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Ballett Intern 2/2008 - Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik

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stundenlang mit mir über jedes Detail gesprochen und das sechs<br />

Wochen lang. Und es wurde noch ein Meisterwerk.<br />

Dann kam »Medea«. Bei »Medea« hast Du meine ganze brasilianische<br />

Energie genommen und in diese Medea getan. So,<br />

was Du <strong>für</strong> mich gemacht hast, in meiner Karriere, da kann ich<br />

Dir da<strong>für</strong> nur dankbar sein.<br />

Dann kam – ich denke, das war einer der größten Momente<br />

in unserem Leben – das war Béjart. Es war zu der Zeit, als ich<br />

viel mit Maurice Béjart zusammengearbeitet habe in der Compagnie<br />

du XXe Siècle. Eines Tages sagte Béjart zu mir: »Marcia,<br />

ich will <strong>für</strong> Dich noch mal ›Die Stühle‹ machen.« »Die Stühle«<br />

war ein <strong>Ballett</strong>, das er <strong>für</strong> sich und eine brasilianische Tänzerin,<br />

Laura Proença, kreiert hatte. Und er sagte: »Ich will Dich haben.<br />

Aber das Problem ist, wer macht es mit Dir?« Denn er war nicht<br />

mehr in der Lage zu tanzen. Ich kannte »Die Stühle« nicht, und<br />

so habe ich Maurice gefragt: »Ja, was brauchst Du?« »Ganz<br />

einfach, ich brauche jemanden, der so verrückt ist wie ich; der<br />

alles machen kann, der ein Tänzer ist, aber nicht nur ein Tänzer,<br />

der auch sprechen kann.« Da habe ich ihm gesagt: »John Neumeier.«<br />

Und er sieht mich an und sagt: »DER Neumeier? DER<br />

von Hamburg? Der große Choreograph? – Nein, er wird nie<br />

Zeit haben <strong>für</strong> mich.« Ich habe gesagt: »Ruf’ ihn an!« Er hat ihn<br />

angerufen und John hat sofort »Ja!« gesagt. Bei der ersten Probe,<br />

als ich im <strong>Ballett</strong>saal saß, waren diese zwei großen Phänomene<br />

da: Béjart und Neumeier. Aber bei Neumeier habe ich nicht<br />

mehr den Direktor und den Choreographen gesehen. Da stand<br />

nur dieser junge Tänzer wie damals beim Royal Ballet. Der stand<br />

vor Béjart und hat nur darauf gewartet, dass Béjart sagt: »Hier,<br />

so fangen wir an.«<br />

Diese Arbeit mit Dir und mit Béjart war so etwas, was uns<br />

drei zusammen gebracht hat und auch uns beide. Weil es kann<br />

sein, dass ich Dich Jahre nicht sehe, aber, wenn ich Dich dann<br />

sehe, ist es, als wenn kein Tag vergangen wäre. Darum bin ich<br />

heute hier.<br />

John, Danke, dass Du existierst. Danke <strong>für</strong> alles, was Du <strong>für</strong><br />

das <strong>Ballett</strong> gemacht hast und noch machen wirst. Danke <strong>für</strong> alles,<br />

was Du <strong>für</strong> mich gemacht hast. Und nicht vergessen: Zwei<br />

Phänomene sind schon weg: Cranko und Béjart – Du bist da! Du<br />

musst weiter machen! Und ich bin sicher, Béjart und Cranko, die<br />

sind mit Dir – immer, wenn Du es willst. Du solltest nie aufhören,<br />

weil Phänomene gibt es nicht so viele in unserem Leben. Und Du<br />

bist einer der letzten.<br />

Am meisten danke ich Dir, dass Du mein Freund bist. ■<br />

Dank des Preisträgers<br />

John Neumeier<br />

Danke, Marcia <strong>für</strong> Deine schönen bewegenden Worte...<br />

Dank Ihnen, Herr Roehm, und allen, die sich entschieden haben,<br />

mir diese renommierte Auszeichnung zu verleihen.<br />

Als ich durch Ulrich Roehm zuerst davon hörte, dass ich zum<br />

zweiten Mal den Deutschen Tanzpreis erhalten sollte, war ich<br />

natürlich glücklich – aber, ehrlich gesagt, fühlte ich mich auch etwas<br />

unbequem – zweimal diesen tollen Preis zu erhalten, schien<br />

mir etwas habgierig zu sein und nicht sehr bescheiden.<br />

Herr Roehm erzählte mir, es sei nicht nur der »normale« gleiche<br />

Preis, sondern ein »Jubiläums-Tanzpreis«, den ich erhalten<br />

sollte – d.h. dieses ist ein ganz besonderes Jahr: Der Deutsche<br />

Tanzpreis wird zum 25. Mal vergeben.<br />

Und <strong>für</strong> mich persönlich, so erinnerte er, sammelten sich auch<br />

einige Jubiläen an: Schon immer schlecht in Mathematik, musste<br />

ich noch einmal zurück denken, denn viele der Daten waren<br />

mir nicht bewusst. Vor allem musste ich mit Erstaunen feststellen,<br />

dass es tatsächlich schon fast 45 Jahre sind, dass ich in Deutsch-<br />

land lebe und arbeite. Übrigens 46 Jahre, seit ich meine Heimat<br />

Amerika verlassen und am 28. Juli 1962 meiner Mutter beim<br />

Abschied versprochen habe, spätestens bis Weihnachten nach<br />

Milwaukee zurückzukehren!<br />

Beinahe 40 Jahre bin ich <strong>Ballett</strong>direktor – am 1.12.1969<br />

fing ich in Frankfurt an. Es sind 35 Spielzeiten in Hamburg –<br />

inzwischen als Intendant und Geschäftsführer. Die <strong>Ballett</strong>schule<br />

feiert ihr 30-jähriges Jubiläum, und es ist 20 Jahre her, dass ich<br />

1988 das erste Mal den Deutschen Tanzpreis erhalten habe.<br />

Normalerweise bedeuten mir »Meilensteine« wie Geburtstage<br />

nicht viel. Zeitspannen habe ich eher gemessen oder mir<br />

gemerkt, in Daten von Premieren, d.h. »Geburtstage« von Kreationen,<br />

oder den Beginn einer lang geplanten, erhofften Tournee<br />

mit der eigenen Compagnie. Aber Jubiläen – besonders wenn<br />

sie sich so häufen – und die übrigens umso schneller kommen<br />

je älter man wird – verleiten dazu, zurück zu blicken, nachzudenken,<br />

Bilanz zu ziehen.<br />

Der Deutsche Tanzpreis – warum befinde ich mich heute überhaupt<br />

in Deutschland? Geboren und aufgewachsen bin ich in<br />

Amerika, ohne jemals daran zu denken, meine Heimat zu verlassen.<br />

12 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>

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