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Deutscher Tanzpreis 2006 - Deutscher Berufsverband für ...

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BALLETT INTERN<br />

Herausgeber: <strong>Deutscher</strong> <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> Tanzpädagogik e. V. – Heft 73/29. Jahrgang – Nr. 2/April <strong>2006</strong><br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Tanzpreis</strong> <strong>2006</strong><br />

Reid Anderson<br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Tanzpreis</strong> »Zukunft« <strong>2006</strong><br />

Alicia Amatriain – Jason Reilly – Christian Spuck


Liebe Leser,<br />

geringe geographische Verwirrung haben wir gestiftet, indem wir<br />

in der Februar-Ausgabe von BALLETT INTERN schrieben, dass die<br />

Essener Fotografin Ursula Kaufmann nach Paris wechselt: So hatte<br />

es eine Tageszeitung gemeldet, aber richtig ist vielmehr, dass<br />

Frau Kaufmann sich zwar mehrfach in Paris aufhielt und als Produktionsfotografin<br />

an der Oper arbeitet, die Aufenthalte waren<br />

und sind jedoch befristet. Und Anna Markard, die ältere Tochter<br />

von Kurt Jooss, wohnt nach wie vor in Amsterdam. Soweit der<br />

Blick zurück mit Korrekturen.<br />

Rückschau hält die vorliegende Ausgabe aber natürlich vor allem<br />

auf die diesjährige <strong>Tanzpreis</strong>verleihung in Essen, die in der Ihnen<br />

bekannten Weise ausgiebig dokumentiert wird.<br />

Neu jedoch ist die überarbeitete Webseite des Deutschen <strong>Berufsverband</strong>es<br />

<strong>für</strong> Tanzpädagogik inklusive BALLETT INTERN,<br />

schauen und klicken Sie doch mal hin: www.dbft.de<br />

Und schließlich möchte ich noch die Auflösung zu einer Art Rätsel<br />

bekannt geben, ausgelöst durch die Namensdoppelung »Angela<br />

Reinhardt«. Die eine ist Berliner Tänzerin, ehemalige Erste<br />

Solistin der Komischen Oper, die als Autorin das Buch »Der passende<br />

Spitzenschuh« schrieb, das wir in BALLETT INTERN vorstellten.<br />

Die andere Angela Reinhardt ist die regelmäßig in BAL-<br />

LETT INTERN schreibende geschätzte Kollegin mit Wohnsitz in<br />

der Nähe von Stuttgart, als Journalistin arbeitet sie auch <strong>für</strong> Tanzjournal<br />

und tanznetz.de.<br />

Einen herrlichen Frühling wünscht Dagmar Fischer<br />

Bitte um Mitarbeit:<br />

Für eine Film-Recherche zum Thema »bewegt Altern« sucht<br />

eine Redakteurin des SWR im Raum Stuttgart Ballett-Tänzer<br />

im hohen Alter und/oder eine Ballettschule, die eine Seniorengruppe<br />

unterrichtet. Interessenten melden sich bitte bei<br />

dagmar .fischer@ballett-intern .de<br />

BALLETT INTERN<br />

ist die Mitgliederzeitschrift des Deutschen <strong>Berufsverband</strong>es <strong>für</strong> Tanzpädagogik e. V. (DBfT) und<br />

liegt der Zeitschrift »tanzjournal« fünf Mal als Supplement bei. Beide Zeitschriften gehen den<br />

Mitgliedern des Verbandes kostenlos zu. Nichtmitglieder können BALLETT INTERN abonnieren:<br />

Deutschland € 7,50, europäisches Ausland € 12,00 (jeweils inkl. Porto/Versand) je Ausgabe.<br />

Redaktion dieser Ausgabe: Ulrich Roehm (verantwortl.),<br />

Dagmar Fischer (dagmar.fischer@ballett-intern.de), Frank<br />

Münschke<br />

Autoren dieser Ausgabe: Reid Anderson (Stuttgart), Márcia<br />

Haydée (Stuttgart), Horst Koegler (Stuttgart) Angela Reinhardt<br />

(Waiblingen), Günter Pick (Bonn), Ulrich Roehm (Essen),<br />

Michaela Schlagenwerth (Berlin), Marlies Strech (Zürich)<br />

Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt<br />

die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers<br />

wieder. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist ohne<br />

ausdrückliche Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.<br />

Für unverlangt eingesandte Manuskripte und <strong>für</strong> Terminangaben<br />

wird keine Gewähr übernommen. Die Redaktion<br />

behält sich das Recht vor, Leserbriefe zu kürzen. Manuskripte<br />

gehen in das Eigentum der Redaktion über.<br />

Titelbild: Die Preisträger des Deutschen <strong>Tanzpreis</strong>es<br />

»Zukunft« <strong>2006</strong> Alicia Amatriain und Jason Reilly tanzen<br />

bei der Ballettgala zur Verleihung der Deutschen <strong>Tanzpreis</strong>e<br />

<strong>2006</strong> »Siebte Sinfonie« von <strong>Tanzpreis</strong>träger<br />

1999 Uwe Scholz. (Foto: Ursula Kaufmann, Essen)<br />

BALLETT INTERN<br />

Heft 2/<strong>2006</strong><br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Tanzpreis</strong> <strong>2006</strong><br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Tanzpreis</strong> »Zukunft« <strong>2006</strong><br />

Jubel und Tränen<br />

Gala zur <strong>Tanzpreis</strong>verleihung im Aalto Theater Essen<br />

Angela Reinhardt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2<br />

Begrüßung<br />

Ulrich Roehm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

Laudatio <strong>für</strong> den <strong>Tanzpreis</strong> »Zukunft«<br />

Prof. Dr. Lothar Späth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

Laudatio <strong>für</strong> Reid Anderson<br />

Márcia Haydée . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

»Ich bin sowieso ein cry-baby«<br />

Dankesworte von Reid Anderson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

Impressionen von der <strong>Tanzpreis</strong>-Verleihung <strong>2006</strong><br />

Fotos von Ursula Kaufmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

Gold <strong>für</strong> Stuttgart<br />

Medaillensegen im Weltmeisterschafts- und Olympia-Jahr<br />

Horst Koegler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />

Mr. Tanz Berlin – Zum Tod von Gert Reinholm<br />

Horst Koegler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

In Memoriam: Gert Reinholm<br />

Tänzer, Ballettdirektor und Pädagoge<br />

Günter Pick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />

Prix de Lausanne ohne deutsche Sieger<br />

Der berühmte Wettbewerb <strong>2006</strong><br />

Marlies Strech . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

Angst essen Tanz auf<br />

Die siebte deutsche Tanzplattform <strong>2006</strong> in Stuttgart<br />

Angela Reinhardt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />

Tanz in Bozen – Bolzano Danza<br />

Edith M . Wolf Perez zur künstlerischen Leiterin bestellt . . . . . . . . . 23<br />

Tanzforum<br />

Frieden nach 100 Jahren<br />

Michaela Schlagenwerth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />

Herausgeber:<br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> Tanzpädagogik e. V., (DBfT)<br />

Hollestraße 1, D–45127 Essen<br />

Tel.: +49(0)201 – 22 88 83<br />

Fax: +49(0)201 – 22 64 44<br />

Internet: www.dbft.de – www.ballett-intern.de<br />

Bankverbindung:<br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> Tanzpädagogik e.V.,<br />

Nationalbank Essen, Konto-Nr. 111627, BLZ 360 200 30<br />

IBAN IBAN DE 95 3602 0030 0000 1116 27<br />

BIC NBAGDE3E<br />

Druck: Ulenspiegel GmbH, Besengaßl 4, D–82346 Andechs<br />

Gestaltung: Ulrich Roehm, Frank Münschke<br />

Realisation: Klartext Medienwerkstatt GmbH<br />

45329 Essen, Heßlerstraße 37 – www.klartext-medienwerkstatt.de<br />

+49(0)201 – 86 206–60 (Frank Münschke)<br />

Anzeigen und Beilagen: Gültige Preisliste: 1/05<br />

Nächste Ausgabe:<br />

Heft 3/<strong>2006</strong> erscheint Anfang Juni <strong>2006</strong><br />

Redaktionsschluss: 2. Mai <strong>2006</strong><br />

Anzeigenschluss: 10. Mai <strong>2006</strong><br />

Annahmeschluss Beilagen: 22. Mai <strong>2006</strong><br />

Ballett Intern 2/<strong>2006</strong> 1


Jubel und Tränen<br />

Gala zur <strong>Tanzpreis</strong>verleihung<br />

im Aalto Theater Essen<br />

Angela Reinhardt<br />

Wieder einmal ging der Deutsche <strong>Tanzpreis</strong> nach Stuttgart, woher<br />

bereits in früheren Jahren die <strong>Tanzpreis</strong>träger Márcia Haydée,<br />

Horst Koegler, Birgit Keil und Fritz Höver kamen. Der jetzige<br />

Ballettintendant Reid Anderson ist der fünfte Geehrte aus der<br />

baden-württembergischen Hauptstadt, will man die Stuttgart-<br />

Zöglinge John Neumeier, William Forsythe und Uwe Scholz<br />

nicht auch noch dazurechnen. Die Konstanz, mit der immer wieder<br />

wichtige Persönlichkeiten aus Stuttgart geehrt werden, bestätigt<br />

die bedeutende Rolle des Stuttgarter Balletts <strong>für</strong> den deutschen<br />

Tanz. »Inoffizielle Nationalkompanie« wurde es 1976,<br />

drei Jahre nach John Crankos Tod, im Ballett-Jahrbuch des Friedrich-Verlags<br />

genannt, und noch in der aktuellen Ausgabe des<br />

Oxford Dictionary of Dance aus dem Jahr 2000 ist von<br />

»Germany‘s leading classical ballet company« die Rede. Seit<br />

fast vierzig Jahren, seit dem legendären »Stuttgarter Ballettwunder«<br />

Ende der sechziger Jahre, bewahrt die Compagnie ihren<br />

hohen Standard, mit kleinen Qualitätsunterschieden hier und da,<br />

aber mit bewundernswerter Konsequenz. Die letzten zehn Jahre<br />

davon verantwortet der Kanadier Reid Anderson, der <strong>Tanzpreis</strong>träger<br />

des Jahres <strong>2006</strong>. Wohl hat er andere, neue Akzente gesetzt,<br />

aber bei allen programmatischen Veränderungen, bei all<br />

den brillanten jungen Tänzern, die er engagiert hat, steht auch<br />

er im Dienst einer Kontinuität, die seine Vorgängerin Márcia<br />

Haydée zwanzig Jahre lang vertreten hatte: die Pflege des Cranko-Erbes,<br />

ein möglichst breites Repertoire und viele Uraufführungen<br />

verschiedener Choreographen. Schon John Cranko hatte<br />

nie ein Alleinherrscher sein wollen, er lud stets andere Choreographen<br />

nach Stuttgart ein und schuf so die Grundlage des kreativen<br />

Klimas, das dort heute von Ballettschöpfern aus aller Welt<br />

so geschätzt wird und das es dem Stuttgarter Ballettintendanten<br />

ermöglicht, gleich zwei Haus-Choreographen zu beschäftigen<br />

oben: José de Udaeta gibt Reid Anderson<br />

ein Kastagnetten-Ständchen<br />

links: Márcia Haydée und Reid Anderson<br />

im Foyer des Aalto Theaters Essen.<br />

2 Ballett Intern 2/<strong>2006</strong>


– beide aus Deutschland. Mit Christian<br />

Spuck erhielt der erfahrenere von beiden<br />

den <strong>Tanzpreis</strong> »Zukunft« <strong>für</strong> Choreographie;<br />

sein Stil beruht stärker auf klassischer Basis<br />

als der von Marco Goecke, und Spuck arbeitet<br />

außerdem mit der <strong>für</strong> die großen Ballettcompagnien<br />

so wichtigen Form des<br />

abendfüllenden Handlungsballetts.<br />

Neben einer Spielplangestaltung, die einerseits<br />

Wert auf die großen Klassiker legt<br />

und andererseits mehr neue Werke in Auftrag<br />

gibt als jede andere große deutsche<br />

Ballettcompagnie, liegt Reid Andersons<br />

ganz persönliche Qualität in seinem einzigartigen<br />

Auge <strong>für</strong> Tänzer. Bis auf wenige Ausnahmen<br />

hat er sämtliche Stars von der Schule<br />

weg engagiert und behutsam zu Solisten<br />

aufgebaut. Um den Stuttgarter Triumph in<br />

diesem Jahr vollkommen zu machen, wurden<br />

zwei seiner Entdeckungen, die ultrabiegsame<br />

Spanierin Alicia Amatriain und der<br />

sprungstarke Kanadier Jason Reilly, mit dem<br />

<strong>Tanzpreis</strong> »Zukunft« ausgezeichnet. Geehrt<br />

wurden sie vom ehemaligen baden-württembergischen<br />

Ministerpräsidenten Lothar Späth<br />

in einer Laudatio, die nicht mehr ganz so<br />

spritzig und pointiert war wie seine <strong>Tanzpreis</strong>-Reden<br />

früherer Jahre.<br />

rechts: Alicia Amatriain und Jason Reilly<br />

in der Christian Spuck-Choreographie<br />

»Le Grand Pas de deux« sowie (unten) in der<br />

Uwe Scholz-Choreographie »Siebte Sinfonie«<br />

Ballett Intern 2/<strong>2006</strong> 3


Die Laudatio auf Anderson hielt seine Vorgängerin Márcia<br />

Haydée, aber vorher hatte José de Udaeta noch eine Überraschung<br />

<strong>für</strong> Anderson. Der 87-jährige Grandseigneur des spanischen<br />

Tanzes trug eine Lobrede per Kastagnetten vor: Er ließ<br />

sie flüstern, flirten, streiten, tanzen, sich virtuos jagen und einander<br />

liebkosen, um schließlich dem Geehrten zuzujubeln. Dann<br />

erzählte Márcia Haydée vom jungen Tänzer Reid Anderson<br />

und seinen ersten Jahren in Stuttgart – nicht wie üblich am Rednerpult,<br />

sondern mit der Freiheit und der Wirkung einer großen<br />

Bühnendarstellerin auf einem Stuhl sitzend, von dem sie manchmal<br />

aufstand, um auf Anderson zuzugehen.<br />

Der Stuttgarter Ballettintendant ist <strong>für</strong> seine originellen Reden<br />

und seine Selbstironie bekannt, er kann eine Absage abends<br />

vor dem Vorhang noch so witzig formulieren, dass ihm das Publikum<br />

aus der Hand frisst. Bei seiner Dankesrede aber zeigte<br />

er sich ungewohnt bewegt und kam vor lauter Rührung fast ins<br />

Stocken. Wie Haydée sprach auch er zwanzig Minuten lang<br />

frei, vollkommen ohne Manuskript, und seine sehr persönliche<br />

und emotionale Ansprache wurde vom Publikum in Essen mit<br />

langem Applaus und Bravo-Rufen bedacht. Dass sich Vorgängerin<br />

und Nachfolger auf einem Ballettdirektorenposten so herzlich<br />

und voll des gegenseitigen Lobs in den Armen liegen, dürfte<br />

sonst eher selten vorkommen. Über all die persönlichen Zwistigkeiten,<br />

die 1986 zum Weggang Reid Andersons aus Stuttgart<br />

führten, hat – und das macht die einzigartige Kontinuität der<br />

Stuttgarter Tradition aus – schließlich der Geist John Crankos<br />

gesiegt: der Wille, seine Compagnie in seinem Sinne fortzuführen.<br />

»Ich glaube, Cranko wäre sehr stolz auf dich«, sagte<br />

Haydée zum Abschluss ihrer Laudatio. Anderson hatte es bei<br />

der Überreichung des Cranko-Preises in Stuttgart so formuliert:<br />

»Das ist immer noch seine Compagnie. Wir machen nur die<br />

Verwaltung hier.«<br />

Bei so vielen Uraufführungen war es fast selbstverständlich,<br />

dass alle drei Choreographien, die die Stuttgarter nach Essen<br />

mitgebracht hatten, <strong>für</strong> sie kreiert worden waren, von klassisch<br />

bis modern. Begonnen hatte der Abend mit einer bebrillten Ballerina<br />

im Tutu, die mit ihrem Handtäschchen die Mitteltreppe<br />

des Auditoriums herunterschwebte und verzückt nach allen Seiten<br />

grüßte. Christian Spucks Ballettparodie »Le Grand Pas de<br />

deux«, nicht eben typisch <strong>für</strong> seinen sonstigen Stil, entstand einst<br />

als Silvester-Scherz <strong>für</strong> Julia Krämer und Robert Tewsley und ist<br />

seitdem ein Knüller auf allen Galas. In dem turbulenten Duo<br />

zwischen einer kurzsichtigen, nicht ganz schwindelfreien Ballerina<br />

und ihrem entnervten Partner stellte vor allem Alicia Amatriain<br />

ihren Sinn <strong>für</strong> Komik unter Beweis, während sie und Jason<br />

Reilly die virtuosen Sprünge und Pirouetten eines großen Gala-<br />

Pas-de-deux sozusagen mit links absolvierten. Schade dennoch,<br />

dass die Stuttgarter nicht noch ein weiteres Werk von Spuck,<br />

etwa eine Szene aus seiner großartigen »Lulu«, mitgebracht hatten.<br />

Vollkommen anders zeigten sich die beiden tanzenden Preisträger<br />

im modernen Duo »Mono Lisa«, das Itzik Galili, Israeli mit<br />

Wohnsitz in den Niederlanden, 2003 <strong>für</strong> sie kreiert hatte. Zur<br />

rhythmischen Schreibmaschinenmusik von Thomas Höfs läuft unter<br />

tief hängenden Scheinwerfern, in verrauchter Atmosphäre<br />

ein erotischer Zweikampf ab, in dem die beiden Solisten ihre<br />

Virtuosität im modernen Stil zeigen: akrobatische Würfe, die<br />

wie Messer kreisenden Beine Amatriains, die weiten Sprünge<br />

und die raffinierte Körperspannung Reillys. Zum krönenden Abschluss<br />

der Gala tanzte das Stuttgarter Ballett die »Siebte Sinfonie«<br />

von Uwe Scholz aus dem Jahr 1991. Zu Beethovens »Apotheose<br />

des Tanzes« hat der vor zwei Jahren verstorbene<br />

<strong>Tanzpreis</strong>träger ein abstraktes, strahlend helles Ballett choreographiert,<br />

ein Muster an Musiktreue und struktureller Klarheit. Jede<br />

Note wird zur Bewegung, jede Wiederholung in der Musik entspricht<br />

einer Wiederholung im Tanz. Nicht nur <strong>für</strong> die Solisten,<br />

wieder Alicia Amatriain und Jason<br />

Reilly, sondern gerade<br />

auch <strong>für</strong>s Corps de ballet,<br />

ist die Choreographie<br />

oft so rasend schnell,<br />

dass man sie kaum<br />

sauber tanzen kann<br />

– dass es doch geht,<br />

demonstrierten die<br />

Stuttgarter mit einer<br />

fulminanten, beseelten<br />

Aufführung voll schöner<br />

Linien, aus der nicht nur<br />

die Brillanz dieses Ensembles<br />

abzulesen war, sondern<br />

zweifellos auch der Stolz auf<br />

ihren Direktor. ■<br />

Alicia Amatriain<br />

und Jason Reilly in<br />

»Siebte Sinfonie«.<br />

4 Ballett Intern 2/<strong>2006</strong>


Begrüßung<br />

durch Ulrich Roehm<br />

Verehrtes Publikum, liebe Mitglieder des Deutschen <strong>Berufsverband</strong>es<br />

