Die gebürtige Eisenacherin kam 1936 nach Palästina.) Dann<br />
beginnt der Gottesdienst. Wir werden hinein genommen in das<br />
Singen und Beten der jüdischen Gemeinde. Wir sind Gäste, erleben<br />
Verbundenheit trotz aller Fremdheit. Etwas davon wird bleiben.<br />
Auf den Golanhöhen Rabbinerin Ada Zavidor zeigt die Torarolle<br />
G u n d u l a D ö r i n g
P r o j e k t e ı A k t i o n e n<br />
Neue Dokumentation:<br />
Christlich-islamischer Frauendialog<br />
Diese Dokumentation einer Studientagsreihe (2006 - 2008) des<br />
Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong>es in Kooperation mit dem Frauenausschuss<br />
der SCHURA (Rat islamischer Gemeinschaften) können Sie<br />
nun bei uns beziehen. Sie kostet 2 Euro.<br />
Fon 0431 - 55 779 107, uschroeder@ne-fw.de.<br />
2011: 100 Jahre Internationaler Frauentag<br />
Anlässlich des Jubiläums „100 Jahre Internationaler Frauentag“ wird<br />
es 2011 überall große Veranstaltungen geben, in Hamburg ist z.B.<br />
ein Empfang im Rathaus geplant, Workshops, eine Netzwerkmeile in<br />
der Handwerkskammer etc. Also: Den 8. März 2011 (und drum herum)<br />
schon einmal vormerken! In der nächsten Ausgabe der innovative<br />
(Nr. 23) erfahren Sie Genaueres!<br />
Restexemplare kostenlos!<br />
Noch zu bekommen<br />
Bärbel Fünfsinn, Kerstin Möller (Hg.):<br />
Sister, carry on!<br />
Ökumenische Feministische Theologie<br />
Ein Arbeitsbuch<br />
3 Euro<br />
Es ist zu bekommen unter:<br />
Fon 0431 - 55 779 107<br />
uschroeder@ne-fw.de<br />
info@nmz-mission.de<br />
Irmgard Busemann, Gundula Döring,<br />
Renate Gresens, Ulrike Schierenberg:<br />
Gemeinsam auf dem Weg …<br />
Gottesdienst lebendig gestalten<br />
Ein Handbuch<br />
Die Restexemplare dieses Buches<br />
bekommen Sie kostenlos.<br />
Fon 0431 - 55 779 107<br />
uschroeder@ne-fw.de<br />
i n n o v a t i v e<br />
Eine-Welt-Kiosk bringt<br />
fairen Handel ins Rollen<br />
14<br />
Seit Kurzem sieht es im Foyer des Nordelbischen Zentrums in der<br />
Gartenstraße in Kiel bunter aus! Der rollbare Eine-Welt-Kiosk ist<br />
eingezogen, der BesucherInnen und MitarbeiterInnen mit fair gehandelten<br />
Süßigkeiten, Saft, Kaffee und Snacks für den kleinen Hunger<br />
zwischendurch versorgt.<br />
Darüber hinaus informiert er über die Hintergründe des Fairen<br />
Handels und erleichtert so Interessierten den Einstieg ins Thema.<br />
Dazu Bärbel Rimbach: „Ich engagiere mich gern im Eine-Welt-<br />
Team, weil ich so die Idee des Fairen Handels bekannter machen<br />
kann, außerdem schmecken unsere Produkte auch richtig lecker“,<br />
was Annette Pawelitzki nur bestätigen kann: „Ich bin ein Fan<br />
von ‚Enérgico’, dieser fair gehandelte kleine Power-Riegel schmeckt<br />
hervorragend – und das auf der Verpackung versprochene ‚kraftvoll’<br />
spürt frau durchaus (Mann auch?).“<br />
Sobald sich der Kiosk amortisiert hat, soll von den Einnahmen ein<br />
Projekt unterstützt werden. Über Ideen und Anregungen zu<br />
Produkten und Projekten freuen wir uns! Fon 0431 - 55 779 101.<br />
J u l i a L e r s c h<br />
Fotos: Bärbel Rimbach, Annette Pawelitzki
Foto: Dagmar Stratenschulte<br />
15<br />
i n n o v a t i v e<br />
Mit Respekt und Empathie<br />
Das transkulturelle und interreligiöse Lernhaus<br />
Brücken bauen zwischen unterschiedlichen Kulturen –<br />
Erfahrungsberichte aus dem transkulturellen und interreligiösen<br />
Lernhaus der Frauen dessen Koordinatorin<br />
Irene Pabst war bevor sie als Referentin für u.a. Interkulturelle<br />
Frauenarbeit im Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong><br />
anfing.<br />
„Kulturen bekämpfen sich nicht, sie fließen ineinander.“ Dieser Satz<br />
des Schriftstellers Ilja Trojanow beschreibt Transkulturalität als<br />
Alltagsphänomen und wirft gleichzeitig die Frage auf, wie das<br />
Miteinander unterschiedlicher Kulturen so gestaltet werden<br />
kann, dass Vielfalt als Reichtum erlebbar wird. Im bundesweiten<br />
Modellprojekt Transkulturelles und interreligiöses Lernhaus der<br />
Frauen haben sich ca. 70 Frauen zu Kulturmittlerinnen weitergebildet,<br />
um Integration als Dialogprozess zwischen Mehrheitsgesellschaft<br />
und Minderheiten aktiv gestalten zu können.<br />
Für Hanaa El-Hussein war es die eigene Migrationserfahrung – sie<br />
und ihre Familie kamen als Flüchtlinge aus dem Libanon – und das<br />
Leben zwischen zwei Kulturen, die die studierte Diplom-Kauffrau<br />
dazu bewegten, am Lernhaus teilzunehmen. Sie suchte nach<br />
Möglichkeiten, ihre Erfahrungen als Potential zu nutzen, um andere<br />
MigrantInnen dabei zu unterstützen, einen Platz in der<br />
Gesellschaft zu finden. Im Lernhaus begegnete sie Frauen mit<br />
ähnlichen transkulturellen Biographien: Katja Eichner hat mit ihrem<br />
ägyptischen Mann zwei Kinder. Für sie stellte sich die Frage, wie<br />
Kinder in einer binationalen Familie die religiösen Traditionen beider<br />
Elternteile vermittelt werden können.<br />
In einem selbstorganisierten Lernprozess eigneten sich die Frauen<br />
spezielle Kommunikationsmethoden und Grundwissen über andere<br />
Kulturen an. Als wichtig hoben beide hervor, im Dialog eine lernende<br />
Haltung einzuüben, mit Respekt und Empathie zuzuhören und<br />
P r o j e k t e ı A k t i o n e n<br />
die eigenen Vorurteile offen zu legen. „Ich habe gelernt, mich zurückzunehmen,<br />
nicht immer gleich etwas entgegnen zu müssen.<br />
Häufig habe ich gemerkt, dass das, was ich unbedingt meinte sagen<br />
zu müssen, gar nicht so wichtig war oder von einer anderen<br />
Frau eingebracht wurde“, berichtet Hanaa. Und Katja ergänzt: „Das<br />
ist ein Lernprozess, der immer wieder geübt werden muss.<br />
Dann verändert sich auch der alltägliche Umgang miteinander.“<br />
Solch einen Lernprozess zeigt folgende Episode: Als im Sommer<br />
2006 der Libanonkrieg ausbrach, kam die israelische Teilnehmerin<br />
nicht zum Treffen der Lerngruppe, weil sie Angst um ihre Familien<br />
hatte und sich keiner Diskussion über die Politik Israels aussetzen<br />
wollte. Die Gruppe reagierte darauf mit Verständnis. Die palästinensische<br />
Teilnehmerin fühlte sich dadurch jedoch ausgegrenzt, weil<br />
niemand sie fragte, wie es ihr mit dem Krieg ginge. In einer<br />
Dialogrunde konnten die Ängste beider Frauen wahrgenommen<br />
und eine einseitige Parteinahme aufgebrochen werden. Eine kleine<br />
Brücke in diesem tragischen Konflikt zwischen zwei Völkern war gebaut.<br />
Durch die Fähigkeit, sich in die Perspektive anderer hineinzuversetzen,<br />
entsteht Verständnis füreinander.<br />
Dialog ist eine Haltung, die in den beruflichen und familiären Alltag<br />
ausstrahlt. Diese Haltung ist für Katja als Lehrerin sehr hilfreich. Sie<br />
kennt die Probleme mit kulturell bedingten Missverständnissen nur<br />
zu gut. Eine Lehrerin hielt ihre Tochter für verhaltensauffällig, weil sie<br />
sehr laut sprach. „Zuerst war ich beleidigt und wütend über die<br />
Ignoranz der Lehrerin. Sie hat nicht verstanden, dass es sich um ein<br />
kulturelles Phänomen handelt. In der Familie meines Mannes sprechen<br />
alle laut, in Ägypten ist das normal. Durch die Erfahrung im<br />
Lernhaus war ich motiviert, mich in die Perspektive der Lehrerin hineinzuversetzen.<br />
Ich bin toleranter geworden, auch wenn mir die<br />
Meinung meines Gegenübers nicht passt.“ Erste Schritte, ein<br />
Lernhaus in Hamburg aufzubauen, werden bereits getan.<br />
Interkulturelle Frauenarbeit<br />
I r e n e P a b s t<br />
„Ich habe gelernt, mich<br />
zurückzunehmen, nicht<br />
immer gleich etwas<br />
entgegnen zu müssen.“<br />
Hanaa El-Hussein
V o n P e r s o n e n<br />
Ruth C. Cohn (97) ist gestorben. Die Psychotherapeutin entwickelte<br />
die weltweit bekannte Methode der Themenzentrierten<br />
Interaktion (TZI). Als Jüdin emigrierte sie 1941 in die USA, 1974 ließ<br />
sie sich in der Schweiz nieder und gründete die „Ecole d’Humanité“.<br />
Eva Rühmkorf (75) wurde mit der ‚Hammonia 2010’ geehrt.<br />
Der Landesfrauenrat Hamburg verlieh der ersten Leiterin der Leitstelle<br />
Gleichstellung der Frauen den Titel Hammonia, der Schutzgöttin<br />
Hamburgs. 1988 wurde sie Ministerin für Bildung, Wissenschaft,<br />
Jugend und Kultur in Schleswig-Holstein, 1990 übernahm sie das<br />
Ministerium für Bundesangelegenheiten.<br />
Prof. Dr. Gabriele Kaczmarczyk, Ärztin, Leiterin des<br />
Master-Studiengangs „Health & Society: International Gender<br />
Studies“ an der Charité, erhielt für ihr frauen- und gesundheitspolitisches<br />
Engagement das Bundesverdienstkreuz. Sie hat sich insbesondere<br />
eingesetzt für einen adäquaten Frauenanteil in Forschungseinrichtungen,<br />
für die strukturelle Verankerung der Geschlechterforschung<br />
in der Charité und für Vernetzung aller für Frauengesundheit<br />
relevanten Institutionen.<br />
Karen Kamensek (40), US-Amerikanische Dirigentin, wird<br />
neue Generalmusikdirektorin an der Staatsoper Hannover. Sie ist damit<br />
die erste Frau auf dem Spitzenposten an der Oper. Zurzeit ist K.<br />
Kamensek an der Hamburger Staatsoper stellv. Generalmusikdirektorin.<br />
Hero Hewa Taher (37), 1990 aus dem Irak geflüchtete Mutter<br />
von drei Kindern, wurde mit dem ‚Leuchtturm des Nordens 2009’<br />
ausgezeichnet. Mit diesem Preis ehrt der Flüchtlingsrat Schleswig-<br />
Holstein Menschen, die sich in der Flüchtlingssolidarität verdient gemacht<br />
haben. Als Mitglied der internationalen Gruppe „Mondfrauen“<br />
und als Ehrenamtliche der Diakonie hat sich H. Taher für Flüchtlingsfamilien<br />
eingesetzt.<br />
Prof. Dr. Wiltrud Gieseke (62), Erziehungswissenschaftlerin<br />
an der Humboldt-Universität Berlin, erhielt in Anerkennung ihres<br />
Beitrags zur wissenschaftlichen Frauenförderung und ihres kontinuierlichen<br />
Einsatzes für die Förderung des weiblichen Wissenschaftsnachwuchses<br />
das Bundesverdienstkreuz.<br />
Ruth C. Cohn<br />
Karen Kamensek<br />
Indra Nooyi<br />
Shadi Sadr<br />
i n n o v a t i v e<br />
16<br />
Prof. Dr. Fairy von Lilienfeld (92) ist gestorben. 1966<br />
bis zu Emeritierung 1984 war sie Professorin für Geschichte und<br />
Theologie des christlichen Ostens an der Uni Erlangen-Nürnberg und<br />
erste Dekanin einer theologischen Fakultät in Deutschland. Schon<br />
13 Jahre vor der Einführung der Frauenordination in Bayern wurde<br />
sie in Magdeburg ordiniert.<br />
Karoline Gernbauer (47), Juristin, persönliche Referentin<br />
von Edmund Stoiber und Leiterin der bayerischen Vertretung bei der<br />
