Ballett Intern 2/2008 - Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik
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BALLETT INTERN<br />
Herausgeber: <strong>Deutscher</strong> <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong> e. V. – Heft 82/31. Jg. – Nr. 2/April <strong>2008</strong> – ISSN 1864-1172
Studierende der <strong>Ballett</strong>schule des HAMBURG BALLETT tanzen »Yondering«<br />
2 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>
Für das <strong>Ballett</strong> geboren<br />
John Neumeier erhält den<br />
Deutschen Jubiläums-Tanzpreis <strong>2008</strong><br />
Von Manfred Krause<br />
Der Verein zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland musste<br />
den Superstar nicht erst suchen. Er hat ihn längst gefunden: John<br />
Neumeier, seit Jahrzehnten leuchtender Stern am internationalen<br />
Choreographen-Himmel. Bereits 1988 zeichnete der Deutsche<br />
<strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong> den langjährigen Intendanten<br />
und Chefchoreographen des Hamburg <strong>Ballett</strong> <strong>für</strong> seine vielfältigen<br />
Verdienste mit dem Deutschen Tanzpreis aus.<br />
Die traditionsreiche Ehrung, die 1983 mit Tatjana Gsovsky<br />
und Gret Palucca begann und so illustre Namen wie Marcia<br />
Haydée, Konstanze Vernon, Hans van Manen, Maurice Béjart,<br />
Pina Bausch und Hans-Werner Henze vereint, fand jetzt in der<br />
restlos ausverkauften <strong>Ballett</strong>-Gala im Essener Aalto-Theater einen<br />
neuen Höhepunkt. Wieder gilt in diesem Jahr die Aufmerksamkeit<br />
John Neumeier, der die Jubiläums-Auszeichnung <strong>für</strong> sein Lebenswerk<br />
erhielt. Nicht weniger als 137 Choreographien künden<br />
von einem rastlosen Schaffen, das auf weltweite Bewunderung<br />
stößt. Fast ein halbes Jahrhundert bewegt sich John Neumeier<br />
auf einer ununterbrochenen Erfolgsschiene.<br />
Elf Choreographien des Meisters reihten sich zu einer schillernden<br />
Perlenschnur, die alle Facetten seiner tänzerischen Schöpferkraft<br />
umfasst. Gleich zu Beginn brillierte die <strong>Ballett</strong>schule des<br />
Hamburg <strong>Ballett</strong>, die Neumeier vor 30 Jahren ins Leben rief<br />
und die er seither leitet, mit »Yondering«, einem Kaleidoskop der<br />
Lebensfreunde. Neumeier kehrt mit diesem mehrteiligen <strong>Ballett</strong><br />
zu seinen Wurzeln zurück, taucht ein in die amerikanische Pionierzeit<br />
und macht den Aufbruch in das unbekannte Abenteuer<br />
auf überwiegend heitere Weise transparent. Sprudelnder Humor<br />
und witzig sportive Pointen wechseln mit elegischen Momenten<br />
voller Raffinement. Der hohe Leistungsstand des Nachwuchses,<br />
der seit nunmehr 30 Jahren in Neumeiers Schule gesteigert wird,<br />
peilt Weltniveau an.<br />
Nach diesem Ausflug in das Land der Liebe, der vielschichtigen<br />
menschlichen Beziehungen, öffnet sich an diesem festlichen<br />
Abend noch zehn Mal der Vorhang <strong>für</strong> Pas de deux’ der Spitzenklasse.<br />
Neumeiers weit gefächerte künstlerische Bandbreite passierte<br />
da Revue. Auf kesser Sohle, in Frack und mit Zylinder kam<br />
»Shall we dance?« mit Silvia Azzoni und Alexandre Riabko vom<br />
Hamburg <strong>Ballett</strong> daher. Als Kontrapunkt zu dieser effektvollen<br />
Eleganz war in »1963: Yesterday« zur rhythmisch suggestiven<br />
Musik der Beatles eher die Anverwandlung klassischer Muster<br />
zu erkennen. Die Solisten des Königlich Dänischen <strong>Ballett</strong>s Kopenhagen<br />
Silja Schandorff und Sebastian Kloborg zeigten eine<br />
spielerische Collage der Gegensätze.<br />
»Die Kameliendame« gab sich mit dem Pas de deux aus dem<br />
2. und 3. Akt gleich zweimal die Ehre. 1978 von Neumeier<br />
<strong>für</strong> Marcia Haydée geschaffen und mit ihr auch verfilmt, gehört<br />
dieses ergreifende Handlungsballett zu den Juwelen in der reichen<br />
Kollektion. Mit schicksalsergebener Noblesse schlägt das<br />
Solistenpaar des Stuttgarter <strong>Ballett</strong>s (Sue Jin Kang und Marijn<br />
Rademaker) anrührende Töne voller Zärtlichkeiten und Innigkeit<br />
an. Noch intensiver verstehen es Lucia Lacarra vom Bayerischen<br />
Staatsballett und Roberto Bolle von der Mailänder Scala die<br />
gleichen Partien zu gestalten, in den heftigen Gefühlsschwankungen<br />
zwischen Euphorie und Resignation.<br />
Wie weit Neumeier den choreographischen Bogen zu spannen<br />
weiß, bezeugen die poesievolle »Möwe«, die mit Valeria<br />
Mukhanova und Dmitry Khamzin vom Stanislavsky <strong>Ballett</strong> aus Mos-<br />
oben: Sue Jin Kang und<br />
Marijn Rademaker in<br />
»Die Kameliendame«<br />
links: Silja Schandorff<br />
und Sebastian Kloborg<br />
in »1963: Yesterday«<br />
<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 3
kau auf die Aalto-Bühne flatterte, die geschmeidig raumgreifende<br />
»A Cinderella Story« vom Bayerischen Staatsballett, mit Ivy Amista<br />
und Lukáš Slavický ideal besetzt, sowie die umjubelte »Sylvia«,<br />
ein Powerpaket von verblüffendem Temperament, getanzt von<br />
Laëtitia Pujol und Manuel Legris vom <strong>Ballett</strong> der Pariser Oper.<br />
Auf den Grund des Meeres, wo man die Wellenbewegungen<br />
zu spüren scheint und die Verschlingungen der Körper fast<br />
in Zeitlupe erstarren, führt »Die kleine Meerjungfrau«, ein märchenhafter<br />
Gegenpol zum »Opus 100 – for Maurice«, das sich<br />
augenzwinkernd geheimnisvoll und mystisch präsentiert.<br />
Schluss mit lustig war zwischenzeitlich aber endgültig mit<br />
»Endstation Sehnsucht«. Beängstigende Formen der Gewalt<br />
nimmt die handfeste Auseinandersetzung zwischen Stanley und<br />
Blanche an. Katja Wünsche und Jason Reilly vom Stuttgarter <strong>Ballett</strong>,<br />
beide Träger des Deutschen Tanzpreises »ZUKUNFT« der<br />
Vorjahre, bieten ein artifizielles Psychogramm im Geschlechterkampf.<br />
Wenn die laszive Blondine und der Macho im roten Satin<br />
wie aus dem Bilderbuch auf offener Szene zusammentreffen,<br />
kommt jede Hilfe zu spät. Diese enorme Körperbeherrschung<br />
schwingt sich zu zirzensischen Dimensionen auf.<br />
Von Bewunderung <strong>für</strong> den ungeheuer schöpferischen Künstler<br />
strotzten auch die Lobreden der Gala. Auf die frühe Karriere des<br />
Wunderkindes, das von der »guten Fee« Marcia Haydée an die<br />
Hand genommen wurde und in Frankfurt zum jüngsten <strong>Ballett</strong>chef<br />
Deutschlands avancierte, ging Ulrich Roehm, Vorsitzender<br />
der beiden veranstaltenden Vereine, mit zufriedenem Schmunzeln<br />
ein. Innerhalb kürzester Zeit habe er aus Hamburg ein <strong>Ballett</strong>zentrum<br />
ersten Ranges gemacht. Er zitierte Maurice Béjart,<br />
wonach Neumeier ein zeitloses Kind und ein weiser Mann sei,<br />
ein Zauberer. John sei nicht von dieser Welt.<br />
Die große Marcia Haydée, seit ewigen Zeiten Weggefährtin<br />
des Preisträgers, verschmähte bei ihrer Laudatio das Rednerpult.<br />
Leger setzte sie sich einfach auf die Bühnenrampe und ließ ihre<br />
legendären Beine baumeln. So war sie ihm in der ersten Reihe,<br />
mehr oder weniger eingerahmt von den Preisträgern früherer Jahre<br />
Reid Anderson, Philippe Braunschweig, Birgit Keil und Horst<br />
Koegler, besonders nahe. »Du bist einfach ein Genie. Alles, was<br />
Du machst, ist genial. Du bist einer der bedeutendsten Choreographen<br />
aller Zeiten. Du bist ein Phänomen!«, rief sie ihm zu.<br />
Und dann geriet sie weiter ins Schwärmen. Über den »tollen<br />
Tänzer«, der in Stuttgart mit »höchster Konzentration und Intensität«<br />
beim Training gewesen sei. Sie erinnerte an die gemeinsame<br />
Arbeit mit Maurice Béjart bei Ionescos »Die Stühle«, die bei<br />
Neumeiers erster Preisverleihung im Grillo-Theater von beiden<br />
getanzt wurden. Nach den Worten »Du sollst nie aufhören. Ich<br />
danke dir. Du bist mein Freund«, fielen sich beide minutenlang in<br />
die Arme. Das tief bewegte Publikum, darunter die <strong>Ballett</strong>chefs<br />
Ivan Liška (München), Birgit Keil (Karlsruhe), Heinz Spoerli (Zürich),<br />
Xin Peng Wang (Dortmund), Bernd Schindowski (Gelsenkirchen),<br />
Martin Puttke (Essen) und sein designierter Nachfolger<br />
Ben van Gauwenberg, reagierte mit Standing Ovation.<br />
In seiner Dankesrede gestand der gebürtige Amerikaner John<br />
Neumeier, dass er eigentlich nur durch Zufall in Deutschland geblieben<br />
