Ess-Störungen
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»Schlanksein ist Schönsein«<br />
Früher ( vor 1950 ) gab es Not und Kriegzeiten, in denen die Menschen in Deutschland<br />
zwangsweise hungern mussten und folglich unter - und mangelernährt waren. Dies war<br />
natürlich keine selbstausgelöste Magersucht.<br />
Die Magersucht wurde als Krankheitsbild erst in den 70er Jahren bekannt. Im Laufe der Zeit<br />
gab es immer mehr Medien und die Jugendlichen bzw. die Erwachsenen hielten es durch die<br />
Beeinflussung dieser Medien für sehr wichtig, schlank zu sein und somit dem Schönheitsideal<br />
der Gesellschaft zu entsprechen. Das Schönheitsideal, superschlank zu sein hat sich mit der<br />
Zeit immer stärker ausgeprägt.<br />
Die Bulimie wurde als Krankheitsbegriff erst in den 80er Jahren bekannt. Vorher hatten sich<br />
solche Fressattacken mit anschließendem Erbrechen allerdings auch schon mal ergeben.<br />
Magersucht ist häufig die Ursache einer verzweifelten Suche nach der eigenen Identität. Eine<br />
Betroffene hat das so formuliert:<br />
„ Ich bin auf der Suche nach mir selbst, aber ich kann mich nicht finden“<br />
Verzweifelte Suche<br />
Gedicht einer Magersüchtigen<br />
Sucht! Wohin führst du mich?<br />
Doch nur hinab in ein dunkles Licht,<br />
hinab in den Sog einer dunklen Macht,<br />
die Hungern heiß, einer schmerzhaften Schmacht.<br />
In Isolation lass ich mich von dir leiten,<br />
in Einsamkeit, Trauer mit endlosen Weiten.<br />
Ich suche verzweifelt, doch in mir ist alles leer,<br />
meine Freude am Leben, die gibt es nicht mehr.<br />
Allein bin ich, nur mit Dir, meiner Sucht.<br />
Doch Du bist da mit ganzer Wucht!<br />
Ich komme von Dir nicht einfach so los,<br />
obwohl ich weiß, das Elend mit Dir ist groß.<br />
Jetzt suche ich Hilfe mit all meiner Kraft,<br />
ich möchte weg von Deiner starken Macht.<br />
Du machst es mir nicht leicht, einfach von Dir zu gehen,<br />
Doch ein Stück blauer Himmel, den kann ich sehen.<br />
Der gibt mir Kraft! Er sagt, ich kann es schaffen mich loszulösen,<br />
Es gibt ein Leben in anderen Größen,<br />
als nur der Hunger und so dünn zu sein,<br />
sondern ein Leben in Freude und Sonnenschein.
Fallbeispiele:<br />
Deshalb geh` ich dem Himmel entgegen<br />
Auf einem Weg der schmerzhaft ist und sehr uneben,<br />
doch ich weiß er bringt mich zu meinem Ziel,<br />
zurück zu meinem Leben wie ich es will.<br />
1. Anja ist 14. Sie ist groß, schlank und niemand käme auf die Idee zu sagen, sie sei dick.<br />
Trotzdem möchte sie, wie alle Mädchen in der Klasse, abnehmen. Ihre Freundin<br />
Saskia wiegt nur noch 45kg und auch Isabell hat schon drei kg abgenommen. In den<br />
Pausen stehen die Mädchen beisammen und sprechen über ihre Diäten. Erst erzählte<br />
Anja lachend davon, wenn sie mal wieder „gesündigt“ hatte, aber mit der Zeit fühlt<br />
sie sich immer mehr als Versagerin. „So ein Blödsinn“, sagt ihre Mutter, wenn Anja<br />
mit ihr über ihre Gewichtsprobleme“ sprechen will. Ihren Vater, der von der Familie<br />
getrennt lebt, sieht Anja ohnehin nur selten. Als sie das erste Mal von der Methode des<br />