EU, wurde von Ministerpräsident Seehofer zur Leiterin der Bayerischen<br />
Staatskanzlei ernannt. Sie ist die erste Frau in diesem Amt.<br />
Indra Nooyi (55), Konzernchefin von Pepsi-Cola, steht an der<br />
Spitze der 50 weltweit besten Managerinnen. Ines Kolmsee (39),<br />
Chefin der SKW Stahl-Metallurgie AG ist auf Rang 37 die erste Deutsche.<br />
Erstellt wurde diese Liste im Auftrag der „Financial Times“.<br />
Shadi Sadr (39) wurde von der niederländischen Regierung mit<br />
dem mit 10.000 € dotierten Preis „Menschenrechtstulpe“ ausgezeichnet.<br />
Die iranische Frauenrechtlerin ist u.a. Initiatorin der Kampagne<br />
gegen Steinigungen. S. Sadr war wegen ihres Engagements<br />
mehrfach im Gefängnis.<br />
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (58), Bundesjustizministerin,<br />
hat die Schirmherrschaft für den Stuttgarter Christopher-Street-Day<br />
von Schwulen und Lesben übernommen. Die<br />
Ministerin betrachtet die Gleichstellung von Homosexuellen als einen<br />
Schwerpunkt ihrer Tätigkeit. Im vorigen Jahr war Bundesfamilienministerin<br />
Kristina Schröder beim Christopher-Street-Day mitgefahren.<br />
Neue Kirchenleitung Merle Fromberg, Elisabeth Lingner,<br />
Annette Pawelitzki, Margrit Semmler, Martin Blöcher, Dr. Friedrich-<br />
August Bonde, Dr. Lars Emersleben, Dr. Karl-Heinrich Meltzer,<br />
Bernhard Schick und Peter Wiegner wurden in die Kirchenleitung (KL)<br />
der Nordelbischen Kirche gewählt. Qua Amt gehören der KL weiterhin<br />
an Bischöfin Maria Jepsen und Bischof Gerhard Ulrich; außerdem<br />
mit beratender Stimme der Bischofsbevollmächtigte, die Präsidentin<br />
des Kirchenamtes, der Synodenpräsident und eine der Landespastorinnen.<br />
Neue Kirchenleitung
17<br />
i n n o v a t i v e<br />
„Frauen müssen sich viel mehr vernetzen!“<br />
Annegret Bergmann, Frauenbeauftragte der Stadt Kiel,<br />
im Gespräch mit Annette Pawelitzki über Frauen in<br />
Spitzenpositionen, Kinderbetreuung und Berufstätigkeit,<br />
paritätische Besetzung, Zeit haben – und Perspektiven<br />
für den Ruhestand.<br />
Sie sind Frauenbeauftragte der Stadt Kiel,<br />
wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?<br />
Heute Morgen hatte ich z. B. die Arbeitsgruppe Prostitution. Die besteht<br />
aus contra, der Fachstelle gegen Frauenhandel in Schleswig-<br />
Holstein, aus einer Kriminalkommissarin von der Ermittlungsgruppe<br />
Milieu, aus einer Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes und zwei<br />
Praktikantinnen für Sozialarbeit. Wir haben die Lebens- und<br />
Arbeitssituation von Prostituierten betrachtet und überlegt, was sich<br />
an den Strukturen für die Betroffenen in dieser Stadt verbessern ließe.<br />
Außerdem schreibe ich gerade an einer Rede für die Vollversammlung<br />
der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen<br />
Frauenbeauftragten. Da geht es um die Zukunft der Frauenpolitik in<br />
Schleswig-Holstein. Eine meiner Aufgaben ist auch, darauf hinzuwirken,<br />
dass der Frauenförderplan nach innen umgesetzt wird, z.B. indem<br />
Frauen in Führungspositionen gelangen. In den nächsten Tagen<br />
werde ich mir die Bewerbungsunterlagen ansehen für das<br />
Personalamt und dann werden wir mit dem Auswahlgremium entscheiden,<br />
wie viele Frauen und Männer wir einladen. Die paritätische<br />
Besetzung der Ämter bei der Stadt ist ein Schwerpunkt für die<br />
Umsetzung des Frauenförderplans und des Gleichstellungsgesetzes.<br />
Welche Erfahrungen haben Sie mit einer Oberbürgermeisterin<br />
und den verschiedenen Oberbürgermeistern gemacht?<br />
Die Kernfrage „führen Frauen anders?“ beschäftigt uns auch. Wir<br />
brauchen wesentlich mehr Frauen in Spitzenpositionen. Da haben<br />
wir eindeutig eine Unterrepräsentanz von Frauen, sowohl in den politischen<br />
Parteien als auch in der Verwaltung. Ich hatte das Glück, dass<br />
ich sechs Jahre mit der Oberbürgermeisterin zusammen gearbeitet<br />
habe. Unsere gute Zusammenarbeit resultierte auch daraus, dass wir<br />
aus unseren Lebenserfahrungen und aus den politischen Erfahrungen<br />
wissen, dass Frauen aufgrund ihrer Biografien andere<br />
Foto: Annette Pawelitzki<br />
Neues Präsidium und<br />
Leiterin der EFiD<br />
Vorn v. li.: Marliese Walz,<br />
Ilona Helena Eisner,<br />
Antje Büsing, mit Miriam 40 % Aumeier, Frauen.“ Annegret Bergmann<br />
Dr. Beate Blatz (Leiterin EFiD)<br />
Hinten v. li.: Petra Zulauf,<br />
Sabine Zoske,<br />
Angelika Weigt-Blätgen,<br />
Kerstin Annegret Möller, Bergmann (*1945)<br />
Brunhilde Voller Elan Raiser …<br />
I n t e r v i e w<br />
Lebensbezüge haben, als Männer, dass insbesondere auch Frauen,<br />
die sich für Kinder entscheiden, ein großes Problem mit der<br />
Vereinbarkeit von Beruf und Familie haben. Gemeinsam haben wir<br />
vorangebracht, dass es nun in Kiel mehr Betreuungsangebote für<br />
Kinder unter drei Jahren gibt. Wir brauchen Ganztagsschulen, wir<br />
brauchen verlässliche Betreuung, sowohl in den Kindertagesstätten<br />
als auch in den Schulen. Wir brauchen bessere Koordinierung zwischen<br />
den Arbeitszeiten von Frauen und Männern und den Öffnungszeiten<br />
der Kinderbetreuung.<br />
Woran liegt es, dass es so wenige Frauen<br />
in Spitzenpositionen gibt?<br />
Wir haben eine Generation von Frauen, die noch nie so qualifiziert<br />
war, die auch noch nie so taff war wie heute. Es liegt viel auch an den<br />
Rollenstereotypen, von denen Frauen und Männer beeinflusst werden,<br />
die nach wie vor besagen, dass Frauen in bestimmte Positionen<br />
nicht passen. Und einige Männer haben nach wie vor Probleme damit,<br />
eine Frau als Vorgesetzte zu akzeptieren. Und es gibt immer wieder<br />
Vernetzungen von Männern, die sich gegenseitig in die Positionen<br />
bringen. Hiervon können wir lernen – wir Frauen müssen uns noch<br />
viel mehr vernetzen! Eine Erfolgsstrategie haben die Grünen. Die besetzen<br />
konsequent nach dem Reißverschlusssystem, eine Frau, ein<br />
Mann. Sowohl in den Parlamenten als auch in den Positionen in der<br />
Partei sind sie paritätisch besetzt. Die CDU hat das Quorum, die SPD<br />
40 % Frauenanteil in ihrer Satzung festgelegt. Wenn ich mir die<br />
Landesregierung ansehe, dann ist es eine Katastrophe, dass im 21.<br />
Jahrhundert nur eine Frau im Kabinett ist. Und mir macht keiner weiß,<br />
dass es dort nicht qualifizierte Frauen gegeben hat, die einen<br />
MinisterInposten hätten übernehmen können.<br />
Ich habe zusehends den Eindruck, dass wir<br />
– ähnlich wie in Norwegen – eine Quote brauchen.<br />
Ich glaube auch, dass wir eine verlässliche Quote brauchen. Es gibt<br />
jetzt auch, wie in Norwegen, eine Bewegung bei uns in Deutschland<br />
für die Besetzung von Aufsichtsräten mit 40 % Frauen. Wir haben<br />
überall qualifizierte Frauen. Die Frauen sind da, sie sind präsent. Aber<br />
die Männer machen alles unter sich ab.<br />
„Es gibt jetzt auch, wie in Norwegen,<br />
eine Bewegung bei uns in Deutschland<br />
für die Besetzung von Aufsichtsräten
I n t e r v i e w<br />
Gleichzeitig wird gesagt: Wozu brauchen wir<br />
eigentlich noch eine Frauenbeauftragte?<br />
Solange Frauen in der Gesellschaft nicht die gleiche Teilhabe an<br />
Macht und Einkommen haben, brauchen wir die Frauenpolitik und<br />
brauchen wir Frauenbeauftragte, in allen Institutionen. Zukünftig wird<br />
es hier in Kiel eine Gleichstellungsbeauftragte geben. Aber die<br />
Parteilichkeit sollte erst einmal den Frauen gehören, weil es nach wie<br />
vor eine strukturelle Benachteiligung von Frauen gibt. Wenn wir diese<br />
strukturelle Benachteiligung von Frauen beseitigt haben, dann geht<br />
es darum, wie wir die Positionen für Männer und für Frauen neu gestalten,<br />
z. B. gleiche Teilhabe an Beziehungsarbeit, an Erziehungsarbeit,<br />
dann geht es um eine neue Aufteilung.<br />
Sie arbeiten mit Kirchenfrauen zusammen,<br />
wie sieht diese Zusammenarbeit aus?<br />
Eine meiner Aufgaben ist, mit den Frauen und Expertinnen vor Ort<br />
zusammen zu arbeiten, um zu erfahren, was wir strukturell für die<br />
Lebenssituation der Frauen in Kiel verbessern müssen, und dies umzusetzen.<br />
Da sind die Kirchenfrauen hier vor Ort wichtige Partnerinnen.<br />
Wir haben schon viele gemeinsame Veranstaltungen gemacht, gerade<br />
auch in der Nikolai-Kirche: die Vortragsreihe „Frauen und Armut“,<br />
die Ausstellung „Was sehen Sie, Frau Lot?“ – eine künstlerische<br />
Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt an Frauen und<br />
Mädchen, oder die jährlichen Gottesdienste für Frauen, die Gewalt<br />
erfahren haben, mit Pastorin Elisabeth Christa Markert. Sie sind immer<br />
gut besucht. Die Kirchenfrauen sind mit vielen anderen zusammen<br />
eine wichtige Gruppe bei der Vorbereitung der jährlichen großen<br />
Veranstaltung zum Internationalen Frauentag in Kiel. Das Thema<br />
war in diesem Jahr „Popkultur, Kapitalismuskritik und Widerstand –<br />
feministische Perspektiven“. Und das Labyrinth haben wir zusammen<br />
gestaltet. Kirchenfrauen sind wichtig, weil sie eine große Gruppe von<br />
Frauen erreichen. In der Kirche selbst gibt es ja auch nach wie vor<br />
noch Benachteiligungen von Frauen. Die Kirchenfrauen sind fortschrittlich,<br />
emanzipiert, feministisch. Ich habe früher schon mit den<br />
kirchlichen „Frauen für den Frieden“ zusammen gearbeitet. Das gefällt<br />
mir an den Kirchenfrauen so gut, dass sie ihre Parteilichkeit für<br />
Frauen nie aufgegeben haben. Ich war überaus glücklich, dass Frau<br />
Käßmann die höchste Repräsentantin der Ev. Kirche in Deutschland<br />
wurde – ich bedauere ihren Rücktritt sehr.<br />
Foto: Ute Boeters<br />
... und konsequent<br />
i n n o v a t i v e<br />
18<br />
Wie sind Sie aufgewachsen?<br />
Ich bin aufgewachsen in einem sehr liberalen Elternhaus, im Sinne<br />
von Akzeptanz des /der anderen. Meine Eltern waren sozialliberal geprägt.<br />
Bei uns gab es ein sehr offenes Haus, mit vielen politischen<br />
Diskussionen. Ich war evangelisch, bin aber auf eine katholische<br />
Klosterschule gegangen. Als Schülerin war mein Vorbild für Gerechtigkeit<br />
Albert Schweitzer.<br />
Was können Sie richtig gut?<br />
Wenn ich von etwas begeistert bin, dann setze ich mich dafür ein und<br />
kann oft auch andere motivieren.<br />
Was mögen Sie an sich?<br />
Dass ich mit mir, so wie ich bin, sehr zufrieden bin.<br />
Wenn Sie viel Zeit hätten, was würden Sie<br />
dann am liebsten tun?<br />