sein. Denn er liebäugelte mit dem New York City Ballet,<br />
aber sein Brief an George Balanchine blieb unbeantwortet ...<br />
Offenbar hat er es nicht bereut und ist stolz darauf, dass er als<br />
inzwischen deutscher Staatsbürger jüngst an der Hamburg-Wahl<br />
teilnehmen konnte.<br />
Unter großem Beifall stellte der Präsident des Deutschen Bundestages<br />
Norbert Lammert fest, der Deutsche Tanzpreis sei die<br />
schönste und würdigste Kulturpreis-Verleihung in Deutschland.<br />
Und das sage er nicht nur im Ruhrgebiet. Als Schirmherr des<br />
Vereins zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland bedauere er,<br />
Dmitry Khamzin in »Die Möwe«<br />
4<br />
Ivy Amista und Luka´s Slyavický<br />
in »A Cinderella Story«<br />
<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>
dass die Tanzsparte oft im Windschatten großer kultureller Ereignisse<br />
stehe. Deshalb sei die Preisverleihung in einer etablierten<br />
Gala so wichtig. Niemand habe daran einen größeren Anteil<br />
als Ulrich Roehm. Ohne ihn gäbe es dieses grandiose Ereignis<br />
nicht. In seiner launigen Begrüßung wünschte Lammert dem<br />
Tanzpreis <strong>für</strong> die nächsten 25 Jahre nur das Beste und versprach,<br />
künftig den Tanz mit keiner Rede mehr aufzuhalten und die Tanzkunst<br />
nur von seinem Sessel aus zu genießen.<br />
Noch kürzer fasste sich Essens Oberbürgermeister Wolfgang<br />
Reiniger als Schirmherr der Verleihung des Deutschen Jubiläums-<br />
Tanzpreises <strong>2008</strong>. Er versicherte der »illustren Gästeschar«:<br />
»Zum unverwechselbaren Profil der Kulturhauptstadt Ruhr.2010<br />
gehört die Tanzstadt Essen!« ■<br />
ganz oben: Laëtitia Pujol und Manuel Legris in »Slyvia«<br />
oben: Silvia Azzoni und Carsten Jung in »Die kleine Meerjungfrau«<br />
oben rechts: Katja Wünsche und Jason Reilly in »Endstation Sehnsucht«<br />
Mitte rechts: Lucia Lacarra und Roberto Bolle in »Die Kameliendame«<br />
unten rechts: Alexandre Riabko und Peter Dingle in »OPUS 100 – for Maurice«<br />
<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 5
Begrüßung:<br />
Dr. Wolfgang Reiniger<br />
Oberbürgermeister der Stadt Essen<br />
und Schirmherr der Preisverleihung<br />
Einen schönen guten Abend, meine sehr verehrten Damen und<br />
Herren.<br />
Einmal wieder ein großer, ein ganz großer Abend hier in<br />
unserem wunderbaren Haus. Ich glaube die Voraussetzungen<br />
da<strong>für</strong> sind gegeben: ein großartiges Programm, ein Programm<br />
zugleich mit einer sehr komprimierten Möglichkeit, sich in das<br />
Werk von John Neumeier hineinzufinden. Großartige Künstler<br />
hier auf der Bühne, Tänzerinnen und Tänzer, eine illustre Gästeschar<br />
– bei den Namen, die Ulrich Roehm vorgetragen hat. Also,<br />
ich glaube, es ist nicht zu vermessen zu sagen, heute Abend ist<br />
gewissermaßen der Olymp der Tanzkunst hier in Essen, hier im<br />
Aalto-Theater versammelt.<br />
Ich freue mich sehr, dass an der Spitze gewissermaßen der<br />
Gästeschar Sie, Herr Bundestagspräsident Dr. Lammert, wieder<br />
dabei sind, wieder in Essen sind. Die Bandbreite Ihrer Präsenz<br />
in der Stadt – Fastenpredigt gestern, Tanzpreis-Verleihung heute<br />
– ist gewaltig. Aber wir wissen es sehr zu schätzen, dass Sie der<br />
Region, unserer gemeinsamen Region, Ihrer Region immer wieder<br />
Aufmerksamkeit schenken. Ich glaube, das ist auch ein sehr<br />
wichtiges Signal. Wir sind stolz darauf, dass unser Bundestagspräsident<br />
hier aus unserer Region, aus dem Ruhrgebiet stammt.<br />
Ein großer Abend ganz zweifellos, die Verleihung des Deutschen<br />
Jubiläums-Tanzpreises an jemanden, der ganz offenkundig<br />
da<strong>für</strong> prädestiniert ist. Verehrter Herr Neumeier, auch von mir<br />
herzliche Gratulation zu dieser Preisverleihung. Wir freuen uns<br />
und wir sind zugleich geehrt, dass wir Ihnen heute diesen Preis<br />
verleihen dürfen.<br />
Meine Damen und Herren, Ulrich Roehm hat vielen gedankt,<br />
zurecht: Ohne Freunde, ohne Unterstützer, ohne Förderer wären<br />
auch solche großartigen Ereignisse nicht möglich. Ich bin sicher,<br />
ich spreche auch <strong>für</strong> Sie alle, wenn ich nun ihm danke, wenn<br />
ich Ulrich Roehm danke. Für seine Unermüdlichkeit, <strong>für</strong> seine<br />
Tatkraft, mit der er das seit – inzwischen kann man ja nun sagen<br />
– Jahrzehnte vorbereitet und immer wieder zum Erfolg führt. Und<br />
ich füge hinzu, auch zugleich ein Wort des Dankes an Ihre verehrte<br />
Gattin. An Sie beide ein herzliches Dankeschön.<br />
Meine Damen und Herren, zum unverwechselbaren Profil der<br />
Kulturhauptstadt 2010 gehört ganz zweifellos die »Tanzstadt<br />
Essen«. Ich bin sicher, dieser heutige Abend unterstreicht das<br />
einmal mehr. Darüber freuen wir uns und darauf sind wir stolz. Ihnen<br />
allen heute einen wunderschönen Abend hier Aalto-Theater!<br />
Vielen Dank! ■<br />
Begrüßung:<br />
Ulrich Roehm<br />
Vorsitzender des Vereins zur Förderung der<br />
Tanzkunst in Deutschland und des Deutschen<br />
<strong>Berufsverband</strong>es <strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong><br />
Liebe Mitglieder unseres Deutschen <strong>Berufsverband</strong>es<br />
<strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong> sowie<br />
des Vereins zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland,<br />
verehrtes Publikum,<br />
ein sehr, sehr herzliches Willkommen zu diesem festlichen Ereignis<br />
des 25-jährigen Bestehens des »Deutschen Tanzpreises«,<br />
das wir mit der Verleihung eines sehr außergewöhnlichen »Jubiläums-Tanzpreises«<br />
an eine ebenfalls außergewöhnliche Persönlichkeit<br />
unserer Tanzkunst heute in diesem schönen Aalto Theater<br />
feiern können.<br />
Darf ich sagen, dass Sie einer ebenfalls sehr außergewöhnlichen<br />
Gala beiwohnen: Star-Solisten acht großer <strong>Ballett</strong>-Compagnien<br />
und Studenten der <strong>Ballett</strong>schule des Hamburg <strong>Ballett</strong><br />
sind heute hier zusammengekommen und tanzen <strong>für</strong> unseren<br />
Preisträger und uns Ausschnitte, Highlights aus elf verschiedenen<br />
Choreographien aus dem Gesamtwerk von 137 Kreationen<br />
unseres Preisträgers.<br />
Das umfassende, breit gefächerte Spektrum seiner Werke<br />
können wir mit diesen Darbietungen verständlicherweise nur<br />
andeuten. Durch eine recht unglückliche Verknüpfung widriger<br />
Umstände musste Toronto seine Teilnahme bedauerlicherweise<br />
absagen – so wird »Yondering« allein von Hamburg getanzt!<br />
»Yondering« nannte John Neumeier dieses zauberhaft-tänzerische<br />
Werk, geschaffen <strong>für</strong> den jugendlichen Nachwuchs der<br />
National Ballet School of Canada und seiner Hamburger Schule,<br />
dem Sie soeben begeisterten Applaus spendeten. »Yondering«<br />
– »to yonder«, diese alte Bezeichnung aus der amerikanischen<br />
Pionierzeit meint das, was hinter der bereits erschlossenen<br />
Grenze liegt, außerhalb des Bekannten, einen Aufbruch aus dem<br />
»Settlement« – vielleicht könnte man es auf heute übertragen als<br />
6 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>
Aufbruch aus dem Establishment in das unbekannte Abenteuer.<br />
Welch’ zart andeutende, auch humorvoll sich annähernde<br />
erste Zuneigung – Liebe in den Duetten »Jeannie with the lightbrown<br />
hair« und »Molly, do you love me?«: Erstes »out-yondern«<br />
jugendlicher menschlicher Beziehungen in das noch unbekannte<br />
Abenteuer der Liebe!<br />
Verständlicherweise hatte ich in der letzten Zeit Gelegenheit,<br />
John Neumeier bei verschiedenen Anlässen, wie der Verleihung<br />
des Nijinsky Award in Monte Carlo, des Herbert von Karajan-<br />
Musikpreises in Baden-Baden sowie als Präsidenten der Jury<br />
des Prix de Lausanne <strong>2008</strong>, des von Philippe Braunschweig,<br />
unserem Tanzpreisträger 1997, gegründeten internationalen<br />
Jugend-Tanz-Wettbewerbs, vielleicht etwas mehr kennen zu lernen.<br />
Heute vor gerade vier Wochen beim Prix de Lausanne kam<br />
mir der Gedanke: »Yondering« ist der »Schicksals-Stern« über<br />
John Neumeiers Lebensweg! »Out yonder« mit gerade 21 Jahren<br />
aus seiner Heimat Milwaukee in das unbekannte Abenteuer der<br />
Welt-Metropole London, wo ihm seine »Fee« Marcia Haydée<br />
begegnet, ihn »an die Hand nimmt« in das weitere grenz-überschreitende<br />