Erbrechens zur Gewichtskontrolle hört, findet sie das ekelig. Aber dann probiert sie es<br />
auch und wiegt am anderen Morgen wirklich einen Kilo weniger. Natürlich schämt sie<br />
sich, jedoch fällt ihr zugleich das Diäteinhalten immer schwerer, und da sie weiß, dass<br />
sie sich nach dem <strong>Ess</strong>en ohnehin übergeben wird, isst sie immer häufiger ,bis ihr<br />
Magen wehtut.<br />
2. Elke ist 12. Seit ihrem sechsten Lebensjahr geht sie in den Ballettunterricht. Sie ist<br />
eine der besten Schülerinnen. Ihre Eltern sind stolz auf ihre Tochter und sparen nicht<br />
mit Lob. Anna bekommt schreckliche Angst, als sie sieht, dass sich ihre Brüste zu<br />
entwickeln beginnen. Von diesem Moment an beginnt Anna zu fasten und steigert ihr<br />
Training. Tatsächlich verliert sie an Gewicht und ihre körperliche Entwicklung kommt<br />
zum Stilstand. Ihre Lehrerin bemerkt dies und erzählt Annas Eltern davon, die aus<br />
allen Wolken fallen, als sie dies hörte. Anna hatte Angst, die Liebe ihrer Eltern zu<br />
verlieren, wenn sie mit dem Ballett aufhöre.<br />
3. André ist 15. Er war schon als Kind ein molliges Kerlchen. Heute nennt ihn keiner<br />
mehr bei Namen. Alle seine Freunde nennen ihn „Molle“ und er ist recht beliebt.<br />
Beim Sport hängt er allerdings immer hinten dran, und hier fallen manchmal auch<br />
harte Worte. Sooft wie möglich lässt sich André aus diesen Gründen<br />
Entschuldigungen schreiben. Er interessiert sich für Computer. Tagelang saß er mit<br />
seinem Freund Thorsten in seinem Zimmer. Doch jetzt hat Sein Freund Thorsten eine<br />
Freundin. Seitdem verbringt André viel Zeit alleine oder ist auch oft in der<br />
Gesellschaft von Chip und Cola. Sein Vater ist übergewichtig. Er arbeitet als<br />
Industriemeister. Andrés Mutter ist schlank und sehr aktiv. Sie hat den beruflichen<br />
Wiedereinstieg als Reisekauffrau geschafft. Es stört sie, dass ihr Sohn immer dicker<br />
wird und auch ihr Mann könnte nach ihrer Meinung mal wieder ein wenig abspecken.<br />
Stattdessen schreibt er noch für André Entschuldigungen für den Sportunterricht!<br />
Manchmal hat sie den Eindruck, die beiden machen das nur, um sie zu ärgern.
„Ich war nichts mehr, ich dachte nicht mehr, ich hatte keine Angst mehr, ich war quasi<br />
vegetativ. Ich schwebte in einer Art Wolke, ich näherte mich dem Paradies.“<br />
(Bericht einer Magersüchtigen)<br />
Magersucht ist ebenso wie die Bulimie eine Sucht. Was heißt das?<br />
Der Bergriff Sucht ist von dem Wort „siech“ herzuleiten, das soviel wie krank bedeutet.<br />
Dabei ist aber nicht nur die körperliche Krankheit gemeint, sondern ebenfalls die der<br />
seelische. Wir definieren die Sucht als „unbeherrschbares Verlangen des Mensches“, etwas<br />
immer wieder zu tun oder sich zuzuführen, obwohl wir wissen, dass es anderen oder uns<br />
selber schadet.<br />
Bei der Sucht unterscheiden wir zwischen stoffgebundener Sucht, wie z.B. Drogen, und nicht<br />
stoffgebundener Sucht, zu der unter anderem die Internetsucht, das Glücksspiel oder der Sport<br />