Ich nehme mir viel Zeit für mich selbst, auch für meine Familie, meinen<br />
Mann, meine Kinder und Enkelkinder. Ich gehe spazieren am<br />
Meer – oder ich mache einfach nichts, nur sitzen und gucken.<br />
Sie gehen im Sommer in den Ruhestand …<br />
Wenn ich aufhöre hier zu arbeiten, dann mache ich einen neuen<br />
Schritt, etwas ganz anderes. Dann beginnt ein neuer Lebensabschnitt<br />
für meinen Mann und für mich. Das wird spannend, das wird noch<br />
mal eine richtig interessante Lebensphase, darauf freuen wir uns. Wir<br />
werden umziehen nach Bremen und uns ein neues Zuhause aufbauen,<br />
und auch die Stadt noch einmal neu erobern – das finde ich total<br />
spannend, eine neue Stadt, mit neuen Angeboten, mit neuen<br />
Menschen. Dort leben unsere Kinder und Enkelkinder. Und wer weiß,<br />
wo ich mich dann noch einmal engagieren werde …<br />
Herzlichen Dank für das Gespräch!<br />
Bisher wurden interviewt<br />
Erika Förster, Dr. Ute Grümbel, Antje Röckemann, Susanne Jürgensen,<br />
Jutta Gross-Ricker,Charlotte Knobloch, Prof. Dr. Annelie Keil,<br />
Uta Knolle, Dr. Elisabeth von Dücker, Rut Rohrandt, Bischöfin Maria<br />
Jepsen, Annette Hillebrand, Dr. Frauke Hansen-Dix, Ursula Schele,<br />
Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter, Margrit Semmler, Franziska<br />
Steiof, Prof. Dr. Ulrike Wagner-Rau, Edelgard Lessing, Elisabeth<br />
Lingner, Elsbeth Süßebecker
19<br />
i n n o v a t i v e<br />
Frauen-Quote I<br />
Die Deutsche Telekom führt als erstes DAX-Unternehmen eine Frauenquote<br />
ein. Bis 2015 sollen weltweit 30 % der Führungspositionen<br />
mit Frauen besetzt werden. Die Quote wird eingeführt, weil die jahrelangen<br />
Maßnahmen zur Frauenförderung ohne Erfolg blieben. In den<br />
80 umsatzstärksten deutschen Unternehmen gibt es nur eine einzige<br />
Frau im Vorstand: Barbara Kux (wir berichteten in der innovative 20).<br />
Frauen-Quote II<br />
Das Europäische Parlament hat mit Mehrheit die Entscheidung der<br />
norwegischen Regierung begrüßt, den Anteil von Frauen in Vorständen<br />
privater und staatlicher Unternehmen auf mindestens 40 % zu erhöhen.<br />
Die EU-Kommission sowie die Mitgliedsstaaten wurden aufgefordert,<br />
dem positiven Beispiel Norwegens zu folgen und ebenfalls<br />
solche Initiativen zu ergreifen. Die Mitgliedsstaaten sollten effektive<br />
Maßnahmen einleiten, mit denen eine ausgewogene Präsenz von<br />
Frauen und Männern in Entscheidungspositionen in Unternehmen,<br />
Verwaltungen und Politik gefördert wird.<br />
Frauen-Dramen<br />
Unter www.hambuger-dramen.de startet der Hamburger Notruf für<br />
vergewaltigte Frauen und Mädchen e.V. eine neue Aufklärungswebsite.<br />
Auf der virtuellen Bühne öffnet sich der Vorhang für scheinbar harmlose<br />
Situationen, aus denen plötzlich gefährlicher Ernst wird. Mit<br />
Schauspielerinnen sensibilisiert der Notruf für das alltägliche<br />
Thema Vergewaltigung.<br />
Frauen-Bank<br />
In Tansania wurde die erste Filiale der „Tansania Women’s Bank“ eröffnet.<br />
Wer ein Konto eröffnen will, braucht einen Ausweis und mindestens<br />
zwei US-Dollar. So können nun z. B. auch KleinunternehmerInnen,<br />
die kein Vermögen haben, ein Konto eröffnen und<br />
Kredite erhalten. Die Frauenbank akzeptiert auch Männer.<br />
Frauen-Schlaganfall<br />
Jedes Jahr erleiden in Deutschland mehr als 150.000 Menschen<br />
erstmals einen Schlaganfall; 40 % der Betroffenen sterben innerhalb<br />
eines Jahres. Das Risiko von Frauen an einem Schlaganfall zu<br />
sterben, ist doppelt so hoch, als das der Männer. Trotzdem wer-<br />
Frauen-Bank: In Tansania wurde die erste Filiale der „Tansania Women’s Bank“ eröffnet Das Europäische Parlament<br />
F r a u e n N e w s<br />
den Schlaganfälle, wie auch andere kardiovaskuläre Erkrankungen,<br />
noch als typische ‚Männererkrankungen’ betrachtet. Dies ergab das<br />
Forschungsprojekt Primärprävention von Schlaganfällen bei Frauen,<br />
das im Auftrag des Gesundheitsministeriums durchgeführt wurde.<br />
Frauen-Gehalt<br />
Frauen verdienen in Deutschland noch immer fast ein Viertel weniger<br />
als Männer. Im Durchschnitt lag der Bruttoverdienst der Männer 2008<br />
um 23,8 % über dem der Frauen, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.<br />
Damit ist die Einkommenskluft zwischen den Geschlechtern<br />
in Deutschland weiter deutlich tiefer als im EU-Durchschnitt<br />
mit 18 %. Die geringsten Unterschiede gab es mit 4,9 % in Italien, die<br />
größten in Estland mit 30,3 %.<br />
Frauen-Gleichberechtigung<br />
Das Europäische Parlament formulierte Wege zur Gleichberechtigung:<br />
❱ Die von Männern verursachte Wirtschaftskrise muss als Chance<br />
erkannt werden, alle politischen Konzepte auf Frauendiskriminierung<br />
und Gleichberechtigung zu überprüfen.<br />
❱ Eine umfassende Beteiligung von Frauen in Entscheidungsprozessen<br />
und ihr Zugang zu Führungspositionen sind sicherzustellen,<br />
zumal 60 % der Hochschulabsolventen weiblich sind.<br />
❱ Die Mitgliedsstaaten müssen angesichts des anhaltend großen<br />
Lohnabstands in der EU mehr für die Umsetzung des Prinzips der<br />
Entgeltgleichheit für Frauen und Männer tun.<br />
❱ Die Unionsorgane der EU und die Mitgliedsstaaten werden aufgefordert,<br />
den 22. Februar zum „Internationalen Tag für gleiches<br />
Entgelt“ zu erklären. Eine „Europäische Charta der Rechte von<br />
Frauen“ ist schnellstmöglich zu erstellen, um einen Mechanismus<br />
zu schaffen, der Gleichstellung in allen Bereichen des sozialen,<br />
wirtschaftlichen und politischen Lebens gewährleistet.<br />
❱ Zur Überwindung fortbestehender sexistischer Klischees sind<br />
besondere Maßnahmen erforderlich, insbesondere ‚Sensibilisierungskampagnen’<br />
am Arbeitsplatz.<br />
❱ Angesichts der Tatsache, dass bis zu 25 % der Frauen in der EU<br />
physische Gewalt erleben und 10 % Opfer sexueller Gewalt werden,<br />
sollte die EU einen „Europäischen Tag zur Bekämpfung der<br />
Gewalt gegen Frauen“ ausrufen.
H i n t e r g r u n d<br />
Foto: INADES Formation Tanzania, VEN<br />
Alles andere als gerecht<br />
Klimawandel und Klima(un)gerechtigkeit aus Frauensicht<br />
Haben Sie schon Ihren ökologischen Fußabdruck gemessen?<br />
Dabei kann frau leicht entdecken, dass eigene Einschätzung und<br />
Realität auseinanderklaffen! So ist es uns gegangen, aber probieren<br />
Sie selbst (s. S. 21). Vielleicht leben Sie auf kleinerem Fuße als gedacht?<br />
In den letzten 50 Jahren hat sich der globale ökologische Fußabdruck<br />
um 80 % vergrößert, d.h. die Welt verbraucht mehr<br />
Ressourcen, als die Natur erneuern kann, zurzeit den Gegenwert<br />
von jährlich 1,2 Planeten. Diese Überlastung haben zum größten Teil<br />
die Industrieländer zu verantworten. 1 Der Fußabdruck berechnet die<br />
Fläche, die die Natur braucht, um Rohstoffe zu erneuern, die der<br />
Mensch für Ackerbau, Tierhaltung, Mobilität, Energiegewinnung etc.<br />
verbraucht. Je größer der Fußabdruck, desto stärker wird die Umwelt<br />
belastet. Dem Fußabdruck gegenüber steht die Biokapazität eines<br />
Landes: Das Angebot an natürlichen Ressourcen. Ist der Fußabdruck<br />
eines Landes größer, als dessen Biokapazität, bedeutet dies ein ökologisches<br />
Defizit.<br />
Biokapazität und Fußabdruck werden in „Global Hectar“ gemessen.<br />
Ein „gha“ (10.000 m 2 ) entspricht einem Hektar durchschnittlicher biologischer<br />
Produktivität weltweit. So brauchen alle Produkte (Fleisch,<br />
Gemüse, Getreide etc.) einen Teil unserer Erdoberfläche, um entstehen<br />
zu können – genauso wie Müll und Abgase von Kraftwerken, Flug-<br />
und Autoreisen Naturkapazitäten benötigen, um wieder unschädlich<br />
gemacht zu werden. Fläche gehört zu den begrenzten Ressourcen auf<br />
dem Planeten. Teilt man die vorhandene nutzbare Fläche auf alle<br />
Menschen, dann entfallen auf jede/n etwa 1,8 gha. Der durchschnittliche<br />
Fußabdruck der Deutschen von 4,8 gha ist also viel zu<br />
hoch.<br />
Auswirkungen des Klimawandels<br />
Weltweit sind ca. 325 Mio. Menschen vom Klimawandel betroffen. Der<br />
Klimawandel findet bereits statt und wir, besonders in den<br />
Industriestaaten, haben daran großen Anteil. Dies wird seit dem Bericht<br />
des Weltklimarates (2007) von kaum jemandem bezweifelt. Der wichtigste<br />
Faktor ist die Erzeugung von Treibhausgasen, wie CO2. Ein kg<br />
i n n o v a t i v e<br />
20<br />
CO2 entspricht z. B. zweimal Waschen oder einer Autofahrt von 5<br />
km. Aufgrund der Trägheit und der zeitlichen Verzögerung von<br />
Klimaschutzmaßnahmen, gibt es für die erste Hälfte des 21.<br />
Jahrhunderts nur die Möglichkeit der Anpassung an den Klimawandel.<br />
Die reichen Industrieländer investieren schon jetzt große Summen in<br />
ihre Klimaschutzinfrastruktur, während die sog. Entwicklungsländer<br />
vor schwierigeren Anpassungsaufgaben stehen: Große finanzielle<br />
Einschränkungen und fehlende Kompetenzen zur Umsetzung von<br />
Klimaschutzmaßnahmen sind die Realität. 2<br />
Klima-Ungerechtigkeit: Süd und Nord, arm und reich<br />
Menschen weltweit sind nicht in gleicher Weise verantwortlich für den<br />
Klimawandel. Wie die Verantwortung so sind auch die Auswirkungen<br />
des Klimawandels nicht gerecht verteilt. Für den Großteil der klimaschädlichen<br />
Emissionen sind die reichen Länder des Nordens<br />
verantwortlich, obwohl dort nur 15 % der Erdbevölkerung leben.<br />
In Deutschland werden durchschnittlich 11 Tonnen CO2 pro Person/<br />
Jahr verbraucht, in Äthiopien nur 0,2 Tonnen. Aber auch hier bei uns<br />
klafft die Schere auseinander. Wer sich durchs Leben kämpfen und<br />
auf jeden Euro achten muss, beschäftigt sich vielleicht nicht ausführlich<br />
mit komplizierten Entwicklungs- und Klimafragen, verbraucht aber<br />
weniger an Emissionen und lebt nachhaltiger als viele der umweltbewegten<br />
Besserverdienenden: „Während ein Bewusstsein für den<br />
Schutz der Umwelt und für Fairness zu ihrer Grundausstattung gehört,<br />
sind ihre faktischen Ressourcenverbräuche hoch. Sie wollen Nachhaltigkeit,<br />
aber ohne nachhaltig zu sein.“ 3<br />
Der genderspezifische Blick auf das Klima<br />
Der Klimawandel verstärkt auch die Ungleichheiten zwischen den<br />
Geschlechtern. Sozial und wirtschaftlich schlecht gestellte Menschen<br />
werden von den Auswirkungen am härtesten getroffen: 70 % der<br />
Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, sind weiblich. Die<br />
Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich besonders in Lebensbereichen,<br />