Abenteuer ins Noch-Nachkriegs-Deutschland des<br />
Jahres 1963, in die gerade aufblühende <strong>Ballett</strong>-Welt John Crankos<br />
in Stuttgart. Darin sehe ich ein lebensbestimmendes Schicksal,<br />
so etwas kann kein Zufall sein, lieber John Neumeier! Mit<br />
jugendlichem Elan »yondered« er dort weiter als Tänzer, doch<br />
auch bereits als Bühnenbildner und Kostümbildner verschiedener<br />
Cranko-<strong>Ballett</strong>e, auch schon als Choreograph: Die Noverre-Gesellschaft,<br />
die in diesem Jahr ihr 50. Bestehen begehen kann, mit<br />
ihrem Initiator Fritz Höver – unserem Tanzpreisträger des Jahres<br />
2000 – ermöglicht ihm die ersten choreographischen Arbeiten,<br />
»Haiku«, uraufgeführt 1966, bezeichnet John Neumeier als seine<br />
erste wirkliche Choreographie: »Im Grunde ist ›Haiku‹ doch<br />
mein erstes Stück, obwohl ich schon vorher choreographiert<br />
habe. Es ist der Schlüssel <strong>für</strong> mein ganzes Werk« sagt er 1988.<br />
1969 folgt der nächste Schritt seines »Yonderings«: Mit nur 27<br />
Jahren wird er in Frankfurt der jüngste <strong>Ballett</strong>chef Deutschlands,<br />
und 1973 wagt er im Alter von 31 Jahren den Sprung als <strong>Ballett</strong>direktor<br />
an die Hamburgische Staatsoper, die nun seine Heimat,<br />
sein »Settlement« wird.<br />
Darf ich hier August Everding zitieren: »Ich wurde zum Opernintendanten<br />
von Hamburg berufen und suchte einen <strong>Ballett</strong>direktor.<br />
In Frankfurt sah ich <strong>Ballett</strong>e von John Neumeier und wusste,<br />
dass er mein Partner werden musste. Ich sah einen großen<br />
Choreographen am Werk, einen dramaturgischen Geschichtenerzähler,<br />
einen Ästheten und einen Genauigkeitsfanatiker, einen<br />
philosophischen Kopf, dem das Theatralische nicht abging. Wir<br />
wurden Partner, waren es gern. Er ist ein dunkles Sonntagskind<br />
und hat mich <strong>Ballett</strong> neu sehen gelehrt.«<br />
Und Hartmut Regitz sagte schon vor 20 Jahren in der Zeitschrift<br />
»Bühnenkunst«: »Wenn man bedenkt, wie viele Jahre John<br />
Cranko in Stuttgart noch benötigt hat, dort so etwas wie ein<br />
lokales <strong>Ballett</strong>bewusstsein zu schaffen, nimmt es einen Wunder,<br />
warum John Neumeier dazu (…) in Hamburg nicht einmal eine<br />
Spielzeit gebraucht hat, (…) es ist ihm innerhalb kürzester Frist gelungen,<br />
aus der Hansestadt ein weithin beachtetes <strong>Ballett</strong>zentrum<br />
zu machen. Intelligenz, Sensibilität, Einfallskraft und ein Wissen<br />
um Dinge, die am Theater möglich sind, haben Neumeier zu<br />
einem der erfolgreichsten <strong>Ballett</strong>direktoren der Bundesrepublik<br />
werden lassen, der oft unter schmerzlichem Verzicht auf die Erfüllung<br />
einer eigenen Tänzerkarriere bemüht war, seinem Ensemble<br />
die denkbar besten und fruchtbarsten Aufgaben zu bieten.«<br />
In Hamburg scheint auch jede neue Choreographie, jede<br />
neue Aufgabe weiterhin unter dem »Lebens-Stern« des »out-yon-<br />
dern« zu stehen. Aus der vorhandenen Compagnie formte er zu<br />
Beginn als erstes, wenn auch unter gewerkschaftlichem Protest,<br />
»sein« Ensemble. Nach nur fünf Jahren, 1978, wagte er einen<br />
weiteren Schritt ins unbekannte Neuland mit der Gründung<br />
einer, »seiner« Schule – und nach langen Verhandlungen segnete<br />
1985 der Hamburger Senat die Pläne <strong>für</strong> das großartige »<strong>Ballett</strong>zentrum<br />
Hamburg – John Neumeier« ab, das 1989 bezogen<br />
werden kann.1996 folgt mit der <strong>Ballett</strong>-Intendanz die autonome<br />
Verantwortung <strong>für</strong> »sein« Hamburg <strong>Ballett</strong>. Doch damit nicht<br />
genug, neben den umfassenden Aufgaben als <strong>Ballett</strong>intendant,<br />
Choreograph, Schulleiter und zeitweise auch noch Tänzer seiner<br />
großen Werke »yondered« er in den Aufbau seines Tanzarchivs,<br />
seiner Tanzbibliothek, seines Tanzmuseums, seiner Stiftung – eine<br />
Aktivität reicht der nächsten die Hand – John Neumeier »yondered«<br />
auch heute noch!<br />
Lassen Sie mich hier Neumeiers großen Freund, Maurice Béjart,<br />
dem wir 1994 den Deutschen Tanzpreis verliehen, zitieren<br />
aus seiner Laudatio <strong>für</strong> John Neumeier 1988: »(...) ich frage<br />
mich: Wer ist John Neumeier? Und ich denke, ich habe es nun<br />
entdeckt – John Neumeier ist ›E.T.‹, gekleidet wie ein zauberhafter<br />
Prinz! … Und John kommt aus dem Weltraum, denn er ist<br />
zeitlos. Wenn ich mit John arbeite, kommt es mir manchmal vor,<br />
als arbeite ich mit einem Kind von acht Jahren – dann schaue<br />
ich ihn an und mir ist plötzlich, als sähe ich einen uralten, weisen<br />
Mann mit einem Wissen um Vergangenheit und Zukunft. … Er<br />
ist eine Art Zauberer. Und das ist der Grund, warum ich denke:<br />
John ist nicht von dieser Erde!«<br />
Und John Neumeier selbst: »Wenn man zurückschaut, kann<br />
man natürlich immer sagen: Das sind meine Werke! Anders gesagt:<br />
Je mehr man Erfahrung hat, desto weniger neu erscheint<br />
einem manches. Andere Dinge werden einem wichtiger. Deshalb<br />
glaube ich auch, dass ich immer noch ›unterwegs‹ bin.«<br />
Begegnen sich hier Goethe und Neumeier im philosophischen<br />
»yondering« – im »Unterwegs-Sein«? In den Schlussworten<br />
des »Faust« sagt Goethe: »Wer immer strebend sich bemüht, den<br />
können wir erlösen …!« Und Neumeier zu seinem »Weihnachtsoratorium«<br />
im Dezember 2007: »Es geht um Hoffnung, nicht<br />
um die ›fertige‹ Erlösung. Die Erlösung ist nicht vollendet, sie ist<br />
immer zu erarbeiten«. Und ich ergänze, wer immer strebend sich<br />
bemüht! »Das Menschliche steht im Zentrum meines Schaffens.«<br />
2002, zu den Festlichkeiten zu John Neumeiers 60. Geburtstag,<br />
wurde von der <strong>Ballett</strong>schule des Hamburg <strong>Ballett</strong> ein Defilée<br />
organisiert, bei dem 127 Studenten je eine Fahne trugen<br />
mit dem Namen einer seiner Choreographien: Die Jahre seiner<br />
choreographischen Kreativität <strong>für</strong> den tänzerischen Nachwuchs<br />
in seiner Schule und der National Ballet School of Canada,<br />
Toronto, <strong>für</strong> seine Compagnie, <strong>für</strong> deutsche und internationale<br />
<strong>Ballett</strong>-Ensembles weltweit in München, Stuttgart, St. Petersburg<br />
– am Marijnsky-Theater war er 2001 nach einhundert Jahren mit<br />
der Choreographie »Sounds of Empty Pages« der erste aus dem<br />
Westen eingeladene Choreograph – Moskau, Paris, Mailand,<br />
London bis New York, Toronto, Tokio u.v.a.m. zogen »bildlich«<br />
am Gratulanten vorüber. Hier entstand die Idee, dass eine solche,<br />
weltweit wohl einmalige Kreativität auf dem Gebiet des künstlerischen<br />
Bühnentanzes sowie der Pädagogik einer besonderen<br />
Anerkennung und Ehrung bedürfe. Heute, nach nun 35 Jahren<br />
<strong>Ballett</strong>direktor und Intendant des Hamburg <strong>Ballett</strong>, zeigt das<br />
Werkverzeichnis 137 Choreographien, mit einer künstlerischen<br />
Bandbreite von »Bernstein Dances«, »On the Town«, »West Side<br />
Story« auf der Musical Basis über einen genialen »Peer Gynt«,<br />
Tennessee Williams’ »Endstation Sehnsucht«, von Shakespeare<br />
inspirierten Interpretationen wie »Ein Sommernachtstraum«, »Ro-<br />
<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 7
meo und Julia«, »Hamlet«, »Wie es euch gefällt«, »Othello«, das<br />
vorgestern in Hamburg seine Wiederaufnahme hatte, einer »Kameliendame«,<br />
»Parzival«, »Nijinsky«, »Tod in Venedig«, »Opus<br />
100 – for Maurice«, eine Hommage an Maurice Béjart usw.,<br />
usw. bis zu den letzten, höchst akklamierten Höhepunkten »Die<br />
kleine Meerjungfrau« und »Weihnachtsoratorium«.<br />
So führt John Neumeiers »Yondering« in diesem Jahr <strong>2008</strong><br />
einen »Sternen-Ring« von Jubiläen dieses Jahrzehnte währenden<br />
Wirkens <strong>für</strong> den künstlerischen Bühnentanz zusammen: 1963 –<br />
vor 45 Jahren führte ihn sein Weg nach Stuttgart; 1973 – vor<br />
35 Jahren führte ihn sein Weg nach Hamburg; 1978 – vor 30<br />
Jahren gründete er seine Schule; 1988 – vor 20 Jahren verlieh<br />
der Deutsche <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong> den Deutschen<br />
Tanzpreis an John Neumeier.<br />
Doch auch die Initiatoren des Deutschen Tanzpreises sind<br />
nicht unwesentlich dem »Yondering« verfallen! War schon die<br />