zählen kann. Dabei wird die Leidenschaft zur Besessenheit, die meistens zur Isolation führt.<br />
Wird das Ausleben der Sucht verhindert, kann es zu Unruhezustände, Überaktivität,<br />
Gereiztheit oder auch Angstzuständen kommen.<br />
Ob die Sucht schon nach einmaligem Ausprobieren entsteht, ist von dem Betreffenden und<br />
der Droge abhängig. Beispielsweise ist mäßiger Alkoholkonsum ohne Suchtentwicklung bei<br />
vielen möglich, wobei Crack manchmal schon nach einmaligen Gebrauch abhängig macht.<br />
Wir können drei Stadien der Sucht unterscheiden:<br />
Stadium1: Missbrauch<br />
Missbrauch ist ein übermäßiger Konsum, der zu psychosozialen und/oder körperlichen<br />
Schäden führen kann. So ist also von Missbrauch zu sprechen, wenn jemandem die<br />
Kündigung droht, da er immer betrunken zur Arbeit kommt.<br />
Stadium2: Gewöhnung<br />
Bei der Gewöhnung stellt sich die Psyche des Körpers auf den Konsum des Suchtmittels ein.<br />
Es wird zur (psychischen) Gewohnheit. Wegen der körperlichen Gewohnheit kommt es zu<br />
Dosissteigerung, um die Wirkung zu erzielen. Deshalb können langjährige Heroinabhängige<br />
Dosen zu sich nehmen, die für Anfänger tödlich wären.<br />
Stadium3: Abhängigkeit<br />
Die Gewöhnung führt zur psychischen und körperlichen Abhängigkeit, durch die der<br />
Betroffene der Sucht verfallen ist. Er (so glaubt er) kann ohne die Droge nicht mehr<br />
existieren, sein Verhalten wird unbeherrschbar. Sein ganzes Interesse besteht nur noch darin<br />
zu überlegen, wie er als nächstes an die Droge kommt. Er kann seinen Konsum nicht mehr<br />
kontrollieren.<br />
Er teilt sogar die Nadel mit anderen, obwohl er die Gefahren kennt. Bei dem Wegfall der<br />
Droge zeigt sich die körperliche Abhängigkeit in erster Linie durch Entzugserscheinungen.<br />
Die Symptome können vom Schwitzen über Zittern bis hin zu Darmkrämpfen oder sogar<br />
epileptischen Anfällen gehen.<br />
<strong>Ess</strong>störungen äußern sich durch ein gestörtes Verhalten zum <strong>Ess</strong>en und zum eigenen Körper.<br />
Es gibt verschiedene Formen von <strong>Ess</strong>störungen, wobei Magersucht und Bulimie am<br />
häufigsten vorkommen. Diese sind oft auch als Mischformen vorhanden. Jede <strong>Ess</strong>störung<br />
fängt immer mit einer Diät an. Mit den folgenden Fragen kann man selbst überprüfen, ob man<br />
sich um seine <strong>Ess</strong>gewohnheiten Sorgen machen muss.
Diese Fragen enthalten die typischen Merkmale einer <strong>Ess</strong>störung, sie können bei der<br />
Erstellung einer Selbstanalyse helfen. Man muss allerdings nicht notwendigerweise alle diese<br />
Merkmale aufweisen, um essgestört zu sein.<br />
1. Du kannst dir nicht vorstellen früher bestimmte Dinge gerne gegessen zu haben?<br />
2. Suchst du dir dein <strong>Ess</strong>en nach bestimmten Gesichtspunkten, wie zum Beispiel dem<br />
Fett- oder Kaloriengehalt, aus?<br />
3. Findest du andere Lebensmittel ekelig?<br />
4. Studierst du ausgiebig die Nährwertangaben auf Lebensmittelpackungen?<br />
5. Kannst du den Kaloriengehalt der meisten Lebensmittel auswendig?<br />
