08.01.2013 Aufrufe

Ballett Intern 2/2008 - Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik

Ballett Intern 2/2008 - Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik

Ballett Intern 2/2008 - Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

BALLETT INTERN<br />

Herausgeber: <strong>Deutscher</strong> <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong> e. V. – Heft 82/31. Jg. – Nr. 2/April <strong>2008</strong> – ISSN 1864-1172


Studierende der <strong>Ballett</strong>schule des HAMBURG BALLETT tanzen »Yondering«<br />

2 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>


Für das <strong>Ballett</strong> geboren<br />

John Neumeier erhält den<br />

Deutschen Jubiläums-Tanzpreis <strong>2008</strong><br />

Von Manfred Krause<br />

Der Verein zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland musste<br />

den Superstar nicht erst suchen. Er hat ihn längst gefunden: John<br />

Neumeier, seit Jahrzehnten leuchtender Stern am internationalen<br />

Choreographen-Himmel. Bereits 1988 zeichnete der Deutsche<br />

<strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong> den langjährigen Intendanten<br />

und Chefchoreographen des Hamburg <strong>Ballett</strong> <strong>für</strong> seine vielfältigen<br />

Verdienste mit dem Deutschen Tanzpreis aus.<br />

Die traditionsreiche Ehrung, die 1983 mit Tatjana Gsovsky<br />

und Gret Palucca begann und so illustre Namen wie Marcia<br />

Haydée, Konstanze Vernon, Hans van Manen, Maurice Béjart,<br />

Pina Bausch und Hans-Werner Henze vereint, fand jetzt in der<br />

restlos ausverkauften <strong>Ballett</strong>-Gala im Essener Aalto-Theater einen<br />

neuen Höhepunkt. Wieder gilt in diesem Jahr die Aufmerksamkeit<br />

John Neumeier, der die Jubiläums-Auszeichnung <strong>für</strong> sein Lebenswerk<br />

erhielt. Nicht weniger als 137 Choreographien künden<br />

von einem rastlosen Schaffen, das auf weltweite Bewunderung<br />

stößt. Fast ein halbes Jahrhundert bewegt sich John Neumeier<br />

auf einer ununterbrochenen Erfolgsschiene.<br />

Elf Choreographien des Meisters reihten sich zu einer schillernden<br />

Perlenschnur, die alle Facetten seiner tänzerischen Schöpferkraft<br />

umfasst. Gleich zu Beginn brillierte die <strong>Ballett</strong>schule des<br />

Hamburg <strong>Ballett</strong>, die Neumeier vor 30 Jahren ins Leben rief<br />

und die er seither leitet, mit »Yondering«, einem Kaleidoskop der<br />

Lebensfreunde. Neumeier kehrt mit diesem mehrteiligen <strong>Ballett</strong><br />

zu seinen Wurzeln zurück, taucht ein in die amerikanische Pionierzeit<br />

und macht den Aufbruch in das unbekannte Abenteuer<br />

auf überwiegend heitere Weise transparent. Sprudelnder Humor<br />

und witzig sportive Pointen wechseln mit elegischen Momenten<br />

voller Raffinement. Der hohe Leistungsstand des Nachwuchses,<br />

der seit nunmehr 30 Jahren in Neumeiers Schule gesteigert wird,<br />

peilt Weltniveau an.<br />

Nach diesem Ausflug in das Land der Liebe, der vielschichtigen<br />

menschlichen Beziehungen, öffnet sich an diesem festlichen<br />

Abend noch zehn Mal der Vorhang <strong>für</strong> Pas de deux’ der Spitzenklasse.<br />

Neumeiers weit gefächerte künstlerische Bandbreite passierte<br />

da Revue. Auf kesser Sohle, in Frack und mit Zylinder kam<br />

»Shall we dance?« mit Silvia Azzoni und Alexandre Riabko vom<br />

Hamburg <strong>Ballett</strong> daher. Als Kontrapunkt zu dieser effektvollen<br />

Eleganz war in »1963: Yesterday« zur rhythmisch suggestiven<br />

Musik der Beatles eher die Anverwandlung klassischer Muster<br />

zu erkennen. Die Solisten des Königlich Dänischen <strong>Ballett</strong>s Kopenhagen<br />

Silja Schandorff und Sebastian Kloborg zeigten eine<br />

spielerische Collage der Gegensätze.<br />

»Die Kameliendame« gab sich mit dem Pas de deux aus dem<br />

2. und 3. Akt gleich zweimal die Ehre. 1978 von Neumeier<br />

<strong>für</strong> Marcia Haydée geschaffen und mit ihr auch verfilmt, gehört<br />

dieses ergreifende Handlungsballett zu den Juwelen in der reichen<br />

Kollektion. Mit schicksalsergebener Noblesse schlägt das<br />

Solistenpaar des Stuttgarter <strong>Ballett</strong>s (Sue Jin Kang und Marijn<br />

Rademaker) anrührende Töne voller Zärtlichkeiten und Innigkeit<br />

an. Noch intensiver verstehen es Lucia Lacarra vom Bayerischen<br />

Staatsballett und Roberto Bolle von der Mailänder Scala die<br />

gleichen Partien zu gestalten, in den heftigen Gefühlsschwankungen<br />

zwischen Euphorie und Resignation.<br />

Wie weit Neumeier den choreographischen Bogen zu spannen<br />

weiß, bezeugen die poesievolle »Möwe«, die mit Valeria<br />

Mukhanova und Dmitry Khamzin vom Stanislavsky <strong>Ballett</strong> aus Mos-<br />

oben: Sue Jin Kang und<br />

Marijn Rademaker in<br />

»Die Kameliendame«<br />

links: Silja Schandorff<br />

und Sebastian Kloborg<br />

in »1963: Yesterday«<br />

<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 3


kau auf die Aalto-Bühne flatterte, die geschmeidig raumgreifende<br />

»A Cinderella Story« vom Bayerischen Staatsballett, mit Ivy Amista<br />

und Lukáš Slavický ideal besetzt, sowie die umjubelte »Sylvia«,<br />

ein Powerpaket von verblüffendem Temperament, getanzt von<br />

Laëtitia Pujol und Manuel Legris vom <strong>Ballett</strong> der Pariser Oper.<br />

Auf den Grund des Meeres, wo man die Wellenbewegungen<br />

zu spüren scheint und die Verschlingungen der Körper fast<br />

in Zeitlupe erstarren, führt »Die kleine Meerjungfrau«, ein märchenhafter<br />

Gegenpol zum »Opus 100 – for Maurice«, das sich<br />

augenzwinkernd geheimnisvoll und mystisch präsentiert.<br />

Schluss mit lustig war zwischenzeitlich aber endgültig mit<br />

»Endstation Sehnsucht«. Beängstigende Formen der Gewalt<br />

nimmt die handfeste Auseinandersetzung zwischen Stanley und<br />

Blanche an. Katja Wünsche und Jason Reilly vom Stuttgarter <strong>Ballett</strong>,<br />

beide Träger des Deutschen Tanzpreises »ZUKUNFT« der<br />

Vorjahre, bieten ein artifizielles Psychogramm im Geschlechterkampf.<br />

Wenn die laszive Blondine und der Macho im roten Satin<br />

wie aus dem Bilderbuch auf offener Szene zusammentreffen,<br />

kommt jede Hilfe zu spät. Diese enorme Körperbeherrschung<br />

schwingt sich zu zirzensischen Dimensionen auf.<br />

Von Bewunderung <strong>für</strong> den ungeheuer schöpferischen Künstler<br />

strotzten auch die Lobreden der Gala. Auf die frühe Karriere des<br />

Wunderkindes, das von der »guten Fee« Marcia Haydée an die<br />

Hand genommen wurde und in Frankfurt zum jüngsten <strong>Ballett</strong>chef<br />

Deutschlands avancierte, ging Ulrich Roehm, Vorsitzender<br />

der beiden veranstaltenden Vereine, mit zufriedenem Schmunzeln<br />

ein. Innerhalb kürzester Zeit habe er aus Hamburg ein <strong>Ballett</strong>zentrum<br />

ersten Ranges gemacht. Er zitierte Maurice Béjart,<br />

wonach Neumeier ein zeitloses Kind und ein weiser Mann sei,<br />

ein Zauberer. John sei nicht von dieser Welt.<br />

Die große Marcia Haydée, seit ewigen Zeiten Weggefährtin<br />

des Preisträgers, verschmähte bei ihrer Laudatio das Rednerpult.<br />

Leger setzte sie sich einfach auf die Bühnenrampe und ließ ihre<br />

legendären Beine baumeln. So war sie ihm in der ersten Reihe,<br />

mehr oder weniger eingerahmt von den Preisträgern früherer Jahre<br />

Reid Anderson, Philippe Braunschweig, Birgit Keil und Horst<br />

Koegler, besonders nahe. »Du bist einfach ein Genie. Alles, was<br />

Du machst, ist genial. Du bist einer der bedeutendsten Choreographen<br />

aller Zeiten. Du bist ein Phänomen!«, rief sie ihm zu.<br />

Und dann geriet sie weiter ins Schwärmen. Über den »tollen<br />

Tänzer«, der in Stuttgart mit »höchster Konzentration und Intensität«<br />

beim Training gewesen sei. Sie erinnerte an die gemeinsame<br />

Arbeit mit Maurice Béjart bei Ionescos »Die Stühle«, die bei<br />

Neumeiers erster Preisverleihung im Grillo-Theater von beiden<br />

getanzt wurden. Nach den Worten »Du sollst nie aufhören. Ich<br />

danke dir. Du bist mein Freund«, fielen sich beide minutenlang in<br />

die Arme. Das tief bewegte Publikum, darunter die <strong>Ballett</strong>chefs<br />

Ivan Liška (München), Birgit Keil (Karlsruhe), Heinz Spoerli (Zürich),<br />

Xin Peng Wang (Dortmund), Bernd Schindowski (Gelsenkirchen),<br />

Martin Puttke (Essen) und sein designierter Nachfolger<br />

Ben van Gauwenberg, reagierte mit Standing Ovation.<br />

In seiner Dankesrede gestand der gebürtige Amerikaner John<br />

Neumeier, dass er eigentlich nur durch Zufall in Deutschland geblieben<br />

sein. Denn er liebäugelte mit dem New York City Ballet,<br />

aber sein Brief an George Balanchine blieb unbeantwortet ...<br />

Offenbar hat er es nicht bereut und ist stolz darauf, dass er als<br />

inzwischen deutscher Staatsbürger jüngst an der Hamburg-Wahl<br />

teilnehmen konnte.<br />

Unter großem Beifall stellte der Präsident des Deutschen Bundestages<br />

Norbert Lammert fest, der Deutsche Tanzpreis sei die<br />

schönste und würdigste Kulturpreis-Verleihung in Deutschland.<br />

Und das sage er nicht nur im Ruhrgebiet. Als Schirmherr des<br />

Vereins zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland bedauere er,<br />

Dmitry Khamzin in »Die Möwe«<br />

4<br />

Ivy Amista und Luka´s Slyavický<br />

in »A Cinderella Story«<br />

<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>


dass die Tanzsparte oft im Windschatten großer kultureller Ereignisse<br />

stehe. Deshalb sei die Preisverleihung in einer etablierten<br />

Gala so wichtig. Niemand habe daran einen größeren Anteil<br />

als Ulrich Roehm. Ohne ihn gäbe es dieses grandiose Ereignis<br />

nicht. In seiner launigen Begrüßung wünschte Lammert dem<br />

Tanzpreis <strong>für</strong> die nächsten 25 Jahre nur das Beste und versprach,<br />

künftig den Tanz mit keiner Rede mehr aufzuhalten und die Tanzkunst<br />

nur von seinem Sessel aus zu genießen.<br />

Noch kürzer fasste sich Essens Oberbürgermeister Wolfgang<br />

Reiniger als Schirmherr der Verleihung des Deutschen Jubiläums-<br />

Tanzpreises <strong>2008</strong>. Er versicherte der »illustren Gästeschar«:<br />

»Zum unverwechselbaren Profil der Kulturhauptstadt Ruhr.2010<br />

gehört die Tanzstadt Essen!« ■<br />

ganz oben: Laëtitia Pujol und Manuel Legris in »Slyvia«<br />

oben: Silvia Azzoni und Carsten Jung in »Die kleine Meerjungfrau«<br />

oben rechts: Katja Wünsche und Jason Reilly in »Endstation Sehnsucht«<br />

Mitte rechts: Lucia Lacarra und Roberto Bolle in »Die Kameliendame«<br />

unten rechts: Alexandre Riabko und Peter Dingle in »OPUS 100 – for Maurice«<br />

<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 5


Begrüßung:<br />

Dr. Wolfgang Reiniger<br />

Oberbürgermeister der Stadt Essen<br />

und Schirmherr der Preisverleihung<br />

Einen schönen guten Abend, meine sehr verehrten Damen und<br />

Herren.<br />

Einmal wieder ein großer, ein ganz großer Abend hier in<br />

unserem wunderbaren Haus. Ich glaube die Voraussetzungen<br />

da<strong>für</strong> sind gegeben: ein großartiges Programm, ein Programm<br />

zugleich mit einer sehr komprimierten Möglichkeit, sich in das<br />

Werk von John Neumeier hineinzufinden. Großartige Künstler<br />

hier auf der Bühne, Tänzerinnen und Tänzer, eine illustre Gästeschar<br />

– bei den Namen, die Ulrich Roehm vorgetragen hat. Also,<br />

ich glaube, es ist nicht zu vermessen zu sagen, heute Abend ist<br />

gewissermaßen der Olymp der Tanzkunst hier in Essen, hier im<br />

Aalto-Theater versammelt.<br />

Ich freue mich sehr, dass an der Spitze gewissermaßen der<br />

Gästeschar Sie, Herr Bundestagspräsident Dr. Lammert, wieder<br />

dabei sind, wieder in Essen sind. Die Bandbreite Ihrer Präsenz<br />

in der Stadt – Fastenpredigt gestern, Tanzpreis-Verleihung heute<br />

– ist gewaltig. Aber wir wissen es sehr zu schätzen, dass Sie der<br />

Region, unserer gemeinsamen Region, Ihrer Region immer wieder<br />

Aufmerksamkeit schenken. Ich glaube, das ist auch ein sehr<br />

wichtiges Signal. Wir sind stolz darauf, dass unser Bundestagspräsident<br />

hier aus unserer Region, aus dem Ruhrgebiet stammt.<br />

Ein großer Abend ganz zweifellos, die Verleihung des Deutschen<br />

Jubiläums-Tanzpreises an jemanden, der ganz offenkundig<br />

da<strong>für</strong> prädestiniert ist. Verehrter Herr Neumeier, auch von mir<br />

herzliche Gratulation zu dieser Preisverleihung. Wir freuen uns<br />

und wir sind zugleich geehrt, dass wir Ihnen heute diesen Preis<br />

verleihen dürfen.<br />

Meine Damen und Herren, Ulrich Roehm hat vielen gedankt,<br />

zurecht: Ohne Freunde, ohne Unterstützer, ohne Förderer wären<br />

auch solche großartigen Ereignisse nicht möglich. Ich bin sicher,<br />

ich spreche auch <strong>für</strong> Sie alle, wenn ich nun ihm danke, wenn<br />

ich Ulrich Roehm danke. Für seine Unermüdlichkeit, <strong>für</strong> seine<br />

Tatkraft, mit der er das seit – inzwischen kann man ja nun sagen<br />

– Jahrzehnte vorbereitet und immer wieder zum Erfolg führt. Und<br />

ich füge hinzu, auch zugleich ein Wort des Dankes an Ihre verehrte<br />

Gattin. An Sie beide ein herzliches Dankeschön.<br />

Meine Damen und Herren, zum unverwechselbaren Profil der<br />

Kulturhauptstadt 2010 gehört ganz zweifellos die »Tanzstadt<br />

Essen«. Ich bin sicher, dieser heutige Abend unterstreicht das<br />

einmal mehr. Darüber freuen wir uns und darauf sind wir stolz. Ihnen<br />

allen heute einen wunderschönen Abend hier Aalto-Theater!<br />

Vielen Dank! ■<br />

Begrüßung:<br />

Ulrich Roehm<br />

Vorsitzender des Vereins zur Förderung der<br />

Tanzkunst in Deutschland und des Deutschen<br />

<strong>Berufsverband</strong>es <strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong><br />

Liebe Mitglieder unseres Deutschen <strong>Berufsverband</strong>es<br />

<strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong> sowie<br />

des Vereins zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland,<br />

verehrtes Publikum,<br />

ein sehr, sehr herzliches Willkommen zu diesem festlichen Ereignis<br />

des 25-jährigen Bestehens des »Deutschen Tanzpreises«,<br />

das wir mit der Verleihung eines sehr außergewöhnlichen »Jubiläums-Tanzpreises«<br />

an eine ebenfalls außergewöhnliche Persönlichkeit<br />

unserer Tanzkunst heute in diesem schönen Aalto Theater<br />

feiern können.<br />

Darf ich sagen, dass Sie einer ebenfalls sehr außergewöhnlichen<br />

Gala beiwohnen: Star-Solisten acht großer <strong>Ballett</strong>-Compagnien<br />

und Studenten der <strong>Ballett</strong>schule des Hamburg <strong>Ballett</strong><br />

sind heute hier zusammengekommen und tanzen <strong>für</strong> unseren<br />

Preisträger und uns Ausschnitte, Highlights aus elf verschiedenen<br />

Choreographien aus dem Gesamtwerk von 137 Kreationen<br />

unseres Preisträgers.<br />

Das umfassende, breit gefächerte Spektrum seiner Werke<br />

können wir mit diesen Darbietungen verständlicherweise nur<br />

andeuten. Durch eine recht unglückliche Verknüpfung widriger<br />

Umstände musste Toronto seine Teilnahme bedauerlicherweise<br />

absagen – so wird »Yondering« allein von Hamburg getanzt!<br />

»Yondering« nannte John Neumeier dieses zauberhaft-tänzerische<br />

Werk, geschaffen <strong>für</strong> den jugendlichen Nachwuchs der<br />

National Ballet School of Canada und seiner Hamburger Schule,<br />

dem Sie soeben begeisterten Applaus spendeten. »Yondering«<br />

– »to yonder«, diese alte Bezeichnung aus der amerikanischen<br />

Pionierzeit meint das, was hinter der bereits erschlossenen<br />

Grenze liegt, außerhalb des Bekannten, einen Aufbruch aus dem<br />

»Settlement« – vielleicht könnte man es auf heute übertragen als<br />

6 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>


Aufbruch aus dem Establishment in das unbekannte Abenteuer.<br />

Welch’ zart andeutende, auch humorvoll sich annähernde<br />

erste Zuneigung – Liebe in den Duetten »Jeannie with the lightbrown<br />

hair« und »Molly, do you love me?«: Erstes »out-yondern«<br />

jugendlicher menschlicher Beziehungen in das noch unbekannte<br />

Abenteuer der Liebe!<br />

Verständlicherweise hatte ich in der letzten Zeit Gelegenheit,<br />

John Neumeier bei verschiedenen Anlässen, wie der Verleihung<br />

des Nijinsky Award in Monte Carlo, des Herbert von Karajan-<br />

Musikpreises in Baden-Baden sowie als Präsidenten der Jury<br />

des Prix de Lausanne <strong>2008</strong>, des von Philippe Braunschweig,<br />

unserem Tanzpreisträger 1997, gegründeten internationalen<br />

Jugend-Tanz-Wettbewerbs, vielleicht etwas mehr kennen zu lernen.<br />

Heute vor gerade vier Wochen beim Prix de Lausanne kam<br />

mir der Gedanke: »Yondering« ist der »Schicksals-Stern« über<br />

John Neumeiers Lebensweg! »Out yonder« mit gerade 21 Jahren<br />

aus seiner Heimat Milwaukee in das unbekannte Abenteuer der<br />

Welt-Metropole London, wo ihm seine »Fee« Marcia Haydée<br />

begegnet, ihn »an die Hand nimmt« in das weitere grenz-überschreitende<br />

Abenteuer ins Noch-Nachkriegs-Deutschland des<br />

Jahres 1963, in die gerade aufblühende <strong>Ballett</strong>-Welt John Crankos<br />

in Stuttgart. Darin sehe ich ein lebensbestimmendes Schicksal,<br />

so etwas kann kein Zufall sein, lieber John Neumeier! Mit<br />

jugendlichem Elan »yondered« er dort weiter als Tänzer, doch<br />

auch bereits als Bühnenbildner und Kostümbildner verschiedener<br />

Cranko-<strong>Ballett</strong>e, auch schon als Choreograph: Die Noverre-Gesellschaft,<br />

die in diesem Jahr ihr 50. Bestehen begehen kann, mit<br />

ihrem Initiator Fritz Höver – unserem Tanzpreisträger des Jahres<br />

2000 – ermöglicht ihm die ersten choreographischen Arbeiten,<br />

»Haiku«, uraufgeführt 1966, bezeichnet John Neumeier als seine<br />

erste wirkliche Choreographie: »Im Grunde ist ›Haiku‹ doch<br />

mein erstes Stück, obwohl ich schon vorher choreographiert<br />

habe. Es ist der Schlüssel <strong>für</strong> mein ganzes Werk« sagt er 1988.<br />