<strong>für</strong> Tanzpädagogik und des Vereins zur Förderung der<br />

Tanzkunst in Deutschland, liebe Freunde unserer Festivität, der<br />

Verleihung des Deutschen <strong>Tanzpreis</strong>es, der heute zum 23. Male<br />

seit 1983 einer verdienten Persönlichkeit auf dem Gebiet des<br />

künstlerischen Tanzes verliehen wird: Reid Anderson.<br />

Das Tanzen, die Tanzkunst, stellt seit Urzeiten eine Verzauberung<br />

dar: Poesie, Schauspiel, Erbauung, Ekstase – ästhetische<br />

Bewegungsfolgen bis zu dramatischsten Ausdrucksformen der<br />

heutigen Zeit, eine eigene, magische Welt, nicht nur im Theater,<br />

auf den Brettern, die <strong>für</strong> viele die Welt bedeuten, ein fantastisches<br />

kulturelles Lebens-Element, das das Leben von Millionen<br />

begeisterter Menschen weltweit aus dem Alltag erhebt! Ein letzter<br />

Rest der ursprünglichen Entrückung, Ekstase durch den Tanz.<br />

Ein solches Zentrum der Tanzbegeisterung, der Erhebung, der<br />

Erbauung des Menschen im Alltag ist – wenn auch nicht seit Urzeiten<br />

– Stuttgart, wo Jean Georges Noverre zwischen 1760<br />

und 1766 <strong>für</strong> eine europaweit beachtete Blütezeit des Tanzes<br />

verantwortlich war!<br />

Im Herbst des vergangenen Jahres konnten wir im Rahmen<br />

eines Film-Festivals in der historischen Essener Lichtburg Leo Arnstams<br />

Film-Monument von 1954, »Romeo und Julia«, mit Galina<br />

Ulanowa als Julia erleben. Es war ein beindruckendes, sehenswertes<br />

Erlebnis, so fantastisch, so monumental – so wenig Choreographie!<br />

Nur acht Jahre später, 1962, schuf John Cranko<br />

seine nach nun 44 Jahren immer noch weltweit gültige Choreographie<br />

von »Romeo und Julia« – man muss festhalten, dass zwischen<br />

diesen acht Jahren eine künstlerische Entwicklung liegt, die<br />

Welten von dieser statischen russischen Version entfernt ist.<br />

»Stuttgart« – das sei heute Abend das Synonym <strong>für</strong> die von<br />

John Cranko 1961 geschaffene, nun 45 Jahre erfolgreich bestehende<br />

Institution Stuttgarter Ballett. Ja, wohin man in der Tanzszene<br />

schaut, nehmen wir heute nur Deutschland, wir begegnen der<br />

Kaderschmiede »Stuttgart«, und damit John Crankos Erbe. Hier<br />

nur einige Namen, die uns allen geläufig sind, und ich bitte die<br />

eventuell nicht erwähnten um Vergebung: Ray Barra, Sylviane<br />

Bayard, Richard Cragun, William Forsythe, Susanne Hanke, Ro-<br />

semary Helliwell, Birgit Keil, VIadimir Klos, Egon Madsen, John<br />

Neumeier, Uwe Scholz, Anne Woolliams, Christian Spuck,<br />

Uschi Ziegler.<br />

Wenn ich in meiner Einleitung der Festschrift zur heutigen Verleihung<br />

des Deutschen <strong>Tanzpreis</strong>es erwähne, ich sähe es als eine<br />

schicksalhafte Lebens-Entscheidung, dass Mutter Anderson ihren<br />

vierjährigen Reid zum Ballett schickte, was letzten Endes zum<br />

Stipendium an der Royal Ballet School in London führte, so sehe<br />

ich es als eine weitere schicksalhafte Entscheidung John Crankos<br />

an, dass er den 19-Jährigen in sein Ensemble nach Stuttgart holte<br />

– und somit unbewusst (oder schicksalhaft intuitiv) einen Garanten<br />

<strong>für</strong> die Fortsetzung seines Werkes, seines Erbes, das diesem nach<br />

20-jähriger erfolgreicher Fortführung durch unsere große Márcia<br />

Haydée unversehrt übergeben werden konnte. Vor etwa zwei<br />

Wochen erreichte uns die Nachricht, dass Reid Anderson von<br />

den Lesern der internationalen Zeitschrift »Dance Europe« zum<br />

»Director of the Year« gekürt wurde und sein Ensemble, das Stuttgarter<br />

Ballett, nach dem San Francisco Ballet und noch vor dem<br />

Nederlands Dans Theater, dem Königlich Dänischen Ballett, dem<br />

American Ballet Theatre, zu den fünf besten Compagnien. Wir<br />

gratulieren Reid Anderson und seiner Compagnie <strong>für</strong> diese herausragende<br />

Auszeichnung, und hier möchte ich auch erwähnen,<br />

dass die Stuttgarter John-Cranko-Gesellschaft der Compagnie<br />

den Cranko-Preis 2005 verliehen hat!<br />

Wie in meinen einleitenden Worten zur Festschrift zum <strong>Tanzpreis</strong><br />

»Zukunft« erwähnt, können zwischen der Entscheidung unserer<br />

Jury und der Realisierung der Verleihung planungsbedingt<br />

leicht bis zu zwei Jahre vergehen. Und so fiel unsere Entscheidung<br />

<strong>für</strong> Reid Anderson vor der Auszeichnung von »Dance Europe«,<br />

nämlich bereits am 2. August 2004! Selbstverständlich<br />

freuen wir uns sehr über die Bestätigung unserer Wahl durch die<br />

John-Cranko-Gesellschaft und die internationale durch »Dance<br />

Europe«!<br />

Wir wissen alle von den aktuellen Problemen unserer Theater,<br />

unserer Ballett-Compagnien. Obwohl es finanziell die allergeringsten<br />

Einsparungen bringt, wird beim Tanz immer zuerst gekürzt,<br />

nach Möglichkeit wird diese Sparte gleich ganz abgewickelt!<br />

Der Wechsel in der Ballettdirektion wird als Chance<br />

gesehen, die neue Direktion unter Druck zu setzen, zumindest einige<br />

Planstellen zu streichen, so lächerlich gering die »Ersparnis«<br />

bei den chronisch niedrigen Tänzer-Gehältern auch ist! So geschehen<br />

bereits vor Jahren in Essen beim Wechsel von Heidrun<br />

Schwaarz zu Martin Puttke, aktuell geschehen in Leipzig, wo der<br />

neue Ballettdirektor Paul Chalmer nun viele Choreographien von<br />

Uwe Scholz (und auch von John Cranko) nicht oder kaum mehr<br />

auf die Bühne bringen kann – aus Personalmangel! So jedoch<br />

nicht geschehen 1996 beim Wechsel von Márcia Haydée zu<br />

Reid Anderson in Stuttgart.<br />

Nun, sicher gehört es ins Reich der Spekulation, sich zu fragen,<br />

was in Stuttgart durch die Wahl eines anderen Ballettdirektors<br />

als Reid Anderson geschehen wäre, was aus John Crankos<br />

Erbe, was aus dem wunderbaren Ensemble, das Sie heute auf<br />

dieser Bühne mit Brillanz »verzaubern« wird, was aus den faszinierenden<br />

jungen Künstlern, die Sie heute ins Reich der Begeisterung<br />

entführen werden – und auch aus denen, die heute anwesend<br />

sind, aber nicht tanzen – ja, und was aus unseren Preisträgern<br />

»Zukunft« geworden wäre, künstlerischen Persönlichkeiten höchsten<br />

Ranges, denen wir die Zukunft unserer Tanzkunst anvertrauen,<br />

in der Gewissheit, dass sie uns nicht enttäuschen werden:<br />

Alicia Amatriain, die John Cranko-Schule entdeckte sie,<br />

die Tanzstiftung Birgit Keil ermöglichte ihr dortiges Studium,<br />

Reid Anderson förderte sie; Jason Reilly ging einen ähn-<br />

Ballett Intern 2/<strong>2006</strong> 5


lichen Weg an der National Ballet School of Canada in Toronto,<br />

bis ihn Reid Anderson nach Stuttgart holte; Christian<br />

Spucks Weg bringt uns ebenfalls zur John Cranko-Schule, von<br />

dort führte ihn sein Weg nach ersten Wanderjahren zurück<br />

nach Stuttgart.<br />

Wenn wir heute eine Art Stuttgarter Ballett-Festival begehen<br />

– ich denke, wenn sich der Vorhang in etwa zwei Stunden endgültig<br />

schließt, werden Sie der Entscheidung der siebenköpfigen,<br />

unabhängigen Jury voll zustimmen können. Preisträger wird, wer<br />

durch künstlerische Qualität, Professionalität, Souveränität überzeugt!<br />

Ob dies viermal Stuttgart ist, oder, wie im vergangenen<br />

Jahr, Berlin, Hamburg, Karlsruhe; oder im nächsten Jahr z.B.<br />

Dresden, Leipzig, Essen, oder wieder Stuttgart, das hängt einzig<br />

und allein von diesen Kriterien ab!<br />

Bei dieser Gelegenheit möchte ich unbedingt betonen, dass<br />

die Zusammenarbeit mit der Tanzstiftung Birgit Keil sich einzig<br />

auf die Großzügigkeit der Dotierung <strong>für</strong> die von uns auserwählten<br />

Künstlerpersönlichkeiten bezieht! Und wir sind äußerst dankbar<br />

<strong>für</strong> diesen meines Wissens deutschlandweit einzigartigen<br />

Einsatz zur Förderung herausragender jugendlicher Talente des<br />

Tanzes! Uns wäre die Möglichkeit einer Dotierung des <strong>Tanzpreis</strong>es<br />

»Zukunft« nicht gegeben. Die Tanzstiftung Birgit Keil ist<br />

nicht Mitglied der Jury und übt keinerlei Einfluss auf deren Entscheidungen<br />

aus!<br />

Lassen wir uns heute von diesem Stuttgarter Ballett-Festival in<br />

Essen bezaubern, das wir von John Cranko über Márcia Haydée<br />

nun Reid Anderson verdanken, der vor knapp zehn Jahren den<br />

Stab von Márcia Haydée übernahm.<br />

So begrüße ich sehr herzlich den Intendanten des Stuttgarter<br />

Balletts und diesjährigen Preisträger Reid Anderson. Und wir<br />

finden es großartig, dass Márcia Haydée sich bereit erklärt hat<br />

zur Laudatio. Begrüßt seien hinter diesem Vorhang Alicia Amatriain<br />

und Jason Reilly, die schon darauf warten, dass ich aufhöre<br />

zu reden, um wieder <strong>für</strong> uns tanzen zu können. Da<strong>für</strong> kann ich<br />

Ihnen Christian Spuck vorstellen, dessen einmaliger humorvoller<br />

Choreographie Sie zur Einleitung des heutigen Abends begeistert<br />

applaudierten. Das breite Spektrum seiner großen Begabung<br />

konnte das Essener Publikum durch seine Stücke »Endless Waltz«<br />

und »Die Kinder« <strong>für</strong> das aalto ballett theater essen bereits kennen<br />

lernen. Und wer es sich erlauben möchte, seine erste abendfüllende<br />

Kreation »Lulu« zu sehen, dem kann man die Reise nach<br />

Stuttgart nur empfehlen.<br />

Mit großem Bedauern war es Professor Lothar Späth im vergangenen<br />

Jahr nicht möglich, bei uns zu sein. Aber in diesem<br />

Jahr – ich darf das sicher in unser aller Namen sagen – sind wir<br />

überglücklich, dass wir ihn als Laudator <strong>für</strong> unsere drei auserwählten<br />

Preisträger »Zukunft« herzlich begrüßen dürfen.<br />

So eine Begrüßung ist ja immer eine Art protokollarischer Seiltanz,<br />

ich hoffe, dass meine tänzerische Vergangenheit mir da<br />

auf dem Seil eine Hilfe sein kann. Ich hätte eigentlich eine der<br />

politisch bedeutsamsten Persönlichkeiten unserer Bundesrepublik<br />

als allererstes begrüßen müssen, andererseits sind da die Preisträger,<br />

die Laudatoren, die ja wiederum auch keine Gäste sind,<br />

sondern Haupt-Akteure ... Habe ich mich da gut herausgeredet?<br />

Und ich denke, glaube, hoffe, dass es mir nicht übel genommen<br />

wird, wenn ich nun, sozusagen nach der »Ouvertüre«, als allererstes<br />

unseren großen Freund des Tanzes und der Künste – und<br />

einer menschlichen, sympathischen Politik – von ganzem Herzen<br />

hier im Aalto Theater begrüße, den Präsidenten des Deutschen<br />

Bundestages, Herrn Dr. Norbert Lammert. Verbunden mit meinem<br />

Dank <strong>für</strong> die nun schon seit Jahrzehnten gute Zusammenarbeit mit<br />

der Stadt Essen begrüße ich unseren Bürgermeister, Herrn Nor-<br />

bert Kleine-Möllhoff, sowie unsere Alt-Bürgermeisterin Annette<br />

Jäger, gemeinsam mit unserem Kulturdezernenten Dr. Oliver<br />

­Scheytt, diesen auch als Präsidenten, sowie seine Kollegin Frau<br />

Dr. Iris Magdowski als Vize-Präsidentin der Kulturpolitischen Gesellschaft.<br />