6. Benutzt du Abführmittel, Diät- und Entwässerungsmittel, um dein Gewicht zu<br />
reduzieren?<br />
7. Hast du einen geregelten <strong>Ess</strong>ensplan und überlegst dir sehr genau, was du isst?<br />
8. Kochst du gerne für andere und freust dich, wenn es ihnen schmeckt?<br />
9. Rauchst du oder treibst übermäßig viel Sport, um dich vom Hungergefühl abzulenken?<br />
10. Verbringst du viel Zeit damit, Problemzonen im Spiegel zu betrachten?<br />
11. Glaubst du immer noch zu dick zu sein, obwohl immer mehr Leute sagen, wie dünn du<br />
geworden bist?<br />
12. Bist du Stolz darauf, wenn dich andere Leute auf dein geringes Gewicht ansprechen?<br />
13. Hast du das Gefühl deinen Körper kontrollieren zu können?<br />
14. Treibst du übermäßig viel Sport und hast ein schlechtes Gewissen, wenn du die<br />
Routine nicht schaffst?<br />
15. Glaubst du dir nur auf diese Weise dein <strong>Ess</strong>en zu verdienen?<br />
16. Hast du ein schlechtes Gewissen und Schuldgefühle, wenn du deiner Meinung nach zu<br />
viel gegessen hast?<br />
17. Bist du der Meinung du würdest mehr Anerkennung bekommen und dich besser<br />
fühlen, wenn du abnimmst?<br />
18. Ziehst du dich vor Leuten zurück, die dich auf dein Verhalten ansprechen?<br />
Je häufiger du mit „Ja“ antwortest, desto größer ist die Gefährdung!<br />
<strong>Ess</strong>-<strong>Störungen</strong> bei Männern<br />
Während <strong>Ess</strong>-<strong>Störungen</strong> für gewöhnlich mit dem weiblichen Geschlecht in Verbindung<br />
gebracht werden, gibt es eine nicht unerhebliche Anzahl an Männern, die an diesen<br />
Krankheiten leiden. Eine Studie von Bulimia Nervosa ergab, dass rund 0,2 Prozent aller<br />
Männer unter <strong>Ess</strong>-<strong>Störungen</strong> leiden. 1 Prozent aller Frauen leiden der Studie nach an <strong>Ess</strong>-<br />
<strong>Störungen</strong>.<br />
Allgemein kann man sagen, dass <strong>Ess</strong>-<strong>Störungen</strong> bei Männern viel schwieriger zu<br />
diagnostizieren sind. Beispielsweise bezeichnen Frauen das <strong>Ess</strong>en einer großen Menge<br />
Nahrung als „fressen“. Bei Männern hingegen wird dieses Verhalten von der Gesellschaft<br />
akzeptiert.<br />
Krankenhäuser und Kliniken sind meistens nicht gut genug über <strong>Ess</strong>-<strong>Störungen</strong> bei Männern<br />
aufgeklärt. Sie neigen dazu, nur schwerste Fälle bei Männern zu erkennen.<br />
Man gewinnt zunehmend den Eindruck, dass männliche Bulimiker oft beschämt sind, sich in<br />
Behandlung zu begeben, da sie Bulimie für eine rein „weibliche Störung“ halten.<br />
Weiter ist es auffällig, dass das durchschnittliche Erkrankungsalter bei Männern höher ist als<br />
das bei Frauen. Männer sind laut Statistik zwischen 18 und 26 Jahren alt. Frauen dagegen sind<br />
durchschnittlich 15 bis 18.<br />
Homosexualität wird häufig als eine Ursache für die Entstehung von <strong>Ess</strong>-<strong>Störungen</strong> bei<br />
Männern in Betracht gezogen. Eine nicht offiziell bestätigte Studie spricht sogar von 53<br />
Prozent ess-gestörten Männern, die homosexuell sind.