1969 folgt der nächste Schritt seines »Yonderings«: Mit nur 27<br />

Jahren wird er in Frankfurt der jüngste <strong>Ballett</strong>chef Deutschlands,<br />

und 1973 wagt er im Alter von 31 Jahren den Sprung als <strong>Ballett</strong>direktor<br />

an die Hamburgische Staatsoper, die nun seine Heimat,<br />

sein »Settlement« wird.<br />

Darf ich hier August Everding zitieren: »Ich wurde zum Opernintendanten<br />

von Hamburg berufen und suchte einen <strong>Ballett</strong>direktor.<br />

In Frankfurt sah ich <strong>Ballett</strong>e von John Neumeier und wusste,<br />

dass er mein Partner werden musste. Ich sah einen großen<br />

Choreographen am Werk, einen dramaturgischen Geschichtenerzähler,<br />

einen Ästheten und einen Genauigkeitsfanatiker, einen<br />

philosophischen Kopf, dem das Theatralische nicht abging. Wir<br />

wurden Partner, waren es gern. Er ist ein dunkles Sonntagskind<br />

und hat mich <strong>Ballett</strong> neu sehen gelehrt.«<br />

Und Hartmut Regitz sagte schon vor 20 Jahren in der Zeitschrift<br />

»Bühnenkunst«: »Wenn man bedenkt, wie viele Jahre John<br />

Cranko in Stuttgart noch benötigt hat, dort so etwas wie ein<br />

lokales <strong>Ballett</strong>bewusstsein zu schaffen, nimmt es einen Wunder,<br />

warum John Neumeier dazu (…) in Hamburg nicht einmal eine<br />

Spielzeit gebraucht hat, (…) es ist ihm innerhalb kürzester Frist gelungen,<br />

aus der Hansestadt ein weithin beachtetes <strong>Ballett</strong>zentrum<br />

zu machen. Intelligenz, Sensibilität, Einfallskraft und ein Wissen<br />

um Dinge, die am Theater möglich sind, haben Neumeier zu<br />

einem der erfolgreichsten <strong>Ballett</strong>direktoren der Bundesrepublik<br />

werden lassen, der oft unter schmerzlichem Verzicht auf die Erfüllung<br />

einer eigenen Tänzerkarriere bemüht war, seinem Ensemble<br />

die denkbar besten und fruchtbarsten Aufgaben zu bieten.«<br />

In Hamburg scheint auch jede neue Choreographie, jede<br />

neue Aufgabe weiterhin unter dem »Lebens-Stern« des »out-yon-<br />

dern« zu stehen. Aus der vorhandenen Compagnie formte er zu<br />

Beginn als erstes, wenn auch unter gewerkschaftlichem Protest,<br />

»sein« Ensemble. Nach nur fünf Jahren, 1978, wagte er einen<br />

weiteren Schritt ins unbekannte Neuland mit der Gründung<br />

einer, »seiner« Schule – und nach langen Verhandlungen segnete<br />

1985 der Hamburger Senat die Pläne <strong>für</strong> das großartige »<strong>Ballett</strong>zentrum<br />

Hamburg – John Neumeier« ab, das 1989 bezogen<br />

werden kann.1996 folgt mit der <strong>Ballett</strong>-Intendanz die autonome<br />

Verantwortung <strong>für</strong> »sein« Hamburg <strong>Ballett</strong>. Doch damit nicht<br />

genug, neben den umfassenden Aufgaben als <strong>Ballett</strong>intendant,<br />

Choreograph, Schulleiter und zeitweise auch noch Tänzer seiner<br />

großen Werke »yondered« er in den Aufbau seines Tanzarchivs,<br />

seiner Tanzbibliothek, seines Tanzmuseums, seiner Stiftung – eine<br />

Aktivität reicht der nächsten die Hand – John Neumeier »yondered«<br />

auch heute noch!<br />

Lassen Sie mich hier Neumeiers großen Freund, Maurice Béjart,<br />

dem wir 1994 den Deutschen Tanzpreis verliehen, zitieren<br />

aus seiner Laudatio <strong>für</strong> John Neumeier 1988: »(...) ich frage<br />

mich: Wer ist John Neumeier? Und ich denke, ich habe es nun<br />

entdeckt – John Neumeier ist ›E.T.‹, gekleidet wie ein zauberhafter<br />

Prinz! … Und John kommt aus dem Weltraum, denn er ist<br />

zeitlos. Wenn ich mit John arbeite, kommt es mir manchmal vor,<br />

als arbeite ich mit einem Kind von acht Jahren – dann schaue<br />

ich ihn an und mir ist plötzlich, als sähe ich einen uralten, weisen<br />

Mann mit einem Wissen um Vergangenheit und Zukunft. … Er<br />

ist eine Art Zauberer. Und das ist der Grund, warum ich denke:<br />

John ist nicht von dieser Erde!«<br />

Und John Neumeier selbst: »Wenn man zurückschaut, kann<br />

man natürlich immer sagen: Das sind meine Werke! Anders gesagt:<br />

Je mehr man Erfahrung hat, desto weniger neu erscheint<br />

einem manches. Andere Dinge werden einem wichtiger. Deshalb<br />

glaube ich auch, dass ich immer noch ›unterwegs‹ bin.«<br />

Begegnen sich hier Goethe und Neumeier im philosophischen<br />

»yondering« – im »Unterwegs-Sein«? In den Schlussworten<br />

des »Faust« sagt Goethe: »Wer immer strebend sich bemüht, den<br />

können wir erlösen …!« Und Neumeier zu seinem »Weihnachtsoratorium«<br />

im Dezember 2007: »Es geht um Hoffnung, nicht<br />

um die ›fertige‹ Erlösung. Die Erlösung ist nicht vollendet, sie ist<br />

immer zu erarbeiten«. Und ich ergänze, wer immer strebend sich<br />

bemüht! »Das Menschliche steht im Zentrum meines Schaffens.«<br />

2002, zu den Festlichkeiten zu John Neumeiers 60. Geburtstag,<br />

wurde von der <strong>Ballett</strong>schule des Hamburg <strong>Ballett</strong> ein Defilée<br />

organisiert, bei dem 127 Studenten je eine Fahne trugen<br />

mit dem Namen einer seiner Choreographien: Die Jahre seiner<br />

choreographischen Kreativität <strong>für</strong> den tänzerischen Nachwuchs<br />

in seiner Schule und der National Ballet School of Canada,<br />

Toronto, <strong>für</strong> seine Compagnie, <strong>für</strong> deutsche und internationale<br />

<strong>Ballett</strong>-Ensembles weltweit in München, Stuttgart, St. Petersburg<br />

– am Marijnsky-Theater war er 2001 nach einhundert Jahren mit<br />

der Choreographie »Sounds of Empty Pages« der erste aus dem<br />

Westen eingeladene Choreograph – Moskau, Paris, Mailand,<br />

London bis New York, Toronto, Tokio u.v.a.m. zogen »bildlich«<br />

am Gratulanten vorüber. Hier entstand die Idee, dass eine solche,<br />

weltweit wohl einmalige Kreativität auf dem Gebiet des künstlerischen<br />

Bühnentanzes sowie der Pädagogik einer besonderen<br />

Anerkennung und Ehrung bedürfe. Heute, nach nun 35 Jahren<br />

<strong>Ballett</strong>direktor und Intendant des Hamburg <strong>Ballett</strong>, zeigt das<br />

Werkverzeichnis 137 Choreographien, mit einer künstlerischen<br />

Bandbreite von »Bernstein Dances«, »On the Town«, »West Side<br />

Story« auf der Musical Basis über einen genialen »Peer Gynt«,<br />

Tennessee Williams’ »Endstation Sehnsucht«, von Shakespeare<br />

inspirierten Interpretationen wie »Ein Sommernachtstraum«, »Ro-<br />

<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 7


meo und Julia«, »Hamlet«, »Wie es euch gefällt«, »Othello«, das<br />

vorgestern in Hamburg seine Wiederaufnahme hatte, einer »Kameliendame«,<br />

»Parzival«, »Nijinsky«, »Tod in Venedig«, »Opus<br />

100 – for Maurice«, eine Hommage an Maurice Béjart usw.,<br />

usw. bis zu den letzten, höchst akklamierten Höhepunkten »Die<br />

kleine Meerjungfrau« und »Weihnachtsoratorium«.<br />

So führt John Neumeiers »Yondering« in diesem Jahr <strong>2008</strong><br />

einen »Sternen-Ring« von Jubiläen dieses Jahrzehnte währenden<br />

Wirkens <strong>für</strong> den künstlerischen Bühnentanz zusammen: 1963 –<br />

vor 45 Jahren führte ihn sein Weg nach Stuttgart; 1973 – vor<br />

35 Jahren führte ihn sein Weg nach Hamburg; 1978 – vor 30<br />

Jahren gründete er seine Schule; 1988 – vor 20 Jahren verlieh<br />

der Deutsche <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong> den Deutschen<br />

Tanzpreis an John Neumeier.<br />

Doch auch die Initiatoren des Deutschen Tanzpreises sind<br />

nicht unwesentlich dem »Yondering« verfallen! War schon die<br />

Gründung des Deutschen <strong>Berufsverband</strong>es <strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong><br />

im Jahre 1975 – vor nun 33 Jahren – ein gewagter Sprung ins<br />

Ungewisse, so gilt dies ebenfalls <strong>für</strong> unsere Zeitschrift »<strong>Ballett</strong><br />

<strong>Intern</strong>«, die 1977 erstmalig erschien und nun ihr 30-jähriges<br />

Erscheinen feiern konnte! Und in ganz besonderem Maße gilt<br />

dies <strong>für</strong> die Initiative der Verleihung eines Deutschen Tanzpreises!<br />

Als der damalige Vorstand sich zu diesem Wagnis, zu diesem<br />

»Yondering« entschloss, sahen wir doch eher beim »Aufbruch ins<br />

Ungewisse« die Rocky Mountains als zu überwindende Aufgabe<br />

vor uns als ein »Gelobtes Land, in dem Milch und Honig« fließen.<br />

Dass wir nun nicht in den den Rockies vorgelagerten »Badlands«<br />

strandeten, sondern 25 Jahre realisieren konnten – auch<br />

und nur durch die Hilfe unermüdlicher Sponsoren und Freunde<br />

der Tanzkunst – dass dieser Deutsche Tanzpreis zu der wohl<br />

prestige-trächtigsten Ehrung auf dem Gebiet des künstlerischen<br />

Bühnentanzes sich entwickeln konnte – das hatten wir damals<br />

ebenso wenig zu denken, zu hoffen gewagt wie John Neumeier<br />

seinen Weg vor 45 Jahren auf dem »out-yondern« nach Stuttgart,<br />

vor 35 Jahren nach Hamburg vorher sehen konnte!<br />

25 Jahre <strong>Deutscher</strong> Tanzpreis ist sicher <strong>für</strong> uns und <strong>für</strong> die<br />

Tanzwelt ein besonderes, bemerkenswertes Jubiläum,<br />

Das in der <strong>Ballett</strong>geschichte nach allgemeinem internationalen<br />

Urteil wohl einmalige Lebenswerk John Neumeiers mit diesem<br />

Jubiläums-Tanzpreis zu würdigen, ist eine logische Entscheidung<br />

– hier führen die oben vielfach erwähnten »Yondering«-Wege<br />

folgerichtig heute zusammen.<br />

Der »Deutsche Tanzpreis 1988« an den jungen »Yonderer«<br />

John Neumeier galt dem Mut und der Leistung der jungen Jahre<br />

– der einmalige DEUTSCHE JUBILÄUMS-TANZPREIS <strong>2008</strong> anlässlich<br />

von 25 Jahren »<strong>Deutscher</strong> Tanzpreis« dem unermüdlich<br />

kreativen »Yonderer«, sagen wir es italienisch – PER UNA VITA<br />

PER LA DANZA! August Everding bezeichnete John Neumeier<br />

als Sonntagskind – gratulieren Sie mit mir John Neumeier herzlich<br />

zum Geburtstag am vergangenen Sonntag, dem 24. Februar<br />

<strong>2008</strong>, und besonders zum DEUTSCHEN JUBILÄUMS-<br />

TANZPREIS <strong>2008</strong>.<br />

Verehrtes Publikum, gestatten Sie mir, dass ich mich wiederhole,<br />

wenn ich auch in diesem Jahr sage, in der deutschen Welt<br />

des Tanzes geht kaum ein Weg an Stuttgart vorbei – unseren<br />

Preisträger wie auch unsere heutige Laudatorin verdanken wir<br />

John Cranko: Begrüßen Sie mit mir die langjährige Ballerina und<br />

Direktorin des Stuttgarter <strong>Ballett</strong>s, Marcia Haydée.<br />

Sehr dankbar war ich vor Jahren, dass sich Herr Dr. Lammert,<br />

unser jahrzehntelanger Freund des Tanzes und des Deutschen<br />

Tanzpreises, bereit erklärte zu der Schirmherrschaft über unseren<br />

Träger-Verein zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland. Und<br />

ebenso dankbar bin ich, dass er heute zu unserem 25. Jubiläum<br />

einige Worte zu uns sprechen wird: Darf ich sehr herzlich den<br />

Präsidenten des Deutschen Bundestages, Herrn Dr. Norbert Lammert,<br />

begrüßen!<br />

Desgleichen freue ich mich sehr, dass unser Oberbürgermeister<br />

Herr Dr. Wolfgang Reiniger auch in diesem Jahr die Schirmherrschaft<br />

über diesen festlichen Abend des Tanzes übernommen<br />

hat! Vielen Dank Ihnen, Herr Dr. Reiniger, <strong>für</strong> lange Jahre der<br />

freundschaftlichen Unterstützung!<br />

Als Vertreterin der Stadt Hamburg begrüße ich die Kultursenatorin<br />

Frau Prof. Dr. Karin von Welck, mit Herrn Prof. Dr. Oliver<br />

Scheytt den Kulturdezernenten unserer Stadt und Präsidenten der<br />

Kulturpolitischen Gesellschaft, zusammen mit seiner Vizepräsidentin<br />

und unserer Laudatorin des Deutschen Tanzpreises »ZU-<br />

KUNFT« 2007, Frau Dr. Iris-Jana Magdowski, desgleichen den<br />

Staatssekretär Kultur NRW, Herrn Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff.<br />

Weitere uns liebe Gäste möchte ich erwähnen: Prof. Dr.<br />

Max Fuchs, Präsident des Deutschen Kulturrats; Klaus Geitel,<br />

unseren Doyen der deutschen <strong>Ballett</strong>- und Musik-Kritik; Barbara<br />

Gessler, Vertreterin der Europäischen Kommission; Ilka Schmalbauch,<br />

Vertreterin des Deutschen Bühnenvereins.<br />

Und von der Kulturpolitik wieder zu unserem Tanz: Frank<br />

Andersen, Direktor des Royal Danish Ballet; Sylviane Bayard,<br />

ehemalige <strong>Ballett</strong>direktorin der Deutschen Oper Berlin; Oleksi<br />

Bessmertni, Direktor des Tanzolymp Berlin; Dinna Björn, Direktorin<br />

des Finnischen Nationalballetts Helsinki; John Bliekendaal,<br />

Tanzakademie Arnheim; Ben van Cauwenbergh, designierter<br />

<strong>Ballett</strong>direktor Essen; Irina Chermonurova, Direktorin des Stanislavsky-<strong>Ballett</strong>s<br />

Moskau; Charles Gebhard, Präsident des Prix<br />

de Lausanne; Dieter Gräfe, Weggefährte von John Cranko und<br />

unserem Preisträger; Prof. Lutz Förster, Leiter des Studiengangs<br />

Tanz an der Folkwang-Hochschule; Irène Heinen, Direktorin des<br />

<strong>Ballett</strong>-Festivals Luxembourg; Vladimir Klos, einer der Hauptdarsteller<br />

im Film »Die Kameliendame«, den Sie morgen in der Lichtburg<br />

erleben können!<br />

Minghui Kong, Repäsentantin des China Shanghai <strong>Intern</strong>ational<br />

Arts Festivals; Marianne Kruuse, langjährige Bühnenpartnerin<br />

unseres Preisträgers und Leiterin der <strong>Ballett</strong>schule des Hamburg<br />

<strong>Ballett</strong>; Daniela Kurz, <strong>Ballett</strong>direktorin Nürnberg; Doris Laine,<br />

ehemalige <strong>Ballett</strong>direktorin der Komischen Oper Berlin, heute<br />