Gründung des Deutschen <strong>Berufsverband</strong>es <strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong><br />
im Jahre 1975 – vor nun 33 Jahren – ein gewagter Sprung ins<br />
Ungewisse, so gilt dies ebenfalls <strong>für</strong> unsere Zeitschrift »<strong>Ballett</strong><br />
<strong>Intern</strong>«, die 1977 erstmalig erschien und nun ihr 30-jähriges<br />
Erscheinen feiern konnte! Und in ganz besonderem Maße gilt<br />
dies <strong>für</strong> die Initiative der Verleihung eines Deutschen Tanzpreises!<br />
Als der damalige Vorstand sich zu diesem Wagnis, zu diesem<br />
»Yondering« entschloss, sahen wir doch eher beim »Aufbruch ins<br />
Ungewisse« die Rocky Mountains als zu überwindende Aufgabe<br />
vor uns als ein »Gelobtes Land, in dem Milch und Honig« fließen.<br />
Dass wir nun nicht in den den Rockies vorgelagerten »Badlands«<br />
strandeten, sondern 25 Jahre realisieren konnten – auch<br />
und nur durch die Hilfe unermüdlicher Sponsoren und Freunde<br />
der Tanzkunst – dass dieser Deutsche Tanzpreis zu der wohl<br />
prestige-trächtigsten Ehrung auf dem Gebiet des künstlerischen<br />
Bühnentanzes sich entwickeln konnte – das hatten wir damals<br />
ebenso wenig zu denken, zu hoffen gewagt wie John Neumeier<br />
seinen Weg vor 45 Jahren auf dem »out-yondern« nach Stuttgart,<br />
vor 35 Jahren nach Hamburg vorher sehen konnte!<br />
25 Jahre <strong>Deutscher</strong> Tanzpreis ist sicher <strong>für</strong> uns und <strong>für</strong> die<br />
Tanzwelt ein besonderes, bemerkenswertes Jubiläum,<br />
Das in der <strong>Ballett</strong>geschichte nach allgemeinem internationalen<br />
Urteil wohl einmalige Lebenswerk John Neumeiers mit diesem<br />
Jubiläums-Tanzpreis zu würdigen, ist eine logische Entscheidung<br />
– hier führen die oben vielfach erwähnten »Yondering«-Wege<br />
folgerichtig heute zusammen.<br />
Der »Deutsche Tanzpreis 1988« an den jungen »Yonderer«<br />
John Neumeier galt dem Mut und der Leistung der jungen Jahre<br />
– der einmalige DEUTSCHE JUBILÄUMS-TANZPREIS <strong>2008</strong> anlässlich<br />
von 25 Jahren »<strong>Deutscher</strong> Tanzpreis« dem unermüdlich<br />
kreativen »Yonderer«, sagen wir es italienisch – PER UNA VITA<br />
PER LA DANZA! August Everding bezeichnete John Neumeier<br />
als Sonntagskind – gratulieren Sie mit mir John Neumeier herzlich<br />
zum Geburtstag am vergangenen Sonntag, dem 24. Februar<br />
<strong>2008</strong>, und besonders zum DEUTSCHEN JUBILÄUMS-<br />
TANZPREIS <strong>2008</strong>.<br />
Verehrtes Publikum, gestatten Sie mir, dass ich mich wiederhole,<br />
wenn ich auch in diesem Jahr sage, in der deutschen Welt<br />
des Tanzes geht kaum ein Weg an Stuttgart vorbei – unseren<br />
Preisträger wie auch unsere heutige Laudatorin verdanken wir<br />
John Cranko: Begrüßen Sie mit mir die langjährige Ballerina und<br />
Direktorin des Stuttgarter <strong>Ballett</strong>s, Marcia Haydée.<br />
Sehr dankbar war ich vor Jahren, dass sich Herr Dr. Lammert,<br />
unser jahrzehntelanger Freund des Tanzes und des Deutschen<br />
Tanzpreises, bereit erklärte zu der Schirmherrschaft über unseren<br />
Träger-Verein zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland. Und<br />
ebenso dankbar bin ich, dass er heute zu unserem 25. Jubiläum<br />
einige Worte zu uns sprechen wird: Darf ich sehr herzlich den<br />
Präsidenten des Deutschen Bundestages, Herrn Dr. Norbert Lammert,<br />
begrüßen!<br />
Desgleichen freue ich mich sehr, dass unser Oberbürgermeister<br />
Herr Dr. Wolfgang Reiniger auch in diesem Jahr die Schirmherrschaft<br />
über diesen festlichen Abend des Tanzes übernommen<br />
hat! Vielen Dank Ihnen, Herr Dr. Reiniger, <strong>für</strong> lange Jahre der<br />
freundschaftlichen Unterstützung!<br />
Als Vertreterin der Stadt Hamburg begrüße ich die Kultursenatorin<br />
Frau Prof. Dr. Karin von Welck, mit Herrn Prof. Dr. Oliver<br />
Scheytt den Kulturdezernenten unserer Stadt und Präsidenten der<br />
Kulturpolitischen Gesellschaft, zusammen mit seiner Vizepräsidentin<br />
und unserer Laudatorin des Deutschen Tanzpreises »ZU-<br />
KUNFT« 2007, Frau Dr. Iris-Jana Magdowski, desgleichen den<br />
Staatssekretär Kultur NRW, Herrn Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff.<br />
Weitere uns liebe Gäste möchte ich erwähnen: Prof. Dr.<br />
Max Fuchs, Präsident des Deutschen Kulturrats; Klaus Geitel,<br />
unseren Doyen der deutschen <strong>Ballett</strong>- und Musik-Kritik; Barbara<br />
Gessler, Vertreterin der Europäischen Kommission; Ilka Schmalbauch,<br />
Vertreterin des Deutschen Bühnenvereins.<br />
Und von der Kulturpolitik wieder zu unserem Tanz: Frank<br />
Andersen, Direktor des Royal Danish Ballet; Sylviane Bayard,<br />
ehemalige <strong>Ballett</strong>direktorin der Deutschen Oper Berlin; Oleksi<br />
Bessmertni, Direktor des Tanzolymp Berlin; Dinna Björn, Direktorin<br />
des Finnischen Nationalballetts Helsinki; John Bliekendaal,<br />
Tanzakademie Arnheim; Ben van Cauwenbergh, designierter<br />
<strong>Ballett</strong>direktor Essen; Irina Chermonurova, Direktorin des Stanislavsky-<strong>Ballett</strong>s<br />
Moskau; Charles Gebhard, Präsident des Prix<br />
de Lausanne; Dieter Gräfe, Weggefährte von John Cranko und<br />
unserem Preisträger; Prof. Lutz Förster, Leiter des Studiengangs<br />
Tanz an der Folkwang-Hochschule; Irène Heinen, Direktorin des<br />
<strong>Ballett</strong>-Festivals Luxembourg; Vladimir Klos, einer der Hauptdarsteller<br />
im Film »Die Kameliendame«, den Sie morgen in der Lichtburg<br />
erleben können!<br />
Minghui Kong, Repäsentantin des China Shanghai <strong>Intern</strong>ational<br />
Arts Festivals; Marianne Kruuse, langjährige Bühnenpartnerin<br />
unseres Preisträgers und Leiterin der <strong>Ballett</strong>schule des Hamburg<br />
<strong>Ballett</strong>; Daniela Kurz, <strong>Ballett</strong>direktorin Nürnberg; Doris Laine,<br />
ehemalige <strong>Ballett</strong>direktorin der Komischen Oper Berlin, heute<br />
Helsinki; Ivan Liška, <strong>Ballett</strong>direktor des Bayerischen Staatsballetts<br />
und neben Marcia Haydée Hauptdarsteller im Film »Die Kameliendame«;<br />
Stefan Lux, u.a. Choreograph des <strong>Ballett</strong>s »Dornrös-<br />
8 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>
chen«, das Sie gestern auf dieser Bühne hätten<br />
erleben können; Günter Pick, ehemaliger <strong>Ballett</strong>direktor<br />
verschiedener Bühnen Deutschlands und<br />
ehemaliger Leiter der Zentralen Bühnen-, Fernseh-<br />
und Filmvermittlung; Bernd Schindowski, <strong>Ballett</strong>intendant<br />
Gelsenkirchen; Raimondo Rebeck, Solist<br />
und <strong>Ballett</strong>meister des aalto-ballett-theater-essen;<br />
Colleen Scott, eine der Hauptdarstellerinnen im<br />
Film »Die Kameliendame«; Heinz Spoerli, <strong>Ballett</strong>direktor<br />
des Züricher <strong>Ballett</strong>s; Mavis Staines, Direktorin<br />
der National Ballet School of Canada, Toronto;<br />
Jan Stripling, ehemaliger Solist des Stuttgarter<br />
<strong>Ballett</strong>s; Dr. Christiane Theobald, Stellvertretende<br />
Intendantin des Staatsballetts Berlin; Xin Peng<br />
Wang, <strong>Ballett</strong>direktor Dortmund; Uschi Ziegler,<br />
Schulleiterin der <strong>Ballett</strong>schule des Hamburg <strong>Ballett</strong><br />
und Ehrenpreisträgerin 2007.<br />
Sehr verehrtes Publikum, alle diese erwähnten<br />
Persönlichkeiten des Tanzes und der Kulturpolitik<br />
sind, sagen wir als Geschenk, zu Ehren unseres<br />
Preisträgers heute hier anwesend, und ich hoffe,<br />
dass Sie mit mir einig sein können, dass dieses<br />
»Geschenk« ihm auch präsentiert werden sollte,<br />
denn auch da<strong>für</strong> ist dieser heutige Abend nun einmal<br />
konzipiert!<br />
Danken Sie mit mir unseren großzügigen Sponsoren,<br />
die es wiederum möglich machten, dass<br />
diese außergewöhnliche Festveranstaltung des<br />
Tanzes – wie viele sagen, zumindest wohl europaweit<br />
einmalig – in unserer Stadt nun zum 25. Male<br />
realisiert werden konnte! Diesen großen, herzlichen<br />
Dank, auch in Ihrer aller Namen, verehrtes<br />
Publikum, möchte ich vermitteln an: Frau Anneliese<br />
Brost; Frau Marianne Kaimer; Herrn Hans Martz<br />
und der Sparkasse Essen; Herrn Wulf Mämpel und<br />
dem Freundeskreis Theater & Philharmonie; der Alfred<br />
und Cläre Pott-Stiftung; dem Fonds Darstellende<br />
