Ballett Intern 2/2008 - Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik
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Für das <strong>Ballett</strong> geboren<br />
John Neumeier erhält den<br />
Deutschen Jubiläums-Tanzpreis <strong>2008</strong><br />
Von Manfred Krause<br />
Der Verein zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland musste<br />
den Superstar nicht erst suchen. Er hat ihn längst gefunden: John<br />
Neumeier, seit Jahrzehnten leuchtender Stern am internationalen<br />
Choreographen-Himmel. Bereits 1988 zeichnete der Deutsche<br />
<strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong> den langjährigen Intendanten<br />
und Chefchoreographen des Hamburg <strong>Ballett</strong> <strong>für</strong> seine vielfältigen<br />
Verdienste mit dem Deutschen Tanzpreis aus.<br />
Die traditionsreiche Ehrung, die 1983 mit Tatjana Gsovsky<br />
und Gret Palucca begann und so illustre Namen wie Marcia<br />
Haydée, Konstanze Vernon, Hans van Manen, Maurice Béjart,<br />
Pina Bausch und Hans-Werner Henze vereint, fand jetzt in der<br />
restlos ausverkauften <strong>Ballett</strong>-Gala im Essener Aalto-Theater einen<br />
neuen Höhepunkt. Wieder gilt in diesem Jahr die Aufmerksamkeit<br />
John Neumeier, der die Jubiläums-Auszeichnung <strong>für</strong> sein Lebenswerk<br />
erhielt. Nicht weniger als 137 Choreographien künden<br />
von einem rastlosen Schaffen, das auf weltweite Bewunderung<br />
stößt. Fast ein halbes Jahrhundert bewegt sich John Neumeier<br />
auf einer ununterbrochenen Erfolgsschiene.<br />
Elf Choreographien des Meisters reihten sich zu einer schillernden<br />
Perlenschnur, die alle Facetten seiner tänzerischen Schöpferkraft<br />
umfasst. Gleich zu Beginn brillierte die <strong>Ballett</strong>schule des<br />
Hamburg <strong>Ballett</strong>, die Neumeier vor 30 Jahren ins Leben rief<br />
und die er seither leitet, mit »Yondering«, einem Kaleidoskop der<br />
Lebensfreunde. Neumeier kehrt mit diesem mehrteiligen <strong>Ballett</strong><br />
zu seinen Wurzeln zurück, taucht ein in die amerikanische Pionierzeit<br />
und macht den Aufbruch in das unbekannte Abenteuer<br />
auf überwiegend heitere Weise transparent. Sprudelnder Humor<br />
und witzig sportive Pointen wechseln mit elegischen Momenten<br />
voller Raffinement. Der hohe Leistungsstand des Nachwuchses,<br />
der seit nunmehr 30 Jahren in Neumeiers Schule gesteigert wird,<br />
peilt Weltniveau an.<br />
Nach diesem Ausflug in das Land der Liebe, der vielschichtigen<br />
menschlichen Beziehungen, öffnet sich an diesem festlichen<br />
Abend noch zehn Mal der Vorhang <strong>für</strong> Pas de deux’ der Spitzenklasse.<br />
Neumeiers weit gefächerte künstlerische Bandbreite passierte<br />
da Revue. Auf kesser Sohle, in Frack und mit Zylinder kam<br />
»Shall we dance?« mit Silvia Azzoni und Alexandre Riabko vom<br />
Hamburg <strong>Ballett</strong> daher. Als Kontrapunkt zu dieser effektvollen<br />
Eleganz war in »1963: Yesterday« zur rhythmisch suggestiven<br />
Musik der Beatles eher die Anverwandlung klassischer Muster<br />
zu erkennen. Die Solisten des Königlich Dänischen <strong>Ballett</strong>s Kopenhagen<br />
Silja Schandorff und Sebastian Kloborg zeigten eine<br />
spielerische Collage der Gegensätze.<br />
»Die Kameliendame« gab sich mit dem Pas de deux aus dem<br />
2. und 3. Akt gleich zweimal die Ehre. 1978 von Neumeier<br />
<strong>für</strong> Marcia Haydée geschaffen und mit ihr auch verfilmt, gehört<br />
dieses ergreifende Handlungsballett zu den Juwelen in der reichen<br />
Kollektion. Mit schicksalsergebener Noblesse schlägt das<br />
Solistenpaar des Stuttgarter <strong>Ballett</strong>s (Sue Jin Kang und Marijn<br />
Rademaker) anrührende Töne voller Zärtlichkeiten und Innigkeit<br />
an. Noch intensiver verstehen es Lucia Lacarra vom Bayerischen<br />
Staatsballett und Roberto Bolle von der Mailänder Scala die<br />
gleichen Partien zu gestalten, in den heftigen Gefühlsschwankungen<br />
zwischen Euphorie und Resignation.<br />
Wie weit Neumeier den choreographischen Bogen zu spannen<br />
weiß, bezeugen die poesievolle »Möwe«, die mit Valeria<br />
Mukhanova und Dmitry Khamzin vom Stanislavsky <strong>Ballett</strong> aus Mos-<br />
oben: Sue Jin Kang und<br />
Marijn Rademaker in<br />
»Die Kameliendame«<br />
links: Silja Schandorff<br />
und Sebastian Kloborg<br />
in »1963: Yesterday«<br />
<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 3