Helsinki; Ivan Liška, <strong>Ballett</strong>direktor des Bayerischen Staatsballetts<br />

und neben Marcia Haydée Hauptdarsteller im Film »Die Kameliendame«;<br />

Stefan Lux, u.a. Choreograph des <strong>Ballett</strong>s »Dornrös-<br />

8 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>


chen«, das Sie gestern auf dieser Bühne hätten<br />

erleben können; Günter Pick, ehemaliger <strong>Ballett</strong>direktor<br />

verschiedener Bühnen Deutschlands und<br />

ehemaliger Leiter der Zentralen Bühnen-, Fernseh-<br />

und Filmvermittlung; Bernd Schindowski, <strong>Ballett</strong>intendant<br />

Gelsenkirchen; Raimondo Rebeck, Solist<br />

und <strong>Ballett</strong>meister des aalto-ballett-theater-essen;<br />

Colleen Scott, eine der Hauptdarstellerinnen im<br />

Film »Die Kameliendame«; Heinz Spoerli, <strong>Ballett</strong>direktor<br />

des Züricher <strong>Ballett</strong>s; Mavis Staines, Direktorin<br />

der National Ballet School of Canada, Toronto;<br />

Jan Stripling, ehemaliger Solist des Stuttgarter<br />

<strong>Ballett</strong>s; Dr. Christiane Theobald, Stellvertretende<br />

Intendantin des Staatsballetts Berlin; Xin Peng<br />

Wang, <strong>Ballett</strong>direktor Dortmund; Uschi Ziegler,<br />

Schulleiterin der <strong>Ballett</strong>schule des Hamburg <strong>Ballett</strong><br />

und Ehrenpreisträgerin 2007.<br />

Sehr verehrtes Publikum, alle diese erwähnten<br />

Persönlichkeiten des Tanzes und der Kulturpolitik<br />

sind, sagen wir als Geschenk, zu Ehren unseres<br />

Preisträgers heute hier anwesend, und ich hoffe,<br />

dass Sie mit mir einig sein können, dass dieses<br />

»Geschenk« ihm auch präsentiert werden sollte,<br />

denn auch da<strong>für</strong> ist dieser heutige Abend nun einmal<br />

konzipiert!<br />

Danken Sie mit mir unseren großzügigen Sponsoren,<br />

die es wiederum möglich machten, dass<br />

diese außergewöhnliche Festveranstaltung des<br />

Tanzes – wie viele sagen, zumindest wohl europaweit<br />

einmalig – in unserer Stadt nun zum 25. Male<br />

realisiert werden konnte! Diesen großen, herzlichen<br />

Dank, auch in Ihrer aller Namen, verehrtes<br />

Publikum, möchte ich vermitteln an: Frau Anneliese<br />

Brost; Frau Marianne Kaimer; Herrn Hans Martz<br />

und der Sparkasse Essen; Herrn Wulf Mämpel und<br />

dem Freundeskreis Theater & Philharmonie; der Alfred<br />

und Cläre Pott-Stiftung; dem Fonds Darstellende<br />

Künste und Herrn Jürgen Flügge, dem Vorsitzenden<br />

und Herrn Günter Jeschonnek, Geschäftsführer<br />

sowie der Stadt Essen. Und sollten auch Sie uns<br />

unterstützen wollen, so werden Sie Mitglied unseres<br />

Vereins zur Förderung der Tanzkunst.<br />

Auch Dank allen guten Geistern dieses Hauses<br />

vor und hinter der Bühne, insbesondere dem<br />

Geschäftsführer Otmar Herren und dem Direktor<br />

des aalto-ballett-theater, Prof. Martin Puttke, sowie<br />

dem Technischen Direktor Daniel Kaiser <strong>für</strong> die angenehme,<br />

reibungslose Zusammenarbeit bei der<br />

Realisation dieses Abends.<br />

Wie immer, verehrtes, geduldiges Publikum –<br />

last, but not at all least – zum traditionellen Abschluss<br />

begrüßen Sie mit mir die anwesenden<br />

Preisträger vergangener Jahre, die heute John<br />

Neumeier die Ehre geben: Als erstes unsere drei<br />

Preisträger »ZUKUNFT« des Jahres 2006 vom<br />

Stuttgarter <strong>Ballett</strong>: Katja Wünsche und Jason Reilly,<br />

die Ihnen heute erneut ihr Können auf dieser Bühne<br />

beweisen werden mit ihrem Beitrag aus dem <strong>Ballett</strong><br />

»Endstation Sehnsucht«, sowie Christian Spuck,<br />

sodann Reid Anderson, Philippe Braunschweig,<br />

Marcia Haydée, Hans Herdlein, Birgit Keil und<br />

Horst Koegler. ■<br />

Dr. Norbert Lammert<br />

Präsident des Deutschen Bundestages und Schirmherr des<br />

Vereins zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland e.V.<br />

Herr Oberbürgermeister, lieber Ulrich Roehm, verehrter Preisträger, meine Damen<br />

und Herren,<br />

Begrüßungen, Grußworte, auch Festansprachen, sind gewiss nicht die<br />

Hauptsache bei einer Tanzgala – aber manchmal sind sie unvermeidlich. Und<br />

es ist so ein Abend: Der Deutsche Tanzpreis wird 25. Ein kleines, aber stolzes<br />

Jubiläum, dass über die Verleihung des Jubiläumspreises hinaus eine eigene<br />

Würdigung verdient. Seit nun immerhin einem Vierteljahrhundert werden einmal<br />

im Jahr herausragende Tänzerinnen und Tänzer, Choreographen und Komponisten,<br />

Tanzpädagogen und Wissenschaftler, Autoren und Förderer des Tanzes<br />

aus dem Inland oder dem Ausland ausgezeichnet und damit gleichzeitig eine<br />

größere Öffentlichkeit auf eine Sparte der darstellenden Kunst aufmerksam gemacht,<br />

die nach wie vor oft im Windschatten anderer großer Kulturereignisse<br />

steht. Der Deutsche Tanzpreis ist insoweit <strong>für</strong> den deutschen Tanz noch wichtiger<br />

als <strong>für</strong> die Preisträger. Sie brauchen ihn in der Regel nicht. Der Tanz braucht<br />

ihn. Um so erfreulicher, dass sich dieser Preis längst als die bedeutendste Auszeichnung<br />

der deutschen Tanzszene etabliert hat. Und die jährliche Gala-Veranstaltung<br />

längst zum großen Familientreffen aller Tanzfreunde, -könner und<br />

-kenner geworden ist.<br />

Begonnen hat das alles vor 25 Jahren sehr bescheiden – mit viel Elan und<br />

wenig Glanz: Begrüßungsreden – Laudatio – Urkunde; ohne Musik, ohne Tanz.<br />

Daraus ist inzwischen eine glanzvolle Veranstaltung geworden. Für mich persönlich<br />

ist die Tanzpreis-Verleihung im Aalto-Theater seit Jahren die schönste,<br />

dem Anlass angemessenste, würdigste Kulturpreis-Verleihung in Deutschland.<br />

Ich habe das übrigens auch außerhalb Essens vor der Jubiläumsveranstaltung<br />

so vorgetragen, so dass niemand Sorge haben muss, dass sei so eine dieser<br />

berühmten, dem Anlass geschuldeten Bemerkungen.<br />

Die Stadt Essen und das Ruhrgebiet dürfen durchaus stolz darauf sein. Sie<br />

nehmen mit dieser Veranstaltung seit vielen Jahren gewissermaßen das Niveau<br />

vorweg und setzen einen Standard, der einer europäischen Kulturhauptstadt<br />

würdig ist. Niemand hat daran einen größeren persönlichen Anteil als Ulrich<br />

Roehm. Als Initiator, Moderator, Promotor, Impressario – ohne ihn und seinen<br />

Verein zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland und den <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>Tanzpädagogik</strong> gäbe es dieses grandiose Tanzereignis nicht. Da<strong>für</strong> möchte ich<br />

ihm und seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern nicht nur als Schirmherr dieses<br />

Vereins, sondern als selbsternannter Sprecher dieses Auditoriums in Ihrer aller<br />

Namen gewissermaßen herzlich danken und gratulieren. Verbunden selbstverständlich<br />

mit allen guten Wünschen <strong>für</strong> die nächsten Jahre. Meine heimliche<br />

Hoffnung ist, dass ich Ihnen in 25 Jahren zum 50. Jubiläum an gleicher Stelle<br />

gratulieren kann. Und Ihnen allen verspreche ich feierlich, bis dahin werde<br />

ich ohne zwingenden Grund nie wieder eine Tanzgala mit einem Grußwort<br />

aufhalten. Sondern ich werde mich, wie Sie still und andächtig und glücklich<br />

auf meinen Sessel setzen und vollendete Tanzkunst genießen. In diesem Sinne<br />

wünsche ich Ihnen, uns allen weiterhin einen inspirierenden, motivierenden und<br />

denkwürdigen Abend. ■<br />

<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 9


Laudatio: Marcia Haydée<br />

Mein lieber John,<br />

Du bist einfach ein Genie. Warum ein Genie? Weil alles,<br />

was du machst, ist genial. Hättest Du es gewollt, nur ein Tänzer<br />

zu werden, wärest Du heute einer von den Top-Tänzern. Als<br />

Choreograph bist Du einer der bedeutendsten Choreographen<br />

aller Zeiten; als Direktor – genau das Gleiche. Wolltest Du heute<br />

aufhören mit dem <strong>Ballett</strong>, könntest Du morgen anfangen, ein<br />

Filmdirektor zu sein, und Du wärest bestimmt in einer Reihe mit<br />

Fellini, Pasolini und Spielberg. Du machst Dein eigenes Bühnenbild,<br />

Deine Kostüme, Deine Beleuchtung. Soviel ich weiß, hast<br />

Du aber noch nie Deine eigene Musik komponiert. Aber ich<br />

glaube, dass das vielleicht auch noch kommt. Mein lieber John,<br />

Du bist ein Phänomen.<br />

Mein Verhältnis mit John hat angefangen, als John Cranko<br />

eines Tages zu Ray Barra und mir sagte: Das Royal Ballet<br />

hat angerufen und die sagen, es gibt einen ganz begabten<br />

jungen Tänzer, der wäre perfekt <strong>für</strong> das Stuttgarter <strong>Ballett</strong>. Und<br />

John sagte: »Ok, Du und Ray, Ihr habt eine Vorstellung in London,<br />

geht in die Schule und schaut euch diesen jungen Tänzer<br />

an.« So sind wir dahin gegangen. Wir saßen oben im Balkon<br />

in diesem <strong>Ballett</strong>saal und einer von den Lehrern hat zu uns gesagt:<br />

»Das ist der neue Mann.« Und ich habe ganz schnell geguckt:<br />

Ist er groß, klein, dünn, dick, lange Beine, kurze Beine,<br />

lange Arme, kurze Arme, langer Hals oder kein Hals, schön<br />

oder hässlich? Bei Dir John, war das alles perfekt. Aber, es ist<br />

nicht so einfach, weil manchmal sehen sie perfekt aus, dann<br />

machen sie eine Bewegung und es ist eine totale Katastrophe.<br />

Aber das war nicht der Fall bei Dir, John: Du warst ein toller<br />

Tänzer.<br />

Aber was mich schon damals am meisten beeindruckt hat<br />

an Dir, das war Deine Kapazität zur Konzentration und Deine<br />

Intensität. Alle anderen Tänzer haben auf die Lehrer geschaut,<br />

der Lehrer hat einen Schritt vorgegeben, die haben das gelernt,<br />

die haben das gemacht und dann haben sie losgelassen. Nicht<br />

bei Dir! Es sah so aus, als hättest Du irgendwo bei Dir einen<br />

Knopf gedrückt, und Deine Konzentration ging so lang, wie Du<br />

wolltest. Du hast nicht einen Moment bei diesem Training losgelassen.<br />

Damals wurde mir klar: Du bist <strong>für</strong> das <strong>Ballett</strong> geboren.<br />

Du wolltest nichts anderes machen. Das hast Du nicht <strong>für</strong> eine<br />

Karriere gemacht, das war Dein Leben. Und das Royal Ballet<br />

hatte recht: Du warst der Richtige <strong>für</strong> Stuttgart. Du bist nach Stuttgart<br />

gekommen und warst bei Cranko immer der Schnellste, der<br />

gelernt hat, was John choreographierte, und Du hast immer noch<br />

etwas dazu gemacht.<br />

Ich könnte so viele Sachen aus dieser Zeit erzählen, aber ich<br />

habe mir nur zwei herausgenommen. Zum ersten: Als ich zum<br />

ersten Mal mit Dir als Paris getanzt habe – in Romeo und Julia.<br />

Ich weiß nicht, ob die Pas de deux’ gut gelungen sind oder<br />

nicht, wie es war. Aber ich weiß, ich hatte Paris bei mir. Du hast<br />

nicht Paris gespielt, Du warst Paris – genau wie es Cranko wollte<br />

und Shakespeare. Das war Deine Kraft und es ist heute noch<br />

Deine Kraft als Choreograph. Und John hat <strong>für</strong> Dich Hortensio<br />

in »Der Widerspenstigen Zähmung« gemacht. Alle Tänzer wollen<br />

schöne Füße haben. Und so hat Cranko dieses ganze Solo<br />

<strong>für</strong> seine Füße gemacht. Neumeier hat verstanden, was Cranko<br />

wollte, und hat das genommen und noch mehr gemacht. Das<br />

war total verrückt, was John als Hortensio auf der Bühne geleistet<br />

hat. Es gab bis heute schon viele Hortensios, aber so wie Du<br />

bist, so gab es noch keinen. Das war schon einmalig.<br />

Dann hast Du schon angefangen zu choreographieren: »Haiku«!<br />

»Haiku« war <strong>für</strong> mich ein ganz kleines <strong>Ballett</strong>, aber es war<br />

schon abendfüllend. Du hast eine Geschichte erzählt. Und am<br />

Ende dachten alle: »Ok, da ist ein Choreograph!« Und dann<br />

kam der Moment, an dem Du Stuttgart verlässt und nach Frankfurt<br />

gingst. In Frankfurt hast du ganz schnell das Publikum gepackt,<br />

hast eine Compagnie gemacht und dann <strong>Ballett</strong> nach <strong>Ballett</strong> gemacht.<br />

Aber dann war Frankfurt, glaube ich, zu klein <strong>für</strong> Dich.<br />

Dann kam Hamburg: Es ist phänomenal, was Du da in Hamburg<br />

kreiert hast. Dein Zentrum, die Compagnie, das Repertoire:<br />

Du bist der König von Hamburg. Ich denke, eigentlich sollte<br />

Hamburg »Neumeierburg« heißen, weil, wenn man als Tänzer<br />

in Dein Zentrum kommt, spürt man Neumeier in jeder Ecke. Deine<br />

Kraft, Deine Energie – und das wird immer da bleiben.<br />

Ich habe Dich immer geliebt und bewundert, als Direktor und<br />

Choreograph. Aber ich habe es wirklich nie gedacht, dass ich<br />

eines Tages mit Dir arbeiten würde. Ich wusste, dass ich war<br />

Crankos Tänzerin, aber ich hätte es nie gedacht, dass ich auch<br />

Deine Tänzerin war. Und eines Tages rufst Du mich in Stuttgart<br />

an und sagst: »Marcia, ich gehe nach New York, zum American<br />

Ballet Theatre und mache dort ›Hamlet‹ mit Baryschnikow, Erik<br />

Bruhn und ich wollen Dich haben.« Für mich war das ein Schock.<br />

Ich hatte so was wirklich nicht erwartet. Aber ich bin sofort nach<br />

New York gegangen. Und die Zeit in New York war einmalig<br />

<strong>für</strong> mich. Für Dich war das nicht so gut, weil die haben dieser<br />

Compagnie und John nicht genug Zeit gegeben. Er hatte <strong>für</strong> Baryschnikow<br />

fünfzehn Minuten Zeit, dann fünfzehn Minuten <strong>für</strong> Erik<br />

Bruhn am Abend. Die haben sich nicht getroffen, weil Sie in<br />

anderen <strong>Ballett</strong>en arbeiteten. Aber ich war da <strong>für</strong> Neumeier. So<br />

habe ich mit John probiert – von morgens bis abends – ich und<br />

Erik Bruhn. Ich glaube, ich habe nie so viel probiert und Du hast<br />

den Pas de deux hier geändert und nochmal gewechselt und die<br />

Soli auch. Und wir waren perfekt, aber wirklich perfekt. Und da<br />

habe ich Dich wirklich kennen gelernt, als Menschen, als Choreographen.<br />

Und am Ende habe ich zu Dir gesagt: »Komm’ nach<br />

Stuttgart! Ich gebe Dir so viel Zeit, wie Du willst, mach’ Deinen<br />

›Hamlet‹, wie Du willst.« Und das hast Du gemacht. Dein »Hamlet«<br />

wurde einmalig. Und schon in New York hatte ich zu John<br />

gesagt: »John, bitte, ich weiß, Du hast eine Compagnie und sehr<br />

viel zu tun, aber komm‘ nach Stuttgart und mach’ Dein abendfüllendes<br />

<strong>Ballett</strong> <strong>für</strong> uns.« Cranko ist weg. Das war ein riesiges<br />

Loch, wir brauchten etwas. Und John hat mir versprochen: »Ok!<br />

Ich komme.« Und sofort hat er angefangen, Ideen zu entwickeln.<br />

10 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>


Er hat gesagt: »Machen wir Kleopatra.« Mir war es egal, was<br />

er macht, wenn er nur ein abendfüllendes <strong>Ballett</strong> macht. Denn<br />

das Wichtige ist, dass er nach Stuttgart kommt und <strong>für</strong> unsere<br />

Compagnie ein abendfüllendes <strong>Ballett</strong> macht. Und das war nach<br />

einer Probe zu »Hamlet«. Wir sind in ein türkisches Restaurant<br />

gegangen. Ich saß vor Dir und war an diesem Tag so müde, ich<br />

hatte keine Schminke, ich war einfach fertig. Und plötzlich sehe<br />

ich in seine Augen. Die bleiben ganz still und gucken mich an.<br />

So habe ich mich auch nicht bewegt und nur geguckt. Da sagt<br />

er: »Kameliendame! Machen wir Kameliendame!« Ich glaube,<br />

in diesem Moment hatte er schon die tote Marguerite vor sich<br />

gesehen. Und dann begann das Stuttgarter Fieber mit der »Kameliendame«.<br />

Das hatte die ganze Stadt, das Theater, die Compagnie:<br />

Wir waren »Kameliendame« und wir wollten nur noch<br />

»Kameliendame«. Alle haben auf diese Premiere gewartet. Und<br />

es war wirklich eine Explosion, diese »Kameliendame«.<br />

Ich erinnere mich an alles, an jedes Wort, das Du zu mir<br />

gesagt hast – vom Anfang der »Kameliendame« bis zum Ende.<br />

Bei Dir sind nicht die großen Schritte das Wichtigste, aber das,<br />

was dazwischen passiert, alle Details. »Kameliendame« – ich erinnere<br />

mich – das war Detail nach Detail, Detail nach Detail bis<br />

zum Ende. Einmal, im ersten Pas de deux, ging ich zum Spiegel<br />

und Du hast eine Stunde lang mit mir probiert. Du wolltest, dass<br />

das Publikum versteht, dass in diesem Moment, in dem sie sich<br />

in dem Spiegel sieht, sieht sie ihre Krankheit, sieht das Ende.<br />

Und war nur eine Armbewegung, nur eine Hand. Aber das war<br />

nicht so einfach. Eine Stunde hat es gedauert, bis Du gefunden<br />

hattest, welche Bewegung die Hand machen muss bis zum Gesicht.<br />

Und so war die ganze »Kameliendame«.<br />

»Die Kameliendame« ist in meine Haut eingeprägt. Nachher<br />

hast Du mich mit nach Hamburg genommen, und ich habe mit<br />

Deiner Compagnie getanzt. Danach kam der Film. Und in diesem<br />

Film ist es faszinierend zu sehen, wie John morgens kam<br />

und schon ganz genau wusste: Licht hier und da, da und da. Er<br />

hat keine Zeit verloren, überhaupt keine Zeit verloren. Ich werde<br />

nun eine Sache erzählen, da habe ich Dich nie um die Erlaubnis<br />

gebeten, aber ich erzähle das sowieso: Sie wissen, dass<br />

ich aus Brasilien komme. In Brasilien beschäftigt man sich mit<br />

Astrologie, mit allem Möglichen, mit dem Mond, wo der Mond<br />

ist, wo Jupiter ist und so. Als dann John den schwarzen Pas de<br />

deux machen wollte – und ich weiß, <strong>für</strong> ihn war der schwarze<br />