Künste und Herrn Jürgen Flügge, dem Vorsitzenden<br />
und Herrn Günter Jeschonnek, Geschäftsführer<br />
sowie der Stadt Essen. Und sollten auch Sie uns<br />
unterstützen wollen, so werden Sie Mitglied unseres<br />
Vereins zur Förderung der Tanzkunst.<br />
Auch Dank allen guten Geistern dieses Hauses<br />
vor und hinter der Bühne, insbesondere dem<br />
Geschäftsführer Otmar Herren und dem Direktor<br />
des aalto-ballett-theater, Prof. Martin Puttke, sowie<br />
dem Technischen Direktor Daniel Kaiser <strong>für</strong> die angenehme,<br />
reibungslose Zusammenarbeit bei der<br />
Realisation dieses Abends.<br />
Wie immer, verehrtes, geduldiges Publikum –<br />
last, but not at all least – zum traditionellen Abschluss<br />
begrüßen Sie mit mir die anwesenden<br />
Preisträger vergangener Jahre, die heute John<br />
Neumeier die Ehre geben: Als erstes unsere drei<br />
Preisträger »ZUKUNFT« des Jahres 2006 vom<br />
Stuttgarter <strong>Ballett</strong>: Katja Wünsche und Jason Reilly,<br />
die Ihnen heute erneut ihr Können auf dieser Bühne<br />
beweisen werden mit ihrem Beitrag aus dem <strong>Ballett</strong><br />
»Endstation Sehnsucht«, sowie Christian Spuck,<br />
sodann Reid Anderson, Philippe Braunschweig,<br />
Marcia Haydée, Hans Herdlein, Birgit Keil und<br />
Horst Koegler. ■<br />
Dr. Norbert Lammert<br />
Präsident des Deutschen Bundestages und Schirmherr des<br />
Vereins zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland e.V.<br />
Herr Oberbürgermeister, lieber Ulrich Roehm, verehrter Preisträger, meine Damen<br />
und Herren,<br />
Begrüßungen, Grußworte, auch Festansprachen, sind gewiss nicht die<br />
Hauptsache bei einer Tanzgala – aber manchmal sind sie unvermeidlich. Und<br />
es ist so ein Abend: Der Deutsche Tanzpreis wird 25. Ein kleines, aber stolzes<br />
Jubiläum, dass über die Verleihung des Jubiläumspreises hinaus eine eigene<br />
Würdigung verdient. Seit nun immerhin einem Vierteljahrhundert werden einmal<br />
im Jahr herausragende Tänzerinnen und Tänzer, Choreographen und Komponisten,<br />
Tanzpädagogen und Wissenschaftler, Autoren und Förderer des Tanzes<br />
aus dem Inland oder dem Ausland ausgezeichnet und damit gleichzeitig eine<br />
größere Öffentlichkeit auf eine Sparte der darstellenden Kunst aufmerksam gemacht,<br />
die nach wie vor oft im Windschatten anderer großer Kulturereignisse<br />
steht. Der Deutsche Tanzpreis ist insoweit <strong>für</strong> den deutschen Tanz noch wichtiger<br />
als <strong>für</strong> die Preisträger. Sie brauchen ihn in der Regel nicht. Der Tanz braucht<br />
ihn. Um so erfreulicher, dass sich dieser Preis längst als die bedeutendste Auszeichnung<br />
der deutschen Tanzszene etabliert hat. Und die jährliche Gala-Veranstaltung<br />
längst zum großen Familientreffen aller Tanzfreunde, -könner und<br />
-kenner geworden ist.<br />
Begonnen hat das alles vor 25 Jahren sehr bescheiden – mit viel Elan und<br />
wenig Glanz: Begrüßungsreden – Laudatio – Urkunde; ohne Musik, ohne Tanz.<br />
Daraus ist inzwischen eine glanzvolle Veranstaltung geworden. Für mich persönlich<br />
ist die Tanzpreis-Verleihung im Aalto-Theater seit Jahren die schönste,<br />
dem Anlass angemessenste, würdigste Kulturpreis-Verleihung in Deutschland.<br />
Ich habe das übrigens auch außerhalb Essens vor der Jubiläumsveranstaltung<br />
so vorgetragen, so dass niemand Sorge haben muss, dass sei so eine dieser<br />
berühmten, dem Anlass geschuldeten Bemerkungen.<br />
Die Stadt Essen und das Ruhrgebiet dürfen durchaus stolz darauf sein. Sie<br />
nehmen mit dieser Veranstaltung seit vielen Jahren gewissermaßen das Niveau<br />
vorweg und setzen einen Standard, der einer europäischen Kulturhauptstadt<br />
würdig ist. Niemand hat daran einen größeren persönlichen Anteil als Ulrich<br />
Roehm. Als Initiator, Moderator, Promotor, Impressario – ohne ihn und seinen<br />
Verein zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland und den <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>Tanzpädagogik</strong> gäbe es dieses grandiose Tanzereignis nicht. Da<strong>für</strong> möchte ich<br />
ihm und seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern nicht nur als Schirmherr dieses<br />
Vereins, sondern als selbsternannter Sprecher dieses Auditoriums in Ihrer aller<br />
Namen gewissermaßen herzlich danken und gratulieren. Verbunden selbstverständlich<br />
mit allen guten Wünschen <strong>für</strong> die nächsten Jahre. Meine heimliche<br />
Hoffnung ist, dass ich Ihnen in 25 Jahren zum 50. Jubiläum an gleicher Stelle<br />
gratulieren kann. Und Ihnen allen verspreche ich feierlich, bis dahin werde<br />
ich ohne zwingenden Grund nie wieder eine Tanzgala mit einem Grußwort<br />
aufhalten. Sondern ich werde mich, wie Sie still und andächtig und glücklich<br />
auf meinen Sessel setzen und vollendete Tanzkunst genießen. In diesem Sinne<br />
wünsche ich Ihnen, uns allen weiterhin einen inspirierenden, motivierenden und<br />
denkwürdigen Abend. ■<br />
<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 9
Laudatio: Marcia Haydée<br />
Mein lieber John,<br />
Du bist einfach ein Genie. Warum ein Genie? Weil alles,<br />
was du machst, ist genial. Hättest Du es gewollt, nur ein Tänzer<br />
zu werden, wärest Du heute einer von den Top-Tänzern. Als<br />
Choreograph bist Du einer der bedeutendsten Choreographen<br />
aller Zeiten; als Direktor – genau das Gleiche. Wolltest Du heute<br />
aufhören mit dem <strong>Ballett</strong>, könntest Du morgen anfangen, ein<br />
Filmdirektor zu sein, und Du wärest bestimmt in einer Reihe mit<br />
Fellini, Pasolini und Spielberg. Du machst Dein eigenes Bühnenbild,<br />
Deine Kostüme, Deine Beleuchtung. Soviel ich weiß, hast<br />
Du aber noch nie Deine eigene Musik komponiert. Aber ich<br />
glaube, dass das vielleicht auch noch kommt. Mein lieber John,<br />
Du bist ein Phänomen.<br />
Mein Verhältnis mit John hat angefangen, als John Cranko<br />
eines Tages zu Ray Barra und mir sagte: Das Royal Ballet<br />
hat angerufen und die sagen, es gibt einen ganz begabten<br />
jungen Tänzer, der wäre perfekt <strong>für</strong> das Stuttgarter <strong>Ballett</strong>. Und<br />
John sagte: »Ok, Du und Ray, Ihr habt eine Vorstellung in London,<br />
geht in die Schule und schaut euch diesen jungen Tänzer<br />
an.« So sind wir dahin gegangen. Wir saßen oben im Balkon<br />
in diesem <strong>Ballett</strong>saal und einer von den Lehrern hat zu uns gesagt:<br />
»Das ist der neue Mann.« Und ich habe ganz schnell geguckt:<br />
Ist er groß, klein, dünn, dick, lange Beine, kurze Beine,<br />
lange Arme, kurze Arme, langer Hals oder kein Hals, schön<br />
oder hässlich? Bei Dir John, war das alles perfekt. Aber, es ist<br />
nicht so einfach, weil manchmal sehen sie perfekt aus, dann<br />
machen sie eine Bewegung und es ist eine totale Katastrophe.<br />
Aber das war nicht der Fall bei Dir, John: Du warst ein toller<br />
Tänzer.<br />
Aber was mich schon damals am meisten beeindruckt hat<br />
an Dir, das war Deine Kapazität zur Konzentration und Deine<br />
Intensität. Alle anderen Tänzer haben auf die Lehrer geschaut,<br />
der Lehrer hat einen Schritt vorgegeben, die haben das gelernt,<br />
die haben das gemacht und dann haben sie losgelassen. Nicht<br />
bei Dir! Es sah so aus, als hättest Du irgendwo bei Dir einen<br />
Knopf gedrückt, und Deine Konzentration ging so lang, wie Du<br />
wolltest. Du hast nicht einen Moment bei diesem Training losgelassen.<br />
Damals wurde mir klar: Du bist <strong>für</strong> das <strong>Ballett</strong> geboren.<br />
Du wolltest nichts anderes machen. Das hast Du nicht <strong>für</strong> eine<br />
Karriere gemacht, das war Dein Leben. Und das Royal Ballet<br />
hatte recht: Du warst der Richtige <strong>für</strong> Stuttgart. Du bist nach Stuttgart<br />
gekommen und warst bei Cranko immer der Schnellste, der<br />
gelernt hat, was John choreographierte, und Du hast immer noch<br />
etwas dazu gemacht.<br />
Ich könnte so viele Sachen aus dieser Zeit erzählen, aber ich<br />
habe mir nur zwei herausgenommen. Zum ersten: Als ich zum<br />
ersten Mal mit Dir als Paris getanzt habe – in Romeo und Julia.<br />
Ich weiß nicht, ob die Pas de deux’ gut gelungen sind oder<br />
nicht, wie es war. Aber ich weiß, ich hatte Paris bei mir. Du hast<br />
nicht Paris gespielt, Du warst Paris – genau wie es Cranko wollte<br />