Ich heiße Herrn Frank Werner als Vertreter der Kultur-<br />

und Bildungsabteilung des Auswärtigen Amtes willkommen, desgleichen<br />

Herrn Dr. Wilfried Matanovic, unsere ehemalige<br />

Ministerin Frau Anke Brunn sowie Frau Christine Merkel von der<br />

Deutschen UNESCO-Kommission Berlin.<br />

Hier möchte ich unterbrechen und in Bezug auf meine Erklärungen<br />

im vergangenen Jahr zum internationalen Thema der<br />

UNESCO zum »Erhalt der Kulturellen Vielfalt« positiv berichten,<br />

dass sich im Herbst 2005 tatsächlich 190 Nationen gegen die<br />

Stimmen der USA und Israels auf diesen Vertrag geeinigt haben.<br />

Von Kanada wurde er bereits ratifiziert, und nun muss es im Interesse<br />

unserer Kultur mit der Ratifizierung durch mindestens 30<br />

Nationen weitergehen, so dass der Vertrag Gültigkeit erhält. Ich<br />

hoffe sehr, verehrte Frau Christine Merkel, dass Sie darüber in<br />

gutem Kontakt zu unserer Angela Merkel stehen!<br />

Hier gibt es noch eine weitere positive kulturpolitische Neuigkeit:<br />

Die Bundesregierung hat beschlossen, die Enquete-Kommission<br />

Kultur in Deutschland wiederum zu aktivieren. Herr Dr. Norbert<br />

Lammert wird übermorgen, am 13. Februar um 15 Uhr in<br />

Berlin die konstituierende Sitzung leiten. Vielen Dank, Herr Dr.<br />

Lammert, und wir wünschen unserer Freundin des Tanzes, Frau<br />

Gitta Connemann, die mit großem Bedauern heute nicht hier<br />

sein kann, viel Glück zur Wahl als Vorsitzende der Kommission.<br />

Und mit diesen Stichworten »Erhalt der kulturellen Vielfalt«, »UN-<br />

ESCO«, »Kultur in Deutschland« der Enquete-Kommission, ebenfalls<br />

ein herzliches Willkommen unter dem Stichwort »Kulturstiftung<br />

des Bundes« und »tanzplan deutschland« Frau Hortensia<br />

Völckers, Direktorin der Kulturstiftung des Bundes.<br />

»Zum Staunen geboren – zum Sehen bestellt« – wie schön,<br />

unter uns Klaus Geitel zu wissen, den Doyen unserer deutschen<br />

Tanz- und Musikkritik, und mehrmaligem humorvoll-tiefschürfenden<br />

Laudator unseres <strong>Tanzpreis</strong>es. Ganz speziell begrüße ich<br />

unseren Ehrengast Jekaterina Chtchelkanova, Primaballerina des<br />

Mariinski Balletts und des American Ballet Theatre, sowie Preisträgerin<br />

des American Screen Actors Guild <strong>für</strong> ihre Rolle als Hanyak<br />

in dem Oscar winning Film »Chicago«.<br />

Um noch einmal mit »Faust« zu sprechen: »und weiter geht es,<br />

Schlag auf Schlag«. Ich freue mich, so viele Freunde des Tanzes<br />

und unserer Preisträger unter uns zu wissen, einmal recht prosaisch<br />

auf der Basis unseres Alphabets heiße ich willkommen: Sylviane<br />

Bayard (ehemalige Ballettdirektorin der Deutschen Oper<br />

Berlin), Oleksi Bessmertni (Initiator des großen Festival Tanz-<br />

Olymp Berlin), Michael Birkmeyer (Intendant des Festspielhauses<br />

St. Pölten), Dinna Björn (Direktorin des Finnischen Nationalballetts,<br />

Helsinki), John Bliekendaal (Dansakademie Amsterdam),<br />

Dr. Hans-Georg Bögner (Kulturstiftung der Sparkasse Köln), Paul<br />

Chalmer (Ballettdirektor Leipziger Ballett), Prof. Lutz Förster<br />

(Folkwang Hochschule Essen), Gyala Harangozo (Direktor des<br />

Wiener Staatsopernballetts), Irene Heinen (Direktorin des Ballett-<br />

Festivals Luxembourg), Minghui Kong (Repräsentantin des China<br />

Shanghai International Arts Festival), Patsy Kuppe-Matt (ehemalige<br />

Direktorin des Balletts von Saragossa, Spanien), Daniela<br />

Kurz (Tanztheater Nürnberg), Jeremy Leslie-Spinks (der im Alter<br />

von 15 Jahren mit Reid Anderson »Erste Schritte« in kanadischen<br />

Banff auf der Bühne zeigte), Paul Melis (Tanzabteilung der Musik<br />

Hochschule Köln), Madelaine Onne (Direktion des Königlich<br />

Schwedischen Balletts, Stockholm), Birgit Pfitzner (in Vertretung<br />

von John Neumeier), Günter Pick (ehemaliger Leiter der BfA-Büh-<br />

6 Ballett Intern 2/<strong>2006</strong>


nen- und Fernsehvermittlung), Raimondo Rebeck (aalto ballett<br />

theater essen), Angela Reinhardt (ehemalige Solotänzerin des<br />

Tanztheaters der Komischen Oper Berlin), Prof. Birgit Scherzer<br />

(zukünftige Ballettdirektorin Innsbruck), Heidrun Schwaarz (Ballettdirektorin<br />

Krefeld/Mönchengladbach), Richard Wherlock<br />

(Ballettdirektor Basel), Renato Zanella (Choreograph und ehemaliger<br />

Ballettdirektor Wien).<br />

Und aus Kanada Mutter Anderson sowie Schwester Susan<br />

und Bruder unseres Preisträgers, desgleichen die Eltern unseres<br />

Preisträgers »Zukunft« Jason Reilly aus Toronto, die Eltern Alicia<br />

Amatriains aus Spanien und Christian Spucks Eltern – raten Sie<br />

mal – aus Deutschland!<br />

Die Organisation und Finanzierung der Verleihung des Deutschen<br />

<strong>Tanzpreis</strong>es war nie eine einfache Angelegenheit. Doch<br />

<strong>für</strong> 2005 und <strong>2006</strong> wurde es nun – zeitgemäß – noch etwas<br />

schwieriger. Dies nur andeutungsweise, denn wir wollen ja nicht<br />

in den allgemeinen Chor des Klagens mit einstimmen! Umso<br />

mehr danken Sie bitte mit mir gemeinsam unseren großzügigen<br />

Sponsoren, die es wiederum möglich machten, dass wir diesen<br />

wunderbaren Abend heute erleben können. Einen herzlichen<br />

Dank Frau Anneliese Brost <strong>für</strong> ihre großartige Unterstützung; desgleichen<br />

Herrn Dr. Henning Osthues-Albrecht und Herrn Hans<br />

Martz von der Sparkasse Essen; Herrn Gerd Wagner-Emden,<br />

Bezirksdirektion Essen der Gothaer Versicherung; Herrn Wulf<br />

Mämpel und dem Freundeskreis Theater & Philharmonie Essen;<br />

Herrn Dieter Gräfe, Stuttgart; und insbesondere der Stadt Essen<br />

und ihrem Kultur-Ausschuss. Und sollten Sie am Ende dieses<br />

Abends der Ansicht sein, dass unser <strong>Deutscher</strong> <strong>Tanzpreis</strong> in Essen<br />

unterstützungswürdig sei: Mit der ausliegenden kleinen Informations-Broschüre<br />

laden wir Sie herzlich ein, Mitglied im gemeinnützigen<br />

Verein zur Förderung der Tanzkunst zu werden!<br />

Ein weiterer Dank gilt der Marchesa Mina di Sospiro, Mailand,<br />

Prof. Birgit Keil, Prof. Lothar Späth, die mit persönlichen<br />

Spenden an die Tanzstiftung Birgit Keil die Dotierung des <strong>Tanzpreis</strong>es<br />

»Zukunft« ermöglichen. Vergessen möchte ich nicht den<br />

Geschäftsführer dieses Hauses, Herrn Otmar Herren, die Bühnentechnik<br />

und Beleuchtung, kurz: alle guten Geister, die zum<br />

Gelingen dieses Abends beitragen.<br />

Sie werden aufatmen, ich auch, denn wir kommen zum traditionellen<br />

Abschluss meiner Begrüßung, der Vorstellung unserer<br />

anwesenden Preisträger vergangener Jahre:<br />

Zuerst unser <strong>Tanzpreis</strong>träger »Zukunft« 2005: Flavio Salamanka.<br />

Und als weitere <strong>Tanzpreis</strong>träger: Philippe Braunschweig,<br />

Márcia Haydée, Hans Herdlein, Fritz Höver, Birgit Keil, Horst<br />

Koegler, José de Udaeta. ■<br />

Laudatio <strong>für</strong> den<br />

<strong>Tanzpreis</strong> »Zukunft«<br />

Prof. Dr. Lothar Späth<br />

Herr Bundestagspräsident, lieber Herr Lammert, Herr Erster Bürgermeister,<br />

lieber Herr Roehm, ich freue mich und fühle mich wirklich<br />

geehrt, zum dritten Mal als Laudator bei der <strong>Tanzpreis</strong>verleihung<br />

aufzutreten. Und noch das Glück zu haben, dass die<br />

beiden, <strong>für</strong> die ich als Laudator hier vor einiger Zeit schon gewirkt<br />

habe, nämlich Márcia Haydée und Birgit Keil, heute Abend hier<br />

sind. Ich hatte wirklich geglaubt, jetzt hätte ich alle meine Aufgaben<br />

als schwäbischer Laudator beim <strong>Tanzpreis</strong> erfüllt.<br />

Ich muss jetzt auch eingehen auf die Frage »... alles außer<br />

Hochdeutsch«: Wir haben unsere Fremdenfreundlichkeit immer<br />

dadurch bewiesen, dass wir beim Ballett auch die Leute aufgenommen<br />

haben, die nicht schwäbisch konnten – sonst hätten wir<br />

vielleicht dieses Ergebnis nicht in Stuttgart. Man sollte manchmal<br />

ohnehin in dieser umgekehrten Richtung denken – denn nur, wer<br />

seine persönlichen Grenzen öffnet, wer die Grenzen <strong>für</strong> das Internationale<br />

aufmacht und wer Kunst, Kreativität und den Bildern<br />

Raum gibt, die wir heute Abend sehen, der kann auf Zukunft<br />

hoffen. Deshalb ist es wichtig, dass der Bund und die Länder<br />

sich an das Thema Tanz machen, auch an das Förderthema<br />

Tanz. Ich habe aus meinen politischen Erfahrungen eine gewisse<br />

Skepsis mitgenommen, dass die Programme zwar fertig sind,<br />

aber ihre Finanzierung noch nicht steht. Auch aus dem Anlass,<br />

dass hier zum zweiten Mal der <strong>Tanzpreis</strong> »Zukunft« vergeben<br />

wird, möchte ich die privaten Mäzene ansprechen. Denn wir<br />

müssen uns abgewöhnen zu sagen, das sei nicht Aufgabe der<br />

Wirtschaft (vor allem der Wirtschaft, der es gut geht, und die<br />

haben wir ja zum Glück in Deutschland auch!). Es darf nicht der<br />

Stolz der Wirtschaft sein, nur die Aktionäre und die Gesellschafter<br />

zu befriedigen, sondern es muss auch wieder der Stolz sein,<br />

solche Compagnien und solche künstlerischen Einrichtungen in<br />

Städten und Gemeinden zu erhalten! Wohl ist das eine öffentliche<br />

Aufgabe, die die Privatwirtschaft nicht allein erledigen<br />

kann, aber es ist auch eine verdammte Pflicht, ein guter Bürger<br />

zu sein, auch <strong>für</strong> Wirtschaftsunternehmen, und dazu beizutragen,<br />

dass auch dieser Teil unseres internationalen Erscheinungsbildes<br />

wichtig ist. Wenn ich als baden-württembergischer Ministerpräsident<br />

ins Ausland gereist bin und sichergehen wollte, dass<br />

Ballett Intern 2/<strong>2006</strong> 7


mir im Wirtschaftlichen nichts schief geht, dann habe ich das<br />

Ballett mitgenommen. Deshalb denke ich, wir sollten da zu einer<br />

anderen Form der Kooperation zurückkehren. Wir dürfen hier<br />

nicht soziale Elemente gegen Kunst-Elemente ausspielen. Kunst<br />

und Ballett sind ein sozialer Vorgang und sind im Tiefsten sozial.<br />

Wenn wir heute darüber reden, dass unsere Bildungsschwächen<br />

vor allem in Kreativ-Bereichen liegen, dann wird nur sichtbarer,<br />

dass das, was eine Nation in der Zukunft im Wettbewerb<br />

braucht, vor allem eine Industrienation wie Deutschland, Kreativität<br />

ist, das Potenzial in der jungen Generation. Deshalb kommt<br />

es nicht nur darauf an, wie wir mit Wissen bestückt sind, sondern<br />

mit welchen Entfaltungsmöglichkeiten wir unseren Kindern<br />

Chancen geben. Wer sieht, in welchem Alter die Chancen vergeben<br />

werden müssen, damit sie genutzt werden können, der<br />

kann nur da<strong>für</strong> sein, dass wir gerade auch in der Diskussion über<br />

unsere Bildungs- und Zukunftspolitik diese Elemente viel stärker<br />

berücksichtigen.<br />

Ich möchte jetzt zu meiner eigentlichen Aufgabe zurückkehren<br />

und natürlich Reid Anderson ganz herzlich beglückwünschen. Ich<br />

will noch einmal zum Zukunfts-Preis kommen und die Überlegung<br />

unterstreichen, die Herr Roehm schon angesprochen hat: Wenn<br />

wir nur überall, wo ein Ballett mit Nachwuchsschulung ist, einen<br />

Kreis aufbauen könnten, der zehn bis zwanzig Stipendien in<br />

einem Jahr an junge Talente vergeben kann, dann wären wir ein<br />

ganzes Stück weiter. Ich will ihnen die drei Beispiele vorstellen,<br />

die beweisen, wie wichtig und sinnvoll dieser Zukunfts-Preis ist,<br />

der auf Hoffnung und Vertrauen aufbaut, nämlich zunächst auf<br />

das Vertrauen in ein großes künstlerisches Talent, und dann in das<br />

Hoffen, dass dieses Talent zu einer außergewöhnlichen Zukunft<br />

führt. Deshalb gilt der Preis denen, die schon aus eigener Leistung<br />

in der aktiven Bühnenlaufbahn stehen, die durch überzeugende<br />

tänzerische Technik, durch außergewöhnliches Talent Aufsehen<br />

erregen. Der Preis soll den Zukunftsträgern des Tanzes helfen,<br />

nationale und internationale Aufmerksamkeit zu gewinnen, in der<br />

Hoffnung, diesen Karrieren einen weiteren Schub zu vermitteln.<br />

Ich beginne mit Alicia Amatriain. Der<br />

Deutsche <strong>Tanzpreis</strong> »Zukunft« wird ihr<br />

verliehen »<strong>für</strong> eine Bilderbuchkarriere«,<br />

und etwas davon<br />

haben wir heute schon<br />

gesehen, »zur führenden<br />

Ballerina<br />

des Stuttgarter<br />

Balletts. Eine<br />

mühelose<br />

Technik ermöglicht<br />

ihr<br />

souverän ausdrucksstarkeRollengestaltungen<br />

in den verschiedensten<br />

Tanzstilen – das<br />

Potenzial einer großen<br />

Ballerina«. Alicia<br />

Amatriain wurde in<br />

San Sebastián in Spanien<br />

geboren. Ihren ersten<br />

Ballettunterricht erhielt<br />

sie in ihrer Heimat, im Konservatorium<br />

von San Sebas-<br />

tián. Dort entdeckte sie Sarah Abendroth, eine Lehrerin der John<br />

Cranko-Schule, bei einem Sommerkurs, und holte Alicia mit 14<br />

Jahren im Jahr 1994 nach Stuttgart. Die Mutter dachte, Alicia<br />

würde das Heimweh packen und hoffte auf eine schnelle Rückkehr.<br />

Doch Alicia besuchte als erste Stipendiatin der Tanzstiftung<br />

Birgit Keil die John Cranko-Schule in Stuttgart, wo sie<br />

1998 ihren Abschluss machte. Aus einfachen Verhältnissen<br />

stammend, hat ihr das Stipendium vieles erleichtert, sagt sie. In<br />

atemberaubendem Tempo durcheilt sie seither die Ränge des<br />

Stuttgarter Balletts und blieb dabei stets bescheiden. Zur Spielzeit<br />

1998/99 wurde sie Elevin, ein Jahr später ins Corps de<br />

ballet übernommen, ein Jahr später war sie Halbsolistin, und<br />

noch ein Jahr später war sie Erste Solistin. Sie ist als Interpretin<br />

moderner Choreographien genauso gefragt wie als Dramatikerin,<br />

die selbst in vertrauten Rollen, zum Beispiel als Tatjana in<br />

»Onegin«, neue Seiten zeigt. Seit sie der Stuttgarter Ballettintendant<br />

Reid Anderson von der Cranko-Schule übernommen hat,<br />

brilliert sie mit einer rasanten Entwicklung. Dabei kämpfte sie<br />

zunächst mit einem noch unsicheren Spitzenstand. Heute bringt<br />

sie durch ihre Ausdrucksstärke Kritiker zum Jubeln. Ihren internationalen<br />

Durchbruch feierte sie 2003 in ihrer Hauptrolle in<br />

Christian Spucks erstem Handlungsballett »Lulu«. In zwei Kritikerumfragen<br />

wurde sie als »Best Female Dancer« und »Profilierte<br />

Tänzerin« <strong>für</strong> diese Rolle genannt. Choreographen wie Wayne<br />

McGregor, Dominique Dumais und Itzik Galili kreierten<br />

eigens <strong>für</strong> sie Rollen und setzten ihre Kunst in Szene. Ihre größte<br />

Kraftprobe aber hat sie nicht auf, sondern hinter der Bühne<br />

bestehen müssen. Die Frage nach der größten Herausforderung<br />

in ihrem bisherigen Leben beantwortet sie mit »wieder zurückkommen«.<br />

Eine Thrombose in der Schulter hatte sie in der<br />

vergangenen Spielzeit erst ins Krankenbett, dann zur Schonung<br />

gezwungen. Das Schwierigste dabei war, den richtigen Zeitpunkt<br />

<strong>für</strong> die Rückkehr zum Tänzeralltag zu finden. Sie hat ihn<br />

gefunden. Ihre Traumrolle? Die Doppelrolle Odette/Odile in<br />

»Schwanensee« – zwei verschiedene Charaktere in einer Rolle:<br />

»Wenn man das schafft«, meint sie, »dann gelingt einem alles!<br />

Tänzerin zu sein ist anstrengend«, sagt sie, »aber schön. Wenn<br />

man diesen Beruf liebt, dann gibt man alles – und bereut<br />

nichts.« Herzlichen Glückwunsch!<br />

8 Ballett Intern 2/<strong>2006</strong><br />

Alicia Amatriain in Christian<br />

Spucks »Le Grand Pas de deux«


Jason Reilly – »Der deutsche <strong>Tanzpreis</strong> »Zukunft« <strong>2006</strong> wird<br />

dem Tänzer Jason Reilly verliehen <strong>für</strong> seine außergewöhnliche<br />