Pas de deux ganz schwierig – habe ich in meinen Büchern nachgesehen,<br />

das wird an einem Montag probiert, Montag und die<br />

Stunde. Dann habe ich meine Astrologin in Brasilien angerufen:<br />

»Sag’ mir, wie stehen die Planeten da am Montag?« Und sie<br />

hat gesagt: »Hm, bis 16 Uhr ist ganz schwierig, nach 16 Uhr<br />

alles ok.« Da habe ich gedacht, was mache ich nun? Dann<br />

habe ich John angerufen und gesagt: »John, vielleicht denkst Du,<br />

ich bin verrückt, aber ich muss es Dir sagen.« Dann habe ich<br />

es ihm gesagt und er sagte nur: »Hm, ok.« Am nächsten Tag,<br />

morgens – bestimmt erinnert er sich daran – wollen wir mit dem<br />

schwarzen Pas de deux anfangen. John kommt – ganz langsam<br />

– und er guckt und sagt: »Nein! Licht ist alles falsch. Wir müssen<br />

alles wechseln.« Das ganze Team hat ihn angesehen, weil die<br />

es gewöhnt waren, dass er ganz genau weiß, was er macht.<br />

Und dann haben sie gewechselt. »Nein, nein. Ich bin noch nicht<br />

zufrieden. Ich glaube, da …« Das ging so weiter bis halb drei<br />

nachmittags. Um halb drei hat er dann gesagt: »Ok, wir machen<br />

alles wie es war am Anfang!« Und genau um 16 Uhr hat er mit<br />

dem schwarzen Pas de deux angefangen.<br />

Ein weiterer Grund ist, John, dass ich Dir so dankbar bin,<br />

dass wir auch mit »Kameliendame« einen Film gemacht haben.<br />

Mein Solo hast Du mit mir an einem Nachmittag geprobt. Und<br />

Du hast gesagt: »Noch einmal, noch einmal, und noch einmal,<br />

und noch einmal.« Meine Füße waren schon keine Füße mehr,<br />

aber ich habe es gemacht – bis er zufrieden war. Dann kam er<br />

zu mir und hat zu mir gesagt: »Marcia, dieser Film bleibt ewig.<br />

Das bedeutet, dass Tänzer, die Dich nie gesehen haben, werden<br />

Dich eines Tages sehen. Und ich will Dich so perfekt wie<br />

möglich.«<br />

Das vergesse ich nicht, denn Du warst so streng mit mir in<br />

dem Film. Du hast wirklich auf alles aufgepasst. Und wenn Du<br />

nicht zufrieden warst: nochmal und nochmal und nochmal. Und<br />

deswegen bin ich Dir von ganzem Herzen dankbar.<br />

Nach der »Kameliendame« kam das andere Meisterwerk<br />

»Endstation Sehnsucht«. Und »Endstation Sehnsucht – ich weiß<br />

nicht, ob ich Dir das schon einmal gesagt habe: Als Marcia,<br />

als Frau, als Mensch gibt es ein ›Vor-Endstation‹ und ein ›Nach-<br />

Endstation‹. Die Arbeit mit Dir in »Endstation Sehnsucht« war<br />

so intensiv, so intensiv. Als Du mir sagtest, dass Du »Endstation<br />

Sehnsucht« machen möchtest, habe ich gedacht: Wie macht der<br />

das? Denn ich kannte das Spiel, das Theater-Stück, den Film mit<br />

Vivian Leigh. Aber alles wurde gesprochen. Alles findet in dem<br />

Kopf dieser Frau statt. So, wie zeigst Du es dem Publikum, was<br />

ist in Deinem Kopf? Und ich hätte diese Blanche nicht geschafft<br />

ohne Dich. Ohne Dich – und das meine ich wirklich so – Du hast<br />

<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 11


stundenlang mit mir über jedes Detail gesprochen und das sechs<br />

Wochen lang. Und es wurde noch ein Meisterwerk.<br />

Dann kam »Medea«. Bei »Medea« hast Du meine ganze brasilianische<br />

Energie genommen und in diese Medea getan. So,<br />

was Du <strong>für</strong> mich gemacht hast, in meiner Karriere, da kann ich<br />

Dir da<strong>für</strong> nur dankbar sein.<br />

Dann kam – ich denke, das war einer der größten Momente<br />

in unserem Leben – das war Béjart. Es war zu der Zeit, als ich<br />

viel mit Maurice Béjart zusammengearbeitet habe in der Compagnie<br />

du XXe Siècle. Eines Tages sagte Béjart zu mir: »Marcia,<br />

ich will <strong>für</strong> Dich noch mal ›Die Stühle‹ machen.« »Die Stühle«<br />

war ein <strong>Ballett</strong>, das er <strong>für</strong> sich und eine brasilianische Tänzerin,<br />

Laura Proença, kreiert hatte. Und er sagte: »Ich will Dich haben.<br />

Aber das Problem ist, wer macht es mit Dir?« Denn er war nicht<br />

mehr in der Lage zu tanzen. Ich kannte »Die Stühle« nicht, und<br />

so habe ich Maurice gefragt: »Ja, was brauchst Du?« »Ganz<br />

einfach, ich brauche jemanden, der so verrückt ist wie ich; der<br />

alles machen kann, der ein Tänzer ist, aber nicht nur ein Tänzer,<br />

der auch sprechen kann.« Da habe ich ihm gesagt: »John Neumeier.«<br />

Und er sieht mich an und sagt: »DER Neumeier? DER<br />

von Hamburg? Der große Choreograph? – Nein, er wird nie<br />

Zeit haben <strong>für</strong> mich.« Ich habe gesagt: »Ruf’ ihn an!« Er hat ihn<br />

angerufen und John hat sofort »Ja!« gesagt. Bei der ersten Probe,<br />

als ich im <strong>Ballett</strong>saal saß, waren diese zwei großen Phänomene<br />

da: Béjart und Neumeier. Aber bei Neumeier habe ich nicht<br />

mehr den Direktor und den Choreographen gesehen. Da stand<br />

nur dieser junge Tänzer wie damals beim Royal Ballet. Der stand<br />

vor Béjart und hat nur darauf gewartet, dass Béjart sagt: »Hier,<br />

so fangen wir an.«<br />

Diese Arbeit mit Dir und mit Béjart war so etwas, was uns<br />

drei zusammen gebracht hat und auch uns beide. Weil es kann<br />

sein, dass ich Dich Jahre nicht sehe, aber, wenn ich Dich dann<br />

sehe, ist es, als wenn kein Tag vergangen wäre. Darum bin ich<br />

heute hier.<br />

John, Danke, dass Du existierst. Danke <strong>für</strong> alles, was Du <strong>für</strong><br />

das <strong>Ballett</strong> gemacht hast und noch machen wirst. Danke <strong>für</strong> alles,<br />

was Du <strong>für</strong> mich gemacht hast. Und nicht vergessen: Zwei<br />

Phänomene sind schon weg: Cranko und Béjart – Du bist da! Du<br />

musst weiter machen! Und ich bin sicher, Béjart und Cranko, die<br />

sind mit Dir – immer, wenn Du es willst. Du solltest nie aufhören,<br />

weil Phänomene gibt es nicht so viele in unserem Leben. Und Du<br />

bist einer der letzten.<br />

Am meisten danke ich Dir, dass Du mein Freund bist. ■<br />

Dank des Preisträgers<br />

John Neumeier<br />

Danke, Marcia <strong>für</strong> Deine schönen bewegenden Worte...<br />

Dank Ihnen, Herr Roehm, und allen, die sich entschieden haben,<br />

mir diese renommierte Auszeichnung zu verleihen.<br />

Als ich durch Ulrich Roehm zuerst davon hörte, dass ich zum<br />

zweiten Mal den Deutschen Tanzpreis erhalten sollte, war ich<br />

natürlich glücklich – aber, ehrlich gesagt, fühlte ich mich auch etwas<br />

unbequem – zweimal diesen tollen Preis zu erhalten, schien<br />

mir etwas habgierig zu sein und nicht sehr bescheiden.<br />

Herr Roehm erzählte mir, es sei nicht nur der »normale« gleiche<br />

Preis, sondern ein »Jubiläums-Tanzpreis«, den ich erhalten<br />

sollte – d.h. dieses ist ein ganz besonderes Jahr: Der Deutsche<br />

Tanzpreis wird zum 25. Mal vergeben.<br />

Und <strong>für</strong> mich persönlich, so erinnerte er, sammelten sich auch<br />

einige Jubiläen an: Schon immer schlecht in Mathematik, musste<br />

ich noch einmal zurück denken, denn viele der Daten waren<br />

mir nicht bewusst. Vor allem musste ich mit Erstaunen feststellen,<br />

dass es tatsächlich schon fast 45 Jahre sind, dass ich in Deutsch-<br />

land lebe und arbeite. Übrigens 46 Jahre, seit ich meine Heimat<br />

Amerika verlassen und am 28. Juli 1962 meiner Mutter beim<br />

Abschied versprochen habe, spätestens bis Weihnachten nach<br />

Milwaukee zurückzukehren!<br />

Beinahe 40 Jahre bin ich <strong>Ballett</strong>direktor – am 1.12.1969<br />

fing ich in Frankfurt an. Es sind 35 Spielzeiten in Hamburg –<br />

inzwischen als Intendant und Geschäftsführer. Die <strong>Ballett</strong>schule<br />

feiert ihr 30-jähriges Jubiläum, und es ist 20 Jahre her, dass ich<br />

1988 das erste Mal den Deutschen Tanzpreis erhalten habe.<br />

Normalerweise bedeuten mir »Meilensteine« wie Geburtstage<br />

nicht viel. Zeitspannen habe ich eher gemessen oder mir<br />

gemerkt, in Daten von Premieren, d.h. »Geburtstage« von Kreationen,<br />

oder den Beginn einer lang geplanten, erhofften Tournee<br />

mit der eigenen Compagnie. Aber Jubiläen – besonders wenn<br />

sie sich so häufen – und die übrigens umso schneller kommen<br />

je älter man wird – verleiten dazu, zurück zu blicken, nachzudenken,<br />

Bilanz zu ziehen.<br />

Der Deutsche Tanzpreis – warum befinde ich mich heute überhaupt<br />

in Deutschland? Geboren und aufgewachsen bin ich in<br />

Amerika, ohne jemals daran zu denken, meine Heimat zu verlassen.<br />

12 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>


Ist es wirklich Zufall oder Fügung, dass ich schon einige Jahre,<br />

bevor ich zum ersten Mal nach Europa kam, zutiefst beeindruckt<br />

gewesen bin von dem <strong>Ballett</strong> »Antigone« – ausgerechnet<br />

von John Cranko – das ich während einer Tournee des Londoner<br />

Royal Ballet in Chicago sah. Zufall oder Fügung, dass ich nicht<br />

in die <strong>Ballett</strong>schule des Königlich-Dänischen <strong>Ballett</strong>s aufgenommen<br />

werden konnte, da<strong>für</strong> aber an die Royal <strong>Ballett</strong>schule in<br />

London, als ich ein letztes Studienjahr in Europa verbringen wollte<br />

– nicht zuletzt um europäische Kultur – vor allem die Malerei<br />

der italienischen Renaissance – näher kennen zu lernen.<br />

Zufall? Dass, obwohl die Pädagogin Vera Volkova in Kopenhagen,<br />

bei der ich das große Glück gehabt habe, in meiner<br />

Ferienzeit Privatunterricht zu erhalten, mich John Cranko bei seinem<br />

Besuch am Königlichen Theater vorgestellt hat, obwohl sie,<br />

Volkova, fest überzeugt war, dass ich zu George Balanchine<br />

nach New York zurückkehren müsste.<br />

War es wirklich der größte Zufall, dass Marcia Haydée und<br />

Ray Barra mich bei einem Mazurkaschritt im Frühling 1962 gesehen<br />

und mir danach eine Position in John Crankos neu begonnenem,<br />

aufregendem Stuttgarter <strong>Ballett</strong> angeboten haben?<br />

Und war es dann der letzte Zufall, dass Dame Ninette de Valois,<br />

damals Direktorin des Royal Ballet, die mich George Balan-<br />

chine persönlich empfohlen hatte, mir von seiner Reaktion zwei<br />

Monate zu spät berichtete und ich inzwischen meinen ersten<br />

Vertrag mit Stuttgart schon unterschrieben hatte? Es war entschieden!<br />

Ich ging nach Stuttgart, in eine Stadt, deren Namen ich<br />

noch nie zuvor gehört hatte. Wenn es denn wirklich Zufall war,<br />

habe ich mich dagegen gewehrt – denn im April 1963 schrieb<br />

ich an George Balanchine:<br />

»Lieber Mr. Balanchine, Sie kennen mich nicht, aber als Madame<br />

Ninette de Valois im vergangenen Frühling mit dem Royal<br />

Ballet in New York war, hat sie mich Ihnen empfohlen. Ich bin<br />

amerikanischer Staatsbürger, 20 Jahre alt, und war Schüler der<br />

Royal Ballet School London mit einem einjährigen Stipendium.<br />

Als Amerikaner kann ich nicht in England arbeiten, und Madame<br />

de Valois hat sich freundlicherweise angeboten, mit Ihnen<br />

über meine Zukunft zu sprechen. Erst jetzt habe ich erfahren,<br />

dass Sie doch bereit waren, mich anzusehen und mich danach<br />

evtl. in Ihre Schule oder Compagnie aufzunehmen. Ich bin sehr<br />

glücklich und dankbar <strong>für</strong> Ihr Angebot!<br />

Leider wartete Madame de Valois fast zwei Monate nach<br />

ihrer Rückkehr aus Amerika, um mir Ihr freundliches Angebot<br />

mitzuteilen. Inzwischen habe ich eine Position in John Crankos<br />

Stuttgarter <strong>Ballett</strong> angenommen, da ich ohne Geld nicht länger<br />

hätte studieren können.<br />

Aber mein Vertrag läuft nur bis zum 1. Juli 1964, und ich<br />

hoffe sehnlichst, dass, wenn ich nach New York zurückkehre, Ihr<br />

Angebot noch besteht.<br />

Mit Respekt und Dank, Ihr JN«<br />

Ich habe natürlich nie von George Balanchine gehört, und eine<br />

der wenigen Verletzungen meiner Tänzerkarriere hat mich daran<br />

gehindert, mich nach der ersten Stuttgarter Saison beim New<br />

York City Ballet vorzustellen und Balanchine an sein Angebot zu<br />

erinnern. Zufall?<br />

Die erste Zeit in Stuttgart war aufregend. Ich versuchte schnell<br />

Deutsch zu lernen – und versuche es immer noch – obwohl ich<br />

John Crankos Vorschlag, meinen Vornamen »John« in »Hans« umzuändern,<br />

um ganz deutsch zu scheinen, nach reiflicher Überlegung<br />

(Gott sei Dank!) abgelehnt habe!<br />

Die kreative und praktische handwerkliche Arbeit mit John<br />

Cranko war lehrreich. Schon in Amerika hatte ich angefangen<br />

zu choreographieren – ja, so lange ich denken kann, beinhaltete<br />

Tanz <strong>für</strong> mich in erster Linie Kreativität. Aber die Menschen,<br />

mit denen ich zusammenarbeiten konnte, inspirierten mich erneut<br />

zu meiner wirklichen Berufung, Choreograph zu sein: Marcia,<br />

Crankos wirkliche Muse, vor allem, aber auch die Tänzer, die<br />

an meine eigene schöpferische Vision geglaubt und mit mir daran<br />

gearbeitet haben: zuerst Marianne Kruuse, Truman Finney,<br />

Max Midinet, und später wurde einer meiner »Entdecker«, der<br />

Stuttgarter Star-Tänzer Ray Barra, als <strong>Ballett</strong>meister unendlich<br />

wichtig <strong>für</strong> mich, als ich viel früher, als es jeder erwartet hätte,<br />

Direktor meines eigenen Ensembles in Frankfurt wurde.<br />

Zufall wurde zur Aufgabe, Aufgabe zu freudiger Herausforderung,<br />

als ich von Intendant Ulrich Erfurt berufen wurde, eine<br />

Compagnie von 28 Tänzern <strong>für</strong> die Oper in Frankfurt im Dezember<br />

1969 zu übernehmen. Die Zufälle, die in meiner Entwicklung<br />

als Künstler in dieser sehr kreativen Frankfurter Zeit eine<br />

wichtige Rolle gespielt haben, sind zu viele, um sie alle hier<br />

aufzuzählen.<br />

Man denke nur an das aus Vorstellungsnot erfundene, von<br />

mir als Sujet und Musik zuerst gehasste »Nussknacker«-<strong>Ballett</strong> –<br />

inzwischen meine Huldigung an das Klassische <strong>Ballett</strong> und ein<br />

Blick in meine Autobiographie – das mehrere hundert Vorstellungen<br />

in verschiedenen Compagnien und in aller Welt erlebt hat.<br />

Durch den Zufall »Stuttgart« begegnete ich Jürgen Rose, der zum<br />

<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 13


Freund und als Kostüm- und Bühnenbildner zentraler Partner bei<br />

vielen Kreationen wurde.<br />

Ich wusste nicht, wer August Everding war, als eine liebe<br />

Opernsekretärin (ich hatte damals keine eigene!) mir von seinem<br />

Wunsch, mich kennen zu lernen berichtete. Ich war sehr streng,<br />

absolut und jung-mutig konsequent in meinen Bedingungen über<br />

die Möglichkeit, meine geliebte erste Compagnie in Hamburg<br />

weiter zu entwickeln. Ich war aber letztendlich überzeugt, dass<br />

meine Vision von einem humanen <strong>Ballett</strong>-Theater, in dem – ob traditionelles<br />

Handlungsballett oder Neuschöpfung – der Mensch<br />

im Mittelpunkt steht, größeren Raum braucht. »Schwanensee«<br />

wäre in Frankfurt unmöglich zu verwirklichen gewesen.<br />

Ich wollte ein »Dornröschen« auf der Bühne sehen, dem ich<br />

trotz Virtuosität glauben könnte. Figuren der Weltliteratur wollte<br />

ich durch Bewegung dreidimensional gestalten, wollte neue Formen<br />

<strong>für</strong> einen <strong>Ballett</strong>abend finden, ein intelligentes, ein emotional<br />

sensibles Ensemble schaffen, erziehen und entwickeln.<br />

Menschen waren – und sind Gott sei Dank immer noch – mein<br />

geliebtes »Arbeitsmaterial«. Ich <strong>für</strong>chte, einige, die mir in Erinnerung<br />

kommen, zu nennen, aus Angst, andere zu vergessen und<br />

zu verletzen. Denn ich glaubte und glaube immer noch an das,<br />

was man Ensemble nennt: eine Gruppe von unterschiedlichen,<br />

individuellen, starken Persönlichkeiten, die mit Kraft, Können und<br />

Demut <strong>für</strong> das eine arbeiten: <strong>für</strong> die Kreation – das <strong>Ballett</strong> – das<br />

daraus entstehende Werk ist das Wichtigste.<br />

Trotzdem, einige meiner wichtigsten Arbeiten wären nicht<br />

ohne die schon erwähnte Marianne Kruuse, ohne Persephone<br />

Samaropoulo, Beatrice Cordua, François Klaus, Kevin Haigen,<br />

Egon Madsen, Gigi Hyatt, Violette Verdy, Ivan Liška, Gamal<br />

Gouda, Natalia Makarova oder Marcia Haydée, entstanden<br />

– ja, die Liste könnte noch viel länger sein.<br />

Interessanterweise habe ich damals niemals daran gedacht,<br />

eine »deutsche« Compagnie aufzubauen. Ich bin und bleibe<br />

Amerikaner und der Anfang unseres heutigen Programms mit<br />

»Yondering« zu der bewegenden volkstümlichen Musik von Stephen<br />

Foster, oder George Gershwins »I got rhythm variations«,<br />

zeugen – glaube ich – von meiner wahren Herkunft.<br />

Es war in Tokio, beim ersten Gastspiel des HAMBURG BAL-<br />

LETT im Jahre 1986, als ich nach der Premiere eine Rede halten<br />

musste und da<strong>für</strong> zwischen den Flaggen Deutschlands und<br />

Japans stand – die Flaggen, die ich auf einmal erkannt habe<br />

als die der zwei »Erzfeinde« meiner Kindheit! Ich war auf einmal<br />

tief bewegt, als Amerikaner dieses internationale, deutsche<br />

Ensemble präsentieren zu dürfen als Botschafter <strong>für</strong> Versöhnung<br />

und Frieden. Auf einmal bemerkte ich, wie weit ein Zufall – oder<br />

mehrere Zufälle – mich gebracht hatten. Und mich hoffentlich<br />

heute noch weiter bringen.<br />

Wenn man vom Zufall spricht – war es wirklich Zufall, dass<br />

1975 wir beide, der berühmte französische Choreograph Maurice<br />

Béjart und ich, sich entschieden hatten, die »Dritte Sinfonie<br />

von Gustav Mahler« zu choreographieren, und wie wunderbar,<br />

dass ich durch diesen Zufall die Möglichkeit erhielt, ein großes<br />

Vorbild und eine große Inspiration <strong>für</strong> mich, Maurice, kennen<br />

zu lernen, als ich sein Ballet du XXe Siècle zu unseren Ersten<br />

Hamburger <strong>Ballett</strong>-Tagen als Alternative zu meinem ersten sinfonischen<br />