und Shakespeare. Das war Deine Kraft und es ist heute noch<br />
Deine Kraft als Choreograph. Und John hat <strong>für</strong> Dich Hortensio<br />
in »Der Widerspenstigen Zähmung« gemacht. Alle Tänzer wollen<br />
schöne Füße haben. Und so hat Cranko dieses ganze Solo<br />
<strong>für</strong> seine Füße gemacht. Neumeier hat verstanden, was Cranko<br />
wollte, und hat das genommen und noch mehr gemacht. Das<br />
war total verrückt, was John als Hortensio auf der Bühne geleistet<br />
hat. Es gab bis heute schon viele Hortensios, aber so wie Du<br />
bist, so gab es noch keinen. Das war schon einmalig.<br />
Dann hast Du schon angefangen zu choreographieren: »Haiku«!<br />
»Haiku« war <strong>für</strong> mich ein ganz kleines <strong>Ballett</strong>, aber es war<br />
schon abendfüllend. Du hast eine Geschichte erzählt. Und am<br />
Ende dachten alle: »Ok, da ist ein Choreograph!« Und dann<br />
kam der Moment, an dem Du Stuttgart verlässt und nach Frankfurt<br />
gingst. In Frankfurt hast du ganz schnell das Publikum gepackt,<br />
hast eine Compagnie gemacht und dann <strong>Ballett</strong> nach <strong>Ballett</strong> gemacht.<br />
Aber dann war Frankfurt, glaube ich, zu klein <strong>für</strong> Dich.<br />
Dann kam Hamburg: Es ist phänomenal, was Du da in Hamburg<br />
kreiert hast. Dein Zentrum, die Compagnie, das Repertoire:<br />
Du bist der König von Hamburg. Ich denke, eigentlich sollte<br />
Hamburg »Neumeierburg« heißen, weil, wenn man als Tänzer<br />
in Dein Zentrum kommt, spürt man Neumeier in jeder Ecke. Deine<br />
Kraft, Deine Energie – und das wird immer da bleiben.<br />
Ich habe Dich immer geliebt und bewundert, als Direktor und<br />
Choreograph. Aber ich habe es wirklich nie gedacht, dass ich<br />
eines Tages mit Dir arbeiten würde. Ich wusste, dass ich war<br />
Crankos Tänzerin, aber ich hätte es nie gedacht, dass ich auch<br />
Deine Tänzerin war. Und eines Tages rufst Du mich in Stuttgart<br />
an und sagst: »Marcia, ich gehe nach New York, zum American<br />
Ballet Theatre und mache dort ›Hamlet‹ mit Baryschnikow, Erik<br />
Bruhn und ich wollen Dich haben.« Für mich war das ein Schock.<br />
Ich hatte so was wirklich nicht erwartet. Aber ich bin sofort nach<br />
New York gegangen. Und die Zeit in New York war einmalig<br />
<strong>für</strong> mich. Für Dich war das nicht so gut, weil die haben dieser<br />
Compagnie und John nicht genug Zeit gegeben. Er hatte <strong>für</strong> Baryschnikow<br />
fünfzehn Minuten Zeit, dann fünfzehn Minuten <strong>für</strong> Erik<br />
Bruhn am Abend. Die haben sich nicht getroffen, weil Sie in<br />
anderen <strong>Ballett</strong>en arbeiteten. Aber ich war da <strong>für</strong> Neumeier. So<br />
habe ich mit John probiert – von morgens bis abends – ich und<br />
Erik Bruhn. Ich glaube, ich habe nie so viel probiert und Du hast<br />
den Pas de deux hier geändert und nochmal gewechselt und die<br />
Soli auch. Und wir waren perfekt, aber wirklich perfekt. Und da<br />
habe ich Dich wirklich kennen gelernt, als Menschen, als Choreographen.<br />
Und am Ende habe ich zu Dir gesagt: »Komm’ nach<br />
Stuttgart! Ich gebe Dir so viel Zeit, wie Du willst, mach’ Deinen<br />
›Hamlet‹, wie Du willst.« Und das hast Du gemacht. Dein »Hamlet«<br />
wurde einmalig. Und schon in New York hatte ich zu John<br />
gesagt: »John, bitte, ich weiß, Du hast eine Compagnie und sehr<br />
viel zu tun, aber komm‘ nach Stuttgart und mach’ Dein abendfüllendes<br />
<strong>Ballett</strong> <strong>für</strong> uns.« Cranko ist weg. Das war ein riesiges<br />
Loch, wir brauchten etwas. Und John hat mir versprochen: »Ok!<br />
Ich komme.« Und sofort hat er angefangen, Ideen zu entwickeln.<br />
10 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>
Er hat gesagt: »Machen wir Kleopatra.« Mir war es egal, was<br />
er macht, wenn er nur ein abendfüllendes <strong>Ballett</strong> macht. Denn<br />
das Wichtige ist, dass er nach Stuttgart kommt und <strong>für</strong> unsere<br />
Compagnie ein abendfüllendes <strong>Ballett</strong> macht. Und das war nach<br />
einer Probe zu »Hamlet«. Wir sind in ein türkisches Restaurant<br />
gegangen. Ich saß vor Dir und war an diesem Tag so müde, ich<br />
hatte keine Schminke, ich war einfach fertig. Und plötzlich sehe<br />
ich in seine Augen. Die bleiben ganz still und gucken mich an.<br />
So habe ich mich auch nicht bewegt und nur geguckt. Da sagt<br />
er: »Kameliendame! Machen wir Kameliendame!« Ich glaube,<br />
in diesem Moment hatte er schon die tote Marguerite vor sich<br />
gesehen. Und dann begann das Stuttgarter Fieber mit der »Kameliendame«.<br />
Das hatte die ganze Stadt, das Theater, die Compagnie:<br />
Wir waren »Kameliendame« und wir wollten nur noch<br />
»Kameliendame«. Alle haben auf diese Premiere gewartet. Und<br />
es war wirklich eine Explosion, diese »Kameliendame«.<br />
Ich erinnere mich an alles, an jedes Wort, das Du zu mir<br />
gesagt hast – vom Anfang der »Kameliendame« bis zum Ende.<br />
Bei Dir sind nicht die großen Schritte das Wichtigste, aber das,<br />
was dazwischen passiert, alle Details. »Kameliendame« – ich erinnere<br />
mich – das war Detail nach Detail, Detail nach Detail bis<br />
zum Ende. Einmal, im ersten Pas de deux, ging ich zum Spiegel<br />
und Du hast eine Stunde lang mit mir probiert. Du wolltest, dass<br />
das Publikum versteht, dass in diesem Moment, in dem sie sich<br />
in dem Spiegel sieht, sieht sie ihre Krankheit, sieht das Ende.<br />
Und war nur eine Armbewegung, nur eine Hand. Aber das war<br />
nicht so einfach. Eine Stunde hat es gedauert, bis Du gefunden<br />
hattest, welche Bewegung die Hand machen muss bis zum Gesicht.<br />
Und so war die ganze »Kameliendame«.<br />
»Die Kameliendame« ist in meine Haut eingeprägt. Nachher<br />
hast Du mich mit nach Hamburg genommen, und ich habe mit<br />
Deiner Compagnie getanzt. Danach kam der Film. Und in diesem<br />
Film ist es faszinierend zu sehen, wie John morgens kam<br />
und schon ganz genau wusste: Licht hier und da, da und da. Er<br />
hat keine Zeit verloren, überhaupt keine Zeit verloren. Ich werde<br />
nun eine Sache erzählen, da habe ich Dich nie um die Erlaubnis<br />
gebeten, aber ich erzähle das sowieso: Sie wissen, dass<br />
ich aus Brasilien komme. In Brasilien beschäftigt man sich mit<br />
Astrologie, mit allem Möglichen, mit dem Mond, wo der Mond<br />
ist, wo Jupiter ist und so. Als dann John den schwarzen Pas de<br />
deux machen wollte – und ich weiß, <strong>für</strong> ihn war der schwarze<br />
Pas de deux ganz schwierig – habe ich in meinen Büchern nachgesehen,<br />
das wird an einem Montag probiert, Montag und die<br />
Stunde. Dann habe ich meine Astrologin in Brasilien angerufen:<br />
»Sag’ mir, wie stehen die Planeten da am Montag?« Und sie<br />
hat gesagt: »Hm, bis 16 Uhr ist ganz schwierig, nach 16 Uhr<br />
alles ok.« Da habe ich gedacht, was mache ich nun? Dann<br />
habe ich John angerufen und gesagt: »John, vielleicht denkst Du,<br />
ich bin verrückt, aber ich muss es Dir sagen.« Dann habe ich<br />
es ihm gesagt und er sagte nur: »Hm, ok.« Am nächsten Tag,<br />
morgens – bestimmt erinnert er sich daran – wollen wir mit dem<br />
schwarzen Pas de deux anfangen. John kommt – ganz langsam<br />
– und er guckt und sagt: »Nein! Licht ist alles falsch. Wir müssen<br />
alles wechseln.« Das ganze Team hat ihn angesehen, weil die<br />
es gewöhnt waren, dass er ganz genau weiß, was er macht.<br />
Und dann haben sie gewechselt. »Nein, nein. Ich bin noch nicht<br />
zufrieden. Ich glaube, da …« Das ging so weiter bis halb drei<br />
nachmittags. Um halb drei hat er dann gesagt: »Ok, wir machen<br />
alles wie es war am Anfang!« Und genau um 16 Uhr hat er mit<br />
dem schwarzen Pas de deux angefangen.<br />
Ein weiterer Grund ist, John, dass ich Dir so dankbar bin,<br />
dass wir auch mit »Kameliendame« einen Film gemacht haben.<br />
Mein Solo hast Du mit mir an einem Nachmittag geprobt. Und<br />
Du hast gesagt: »Noch einmal, noch einmal, und noch einmal,<br />
und noch einmal.« Meine Füße waren schon keine Füße mehr,<br />
aber ich habe es gemacht – bis er zufrieden war. Dann kam er<br />
zu mir und hat zu mir gesagt: »Marcia, dieser Film bleibt ewig.<br />
Das bedeutet, dass Tänzer, die Dich nie gesehen haben, werden<br />
Dich eines Tages sehen. Und ich will Dich so perfekt wie<br />
möglich.«<br />
Das vergesse ich nicht, denn Du warst so streng mit mir in<br />