Begabung, fast ungestüm und doch diszipliniert die unterschiedlichsten<br />

Charaktere darzustellen, gepaart mit einer Technik, die<br />

über jeden Zweifel erhaben ist.« Jason Reilly wurde in Toronto<br />

geboren, er studierte an der National Ballet School. Bereits als<br />

Schüler tanzte er in den Balletten bedeutender Choreographen,<br />

1997 machte er seinen Abschluss und wurde mit nur 17 Jahren<br />

Mitglied des Stuttgarter Balletts. Nach Stuttgart kam er, nachdem<br />

der langjährige Leiter des National Ballet of Canada, Reid Anderson,<br />

selbst nach Stuttgart ging und ihm hier einen Vertrag<br />

anbot. Auf die Frage, ob er denn nicht einsam war, so ganz alleine<br />

und weit weg von Zuhause, antwortet Reilly: »Ich hatte sowas<br />

von Spaß!«. Nachdem er in der Spielzeit 2001/2002<br />

zum Halbsolisten aufgestiegen war, wurde auch er nur eine<br />

Spielzeit später, mit 23 Jahren, zum Solisten befördert.<br />

Der 26-Jährige gilt als einer der seltenen Alleskönner unter<br />

den Tänzern. Gern wird er mit Richard Cragun verglichen, denn<br />

Reilly tanzt nicht nur alle Rollen Craguns, sondern er ist wie dieser<br />

vollkommen – ein Tänzer, dem körperlich und technisch alles<br />

zur Verfügung steht und der sich scheinbar mühelos alle Stile zu<br />

eigen machen kann. Die modernen Choreographen lieben ihn<br />

wegen seiner Schnelligkeit und Coolness. Besonders aber beherrscht<br />

er das, was in Stuttgart am wichtigsten ist: Cranko,<br />

Schauspiel, Dramatik. Er gehört zu den immer seltener werdenden<br />

dramatischen Tänzern und beherrscht es, den Sinn der<br />

Bewegungen aus der Musik heraus zu empfinden, sie sich vollkommen<br />

zu eigen zu machen und ihnen eigene Nuancen zu<br />

geben. Diese Bühnenpersönlichkeit ist genau das, was einen<br />

wirklich großen Tänzer ausmacht, es ist am Ende nicht die Technik<br />

und das Sprungvermögen. Eine Persönlichkeit ist er auch abseits<br />

des Rampenlichts. Mit seinen Tattoos und Piercings wird er<br />

hin und wieder auf der Straße von der Stuttgarter Polizei um den<br />

Ausweis gebeten. Wie ein typischer Ballettprinz sieht er nun<br />

wirklich nicht aus. Aber es ist gerade seine Lockerheit, die ihn so<br />

unglaublich sympathisch macht.<br />

Zum Ballett kam Reilly durch seinen älteren Bruder, der Tanzunterricht<br />

nahm. Er bewunderte ihn vor allem beim Mädchen-<br />

Hochheben. Die Mutter schickte schließlich auch den Jüngeren<br />

Prof. Birgit Keil überreicht<br />

<strong>für</strong> die Tanzstiftung Birgit Keil<br />

die Dotierung an die Preisträger<br />

des Deutschen <strong>Tanzpreis</strong>es »Zukunft«<br />

<strong>2006</strong> Alicia Amatriain, Jason<br />

Reilly und Christian Spuck<br />

in die Tanzschule. Im Mai dieses Jahres wird der inzwischen<br />

weltweit gefragte Tänzer zum ersten Mal in Toronto gastieren,<br />

bei der Compagnie, mit der er aufgewachsen ist. Er kommt als<br />

ein Star zurück. Trotzdem bleibt es nur bei einem Aufenthalt auf<br />

Zeit – sie sehen meine Erleichterung – denn Stuttgart ist jetzt sein<br />

Zuhause, sagt er selbst.<br />

Er spielt alle Rollen mit Hingabe. Er braucht Emotionen und<br />

Drama. Obwohl er von weißen Strumpfhosen nicht so begeistert<br />

ist, spielt er mit Intensität den Prinzen, er arbeitet sich aber auch<br />

in die fiese Figur des Stanley Kowalski aus »Endstation Sehnsucht«<br />

ein. Er tanzt mit Romeo und Petrucchio bereits zwei große<br />

Cranko-Rollen, derzeit studiert er die schwierigste, den Onegin.<br />

Einen Lieblingsstil hat Reilly nicht, er mag einfach alles. Aufgrund<br />

seiner herausragenden Interpretation klassischer Rollen sowie<br />

Ausdrucksstärke und technischer Brillanz in modernen Balletten<br />

wurde Reilly wiederholt in den jährlichen Umfragen der Zeitschrift<br />

Ballettanz zu den profiliertesten Tänzern gezählt. Auf die<br />

Frage, ob er ehrgeizig ist, meint Reilly: »Nein. Ja. Aber nur, weil<br />

ich das so liebe, was ich mache.« Herzlichen Glückwunsch!<br />

Christian Spuck: »Der Deutsche <strong>Tanzpreis</strong> »Zukunft« <strong>2006</strong><br />

wird dem Choreographen Christian Spuck verliehen. Seine Kreationen<br />

zeichnen sich durch Originalität und einen hohen intellektuellen<br />

Anspruch aus, ohne in Unverständlichkeit auszuufern<br />

– wir sehen in ihm die Zukunft eines großen Choreographen.«<br />

Christian Spuck ist einer der beiden Haus-Choreographen des<br />

Stuttgarter Balletts. Er erhielt seine tänzerische Ausbildung an der<br />

John Cranko-Schule in Stuttgart, obwohl der gebürtige Marburger<br />

erst relativ spät mit dem Tanzen begonnen hat. Als er während<br />

seines Zivildienstes in Frankfurt William Forsythes Arbeiten<br />

gesehen hat, war das der Auslöser, den Tanz zu seinem Beruf zu<br />

machen. 1995 wurde er Mitglied des Stuttgarter Balletts, seine<br />

erste eigene Choreographie erarbeitete er ein Jahr später bei<br />

den »Jungen Choreographen« der Stuttgarter Noverre-Gesellschaft.<br />

Dieses Stück war so erfolgreich, dass das Stuttgarter Ballett<br />

und die Deutsche Oper Berlin es in ihre Repertoires aufnahmen.<br />

1998 erfolgte seine erste Uraufführung beim Stuttgarter<br />

Ballett, »Passacaglia«. In der Zeitschrift Ballettanz wurde Spuck<br />

1997/98 und 1999/2000 als bester Nachwuchs-Choreo-<br />

Ballett Intern 2/<strong>2006</strong> 9


graph genannt. Seither hat Christian Spuck acht weitere Ballette<br />

<strong>für</strong> gemischte Ballettabende choreographiert. Sein erstes großes<br />

Handlungsballett schuf er mit »Lulu« <strong>für</strong> das Stuttgarter Ballett;<br />

damit setzt er die von Cranko begründete Tradition des Handlungsballettes<br />

erfolgreich fort. Auch das Ausland fragte nach –<br />

seit 1999 arbeitet Christian Spuck <strong>für</strong> renommierte Ballettcompagnien<br />

in Europa und in den USA: im Jahr 2000 »Adagio <strong>für</strong><br />

Tänzer« <strong>für</strong> das New York City Ballett, was zu einem Werk <strong>für</strong><br />

Hubbard Street Dance 2 führte und zu einer kontinuierlichen Zusammenarbeit,<br />

die gerade mit dem Chicagoer Tanzensemble<br />

diskutiert wird. Derzeit befasst er sich mit dem Konzept <strong>für</strong> das<br />

Königliche Ballett von Flandern, in der übernächsten Saison wird<br />

Christian Spuck <strong>für</strong> das Königlich Schwedische Ballett kreieren.<br />

Aber fleißig wie er ist, werden wir auch in Kürze in Stuttgart etwas<br />

Neues von ihm haben. Für eine Uraufführung im April ist er<br />

gerade dabei, ein neues Handlungsballett nach »Der Sandmann«<br />

von E.T.A. Hoffmann zu schaffen. Im vergangenen Jahr<br />

debütierte er gar als Opernregisseur, mit »Berenice« im Theater<br />

in Heidelberg. Wenn man so viel Erfolg hat, fragt man sich, ob<br />

da noch Herausforderungen offen bleiben. Doch Christian Spuck<br />

ist ein nachdenklicher Grübler, den der produktive Zweifel antreibt.<br />

Es ist nicht leicht, an einem Ort wie dem Stuttgarter Ballett,<br />

wo John Cranko seine Meisterwerke schuf, die noch heute Maßstäbe<br />

setzen. Spuck gelingt es jedoch, selbstbewusst und unbefangen<br />

seinen eigenen Weg zu gehen. Das erzählende, abendfüllende<br />

Format ist seine Sache: »Mein Interesse ist es, mich<br />

intensiv mit Stoffen und Figuren auseinanderzusetzen«, sagt er,<br />

»Ich will versuchen, die Inhalte auf der Bühne noch mehr auf den<br />

Punkt zu bringen.« Den Charakter einer Person zu ergründen und<br />

im Tanz auszuleuchten, ist eine Passion, die Spuck in seinem<br />

ersten Handlungsballett »Lulu« wunderbar verwirklicht hat. Dabei<br />

tun seine hohe Musikalität (er wollte ursprünglich Klarinettist werden),<br />

ein souveräner Umgang mit dem Raum, seine stilsichere<br />

Inszenierungskunst ihr Übriges. Er ist ein Ästhet mit dem Streben,<br />

inhaltliche Widerhaken ins vermeintlich Schöne zu setzen, was<br />

seine Kreationen schon klar als »Spuck« erkennen lässt. Fast<br />

zehn Jahre sind seit seinem Debüt als Choreograph vergangen.<br />

Die Aufträge sind stets größer geworden, doch eines ist gleich<br />

geblieben. Ich zitiere ihn: »Es ist mein Lebensinhalt, mich damit<br />

auseinanderzusetzen, wie ich innere Welten auf der Bühne sichtbar<br />

machen kann, um damit Menschen zu begeistern und zu<br />

berühren.« Herzlichen Glückwunsch. ■<br />

Die Träger des Deutschen <strong>Tanzpreis</strong>es »Zukunft« <strong>2006</strong> Alicia Amatriain,<br />

Jason Reilly (rechts) und Christian Spuck (links) mit ihrem Laudator<br />

Prof. Lothar Späth (3. v.l.) sowie dem Vorsitzenden des Vereins<br />

zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland, Ulrich Roehm und dem<br />

Essener Bürgermeister Norbert Kleine-Möllhoff.<br />

Laudatio <strong>für</strong> Reid Anderson<br />

Márcia Haydée<br />

Reid, <strong>für</strong> mich gibt es in der Tanzwelt vier verschiedene Gruppen<br />

von Tänzern. Die Tänzer, die mit sehr viel Begabung geboren<br />

sind; sie denken, dass Begabung alleine reicht und machen<br />

überhaupt nichts. Die Tänzer, die weniger begabt sind, aber sie<br />

arbeiten sehr hart, und sie machen eine Karriere. Dann gibt es<br />

die, die sehr begabt sind und die 100-prozentig arbeiten, und<br />

sie machen noch eine größere Karriere. Aber dann gibt es die<br />

vierte Kategorie, das ist die Kategorie, aus der <strong>für</strong> mich all die<br />

Großen stammen. Die sind geboren und es gibt <strong>für</strong> sie keine<br />

Minute ohne Tanz. Tanz ist das Leben, sie leben um zu tanzen.<br />

Sie haben eiserne Disziplin, sie haben Spaß an der Arbeit, sie<br />

sind nie müde. Und wenn sie müde sind, dann sagen sie nicht,<br />

dass sie müde sind. Und du gehörst zu dieser Kategorie.<br />

Ich muss deine Mutter fragen, denn ich glaube, als du geboren<br />

bist, da hast du schon gearbeitet. Seit ich dich kenne, hast<br />

du alles im Leben nur mit Arbeit erreicht. Als ich Direktorin war,<br />

hast du mir als Tänzer nie ein Problem gegeben. Wenn ich gefragt<br />

habe: »Reid, kannst du?«, dann hast du gesagt »Kein Problem«.<br />

Jemand war krank, und ich habe gesagt »Reid, heute<br />

Abend ist diese Vorstellung«, dann hast Du gesagt »kein Problem,<br />

ich kenne das Ballett nicht, aber ich lerne es. Ich brauche<br />

keine Proben, ich mache es einfach heute Abend.« So warst du.<br />

Du warst nie müde. Du hast eine eiserne Disziplin. Wenn ich als<br />

Tänzerin mit dir getanzt habe, dann war das immer sehr leicht,<br />

denn wenn ich einmal, zweimal, zehnmal probieren wollte, hast<br />

du immer »okay« gesagt. Nicht ein einziges Mal in der ganzen<br />

Zeit, in der wir zusammen getanzt haben, hast du zu mir gesagt:<br />

»Márcia, ich bin müde – können wir das statt zehnmal nur achtmal<br />

machen?« Für die Ballettmeister war es auch einfach, mit dir<br />

zu arbeiten, denn du warst problemlos, du hast immer alles ge-<br />

10 Ballett Intern 2/<strong>2006</strong>


macht. Für die Choreographen ebenso. Ich erinnere mich, als<br />

Kenneth MacMillan <strong>für</strong> uns den »Requiem«-Pas-de-deux kreierte,<br />

da gab es einen Moment, als er gesagt hat: »Reid, glaubst du,<br />

du kannst die Márcia mit dem rechten Arm heben, dann schmeißt<br />

du sie in den linken Arm, dann wieder den rechten Arm, dann<br />

unten und dann oben ...« Und du hast gesagt: »Okay, kein Problem.«<br />

Das ist wichtig. In diesem Leben als Tänzer ist die Arbeit<br />

wichtig – Arbeit, Arbeit und noch mehr Arbeit.<br />

Aber wie ist Reid überhaupt zum Ballett gekommen? Der<br />

Grund da<strong>für</strong> sitzt da in der zweiten Reihe, das ist seine Schwester<br />

Susan. Als Susan klein war, ist sie zum Ballettunterricht gegangen,<br />

und ihr Vater hat gesagt: »Reid, geh mit, hilfst ihr ein bisschen.«<br />

Und beim zweiten, dritten Mal hat die Lehrerin schon<br />

gesagt: »Reid, komm her, kannst du das Mädchen heben, kannst<br />

du hier halten, kannst du...« Und so ist Reid zum Tänzer geworden<br />

– nicht Susan, aber Reid. Reid kam 1969 nach Stuttgart.<br />

Genau in der Zeit, als Cranko »Der Widerspenstigen Zähmung«<br />

kreiert hat. Und sofort war er drin und musste ganz schnell das<br />

gesamte Repertoire lernen, denn ein paar Monate später kam<br />

die Amerika-Tournee, die legendäre Amerika-Tournee, durch die<br />

das Stuttgarter Ballett über Nacht eine der wichtigsten Compagnien<br />

der ganzen Welt wurde. Und Reid war mit uns dabei.<br />

Im Repertoire des Stuttgarter Balletts hat Reid alles getanzt.<br />

Von Cranko zu MacMillan, Tetley, Billy Forsythe. Für Reid war es<br />

immer eine Freude, im Ballettsaal zu sein. Für Reid war es immer<br />

eine Freude, im Theater zu sein. Er war immer ein Theatermensch<br />

– nicht nur Tänzer, auch Theatermensch. Etwas ganz Besonderes<br />

ist mit dir geschehen: Du warst damals 20 und hast die Rolle von<br />

Gremin in »Onegin« bekommen. Bei Puschkin ist Gremin 50 Jahre<br />

alt, und Reid war gerade 20. Wenn er auf die Bühne kommt<br />

im Kostüm, dann sieht man ganz klar, dass er älter ist. Aber Reid<br />

hatte die Fähigkeit, in der Probe, so wie er war, sofort zu verstehen,<br />

wer Gremin ist. Wie er gegangen ist, gestanden ist, wie er<br />

geschaut hat, man hat ihm sofort geglaubt. Du hast nicht wie 50<br />

ausgesehen, aber du hattest diese Begabung, diese Maturity,<br />

diese Erfahrung – das ist nicht normal bei einem jungen Tänzer<br />

mit 20 Jahren. Genauso war es bei Neumeier, als er <strong>für</strong> dich den<br />

Vater in der »Kameliendame« kreiert hat. Du warst 29 – ich war<br />

älter als Du, aber als ich diesen Pas de deux mit dir getanzt<br />

habe, habe ich gespürt, dass es bei dir einen Schutz gibt, eine<br />

Kraft, die nicht normal ist in deinem Alter. Für mich gibt es niemand,<br />

der diese Rollen so machen kann, wie du sie gemacht<br />

hast. Ich habe die »Kameliendame« geliebt, aber der schönste<br />

Teil <strong>für</strong> mich war immer der Pas de deux mit dir – bei jeder Vorstellung.<br />