Werk eingeladen habe. Es war aber sicherlich kein<br />

Zufall, wie unsere Freundschaft wuchs und über die Jahre immer<br />

tiefer wurde – und Krönung dieser Freundschaft war seine fantastische<br />

und tief bewegende Kreation »Die Stühle« <strong>für</strong> Marcia<br />

Haydée und mich. Bei der Tanzpreis-Verleihung vor 20 Jahren<br />

war ich stolz und glücklich, dass Maurice Béjart die Laudatio<br />

<strong>für</strong> mich gehalten hat. Und ist es Fügung, dass Marcia Haydée,<br />

meine »Semiramis«, Partnerin in »Die Stühle«, heute die Laudatio<br />

gehalten hat? Den Verlust dieses Freundes und großen Künstlers<br />

betrauere ich sehr – sicher wie wir alle – und der letzte Beitrag<br />

des heutigen Programms ist bewusst und mit Liebe Maurice gewidmet.<br />

Ja, Jubiläen verleiten dazu, nachzudenken. Nach 70 Premieren,<br />

Tourneen in mehr als 100 Gastspielorten in 28 Ländern,<br />

in denen das HAMBURG BALLETT nahezu 800 Vorstellungen<br />

getanzt hat, mehr als 175 <strong>Ballett</strong>-Werkstätten, nachdem eine<br />

Schule gegründet, ein einmaliges <strong>Ballett</strong>zentrum errichtet, eine<br />

wissenschaftliche <strong>Ballett</strong>stiftung ins Leben gerufen wurden, während<br />

»mein« HAMBURG BALLETT von September 1973 bis heute<br />

etwa 3600 Vorstellungen getanzt hat, ist die Reise noch nicht zu<br />

Ende. Inzwischen besitze ich auch die deutsche Staatsbürger-<br />

schaft, (und freute mich, am letzten Sonntag zum ersten Mal an<br />

einer Wahl in meiner Wahlheimat Hamburg teilzunehmen!)<br />

Manchmal, wenn man von Zufall spricht, scheint es etwas<br />

von »Glücksspiel« zu haben, oberflächlich zu sein. In meinem<br />

Fall – wenn es wirklich Zufall wäre – war es glücklicherweise<br />

ernsthaft: Meine zufällige Zeit, mein zufälliger Aufenthalt in<br />

Deutschland bedeutet die Realisierung einer ernsten Berufung,<br />

die durch Akzeptanz, Verständnis, Aufgabe, Inspiration, Kritik,<br />

Enttäuschung, Freude, Herausforderung und Verantwortung und<br />

immer wieder Neugier zum wirklichen Inhalt meines aus polnisch-deutscher<br />

Herkunft stammenden amerikanisch-deutschen<br />

(or whatever) Lebens zu sein.<br />

Ich bin tief bewegt und stolz, diesen Deutschen Jubiläums-<br />

Tanzpreis entgegenzunehmen.<br />

Danke. ■<br />

14 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>


NRZ vom 3.3.<strong>2008</strong><br />

Der Deutsche Jubiläums-Tanzpreis <strong>2008</strong><br />

im Spiegel der Presse<br />

www.tanznetz.de<br />

<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 15


Jedes Jahr ist die Verleihung des Deutschen Tanzpreises in Essen nicht nur ein herausragendes Kultur-<br />

Die Hamburger Kultursenatorin Prof. Dr. Karin von Welck<br />

beglückwünscht John Neumeier<br />

Prof. Lutz Förster (links), Leiter des Studiengangs Tanz an der Folkwang-Hochschule, und<br />

Prof. Dr. Oliver Scheytt, Geschäftsführer der Kulturhauptstadt Ruhr.2001 GmbH<br />

Elke Holle-Riemenschneider, ehemalige Solistin des Stuttgarter <strong>Ballett</strong>s, mit ihrem Gatten<br />

Heinrich und John Neumeier<br />

Xin Peng Wang (links, <strong>Ballett</strong>direktor Dortmund), Traudl Kuppe-Loew im Gespräch mit<br />

Frank-Manuel Peter (Deutsches Tanzarchiv Köln)<br />

Ivan Liška, <strong>Ballett</strong>direktor des Bayerischen Staatsballetts,<br />

und Bernd Schindowski, <strong>Ballett</strong>intendant Gelsenkirchen<br />

Christine und Siegfried Maruhn im Gespräch mit Wulf<br />

Mämpel (Mitte), drei langjährige Freunde und Unterstützer<br />

des Deutschen Tanzpreises<br />

16 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>


ereignis, sondern auch ein Familientreffen <strong>für</strong> die Freunde und Förderer des <strong>Ballett</strong>s in Deutschland.<br />

Tanzpreisträger Horst Koegler mit Roland Gawlik<br />

(<strong>Ballett</strong>direktor Friedrichstadtpalast Berlin)<br />

Frank Andersen, Direktor des Royal Danish Ballet, und Heinz Spoerli, <strong>Ballett</strong>direktor<br />

des Züricher <strong>Ballett</strong>s<br />

Roberto Bolle im Gespräche mit dem Träger des Deutschen Jubiläums-Tanzpreises<br />

John Neumeier<br />

Die Tanzpreisträger Hans Herdlein (vorne) und Philippe Braunschweig im<br />

Gespräch mit Rainer Woihsyk (Noverre Gesellschaft Stuttgart)<br />

John Neumeier, Ulrich Roehm und Uschi Ziegler, Schulleiterin der <strong>Ballett</strong>schule<br />

des Hamburg <strong>Ballett</strong> und Trägerin des Ehrenpreises des DBfT 2007,<br />

im Gespräch mit Studierenden der Hamburger Schule<br />

Die langjährige Primaballerina des Stuttgarter <strong>Ballett</strong>s und Tanzpreisträgerin<br />

1998, Birgit Keil, mit Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert<br />

<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 17


18<br />

WAZ vom 3.3.<strong>2008</strong><br />

WAZ vom 3.3.<strong>2008</strong>


»Man muss auf der Bühne<br />

etwas zu sagen haben!«<br />

Dietmar Seyffert über seinen Weg zum<br />

Tänzer, Choreographen und Pädagogen<br />

Das Gespräch führte Volkmar Draeger<br />

Volkmar Draeger: Wenn Sie am 7. April Ihren 65. Geburtstag<br />

feiern, liegen 48 Jahre Berufsleben <strong>für</strong> den Tanz hinter Ihnen.<br />

Woran denken Sie besonders gern?<br />

Dietmar Seyffert: An den Spaß beim Choreographieren und<br />

auf meinen privaten Segeltörns. Auf See fühlt man sich ganz<br />

klein gegenüber der Natur, schraubt sich auf ein reales Maß<br />

zurück. Das gibt Kraft und Ausgeglichenheit. Gern denke ich<br />

auch an die Gespräche mit Palucca. Worauf ich stolz bin: Zwei<br />

Kinder groß gezogen zu haben.<br />

Was waren prägende Erlebnisse?<br />

In der Ausbildung die unglaublich guten Improvisationsstunden<br />

bei Palucca. Später als Tänzer habe ich mich nie so recht<br />

wohl gefühlt, vielleicht als Romeo in Grita Krätkes Fernseh-Tanzpoem<br />

»Romeo, Julia und die Finsternis« oder als Halbstarker in<br />

dem erfolgreichen DEFA-Musikfilm »Hochzeitsnacht im Regen«.<br />

Das morgendliche Training empfand ich immer als Strafe, erst<br />

gegen Ende der Stunde fand man seine Bestätigung.<br />

Gab es dennoch auch wichtige Erfahrungen?<br />

An der Berliner Staatsoper in »Spartacus« getanzt zu haben<br />

oder den Hilarion unter unserer damaligen <strong>Ballett</strong>chefin Lilo Gruber.<br />

Sie ließ uns viel gestalterische Freiheit, das gefiel mir – und<br />

ihr im Ergebnis dann auch. Ziemlich früh habe ich erkannt, dass<br />

Talent nur zu maximal 15 Prozent und allenfalls <strong>für</strong> die ersten<br />

drei Jahre den Erfolg ausmacht. Dann zählen nur noch physische<br />

Arbeit und Willenskraft. Dass man heute auf der Bühne so viele<br />

gute Techniker, aber so selten Persönlichkeiten sieht, bedaure<br />

ich.<br />

Wie kamen Sie zur Choreographie?<br />

Vielleicht sollte ich erst erzählen, wie ich zum Tanz kam: Als<br />

Sudeten-deutsches Flüchtlingskind verschlug es mich mit der Familie<br />

nach Limbach bei Chemnitz. Vater als Ex-NSDAP-Funktionär<br />

kam ins Umerziehungslager und floh in die Westsektoren,<br />

Mutter schälte bei den Russen Kartoffeln und fand <strong>für</strong> mich eine<br />

Uhrmacherlehre. Eine Lehrerin empfahl allerdings die Palucca-<br />

Schule, weil man dort nichts bezahlen musste. Allein, in Turnhose<br />

und barfuß, kam ich mit 13 zur Eignungsprüfung nach Dresden,<br />

fiel, da ohne jede Vorbildung, in Klassisch glatt durch. Tanze,<br />

was du willst, ermunterte mich Palucca beim Modern-Test. Ich<br />

kann gar nicht tanzen, das will ich ja hier erst lernen, lautete<br />

meine Antwort. Dann beweg’ dich einfach! So nahm ich eine<br />

<strong>Ballett</strong>stange, drosch drauflos und behauptete, das sei Bauernkrieg,<br />

weil wir den gerade in der Schule behandelt hatten.<br />

Da ist was dran, war Paluccas Urteil, und gegen alle anderen<br />

Pädagogen behielt sie mich <strong>für</strong> ein Probejahr. Und weil ich im<br />

zweiten Ausbildungsjahr noch immer kein <strong>Ballett</strong> gesehen hatte,<br />

schickte sie mich zur »Strafe« in jede <strong>Ballett</strong>vorstellung der Oper,<br />

damals gerade die Schilling-Ära, natürlich Stehplatz. Auf drei<br />

Seiten musste ich über die Aufführung dann berichten. Das gute<br />

Essen, die Mädchen und der Unterricht bei Palucca gefielen<br />

mir sehr, und auch in Klassisch strengte ich mich bald mehr an.<br />

Wenn Gäste in die Schule kamen, also ziemlich oft, ließ mich<br />

Palucca aus dem Theorieunterricht holen, damit ich mit den anderen,<br />

manchmal sogar mit ihr allein vorimprovisierte. Für meine<br />

Bewegungsfantasie bekam ich als Student immer wieder Lob.<br />

Zu meinem 50. Geburtstag schenkte sie mir Faksimiles ihrer Tagebuchnotizen<br />

über mich. Was ich bei ihr auch lernte: Beim<br />

Choreographieren zuerst die Schlussidee zu entwickeln und zu<br />

stellen, damit man das Ziel kennt, auf das man konsequent hin<br />

arbeiten muss. Die Palucca-Schule: Meine schönste Zeit.<br />

Zur Choreographie kam ich eher über Widerstände. Mit 21,<br />

als Tänzer in der Berliner Staatsoper, entwarf ich <strong>für</strong> eine Gruppe<br />

Gleichgesinnter kleine Stücke. Lilo Gruber fand das unmöglich,<br />

verbot einzelne Tänze, ließ uns sonst gewähren. Für eine der<br />

ersten Choreographien gewann ich den Nachwuchspreis beim<br />

DDR-<strong>Ballett</strong>wettbewerb, damals noch in der Berliner Volksbühne,<br />

später dann dreimal hintereinander den 1. Preis, bis ich von der<br />

Teilnahme ausgeschlossen wurde.<br />

Auch privat war ich auf Widerstand abonniert, beispielsweise<br />

gegen den abgehauenen Vater. Mit 14 trat ich der FDJ bei,<br />

1966 drehte das DDR-Fernsehen mit Dietmar Seyffert in der Hauptrolle den<br />

Film »Prometheus« (Foto: Privatarchiv Dietmar Seyffert)<br />

mit 18 freiwillig der SED – das gesamte Ensemble hielt mich <strong>für</strong><br />

bekloppt. Ich glaubte, etwas verändern zu können. Erste Zweifel<br />

fingen 1973 an, als ich nicht aus der Kirche austreten wollte.<br />

Ich war damals fast fanatisch gläubig, wurde dann ein ebenso<br />

überzeugter Kommunist. Nach dem Einmarsch der russischen<br />

Truppen in Prag schrieb ich einen Protestbrief, ab 1983 wurde<br />

ich quasi zur persona non grata. Man beließ mich dennoch in<br />

allen Funktionen, darunter Vorsitzender der Sektion Tanz im Theaterverband<br />

der DDR, Präsident Tanz im <strong>Intern</strong>ationalen Theaterinstitut<br />

der UNESCO.<br />

Sie galten immer als eine Art junger Wilder. Ich erinnere mich<br />

an erregte Debatten über Ihren Dreiteiler »Der neue Don Quixote«<br />

1987 in Leipzig...<br />

Ich wollte die Welt zeigen, wie sie ist. In der erwähnten Inszenierung<br />

gab es Frauen an Fleischhaken, wie bei der Fleischbeschau,<br />

auch schon einen Schauspieler. Sechs Pauker des<br />

Gewandhauses spielten. Der Intendant verbot das Stück, das<br />

<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 19


Ensemble verfasste einen Solidaritätsbrief. Erst das Argument, es<br />

gehe nicht um die DDR, sondern um Kapitalismuskritik, machte<br />

insgesamt vier Aufführungen möglich. Auch das Recht, »Le Sacre<br />

du Printemps« zu inszenieren, presste ich dem Intendanten ab.<br />

Elf Jahre war ich Choreograph in Leipzig, acht davon parallel<br />

an der Staatsoper Unter den Linden, bis ich körperlich, psychisch<br />

und kreativ total erschöpft war. Für Berlin choreographierte ich<br />

auch »Die Glocke«: Russland war darin die durchsichtige Mutterglocke,<br />

unter der es brodelt und die auseinander bricht. Ich wollte<br />

zeigen, wie Menschen an ihrer Revolution verbrennen. Empörte<br />

Leserbriefe im »Neuen Deutschland« erzwangen eine Absetzung<br />

des Stücks, wiewohl ich im Osten überwiegend Verrisse erntete,<br />

während ich im Westen gelobt wurde. So kam es zu meiner<br />

internationalen Karriere, die mich bis heute in 35 Länder führte,<br />

auch nach Neu-Delhi, Kalkutta, zum Taj-Mahal-Festival in Agra,<br />

nach Kairo, wo meine Viereinhalb-Stunden-Show »1000 Jahre<br />

Kairo« sechs Jahre ausverkauft lief. Mit 27 hatte man mich auf<br />

zwei Jahre nach Ägypten delegiert, dort lernte ich auch Arabisch<br />

und beschäftigte mich mit dem Koran. Für Mexiko City entstanden<br />

zum Cervantes-Festival ein neuer »Sacre« und ein Stück über<br />

1992: »Kleistiana« – ein Tanztheater in drei Akten, Choreographie Dietmar<br />

Seyffert, stehend im Hintergrund Gregor Seyffert, <strong>Deutscher</strong> Tanzpreis<br />

2003 (Foto: Annette Höfer)<br />

indianische Historie, beides lief live im Fernsehen. So ab 1985<br />

merkte ich, dass der Kommunismus eine glänzende, aber nicht<br />

durchsetzbare Idee war. Heute gefällt mir der Buddhismus am<br />

besten, das göttliche Moment in sich zu finden. Für die Bühne<br />

gilt: Man muss etwas zu sagen haben!<br />

Gerade <strong>für</strong> Ihre modernen Beiträge gewannen Sie bei großen<br />

<strong>Ballett</strong>wettbewerben viele Preise. Kam so die spektakuläre Zusammenarbeit<br />

mit Ihrem Sohn Gregor zustande?<br />

Was er an der Komischen Oper zu tanzen hatte, reichte nicht<br />

<strong>für</strong> eine internationale Karriere. Ich wollte ihn fördern, auch durch<br />