dem Film. Du hast wirklich auf alles aufgepasst. Und wenn Du<br />
nicht zufrieden warst: nochmal und nochmal und nochmal. Und<br />
deswegen bin ich Dir von ganzem Herzen dankbar.<br />
Nach der »Kameliendame« kam das andere Meisterwerk<br />
»Endstation Sehnsucht«. Und »Endstation Sehnsucht – ich weiß<br />
nicht, ob ich Dir das schon einmal gesagt habe: Als Marcia,<br />
als Frau, als Mensch gibt es ein ›Vor-Endstation‹ und ein ›Nach-<br />
Endstation‹. Die Arbeit mit Dir in »Endstation Sehnsucht« war<br />
so intensiv, so intensiv. Als Du mir sagtest, dass Du »Endstation<br />
Sehnsucht« machen möchtest, habe ich gedacht: Wie macht der<br />
das? Denn ich kannte das Spiel, das Theater-Stück, den Film mit<br />
Vivian Leigh. Aber alles wurde gesprochen. Alles findet in dem<br />
Kopf dieser Frau statt. So, wie zeigst Du es dem Publikum, was<br />
ist in Deinem Kopf? Und ich hätte diese Blanche nicht geschafft<br />
ohne Dich. Ohne Dich – und das meine ich wirklich so – Du hast<br />
<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 11
stundenlang mit mir über jedes Detail gesprochen und das sechs<br />
Wochen lang. Und es wurde noch ein Meisterwerk.<br />
Dann kam »Medea«. Bei »Medea« hast Du meine ganze brasilianische<br />
Energie genommen und in diese Medea getan. So,<br />
was Du <strong>für</strong> mich gemacht hast, in meiner Karriere, da kann ich<br />
Dir da<strong>für</strong> nur dankbar sein.<br />
Dann kam – ich denke, das war einer der größten Momente<br />
in unserem Leben – das war Béjart. Es war zu der Zeit, als ich<br />
viel mit Maurice Béjart zusammengearbeitet habe in der Compagnie<br />
du XXe Siècle. Eines Tages sagte Béjart zu mir: »Marcia,<br />
ich will <strong>für</strong> Dich noch mal ›Die Stühle‹ machen.« »Die Stühle«<br />
war ein <strong>Ballett</strong>, das er <strong>für</strong> sich und eine brasilianische Tänzerin,<br />
Laura Proença, kreiert hatte. Und er sagte: »Ich will Dich haben.<br />
Aber das Problem ist, wer macht es mit Dir?« Denn er war nicht<br />
mehr in der Lage zu tanzen. Ich kannte »Die Stühle« nicht, und<br />
so habe ich Maurice gefragt: »Ja, was brauchst Du?« »Ganz<br />
einfach, ich brauche jemanden, der so verrückt ist wie ich; der<br />
alles machen kann, der ein Tänzer ist, aber nicht nur ein Tänzer,<br />
der auch sprechen kann.« Da habe ich ihm gesagt: »John Neumeier.«<br />
Und er sieht mich an und sagt: »DER Neumeier? DER<br />
von Hamburg? Der große Choreograph? – Nein, er wird nie<br />
Zeit haben <strong>für</strong> mich.« Ich habe gesagt: »Ruf’ ihn an!« Er hat ihn<br />
angerufen und John hat sofort »Ja!« gesagt. Bei der ersten Probe,<br />
als ich im <strong>Ballett</strong>saal saß, waren diese zwei großen Phänomene<br />
da: Béjart und Neumeier. Aber bei Neumeier habe ich nicht<br />
mehr den Direktor und den Choreographen gesehen. Da stand<br />
nur dieser junge Tänzer wie damals beim Royal Ballet. Der stand<br />
vor Béjart und hat nur darauf gewartet, dass Béjart sagt: »Hier,<br />
so fangen wir an.«<br />
Diese Arbeit mit Dir und mit Béjart war so etwas, was uns<br />
drei zusammen gebracht hat und auch uns beide. Weil es kann<br />
sein, dass ich Dich Jahre nicht sehe, aber, wenn ich Dich dann<br />
sehe, ist es, als wenn kein Tag vergangen wäre. Darum bin ich<br />
heute hier.<br />
John, Danke, dass Du existierst. Danke <strong>für</strong> alles, was Du <strong>für</strong><br />
das <strong>Ballett</strong> gemacht hast und noch machen wirst. Danke <strong>für</strong> alles,<br />
was Du <strong>für</strong> mich gemacht hast. Und nicht vergessen: Zwei<br />
Phänomene sind schon weg: Cranko und Béjart – Du bist da! Du<br />
musst weiter machen! Und ich bin sicher, Béjart und Cranko, die<br />
sind mit Dir – immer, wenn Du es willst. Du solltest nie aufhören,<br />
weil Phänomene gibt es nicht so viele in unserem Leben. Und Du<br />
bist einer der letzten.<br />
Am meisten danke ich Dir, dass Du mein Freund bist. ■<br />
Dank des Preisträgers<br />
John Neumeier<br />
Danke, Marcia <strong>für</strong> Deine schönen bewegenden Worte...<br />
Dank Ihnen, Herr Roehm, und allen, die sich entschieden haben,<br />
mir diese renommierte Auszeichnung zu verleihen.<br />
Als ich durch Ulrich Roehm zuerst davon hörte, dass ich zum<br />
zweiten Mal den Deutschen Tanzpreis erhalten sollte, war ich<br />
natürlich glücklich – aber, ehrlich gesagt, fühlte ich mich auch etwas<br />
unbequem – zweimal diesen tollen Preis zu erhalten, schien<br />
mir etwas habgierig zu sein und nicht sehr bescheiden.<br />
Herr Roehm erzählte mir, es sei nicht nur der »normale« gleiche<br />
Preis, sondern ein »Jubiläums-Tanzpreis«, den ich erhalten<br />
sollte – d.h. dieses ist ein ganz besonderes Jahr: Der Deutsche<br />
Tanzpreis wird zum 25. Mal vergeben.<br />
Und <strong>für</strong> mich persönlich, so erinnerte er, sammelten sich auch<br />
einige Jubiläen an: Schon immer schlecht in Mathematik, musste<br />
ich noch einmal zurück denken, denn viele der Daten waren<br />
mir nicht bewusst. Vor allem musste ich mit Erstaunen feststellen,<br />
dass es tatsächlich schon fast 45 Jahre sind, dass ich in Deutsch-<br />
land lebe und arbeite. Übrigens 46 Jahre, seit ich meine Heimat<br />
Amerika verlassen und am 28. Juli 1962 meiner Mutter beim<br />
Abschied versprochen habe, spätestens bis Weihnachten nach<br />
Milwaukee zurückzukehren!<br />
Beinahe 40 Jahre bin ich <strong>Ballett</strong>direktor – am 1.12.1969<br />
fing ich in Frankfurt an. Es sind 35 Spielzeiten in Hamburg –<br />
inzwischen als Intendant und Geschäftsführer. Die <strong>Ballett</strong>schule<br />
feiert ihr 30-jähriges Jubiläum, und es ist 20 Jahre her, dass ich<br />
1988 das erste Mal den Deutschen Tanzpreis erhalten habe.<br />
Normalerweise bedeuten mir »Meilensteine« wie Geburtstage<br />
nicht viel. Zeitspannen habe ich eher gemessen oder mir<br />
gemerkt, in Daten von Premieren, d.h. »Geburtstage« von Kreationen,<br />
oder den Beginn einer lang geplanten, erhofften Tournee<br />
mit der eigenen Compagnie. Aber Jubiläen – besonders wenn<br />
sie sich so häufen – und die übrigens umso schneller kommen<br />
je älter man wird – verleiten dazu, zurück zu blicken, nachzudenken,<br />
Bilanz zu ziehen.<br />
Der Deutsche Tanzpreis – warum befinde ich mich heute überhaupt<br />
in Deutschland? Geboren und aufgewachsen bin ich in<br />
Amerika, ohne jemals daran zu denken, meine Heimat zu verlassen.<br />
12 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>
Ist es wirklich Zufall oder Fügung, dass ich schon einige Jahre,<br />
bevor ich zum ersten Mal nach Europa kam, zutiefst beeindruckt<br />
gewesen bin von dem <strong>Ballett</strong> »Antigone« – ausgerechnet<br />
von John Cranko – das ich während einer Tournee des Londoner<br />
Royal Ballet in Chicago sah. Zufall oder Fügung, dass ich nicht<br />
in die <strong>Ballett</strong>schule des Königlich-Dänischen <strong>Ballett</strong>s aufgenommen<br />
werden konnte, da<strong>für</strong> aber an die Royal <strong>Ballett</strong>schule in<br />
London, als ich ein letztes Studienjahr in Europa verbringen wollte<br />
– nicht zuletzt um europäische Kultur – vor allem die Malerei<br />
der italienischen Renaissance – näher kennen zu lernen.<br />
Zufall? Dass, obwohl die Pädagogin Vera Volkova in Kopenhagen,<br />
bei der ich das große Glück gehabt habe, in meiner<br />
Ferienzeit Privatunterricht zu erhalten, mich John Cranko bei seinem<br />
Besuch am Königlichen Theater vorgestellt hat, obwohl sie,<br />
Volkova, fest überzeugt war, dass ich zu George Balanchine<br />
nach New York zurückkehren müsste.<br />
War es wirklich der größte Zufall, dass Marcia Haydée und<br />
Ray Barra mich bei einem Mazurkaschritt im Frühling 1962 gesehen<br />
und mir danach eine Position in John Crankos neu begonnenem,<br />
aufregendem Stuttgarter <strong>Ballett</strong> angeboten haben?<br />
Und war es dann der letzte Zufall, dass Dame Ninette de Valois,<br />
damals Direktorin des Royal Ballet, die mich George Balan-<br />
chine persönlich empfohlen hatte, mir von seiner Reaktion zwei<br />
Monate zu spät berichtete und ich inzwischen meinen ersten<br />
Vertrag mit Stuttgart schon unterschrieben hatte? Es war entschieden!<br />
Ich ging nach Stuttgart, in eine Stadt, deren Namen ich<br />
noch nie zuvor gehört hatte. Wenn es denn wirklich Zufall war,<br />