Es hat mir so viel gegeben, mit dir zu tanzen.<br />

Dann kam Reids Trennung von Stuttgart, der zweite Teil seines<br />

Lebens. Er ging nach Vancouver als Direktor, ein paar Jahre später<br />

ist er Direktor des National Ballet in Toronto geworden. Und<br />

ganz schnell ist er zum Weltklasse-Direktor geworden. Nicht von<br />

alleine, wieder war da die eiserne Disziplin seiner Arbeit – in<br />

Kanada und in den USA kann man ein sehr guter Direktor sein,<br />

aber wenn man nicht die Begabung besitzt, Sponsoren zu bekommen<br />

und damit Geld <strong>für</strong> die Compagnie, dann ist man niemand.<br />

Und Reid ist König in dieser Disziplin! Vielleicht kommt<br />

einmal ein Tag, an dem du am Tanz nicht mehr interessiert bist<br />

(aber ich glaube, das passiert nicht), dann könntest du eine<br />

Schule aufmachen und all den Direktoren beibringen, wie man<br />

der König der Sponsoren-Eintreiber wird. Er ist beim Essen gesessen<br />

mit fünf oder sechs Leuten, und am Ende, die wussten nicht<br />

wie, hatte ihm jeder 100.000 Dollar gegeben <strong>für</strong> seine Compagnie.<br />

In Kanada hast du wirklich gelernt, ein Direktor zu sein.<br />

Dann kam er 1996 nach Stuttgart und hat das Stuttgarter Ballett<br />

übernommen. Er hat wirklich diese Compagnie in eine ganz<br />

neue Richtung geführt und auf ein höheres Level, als wir es vorher<br />

hatten. Du bist mit deinen vier Stars gekommen – Robert Tewsley,<br />

Vladimir Malakhov, Margaret Illman und Yseult Lendvai. Heute,<br />

zehn Jahre später, hast du eine neue Generation von Stars, wie<br />

wir gerade gesehen haben. In deiner Zeit als Intendant sind<br />

50 neue Kreationen beim Stuttgarter Ballett entstanden – genau<br />

wie wir es bei Cranko gelernt hatten, hast du weiter die jungen<br />

Choreographen gefördert. Heute hast du schon zwei Haus-Choreographen<br />

– unseren lieben Christian Spuck und Marco Goecke.<br />

Weshalb ich dir auch sehr dankbar bin: Du hast so gut<br />

aufgepasst auf das Cranko-Repertoire, und nicht nur auf Cranko,<br />

sondern auf das ganze Repertoire, <strong>für</strong> das das Stuttgarter Ballett<br />

steht. Ich kann das zum Beispiel von meinem »Dornröschen« sagen<br />

– die Sachen bleiben genau so, wie ich wollte. Du als Direktor<br />

kannst mit der Besetzung machen, was du willst – aber du<br />

rufst mich an! Ich bin in Chile, und er ruft mich an und sagt:<br />

»Márcia, ich will das und das und die Besetzung – bist du gleicher<br />

Meinung?« Das ist ein Respekt, den du <strong>für</strong> alle hast. Ein<br />

Choreograph weiß: Wenn er etwas <strong>für</strong> deine Compagnie kreiert,<br />

dann wirst du sehr gut darauf aufpassen. Und das ist nicht in<br />

jeder Compagnie so! Manchmal gibt es ein Ballett, und zwei<br />

Monate später sieht alles anders aus. Nicht bei dir.<br />

Ich könnte hier noch bis morgen früh über Reid sprechen.<br />

Reid: Du verdienst diesen <strong>Tanzpreis</strong>. Du verdienst, »Director of<br />

the Year« zu sein. Ich glaube, Cranko wäre sehr stolz auf dich,<br />

und ich bin sehr stolz auf dich. Und ich kann nur sagen, mit<br />

meinem ganzen Herzen: Ich gratuliere dir. ■<br />

Ballett Intern 2/<strong>2006</strong> 11


»Ich bin sowieso<br />

ein cry-baby«<br />

Dankesworte von Reid Anderson<br />

Guten Abend, meine sehr geehrten Damen und Herren. Es wird<br />

mir ein bisschen schwer fallen, heute Abend mit Ihnen zu sprechen.<br />

Erstens möchte ich mich bei allen bedanken, die diesen<br />

Abend möglich gemacht haben. Ich könnte die Namen noch<br />

einmal erwähnen, aber sie wissen wer sie sind, vor allem Ulrich<br />

Roehm, der so viel gearbeitet hat. Seine beiden Vereine – die<br />

Mitglieder haben so viel getan, dass wir diesen heutigen Abend<br />

erleben können.<br />

Das ist sehr emotional <strong>für</strong> mich. Wenn eine Márcia Haydée<br />

über einen spricht, wie über mich gerade eben, dann kommen<br />

die Tränen. Ich bin sowieso ein »cry-baby«. Als ich erfuhr, dass<br />

ich diesen Preis bekommen sollte, war ich völlig überrascht. Ich<br />

werde auch ein bisschen Englisch sprechen heute Abend, weil<br />

meine Familie hier ist. When I first learned that I was gonna get<br />

this prize, I was quite surprised. Dann dachte ich: Das ist etwas<br />

Tolles, nicht nur <strong>für</strong> mich, sondern auch <strong>für</strong> meine Babys, <strong>für</strong> Alicia,<br />

<strong>für</strong> Jason und <strong>für</strong> Christian, das hat mir sehr gut gefallen, und<br />

ich habe auch gedacht: nicht nur <strong>für</strong> uns, sondern auch <strong>für</strong> die<br />

Stadt Stuttgart, <strong>für</strong> das Land Baden-Württemberg. Wir haben ein<br />

wunderschönes, tolles, liebes Publikum in Stuttgart, ein einmaliges<br />

Publikum. Und die Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg<br />

sind unsere Träger, und die sind immer bei uns geblieben,<br />

in Johns Zeiten, in Márcias Zeiten und jetzt mit mir. Das ist<br />

natürlich, wie Sie wissen, heutzutage wahnsinnig wichtig.<br />

Herr Prof. Dr. Späth hat heute Abend über meine Kinder gesprochen,<br />

und da kommen mir die Tränen auch, weil das junge<br />

Leute sind, die zu mir gekommen sind und die wir aufzubauen<br />

versucht haben. Er hat es auf so eine nette Weise gesagt und er<br />

hat das genau auf den Punkt gebracht. Ich möchte mich bei Birgit<br />

Keil bedanken, dass sie und ihre Stiftung diese Preise ermöglicht<br />

haben – das ist nicht selbstverständlich! Es ist, wie Herr<br />

Späth erwähnt hat, wahnsinnig wichtig. Ich möchte mich bei<br />

meiner Compagnie bedanken und all den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen<br />

im Theater. I would like to thank my company and<br />

all the people that work with me in the theatre. Herr Tränkle, unser<br />

Geschäftsführender Direktor – ohne Herrn Tränkle hätte ich<br />

das nie so machen können, wie ich es mache. Klaus Zehelein<br />

und zu seiner Zeit Friedel Schirmer – wir sind »Die vier Musketiere«<br />

genannt worden in Stuttgart. Ich bin kein Ballettdirektor, ich<br />

bin ein Intendant, und wir haben das zu viert diese zehn Jahre<br />

gemacht, das war eine sehr schöne Zeit. Ich weiß nicht, wie<br />

man das übersetzt, wir haben im Englischen nur »ballet director«-<br />

Ballettintendant, das kennen wir nicht.<br />

Jetzt wird es noch schwieriger. Ich habe mir in den letzten<br />

Monaten überlegt, was ich heute Abend sagen werden – it‘s going<br />

to be a bit harder now, because I thought over the last weeks<br />

what would I say on an evening like this. Ich möchte es versuchen,<br />

aber bitte haben Sie Verständnis, dass es <strong>für</strong> mich schwierig ist,<br />

weil ich heute Abend sehr emotional bin. Just have patience with<br />

me because I‘m very emotional this evening. Das ist das erste Mal,<br />

dass so viele Mitglieder meiner Familie zusammen sind. Meine<br />

Mutter war mal hier, meine Schwester, mein Bruder, aber sie waren<br />

nie zusammen hier in den fast drei Jahrzehnten, in denen ich in<br />

Deutschland wohne. Es sind so viele liebe Freunde hier, wunderschöne,<br />

nette, fantastische Freunde heute Abend und so viele Bekannte<br />

und so viele tolle Menschen der Ballettwelt – sie sind alle<br />

gekommen heute Abend, um bei mir, bei Ihnen zu sein. My family<br />

is here – my family has been here before, but my family has never<br />

been here together before. And so many of the most wonderful<br />

friends I have in the world are here tonight, and so many other<br />

people that are famous in the ballet world. Und wenn man diese<br />

drei Gruppen zusammen sieht, wird man sehr emotional. When<br />

one puts these three groups together, then one is the most emotional.<br />

Ich werde das jetzt versuchen, ohne zu weinen. Es kommt<br />

mir vor, als ob es die Academy Awards sind, und <strong>für</strong> mich sind sie<br />

das auch – diese Ehrung ist <strong>für</strong> mich so toll, so wunderbar, ich<br />

habe so ein gutes, tolles, warmes Gefühl dabei. This prize is something<br />

so fantastic for me, I have such a warm, cosy, wonderful<br />

feeling when I think of this prize. Ich spreche immer <strong>für</strong> andere<br />

Leute und was sie gemacht haben, oder <strong>für</strong> unsere Compagnie,<br />

wenn sie etwas kreiert hat, aber fast zum ersten Mal spreche ich<br />

eigentlich <strong>für</strong> mich, und das macht es so schwer. I‘m usually speaking<br />

for other people and what they‘ve done and what my company<br />

has done, but very seldom do I speak about me and what I<br />

have done. So here it goes. Ich werd’s versuchen.<br />

Reid Anderson mit seiner Mutter (oben) und seiner Laudatorin Márcia<br />

Haydée (unten) bei der Verleihung des Deutschen <strong>Tanzpreis</strong>es <strong>2006</strong>.<br />

12 Ballett Intern 2/<strong>2006</strong>


Vier Damen meines Lebens: Meine Mutter ist hier heute<br />

Abend. Sie ist 82, sie war das letzte Mal vor 25 Jahren hier. Sie<br />

hat, als wir Kinder waren, unsere Kostüme genäht und uns betreut.<br />

Heute Abend ist meine ehemalige Lehrerin hier, Dolores<br />

Kirkwood. Sie hat mir und meiner Schwester das Tanzen beigebracht,<br />

und sie hat mir den Geist des Tanzes gelehrt. Tonight my<br />

mother is here, she‘s going to be 82 years old. When we were<br />

young, she sowed our costumes. My first ballet teacher is here,<br />

she taught me and my sister when we were four and three years<br />

old, and she taught me about the spirit of dance. Meine Schwester<br />

ist hier, Susan. Wir sind fast wie Zwillinge aufgewachsen.<br />

Meine Mutter hat unsere Kleidung genäht, weil wir so wenig<br />

Geld hatten, und wir wurden wie Zwillinge gekleidet. My sister<br />

is here, Susan. We grew up almost like twins. We didn‘t have<br />

much money, so my mother made our clothes, and we had the<br />

same clothes, I guess it was cheaper to buy the same material.<br />

Meine Schwester Susan war meine erste Partnerin. Meine<br />

Schwester ist ein Teil meines Körpers, sie ist ein Teil meines Lebens.<br />

My sister is a part of my body, and a part of my life. Und<br />

Zur Preisverleihung an Reid Anderson waren viele <strong>Tanzpreis</strong>träger der vergangenen<br />

Jahre erschienen (v.l.): Hans Herdlein, Reid Anderson, Birgit<br />

Keil, Ulrich Roehm, Márcia Haydée, José de Udaeta, Philippe Braunschweig<br />

und Fritz Höver.<br />

dann: Márcia Haydée. Márcia Haydée ist <strong>für</strong> mich manchmal<br />

meine Schwester, manchmal meine Liebhaberin, manchmal meine<br />

Großmutter, manchmal meine Mutter, manchmal meine Frau!<br />

Márcia Haydée is sometimes my wife, sometimes my mother,<br />

sometimes my grandmother, sometimes my lover, but we‘ve been<br />

through a lot together. Es gibt noch andere Damen im Publikum<br />

heute Abend, aber ich kann nicht alle erwähnen... Aber nicht<br />

so! Nicht wie Sie denken!<br />

Vier Herren. Mein Vater war ein Holzarbeiter. Wir haben nie<br />

viel Geld gehabt. Und als meine Schwester mit drei Jahren bei<br />

Dolores tanzen sollte, da wollte sie nicht aufstehen, um Shuffle<br />

Knock-down zu machen. Mein Vater war dabei und hat gesagt:<br />

Reid, steh du auf und halt ihre Hand, vielleicht wird sie es dann<br />

machen. Ich bin aufgestanden und habe ihre Hand gehalten,<br />

und wie schon erwähnt wurde: Ich bin Tänzer geworden, aber<br />

meine Schwester nicht. My sister was to start dancing at three,<br />

and she wouldn‘t get up without me, and my father said: stand<br />

up, and I held her hand, started shuffle knock-down, and the rest<br />

is history. Mein Vater war ein sehr spezieller Mensch. Er hat<br />

Grazie gehabt, und er konnte tanzen, Gesellschaftstanz. Er<br />

konnte auch singen – in der Dusche. Aber er hatte etwas. Und<br />

er war mein erster Ballettmeister: Er ist ins Training gekommen mit<br />

Susan und mit mir und hat alles notiert, was Dolores gesagt hat,<br />

und dann hat er jeden Abend mit uns gearbeitet unten im Keller,<br />

wo er einen speziellen Boden eingezogen hatte. My father was<br />

my first ballet master. He took my sister, he went to all the classes,<br />

took notes of the classes, and in the evening he was downstairs<br />

working with us on pirouettes. Ich weiß nicht, wie er das gemacht<br />

hat, irgendwie instinktiv wahrscheinlich. Der zweite Mann:<br />

mein älterer Bruder, my older brother Brent. Ich habe immer zu<br />

meinem älteren Bruder aufgeschaut, I’ve always looked up to my<br />

elder brother, aber wir waren so verschieden, we were so different,<br />

wir konnten nie zusammenkommen. Irgendwann sind wir<br />

doch zusammengekommen, somehow we got together, und<br />

mein älterer Bruder ist mein bester Freund geworden. Er ist auch<br />

hier heute Abend mit seiner Frau Sandy. He‘s here tonight with<br />

his wife Sandy. They are two of my best friends in the world.<br />

When one has best friends, one can tell them everything. Wenn<br />

man beste Freunde hat, kann man ihnen alles, aber auch alles<br />

erzählen.<br />

Natürlich John Cranko. Wir wären alle nicht hier heute Abend<br />

ohne John Cranko. Márcia hat so freundlich gesagt, sie könnte<br />

tagelang über mich sprechen – ich zweifle daran. Ich könnte<br />

tagelang über John Cranko sprechen! Aber keine Angst, das<br />

werde ich nicht tun. The third man in my life is John Cranko, and<br />

I could speak days about him, but I won‘t do that. Die meisten<br />

von ihnen wissen, was er uns allen gegeben hat. Und zum<br />

Schluss: Der vierte Mann meines Lebens ist mein Lebensgefährte<br />

Dieter Gräfe. Ich würde nicht hier stehen heute Abend ohne ihn.<br />

Er gibt mir einen Halt, ein Zuhause, ein Rückgrat. I would also<br />

not be here tonight without my partner Dieter Gräfe. He gives<br />

me a home, he is behind me one hundred per cent. Ich wäre<br />

nicht das, was ich jetzt bin ohne ihn. I could not stand here tonight<br />

without him. I would not be me without him. Wir sind jetzt<br />

fast 37 Jahre zusammen, und ich bin nach Stuttgart gekommen<br />

vor 37 Jahren... das ist alles sehr schnell passiert damals! We<br />

are 37 years together, and I‘ve been in Stuttgart for 37 years, so<br />

everything went rather quickly in those days...<br />

Zum Schluss möchte ich Ihnen von ganzem Herzen, ganz<br />

herzlich danken, dass Sie hier so zahlreich erschienen sind.<br />

I would like to thank you all for being here, so many people. Für<br />

Alicia, <strong>für</strong> Jason, <strong>für</strong> Christian und <strong>für</strong> mich. Da gab es einen<br />

berühmten Film, there was a famous film, wo ein junger Mann<br />

einen Satz sagt, a young man said a sentence, und ich möchte<br />

Ihnen dadurch zum Ausdruck bringen, I would like to let you<br />

know how I really feel about tonight: Dass Sie alle hier sind, Sie<br />

haben mich zum ... and because you are all here tonight, <strong>für</strong><br />

diesen heutigen Abend, eine Minute, eine Sekunde – for tonight,<br />

one minute, one second you have made me king of the<br />

world! ■<br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Tanzpreis</strong> 2007<br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Tanzpreis</strong> »Zukunft« 2007<br />