wo Frauen die Verantwortung tragen, wie in der Ernährungs-,<br />
Wasser- und Energieversorgung, sowie in der Gesundheitssorge.<br />
Aber der Klimawandel führt nicht nur zu einer Verschärfung<br />
Frauen und die<br />
Klimaungerechtigkeit<br />
1 Zukunftsfähiges Deutschland II, S. 121 ff<br />
2 vgl. Deutsche Gesellschaft für die<br />
Vereinten Nationen e.V.: Bericht über die<br />
menschliche Entwicklung 2007/2008 (CD)<br />
3 Zukunftsfähiges Deutschland II, S. 571<br />
4 vgl. www.ven-nds.de<br />
5 Zukunftsfähiges Deutschland II, S. 144<br />
6 Vgl. Ina Praetorius, Handeln aus der Fülle,<br />
S. 40 - 43<br />
7 Ebd. S. 32<br />
8 Zukunftsfähiges Deutschland II, S. 112f.
21<br />
i n n o v a t i v e<br />
von Armut, er wirkt auch anderen Entwicklungsprozessen entgegen.<br />
So haben Frauen in vielen Ländern wegen des Klimawandels und seiner<br />
Folgen weniger Zeit für die Bereiche Bildung, Erholung und zur<br />
Partizipation an politischen Prozessen, schlicht dadurch, dass sich z.B.<br />
die Wege für das Sammeln von Brennholz oder hin zu einer Quelle mit<br />
sauberem Wasser durch Abholzung und Dürre erheblich verlängern.<br />
Die Strategien von Frauen im Umgang mit dem Klimawandel sowie<br />
ihr Potential zum Klimaschutz wurden bislang kaum untersucht<br />
und berücksichtigt. Der Verkehrsclub Österreich hat jedoch<br />
festgestellt, dass Frauen umweltfreundlicher unterwegs sind, als<br />
Männer. Sie legen mehr als die Hälfte ihrer Wege mit dem Fahrrad, zu<br />
Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück. Darüber hinaus zeigt<br />
sich ein hohes Umweltbewusstsein im Konsumverhalten: Frauen kaufen<br />
häufiger Bioprodukte, essen weniger Fleisch und sind beim<br />
Recycling konsequenter. 4 So hoch aber auch das private Umweltbewusstsein<br />
sein mag, in den meisten Klimadiskussionen finden bislang<br />
weder die Perspektive von Frauen noch ihre besondere Betroffenheit<br />
Eingang. Ohne eine gleichberechtigte politische Beteiligung<br />
von Frauen und Männern ist eine gerechte und effektive Klimapolitik<br />
nicht möglich. Ansätze gibt es jedoch schon: Die ‚Leitstelle Gender,<br />
Umwelt und Nachhaltigkeit’ (s.u.) oder das Projekt: ‚Frauen stärken,<br />
Klima wandeln’.<br />
Es geht auch anders – aber wie?<br />
„Wir können“, so Albert Einstein, „die Probleme nicht mit derselben<br />
Denkweise lösen, mit der wir sie geschaffen haben.“ Dafür müssen wir<br />
uns im ersten Schritt bewusst werden, wie wir denken, und dann entscheiden,<br />
welcher andere Weg förderlicher ist. Die eigentliche<br />
Herausforderung wartet aber nach diesen zwei Schritten auf uns: Den<br />
Weg dann auch zu gehen!<br />
11 Tonnen CO 2 , unser durchschnittlicher Verbrauch, ist viel zu hoch.<br />
Wo liegen die CO2 - Fallen, wie können wir langfristig auf einen durchschnittlichen<br />
Verbrauch von 2 Tonnen kommen? Die Antwort ist überraschend:<br />
„Es sind vor allem die täglichen Gewohnheiten, die den<br />
größten Teil der Umweltbelastungen ausmachen: Essen und Trinken,<br />
Wohnen und Infrastrukturen sowie Transport von Personen und<br />
Gütern.“ 5 Dabei geht es dann nicht nur darum, ein ökologisch gutes<br />
Gefühl zu haben, sondern nachhaltig etwas zur Veränderung beizutragen.<br />
Knapp gesagt:<br />
Gut ist<br />
ü Umsteigen auf Ökostrom<br />
ü Ausgleichszahlung fürs Fliegen<br />
(Flugfaircare)<br />
ü Biofleisch oder regionales Fleisch essen<br />
ü Ökologisch bewusst Auto fahren<br />
ü Energie aus Sonne gewinnen<br />
Besser ist<br />
ü Deutlich weniger Strom verbrauchen<br />
ü Weniger (noch besser: gar nicht) fliegen<br />
ü Weniger Fleisch essen<br />
ü Auf Bus und Bahn umsteigen<br />
(noch besser: aufs Fahrrad)<br />
ü Für eine gute Dämmung sorgen<br />
H i n t e r g r u n d<br />
Es geht auch anders!<br />
Eine wirkliche Energiewende erfordert eine neue Grundhaltung, die<br />
Veränderung hin zu weniger Energieverbrauch und zu einem bewussten<br />
Verzicht auf eine Energie verschlingende Lebens- und<br />
Wirtschaftsweise. Es geht darum, die technischen Potentiale zum<br />
effizienteren Gebrauch von Energie zu nutzen und gleichzeitig<br />
mit der Selbstbeschränkung im Energieverbrauch zu beginnen.<br />
Die Frage „Wie viel ist genug?“ ist unumgänglich.<br />
Biblisch sind wir mit dieser Frage bei der Sabbattradition, einer<br />
Tradition der bewussten Zurücknahme. Sabbat verstanden als<br />
Hinweis Gottes auf die Notwendigkeit, sich selbst zu beschränken,<br />
auch in den eigenen Möglichkeiten und Bedürfnissen.<br />
Zugleich geht es darum, so Ina Praetorius 6 , dass wir uns als einbezogen<br />
in die Schöpfung Gottes verstehen und immer wieder<br />
Neuanfänge wagen, die das Zusammenleben aller auch in Zukunft<br />
stärken und nähren. „Sich täglich neu staunend bewusst zu werden,<br />
dass mein Dasein und Tun sich in einem Kosmos ereignet, den ich<br />
nicht mir selbst verdanke, ist der Anfang jeder angemessenen<br />
menschlichen Tätigkeit.“ 7 In der jüdischen Tradition des Sabbats<br />
wird die Vorherrschaft der Ökonomie regelmäßig durchbrochen. Der<br />
kollektiv vollzogene Rhythmus von Arbeit und Ruhe verhindert, dass<br />
aus allem das Letzte herausgeholt wird. Am Sabbat wird die<br />
Fremdbestimmtheit der Menschen durch Zeit, Arbeit und Geld umgekehrt<br />
in eine Gleichheit aller in einer arbeitsfreien und geldlosen Zeit.<br />
Angesichts des Klimawandels könnte diese Tradition noch einmal<br />
eine ganz neue, eminent politische Dimension gewinnen. Es wird<br />
zukünftig darum gehen müssen, die Wirtschaftsdynamik so zu<br />
regulieren, dass Ökologie und Menschenrechte die Leitkriterien<br />
sind und nicht mehr das westliche Leitbild des ständigen und<br />
scheinbar unbegrenzten Wachstums: „Eine Gesellschaft, die zukunftsfähig<br />
werden will, muss sich mit der Möglichkeit auseinandersetzen,<br />
… mit weniger und schließlich ohne Wirtschaftswachstum<br />
auskommen zu müssen.“ 8<br />
Lust auf mehr Infos?<br />
J u l i a L e r s c h , K e r s t i n M ö l l e r<br />
Grundlagen-Infos www.zukunftsfaehiges-deutschland.de<br />
Ökologischer Fußabdruck www.gjgt.de/fussabdruck<br />
Emissionsrechner www.greenpeace.klima-aktiv.com<br />
Infostelle Klimagerechtigkeit www.klimagerechtigkeit.de<br />
Leitstelle Gender, Umwelt und Nachhaltigkeit www.genanet.de<br />
Frauenstärken, Klima wandeln www.ven-nds.de<br />
Klimagerecht einkaufen www.nabu-klimaladen.de<br />
Tipps der VerbraucherInnenzentrale www.verbraucherfuersklima.de
A u s d e n F r a u e n w e r k e n<br />
Frauenschätze – im Haus des Lebens<br />
Ein Bibliodrama<br />
Die Frauenarbeit im Ev. Bildungswerk des Kirchenkreises<br />
Plön-Segeberg lud zwei Tage lang zum Schätze heben ein.<br />
Ein Freitagnachmittag im Preetzer Haus der Diakonie. Wie im letzten<br />
Jahr habe ich zu einer „Werkstatt mit bibliodramatischen Elementen“<br />
mit Heidemarie Langer eingeladen. Thema ist das Gleichnis von der<br />
Suche nach dem verlorenen Groschen. Zehn Teilnehmerinnen haben<br />
sich angemeldet. Zögernd ist der Anfang. Da liegt der Bibeltext:<br />
Drei Sätze lang - werden wir damit zwölf gemeinsame Stunden füllen<br />
können? Wir beginnen die Sätze zu lesen, zwei verschiedene<br />
Übersetzungen zu vergleichen. Gott vergleicht sich mit einer Hausfrau<br />
.... Heidemarie Langer fragt: „Welches Haus kann dieses Haus sein?“<br />
Ganz unterschiedliche Häuser wie Lebenshaus, Haus der Liebe,<br />
Mutterhaus, Freudenhaus, Haus der Diakonie fallen uns ein ... Die<br />
Weite des Textes beginnt zu dämmern. Und wir sehen staunend,<br />
dass das Gleichnis gar nicht beim Verlieren beginnt, sondern<br />
beim „Haben“. Eine Frau hat 10 Silberstücke!<br />
Dann sind wir 10 Frauen die Schätze einer elften. Als beim gemeinsamen<br />
Tanz eine Frau den Reigen verließ, ist der Schatz nicht mehr vollständig,<br />
der Tanz verändert sich. Heidemarie Langer formuliert unsere<br />
gemeinsame Erkenntnis: „Wenn Eine dem System verloren geht<br />
oder es selbstverantwortlich verlässt, ist das System nicht mehr das<br />
gleiche und muss sich neu organisieren.“ Und Jede ist davon angesichts<br />
ihrer eigenen Lebenswirklichkeit auf andere Weise bewegt.<br />
„Eine Frau hatte 10 Silberstücke.“ Wir ordnen zehn Geldstücke (natürlich<br />
Kupfer, nicht Silber) auf unserer Hand zu einem vollständigen<br />
System und benennen Stück für Stück, für welchen tatsächlichen<br />
materiellen Wert in unserem Leben sie stehen. Danach wird der<br />
wertvollste Schatz von allen gewählt, derjenige, der am wenigsten<br />
verloren gehen darf. Welch ein Reichtum, solche Schätze zu<br />
besitzen! Das Brot, das Jesus so wunderbar vermehrte, war dasjenige,<br />
über dem er vorher gedankt hatte ... Unseren Dank für unsere<br />
Schätze drücken wir in Tanz aus. In einer sehr persönlichen Runde<br />
beschenken wir jede Frau, die es sich wünscht, mit dem, was Geld<br />
nicht kaufen kann: Mit Anerkennung, Zeichen persönlicher Verbundenheit<br />
und Dankbarkeit.<br />
„Intensive zwölf Stunden, verteilt auf zwei Tage, liegen<br />
hinter uns. Wir haben für diese Zeit ein Haus betreten,<br />
das uns Raum bot, in schützender Atmosphäre unser Herz<br />
zu öffnen, die Schätze unseres Lebens anzusehen und zu<br />
teilen und die Pfade zu sehen, auf die uns unsere Fragen<br />
und Antworten führen werden.“ Julia Patzke<br />
i n n o v a t i v e<br />
22<br />
Und weiter gehen wir durch das Haus unseres Lebens mit seinen<br />
Schätzen. Wir erzählen uns gegenseitig von Menschen und Gefühlen,<br />
von den Quellen unserer Kraft, der Natur und vielem mehr. Wir schreiben<br />
unsere Schätze auf und tanzen mit der Freude über sie. Die<br />
Frage „Welchen Schatz möchtest du am wenigsten missen?“<br />
führt uns behutsam zum Verlieren und Wiederfinden.<br />
„Gehöre ich hier denn noch dazu?“ fragt die Gruppe Rosenstolz musikalisch.<br />
Dann kehren fleißige Frauen „sorgfältig“ den Raum und<br />
suchen nach denen, die die Rolle gewählt haben, verloren zu gehen<br />
– versteckt in einer Ecke sitzend, allein mit dem, was sie in diesen<br />
Minuten bewegt. Sie werden gefunden und strahlend zurück geleitet<br />
zu unserer Kerze, um die wir uns versammeln und uns erzählen,<br />
wie es uns in unseren Rollen gegangen ist. Und unser Gespräch führt<br />
uns weiter, von unserem Raum im Preetzer Haus der Diakonie hinaus<br />
in die Welt, zu den Menschen, die auf so vielerlei Weise verloren gehen.<br />
Mit unserer letzten Arbeitseinheit bewegen wir uns in das Haus<br />
der Zukunft. Wir sammeln die Schätze, die wir uns für die Zukunft<br />
unserer Welt wünschen. Und jede nimmt den einen Schatz, der ihr<br />
Herz besonders bewegt, in die geöffnete Hand. Er ist der Baustein<br />
des Hauses Zukunft, zu dem die einzelne besonders beitragen möchte.<br />