Die Verhaltensformen von Homosexuellen gleichen mehr den Verhaltensformen von Frauen,<br />
als die von heterosexuellen Männern. Homosexuelle leben viel körperbewusster! Somit<br />
reagieren sie viel sensibler auf ein höheres Körpergewicht und sind vielleicht eher bereit<br />
radikalere Methoden zu Hilfe zu nehmen.<br />
Bei der Behandlung von <strong>Ess</strong>-<strong>Störungen</strong> bei Homosexuellen gibt es bis jetzt noch keine<br />
anderen Verfahren als bei Frauen.<br />
Die Gesellschaft sollte meiner Meinung nach in der nächsten Zeit mehr für die Anerkennung<br />
und Behandlung tun! <strong>Ess</strong>-<strong>Störungen</strong> gelten zu sehr als reine Frauenprobleme!<br />
Lediglich bei Leistungssportlern ist man inzwischen auf die Problematik aufmerksam<br />
geworden<br />
<strong>Ess</strong>-<strong>Störungen</strong> bei Leistungssportlern<br />
Sven Hannawald machte das Thema, ob Leistungssportler häufiger als andere Menschen unter<br />
<strong>Ess</strong>-<strong>Störungen</strong> leiden in den deutschen Medien erst richtig bekannt. Er ist einer von wenigen<br />
Top-Athleten, die ihre <strong>Ess</strong>-<strong>Störungen</strong> in den öffentlichen Medien bestätigten und über sie<br />
sprachen. Einen Bezug zwischen bestimmten Leistungssportarten und <strong>Ess</strong>-<strong>Störungen</strong> gibt es-<br />
darin besteht kein Zweifel. Immer mehr Betroffene rücken mit ihren so oft unterschätzen<br />
Problemen in die Öffentlichkeit, wo es inzwischen zahlreiche und vielversprechende<br />
Therapiemöglichkeiten gibt. Genauso sollte man sich mit den Gründen der <strong>Ess</strong>-<strong>Störungen</strong><br />
beschäftigen. Sind es wirklich nur die wahnsinnigen Anstrengungen, die der Körper eines<br />
jeden Leistungssportlers ertragen muss, oder gibt es Parallelen zwischen dem<br />
schlafraubendem Druck durch Trainer, Eltern und Betreuer und dem gestörten <strong>Ess</strong>verhalten?<br />
Treibt einem der selbst auferlegte Leistungsdruck soweit, sich zum Sieg hungern zu wollen?<br />
Gibt es Lücken in der Aufklärung von <strong>Ess</strong>-<strong>Störungen</strong>, die die Prävention erheblich behindern?<br />
Mit diesen Fragen möchte ich mich im Folgenden Text auseinandersetzen.<br />
Eine skandinavische Studie über Leistungssportler bestätigte die Befürchtung, dass besonders<br />
Leistungssportler, die ästhetische Sportarten, oder Sportarten, in denen es Gewichtsklassen<br />
gibt, betreiben sehr anfällig für <strong>Ess</strong>-<strong>Störungen</strong> sind. Die Studie ergab, dass 40 Prozent aller<br />
Sportler, die Rhythmische Sportgymnastik, Turnen, Marathon oder Judo betreiben unter <strong>Ess</strong>-<br />
<strong>Störungen</strong> leiden. Eine weitere Studie des Amerikanischen Colleges für Sportmedizin<br />
bestätigte die Befürchtung, dass, ähnlich wie im alltäglichen Leben, mehr Frauen unter <strong>Ess</strong>-<br />
<strong>Störungen</strong> leiden. Die im Jahr 1992 durchgeführte Studie ergab, dass 60 Prozent der<br />
Sportlerinnen in den Sportarten Eiskunstlauf und Turnen unter <strong>Ess</strong>-<strong>Störungen</strong> leiden. Die<br />
Universität von Ulm veröffentlichte im Jahr 1996 eine Studie, die sich mit <strong>Ess</strong>-<strong>Störungen</strong> bei<br />
Menschen im Alter von 15 bis 35 beschäftigte. Sie ergab eine Häufigkeit von 10 Prozent.<br />
Tatsächlich sind <strong>Ess</strong>-<strong>Störungen</strong> also bei Leistungssportlern besonders verbreitet!<br />
Es liegt wohl auf der Hand einen direkten Zusammenhang zwischen <strong>Ess</strong>-<strong>Störungen</strong> bei<br />
Leistungssportlern und dem Leistungsdruck zu knüpfen. Sportarten mit verschiedenen<br />
Gewichtsklassen, wie zum Beispiel Boxen, Ringen, Judo, Gewichtheben oder Rudern,<br />
verleiten die Sportler sich in niedrigere Gewichtsklassen zu hungern, um mehr Erfolge zu<br />