Mitgliederversammlung des DBfT<br />

Die Mitgliederversammlung des DBfT mit der Verleihung<br />

der Deutschen <strong>Tanzpreis</strong>e 2007 finden am<br />

3. Februar 2007 statt.<br />

Ballett Intern 2/<strong>2006</strong> 13


Die Verleihung der<br />

Deutschen <strong>Tanzpreis</strong>e<br />

im Spiegel der Presse<br />

14 Ballett Intern 2/<strong>2006</strong><br />

WAZ, 13.2.<strong>2006</strong><br />

Münstersche<br />

Zeitung,<br />

13.2.<strong>2006</strong><br />

WAZ, 13.2.<strong>2006</strong>


Stuttgarter Zeitung,<br />

13.2.<strong>2006</strong><br />

WAZ, 13.2.<strong>2006</strong><br />

Gold <strong>für</strong> Stuttgart<br />

Medaillensegen im Welt-<br />

meisterschafts- und Olympia-Jahr<br />

Von Horst Koegler<br />

Ehre, wem Ehre gebührt! In diesem Fall also<br />

Stuttgart, das im Fußball-Weltmeisterschafts- und<br />

Olympia-Jahr abgeräumt hat, was an Goldmedaillen<br />

hierzulande im Tanz zu vergeben ist.<br />

Zuerst also der John-Cranko-Preis <strong>für</strong>s Stuttgarter<br />

Ballett – offenbar ein Novum, denn wo<br />

hätte es das sonst schon einmal gegeben, dass<br />

ein Preis kollektiv an eine Compagnie geht (allenfalls<br />

wohl in der Sowjetunion unseligen Angedenkens<br />

der Große Vaterländische Verdienstorden<br />

<strong>für</strong> das Bolschoi-Ballett).<br />

Dann der Preis der Leser des englischen Ballettmagazins<br />

»Dance Europe« <strong>für</strong> Reid Anderson,<br />

den Intendanten des Stuttgarter Balletts, als »Director<br />

of the Year« – noch vor Brigitte Lefèvre<br />

(Paris), Vladimir Malakhov (Berlin), John Neumeier<br />

(Hamburg), Ivan Liska (München) und William<br />

Forsythe (Frankfurt/Dresden). Und schließlich<br />

auch noch der Deutsche <strong>Tanzpreis</strong> – abermals<br />

an Reid Anderson, nebst dreimal Junior-Gold <strong>für</strong><br />

die Stuttgarter Zukunftshoffnungsträger Alicia<br />

Amatriain, Jason Reilly und Christian Spuck.<br />

Da kann man nur hoffen, dass dieser Goldregen<br />

<strong>für</strong> das Stuttgarter Ballett sich nicht als der<br />

Fluch des Midas auswirken möge, dem sich alles,<br />

was er in Zukunft unternehmen wird, in<br />

starres, lebloses Gold verwandelt.<br />

Auf dem »Treppchen« der Bühne des Essener<br />

Aalto Theaters also diesmal lauter Stuttgarter!<br />

Ruhr Nachrichten, 13.2.<strong>2006</strong><br />

Inklusive der fiktiven Mitglieder des Gold-Klubs,<br />

der Stuttgarter Freunde des Balletts.<br />

Ohne hier noch einmal auf die Redner, die<br />

Preisträger, Gäste und einzelnen Darbietungen<br />

einzugehen, möchte ich nur zwei Dinge hervorheben.<br />

Da war einmal der Überraschungsauftritt<br />

von José de Udaeta, Doyen der Essener<br />

Honoratioren-Versammlung. Er hatte sich sozusagen<br />

eine Kastagnetten-Laudatio auf die Preisträger<br />

einfallen lassen – so charmant, so eloquent<br />

und so virtuos: ein Magier, der in der<br />

Lage ist, Holz zum Sprechen zu bringen (leider<br />

gibt es derzeit noch keinen Kastagnetten-Dolmetscher,<br />

der uns anschließend übersetzt hätte,<br />

was <strong>für</strong> Stories Don José seinen Enkeln da erzählt<br />

hat – spannend war’s auf jeden Fall).<br />

Und da war zum zweiten als Schlussbeitrag<br />

die von den Stuttgartern getanzte Beethoven<br />

»Siebte Sinfonie« in der Version von Uwe Scholz<br />

– an diesem Abend nicht nur eine Ehrung <strong>für</strong><br />

den jüngst verstorbenen ehemaligen Essener<br />

Preisträger (auch er ja ein Ex-Stuttgarter), sondern<br />

eine schöne Bestätigung, fünfzehn Jahre<br />

nach der Stuttgarter Premiere, <strong>für</strong> die Dauerhaftigkeit<br />

choreographischer Qualität in symbiotischer<br />

Partnerschaft mit großer Musik.<br />

Und fast hätte ich’s vergessen, eine veritable<br />

Sensation: Márcia Haydées Laudatio auf Reid<br />

Anderson, frei gesprochen, rund fünfzehn Minuten,<br />

ohne Manuskript, so voller Anekdoten, so<br />

persönlich, so charmant, so locker. Hätte sich’s<br />

um ein Casting <strong>für</strong> den Moderator einer Fernseh-Show<br />

gehandelt, sie hätte ihre Sache nicht<br />

besser machen können!<br />

Ballett Intern 2/<strong>2006</strong> 15<br />

Esslinger Zeitung, 13.2.<strong>2006</strong>


Prof. Dr. Martin Puttke, 2. Vorsitzender des Vereins zur Förderung der Tanzkunst in<br />

Deutschland, mit alten und neuen <strong>Tanzpreis</strong>trägern (v.l.): Christian Spuck, Márcia<br />

Haydée, Reid Anderson, Fritz Höver und Laudator Prof. Lothar Späth<br />

Reid Anderson und Ulrich Roehm im Gespräch mit Gerd Wagner-Emden von der<br />

Gothaer Versicherung<br />

Zwei »Urgesteine«<br />

des Deutschen<br />

<strong>Tanzpreis</strong>es:<br />

Fritz Höver und<br />

José de Udaeta<br />

Impressionen von der<br />

<strong>Tanzpreis</strong>verleihung<br />

(Alle Fotos zur <strong>Tanzpreis</strong>verleihung stammen von Ursula Kaufmann)<br />

Der Präsident des Deutschen Bundestages und Schirmherr des Vereins<br />

zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland Dr. Norbert Lammert mit<br />

Prof. Dr. Lothar Späth<br />

Reid Anderson mit Prof. Lutz Förster, dem Beauftragten <strong>für</strong> den<br />

Studiengang Tanz an der Folkwang Hochschule Essen<br />

Hans Martz von der Sparkasse Essen mit seiner Gattin Marion im Gespräch mit<br />

dem Preisträger Reid Anderson<br />

16 Ballett Intern 2/<strong>2006</strong>


Sylviane Bayard und Richard Wherlock beim Gala-Dinner anlässlich der Verleihung<br />

des Deutschen <strong>Tanzpreis</strong>es <strong>2006</strong> im Mövenpick Hotel Essen<br />

<strong>Tanzpreis</strong>träger Fritz Höver (2000) im Gespräch mit »Zukunft«-Preisträger<br />

Christian Spuck (<strong>2006</strong>)<br />

Birgit Pfitzner vom »Hamburg Ballett« im Gespräch mit Ingrid Bruy, der Geschäftsführerin<br />

des Stuttgarter Ballett<br />

Robert Tewsley<br />

(links) und<br />

Horst Koegler<br />

waren zwei<br />

weitere Ehrengäste<br />

der Ballettgala.<br />

Hortensia Völckers, Direktorin der Kulturstiftung des Bundes (KSB), und der<br />

Essener Kulturdezernent Dr. Oliver Scheytt<br />

Der Duisburger Alt-<br />

oberbürgermeister<br />

und langjährige<br />

Freund des Deutschen<br />

<strong>Tanzpreis</strong>es Josef<br />

Krings und seine<br />

Gattin Claire Rothe-<br />

Krings im Gespräch<br />

mit Bundestagspräsident<br />

Dr. Norbert<br />

Lammert.<br />

<strong>Tanzpreis</strong> »Zukunft«-Preisträger Jason Reilly im Gespräch mit Oleksi Bessmertni,<br />

Initiator des Festivals »Tanzolymp Berlin«<br />

José de Udaeta (rechts) im Gespräch mit Prof. Martin Puttke, dem Ballettdirektor<br />

des aalto ballett theater essen<br />

Ballett Intern 2/<strong>2006</strong> 17


Mr. Tanz Berlin<br />

Zum Tod von Gert Reinholm<br />

Horst Koegler<br />

Er hat sich durch die Jahrhunderte und die halbe Weltliteratur<br />

getanzt, Gert Reinholm – als Apollo, Prometheus und Orpheus,<br />

Daphnis und Tristan, Romeo, Hamlet und Othello, Don Juan und<br />

Faust, Pelleas und Armand. Als 19-Jähriger kam er 1942 aus<br />

Chemnitz an die Ballettschule, wurde Eleve des Berliner Staatsopernballetts,<br />

mitten im Krieg. So wurde er zum Berliner. Und als<br />

Berliner ist er gestorben, am 13. Dezember 2005, eine Woche<br />

vor seinem 82. Geburtstag.<br />

Er konnte vom Glück der späten Geburt sagen, denn wäre er<br />

etwas eher geboren, hätten ihn die Nazis wohl zu ihrem idealen<br />

Siegmund/Siegfried erkoren, einem Tänzer aus dem Geschlecht<br />

der Riefenstahl, Breker und Thorak. So hielt er sich eher an die<br />

Helden des europäischen Theaters. Die Prinzen lagen ihm – mit<br />

Ausnahme Hamlets – weniger. Weswegen er auch nie ein Danseur<br />

noble im klassischen Sinn wurde – so nobel auch die Charaktere<br />

waren, die er gestaltete.<br />

Wie viele Intendanten hat er überlebt, an der Staatsoper, an<br />

der Städtischen Oper, an der Deutschen Oper Berlin: Heinz Tietjen,<br />

Ernst Legal, Carl Ebert, Rudolf Sellner, Egon Seefehlner und<br />

Siegfried Palm bis zu Götz Friedrich? Wie vielen Ballerinen war<br />

er der elegante Kavaliers-Partner, von Sybill Werden, Maria Fris<br />

und Natascha Trofimowa über Suse Preisser und – vor allen anderen<br />

– Gisela Deege bis zu Irène Skorik und Yvette Chauviré?<br />

Mit wie vielen Choreographen hat er zusammen gearbeitet – als<br />

Tänzer, als ganz und gar nicht graue Eminenz an der Seite von<br />

Tatjana Gsovsky, John Taras und Kenneth MacMillan bis zu seinem<br />

eigenen Direktorium als Förderer solcher damaligen Youngsters<br />

wie Johann Kresnik und Gerhard Bohner, die sich dann von<br />

ihm losgesagt und gegen ihn rebelliert haben – nicht nur gegen<br />

ihn, sondern gegen das gesamte Establishment.<br />

Letzten Endes freilich schmilzt die nahezu endlose Liste der<br />

Namen jener Persönlichkeiten, mit denen er während seiner professionellen<br />

Laufbahn bis 1990 zu tun hatte, auf einen einzigen<br />

zusammen: Tatjana Gsovsky. O-Ton Reinholm: »Ich bin durch sie<br />

zum Tänzer geworden – und überhaupt das, was ich heute bin.<br />

Ich bin ein merkwürdig treuer Mensch. Wem ich einmal mein<br />

Leben verschrieben habe, den lasse ich so schnell nicht mehr los.<br />

Tatjana gehört dazu – sie zu aller erst und <strong>für</strong> immer!«<br />

Sie hat ihn geprägt und <strong>für</strong> ihn die Rollen geschaffen, mit<br />

denen er sich die Aufnahme in die Walhalla des deutschen Bal-<br />

Gert Reinholm als Prometheus (Foto: Rama, Dt. Tanzarchiv Köln)<br />

letts ertanzt hat. Und nach der Beendigung seiner Tänzerkarriere<br />

mit ihr zusammen als Leiter der Berliner Tanzakademie. Und über<br />

ihren Tod hinaus als Statthalter ihres Vermächtnisses, als der er<br />

noch das Erscheinen des voluminösen Bandes über ihr Leben<br />

und Werk mitbekommen hat, wenn er auch bereits zu krank war,<br />

um noch an dessen öffentlicher Präsentation teilnehmen zu können.<br />

Wie gesagt: Er war der Mr. Tanz Berlin, an den diversen<br />

Opernhäusern der Stadt und als Galionsfigur des Berliner Balletts,<br />

als die er um die halbe Welt mit der ständig am Rande des<br />

Zusammenbruchs existierenden Gsovsky-Truppe gereist ist.<br />

Sein letzter Wunsch ist allerdings nicht in Erfüllung gegangen:<br />

seine Vision von Berlin als Tanzkapitale des Kontinents mit Michail<br />

Baryschnikow als Leitfigur, den er sogleich nach der Wiedervereinigung<br />

nach Berlin eingeladen und mit der Tanzszene der Stadt<br />

vertraut gemacht hatte. Baryschnikow war interessiert, aber die<br />

Berliner Politiker waren wieder einmal zu zögerlich, um die Chance<br />

zu ergreifen. Schade! Doch das mindert nicht Reinholms Ruhm<br />

als Tänzer, Pädagoge und Ballettdirektor, der das Berliner Ballettgeschehen<br />

der zweiten Hälfte<br />

des 20. Jahrhunderts geprägt<br />

hat wie kein anderer neben<br />

ihm.<br />

Privat war Reinholm ein ungeheuer<br />

diskreter Mensch.<br />

Nie hat er sich in den Vordergrund<br />

gedrängt. Selbst das<br />

Angebot des Deutschen <strong>Tanzpreis</strong>es<br />

hat er abgelehnt – wie<br />

er zuletzt auf eine fast anonyme<br />

Bestattung gedrängt<br />

hat. Sein Grab hat er nun zwischen<br />

Tatjana Gsovsky und<br />

Günther Pfitzmann gefunden<br />

– ein Berliner wie sie. ■<br />

Gert Reinholm und Edel von Rothe<br />

(Foto: S. Enkelmann,<br />

VG Bild Kunst Bonn)<br />

18 Ballett Intern 2/<strong>2006</strong><br />

(Archiv der Deutschen Oper Berlin)


In Memoriam: Gert Reinholm<br />

Tänzer, Ballettdirektor und Pädagoge<br />

Günter Pick<br />

Gert Reinholm und ich kannten uns über 30 Jahre, uns verband<br />

ein tiefes Vertrauensverhältnis. Es ist schmerzlich, dass er nicht<br />

mehr unter uns weilt.<br />

Kennengelernt haben wir uns, als ich 1973 mein erstes Engagement<br />

als Ballettchef in Ulm antrat, <strong>für</strong> meine Arbeit dort interessierte<br />

er sich; und später lud er mich und meine Tänzer nach<br />

Berlin zu Aufführungen in die Akademie der Künste ein. Durch<br />

ihn lernte ich Tatjana Gsovsky kennen, während eines Ferienaufenthalts<br />

in Bayern. Die Gespräche mit beiden werde ich nie<br />

vergessen. Gert Reinholm verehrte die große Künstlerin Tatjana<br />

Gsovsky. Auch bei späteren Treffen mit ihm erinnere ich mich an<br />

kein Gespräch, in dem nicht früher oder später die Rede auf<br />

Tatjana Gsovsky kam. So war es auch bei meinem letzten Besuch,<br />

als er schon sehr krank und schwach war. Er hatte seine<br />

Mentorin Gsovsky, wie zuvor auch seine Mutter, bis zum Tod<br />

begleitet, seine Fürsorge kannte keine Grenzen.<br />

Er baute eine starke Bindung auf zu den Menschen, die ihn<br />

in irgendeiner Weise brauchten. Das betraf seine Tänzer, aber<br />

auch beispielsweise Tatjana Gsovskys Tochter, die er ebenfalls<br />

bis zu ihrem Tod betreute.<br />

Das Schicksal seiner Tänzer interessierte ihn auch über die<br />

jeweilige Karriere hinaus, er machte sich Gedanken, ob die<br />

Menschen zurecht kamen, nachdem sie ihre Tanzlaufbahn beenden<br />

mussten. Er hatte weiß Gott ein großes Herz, auch wenn er<br />

natürlich als Berliner Ballettchef nicht immer nur nett und freundlich<br />

sein konnte. Zu dieser Position gehört eine große Verantwortung,<br />

die er zu tragen bereit war, doch mit seiner Haltung, das<br />

Beste sei gerade gut genug <strong>für</strong> Berlin, machte er es sich auch<br />

nicht unbedingt leicht. Seine Ballerina Eva Evdokimova beispielsweise<br />

hütete er wie einen Augapfel, ständig auf der Suche nach<br />

Rollen <strong>für</strong> sie, die ins Repertoire passten. Besonders schmerzlich<br />

<strong>für</strong> ihn war dann ihr Abgang, ein Eklat an der Deutschen Oper:<br />