Mit unserem Schatz in der Hand empfangen wir den Schlusssegen<br />
für unsere gemeinsame Werkstatt-Zeit.<br />
Intensive zwölf Stunden, verteilt auf zwei Tage, liegen hinter uns. Wir<br />
haben für diese Zeit ein Haus betreten, das uns Raum bot, in schützender<br />
Atmosphäre unser Herz zu öffnen, die Schätze unseres<br />
Lebens anzusehen und zu teilen und die Pfade zu sehen, auf die uns<br />
unsere Fragen und Antworten führen werden. Und es waren<br />
Stunden voller Herzlichkeit, Wärme, Musik, Bewegung und intensiver<br />
Arbeit. Auch in diesem Jahr war es beglückend und inspirierend,<br />
mit Heidemarie Langer zu arbeiten.<br />
Julia Patzke und<br />
Heidemarie Langer, v. l.<br />
J u l i a P a t z k e
23<br />
i n n o v a t i v e<br />
Besondere Orte für Frauen<br />
Die Klöster Medingen, Lüne und Ebstorf<br />
Das Ev. <strong>Frauenwerk</strong> Hamburg-West/Südholstein hat gemeinsam<br />
mit dem Frauenreferat Düsseldorf die Klöster<br />
Medingen, Lüne und Ebstorf besucht und die besondere<br />
Atmosphäre dieser Orte für Frauen erkundet.<br />
„Schweige und höre, neige deines Herzens Ohr, suche den Frieden“<br />
– diese Liedzeile war das Motto einer Fahrt zu drei Heideklöstern<br />
rund um Lüneburg, Uelzen und Bad Bevensen. Neben den Besuchen<br />
standen die Themen Spiritualität, Lebensgemeinschaften,<br />
Frauenbildung in den Klöstern, die Klöster und ihre Bedeutung<br />
für die Region zu unterschiedlichen Zeiten auf dem Programm.<br />
Die Klöster werden verwaltet von der Klosterkammer Hannover, zu<br />
der insgesamt 17 Klöster und Stifte gehören im niedersächsischen<br />
Raum, in der Lüneburger Heide und an der Weser. Alle liegen in<br />
schönen, charakteristischen Landschaften.<br />
Klöster können Orte der Besinnlichkeit und Glaubensgewissheit<br />
sein. Weibliche Spiritualität prägte in den Jahrhunderten ihr Leben.<br />
Heute leben in den Klöstern Frauen in Gemeinschaften, evangelische<br />
Damenstifte genannt. Aktuell sind es 129 alleinstehende Frauen,<br />
die diese Lebensform gewählt haben. Die meisten ziehen nach<br />
ihrer Berufstätigkeit ein, es gibt aber auch einige jüngere Bewohnerinnen.<br />
Entstanden sind die Damenstifte aus katholischen Nonnenklöstern,<br />
denen in der Reformationszeit das Ende drohte. Der Adel<br />
und die Patrizierfamilien wollten auf diese Versorgungseinrichtung<br />
für unverheiratete Töchter nicht verzichten und so nahmen die Klöster<br />
das evangelische Bekenntnis an. Aus den Klöstern sind Orte<br />
kulturellen, kirchlichen und sozialen Engagements geworden.<br />
Jedes der Klöster und Stifte der Klosterkammer Hannover hat ein<br />
eigenes Profil und Schwerpunkte entwickelt.<br />
Als wir den Klöstern im Oktober einen Besuch abstatteten, um die<br />
Orte vorab kennenzulernen, hatte die herbstliche Schließungszeit<br />
begonnen und die zahlreichen Führungen durch die alten Backsteingebäude,<br />
die Klostergärten und zu den jeweiligen Kunstschätzen<br />
waren nur eingeschränkt möglich. Die besondere Atmosphäre,<br />
eine Mischung aus Beständigkeit, Stille und lebendiger Aktuali-<br />
„Klöster können Orte der Besinnlichkeit und<br />
A u s d e n F r a u e n w e r k e n<br />
tät war aber deutlich spürbar. So präsentierte das Kloster Ebstorf<br />
eine beeindruckende Fotoausstellung zu den Ereignissen um den<br />
Fall der Mauer vor 20 Jahren. Ebstorf wurde im 12. Jahrhundert<br />
gegründet und nach einem Brand im Kloster Walsrode von Benediktinerinnen<br />
bewohnt. Dieses Kloster wurde berühmt durch seine<br />
Weltkarte aus dem 13. Jahrhundert. Die im Mittelalter bekannten<br />
Länder mit Jerusalem als Mitte der Welt sind dargestellt, umfasst<br />
und getragen von der Gestalt Jesu Christi. In der Nähe des Klosters<br />
befindet sich ein meditativer Auferstehungsweg, große Bildtafeln<br />
mit Texten sind auf einem Weg durch die Waldlandschaft aufgestellt<br />
und regen zur Meditation und Betrachtung an. Wir sind ihn<br />
gemeinsam gewandert.<br />
Wahrzeichen des Klosters Lüne ist ein über 600 Jahre alter Brunnen,<br />
der Handstein. Diese Klosteranlage konnte durch die Jahrhunderte<br />
in ihrer Gesamtheit erhalten bleiben und so gelingt das<br />
Eintauchen in eine andere Welt besonders gut, viele Kunstschätze<br />
sind erhalten. Das Textilmuseum zeigt die textilen Kunstwerke der<br />
Benediktinernonnen und evangelischen Stiftsdamen. Das Kloster<br />
Medingen gibt es seit 1336, es war ursprünglich ein Zisterzienserinnen-Frauenkloster.<br />
Die Nonnen widersetzten sich der Anordnung,<br />
den evangelischen Glauben anzunehmen beständig, die<br />
Lutherbibel die ihnen der Herzog 1524 schickte, ließ die Äbtissin<br />
verbrennen. Nach einem Brand im Jahr 1781 wurde es wieder aufgebaut<br />
und ist der einzige Klosterneubau des Protestantismus in<br />
Norddeutschland. In Medingen leben heute 18 Konventualinnen, es<br />
ist der größte Konvent in Niedersachsen.<br />
Mit 18 Frauen aus der rheinischen und nordelbischen Frauenarbeit<br />
haben wir diese drei Orte besucht und auch unsere Spiritualität thematisiert.<br />
Wir haben bereits gemeinsame Erfahrungen auf Fahrten<br />
nach Worpswede und Weimar gemacht und erleben die teilweise<br />
unterschiedlichen Mentalitäten bereichernd. Das <strong>Frauenwerk</strong><br />
Hamburg-West/Südholstein wird die Kontakte zu den Klöstern,<br />
die für uns „vor der Haustür“ liegen, fortsetzen.<br />
Glaubensgewissheit sein, weibliche Spiritualität prägte<br />
in den Jahrhunderten ihr Leben.“ Karin Kluck<br />
K a r i n K l u c k
A u s d e n F r a u e n w e r k e n<br />
Anzeige<br />
Originell und liebenswert<br />
Frauen, die sich trauen<br />
Das Ev. <strong>Frauenwerk</strong> Oldenburg (Kirchenkreis<br />
Ostholstein) bot eine Mut- und Mitmach-Reihe an<br />
– und viele Frauen kamen.<br />
Mein Blick wandert durch den Raum. Ich sehe die vielen Frauen, wir<br />
sind so verschieden und ich hoffe und bete, dass ich richtig hinsehe.<br />
Da sitzen die Treuen, die kein Treffen versäumen, die Praktischen,<br />
die schon mal das Teewasser aufgesetzt haben, die Kritischen, die<br />
immer noch eine Frage stellen, die Einsamen, denen die Gemeinschaft<br />
besonders wichtig ist, die Aufmerksamen, die wirklich verstehen<br />
möchten. Mein Blick trifft sich mit den Augen einer Freundin, ruht<br />
auf den Händen einer Älteren und streift für einen Moment das<br />
Gesicht einer jüngeren Frau und ich möchte zu jeder von uns, ohne<br />
Ausnahme, sagen: „Originell!“ und „Liebenswert!“<br />
„Frauen, die sich trauen“ – eine Mut- und Mit-mach-Veranstaltungsreihe<br />
mit biblischen Geschichten, Beispiel- und Lebensgeschichten<br />
über und von Frauen, die Gott beim Wort nehmen.<br />
Wie der starke, rote Faden, der sich durch ein Hanfseil zieht und es<br />
hält, zieht sich ein Thema durch alle Lebensgeschichten: Gott trauen<br />
und von daher sich trauen, sich als Frau etwas zutrauen, einander<br />
vertrauen, auf die Wirksamkeit gemeinsamen Betens und Handelns<br />
vertrauen.<br />
i n n o v a t i v e<br />
24<br />
Um diesen roten Faden winden sich andere Fäden, die ebenfalls<br />
nicht abreißen, nämlich die Folgen dieses Gottvertrauens und<br />
Selbstvertrauens: Der Einsatz für Freiheit und Ehrlichkeit im Glauben,<br />
für mehr Gerechtigkeit zwischen den Menschen, für Gleichbehandlung<br />
der Geschlechter, für Bildungschancen, Mitbestimmungsmöglichkeiten,<br />
für Befreiung aus sinnlos gewordenen Strukturen. Und der<br />
Widerspruch gegen ungerechte Machtverteilung, gegen jede<br />
Unterdrückung Schwacher durch Stärkere, gegen das Festhalten<br />
an Privilegien. Jede Frau bringt ihre eigene Lebensgeschichte mit<br />
und diese sind in ihrer Vielfalt so bunt wie das Leben selbst. Wir erleben<br />
Künstlerinnen und Kämpferinnen, Trösterinnen und Entdeckerinnen,<br />
Visionärinnen und Bewahrerinnen, Forscherinnen und Freundinnen,<br />
Ermutigerinnen und Dienerinnen.<br />
Wir brauchen alle Vorbilder, Menschen, die uns und anderen<br />
eine Vorstellung davon geben, wie das Leben gelingen kann, wie<br />
man eigentlich glücklich wird. Vorbilder sind Menschen, die Ziele<br />
haben und andere dafür gewinnen können. Die Menschen inspirieren<br />
und mitreißen. Für mich sind Vorbilder zum Beispiel Menschen,<br />
die dankbar, aufmerksam, großzügig, zurückhaltend, treu und ehrlich<br />
sind. Die die richtigen Fragen stellen und wirklich nach Antworten<br />
suchen, zuhören und den Sachen auf den Grund gehen. Die einen<br />
weiten Horizont haben. Die ihre Gaben kennen und einbringen. Die<br />
andere nicht in Schubladen stecken, sondern offen sind für neue<br />
Begegnungen. Die Frieden stiften, Träume haben, authentisch sind.<br />
„Frauen, die sich trauen“ verbindet der Glaube an Gott und die unpopuläre<br />
Art, diesen Glauben zu leben. Auf unterschiedliche Weise trauen<br />
und trauten sie sich, Grenzen zu überschreiten und eigene<br />
Lebensmöglichkeiten zu suchen. Sie machen Lust, Frauen zu sein,<br />
die sich trauen, mit dem eigenen Leben das Kontingent an Liebe auf<br />
dieser Welt zu vermehren, Hoffnung zu verbreiten und Gleichgültigkeit<br />
abzubauen. Es ist spannend, nach dem Schnittpunkt in der eigenen<br />
Lebensgeschichte zu suchen.<br />
A n d r e a R a t h j e n<br />
„Sie machen Lust, Frauen zu sein, die sich<br />
trauen, mit dem eigenen Leben das Kontingent<br />
an Liebe auf dieser Welt zu vermehren,<br />
Hoffnung zu verbreiten und Gleichgültigkeit<br />
abzubauen.“ Andrea Rathjen
25<br />
i n n o v a t i v e<br />
Klar und durchsetzungsstark<br />
Bugenhagenmedaille für Brigitte Hasselmann<br />
Sie stand oft allein am RednerInnenpult, aber eine Einzelkämpferin<br />
war sie nie. Schon lange bevor der Begriff „Teamwork“ erfunden<br />
wurde, hat Brigitte Hasselmann danach gelebt. Für ihr jahrzehntelanges<br />
ehrenamtliches Engagement im <strong>Frauenwerk</strong> Lübeck, in der<br />
Telefonseelsorge, der Kirchenkreissynode, der Nordelbischen<br />
Synode, der Kirchenleitung und der EKD-Synode wurde sie mit der<br />
Bugenhagen-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Nordelbischen<br />
Kirche, ausgezeichnet. „Ich bekomme diese Auszeichnung<br />
stellvertretend für die vielen Frauen, die sich in den vergangenen<br />
Jahrzehnten für die Ehrenamtlichen engagiert haben“, sagt sie. Die<br />
Auszeichnung wurde ihr ihm Rahmen des Weltgebetstagsgottesdien<br />
stes durch Bischöfin Maria Jepsen in St. Petri zu Lübeck überreicht.<br />
Brigitte Hasselmann wuchs in der Nachkriegszeit in Wuppertal auf<br />
und studierte Deutsch und Geschichte für das höhere Lehramt. „Ich<br />
habe nicht Theologie studiert, weil ich als Frau damals nur in der<br />
Schule oder im Krankenhaus hätte wirken können“, erinnert sie sich,<br />
und schüttelt den Kopf. „Das kann man sich heute kaum noch vorstellen,<br />