erzielen. Über langfristige Konsequenzen wird sich zu diesem Zeitpunkt wohl niemand<br />
Gedanken machen.<br />
Um den gewaltigen Einfluss durch Trainer, Eltern und Betreuer zu verdeutlichen, sind hier ein<br />
paar Zitate aus einem Interview mit einem ehemaligem Leistungsruderer, der den enormen<br />
Leistungsdruck beschreibt:
... Wir sind mit elf Leuten angereist... . Ein weiteres Ziel, außer der physischen und<br />
psychischen Vorbereitung auf die Europameisterschaft war es, die entgültige Mannschaft zu<br />
nominieren... .<br />
... Die Entscheidung für den achten Mann fiel zwischen mir und zwei anderen<br />
Mannschaftskollegen. Wir verstanden uns eigentlich immer gut, aber in diesen Tagen wurden<br />
sie für mich zu Konkurrenten, die mir meinen Platz im Boot strittig machen wollten... .<br />
... Später trieb mich der Hass auf meine beiden Kollegen zur äußersten Leistungsgrenze. Er<br />
war die größte Motivation!..<br />
... In mehreren Gesprächen mit meinen Trainern wurde mir klar gemacht, dass ich es nur mit<br />
einer rapiden Leistungssteigerung in den nächsten drei Wochen ins Boot schaffen könnte. Sie<br />
unterstützen mich nach einem Tag, an dem ich meinen Körper geschunden hatte nur ein<br />
wenig Obst zu essen! Sie sagten mir, dass ich den Sport aufgeben könnte, wenn ich die<br />
Qualifikation nicht schaffen würde. ...<br />
... Ich nahm 9 Kilo in 11 Tagen ab und mein <strong>Ess</strong>verhalten hatte sich von nun an gravierend<br />
verschlechtert!. ...<br />
... Den Sprung ins Boot habe ich nicht geschafft. ... Sie haben einen anderen genommen. Das<br />
gab mir den Rest.<br />
... Gott sei dank haben sich meine Eltern um mich gekümmert und mir aus der Krise geholfen!<br />
... “.<br />
Christian W. ist heute 26 Jahre alt. Vor acht Jahren hat sich diese traurige Geschichte<br />
ereignet. Christian benötigte zwei weitere Jahre, um sich wieder ein normales <strong>Ess</strong>verhalten<br />
anzueignen. Seiner Meinung nach hätte er dies niemals ohne die Hilfe seiner Eltern und der<br />
ärztlichen Betreuung geschafft.<br />
Wie bereits erwähnt sollte der Einfluss von Trainern keineswegs unterschätzt werden. Sie<br />
können einen unheimlich großen Druck auf ihre Athleten ausüben und sie in ihrem Verhalten<br />
gravierend beeinflussen. Durch den Erfolg ihrer Athleten meinen Trainer oft ihre nie wahr<br />
gewordenen Jugendträume verwirklichen zu können. Dies könnte eine Ursache des<br />
unermüdlichen Ehrgeizes sein. Um diese Erfolge realisieren zu können, bedarf es dem Sport<br />
eine uneingeschränkte Zuneigung zu widmen. Trainer verlangen von ihren Athleten Einsatz<br />
ohne Ende. Ein Teil des Einsatzes ist es auch die Ernährung auf den Sport anzupassen. Hier<br />
überragt der Siegeswille zu oft die Vernunft, so dass Einschnitte im sonstigen Leben geduldet<br />
werden. An dieser Stelle versagen die Kompetenzen der Trainer einfach viel zu oft. Eine<br />
bewusste Aufklärung über die Folgen von Radikaldiäten sollte zur Pflicht gehören. Die<br />
Gesundheit muss einfach immer vorgehen. Und wenn die Sportler den hohen Erwartungen<br />
nicht gerecht werden, so werden sie eiskalt „abgeschossen“. Ihre gesundheitlichen Probleme<br />
können sie dann alleine bewältigen.<br />
Trainer sollten Ernährungsberater miteinbeziehen, welche Sportler über ein gesundes<br />
<strong>Ess</strong>verhalten aufklären und ihnen deutlich machen, wie wichtig es gerade bei intensivem<br />
Training ist, sich richtig zu ernähren.<br />
Für Athleten, die bereits an einer <strong>Ess</strong>-Störung leiden, sollten Beratungen ermöglicht werden<br />
und sie sollten dazu ermutigt und unterstützt werden, die ihnen verfügbare Hilfe zu<br />
akzeptieren. Sie müssen sicher sein können, dass sie weder kritisiert werden, noch dass aus sie<br />
herabgeschaut wird, wenn sie ihr Problem zugeben.