07.01.2013 Aufrufe

Arbeitsrecht in China - GIGA German Institute of Global and Area ...

Arbeitsrecht in China - GIGA German Institute of Global and Area ...

Arbeitsrecht in China - GIGA German Institute of Global and Area ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

CHINA aktuell - 1243 - Oktober 2003<br />

dies <strong>of</strong>fenbar bislang ohne Folgen. Die Politikwissenschaft<br />

spricht bereits von e<strong>in</strong>em ch<strong>in</strong>esischen „Regionalismus“.<br />

Dieser sei „nun e<strong>in</strong>deutig der wichtigste Trend der ch<strong>in</strong>esischen<br />

Entwicklung seit Beg<strong>in</strong>n der Reformen im Jahre<br />

1978“. 21<br />

2.2.2 Ausländische Unternehmen<br />

Von vornhere<strong>in</strong> <strong>and</strong>ere Wege g<strong>in</strong>g die Politik und Gesetzgebung<br />

<strong>in</strong> Bezug auf Unternehmen mit ausländischem<br />

Kapital („Foreign Invested Enterprises“, FIE). Mit dem<br />

Gesetz über ch<strong>in</strong>esisch-ausländische Unternehmen mit geme<strong>in</strong>samen<br />

Kapital vom 08.07.1979 begann e<strong>in</strong>e umfangreiche<br />

Sondergesetzgebung, die über die Zulassung re<strong>in</strong><br />

ausländischer Unternehmen bis h<strong>in</strong> zu den Regeln für die<br />

Übernahme ch<strong>in</strong>esischer Staatsbetriebe durch ausländisches<br />

Kapital vom 08.11.2002 reicht. 22 Immer noch kann<br />

die Frage, ob <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a e<strong>in</strong> bestimmtes Recht jem<strong>and</strong>em<br />

zusteht oder nicht, nicht unabhängig von der Frage der<br />

Staatszugehörigkeit dieser Person oder der Herkunft des<br />

betreffenden Kapitals beantwortet werden. Selbst für Ch<strong>in</strong>esen<br />

sieht das 1991 <strong>in</strong> Kraft getretene Gesetz zum Schutze<br />

der Rechte und Interessen der zurückgekehrten Überseech<strong>in</strong>esen<br />

und der Verw<strong>and</strong>ten ch<strong>in</strong>esischer Bürger im<br />

Ausl<strong>and</strong> sechs (!) unterschiedliche Kategorien von Ch<strong>in</strong>esen<br />

mit jeweils unterschiedlichen Rechten vor (darunter<br />

z.B. die „ch<strong>in</strong>esischstämmigen Ausländer“ e<strong>in</strong>erseits und<br />

die „L<strong>and</strong>sleute auf Taiwan“ <strong>and</strong>ererseits). 23 Im <strong>in</strong>ternationalrechtlichen<br />

Teil des Eherechts existieren fünf unterschiedliche<br />

Kategorien. 24<br />

2.3 Recht folgt Praxis<br />

2.3.1 Legalisierung des Illegalen<br />

Die Ungleichzeitigkeit und Une<strong>in</strong>heitlichkeit von Rechtsvorschriften<br />

und deren praktischen Vollzug weisen auf<br />

e<strong>in</strong> tieferliegendes Strukturphänomen der ch<strong>in</strong>esischen<br />

Rechtsordnung h<strong>in</strong>: ihre unmittelbare Abhängigkeit von<br />

praktischen Entwicklungen und ihre partielle Vorläufigkeit.<br />

So berichtete der Bremer Geograph und Ch<strong>in</strong>a-Experte<br />

Wolfgang Taubmann auf e<strong>in</strong>em Ch<strong>in</strong>a-Colloquium<br />

Anfang 1999, „trotz der Zuständigkeit der Zentrale für die<br />

Schaffung von Special Zones“ seien wiederholt bestimmte<br />

Regionen und Stadtverwaltungen quasi illegal vorgegangen<br />

und hätten solche Zonen errichtet, ohne dass entsprechende<br />

Ermächtigungen vorgelegen hätten. 25 Anschließend<br />

seien dann solche Zonen allerd<strong>in</strong>gs von der Zentrale<br />

legalisiert worden. Der Politologe Thomas Heberer<br />

wies anh<strong>and</strong> „illegaler“ Fakten <strong>in</strong> der L<strong>and</strong>wirtschaft deren<br />

spätere juristische Absicherung nach: Zunächst sei die<br />

Beschäftigung von Arbeitskräften außerhalb der Kle<strong>in</strong>familie<br />

verboten gewesen. Nachdem diese Normen schlicht<br />

unbeachtet geblieben seien, sei zunächst die Beschäftigung<br />

e<strong>in</strong>er fremden Arbeitskraft, später von zwei und mehr Arbeitskräften<br />

und schließlich die weitgehend unbeschränkte<br />

21Carsten Hermann-Pillath, „Herausforderungen ...“, 1998: 23.<br />

22Glatter 2002: 12f.<br />

23Vgl.: von Senger 1994: 240.<br />

24Von Senger 1994: 241.<br />

25Veranstaltung des Ost-West-Kollegs der Bundeszentrale für Politische<br />

Bildung <strong>in</strong> Brühl, an der der Verfasser selbst teilnahm und<br />