zum Glück.“ Dass sich das geändert hat, ist ganz maßgeblich<br />
auch Frauen wie ihr zu verdanken, die sich hartnäckig und<br />
mitfühlend, mit Blick sowohl fürs Ganze als fürs Detail eingesetzt<br />
hat für die Belange der Ehrenamtlichen, besonders der ehrenamtlichen<br />
Frauen.<br />
Nach dem Studium heiratete sie Pastor Niels Hasselmann und zog<br />
mit ihm 1963 -1966 nach Genf und 1967 - 1975 nach Kopenhagen.<br />
„Traditionell wird in Kopenhagen von der Pastorenfrau ohnehin ehrenamtliche<br />
Tätigkeit erwartet“, erinnert sie sich. „Die Gemeinde<br />
schlug vor, ich solle den Bastelkreis leiten.“ Noch heute amüsiert sie<br />
sich bei dieser Vorstellung: „Bastelkreis! Ich habe dann jahrelang den<br />
Kindergottesdienst organisiert.“ Das sei das Schöne am Ehrenamt:<br />
„Man kann sich wirklich entscheiden, was und wie viel man tun will.“<br />
1975 wechselte ihr Mann nach Hannover, 1980 nach Lübeck, und<br />
wieder zog die inzwischen zweifache Mutter hinterher. „Hier in<br />
Lübeck habe ich im <strong>Frauenwerk</strong> meine „Gemeinde“ gefunden“,<br />
sagt sie. „Das Kennenlernen dieses starken Frauennetzwerkes, das<br />
Foto: Katja Launer<br />
A u s d e n F r a u e n w e r k e n<br />
füreinander Eintreten, das selbständige Agieren und die Ernsthaftigkeit<br />
des Engagements haben mich damals ungemein beeindruckt.“ 1981<br />
- 2003 engagierte sich Brigitte Hasselmann im Frauenbeirat, dem sie<br />
seit 1989 vorsaß. Das <strong>Frauenwerk</strong> war stets ihr Netzwerk, wo sie Kraft<br />
tankte für ihre umfangreiche ehrenamtliche Tätigkeit: 10 Jahre war<br />
sie eine der vielen Ehrenamtlichen in der Telefonseelsorge, 15 Jahre<br />
lang hielt sie regelmäßig Mittagsandachten in St. Marien. „Ich habe<br />
als westliche Frau mit einer guten Ausbildung viel geschenkt bekommen.<br />
Ich betrachte es als meine Pflicht als Christin, davon etwas zurückzugeben.“<br />
Es wundert nicht, dass die Frau mit dem klaren Blick für Strukturen<br />
auch schnell in die politische Ebene gewählt wurde: Seit<br />
1989 gehörte sie der Kirchenkreissynode an, seit 1992 der<br />
Nordelbischen Synode und seit 1995 der EKD-Synode. Auch hier<br />
suchte sie sich stets Gruppen, in denen sie etwas bewegen konnte:<br />
Brigitte Hasselmann war lange Vorsitzende im Dekade-Ausschuss,<br />
im Arbeitskreis KDA und im Beirat der Akademie, 1999 - 2005 gehörte<br />
sie der Kirchenleitung an.<br />
Besonders am Herzen aber liegt ihr das Forum Ehrenamt, das sie<br />
mitbegründet hat und dem sie als Vorsitzende immer noch angehört.<br />
„Das ehrenamtliche Engagement – besonders von Frauen – wird<br />
immer noch zu wenig gesehen“, sagt sie. Die Vernetzung und<br />
Fortbildung von Ehrenamtlichen wird hier gefördert. „Besonders stolz<br />
bin ich darauf, dass es uns im Forum Ehrenamt gelungen ist, beim<br />
Gemeindedienst eine Ombudsstelle für Ehrenamtliche einzurichten,<br />
wo Ehrenamtliche, die im Konflikt mit Hauptamtlichen stehen,<br />
Unterstützung erhalten“, sagt sie. Nun wird sie sich mit 70 Jahren zurückziehen<br />
in das, was eine aktive Frau wie Brigitte Hasselmann halt<br />
„Ruhestand“ nennt. „Im <strong>Frauenwerk</strong> werde ich mich weiterhin engagieren“,<br />
sagt sie, „für die Arbeit in den politischen Gremien – beispielsweise<br />
für die <strong>Nordkirche</strong> – stehen genug Nachfolgerinnen bereit.“<br />
„Ich bekomme diese Auszeichnung stell-<br />
vertretend für die vielen Frauen, die<br />
sich in den vergangenen Jahrzehnten für<br />
die Ehrenamtlichen engagiert haben.“<br />
Brigitte Hasselmann<br />
K a t j a L a u n e r
A u s d e n F r a u e n w e r k e n<br />
Interessiert und engagiert<br />
Infobörsen als Wege der Vernetzung<br />
Das Ev. <strong>Frauenwerk</strong> Rantzau-Münsterdorf ist Mitglied im Frauennetzwerk<br />
Elmshorn. Für uns ist die Mitarbeit in diesem Netzwerk ein<br />
wichtiger Schwerpunkt, weil es zum Selbstverständnis der kirchlichen<br />
Frauenarbeit gehört, das gesellschaftliche und politische<br />
Leben mit zu gestalten. In diesem Netzwerk führen wir gemeinsam<br />
Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag, eine<br />
Interkulturelle Woche, Brustkrebstage und Aktionen zum Internationalen<br />
Tag gegen Gewalt an Frauen durch. Die Gleichstellungsbeauftragte<br />
der Stadt Elmshorn koordiniert die Arbeit und moderiert<br />
die monatlichen Treffen.<br />
Ein besonderes Projekt des Frauennetzwerks waren zwei Infobörsen<br />
für Frauen, die erste 2008, die zweite 2010. Infobörsen wurden in<br />
den siebziger Jahren als frauen- und gleichstellungspolitische<br />
Initiative von der damaligen Bundesministerin Antje Huber ins<br />
Leben gerufen, als Errungenschaft der neuen Frauenbewegung.<br />
Nach der Wiedervereinigung gab es solche Infobörsen auch in den<br />
neuen Bundesländern.<br />
Unsere Infobörse für Frauen am 13. März 2010 hatte den Titel<br />
„Interessiert und engagiert in jedem Lebensalter.“ Jedes Alter hat<br />
neue Herausforderungen und Chancen, die es zu bewältigen und zu<br />
nutzen gilt. Die Infobörse bot den BesucherInnen Informationen und<br />
Ansprechpartnerinnen zu beruflicher Orientierung, gesellschaftlichem<br />
Engagement und Familien- und Selbstmanagement, so gab es<br />
z. B. einen Vortrag über „Kreative Geschäftsideen“. Neben den<br />
Informationsständen und Workshops war eine Talkrunde mit Frauen<br />
aus verschiedenen Generationen besonders eindrücklich. Diese<br />
Frauen schilderten, wie sie gewollte oder unerwartete Veränderungen<br />
in ihrem Leben gestaltet haben. Sie machten Mut, nach eigenen<br />
Möglichkeiten und neuen Wegen zu suchen.<br />
Am Stand des <strong>Frauenwerk</strong>s kamen wir mit vielen Frauen über<br />
unsere Arbeit ins Gespräch – unser Jahresprogramm kam gut<br />
an. Es war eine gelungene Veranstaltung, bei der wieder deutlich<br />
wurde, wie sinnvoll und nützlich es für Beteiligte und für NutzerInnen<br />
ist, sich zu begegnen und sich zu vernetzen. Und selbstverständlich<br />
gab es eine Kinderbetreuung.<br />
Foto: Jannes Laedtke<br />
i n n o v a t i v e<br />
26<br />
Die Idee der Infobörsen hat sich über viele Jahre bewährt. Sie vermitteln<br />
einen Überblick über die Vielfalt der Organisationen und<br />
Beratungsmöglichkeiten vor Ort, unterstützen die Vernetzung, stellen<br />
Möglichkeiten für gesellschaftliches Engagement vor, informieren<br />
über aktuelle frauenspezifische Themen und ermutigen Frauen,<br />
auch Männer, ihre Chancen zu nutzen und ihren ganz persönlichen<br />
Weg zu finden. Ursula von der Leyen hat sich während ihrer Amtszeit<br />
für die Ausweitung der Infobörsen eingesetzt: „Gleiche Chancen<br />
von Frauen und Männern sind ein Ziel, das wir nur gemeinsam erreichen<br />
können. Auf dem Weg dahin brauchen wir das Engagement<br />
des Staates, der Wirtschaft, der Gesellschaft, aber auch von uns.<br />
Ich möchte Sie daher ermutigen, auch in Ihrer Region eine<br />
Infobörse zu organisieren oder zu besuchen.“ Wir im Frauennetzwerk<br />
haben diese Idee gerne aufgenommen, besonders da wir<br />
in Workshops auf die Durchführung solcher Infobörsen vorbereitet<br />
wurden – ein Angebot des Bundesministeriums, es finanziert die<br />
Workshops, das Arbeitsmaterial und mit dem Druck von Einladungsbroschüren<br />
und Werbematerial die Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Zugeschnitten auf die Situation in unserer Stadt wurde am 8. März<br />
2008 - dem Internationalen Frauentag – die erste Infobörse für<br />
Frauen im Elmshorner Rathaus eröffnet. Unter dem Motto „Da mache<br />
ich mit!“ waren Schwerpunktthemen der Wiedereinstieg in<br />
den Beruf, die Suche nach neuen Aufgaben und Perspektiven nach<br />
einer Familienzeit oder nach Umbrüchen im eigenen Leben. Die<br />
BesucherInnen erhielten fundierte Informationen und konkrete<br />
Unterstützungsangebote. Die gemeinsame Idee hat die Zusammenarbeit<br />
der Frauen leicht gemacht, erfreulich wenn man bedenkt,<br />
dass sie sich aus vielen unterschiedlichen Einrichtungen zusammengefunden<br />
haben, von Kita-TrägerInnen bis zum SeniorInnenrat.<br />
Die Infobörse 2008 hatte großes Interesse gefunden. Diese gute<br />
Resonanz hatte uns ermutigt, 2010 wieder eine Infobörse durchzuführen.<br />
M a r e n S c h l o t f e l d , I n g r i d R e i t z<br />
„Infobörsen vermitteln einen Überblick über die Vielfalt der<br />
Organisationen und Beratungsmöglichkeiten vor Ort, unterstützen<br />
die Vernetzung, stellen Möglichkeiten für gesellschaftliches<br />
Engagement vor, informieren über aktuelle frauenspezifische Themen<br />
und ermutigen Frauen, auch Männer, ihre Chancen zu nutzen<br />
und ihren ganz persönlichen Weg zu finden.“ Maren Schlotfeld, Ingrid Reitz
27<br />
i n n o v a t i v e<br />
Frauentag: Mädchenwissen – Frauenweisheit<br />
Frauen ermutigen, ihren eigenen Weg in der Vielfalt der<br />
Gesundheitsangebote zu gehen – ein gelungenes<br />
Beispiel, auch der Vernetzung, ist der Frauentag des Ev.<br />
<strong>Frauenwerk</strong>es Flensburg und der Gesundheitswerkstatt.<br />
Willkommen mit Gesten der Klinikclownin „Upps“ – und die rote Nase<br />
leuchtete den Frauen den Eingang zum alten Pastorat St. Nikolai in<br />
Flensburg. Es ging los mit den Wechseljahren, den Veränderungen<br />
in unseren Körpern. Margret Heider, Frauenärztin, erklärte einfühlsam,<br />
was während der Wechseljahre vor sich geht. Mit verständlichen<br />
Worten brachte sie uns nahe, was normal ist und was die Umwelt –<br />
oft bestimmt von der Pharmaindustrie – uns als nicht normal vormacht.<br />
Frau Heider befähigt Frauen, eigene Entscheidungen zu treffen,<br />
zeigt Konsequenzen auf und benennt den gesellschaftlichen<br />
Druck, unter dem Frauen heute stehen, sich für oder gegen Hormone<br />
zu entscheiden. Sie ermächtigte uns – wieder – über unseren Körper<br />
zu bestimmen. Und sie tat das mit einer Geduld unseren Fragen gegenüber,<br />
dass wir angesteckt wurden zur inneren (eigenen) und äußeren<br />
(politischen) Achtsamkeit für Frauengesundheit.<br />
Dann ging es weiter mit Luna Yoga, angeleitet von der Bewegungstherapeutin<br />
Bettina Münster. In dem Schnupperworkshop erfuhr frau,<br />
was Luna Yoga will: Lust und Lebenskraft durch und mit dem eigenen<br />
Körper entwickeln und neue Energiequellen erleben. Das<br />
geschieht mit Übungen des Hatha Yogas, durch Tanzübungen, die<br />
das Becken in den Mittelpunkt stellen und durch Massageübungen.<br />
Renate Kuschke, Qigong-Lehrerin, lies die andere Hälfte der Teilnehmerinnen<br />
in die „Frauenvariante“ des Qigongs hineinschnuppern:<br />
„Wenn wir die drei Schätze Jing, Qi und Shen (vereinfacht übersetzt<br />
mit Körper, Geist und Seele) wirklich wertschätzen, liebevoll pflegen<br />