Sprechunterricht. »Back Home« als Kriegsheimkehrerdrama hieß<br />

einer der ersten Wettbewerbserfolge. »Clown Gottes«, das Solo<br />

um Nijinsky, mit dem er noch heute weltweit tourt, schenkte ich<br />

ihm zum Geburtstag, Uraufführung im Berliner Hebbel-Theater.<br />

Als das Stück ins Repertoire der Komischen Oper überging, entstand<br />

als zweiter Teil »Wölfe«, eine Zeitkritik. Ich bin stolz darauf,<br />

dass Gregor heute selbst choreographiert und so vielseitig ist.<br />

Weshalb sieht man von Ihnen kein Stück mehr auf deutschen<br />

Bühnen?<br />

Noch nach der Wende habe ich viel in Deutschland gearbeitet.<br />

Vor neun Jahren erlitt ich an der Deutschen Oper Berlin<br />

meinen größten Misserfolg. Möglicherweise war das Stück nicht<br />

gut, obgleich es bei der Uraufführung in San Francisco als bestes<br />

Antikriegsstück seit »Der Grüne Tisch« gefeiert worden war.<br />

In Berlin drosch die Kritik erbarmungslos auf mich ein, wollte<br />

wohl den Ost-Dino mal so richtig abwatschen. Ich verstand die<br />

Welt nicht mehr und arbeite seither nicht mehr in Deutschland.<br />

Vielleicht eine Überreaktion.<br />

Was war der Anlass, das in Europa einzigartige Choreographie-Studium<br />

in Berlin einzurichten?<br />

Es gab <strong>für</strong> die vielen Ensembles der DDR zu wenige Choreographen<br />

und auch keine Valuta, um Ausländer einzukaufen.<br />

Mein Vorschlag, einen Diplom-Studiengang<br />

<strong>für</strong> die eigenen Ressourcen einzurichten,<br />

stieß beim Kulturministerium auf offene Ohren.<br />

Man berief mich zum Professor und gab<br />

mir, neben meiner Tätigkeit an der Leipziger<br />

Oper, ein Jahr Zeit, die Lehrpläne auszuarbeiten.<br />

Ich selbst hatte ja ein vierjähriges<br />

Choreographie- und Psychologiestudium in<br />

Leipzig und eine zweijährige Aspirantur im<br />

damaligen Leningrad absolviert. Gewünscht<br />

war die Anbindung des Studiums an die Berliner<br />

<strong>Ballett</strong>schule. Mir schien aber die Schauspielschule<br />

der richtige Platz, weil dort die<br />

Studenten mit angehenden Schauspielern,<br />

Regisseuren, Dramaturgen in Berührung kommen.<br />

Unsere Studenten bekamen Unterricht<br />

in Regie und Szenenstudium, im Gegenzug<br />

vermittelten wir den Schauspiel- und Regiestudenten<br />

etwa Raumlehre, Umgang mit Gestik<br />

und theatraler Zeit.<br />

Was wurde in Ihrem Studiengang noch gelehrt?<br />

Insgesamt gab es über vier Jahre verteilt 27 Fächer, vom täglichen<br />

Training über Raum- und Bewegungslehre, Bewegungskomposition,<br />

Inszenierungsmethodik und choreographischen<br />

Einzelunterricht bis zu Anatomie, Biorhythmik, Sprecherziehung,<br />

Bühnenbild/Kostüm, Lichtdesign. Eine breit gefächerte Ausbildung,<br />

die auf alle Einsatzgebiete vorbereiten sollte, ob Theater,<br />

freie Szene, Show, Zirkus oder Eisrevue. Das Handwerk ist überall<br />

das gleiche. Schließlich hat auch Balanchine <strong>für</strong> Elefanten<br />

und Spoerli <strong>für</strong> Reitpferde in der Manege choreographiert. Viele<br />

Eiskunstlaufpaare der DDR errangen mit Choreographien von mir<br />

Weltmeistertitel, und mir hat dieser Ausgleich Spaß gemacht. Von<br />

den 15 Bewerbern <strong>für</strong> den ersten Studiengang, der nur jedes<br />

zweite Jahr immatrikulierte, habe ich damals fünf genommen. In<br />

den vergangenen zwei Jahrzehnten haben rund 50 Absolventen<br />

unsere Schule verlassen, viele besetzen Chefpositionen in Theatern,<br />

wie der hochbegabte Mario Schröder in Kiel, andere arbeiten<br />

in der freien Szene, wie Christoph Winkler oder Sven Sören<br />

Beyer, oder im eigenen Cabaret wie Sylvia Schmidt. Von den 40<br />

Prozent Ausländern arbeiten heute viele in ihren Heimatländern.<br />

20 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>


Als Bilanz gefragt: Ist Choreographie lehrbar?<br />

Als Handwerk ja, und durch methodisches Herangehen kann man<br />

vorhandene Kreativität schulen und erweitern. Talent selbst hat man<br />

oder eben nicht. Frühzeitig habe ich übrigens erkannt, dass Lehre und<br />

Forschung eng zusammengehören. So entstanden im Lauf der Zeit 71<br />

Lehrbriefe zur Choreographie – die Quintessenz meiner langjährigen<br />

Erfahrung. Konflikt und Harmonie, Synchronismus und Asynchronismus,<br />

Raumlehre als dynamischer Prozess, wie stellt man Allegorien dar, wie<br />

übersetzt man Bewegung aus dem Alltag künstlerisch in den theatralen<br />

Alltag, so lauten einige der darin behandelten Themen.<br />

Mit Selbstauslöser fotografiert: Dietmar Seyffert beim<br />

Einhandsegeln auf seiner Jacht »Palucca« auf dem Weg<br />

nach Norwegen. Gret Palucca (Trägerin des Deutschen<br />

Tanzpreises 1993) hatte die Yacht selbst getauft.<br />

Vor anderthalb Jahren<br />

wurde der letzte<br />

Studiengang immatrikuliert.<br />

Deren jüngste<br />

choreographische<br />

Präsentation war von<br />

erschreckend niedrigem<br />

Niveau. Haben<br />

sich die Ausbildungsziele<br />

geändert?<br />

Lange und rechtzeitig<br />

habe ich mich um<br />

einen Nachfolger bemüht.<br />

Derzeit bin ich<br />

nur noch Vorsitzender<br />

der Prüfungskommission<br />

und Mentor, falls<br />

Studenten mich darum<br />

bitten. Ingo Reulecke,<br />

auch er unser Absolvent,<br />

hat als neuer Leiter<br />

des Studiengangs<br />

eine andere Auffassung<br />

davon, was ein<br />

Künstler heute können soll. Es scheint mir daher nicht nur logisch, dass<br />

mit meinem Ausscheiden der von mir begründete Studiengang ausläuft.<br />

Vielmehr bin ich froh, mit dem in der Nachfolge geplanten Master-Studiengang<br />

nichts mehr zu tun zu haben und keinerlei Verantwortung da<strong>für</strong><br />

zu tragen. Während überall in der Gesellschaft die Bedeutung von Choreographie<br />

wächst, ob im Management über Gestensprache, im Sport,<br />

bei der Selbstinszenierung in der Politik, verengt – soweit ich das überblicke<br />

– jenes Master-Studium den Begriff Choreographie eklatant, statt<br />

ihn zu erweitern. Ob dieser neue Studiengang meine Lehrbriefe möchte,<br />

befindet sich noch in Klärung. Angebote aus Russland und England sind<br />

da schon konkreter.<br />

Zieht sich Dietmar Seyffert nun resigniert aufs Altenteil zurück?<br />

Überhaupt nicht. Im April choreographiere ich am Nationaltheater<br />

Prag, arbeite als Juror in Perm, gebe zuvor ein choreographisches Seminar<br />

an der GITIS in Moskau; ähnliche Seminare folgen 2009 in San<br />

Antonio in den USA, 2010 im kanadischen Victoria, wo ich gleichzeitig<br />

mit Studenten Brechts »Die Rundköpfe und die Spitzköpfe« inszeniere.<br />

Im Oktober erscheint in Russland mein Lehrbuch über <strong>Tanzpädagogik</strong>,<br />

Interesse an einer englischen Ausgabe liegt vor; gegenwärtig schreibe<br />

ich gemeinsam mit Enno Markwart an einem Band über Fantasie und<br />

Kreativität in der Bewegungsfindung. Im November beginne ich eine<br />

Tanztheaterproduktion vom »Kaukasischen Kreidekreis« in der kambodschanischen<br />

Hauptstadt Phnom Penh, ab 2009 gibt es Angebote aus<br />

Russland, der Ukraine, den USA und aus Chile. Bis dahin aber sollte<br />

ich mit meiner Segeljacht mindestens zweieinhalb Monate pro Jahr die<br />

Meere durchpflügen. ■<br />

»Faust«, der Zweite<br />

Verleihung des Deutschen<br />

Theaterpreises<br />

Von Vesna Mlakar<br />

Das spontane Eingeständnis von Regisseurin Doris Dörrie,<br />

sie habe sich bereits in den ersten Minuten dieser<br />

Veranstaltung am 23. November 2007 im Prinzregententheater<br />

besser amüsiert als bei jeder Filmpreisverleihung,<br />

war ein großartiges, allgemein nachvollziehbares<br />

Kompliment. Das famose Moderatorenduo Peter<br />

Jordan und Bernd Moss – beide junge »alte« Schauspielerhasen<br />

am Hamburger Thalia Theater und den<br />

Münchner Kammerspielen – sorgten <strong>für</strong> den witzig-reibungslosen<br />

Ablauf des offiziellen Teils, wobei sie sich<br />

augenzwinkernd immer wieder die verbalen Bälle zuwarfen,<br />

um stets in die Klage darüber auszubrechen,<br />

nicht selbst Preisträger zu sein. Allein bei der Sparte<br />

Tanz gestanden sie ein, dieser so schwer fassbaren<br />

Kunst nicht mächtig zu sein.<br />

Die Idee einer Gesamtschau aller Bühnenkünste<br />

beim erst zum zweiten Mal vergebenen Deutschen<br />

Theaterpreis »Faust« ist lobenswert: In zehn Kategorien<br />

waren 24 Regisseure, Sänger, Schauspieler,<br />

Tänzer, Choreographen und Ausstatter nominiert. Auf<br />

kurze Ansprachen der Laudatoren folgte das Oscarähnliche<br />

Öffnen der versiegelten Umschläge mit den<br />

Gewinnernamen. Als die Kategorie »Beste Choreographie«<br />

an der Reihe war, erinnerte der ehemalige<br />

Präsident der Stiftung Weimarer Klassik und Tanzenthusiast<br />

Bernd Kauffmann an den unlängst verstorbenen<br />

Meisterchoreographen Maurice Béjart und überreichte<br />

den »Faust« in dessen Metier (vor den Kollegen<br />

Marguerite Donlon und Marco Goecke) an Stephan<br />

Thoss vom Städtischen Theater Chemnitz <strong>für</strong> »Giselle<br />

M.«. Obwohl dieser sich entschuldigte, das Sprechen<br />

sei nicht sein Gebiet, weshalb er wohl choreographiere,<br />

bedankte er sich mit wohlgesetzten Worten<br />

bei all jenen, die ihn zum »Denken in Bewegung«<br />

gebracht haben.<br />

Die beste darstellerische Leistung im Tanzbereich<br />

wurde vom operationsgeschwächten Primoballerino<br />

Vladimir Malakhov, <strong>Ballett</strong>direktor in Berlin, in warmen<br />

englischen Worten gewürdigt: Nicht Tigran Mikayelyan<br />

vom Bayerischen Staatsballett oder Edvin Revazov<br />

vom Hamburg <strong>Ballett</strong>, sondern Katja Wünsche vom<br />

Stuttgarter <strong>Ballett</strong> erhielt den »Faust« <strong>für</strong> die weibliche<br />

Hauptrolle in Maurizio Bigonzettis »I Fratelli«.<br />

Nimmt man noch das etwas befremdliche Kreischen<br />

der als Sängerin sich langbeinig neben ihrem<br />

Musikpartner Roland Jaeger im Rampenlicht wiegenden<br />

Schauspielerin Johanna Wokalek und das extrem<br />

eindrucksvolle Tanzsolo »Äffi« (Marco Goecke) des<br />

Stuttgarter Solisten und letztjährigen »Faust«-Preisträgers<br />

Marijn Rademaker hinzu, handelte es sich um einen<br />

insgesamt sehr bunten, nichtsdestoweniger höchst<br />

informativen und zugleich niveauvoll-unterhaltsamen<br />

Abend. Ohne Berührungsängste zwischen Künstlern<br />

und »Fußvolk« ging die Feier noch die halbe Nacht in<br />

den Foyers und im Lokal des Theaters munter weiter.■<br />

<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 21


Die Metamorphosen<br />

des Prix de Lausanne<br />

Der 36. Prix de Lausanne macht<br />

zukunftweisende Schritte<br />

Von Sylvia Garcia<br />

Der Prix de Lausanne hört nicht auf sich zu<br />

verwandeln. Er ist der alte in Bezug auf seine<br />

Ziele, dennoch sichtbar erneuert, wo es<br />

um Vorbereitungen und Abläufe geht. Vor<br />

allem hat man die Türen weit geöffnet <strong>für</strong><br />

ein interessiertes Publikum, das vom Balkon<br />

des Théâtre de Beaulieu aus sämtliche Prüfungen<br />

verfolgen konnte. Eine Brücke zu<br />

schlagen zwischen klassischem <strong>Ballett</strong> und<br />

moderner Tanztechnik und Vorurteile abzubauen,<br />

ist ein Anliegen von Samuel Würsten,<br />

Mitglied des künstlerischen Komitees,<br />

der seit 1997 Unterricht <strong>für</strong> Modernen Tanz<br />

am Prix de Lausanne erteilt. Es ist ihm besonderes<br />

wichtig, dass <strong>für</strong> Tänzerinnen und<br />

Tänzer, die hier erstmals mit Modernem<br />

Tanz konfrontiert werden, diese Erfahrung<br />

positiv ist. Der Prix hat sich in den über dreieinhalb<br />

Jahrzehnten seines Bestehens immer<br />

mit dem Tanz zusammen weiterentwickelt. Ein bedeutender<br />

Schritt <strong>für</strong> den Wettbewerb ist es, dass die modernen Choreographien,<br />

die zum Pflichtpensum gehören, gleichwertig zu den<br />

klassischen Komponenten beurteilt werden.<br />

In den vergangenen Jahren war die fernöstliche Dominanz<br />

enorm. Japan, China und Korea stellten mehr als die Hälfte der<br />

Teilnehmer. In diesem Jahr waren die 22 Nationalitäten bunt gemischt.<br />

Spanien, Norwegen, Schweden, Ungarn, Großbritannien,<br />

Brasilien, USA, Australien, Philippinen, Japan, Korea und<br />

die Schweiz waren im Finale vertreten. 52 Mädchen und 22<br />

Jungen waren anhand von DVD Aufzeichnungen nach Lausanne<br />

eingeladen worden, darunter erstaunliche Talente aus Brasilien.<br />

Erstmals hat man altersmäßig unterschieden zwischen den 15-<br />

bis 16- und den 17- bis 18-Jährigen. Ein kluger Beschluss, da<br />

sich in diesen Jahren eine Reife in der Entwicklung entscheidend<br />

manifestiert. Für die Juroren war es eine Ausdauerleistung, alle<br />

74 Teilnehmer in ihrer klassischen und modernen Variation zu<br />

beurteilen. Die modernen Variationen stammten aus <strong>Ballett</strong>en<br />

von Jurypräsident John Neumeier. Er macht übrigens keinen Hehl<br />

daraus, dass er Wettbewerbe eigentlich schrecklich findet: »Es<br />

gibt junge Tänzer, die mehr Zeit brauchen <strong>für</strong> ihre Entwicklung,<br />

deswegen sind sie nicht schlechter. Der ›Prix‹ ist ein wichtiges<br />

Schaufenster, denn hier geht es darum, Potenzial zu erkennen<br />

und zu fördern. Erst die Technik gibt die Freiheit, Emotionen darzustellen.«<br />

Einen beschränkten Einblick in die Bandbreite des<br />

Schaffens von John Neumeier erhielt man in den verschiedenen<br />

modernen Variationen, die einstudiert wurden. Beeindruckend<br />

wie beklemmend das Kranke, Manische in »Nijinsky« zu Musik<br />

von Schostakowitsch. Hinreißend die Musikalität, Eleganz und<br />

Beschwingtheit, die einige der jungen Tänzerinnen in der Bach-<br />

Suite II zeigten. War es früher oft die Diskrepanz in der Qualität<br />

dieser modernen Variationen, die <strong>für</strong> ein Weiterkommen entscheidend<br />

sein konnte, so war mit dieser Entscheidung <strong>für</strong> eine<br />

choreographische Handschrift ein mögliches Hindernis aus dem<br />

PRIX<br />

DE LAUSANNE<br />

Weg geräumt. Eine überaus sympathische Dienstleistung bieten<br />

die dem »Prix« verbundenen Schulen, deren Vertreter sich zu informativen<br />

Gesprächen zur Verfügung halten. Wohl bestückt mit<br />

Unterlagen und Broschüren über die professionelle Ausbildung,<br />

die Möglichkeiten an allgemeinbildenden Schulen, Unterbringung,<br />

Stipendien – das Angebot wurde reichlich genutzt.<br />

Das jährliche Budget des Prix beträgt mittlerweile 2 Mio.<br />

Schweizerfranken, (1,4 Mio. Euro.) Ein Betrag, der durch die<br />

Stadt Lausanne, den Kanton Waadt, Firmen, Banken, aber auch<br />

private Mäzene erbracht wird. 10.000 Euro,<br />

(16.000 Sfr) erhalten die Preisträger zusätzlich<br />

zum Studienplatz an einer Schule nach<br />

Wahl oder eine Spielzeit in einer Compagnie,<br />

die auf ein Jahr begrenzt ist. Die Kanadierin<br />

Mavis Staines hat dem Wettbewerb als<br />

künstlerische Leiterin während der vergangenen<br />

sieben Jahren wichtige Impulse gegeben.<br />

Sie wird abgelöst von Wim Broeckx, 1980<br />

selbst Preisträger in Lausanne, öfters bereits<br />

Jurymitglied, seit 2002 Direktor <strong>für</strong> Tanz am<br />

Konservatorium in Den Haag. Zwei Persönlichkeiten,<br />

die im vergangenen Jahr verstarben,<br />

wurden gebührend gewürdigt: Elvire<br />

Kremis-Braunschweig, 1973 Mitbegründerin<br />

des Prix de Lausanne. Ihr Leben und künstlerischer<br />

Werdegang wurde in einem berüh-<br />

renden Porträt gezeichnet. Und Maurice Béjart,<br />

ihm widmete John Neumeier sein »OPUS<br />

100 – for Maurice« vor gut zehn Jahren zum 70. Geburtstag,<br />

zur Musik von Simon & Garfunkel, getanzt von Ivan Urban und<br />

Yohan Stegli, Solisten des Hamburg <strong>Ballett</strong>. Wie ein Versprechen<br />

an die Zukunft erlebte man die Aufführung von »Yondering«,<br />

einer Choreographie zu Songs des amerikanischen Komponisten<br />

Stephen Foster, die Neumeier <strong>für</strong> die National Ballet<br />

School of Canada geschaffen hatte. Hier wurde das Stück von<br />

über 40 Studenten der <strong>Ballett</strong>schulen von Toronto, Hamburg und<br />

Paris getanzt. Ein begeisterndes Miteinander, voll beglückender<br />

Heiterkeit, wo Bewegung zum Ausdruck von Zukunftsglaube<br />

wird. »Yondering« bedeutet eine Grenze überschreiten, hin zum<br />

Abenteuer.<br />

21 Finalisten (zehn Mädchen und elf Jungen) haben sich<br />

im großen Finale der Jury und einem großen Publikum im ausverkauften<br />

Haus gestellt. Dabei erstaunt immer wieder, zu welcher<br />

Hochform die jungen Tänzerinnen und Tänzer in dieser<br />

fordernden Situation auflaufen. Sieben ertanzten sich einen der<br />

begehrten Preise. Erstaunlich der Spanier Aleix Martinez, der<br />

Jüngste unter allen, 15-jährig, der die technischen Schwierigkeiten<br />

seiner Bournonville-Variation mit stupender spielerischer Leichtigkeit<br />

gestaltete und <strong>für</strong> »Spring and Fall« (auch von Neumeier)<br />

gleich noch die Auszeichnung <strong>für</strong> die beste moderne Variation<br />

in Empfang nehmen durfte. Lili Felméri aus Ungarn bezauberte<br />

durch die Eleganz ihrer Gesten, ihre Musikalität und ihren subtilen<br />

Gestaltungswillen. Dylan Tedaldi, ein Amerikaner, erstaunte<br />

durch die Reife, mit der er sich in »Nijinsky«, den schon Gebrochenen,<br />

hineinzufühlen schien. Die weiteren Preisträger: Kyle<br />

Davis, USA, Irlan Silva und Marcella de Paiva, beide Brasilien,<br />

Akane Takada, Japan, holte nicht nur ein Schulstipendium, sondern<br />

auch den Publikumspreis. Schließlich wurde wieder einmal<br />

ein Preis <strong>für</strong> die »beste Schweizer Kandidatin« verliehen, die das<br />