Sie ging, weil ihr Mann, ein Dirigent, vom Orchester nicht akzeptiert<br />

wurde, und sie sich von Gert Reinholm nicht genügend<br />

unterstützt fühlte.<br />

Anfang der siebziger Jahre kamen Probleme aus der Revolte<br />

der jüngeren Generation, die<br />

sich nicht ausreichend gewürdigt<br />

fühlte und auf Mitbestimmung<br />

drängte. In diesem Zusammenhang<br />

wurde Reinholm<br />

auf ein Podium gezerrt, wo er<br />

sich Günter Grass gegenüber<br />

sah, der sich anmaßte ihm<br />

vorzuschreiben, wie eine Ballettcompagnie<br />

auszusehen<br />

habe. Das waren wahrscheinlich<br />

seine schwersten Stunden;<br />

aber er vertrat die Ansicht,<br />

dass ein Ensemble<br />

dieser Größenordnung, wie<br />

es das Ballett an der Deut-<br />

Gert Reinholm und Wiet Palar<br />

(Foto: S. Enkelmann,<br />

VG Bild Kunst, Bonn)<br />

schen Oper war, vielfältiger gefordert sein müsse als ausschließlich<br />

mit einem Choreographen wie Gerhard Bohner – und ohne<br />

Zweifel hatte er damit Recht.<br />

Gert Reinholm stammte aus Chemnitz, wo ihn schon eine Jugendfreundschaft<br />

mit Rainer Köchermann verband, seinem späteren<br />

Kollegen im Gsovsky-Ensemble. Mitten in Kriegszeiten wurde<br />

er als Eleve an die Berliner Staatsoper engagiert, und mit<br />

Gsovsky zusammen verließ er das renommierte Institut, als die<br />

Arbeit in der ehemaligen DDR zunehmend stärker von staatlicher<br />

Seite kontrolliert wurde. Er wechselte daraufhin an die Städtische<br />

Oper, die später zur Deutschen Oper wurde. Hier konnte er sich<br />

zu einem der führenden Tänzer Deutschlands entwickeln, der mit<br />

den großen Ballerinen seiner Zeit tanzte.<br />

Als Tatjana Gsovsky an das Teatro Colón in Buenos Aires berufen<br />

wurde, ging er natürlich mit – und kehrte mit ihr zurück nach<br />

Berlin. Hier gründete er eine Ballettschule, die später mit jener<br />

von Tatjana Gsovsky fusionierte; diese Schule leitete er noch über<br />

das Ende seiner Arbeit als Ballettdirektor hinaus. Von ihm stammte<br />

die Idee zum »Berlin Ballett«, einer Truppe, die sich aus den bedeutendsten<br />

Tänzern der damaligen Zeit zusammensetzte und mit<br />

den Choreographien von Tatjana Gsovsky die Welt bereiste. Von<br />

den Tourneen mit dieser Truppe erzählte er immer mit großer Begeisterung<br />

– auch wenn nicht immer alles nach Plan ging und die<br />

Bühnen selten so waren, wie sie sein sollten. Gert Reinholm war<br />

ein Meister der Improvisation, und das genau unterscheidet diese<br />

Generation von der heutigen, denn sie hatte nach dem Krieg<br />

gelernt, mit Nichts etwas Wunderbares auf die Bühne zu bringen.<br />

An der Deutschen Oper konnte er allerdings auch ganz<br />

anders, dort setzte er manches Mal, auch gegen seinen Intendanten,<br />

höchst kostspielige Produktionen durch.<br />

Führende Choreographen waren bei ihm zu Gast. Manchmal,<br />

wenn Kreationen entstanden, wie die von Roland Petit <strong>für</strong><br />

Natalia Makarova, kam es zum Teil zu Szenen, bei denen ich<br />

nicht in seiner Haut hätte stecken mögen. Doch er war ein guter<br />

Moderator, der ausgleichen konnte. So auch in der Zeit, als der<br />

heute legendäre Kenneth MacMillan als Ballettdirektor an die<br />

Deutsche Oper kam, und sich Reinholm mit der dienenden Rolle<br />

des Administrators abfinden musste und dem nicht deutsch sprechenden<br />

Choreographen die Arbeit erleichterte. Im Alter von 65<br />

Jahren ging Gert Reinholm in den Ruhestand, ohne dass es ihm<br />

gelungen wäre, Michail Baryschnikov als Nachfolger zu etablieren.<br />

Der Berliner Senat war noch nicht reif <strong>für</strong> ein Staatsballett.<br />

Immer, wenn wir uns trafen, war er interessiert zu erfahren,<br />

welche Vorstellungen ich gesehen hatte und was ich darüber<br />

dachte. Ich versuchte oft, ihn aus seinem Refugium in der Markgraph-Albrecht-Straße<br />

zu locken in irgendeine Premiere oder ein<br />

Gastspiel – aber es gelang nicht! In den letzten Jahren war er<br />

damit beschäftigt, seinen und vor allem Tatjana Gsovkys Nachlass<br />

zu ordnen; das Buch über sie, das die Akademie der Künste<br />

Anfang November 2005 in Berlin vorstellte (s. BALLETT INTERN<br />

5/2005) war <strong>für</strong> ihn äußerst wichtig. Diese Präsentation hat er<br />

maßgeblich mitgestaltet, doch dann stürzte er in seiner Wohnung,<br />

musste ins Krankenhaus – und danach war er nicht mehr<br />

derselbe. Diesen vitalen Mann in der Abhängigkeit zu sehen,<br />

war sehr schmerzlich.<br />

Sein Abgang von der Bühne des Lebens wurde ihm nicht<br />

leicht gemacht. Nur wenige erfuhren von der Beerdigung, und<br />

als das kleine Häuflein sich an seinem Grab versammelt hatte,<br />

dachte ich: Unsere Ratlosigkeit hätte er passend gefunden. Er<br />

hatte viele Freunde, die ihm sehr zugetan waren – aber vielleicht<br />

traute er dieser Zuneigung nicht, weil niemand so bedingungslos<br />

Freund sein konnte, wie er es <strong>für</strong> Tatjana war. ■<br />

Ballett Intern 2/<strong>2006</strong> 19


Kurt-Jooss-Preis<br />

2007<br />

Im Herbst 2007 wird der Kurt-Jooss-Preis<br />

zum dritten Mal verliehen.<br />

Der Kurt-Jooss-Preis ist ein Förderpreis,<br />

der gemeinsam von der<br />

Stiftung Anna und Hermann Markard und der<br />

Stadt Essen ausgeschrieben wird.<br />

Der Preis ist mit 6000 Euro dotiert.<br />

Bewerben können sich Choreographen, die<br />

professionell arbeiten, aber noch nicht arriviert<br />

sind. Die Bewerber unterliegen weder einer<br />

stilistischen Beschränkung noch einer<br />

Altersbegrenzung.<br />

Die Jury setzt sich zusammen aus<br />

Anna Markard und den Choreographen<br />

Nils Christe (NL) und Martin Schläpfer,<br />

Ballettmainz (D), sowie Dr. Oliver Scheytt,<br />

Kulturdezernent der Stadt Essen<br />

und Dr. Patricia Stöckemann,<br />

Dramaturgin des Bremer Tanztheaters.<br />

Die Teilnahmebedingungen mit den<br />

Bewerbungsunterlagen können<br />

angefordert werden beim:<br />

Kulturbüro Essen, Hollestraße 3, 45121 Essen,<br />

e-mail: alfons.wafner@kulturbuero.essen.de<br />

Bewerbungen ohne ausgefülltes Anmeldeformular<br />

können nicht berücksichtigt werden.<br />

Anmeldeschluss: 18. Oktober <strong>2006</strong>


Prix de Lausanne<br />

ohne deutsche Sieger<br />

Der berühmte Wettbewerb <strong>2006</strong><br />

Marlies Strech<br />

Weniger Glamour und Firlefanz, mehr Professionalität und Strenge:<br />

Das kennzeichnete den diesjährigen Ballettnachwuchs-Wettbewerb<br />

Prix de Lausanne. Es war der erste unter dem neuen<br />

Präsidenten Charles Gebhard.<br />

Die sechs Hauptpreise des Prix de<br />

Lausanne gingen alle mehr oder weniger<br />

weit nach Osten. Ein Ukrainer, ein Chinese,<br />

eine Südkoreanerin, ein Russe, eine<br />

Japanerin und eine Chinesin haben in<br />

dieser Reihenfolge gewonnen. Am Wettbewerb<br />

können jeweils angehende klassische<br />

Tänzerinnen und Tänzer im Alter<br />

von 15 bis 18 Jahren teilnehmen. Während<br />

einer Woche, diesmal vom 23. bis<br />

29. Januar <strong>2006</strong>, wetteifern sie um Sympathie<br />

und gute Noten. Die Hauptpreise<br />

bestehen aus einem Jahresstipendium an<br />

einer international renommierten Ballettschule<br />

oder einem Aufenthalt <strong>für</strong> eine<br />

Spielzeit in einem bekannten Traditionsensemble.<br />

Dazu kommen je 16.000<br />

Schweizer Franken, etwa 10.000 Euro.<br />

Der Hauptsieger aus der Ukraine, der<br />

16-jährige Sergiy Polunin, studiert bereits<br />

an der Royal Ballet School in Lon-<br />

don und darf schon jetzt damit rechnen,<br />

dereinst groß herauszukommen. Zu seinem<br />

tänzerischen Potenzial gesellt sich<br />

jener Charme, der das Publikum entzückte:<br />

Es verlieh Polunin beim Finale noch<br />

zusätzlich den Prix du Public. Vielversprechend auch der Zweitplatzierte,<br />

der knapp 17-jährige Chinese Chengwu Guo. Obwohl<br />

man den Asiaten nachsagt, im modernen Tanz weniger fit<br />

zu sein als Westliche, gewann Guo noch den Sonderpreis der<br />

Jury als bester Interpret <strong>für</strong> die zeitgenössische Variation. Diese<br />

kam beim Finale zu den zwei klassischen Durchgängen hinzu.<br />

Besonderheit dieses Jahres: Die Vorlagen <strong>für</strong> den modernen Teil<br />

stammten ausnahmslos von Meisterchoreograph Jirí Kylián.<br />

Strenge Vorauswahl<br />

Während in den letzten Jahren am Ballettwettbewerb in Lausanne<br />

jeweils weit über hundert Mädchen und Jungen teilnahmen,<br />

waren es diesmal nur 66. Grund <strong>für</strong> die Reduktion: Aus 154<br />

Anmeldungen hatte die vorbereitende Kommission bereits eine<br />

Auswahl getroffen, und zwar aufgrund von eingeschickten, persönlichen<br />

Videos, die sich ihrerseits auf DVD-Aufnahmen stützten.<br />

Dort waren alle klassischen und zeitgenössischen Variationen aufgezeichnet,<br />

die <strong>für</strong> den Wettbewerb gewählt werden konnten,<br />

vorgetanzt von Solistinnen wie Kusha Alexi oder Lisa-Maree Cullum<br />

und von Principals wie Marcelo Gomes oder Ivan Putrov.<br />

Unter den 50 Tänzerinnen und 16 Tänzern aus 25 Nationen,<br />

die den Wettbewerb <strong>2006</strong> in Lausanne schließlich bestritten,<br />

hatten die Asiaten von Anfang an die Nase weit vorn, zahlen-<br />

und begabungsmäßig. 22 Mädchen und fünf Jungen aus<br />

Der 16-jährige Student der Royal Ballet School in London<br />

Sergiy Polunin (Ukraine) war der diesjährige Hauptsieger<br />

in Lausanne. (Foto: Jean-Bernard Siebe)<br />

Japan, Südkorea und China – also aus ganz verschiedenen politischen<br />

Systemen – waren dabei. Besonders die Mädchen sahen<br />

aus, als wären sie bereits als kleine Giselles oder Dornröschen<br />

auf die Welt gekommen. Zum passenden Aussehen bringen<br />

sie hohe Disziplin, Kultiviertheit und die berühmt-berüchtigte<br />

Nachahmungskunst der Asiaten mit.<br />

Der Ansturm aus den ex-kommunistischen Oststaaten hielt sich<br />

verglichen mit früher in Grenzen: Neben dem siegreichen Ukrainer<br />

Polunin traten in Lausanne nur drei weitere Tänzer und ebenso<br />

viele Tänzerinnen aus Russland, Polen und Bulgarien auf. Und<br />

Deutschland? War im Wettbewerb so wenig vertreten wie das<br />

Gastgeberland Schweiz! Die Verantwortlichen, allen voran der<br />

neue Schweizer Präsident Charles Gebhard,<br />

bedauern dies zutiefst. Man ringt<br />

nach Begründungen. Fühlen sich die Jugendlichen<br />

überfordert? Entwickeln sie<br />

zu wenig Ehrgeiz? Sind Ausbildungsstipendien<br />

hierzulande auf anderem Weg<br />

einfacher zu holen? Ist der Prix de<br />

Lausanne zu altmodisch und verkitscht?<br />

Kontakt mit Superprofis<br />

Der Vorwurf »verstaubt« trifft die heutigen<br />

Verhältnisse jedenfalls kaum mehr.<br />

Nicht nur die Auswahl der Stücke ist<br />

transparenter geworden, auch die öffentlichen<br />

Auftritte wirken nüchterner und<br />

professioneller arrangiert als früher. Im<br />

Finale tragen die Mitwirkenden nur in<br />

einer der drei Variationen noch Bühnenkostüme<br />

samt Firlefanz; sonst begnügen<br />

sie sich mit besserer Trainingskleidung.<br />

Unter den Mädchen und Jungen (auch<br />

unter den Müttern und Lehrpersonen!)<br />

hinter den Kulissen herrscht weniger<br />

Hysterie. Es fließen seltener Tränen. Bei<br />

der Preisverleihung wird auf Dankesknickse<br />

und Küsschen rundum verzichtet.<br />

Und, nebenbei gesagt: Die angereisten internationalen Journalisten<br />

werden auch nicht mehr wie früher mit Aufenthalten im Luxushotel<br />

verwöhnt.<br />

Mitmachen beim Prix de Lausanne lohnt sich <strong>für</strong> die 15- bis<br />

18-Jährigen alleweil, auch wenn sie keinen Preis gewinnen.<br />

Sie kamen diesmal kostenlos zu einwöchigem Unterricht bei<br />

Koryphäen wie Monique Loudières, Paola Cantalupo, Megumi<br />

Nakamura, Sergiu Stefanschi oder – <strong>für</strong> zeitgenössischen Tanz<br />

– beim Schweizer Samuel Würsten, Leiter der Rotterdamer<br />

Tanzakademie. In der Jury unter John Meehan wirkten Maina<br />

Gielgud, Marianne Kruuse oder Ted Brandsen mit. Rollenstudium<br />

mit Profis, eine Kontaktbörse mit Ballettfachleuten aus aller<br />

Welt, mindestens Teildeckung der anfallenden Kosten: Das<br />

müsste eigentlich auch <strong>für</strong> Deutsche und Schweizerinnen attraktiv<br />

sein. ■<br />

Die Preise<br />

Die sechs Hauptpreise (Stipendien und Barbetrag) gingen an:<br />

1) Sergiy Polunin, Ukraine; er gewann auch den Preis des<br />

Publikums. 2) Chengwu Guo, China; er erhielt zusätzlich den<br />

Nebenpreis <strong>für</strong> die bestinterpretierte zeitgenössische Variation.<br />