und achtsam wachsen lassen, kann in uns heitere Gelassenheit,<br />
Selbstakzeptanz und neue Vitalität entstehen.“<br />
Den nächsten Vortrag „Brust =<br />
Lust oder Last?“ hielt Dr. med<br />
Catrin Halves aus Wildeshausen.<br />
Sie begann mit einem unterhaltsamen<br />
geschichtlichen Abriss<br />
A u s d e n F r a u e n w e r k e n<br />
zur weiblichen Unterwäsche, vom Korsett über das Schnüren bis zum<br />
BH. Ihn preist uns die Werbung als Mittel, dem jeweiligen<br />
Schönheitsideal zu entsprechen. Aber wer hat eigentlich Interesse<br />
daran, die Formen und Abzeichnungen der weiblichen Brust zu sehen<br />
bzw. unsichtbar gemacht zu bekommen? Warum muss der<br />
„Busen“ immer so aussehen, wie man(n) uns weiß macht und wir<br />
kaufen diese teuren Dinger dann auch noch? Dann wurde es ernster:<br />
Die Brust als Vor-Sorge-Objekt oder im Krankheitsfall. Neben<br />
Informationen zum Brustkrebs wurden wir angeleitet, einen<br />
Blickwechsel zu vollziehen, hin zum Wahrnehmen und liebenden<br />
Umgang mit der Brust.<br />
Weiter ging es erneut mit Luna Yoga oder DanseVita mit Frida Urte<br />
Nitsch. Freies und angeleitetes Tanzen will Lebensfreude, Lebenskraft<br />
und Kreativität in Verbindung bringen. Nach der Mittagspause war<br />
Thema der Sinn und die „Schein“-Sicherheit von HPV, einer<br />
Impfung für Mädchen und junge Frauen als Vorsorge des Gebärmutterhalskrebses.<br />
Verwirrende Zahlen und widersprüchliche<br />
Meldungen zu Nutzen und Neben-Wirkungen der HPV-Impfung – die<br />
ärztlichen und pharmazeutischen Interessenvertretungen scheinen<br />
ein eindeutiges Interesse „pro Impfung“ zu haben. Frau Heider klärte<br />
auf, und das tat Not!<br />
Der letzte Vortrag von der Heilpraktikerin Tamara Gra über Göttinnen<br />
und Klosterfrauen lenkte unsere Aufmerksamkeit auf ganz andere<br />
Themen. Humorvoll bot sie Jeder von uns einen Anknüpfungspunkt,<br />
sich der eigenen Göttinnenkraft bewusst zu werden! Ein äußerst lockerer<br />
und ressourcenorientierter Vortrag!<br />
Voller Dankbarkeit für diesen berührenden und bewegenden Tag bot<br />
das Ritual „Sich dem Leben in die Arme werfen – Auferstehung<br />
mitten am Tage“, angeleitet von Ute Morgenroth und Marianne<br />
Riecke, die Möglichkeit, den Tag gemeinsam abzuschließen.<br />
Eine gelungene Zusammenarbeit<br />
zwischen Gesundheitswerkstatt und Evangelischem<br />
<strong>Frauenwerk</strong>!<br />
E v a V i e d t<br />
Mit Pepp – der Frauentag in Flensburg
B u c h t i p p s<br />
Ins Leben hineingeworfen Das Kind von<br />
Holocaustüberlebenden<br />
An einem Karfreitag sitzt die 35-jährige Anwältin in ihrem Büro und<br />
arbeitet an einem Vertragsentwurf. Der muss noch unbedingt über<br />
Ostern fertig werden. Ihr Leben scheint vorgezeichnet: Juniorpartnerin<br />
in einer renommierten Kanzlei. Verträge. Verhandlungen. So will es<br />
vor allem ihr Vater. Aber: Der Vertrag wird nicht fertig. Stattdessen<br />
geht Christiane Wirtz am Osterdienstag zu ihrem Chef und kündigt.<br />
Und ein paar Monate später sitzt sie in der Maschine der EL AL,<br />
die sie nach Tel Aviv bringen soll. „Ein Jahr in Tel Aviv. Reise in den<br />
Alltag“ heißt der spannend und zugleich leicht und doch nicht leicht<br />
geschriebene Bericht von Christiane Wirtz, in dem sie das Jahr beschreibt,<br />
in dem sie in Israel, genauer in Tel Aviv, in den ganz eigenen<br />
Alltag dieses Landes eintaucht.<br />
Sie findet eine Bleibe bei einem ehemaligen israelischen Studienkollegen,<br />
der inzwischen Dozent an der juristischen Fakultät in<br />
Jerusalem ist. Und sie wird in ein Leben hineingeworfen, in dem<br />
alles anders ist: zunächst einmal schon die Schrift. Wie soll sie<br />
den Stadtplan lesen? Oder die Zeichen auf dem Geldautomaten?<br />
Und dann ist da die Frage: Kann sie den Bus benutzen? Oder ist das<br />
zu gefährlich? (wie ihre Mutter findet) Sie lernt Ivrit, sie lernt das Bus<br />
fahren und vieles mehr.<br />
Sie sucht sich einen Job und findet ihn bei Charlotte Strohbach,<br />
einer 99 - jährigen Frau, die bereits in den dreißiger Jahren aus<br />
Nazideutschland emigriert war, aber durch einen Schlaganfall ihre<br />
Ivrit-, Englisch- und Französischkenntnisse verloren hat. Nun ist nur<br />
noch ihr Deutsch da. Und so sucht die alte Frau eine deutschsprachige<br />
Betreuerin. Die beiden spielen Scrabble und manchmal taucht<br />
Charlotte Strohbach ein in alte Erinnerungen.<br />
Aber es gibt auch die Begegnungen mit den neuen Freunden, die<br />
Ausflüge nach Haifa oder ans Tote Meer, der Alltag mit denen, für die<br />
Krieg und Bedrohung fast schon alltäglich ist. Religion, Politik,<br />
Geschichte - alles spiegelt sich in kleinen Alltagsbegebenheiten. Und<br />
in all dem ist eine junge Frau auf dem Weg zu sich selbst.<br />
Christiane Wirtz:<br />
Ein Jahr in Tel Aviv<br />
Reise in den Alltag<br />
Herder Verlag<br />
Freiburg 2009<br />
ISBN 978-3-451-05928-5<br />
12,95 Euro<br />
G u n d u l a D ö r i n g<br />
„Meine Eltern haben Auschwitz überlebt. Mein Leben steht unter keinem<br />
bösen Fluch, aber ihres. Sie wurden unter einem schlechten<br />
Stern geboren, den sie sich später auf die Jacke nähen mussten.“<br />
So beginnt Bernice Eisenstein ihre Geschichte.<br />
Bernice Eisenstein wurde 1949 in Toronto geboren und steht für die<br />
zweite Generation, die versucht, mit dem Horror umzugehen. Ihre<br />
Eltern glaubten, den Schrecken hinter sich lassen zu können, indem<br />
sie nach Toronto auswanderten. „Betreten verboten“ stand jetzt<br />
wie ein Schild vor der Vergangenheit in Auschwitz. So erlebte es<br />
Bernice Eisenstein. Die Eltern wollten sich selbst und ihre Kinder vor<br />
der tödlichen Bedrohung schützen. Doch Bernice Eisenstein begegnete<br />
der Vergangenheit ihrer Eltern in fast allen Dingen des Alltags,<br />
wie sie eindringlich beschreibt. Mit brennender Energie spürt sie der<br />
Vergangenheit ihrer Eltern nach. Sie will etwas von dem wiederfinden,<br />
was die Eltern in Auschwitz verloren haben, als ginge es um ihr<br />
eigenes Leben. So vermittelt Bernice Eisenstein den LeserInnen wie<br />
die Shoa nicht nur die Überlebenden weiter prägt, sondern auch das<br />
Leben der nachfolgenden Generationen überschattet.<br />
Bernice Eisenstein wird Künstlerin und versucht durch Zeichnungen<br />
im Comicstil ihre Erfahrungen als Kind von Shoa-Überlebenden darzustellen.<br />
Das Bild auf dem Buchumschlag drückt ihre Erfahrungen<br />
pointiert aus: Als kleines Mädchen wirft sie nicht den eigenen,<br />
sondern den doppelten Schatten ihrer Eltern. Sie lässt uns aber<br />
auch durch ihre Erzählung an ihrer Spurensuche teilhaben und ihr<br />
folgen auf ihrem Weg, der Erinnerungen wach werden lässt. Wir lesen<br />
eine tief berührende Lebensgeschichte, die uns die gelungene,<br />
transgenerationale Weitergabe von Erinnerung vor Augen führt.<br />
Bernice Eisenstein:<br />
E l i s a b e t h C h r i s t a M a r k e r t<br />
Ich war das Kind von<br />
Holocaustüberlebenden<br />
Berlin Verlag, Berlin 2007<br />
ISBN 978-3-82700-7-568<br />
9,70 Euro<br />
i n n o v a t i v e<br />
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29<br />
i n n o v a t i v e<br />
Was wäre wenn?<br />
Junge Frauen diskutieren wieder über den Feminismus – und Antje<br />
Schrupp entfaltet feministische Ideen für unsere Zeit mit und nach<br />
der Gleichberechtigung. Deutlich arbeitet sie heraus, dass<br />
Feminismus mehr ist, als Gleichberechtigung und umso wichtiger<br />
wird, je mehr die Gleichstellung umgesetzt ist: „ … je einflussreicher<br />
Frauen sind, je mehr öffentliche Positionen sie einnehmen und<br />
je mehr Entscheidungen sie zu treffen haben, desto wichtiger ist es,<br />
nach welchem Maßstab sie all das tun.“ Dieser Maßstab „liegt nicht<br />
in jener Realität, die eine männliche Ordnung hervorgebracht hat<br />
und die sie in der Emanzipation also bereits vorfinden, sondern in<br />
ihren Visionen und Träumen, über die sie sich miteinander austauschen,<br />
inspirieren und streiten.“ Es geht also um die weibliche<br />
Freiheit, das Wünschen und Wollen von Frauen selbst zu definieren,<br />
und die Welt entsprechend zu gestalten.<br />
Lebendig beschreibt Antje Schrupp eine Sicht auf die Welt, die<br />
sich deutlich von der traditionellen westlichen, dualistisch und<br />
männlich geprägten Sichtweise unterscheidet. Oft inspirierend,<br />
manchmal auch fremd und provozierend behandelt sie wesentliche<br />
Fragen des Daseins und entwirft Bedingungen weiblicher Freiheit.<br />
„Freiheit entsteht in Bezogenheit“, diese These entfaltet sie durch<br />
eine Vielzahl von Zitaten, die mir einen Überblick über den Stand<br />
der Diskussionen bietet, und gleichzeitig ihre philosophisch feministische<br />
Denkrichtung verdeutlicht.<br />
Das Buch ist eine Aufforderung, einfach anzufangen, „Was wäre<br />
wenn?“ und dem eigenen Begehren zu folgen. Mag dies auch<br />
unbestimmt sein: „Das Begehren öffnet Wege für das Unvorhergesehene.<br />
Es scheut sich nicht, zuzugeben, dass es ohne die Hilfe<br />
von anderen nicht erfüllt werden kann. … Im Begehren den Motor für<br />
Veränderung zu sehen und nicht in den Zielen, die man sich setzt,<br />
das bedeutet ein radikales Umdenken.“ Was wäre, wenn wir es einfach<br />
mal probierten?<br />
Antje Schrupp:<br />
Was wäre wenn?<br />
Über das Begehren und<br />
die Bedingungen<br />
weiblicher Freiheit<br />
Ulrike Helmer Verlag<br />
Sulzbach 2009<br />
ISBN 978-3-89741-292-7<br />
16,90 Euro<br />
D a g m a r K r o k<br />
Überforderung<br />
ist Unterforderung<br />
Die zehn Autorinnen der Gruppe pro:fem nehmen sich eines existentiellen<br />
Themas an. Wer kennt nicht das Gefühl, nie genug Zeit zu<br />
haben, um alle beruflichen und familiären Aufgaben erledigen<br />
zu können, wer kennt nicht die Frustration, wenn kaum Zeit für<br />
persönliche Projekte bleibt? Und wer kennt nicht die Sehnsucht,<br />
nach Leichtigkeit und Lebendigkeit um aus dem Hamsterrad auszusteigen?<br />
Das Büchlein reiht sich nicht in die Reihe der praktischen Ratgeber<br />
zu work-life-balance ein, die nach Erfahrung der Autorinnen nur bedingt<br />
hilfreich sind, sie wollen – und darin liegt die Stärke ihres<br />
Ansatzes – den strukturellen Ursachen des Phänomens auf den<br />
Grund gehen. Ausgangspunkt sind ihre eigenen, in Tagesprotokollen<br />
gesammelten Erfahrungen, in denen sich sicher viele Leserinnen<br />
wiederfinden. Sehr spannend ist ihre dialektische Analyse der gefühlten<br />
Überforderung als Unterforderung – als Unterforderung<br />
in den Möglichkeiten, die Fülle des Menschseins leben zu können,<br />
weil wir maschinenhaft in gegebenen Strukturen funktionieren.<br />
So lenken sie den Blick weg von dem Problem der Einzelnen<br />