Finale erreicht hatte. Aus der Talentschmiede der Tanzakademie<br />

Zürich stammt die junge Türkin, Gozde Ozgur, die eine fabelhafte<br />

Kitri (Don Quichote) auf die Bühne zauberte. ■<br />

22 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>


Erfolgreich und konkurrenzlos<br />

bestehen seit 30 Jahren meine beiden <strong>Ballett</strong>schulen in NRW.<br />

Nur 20 km voneinander entfernt, mit großem Einzugsgebiet<br />

und immer noch ausbaufähig, verfügen sie über 100 m2 Säle<br />

und einen großen Kostümfundus. Aus privaten Gründen muss<br />

ich die Schulen verkaufen, stehe aber <strong>für</strong> eine Einarbeitungszeit<br />

zur Verfügung.<br />

Angebote unter Chiffre Nr. 01-2-<strong>2008</strong> an den Deutschen <strong>Berufsverband</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong> e.V., Hollestr. 1, 45127 Essen<br />

Stadt Sankt Augustin<br />

58.000 Einwohner<br />

sucht <strong>für</strong> die Musikschule der Stadt Sankt Augustin<br />

zum 1. August <strong>2008</strong><br />

eine Fachbereichsleiterin/einen Fachbereichsleiter<br />

<strong>für</strong> den Fachbereich <strong>Ballett</strong><br />

in Vollzeit (derzeit 30 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten).<br />

Die Stelle ist bewertet nach Entgeltgruppe 9 Tarifvertrag <strong>für</strong> den<br />

öffentlichen Dienst (TVöD).<br />

Der vollständige Ausschreibungstext ist auf der <strong>Intern</strong>etseite der<br />

Stadt Sankt Augustin www.sankt-augustin.de veröffentlicht.<br />

Weitere Auskunft erteilt Frau Oberdörfer, Tel.: 02241/243-216.<br />

Fachliche Fragen beantwortet Herr Schulte, Tel.: 02241/243-343.<br />

Interessierte richten Ihre Bewerbung bitte mit den üblichen Unterlagen<br />

bis 15.4.<strong>2008</strong> (Eingang) an den Bürgermeister, Fachbereich<br />

Zentrale Dienste, 53754 Sankt Augustin.<br />

Eine gemeinsame Initiative<br />

Südtiroler Kulturinstitut<br />

Stiftung Stadttheater Bozen<br />

Bozen tanzt!<br />

Bolzano,<br />

la città che<br />

danza!<br />

Mehr Infos unter:<br />

Tel. +39 0471 313 800, www.tanzbozen.it<br />

Foto: Lea Fischer<br />

Herzlichen Glückwunsch<br />

John Neumeier!<br />

Die <strong>Ballett</strong>freunde Hamburg e.V. gratulieren John Neumeier<br />

sehr herzlich zum Deutschen Jubiläums-Tanzpreis <strong>2008</strong>.<br />

www.ballettfreundehamburg.de<br />

09.- 31. JULI LUGLIO<br />

Afro Brasil, Samba: Ivan Vasconcellos (BR), <strong>Ballett</strong>:<br />

Gillian Anthony (GB), Karen Henry (USA), Elaine Holland<br />

(GB), Hilary Neethling (GB), Bollywood, Afro Contemporary:<br />

Stephen Bongarçon (F), Contemporary<br />

Modern: Natalia Viñas Roig (E), Contemporary Technique,<br />

Creative Work: Britta Pudelko (D), Flamenco:<br />

Belén Cabanes (E), Juan Carlos Lérida Bermejo (E),<br />

Brigitta Luisa Merki (CH), Hip Hop: Patrick Grigo (D),<br />

Nina Kripas (A), Fabrizio Lolli (I), Hip Hop, Funky: Andy<br />

Lemond (CAN), Jazz: Anne-Marie Porras (F), Gianluca<br />

Girolami (I), Jazz Funk Fusion, Salsa Funk: Alex Kordek<br />

(GB), Musical: Carol Alston (USA), Latin Jazz, Lyrical<br />

Jazz: Rosy Néri-Calheiros (BR), Modern: Nancy<br />

Lushington (USA), Orientalischer Tanz: Amoura (USA),<br />

Pilates, Gyrokinesis: Apollonia Holzer (A), Stepptanz:<br />

Diana Richardson (IRL)<br />

Kreativer Kindertanz: Ulla Wenzel (D),<br />

B-Boying/Break Dance: Patrick Grigo (D),<br />

Jazz: Carole Alston (USA), Gianluca Girolami (I), Rosy<br />

Néri-Calheiros (BR), Video Clip Dance: Alex Kordek (GB),<br />

Rhythm4dance, Body Percussion: Gilson de Assis (BR)<br />

Intensiv-Workshops: 28.-31. Juli <strong>2008</strong><br />

Contemporary Dance: Henry Oguike (GB)<br />

<strong>Tanzpädagogik</strong>: Ulla Wenzel (D) Programmänderungen vorbehalten<br />

<strong>2008</strong><br />

24. <strong>Intern</strong>ationales Tanz- und Kursfestival<br />

<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 23


20 Jahre Fonds<br />

Darstellende Künste<br />

FONDS DARSTELLENDE KÜNSTE e.V.<br />

Der 1985 auf Initiative des Deutschen Kulturrates gegründete Fonds<br />

Darstellende Künste begeht in diesem Jahr sein 20-jähriges Förderjubiläum.<br />

In der Tanzstadt Essen nahm der Fonds seinen ersten<br />

Sitz, bevor er Ende 2000 nach Bonn umzog. Eines der zentralen<br />

Förderziele des Fonds ist es, einen substanziellen Beitrag zur Weiterentwicklung<br />

einer vielgestaltigen Theater- und Tanzlandschaft in<br />

Deutschland zu leisten. Auch deshalb wurde der in Essen verliehene<br />

Deutsche Tanzpreis seit 1989 inzwischen zum achten Mal durch<br />

den Fonds gefördert.<br />

Ulrich Roehm, Spiritus Rector des Deutschen Tanzpreises, wie<br />

auch Hans Herdlein, Präsident der Genossenschaft <strong>Deutscher</strong> Bühnenangehöriger,<br />

der 2005 den Tanzpreis verliehen bekam, gehörten<br />

zu den Mitbegründern des Fonds und wurden nach jahrelanger<br />

Vorstandstätigkeit zu Ehrenmitgliedern ernannt. Die Karlsruher <strong>Ballett</strong>direktorin<br />

Birgit Keil, 1998 ebenfalls mit dem Deutschen Tanzpreis<br />

geehrt, ist Kuratoriumsmitglied des Fonds. Und die beiden Träger<br />

des Deutschen Tanzpreises (2007) Susanne Linke und (2003) Gregor<br />

Seyffert gehören zu den vom Fonds geförderten Künstlerinnen<br />

und Künstlern.<br />

Der Fonds Darstellende Künste hat sich als einzige Förderinstitution<br />

in Deutschland zum Ziel gesetzt, qualitativ anspruchsvolle<br />

Projekte aller Arbeitsfelder und Sparten der darstellenden Künste,<br />

die sich insbesondere mit gesellschaftlich relevanten Themen auseinandersetzen<br />

und aufgrund ihrer Modellhaftigkeit oder spezifi schen<br />

Ästhetik exemplarisch <strong>für</strong> das Freie Theater und den Tanz sind, bundesweit<br />

zu fördern.<br />

Seit 1988 stellte der Bund dem Fonds anfangs über das Bundesinnenministerium,<br />

danach über die Kulturstiftung der Länder und seit<br />

2005 allein durch die Kulturstiftung des Bundes insgesamt 8 Millionen<br />

zur Verfügung. Somit konnten durch die Komplementärförderung<br />

des Fonds in über 300 Städten und Gemeinden 2.033 Projekte<br />

realisiert werden.<br />

Das Freie Theater in Deutschland hat in den letzten Jahren mit allen<br />

seinen Sparten eine enorme Vielfalt an künstlerischen Handschriften,<br />

experimentellen und innovativen Ansätzen sowie international<br />

erfolgreichen Produktionen hervorgebracht. Dies gilt insbesondere<br />

<strong>für</strong> den zeitgenössischen Tanz mit seinem grenzenlosen Feld performativer<br />

Konzepte. Den zeitgenössischen Tanz zeichnet die Suche<br />

nach innovativen Impulsen und neuen ästhetischen Ansätzen sowie<br />

fl exiblen Produktionsstrukturen und Präsentations- und Vermarktungsformen<br />

aus. Diese produktive Unruhe wirkt auch in die Stadt- und<br />

Staatstheater und seine <strong>Ballett</strong>ensembles hinein und löst zunehmend<br />

eine größere Resonanz <strong>für</strong> den Tanz – gerade bei den jüngeren<br />

Zuschauern – aus.<br />

Die Tanzszene in Deutschland ist auch internationaler geworden:<br />

Die freien Compagnien und ihre Projekte sind international besetzt,<br />

werden teilweise international koproduziert, touren in internationalen<br />

Netzwerken und Choreographen und Tänzer aus aller Welt<br />

arbeiten in Deutschland. Die freie Tanzszene in Deutschland leistet<br />

somit nicht nur einen unschätzbaren Beitrag <strong>für</strong> den kulturellen Austausch<br />

und die Integration, sie gehört auch zu den wichtigen Kulturbotschaftern<br />

Deutschlands.<br />

Die Tanzplattform Deutschland <strong>2008</strong>, das bedeutendste deutsche<br />

Forum <strong>für</strong> zeitgenössischen Tanz, verzeichnet in ihrem Katalog<br />

rund 1.000 Namen von professionellen Choreographen und<br />

Compagnien, die das breite Spektrum des freien zeitgenössischen<br />

Tanzes repräsentieren. In Deutschland werden insgesamt ca. 3.800<br />

Tanzschaffende gezählt. Auch die ständig wachsende Zahl von Projektanträgen<br />

an den Fonds Darstellende Künste (insgesamt jährlich<br />

700, davon zwischen 150 und 180 aus dem Tanzbereich) macht<br />

deutlich, wie schnell sich die freie Tanzszene entwickelt und sich der<br />

Begriff »Tanz« radikal erweitert hat.<br />

Die Projektanträge beim Fonds beschreiben Tanztheater, multimediale<br />

Tanzinstallationen, theatrale Tanzperformances im öffentlichen<br />

Raum, Tanzprojekte kultureller und ästhetischer Bildung <strong>für</strong> Kinder<br />

und Jugendliche, Projekte zwischen älteren und jungen Tänzern,<br />

Koproduktionen zwischen zeitgenössischem Tanz und <strong>Ballett</strong>, Tanz<br />

in Schulen mit Kindern und Jugendlichen, HipHop-Produktionen bis<br />

hin zu künstlerischen Lectureperformances und Forschungsprojekten,<br />

Tanzfi lmproduktionen, Fachbüchern und Studien.<br />

Aktuell fördert der Fonds die Modellstudie »Transition – <strong>für</strong> eine<br />

Karriere danach« (Diese wurde am 6. März <strong>2008</strong> in Berlin in<br />

Anwesenheit von Dr. Norbert Lammert, Präsident des Deutschen<br />

Bundestages, und Gitta Connemann, ehemalige Vorsitzende der<br />

E nquête-Kommission »Kultur in Deutschland« vorgestellt.), <strong>für</strong> die von<br />

der Enquête-Kommission »Kultur in Deutschland« empfohlene Einrichtung<br />

einer Stiftung in Deutschland, die wie in westeuropäischen<br />

Ländern Tänzerinnen und Tänzern den Übergang in andere Berufe<br />

erleichtern soll, sobald sie aus gesundheitlichen Gründen ihren Tänzerberuf<br />

nicht mehr ausüben können.<br />

Neben dem auf fünf Jahre angelegten wichtigen Großprojekt<br />

»Tanzplan Deutschland« der Kulturstiftung des Bundes, mit einem Volumen<br />

von 12,5 Millionen Euro, muten die Fördermöglichkeiten des<br />

Fonds Darstellende Künste mit jährlich einer Million Euro (davon ca.<br />

40 freie zeitgenössische Tanzprojekte pro Jahr) eher bescheiden an.<br />

Aber trotzdem kann der Fonds <strong>für</strong> sich in Anspruch nehmen, bundesweit<br />

die quantitativ größte Anzahl von freien Tanzproduktionen<br />

komplementär zu fördern und damit nachhaltig zur Weiterentwicklung<br />

des Tanzes und der Aufhebung der Trennung von <strong>Ballett</strong> und<br />

zeitgenössischem Tanz in Deutschland beizutragen.<br />

V.<br />

V<br />

Jürgen Flügge Günter Jeschonnek<br />

Vorsitzender des Fonds Geschäftsführer des Fonds<br />

24 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>


Verwertungs-<br />

gesellschaften in<br />

der Bewährung<br />

Der Deutsche Kulturrat greift mit seinem<br />

Dossier in eine laufende Debatte ein<br />

Von Volkmar Draeger<br />

Die Verwertungsgesellschaften (VG) sind national wie international<br />

in die öffentliche Debatte geraten. Sie arbeiten ineffizient<br />

und zu wenig transparent, monieren die Einen. Als unzeitgemäß<br />

in der <strong>Intern</strong>et-Ära diskreditieren sie die Anderen. Hinzu treten<br />

Probleme des europäischen Einigungsprozesses. Zwar wurde<br />

2001 die »Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des<br />

Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte« europaweit<br />

verabschiedet. Aufgeteilt in verschiedene »Körbe« hat sie auch<br />

der Deutsche Bundestag diskutiert und über das »Zweite Gesetz<br />

zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft«<br />

2007 zu nationalem Recht gemacht. Doch die Rechte der VG in<br />

den einzelnen EU-Ländern sind unterschiedlich geregelt und bisher<br />

nicht normiert. Nun sorgt eine Empfehlung der EU-Kommission<br />

zu Online-Musikdiensten mit der Maßgabe nach mehr Wettbewerb<br />

zwischen den VG querbeet <strong>für</strong> Unbill und Ablehnung.<br />

Der Deutsche Kulturrat hat dazu das Dossier »Verwertungsgesellschaften«<br />

erarbeitet. Auf 32 Seiten von Zeitungsformat informiert<br />

es in 24 umfangreichen Beiträgen grundlegend über die Arbeit<br />

von GEMA, GVL, VG BILD-KUNST und VG WORT. Be<strong>für</strong>worter<br />

wie Kritiker, Wissenschaftler wie Politiker kommen zu Wort. Welche<br />

Bedeutung den VG zukommt, erhellt auch ein historischer<br />

Rückblick, wie ihn das Dossier voranstellt.<br />

Schuld ist Beaumarchais. Ehe er Ruhm als Komödiendichter<br />

errang, der immerhin Rossinis »Barbier von Sevilla« und Mozarts<br />

»Hochzeit des Figaro« inspirierte, hatte der Pariser Uhrmacherssohn<br />

die Unruh als Hemmungsrad <strong>für</strong> Taschenuhren entdeckt<br />

und sie gegen den geistigen Diebstahl durch den königlichen<br />

Uhrmacher ehrengerichtlich verteidigt. Das hat ihn <strong>für</strong> weitere<br />

Ungerechtigkeiten sensibilisiert, etwa dass damalige Theaterdirektoren<br />

ihren Textautoren die Zahlungen gern schuldig blieben.<br />

Gemeinsam mit Kollegen rief er daher 1777 mit dem »Bureau de<br />

Législation Dramatique« die welterste Urheberrechtsgesellschaft<br />

ins Leben. Stellten die USA 1788 geistiges Eigentum per Verfassung<br />

unter Schutz, so erließ Frankreich 1791 das erste Urheberrechtsgesetz.<br />

Noch im selben Jahr erweiterte Beaumarchais<br />

seine Gründung zum »Bureau de Perception des droits d’auteurs<br />

et compositeurs«, das nun auch den Komponisten von Bühnenmusiken,<br />

noch nicht aber von Konzerten, Gebühren erstritt. Aus<br />

dem Zusammenschluss mit einer Konkurrenzeinrichtung entstand<br />

1829 die bis heute bestehende »Société des Auteurs et Compositeurs<br />

Dramatiques«. Waren jetzt zwar französische Autoren<br />

geschützt, musste beispielsweise Carl Maria von Weber hilflos<br />

zusehen, wie sein »Freischütz« in Paris plagiiert erklang – und<br />

die Tantiemen an den Bearbeiter flossen. Mit dem »Gesetz zum<br />

Schutz des Eigentums an Werken der Wissenschaft und Kunst«<br />

schuf Preußen 1837 das damals modernste Urheberrecht, das<br />

1841 auch auf den Deutschen Bund, 1871 aufs frisch gegründete<br />

Deutsche Reich überging. Ebenfalls 1871 formierte sich,<br />

ähnlich der französischen »Société«, die »Deutsche Genossenschaft<br />

dramatischer Autoren und Komponisten«. Per Gesetz geschützt<br />

waren indes nur die ungedruckten Werke; <strong>für</strong> gedruckte<br />

Partituren lagen sowohl die Urheber- wie auch die Verwertungsrechte<br />

in der Regel beim Verleger – ein einträgliches Geschäft.<br />

Ein wichtiger Schritt zum wechselseitigen Schutz ausländischer<br />

Künstler war 1886 die Berner Konvention: Sie regelte das internationale<br />

Recht zwischen den neun Beitrittsländern und schützte Urheber<br />

nach den jeweiligen nationalen Gesetzen. Maßgeblichen<br />

Anteil daran hatte der französische Romancier Victor Hugo. Als<br />

1901 das »Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Werken der<br />

Literatur und der Tonkunst« Schriftstellern und Komponisten die ausschließlichen<br />

Aufführungsrechte ihrer Werke sicherte, konnte auch<br />

in Deutschland, analog zu inzwischen bewährten ausländischen<br />

Modellen, eine Anstalt <strong>für</strong> musikalische Aufführungsrechte gegründet<br />

werden. Wie die 1851 zu Paris formierte Urzelle, verstand<br />

sich die 1903 gebildete, von Richard Strauss mitinitiierte »Genossenschaft<br />

<strong>Deutscher</strong> Tonsetzer« als Solidargemeinschaft, die an<br />

den Einnahmen von Aufführungen partizipierte und sie nach einem<br />

fixen Schlüssel unter ihren Mitgliedern aufteilte. Komponisten und<br />

Verleger von Unterhaltungsmusik gründeten aus dem Gefühl der<br />

Benachteiligung als reine Tantiemenanstalt 1915 die »Gesellschaft<br />

zur Verwertung musikalischer Aufführungsrechte«. Aus dem<br />

Zwangsverein beider Einrichtungen zu Nazi-Zeiten formierte sich<br />

1947 in ihrer heutigen Form die GEMA als »Gesellschaft <strong>für</strong> musikalische<br />

Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte«.<br />

Das 1965 erlassene Urheberrechtsgesetz sicherte die Vergütung<br />

<strong>für</strong> eine Werknutzung und verpflichtete die VG im Sinn der Vorkämpfer<br />

zu einer Abgabe <strong>für</strong> kulturelle und soziale Belange. Heute<br />

vertritt die GEMA innerhalb Deutschlands das gesamte Weltrepertoire<br />

an urheberrechtlich geschützter Musik und gehört mit<br />

den knapp 900 Millionen Euro, die ihre über 60.000 Mitglieder<br />

jährlich einspielen, weltweit zu den führenden VG. Einrichtungen<br />

<strong>für</strong> andere Künstlergruppen folgten ihr. So gründete sich 1959 die<br />

»Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten« (GVL) als<br />

Organisation ausübender Künstler, die mittlerweile auch Zweitverwertungsrechte<br />

etwa von Tonträger- und Filmherstellern sowie Videoproduzenten<br />

wahrnimmt. Fast 120.000 Ausübende und über<br />

6000 Tonträgerhersteller bescherten der GVL 2006 Einnahmen<br />

von mehr als 160 Millionen Euro. Gleichfalls aus Vorgängergruppierungen<br />

formierte sich 1958 <strong>für</strong> Vertreter der schreibenden Zunft<br />

und ihre Publikationsarten die VG WORT, der mehr als 340.000<br />

Autoren und Übersetzer sowie über 8000 Verlage 2006 ein Jahresvolumen<br />

von 86 Millionen Euro eintrugen. Jüngste Gründung<br />

ist 1968 die VG BILD-KUNST als Heimat <strong>für</strong> Bildschaffende vom<br />

Grafiker bis zum Filmarchitekten; ihre rund 39.000 Mitglieder<br />

erwirtschafteten 2006 gut 43 Mio. Euro.<br />

Dennoch sind die VG keine gewinnorientierten Unternehmen,<br />

sondern nach wie vor Selbsthilfeorganisationen von Urhebern<br />

und Rechteinhabern. Treuhänderisch verwalten sie kollektiv deren<br />

Rechte, die individuell kaum übersehbar und folglich einklagbar<br />

wären, und teilen die Hauptsumme der Erlöse, abzüglich der<br />

Verwaltungskosten, unter den Mitgliedern und Wahrnehmungsberechtigten<br />

auf. Nach welchem Modus das geschieht, folgt internen<br />

Statuten. Dass ein bestimmter Prozentsatz <strong>für</strong> soziale und<br />

kulturelle Zwecke auszugeben ist, legt das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz<br />

fest, das gleichsam die Aufsichtspflicht über die<br />

konkurrenzlosen, mithin monopolisierten VG regelt: intern durch<br />

gewählte Gremien, staatlich durch ein Referat beim Deutschen<br />

Patent- und Markenamt. Per Gesetz müssen die VG sowohl mit<br />

jedem einen Wahrnehmungsvertrag abschließen, der das möchte,<br />

als auch jedem die Nutzung der von ihnen vertretenen Werke<br />

gestatten, der darum nachsucht. Über Gegenseitigkeitsabkommen<br />

kooperieren die VG der einzelnen Länder miteinander und<br />

sichern so die internationale Abgeltung von Ansprüchen.<br />

<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 25


Was auf den ersten Blick perfekt klingt, erweist seine Tücken<br />

im Detail. Kritiker halten den VG vor, ihre nach einem bestimmten<br />

Punktesystem operierenden Verteilungspläne seien kaum durchschaubar,<br />

zumal die VG zwischen verschiedenen Formen von<br />

Mitgliedschaften unterscheiden, die bei der Zuteilung auch unterschiedlich<br />

bewertet werden. Und dass jenes Referat der staatlichen<br />

Kontrollbehörde hoffnungslos unterbesetzt ist, gilt als offenes<br />

Geheimnis. Nun macht auch eine fatale Empfehlung der EU-Kommission<br />

zu Online-Musikdiensten Front gegen die bisherige Arbeits-<br />

und Existenzweise der VG. Sie fordert mehr Wettbewerb<br />

zwischen den internationalen Gesellschaften unter der unausgesprochenen<br />

Preisgabe ihrer Vorzüge. Dies liefe in erster Linie auf<br />

eine Konkurrenz der VG um die attraktivsten, zahlungskräftigsten<br />

Nutzer hinaus. Niedrige Nutzergebühren und entsprechende<br />

Preisnachlässe könnten jedoch nur die größten VG bieten. Die<br />

kleineren Gesellschaften würden diesem Kommerzdruck nicht<br />

standhalten, und <strong>für</strong> die Urheber würde er in jedem Fall wegen<br />

der geringeren Einnahmen der VG auch geringere Ausschüttungen<br />

bedeuten. Diese Einnahmen sind aber <strong>für</strong> viele Künstler ein<br />

unverzichtbarer Unterhaltszuschuss. Hinzu kommt, dass ein derartiges<br />

Konkurrenzdenken das Solidarprinzip der VG aushebeln<br />

würde. Bislang nivellieren sich die Ausschüttungen insofern, als<br />

die Großverdiener meist aus dem Popbereich solidarisch auf<br />

einen Teil ihrer Erlöse zugunsten der weniger »einspielstarken«<br />

Kollegen etwa der zeitgenössischen Genres verzichten. Einige<br />

würden durch das Konkurrenzsystem mehr einnehmen, die Masse<br />

wahrscheinlich erheblich weniger. Dass die Kultur an Vielfalt<br />

verliert, wenn sich nur noch die gut verkäuflichen Bereiche behaupten,<br />

zuvörderst da angloamerikanischer Pop und die großen<br />

Namen in der Bildenden Kunst, liegt auf der Hand. Nicht länger<br />

zu halten wären auch all die Sozialleistungen der VG zur Unterstützung<br />

junger, mittelloser oder alter Künstler.<br />

Kritiker sehen das anders. Mit sophistischer Juristerei verteidigt<br />

in dem Dossier ein Medienrechtler Brüssels Empfehlungen: Jeder<br />

Urheber möchte marktgerecht vergütet werden; Urheberrecht sei<br />

also Wirtschaftsrecht, »kulturelle Parfümierung« habe darin nichts<br />

verloren. In dieselbe Kerbe hauen die Vertreter der von Raubkopien<br />

gebeutelten Industrie. Sie polemisieren gegen die von<br />

den VG erhobenen Pauschalabgaben etwa bei Geräten und<br />

Leerträgern und verweisen auf die Selbstheilungskräfte des digitalen<br />

Zeitalters: Kostenpflichtige, passwortgeschützte Datenbanken,<br />

Archive und Online-Publikationen würden ihren Anbietern<br />

individuelle Vergütung einbringen – die VG als Mittler zwischen<br />

Urheber und Nutzer hätten somit ausgedient. Die Wahrheit liegt,<br />

vertraut man auch dem parteiübergreifenden Politikertenor im<br />

Dossier, wohl eher in der Mitte. Eigenverantwortliche Lizenzvergabe<br />

und Rechteverwaltung via <strong>Intern</strong>et wird allenfalls finanzstarken<br />

Großunternehmen möglich sein, weniger dem einzelnen<br />

Urheber. Vielmehr, so sind sich die VG-Vertreter einig, gehe es<br />

um eine sinnvolle Ergänzung von kollektiver Rechteverwertung<br />

seitens der VG und individueller Lizenzvergabe. Der Forderung<br />

durch neue digitale Medien werden sich die VG indes ebenso<br />

stellen müssen wie dem öffentlichen Wunsch nach einem transparenteren<br />

Ausschüttungsmodus. ■<br />

Das Dossier ist erhältlich über:<br />

<strong>Deutscher</strong> Kulturrat, Chausseestraße 103, 10115 Berlin<br />

online kostenlos unter:<br />

www.kulturrat.de/dossiers/verwertungsgesellschaften.pdf<br />

––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Mit dem Thema »Verwertungsgesellschaften« wird sich BALLETT<br />

INTERN in den folgenden Ausgaben weiter beschäftigen.<br />

Für all’ jene Menschen, die John Neumeiers Spendenaufruf gefolgt<br />

waren, öffnete der Hamburger <strong>Ballett</strong>intendant und Chefchoreograph<br />

am 10. Februar <strong>2008</strong> erstmals die Türen zu seinem<br />

Privathaus in Hamburg Eppendorf, das auch seine berühmte<br />

Sammlung zur <strong>Ballett</strong>geschichte beherbergt. Das Besondere:<br />

Zum ersten Mal waren einige Zeichnungen und Gemälde von<br />

Waslaw Nijinsky zu sehen, dem von Neumeier so sehr verehrten<br />

Künstler, der 1950 in geistiger Umnachtung starb. Dank des<br />

großen Engagements ist es John Neumeier gelungen, sämtliche<br />

(!) 72 Werke zu kaufen – nur bezahlt sind sie noch nicht ganz.<br />

Rund ein Drittel des gesamten Kaufpreises von 1 Million Dollar<br />

muss noch aufgebracht werden, und das wird – laut Neumeier –<br />

in Spendeneingängen zwischen drei und mehreren tausend Euro<br />

zusammen getragen. Jenseits vieler kleiner und größerer privater<br />

Spenden der Mitglieder hat nun der Verein der <strong>Ballett</strong>freunde<br />

Hamburg e. V. anlässlich der Verleihung des Jubiläums-Tanzpreises<br />

<strong>2008</strong> an John Neumeier, den Betrag von 3.000 Euro<br />

gespendet, um sicherzustellen, dass diese einmalige Sammlung<br />

auch in Zukunft in Hamburg bleiben und einer interessierten Öffentlichkeit<br />

zugänglich gemacht werden kann.<br />

»Movimentos« heißen die Festwochen der Autostadt in Wolfsburg,<br />

die in diesem Jahr vom 12. April bis 25. Mai <strong>2008</strong> stattfinden.<br />

Die sechste Ausgabe des mittlerweile etablierten Festivals<br />

steht unter dem Motto »Vertrauen«, neben dem »Béjart Ballet Lausanne«<br />

ist u.a. auch »The Göteborg Ballet« sowie die »Compagnie<br />

Marie Chouinard« aus Montreal zu Gast. Die Workshops<br />

sind zum Treffpunkt tanzwilliger Kinder und Jugendlicher geworden:<br />

In Zusammenarbeit mit dem Tanzenden Theater Wolfsburg<br />

wird an jedem Freitag während der Festivalzeit unterrichtet, das<br />

Angebot reicht von <strong>Ballett</strong> und Kreativem Kindertanz über Musik-<br />

TanzTheater und Video Dance bis zu Zeitgenössischem Tanz und<br />

Tänzerischer Entspannung. Infos zum gesamten Festival unter Tel.<br />

0800 288 678 238 und www.movimentos.de<br />

Umsatzstarke <strong>Ballett</strong>schule<br />

mit ca. 320 Schülern aus persönlichen Gründen im Raum<br />

Niedersachsen zu verkaufen, Einarbeitung möglich. Angebote<br />

unter Chiffre 02-2-<strong>2008</strong> an den Deutschen <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>Tanzpädagogik</strong> e.V., 45127 Essen, Hollestraße 1<br />

Nutzen Sie die Dollarschwäche!<br />

Traumhafte<br />

Ferienhäuser<br />

auf Hawaii! (unter <strong>Deutscher</strong> Leitung!)<br />

www.peles-pleasure.com Tel.: 04182 / 4526<br />

26 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>


Liebe Leser, liebe Freunde,<br />

25 JAHRE DEUTSCHER TANZPREIS<br />

lassen Sie mich noch einmal Goethe zitieren: »... Und jedermann<br />

erwartet sich ein Fest!« Und es wurde ein Fest, ein außergewöhnliches<br />

Fest des Tanzes zur Ehrung einer ebenfalls außergewöhnlichen<br />

Persönlichkeit unserer Tanzkunst! Wortgetreu fi nden Sie die<br />

Dokumentation dieses festlichen Ereignisses in dieser Ausgabe<br />

unserer Zeitschrift BALLETT INTERN – ja, auch die liebenswürdige<br />

Laudatio Marcia Haydées konnte durch eine gute Tonaufzeichnung<br />

wortgetreu wiedergegeben werden. Doch es wurde nicht<br />

nur gesprochen, der überwiegende Teil der 4½-stündigen Gala<br />

war dem Tanz, den großartigen Tänzern der zahlreichen Neumeier-Choreographien<br />

gewidmet – und davon können wir Ihnen<br />

bedauerlicherweise nur einen kleinen Eindruck mit viel zu wenigen<br />

Abbildungen vermitteln. Mit dieser relativ umfangreichen Dokumentation<br />

wird dieses Vierteljahrhundert-Ereignis auch tanzhistorisch<br />

seinen Platz in den diversen Archiven des Tanzes fi nden!<br />

Doch auch die aktuelle Situation der Tanz unterrichtenden<br />

Schulen, deren zum Teil noch nicht bewussten Problemen in<br />

Sachen Künstler-Sozial-Versicherung/KSK, der Berufsgenossenschaft/BG,<br />

der GEMA, der Umsatzsteuer-Befreiung widmet sich<br />

der Deutsche <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong> zur Zeit intensiv.<br />

Einen ersten Hinweis fi nden Sie auf den Seiten 25 und 26<br />

dieser Ausgabe in Bezug auf die uns alle tangierenden »Verwertungs-Gesellschaften«<br />

in dem Bericht von Volkmar Draeger.<br />

In den nächsten Ausgaben werden wir uns weiterhin ausführlich<br />

diesen Themen widmen. Den anwesenden Mitgliedern des DBfT<br />

wurden sie zu einem großen Teil bereits auf der 33. Mitgliederversammlung<br />

in Essen referiert bzw. fi nden im Protokoll dieser<br />

Versammlung ihren Niederschlag. Und allen Nicht-Mitgliedern<br />

seien sie eine Information, eine Warnung darüber, was in nächster<br />

Zukunft auf die unterrichtende Tanz-Szene zukommen wird.<br />

Es grüßt Sie, Ihr Ulrich Roehm<br />

BALLETT INTERN ISSN 1864–1172<br />

ist die Mitgliederzeitschrift des Deutschen <strong>Berufsverband</strong>es <strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong> e. V.<br />

(DBfT) und liegt der Zeitschrift »tanzjournal« fünf Mal (Februar, April, Juni, August und<br />

Dezember) als Supplement bei. Beide Zeitschriften gehen den Mitgliedern des Verbandes<br />

kostenlos zu. Nichtmitglieder können BALLETT INTERN abonnieren: Deutschland<br />

€ 7,50, europäisches Ausland € 12,00 (jeweils inkl. Porto/Versand) je Ausgabe.<br />

Redaktion dieser Ausgabe: Ulrich Roehm (verantwortl.), Dagmar Fischer (dagmar.<br />

fi scher@ballett-intern.de), Frank Münschke dwb<br />

Autoren dieser Ausgabe: Volkmar Draeger (Berlin), Sylvia Garcia (Zürich), Günter<br />

Jeschonnek (Berlin), Marcia Haydée (Santiago de Chile / Stuttgart), Manfred Krause<br />

(Essen), Dr. Norbert Lammert (Berlin), Prof. John Neumeier (Hamburg), Dr. Wolfgang<br />

Reiniger (Essen), Ulrich Roehm (Essen), Vesna Mlakar (München)<br />

Alle Fotos von der Verleihung des Deutschen Jubiläums-Tanzpreises: Ursula Kaufmann<br />

(Essen).<br />

Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion<br />

oder des Herausgebers wieder. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist ohne<br />

ausdrückliche Genehmigung der Redaktion nicht gestattet. Für unverlangt eingesandte<br />

Manuskripte und <strong>für</strong> Terminangaben wird keine Gewähr übernommen. Die Redaktion<br />

behält sich das Recht vor, Leserbriefe zu kürzen. Manuskripte gehen in das Eigentum<br />

der Redaktion über.<br />

Umschlag vorne: John Neumeier und die Tänzerinnen und Tänzer der Tanzpreis-Gala<br />

beim Abschluss-Applaus: (von links) Valerya Mukhanova, Dmitry Khamzin, Laëtitia Pujol,<br />

Manuel Legris, Ulrich Roehm, Lucia Lacarra, Roberto Bolle, John Neumeier, Alexandre<br />

Riabko, Peter Dingle, Silvia Azzoni, Carsten Jung, Katja Wünsche, Jason Reilly.<br />

Umschlag hinten: (oben) Marcia Haydée und Ivan Liška im Film »Die Kameliendame«<br />

– (unten) Vladimir Klos, Marcia Haydée, Ivan Liška, Colleen Scott, Marianne Menze<br />

und Ulrich Roehm nach der Wiederaufführungsgala vor der Essener Lichtburg.<br />

BALLETT INTERN<br />

Heft 2/<strong>2008</strong><br />

<strong>Deutscher</strong> Jubiläums-Tanzpreis <strong>2008</strong>:<br />

John Neumeier<br />

Für das <strong>Ballett</strong> geboren<br />

Von Manfred Krause . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2<br />

Begrüßung<br />

Von Dr. Wolfgang Reiniger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

Begrüßungsrede<br />

Von Ulrich Roehm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

Grußwort<br />

Von Dr. Norbert Lammert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

Laudatio<br />

Von Marcia Haydée . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

Dankesrede des Preisträgers<br />

Von John Neumeier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

Der Deutsche Jubiläums-Tanzpreis im Spiegel der Presse . . 15<br />

»Man muss auf der Bühne etwas zu sagen haben!«<br />

Interview mit Dietmar Seyffert<br />

Von Volkmar Draeger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />

»Faust«, der Zweite<br />

Von Vesna Mlakar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

Die Metamorphosen des Prix de Lausanne<br />

Von Sylvia Garcia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />

20 Jahre Fonds Darstellende Künste<br />

Von Günter Jeschonnek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />

Verwertungsgesellschaften in der Bewährung<br />

Von Volkmar Draeger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

Kurz und bündig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />

Herausgeber: <strong>Deutscher</strong> <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong> e. V., (DBfT)<br />

Hollestraße 1, D–45127 Essen<br />

Tel.: +49(0)201 – 228883 Fax: +49(0)201 – 226444<br />

<strong>Intern</strong>et: www.dbft.de – www.ballett-intern.de<br />

Bankverbindung: <strong>Deutscher</strong> <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong> e. V.,<br />

Nationalbank Essen, Konto-Nr. 111627,<br />

BLZ 360 200 30 – BIC: NBAGDE3E<br />

IBAN DE 95 3602 0030 0000 1116 27 –<br />

Druck: Jütte-Messedruck Leipzig GmbH<br />

Ostwaldstraße 4 – 04329 Leipzig<br />

Gestaltung: Ulrich Roehm, Frank Münschke dwb<br />

Realisation: Klartext Medienwerkstatt GmbH<br />

45327 Essen,<br />

Bullmannaue 11<br />

www.klartext-medienwerkstatt.de<br />

+49(0)201 – 9222 535<br />

(Frank Münschke)<br />

Anzeigen und Beilagen: Gültige Preisliste: 1/05<br />

Nächste Ausgabe:<br />

Heft 3/<strong>2008</strong> erscheint Anfang Juni <strong>2008</strong><br />

Redaktionsschluss: 8. Mai <strong>2008</strong><br />

Anzeigenschluss: 15. Mai <strong>2008</strong><br />

Annahmeschluss Beilagen: 20. Mai <strong>2008</strong><br />

BALLETT INTERN<br />

Herausgeber: <strong>Deutscher</strong> <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong> e. V. – Heft 82/31. Jg. – Nr. 2/April <strong>2008</strong> – ISSN 1864-1172<br />

<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 27


Essen<br />

»Die Kameliendame«<br />

Choreographie: John Neumeier<br />

Musik: Frédéric Chopin<br />

Marguerite Gautier Marcia Haydée<br />

Armand Duval Ivan Liška<br />

Monsieur Duval François Klaus<br />

Prudence Duvernoy Colleen Scott<br />

Gaston Rieux Vladimir Klos<br />

Manon Lescaut Lynne Charles<br />

Des Grieux Jeffrey Kirk<br />

Olympia Gigi Hyatt<br />

Nanina Beatrice Cordua<br />

u.a.<br />

Foto: Holger Badekow<br />

Foto: Armin Thimer

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!