über deren Ergebnisse er teilweise <strong>in</strong> NZA 1999, S.691f. berichtete.<br />

Beschäftigung fremder Arbeitskräfte gestattet worden. 26<br />

Barbara Krug geht so weit, angesichts der sich verstärkenden<br />

Netzwerke des ch<strong>in</strong>esischen Unternehmertums von e<strong>in</strong>em<br />

„Gewohnheitsrecht dieser Netzwerke“ zu sprechen, 27<br />

das das „sozialistische Recht verdrängt“. Diese Netzwerke<br />

stellten e<strong>in</strong>e „eigenständige Jurisdiktion“ dar und schüfen<br />

e<strong>in</strong> eigenes „Common Law“. 28 Diese Ansicht geht sicher<br />

zu weit, zumal sie für e<strong>in</strong>en soziologischen Sachverhalt<br />

e<strong>in</strong>en juristischen Begriff verwendet und damit erhebliche<br />

Missverständnisse über „geltendes Recht“ provoziert.<br />

Das ch<strong>in</strong>esische staatliche Recht wird nicht durch e<strong>in</strong> „gesellschaftliches“<br />

Recht abgelöst, aber sehr wohl durch die<br />

eigene Art se<strong>in</strong>er Existenz relativiert.<br />

Zu dieser Existenz gehören se<strong>in</strong>e systematische Unvollkommenheit<br />

und Abhängigkeit von der gesellschaftlichen<br />

Praxis. Immer wieder kam und kommt es vor, „dass<br />

der Praxis zunächst e<strong>in</strong>mal ihr Lauf gelassen wird“. 29 Bis<br />

1985 entst<strong>and</strong>en <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a 120 ausschließlich ausländisch<br />

f<strong>in</strong>anzierte Unternehmen. Durch e<strong>in</strong> entsprechendes Gesetz<br />

legalisiert wurde diese Praxis erst 1986. Von Senger<br />

spricht <strong>in</strong> diesem Zusammenhang von e<strong>in</strong>em „Praxisprodukt“,<br />

30 das schließlich auf die Ebene der „Theorie“ gehoben<br />

und <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Gesetzes <strong>in</strong>stitutionalisiert worden<br />

sei. Auch im Bereich des Rechts der ch<strong>in</strong>esisch-ausländischen<br />

Kooperationsunternehmen kam es zu e<strong>in</strong>em Gesetz,<br />

nach dem die Anzahl der Verträge über „Contractual Jo<strong>in</strong>t<br />

Ventures“ auf 51% aller Verträge, die ausländische Investoren<br />

betrafen, angewachsen war. Glatter kommentierte<br />

diesen Sachverhalt so: Das Gesetz stellte ke<strong>in</strong>e Überraschung<br />

dar, denn es „brachte gegenüber der bisherigen<br />

Praxis ke<strong>in</strong>e großen Neuerungen, sondern fasste diese vielmehr<br />

<strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Gesetzes zusammen“. 31<br />

Von Senger bezeichnet den gesamten Vorgang der „sozialistischen<br />

Modernisierung“ Ch<strong>in</strong>as als e<strong>in</strong>en „gewaltigen<br />

Praxisprozess“. Dabei geht er allerd<strong>in</strong>gs von e<strong>in</strong>er<br />

bewussten Steuerung des gesellschaftlichen Prozesses und<br />

der Gesetzgebung aus und vermutet, dass e<strong>in</strong>e derart praxisbezogene<br />

Konzeption von vornhere<strong>in</strong> die Möglichkeit<br />

von Irrwegen und Fehlern <strong>in</strong>s Kalkül e<strong>in</strong>schließt. 32<br />

2.3.2 Vorläufigkeit und Experiment<br />

Diese Annahme sche<strong>in</strong>t sich <strong>in</strong> dem bisweilen bewusst vorläufigen<br />

Charakter ch<strong>in</strong>esischer Rechtsbestimmungen zu<br />

bestätigen. Zahlreiche Rechtserlasse werden <strong>of</strong>t „versuchsweise“<br />

oder „e<strong>in</strong>stweilig“ <strong>in</strong> Kraft gesetzt. So z.B. das Umweltschutzgesetz<br />

vom 13.09.1979, das Zivilprozessgesetz<br />

vom 08.03.1982 oder das Konkursgesetz von 1986, das<br />

den Status „shix<strong>in</strong>g“ („versuchsweise“) erhielt. 33 Ob damit<br />

allerd<strong>in</strong>gs immer deren praktische Erprobung und e<strong>in</strong>e<br />

damit verbundene Effizienzkontrolle e<strong>in</strong>herg<strong>in</strong>gen, darf<br />

bezweifelt werden. Von Senger selbst bestätigt, dass nicht<br />

wenige e<strong>in</strong>stweilige Rechtserlasse jahrelang unangetastet<br />

<strong>in</strong> Kraft geblieben seien. 34 Und wenn er wenig später<br />

26Bericht auf der ebd. genannten Veranstaltung.<br />

27Krug 1997: 130.<br />

28Ebd. 29Von Senger 1994: 274.<br />

30Von Senger 1994: 275.<br />

31Glatter 1989: 65.<br />

32Von Senger 1994: 277.<br />

33Laudage/Zimmermann-Lössel/Schneider 1999: 179.<br />

34Von Senger 1994: 279.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!