Ballett Intern 2/2008 - Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik
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kau auf die Aalto-Bühne flatterte, die geschmeidig raumgreifende<br />
»A Cinderella Story« vom Bayerischen Staatsballett, mit Ivy Amista<br />
und Lukáš Slavický ideal besetzt, sowie die umjubelte »Sylvia«,<br />
ein Powerpaket von verblüffendem Temperament, getanzt von<br />
Laëtitia Pujol und Manuel Legris vom <strong>Ballett</strong> der Pariser Oper.<br />
Auf den Grund des Meeres, wo man die Wellenbewegungen<br />
zu spüren scheint und die Verschlingungen der Körper fast<br />
in Zeitlupe erstarren, führt »Die kleine Meerjungfrau«, ein märchenhafter<br />
Gegenpol zum »Opus 100 – for Maurice«, das sich<br />
augenzwinkernd geheimnisvoll und mystisch präsentiert.<br />
Schluss mit lustig war zwischenzeitlich aber endgültig mit<br />
»Endstation Sehnsucht«. Beängstigende Formen der Gewalt<br />
nimmt die handfeste Auseinandersetzung zwischen Stanley und<br />
Blanche an. Katja Wünsche und Jason Reilly vom Stuttgarter <strong>Ballett</strong>,<br />
beide Träger des Deutschen Tanzpreises »ZUKUNFT« der<br />
Vorjahre, bieten ein artifizielles Psychogramm im Geschlechterkampf.<br />
Wenn die laszive Blondine und der Macho im roten Satin<br />
wie aus dem Bilderbuch auf offener Szene zusammentreffen,<br />
kommt jede Hilfe zu spät. Diese enorme Körperbeherrschung<br />
schwingt sich zu zirzensischen Dimensionen auf.<br />
Von Bewunderung <strong>für</strong> den ungeheuer schöpferischen Künstler<br />
strotzten auch die Lobreden der Gala. Auf die frühe Karriere des<br />
Wunderkindes, das von der »guten Fee« Marcia Haydée an die<br />
Hand genommen wurde und in Frankfurt zum jüngsten <strong>Ballett</strong>chef<br />
Deutschlands avancierte, ging Ulrich Roehm, Vorsitzender<br />
der beiden veranstaltenden Vereine, mit zufriedenem Schmunzeln<br />
ein. Innerhalb kürzester Zeit habe er aus Hamburg ein <strong>Ballett</strong>zentrum<br />
ersten Ranges gemacht. Er zitierte Maurice Béjart,<br />
wonach Neumeier ein zeitloses Kind und ein weiser Mann sei,<br />
ein Zauberer. John sei nicht von dieser Welt.<br />
Die große Marcia Haydée, seit ewigen Zeiten Weggefährtin<br />
des Preisträgers, verschmähte bei ihrer Laudatio das Rednerpult.<br />
Leger setzte sie sich einfach auf die Bühnenrampe und ließ ihre<br />
legendären Beine baumeln. So war sie ihm in der ersten Reihe,<br />
mehr oder weniger eingerahmt von den Preisträgern früherer Jahre<br />
Reid Anderson, Philippe Braunschweig, Birgit Keil und Horst<br />
Koegler, besonders nahe. »Du bist einfach ein Genie. Alles, was<br />
Du machst, ist genial. Du bist einer der bedeutendsten Choreographen<br />
aller Zeiten. Du bist ein Phänomen!«, rief sie ihm zu.<br />
Und dann geriet sie weiter ins Schwärmen. Über den »tollen<br />
Tänzer«, der in Stuttgart mit »höchster Konzentration und Intensität«<br />
beim Training gewesen sei. Sie erinnerte an die gemeinsame<br />
Arbeit mit Maurice Béjart bei Ionescos »Die Stühle«, die bei<br />
Neumeiers erster Preisverleihung im Grillo-Theater von beiden<br />
getanzt wurden. Nach den Worten »Du sollst nie aufhören. Ich<br />
danke dir. Du bist mein Freund«, fielen sich beide minutenlang in<br />
die Arme. Das tief bewegte Publikum, darunter die <strong>Ballett</strong>chefs<br />
Ivan Liška (München), Birgit Keil (Karlsruhe), Heinz Spoerli (Zürich),<br />
Xin Peng Wang (Dortmund), Bernd Schindowski (Gelsenkirchen),<br />
Martin Puttke (Essen) und sein designierter Nachfolger<br />
Ben van Gauwenberg, reagierte mit Standing Ovation.<br />
In seiner Dankesrede gestand der gebürtige Amerikaner John<br />
Neumeier, dass er eigentlich nur durch Zufall in Deutschland geblieben<br />
sein. Denn er liebäugelte mit dem New York City Ballet,<br />
aber sein Brief an George Balanchine blieb unbeantwortet ...<br />
Offenbar hat er es nicht bereut und ist stolz darauf, dass er als<br />
inzwischen deutscher Staatsbürger jüngst an der Hamburg-Wahl<br />
teilnehmen konnte.<br />
Unter großem Beifall stellte der Präsident des Deutschen Bundestages<br />
Norbert Lammert fest, der Deutsche Tanzpreis sei die<br />
schönste und würdigste Kulturpreis-Verleihung in Deutschland.<br />
Und das sage er nicht nur im Ruhrgebiet. Als Schirmherr des<br />
Vereins zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland bedauere er,<br />
Dmitry Khamzin in »Die Möwe«<br />
4<br />
Ivy Amista und Luka´s Slyavický<br />
in »A Cinderella Story«<br />
<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>