hin auf die Macht des weltweiten neoliberalen Wirtschaftssystems.<br />
Mit seinem absoluten Streben nach Profit und Wachstum, mit seinem<br />
Diktat der Angst und Menschenverachtung bringt es uns dazu, zu<br />
funktionieren und lähmt die Energie für den Kampf für Alternativen.<br />
Um die Strukturen zu durchbrechen, schlagen die Autorinnen in<br />
Anlehnung an Frigga Haug vor, Arbeit nicht allein als Erwerbsarbeit<br />
zu definieren, sondern auch die Zeit, die wir für Reproduktionsarbeit,<br />
politisches Engagement und persönliche Weiterentwicklung aufwenden,<br />
mit einzubeziehen. Diese ganzheitliche Vier-in-Einem-<br />
Perspektive eröffnet mehr Lebensqualität, erfüllte Zeit und gerechte<br />
Verteilung für alle.<br />
Das sehr lesenswerte Büchlein inspiriert mit seinem politischen<br />
Ansatz zum kreativen Weiterdenken und - diskutieren und fügt<br />
sich hervorragend in den Diskurs über das Jahresthema der<br />
Frauenarbeit in Nordelbien.<br />
Pro:fem (Hg.):<br />
Auf der Suche nach<br />
der verlorenen Zeit<br />
Überforderung ist Unterforderung<br />
Werkstatt-Texte 04<br />
Argument Verlag, Hamburg 2009<br />
ISBN 978-3-86754-804-5<br />
7 Euro<br />
B u c h t i p p s<br />
I r e n e P a b s t
B u c h t i p p s<br />
Mit guter Arbeit<br />
Ist diese Dame Gott?<br />
aus der Krise ‚Gender und religiöse Bildung weltweit’ ist kein Buch voller Theorien<br />
Die Philosophin und Ökonomin Christine Ax lädt in ‚Die Könnensgesellschaft’<br />
die Leserin ein, zusammen mit Hannah Arendt, Oskar<br />
Wilde und Anderen „Arbeit zu denken“ und ein Bild von „guter“ Arbeit<br />
zu finden. Sie wirft einen kritischen Blick auf unsere Arbeitswelt<br />
inmitten einer „Wissensgesellschaft“ und grenzt „Wissen“ als<br />
rein kognitive Fähigkeit zum „Können“ als angewandtes Wissen<br />
ab. Folgerichtig fordert sie eine ganzheitliche Bildung, in der Kinder<br />
sich mit ihrer ganzen Persönlichkeit entwickeln können.<br />
Ausgehend vom Modell des Handwerks, zeichnet Christine Ax<br />
das visionäre Bild einer Arbeitswelt, in der das Können von<br />
Menschen sich entfalten kann und auch angemessen entlohnt<br />
wird. Als Möglichkeiten, diese Vision zu verwirklichen, beschreibt sie<br />
u.a. die Regionalisierung von Wirtschaftskreisläufen. Christiane Ax<br />
unterlegt ihre Ausführungen mit einem fachkundigen Gang durch die<br />
Geschichte von Arbeit, Kunst, Handwerk und Industrie und stellt beispielhafte<br />
Modelle aus Vergangenheit und Gegenwart vor. So entführt<br />
sie die interessierte und stellenweise faszinierte Leserin in das<br />
Land Edo vor vielen, vielen Jahren und in die Welt des vielfältigen<br />
Handwerks im Mittelalter ebenso wie in eine österreichische Talschaft<br />
im Jahre 2010.<br />
Das Buch ist verständlich und lebendig geschrieben, eine übersichtliche<br />
Gliederung erleichtert gezieltes Nachlesen. Spaß machen<br />
scharf formulierte Zwischenüberschriften, wie ‚Aus dem Homo<br />
Faber wird der Animal Laborans’. ‚Die Könnensgesellschaft’ ist<br />
kein explizit feministisches Buch. Aber wenn Christine Ax beispielsweise<br />
„ein Wachstum, das Menschen überflüssig macht“ kritisiert<br />
oder auf die „Achtsamkeit in alltäglichen Dingen“ hinweist, lässt sich<br />
erahnen, dass die Werte weiblicher Lebenswelten auch die<br />
Grundpfeiler einer „Könnensgesellschaft“ sein könnten.<br />
Mein Fazit: Ein interessanter Schmöker, mit der Verführung zum<br />
Weiterdenken.<br />
Christine Ax:<br />
Die Könnensgesellschaft<br />
Mit guter Arbeit aus der Krise<br />
Rhombos Verlag, Berlin 2009<br />
ISBN 978-3-93880-7-965<br />
29,80 Euro<br />
J u l i a P a t z k e<br />
und Erläuterungen. Es handelt sich vielmehr um eine biografische<br />
Annäherung ans Thema. 24 Frauen und Männer aus Afrika, Asien,<br />
Europa und Lateinamerika, die sich in Kirchen und zivilen Organisationen<br />
für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen, berichten von ihren<br />
Träumen von einer besseren Kirche und Gesellschaft und ihren<br />
Erfahrungen zu bestehender Geschlechter-Ungerechtigkeit.<br />
Eingerahmt werden diese interessanten Erfahrungsberichte von<br />
Informationen zu den Herkunftsländern der AutorInnen. Durch die<br />
breite Vielfalt an Kontexten und den persönlichen Bezug fällt es leicht,<br />
sich auf das Thema des Buches einzulassen. Neu war die<br />
Erkenntnis, dass in vielen Ländern bereits eine genderbewusste<br />
Bibelauslegung existiert. Die AutorInnen aus aller Welt ermutigen<br />
uns, die Gender-Frage als eine Frage der Gerechtigkeit und der christlichen<br />
Nächstenliebe zu sehen, die uns alle angeht.<br />
Die Berichte orientieren sich an vier Leitfragen, z. B. „Wie wurden Sie<br />
als Kind zur Frau, zum Mann erzogen?“ Wie ein bunter Fächer wirken<br />
die unterschiedlichen Annäherungen an das Thema. Es wird sichtbar,<br />
in welchem Spannungsverhältnis, Erfahrungen aus der Kindheit<br />
und das Erlernte aus Studium und Beruf stehen. So beschreibt Larry<br />
José Madrigal Rajo aus El Salvador, wie er als kleiner Junge beim<br />
Niederknien vor der Statue der heiligen Anna naiv fragt: „Ist diese<br />
Dame Gott?“ und dafür von der Lehrerin einen harten Schlag auf<br />
den Kopf bekam.<br />
Zur Frage, warum sie sich für Geschlechtergerechtigkeit einsetze,<br />
schreibt Prof. Mercy Amba aus Ghana: „Eine zentrale Erkenntnis<br />
war für mich, dass wir Menschen es selbst sind, die unsere<br />
Kultur und Welt gestalten. Also können wir sie auch ändern. Was<br />
Menschen entwürdigt, können und sollen wir überwinden.“<br />
Ein empfehlenswertes, lebendiges Buch!<br />
Bärbel Fünfsinn,<br />
Gabriele Mayer:<br />
Gender und religiöse<br />
Bildung weltweit<br />
i n n o v a t i v e<br />
Biografische Einsichten<br />
Lembeck Verlag<br />
Frankfurt/Main 2009<br />
ISBN 978-3-87476-604-3<br />
16 Euro<br />
30<br />
J u l i a L e r s c h
31<br />
i n n o v a t i v e<br />
U n d a u ß e r d e m<br />
Eine mutige Ruferin gegen das allgemeine Schweigen<br />
Nachruf auf Mary Daly<br />
Mary Daly ist tot! Als ich diese Nachricht las, wanderten meine<br />
Gedanken zurück in die 70er Jahre, zu meinem Aufenthalt in den<br />
USA. Dort habe ich sie kennen gelernt, bei Veranstaltungen zur feministischen<br />
Theologie. Drei „k“ fallen mir spontan zu ihr ein: Klug,<br />
kämpferisch, kreativ. Bei ihr habe ich zum ersten Mal verstanden, worum<br />
es in der feministischen Theologie geht: Nicht um ein bisschen<br />
mehr Gleichstellung und bessere Frauenkarrieren, sondern: Mary<br />
Daly war die erste feministische Theologin und Philosophin, die<br />
mir begegnete, die eine umfassende Patriarchats-Analyse und<br />
Gesellschaftskritik veröffentlichte und daraus eine grundlegende<br />
Philosophie der Frauenbefreiung entwickelte. Ich höre sie<br />
noch: „In einer Theologie, in der Gott männlich ist, ist das Männliche<br />
Gott ...“ Die Befreiung von diesem „vorherrschend-männlichen“ Gott,<br />
war der Zugang zur feministischen Theologie und zur Frauenbewegung.<br />
Sie verstand sich als Grenzgängerin zwischen Philosophie und<br />
Theologie, wobei sie sich im Unterschied zu Tillich nicht „auf der<br />
Grenze“, sondern auf den Grenzen beider Disziplinen befand, indem<br />
sie die Erfahrungen von Frauen (der Hälfte der Menschheit!), die in<br />
Theologie und Philosophie nicht vor kamen, zum Thema machte. In<br />
ihren Seminaren erlebte ich, was ich in meinem ganzen Theologiestudium<br />
nie erfahren habe, dass das Leben und Leiden von Frauen<br />
relevante Themen im Studium der Theologie sind, um zu einer gerechten<br />
„non-sexist“ Theologie und Ethik zu kommen. Sie war für<br />
mich die erste feministische Lehrerin, die die Gräuel des Patriarchats<br />
beim Namen nannte und sie damit aus dem Schweigen und<br />
Tabuisieren in die Öffentlichkeit brachte. Sie stellte Zusammenhänge<br />
her zwischen den Sado-Ritualen an Frauen in aller Welt (z. B.<br />
Hexenverbrennungen in Europa, Witwenverbrennungen in Indien,<br />
Füßeeinbinden in China, Genital- verstümmelungen in Afrika) und<br />
den frauenfeindlichen Praktiken von Kirche, Gesellschaft und Medizin<br />
im 20. Jahrhundert. Durch sie wurde mir klar, dass mein Denken,<br />
als deutsche Frau damals, sich hauptsächlich um den<br />
Faschismus und Holocaust drehte, und mir eine kritische<br />
Auseinandersetzung speziell mit Frauenunterdrückung und<br />
„In ihren Seminaren erlebte ich, was ich in meinem ganzen The-<br />
ologiestudium nie erfahren habe, dass das Leben und Leiden von<br />
Frauen relevante Themen im Studium der Theologie sind, um<br />
zu einer gerechten ‚non-sexist’ Theologie und Ethik zu kommen.“<br />
Jutta Gross-Ricker<br />
Gewalt weltweit ganz fremd war. Oft denke ich heute an sie, wenn<br />
wieder Fälle von Missbrauch an Kindern und Mädchenhandel offenbar<br />
werden, Frauenvergewaltigungen als Kriegswaffe eingesetzt werden<br />
und es um das Abtreibungs- und Verhütungsverbot in der katholischen<br />
Kirche geht.<br />
Damals erschien mir Mary Daly wie Kassandra, eine mutige Ruferin<br />
gegen das allgemeine Schweigen und gegen kirchliche Macht. Sie<br />
entwickelte an Hand ihrer Recherchen eine „Meta-Ethik des radikalen<br />
Feminismus“ und betitelte ihr bahnbrechendes Buch: „Gyn/<br />
Ökologie.“ Sie war überzeugt davon, dass „nur was völlig durchschaut<br />
ist, kann uns nichts mehr anhaben und den Weg frei machen<br />
für die Möglichkeit von Frauen, die eigene gynergetische Kraft zu finden.“<br />
Auf Grund dieser feministischen Tradition sind wir heute<br />
sensibler für Unrecht, das an Frauen und Kindern geschieht.<br />
Gleichzeitig haben wir von ihren Forschungsergebnissen profitiert,<br />
durch die kritisches Denken in die Theologie eingekehrt ist.<br />
Gleichwohl ist ihre radikale System- und Patriarchatskritik an Kirche<br />
und Gesellschaft noch lange nicht ausgeschöpft.<br />
Dr. Dr. Dr. Mary Daly war katholische Theologin mit drei Doktortiteln in<br />
Theologie und Philosophie und lehrte zu meiner Zeit an dem jesuitischen<br />
College in Boston. Es waren ihre Studentinnen, die darum<br />
kämpften, dass die umstrittene Theologin am College weiter lehren<br />
konnte, trotz ihrer kritischen Auseinandersetzung mit der katholischen<br />
Kirche. Mary Daly ist eine der ersten herausragenden<br />
Persönlichkeiten der feministischen Bewegung des 20. Jahrhunderts.<br />
Mit ihrem Tod wird die Aktualität ihrer Arbeit und ihres Engagements<br />
nicht zu Ende sein, im Gegenteil!<br />
J u t t a G r o s s - R i c k e r
„Frauensichten auf die Finanzkrise<br />
– wie geht es anders?“<br />
Veranstalterinnen: <strong>Nordelbisches</strong> <strong>Frauenwerk</strong>, Ev. <strong>Frauenwerk</strong> Altholstein, Ev. Bildungswerk Plön-Segeberg<br />
Fotos: Dagmar Krok, Annette Pawelitzki, Agnes Witte