NACHTFALTER - Novotny & Novotny
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spielen, oder angesichts eines vollkommen belanglosen und nackten<br />
Versicherungsvertreters dessen behaarter Bauch an der Jockey<br />
Unterhose schabt, die Fassung nicht zu verlieren. Die wirklich guten<br />
Huren arbeiten in einer Trance um den Gleichklang mit dem Kunden<br />
herzustellen, die weniger guten brauchen das Koks, um den<br />
scheinbaren Gleichklang mit den Kunden zu simulieren. Da es schon<br />
eine Überwindung darstellt, mit einem langweiligen und häßlichen<br />
Menschen im Lift zu fahren, kann vorstellbar sein, welcher Genialität<br />
es bedarf, sich von so eines Menschen Lulu benetzen zu lassen. Das<br />
kann eine größere Leistung sein als eine Doktorarbeit.<br />
Und jetzt für die sozialperspektivisch Interessierten:<br />
Die Perspektive, als noch junge Frau schon als "verbraucht“ zu<br />
gelten, wenn andere im gleichen Alter ihre Zukunft noch vor sich<br />
haben, ist desillusionierend, denn so viel Geld kann selbst die<br />
erfolgreichste Prostituierte in der kurzen Zeit nicht verdienen, um<br />
für die Jahre danach versorgt zu sein. Auch Balletttänzerinnen<br />
werden mit 35 Jahren ausgemustert, aber sie haben im Gegensatz<br />
zu Prostituierten einen Pensionsanspruch und die Möglichkeit, in<br />
anderer Form, etwa als Choreographin oder zumindest als<br />
Tanzlehrerin, in ihrem Beruf zu bleiben.<br />
Das Sozialromatische ist aber nicht das Thema des Filmes, der Film<br />
behandelt die Kraft der Sexualität und die damit verbundene Macht,<br />
in einem für die Heldin nützlichen Lernprozeß.<br />
Zu den Dreharbeiten: Wie lange haben diese gedauert? Beharren<br />
sie gegenüber den Schauspielern auf dem vorgegebenen Konzept<br />
oder ist Improvisation für Sie ein integraler Bestand der kreativen<br />
Arbeit?<br />
Sechs Wochen, dank eines grandiosen Teams. - Ich weiß beim<br />
Schreiben immer genau, wie eine Szene aussieht, denn ich denke in<br />
Bildern. Am Set suche ich, diese Bilder wiederzufinden und zu<br />
beleben. Und ich freu‘ mich immens, wenn meine Bilder durch die<br />
Schauspieler und die Filmmitarbeiter weiterentwickelt und<br />
verdichtet werden, denn ich zähle mich nicht zu den Rechthabern,<br />
die beckmesserisch auf fixen Vorstellungen beharren. Bin ja nicht<br />
blöd, sondern Regisseur. Ich arbeite in einer Hierarchie der<br />
besseren Lösung, keineswegs in einer Hierarchie, an deren Spitze<br />
der zu vergottende und stets freundlich zu grüßende Ober-<br />
Spielleiter steht. Die bessere Lösung ist somit immer die<br />
schlagende. Die Visionen der kreativen Mitarbeiter erweitern den<br />
Horizont und getippte Texte blühen durch die Interpretation genialer<br />
Darsteller wunderbar auf. Das ist mein Thrill, dafür arbeite und lebe<br />
ich. Es geht übrigens auch nie ums direkte Geldverdienen, denn<br />
erstens hab ich Privatgeld eingezahlt und mir zweitens keine Gage<br />
ausbezahlt. Edel.