3) Hyang Gee Hong, Südkorea. 4) Vadim Muntagiro,<br />

Russland. 5) Shino Mori, Japan. 6) Yijing Zhang, China.<br />

Ballett Intern 2/<strong>2006</strong> 21


Szene aus Thomas Lehmens »Lehmen lernt«<br />

(© Theaterhaus Stuttgart)<br />

Angst essen Tanz auf<br />

Die siebte deutsche Tanzplattform<br />

<strong>2006</strong> in Stuttgart<br />

Angela Reinhardt<br />

Als »Forum zur Präsentation aktueller Tendenzen im zeitgenössischen<br />

Tanz« gastiert die deutsche Tanzplattform seit 1994 alle<br />

zwei Jahre in einer anderen Stadt. Das Fachtreffen der zeitgenössischen<br />

Tanzszene ist gleichzeitig eine Art Markt, auf dem<br />

die freien Gruppen und Choreographen aus Deutschland Kontakte<br />

mit internationalen Veranstaltern knüpfen können. Mit 480<br />

akkreditierten Teilnehmern aus 38 Ländern und 8.000 Zuschauern<br />

schlug die siebte Tanzplattform vom 22. bis 26. Februar in<br />

Stuttgart alle bisherigen Rekorde. Insgesamt 19 große und kleine<br />

Produktionen oder Ausschnitte gastierten in den großen und kleinen<br />

Sälen des Stuttgarter Theaterhauses.<br />

Ob die großen Namen aus Berlin diese Art von Promotion<br />

noch brauchen, sei dahingestellt; die bühnentechnisch enorm auf-<br />

16.– 30. JULI LUGLIO <strong>2006</strong><br />

22. Internationales Kurs- und Tanzfestival<br />

Jazz, Musical: Carole Alston (USA),<br />

Dick O’Swanborn (NL)<br />

Orientalischer Tanz: Amoura (USA)<br />

Ballett: Gillian Anthony,<br />

Elaine C. Holland (GB), Boris Nebyla (SK)<br />

Flamenco: Brigitta Luisa Merki (CH),<br />

Belén Cabanes (E)<br />

Afro Contemporary: Bob Curtis (USA)<br />

Jazz: Anne Marie Porras (F),<br />

Gianluca Girolami (I)<br />

Pilates, Gyrokinesis: Apollonia Holzer (A)<br />

Hip Hop: Nina Kripas (A), Fabrizio Lolli (I)<br />

Hip Hop, Funky: Andy Lemond (CAN)<br />

Modern: Nancy Lushington (USA),<br />

Natalia Viñas Roig (E)<br />

Latin Jazz: Rosy Néri-Calheiros (BR)<br />

Contemporary: Vicente Sáez (E)<br />

Samba, Afro Brasil: Ivan Vasconcellos (BR)<br />

Pädagogenseminar: Ulla Wenzel (D)<br />

Eine gemeinsame Initiative<br />

Südtiroler Kulturinstitut<br />

Neues Stadttheater Bozen<br />

TANGO SPECIAL (28.-30. Juli <strong>2006</strong>):<br />

Esteban Moreno y Claudia Codega<br />

Fernando Galero y Vilma Vega<br />

musicalizador: Patricio Lolli<br />

Ballett: Gillian Anthony,<br />

Elaine C. Holland (GB)<br />

Jazz: Gianluca Girolami (I)<br />

Hip Hop: Nina Kripas (A), Fabrizio Lolli (I)<br />

Kreativer Kindertanz: Ulla Wenzel (D)<br />

Programmänderungen vorbehalten<br />

Mehr Infos unter: Tel. +39 0471 313 800 www.bolzanodanza.it<br />

wendigen Produktionen von Sasha Waltz und Meg Stuart zogen<br />

aber natürlich viel Publikum an. Waltz enttäuschte milde mit ihrer<br />

Katastrophenvision »Gezeiten«, Stuart mit ihrem grell um sich<br />

selbst rotierenden Monsterstück »Replacement« schon heftiger.<br />

Originelles war bei den bescheidener dimensionierten Produktionen<br />

zu entdecken, etwa bei den deutschen Tanz-Talkern wie<br />

Thomas Lehmen und seiner Uraufführung »Lehmen lernt«, oder bei<br />

Martin Nachbar und Jochen Roller mit »mnemonic nonstop«. Alle<br />

drei arbeiten mit viel Text und bewahren im Gegensatz zu den<br />

düsteren Zukunftsvisionen einen trockenen, ironischen Bezug zum<br />

Alltag – Lehmen als philosophierender Kunst-Clown und Nachbar/Roller<br />

als Reisende durchs absurde Dickicht der Städte.<br />

Eine echte Entdeckung war die Berliner Splintergroup mit ihrem<br />

Stück »Lawn«. Die drei Australier geben als eine von wenigen<br />

freien Gruppen die Magie des Theaters nicht auf, bei ihnen<br />

bricht das Surreale witzig bis grässlich in den grauen Mietwohnungsalltag<br />

ein.<br />

Ein weiteres Hauptthema neben der Angst waren die Geschlechterrollen.<br />

Die meisten zeitgenössischen Produktionen kommen<br />

nicht mehr ohne den Einsatz von Film, Projektionen, Sprache,<br />

Computertechnik oder Bildender Kunst aus, es gab auch<br />

Stücke <strong>für</strong> dezidierte Nicht-Tänzer von Xavier Le Roy oder der<br />

Gruppe She She Pop. Oft, zu oft erschöpft sich eine Performance<br />

in einer einzigen visuellen, philosophischen oder gesellschaftskritischen<br />

Idee, die dann eine Stunde lang ausgebreitet wird. Auf<br />

die zunehmend wichtigere Rolle der tänzerischen Arbeit mit<br />

Jugendlichen wiesen ein mehrtägiger Workshop mit dem »Rhythm<br />

is it!«-Choreographen Royston Maldoom und das Gastspiel<br />

»adieu« von Ives Thuwis aus Düsseldorf hin.<br />

Zum ersten Mal waren auch Staatstheater-Compagnien zur<br />

Tanzplattform eingeladen, aus Mannheim, Nürnberg, Saarbrücken<br />

und Stuttgart. Sie zeigten an einem Abend mehr Tanz als in<br />

den viereinhalb Tagen zuvor zu sehen war – allerdings auch genau<br />

den Tanz, gegen den die zeitgenössischen Choreographen<br />

seit Jahren wütend antanzen, nämlich die hübsch arrangierte Beliebigkeit,<br />

in diesem Fall von Kevin O‘Day aus Mannheim.<br />

Begleitet wurde die Tanzplattform von einem umfangreichen<br />

Rahmenprogramm: Die Berliner Theaterwissenschaftlerin Gabriele<br />

Brandstetter leitete ein Dramaturgie-Labor, jeden Mittag fanden<br />

Diskussionsrunden statt, und eine Ausstellung bot ersten Einblick<br />

in das große Porträt-Projekt, das die Berliner Fotografin<br />

Bettina Stöß im Auftrag des Deutschen Tanzarchivs Köln erarbeitet<br />

– großformatige Porträts all jener Menschen, die »den Tanz in<br />

Deutschland bewegen«: Choreographen, Tänzer, Intendanten,<br />

Kritiker, Dramaturgen, Fotographen, Wissenschaftler und Kulturpolitiker.<br />

Seit 30 Jahren in Nordrhein-Westfalen<br />

Zwei Ballettschulen<br />

mit je 100 qm Ballettsaal,<br />

solidem Kundenstamm<br />

und großem Kostümfundus aus<br />

privaten Gründen zu verkaufen.<br />

Interessenten wenden sich unter Chiffre 01-2-<strong>2006</strong><br />

an den Deutschen <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> Tanzpädagogik<br />

Hollestr. 1 – 45127 Essen<br />

22 Ballett Intern 2/<strong>2006</strong>


Tanz in Bozen – Bolzano Danza<br />

Edith M. Wolf Perez zur<br />

künstlerischen Leiterin bestellt<br />

21 Jahre lang lag die künstlerische Verantwortung <strong>für</strong> das Kursprogramm<br />

des Festivals »Tanz in Bozen« – vormals »Ballettsommer<br />

Bozen« – in den Händen von Ulrich Roehm, der den Sommertanzkurs<br />

aufgebaut und zu einer international angesehenen<br />

Veranstaltung gemacht hat. Bereits im Jahr 2005 war Edith M.<br />

Wolf Perez aus Wien als künstlerische Beraterin im Organisationskomitee<br />

von »Tanz in Bozen« vertreten und wird nun <strong>für</strong><br />

<strong>2006</strong> als künstlerische Leiterin das Kursprogramm weiterführen.<br />

1985 fand der erste »Ballettsommer Bozen« statt, zu dessen<br />

künstlerischem Leiter Ulrich Roehm berufen wurde, der sich dieser<br />

Aufgabe mit großer Sachkenntnis und viel Begeisterung gewidmet<br />

hat. Großen Wert hat Ulrich Roehm stets darauf gelegt, dass<br />

die Dozentinnen und Dozenten des »Ballettsommers Bozen« nicht<br />

nur hervorragende Tänzer, sondern auch gute Pädagogen sind.<br />

Das Angebot wurde im Lauf der Jahre kontinuierlich erweitert;<br />

lag in den ersten Jahren das Hauptaugenmerk auf dem klassischen<br />

Tanz, so kamen im Lauf der Jahre immer wieder neue<br />

Stile, Techniken und Tanzarten dazu. Der Dank <strong>für</strong> seinen Einsatz<br />

und der Beweis da<strong>für</strong>, dass sein Konzept den Bedürfnissen der<br />

Teilnehmer entgegenkommt, sind konstant steigende Teilnehmerzahlen<br />

sowie Tanzbegeisterte, die über viele Jahre hinweg teilnehmen.<br />

Aus dem anfänglich bescheidenen Sommertanzkurs ist<br />

längst eine renommierte Tanzveranstaltung geworden, die im In-<br />

und Ausland viel Beachtung findet.<br />

Nach dem Jubiläumsjahr des 20-jährigen Bestehens im Jahre<br />

2004 entschloss sich Ulrich Roehm im Einvernehmen mit dem Vorstand<br />

des SKI, die künstlerische Verantwortung fließend in jüngere,<br />

doch ebenso versierte Hände zu übergeben. So wird <strong>für</strong> die 22. Ausgabe<br />

des Sommertanzkurses Edith M. Wolf Perez die künstlerische<br />

Leitung übernehmen. Wolf Perez ist bereits seit ca. 15 Jahren dem<br />

»Tanz in Bozen« durch diverse Zusammenarbeit verbunden.<br />

Edith M. Wolf Perez absolvierte ihre Tanzausbildung am Laban<br />

Centre in London. Sie arbeitete als Tänzerin, Tanzpädagogin<br />

und -therapeutin in London, Berlin und Wien, bevor sie ihren<br />

Schwerpunkt im Journalismus fand. Sie war Mitbegründerin und<br />

leitende Redakteurin der Zeitschrift tanz Affiche, seit 2001 des<br />

Onlinemagazins tanz.at. Sie war langjähriges Mitglied im Beirat<br />

<strong>für</strong> Bühnentanz im Kulturamt der Stadt Wien, seit zwei Jahren<br />

im Kulturamt der Stadt Graz. Ihr Fachwissen setzt sie zur Zeit<br />

auch als PR-Beraterin und Projektmanagerin <strong>für</strong> verschiedene Kulturinstitutionen<br />

ein.<br />

Tanz in Bozen <strong>2006</strong> wird in der Zeit vom 16. bis zum 29.<br />

Juli <strong>2006</strong> stattfinden, und alle Freunde und Teilnehmer des Festivals<br />

dürfen sich wieder auf ein abwechslungsreiches, qualitätvolles<br />

Kursprogramm freuen. »Ulrich Roehm hat ein großartiges<br />

Festival ins Leben gerufen, mit dessen Namen ein hochkarätiges<br />

professionelles Lehrerteam verbunden ist. Daher sehe ich meine<br />

Aufgabe darin, die pädagogische Qualität und künstlerische<br />

Vielfalt von ›Tanz in Bozen‹ zu erhalten und auszubauen«, sagt<br />

Edith Wolf Perez.<br />

Dr. Peter Silbernagl Dr. Sigrid Hafner .<br />

Südtiroler Kulturinstitut<br />

gut eingeführte<br />

Ballettschule<br />

im Zentrum Bremens zu verkaufen<br />

Tanzstudio<br />

in Bochum<br />

mit festem Kundenstamm zu verkaufen,<br />

Preis nach Vereinbarung.<br />

Interessenten wenden sich unter Chiffre 05-2-<strong>2006</strong><br />

an den Deutschen <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> Tanzpädagogik<br />

Hollestr. 1 – 45127 Essen<br />

Ballett Intern 2/<strong>2006</strong> 23<br />

➠<br />

Ballettschule<br />

im Raum Hannover<br />

aus privaten Gründen zu verkaufen,<br />

seit über zehn Jahren bestehend,<br />

mit ca. 150 Schülern und einem Kostümfundus,<br />

Einarbeitung möglich.<br />

Interessenten wenden sich unter Chiffre 02-2-<strong>2006</strong><br />

an den Deutschen <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> Tanzpädagogik<br />

Hollestr. 1 – 45127 Essen<br />

» » Ballettschule<br />

aus familiären Gründen zu verkaufen.<br />

Im Großraum Stuttgart (Süden),<br />

»»» Ballett, Kindertanz,<br />

»»» sehr gut eingeführt und ausbaufähig,<br />

»»» Einarbeitung möglich,<br />

»»» besonders geeignet <strong>für</strong> (Ehe-)Paar,<br />

»»» Kaufpreis auf Anfrage.<br />

Interessenten wenden sich unter Chiffre 03-2-<strong>2006</strong><br />

an den Deutschen <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> Tanzpädagogik<br />

Hollestr. 1 – 45127 Essen<br />

ca. 120 Schüler, ausbaufähig,<br />

besteht seit über 25 Jahren,<br />

Fächer: Ballett, Jazztanz, Pilates<br />

Einarbeitung möglich<br />

Übergabe zum Sommer <strong>2006</strong><br />

Interessenten wenden sich unter Chiffre 04-2-<strong>2006</strong><br />

an den Deutschen <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> Tanzpädagogik<br />

Hollestr. 1 – 45127 Essen


Frieden nach 100 Jahren<br />

Michaela Schlagenwerth<br />

Der Sonntag, 12. März <strong>2006</strong>, war ein historischer Tag <strong>für</strong> den<br />

Tanz. Nicht, dass man davon viel gemerkt hätte. Es ist, wie immer<br />

bei größeren Konflikten: Die Schlachten sind längst geschlagen,<br />

jetzt kommt man friedlich an einem Sonntagnachmittag zusammen.<br />

Ein paar Honoratioren reden, man stößt mit Sekt an, und in<br />

diesem Fall gründet man offiziell ein gemeinsames Forum, dem<br />

alle führenden Tanzorganisationen Deutschlands angehören.<br />

Ab sofort will man in der Kulturpolitik mit »einer Stimme« sprechen.<br />

»Ständige Konferenz Tanz« nennt sich das Forum etwas<br />

banal, tatsächlich aber ist es die offizielle Beilegung eines mehr<br />

als hundert Jahre schwelenden Konflikts. Denn damals entstand<br />

der moderne Tanz explizit als Gegenbewegung zum klassischen<br />

Ballett, das man als »Unterjochung«, als »wider die menschliche<br />

Natur« beschimpfte. Der moderne Tanz dagegen wollte nur das<br />

Beste <strong>für</strong> den Menschen, was <strong>für</strong> die jungen Pioniere in eins fiel<br />

mit »Natürlichkeit«. Man experimentierte mit Bewegungen, die<br />

»mit dem Atem« und »mit der Schwerkraft« gehen sollten.<br />

Beide Richtungen waren sich spinnefeind und gingen nicht<br />

gerade zimperlich miteinander um. Ballettkollegen hielten die<br />

Tänzerinnen aus der modernen Abteilung <strong>für</strong> »ungraziös« und<br />

»plump«, und das waren noch die harmlosen Umschreibungen.<br />

Die weltberühmte Pina Bausch wurde in den siebziger Jahren<br />

von empörten Ballettomanen an den Haaren gezogen, und noch<br />

in den achtzigern waren selbst die Kritiker entweder <strong>für</strong> das Ballett<br />

oder <strong>für</strong> den modernen Tanz. Ja, zuweilen waren dies sogar<br />

zwei verschiedene Berufe!<br />

Aber in all diesen Jahrzehnten hat auch eine Annäherung stattgefunden.<br />

Klassische Tänzer begannen moderne Techniken zu<br />

erlernen, weil diese ihnen halfen, noch höher in die Lüfte zu springen.<br />

Und moderne Tänzer befassten sich mit klassischer Technik,<br />

um nicht als Schlaffis auf der Bühne zu hängen. Auch ästhetisch<br />

näherte man sich – wenn auch unter Schmerzen – einander an.<br />

Und am Ende begriff man auch politisch, dass man sich gegenseitig<br />

das Wasser abgräbt, wenn man nicht geschlossen auftritt.<br />

Tanz, als jüngste Kunst, rangiert sowieso oft weit hinten. Heute<br />

gilt es Gräben zuzuschütten zwischen freien und städtischen<br />

Compagnien, es gilt Moderne und Klassik noch näher zueinander<br />

zu bringen. 70 Ballettcompagnien gibt es an den insgesamt<br />

150 öffentlich getragenen Theatern Deutschlands. Mit Ausnahme<br />

der wenigen großen Ensembles sind alle noch den Theater-<br />

oder Opernintendanten unterstellt. Aber schon seit einigen Jahren<br />

werden die Weichen neu gestellt. Die Gründung der<br />

»Ständigen Konferenz Tanz« ist – zumindest vorläufig – der Abschluss<br />

eines langen Weges. ■<br />

Der Gründungsvorstand<br />

Claudia Feest (Gesellschaft <strong>für</strong> Tanzforschung), Michael Freundt (Geschäftsführung<br />

SK Tanz), Heide-Marie Härtel (Deutsches Tanzfilminstitut<br />

Bremen), Walter Heun (Bay. Landesverband <strong>für</strong> Zeitgenöss. Tanz), Gabriele<br />

Naumann-Maerten (pers. Mitglied SK Tanz), Anne Neumann-Schultheis<br />

(Gesellschaft <strong>für</strong> Zeitgenössischen Tanz NRW e.V./NRW Landesbüro<br />

Tanz), Ulrich Roehm (Vorsitzender des Deutschen <strong>Berufsverband</strong>es<br />

<strong>für</strong> Tanzpädagogik e.V. und des Vereins zur Förderung der Tanzkunst in<br />

Deutschland e.V.) und Christiane Theobald (BBKT/Staatsballett Berlin)<br />

FolkwangHochschule > Zeitgenössische Tanzausbildung | Choreographie | Tanzpädagogik<br />

| Tanzschrift > praxisnah | kreativ | fordernd | aufregend | sinnlich > Projekte 05/06:<br />

Pina Bausch | Malou Airaudo | Stefan Brinkmann | Susanne Linke | Junge Choreographen<br />

> Gastdozenten: Germaine Acogny | Juan Kruz Diaz de Garaio Esnaola | Norbert Steinwarz<br />

| Susanne Linke > Aufnahmeprüfungen 3. – 6. Juli <strong>2006</strong> | Anmeldeschluss 1. April <strong>2006</strong><br />

FolkwangHochschule<br />

Anmeldeformulare unter: www.folkwang-hochschule.de<br />

Folkwang Hochschule | Klemensborn 39 | 45239 Essen<br />

24 Ballett Intern 2/<strong>2006</strong>


Auch im Frühjahr und<br />

Sommer <strong>2006</strong> lädt der<br />

DBfT zu seinen beliebten<br />

Sommertanzwochen ein:<br />

Ballett Intern 2/<strong>2006</strong> 25


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