habe ich mich dagegen gewehrt – denn im April 1963 schrieb<br />
ich an George Balanchine:<br />
»Lieber Mr. Balanchine, Sie kennen mich nicht, aber als Madame<br />
Ninette de Valois im vergangenen Frühling mit dem Royal<br />
Ballet in New York war, hat sie mich Ihnen empfohlen. Ich bin<br />
amerikanischer Staatsbürger, 20 Jahre alt, und war Schüler der<br />
Royal Ballet School London mit einem einjährigen Stipendium.<br />
Als Amerikaner kann ich nicht in England arbeiten, und Madame<br />
de Valois hat sich freundlicherweise angeboten, mit Ihnen<br />
über meine Zukunft zu sprechen. Erst jetzt habe ich erfahren,<br />
dass Sie doch bereit waren, mich anzusehen und mich danach<br />
evtl. in Ihre Schule oder Compagnie aufzunehmen. Ich bin sehr<br />
glücklich und dankbar <strong>für</strong> Ihr Angebot!<br />
Leider wartete Madame de Valois fast zwei Monate nach<br />
ihrer Rückkehr aus Amerika, um mir Ihr freundliches Angebot<br />
mitzuteilen. Inzwischen habe ich eine Position in John Crankos<br />
Stuttgarter <strong>Ballett</strong> angenommen, da ich ohne Geld nicht länger<br />
hätte studieren können.<br />
Aber mein Vertrag läuft nur bis zum 1. Juli 1964, und ich<br />
hoffe sehnlichst, dass, wenn ich nach New York zurückkehre, Ihr<br />
Angebot noch besteht.<br />
Mit Respekt und Dank, Ihr JN«<br />
Ich habe natürlich nie von George Balanchine gehört, und eine<br />
der wenigen Verletzungen meiner Tänzerkarriere hat mich daran<br />
gehindert, mich nach der ersten Stuttgarter Saison beim New<br />
York City Ballet vorzustellen und Balanchine an sein Angebot zu<br />
erinnern. Zufall?<br />
Die erste Zeit in Stuttgart war aufregend. Ich versuchte schnell<br />
Deutsch zu lernen – und versuche es immer noch – obwohl ich<br />
John Crankos Vorschlag, meinen Vornamen »John« in »Hans« umzuändern,<br />
um ganz deutsch zu scheinen, nach reiflicher Überlegung<br />
(Gott sei Dank!) abgelehnt habe!<br />
Die kreative und praktische handwerkliche Arbeit mit John<br />
Cranko war lehrreich. Schon in Amerika hatte ich angefangen<br />
zu choreographieren – ja, so lange ich denken kann, beinhaltete<br />
Tanz <strong>für</strong> mich in erster Linie Kreativität. Aber die Menschen,<br />
mit denen ich zusammenarbeiten konnte, inspirierten mich erneut<br />
zu meiner wirklichen Berufung, Choreograph zu sein: Marcia,<br />
Crankos wirkliche Muse, vor allem, aber auch die Tänzer, die<br />
an meine eigene schöpferische Vision geglaubt und mit mir daran<br />
gearbeitet haben: zuerst Marianne Kruuse, Truman Finney,<br />
Max Midinet, und später wurde einer meiner »Entdecker«, der<br />
Stuttgarter Star-Tänzer Ray Barra, als <strong>Ballett</strong>meister unendlich<br />
wichtig <strong>für</strong> mich, als ich viel früher, als es jeder erwartet hätte,<br />
Direktor meines eigenen Ensembles in Frankfurt wurde.<br />
Zufall wurde zur Aufgabe, Aufgabe zu freudiger Herausforderung,<br />
als ich von Intendant Ulrich Erfurt berufen wurde, eine<br />
Compagnie von 28 Tänzern <strong>für</strong> die Oper in Frankfurt im Dezember<br />
1969 zu übernehmen. Die Zufälle, die in meiner Entwicklung<br />
als Künstler in dieser sehr kreativen Frankfurter Zeit eine<br />
wichtige Rolle gespielt haben, sind zu viele, um sie alle hier<br />
aufzuzählen.<br />
Man denke nur an das aus Vorstellungsnot erfundene, von<br />
mir als Sujet und Musik zuerst gehasste »Nussknacker«-<strong>Ballett</strong> –<br />
inzwischen meine Huldigung an das Klassische <strong>Ballett</strong> und ein<br />
Blick in meine Autobiographie – das mehrere hundert Vorstellungen<br />
in verschiedenen Compagnien und in aller Welt erlebt hat.<br />
Durch den Zufall »Stuttgart« begegnete ich Jürgen Rose, der zum<br />
<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 13
Freund und als Kostüm- und Bühnenbildner zentraler Partner bei<br />
vielen Kreationen wurde.<br />
Ich wusste nicht, wer August Everding war, als eine liebe<br />
Opernsekretärin (ich hatte damals keine eigene!) mir von seinem<br />
Wunsch, mich kennen zu lernen berichtete. Ich war sehr streng,<br />
absolut und jung-mutig konsequent in meinen Bedingungen über<br />
die Möglichkeit, meine geliebte erste Compagnie in Hamburg<br />
weiter zu entwickeln. Ich war aber letztendlich überzeugt, dass<br />
meine Vision von einem humanen <strong>Ballett</strong>-Theater, in dem – ob traditionelles<br />
Handlungsballett oder Neuschöpfung – der Mensch<br />
im Mittelpunkt steht, größeren Raum braucht. »Schwanensee«<br />
wäre in Frankfurt unmöglich zu verwirklichen gewesen.<br />
Ich wollte ein »Dornröschen« auf der Bühne sehen, dem ich<br />
trotz Virtuosität glauben könnte. Figuren der Weltliteratur wollte<br />
ich durch Bewegung dreidimensional gestalten, wollte neue Formen<br />
<strong>für</strong> einen <strong>Ballett</strong>abend finden, ein intelligentes, ein emotional<br />
sensibles Ensemble schaffen, erziehen und entwickeln.<br />
Menschen waren – und sind Gott sei Dank immer noch – mein<br />
geliebtes »Arbeitsmaterial«. Ich <strong>für</strong>chte, einige, die mir in Erinnerung<br />
kommen, zu nennen, aus Angst, andere zu vergessen und<br />
zu verletzen. Denn ich glaubte und glaube immer noch an das,<br />
was man Ensemble nennt: eine Gruppe von unterschiedlichen,<br />
individuellen, starken Persönlichkeiten, die mit Kraft, Können und<br />
Demut <strong>für</strong> das eine arbeiten: <strong>für</strong> die Kreation – das <strong>Ballett</strong> – das<br />
daraus entstehende Werk ist das Wichtigste.<br />
Trotzdem, einige meiner wichtigsten Arbeiten wären nicht<br />
ohne die schon erwähnte Marianne Kruuse, ohne Persephone<br />
Samaropoulo, Beatrice Cordua, François Klaus, Kevin Haigen,<br />
Egon Madsen, Gigi Hyatt, Violette Verdy, Ivan Liška, Gamal<br />
Gouda, Natalia Makarova oder Marcia Haydée, entstanden<br />
– ja, die Liste könnte noch viel länger sein.<br />
Interessanterweise habe ich damals niemals daran gedacht,<br />
eine »deutsche« Compagnie aufzubauen. Ich bin und bleibe<br />
Amerikaner und der Anfang unseres heutigen Programms mit<br />
»Yondering« zu der bewegenden volkstümlichen Musik von Stephen<br />
Foster, oder George Gershwins »I got rhythm variations«,<br />
zeugen – glaube ich – von meiner wahren Herkunft.<br />
Es war in Tokio, beim ersten Gastspiel des HAMBURG BAL-<br />
LETT im Jahre 1986, als ich nach der Premiere eine Rede halten<br />
musste und da<strong>für</strong> zwischen den Flaggen Deutschlands und<br />
Japans stand – die Flaggen, die ich auf einmal erkannt habe<br />
als die der zwei »Erzfeinde« meiner Kindheit! Ich war auf einmal<br />
tief bewegt, als Amerikaner dieses internationale, deutsche<br />
Ensemble präsentieren zu dürfen als Botschafter <strong>für</strong> Versöhnung<br />
und Frieden. Auf einmal bemerkte ich, wie weit ein Zufall – oder<br />
mehrere Zufälle – mich gebracht hatten. Und mich hoffentlich<br />
heute noch weiter bringen.<br />
Wenn man vom Zufall spricht – war es wirklich Zufall, dass<br />
1975 wir beide, der berühmte französische Choreograph Maurice<br />
Béjart und ich, sich entschieden hatten, die »Dritte Sinfonie<br />
von Gustav Mahler« zu choreographieren, und wie wunderbar,<br />
dass ich durch diesen Zufall die Möglichkeit erhielt, ein großes<br />
Vorbild und eine große Inspiration <strong>für</strong> mich, Maurice, kennen<br />
zu lernen, als ich sein Ballet du XXe Siècle zu unseren Ersten<br />
Hamburger <strong>Ballett</strong>-Tagen als Alternative zu meinem ersten sinfonischen<br />
Werk eingeladen habe. Es war aber sicherlich kein<br />
Zufall, wie unsere Freundschaft wuchs und über die Jahre immer<br />
tiefer wurde – und Krönung dieser Freundschaft war seine fantastische<br />
und tief bewegende Kreation »Die Stühle« <strong>für</strong> Marcia<br />
Haydée und mich. Bei der Tanzpreis-Verleihung vor 20 Jahren<br />
war ich stolz und glücklich, dass Maurice Béjart die Laudatio<br />
<strong>für</strong> mich gehalten hat. Und ist es Fügung, dass Marcia Haydée,<br />
meine »Semiramis«, Partnerin in »Die Stühle«, heute die Laudatio<br />
gehalten hat? Den Verlust dieses Freundes und großen Künstlers<br />
betrauere ich sehr – sicher wie wir alle – und der letzte Beitrag<br />
des heutigen Programms ist bewusst und mit Liebe Maurice gewidmet.<br />
Ja, Jubiläen verleiten dazu, nachzudenken. Nach 70 Premieren,<br />
Tourneen in mehr als 100 Gastspielorten in 28 Ländern,<br />
in denen das HAMBURG BALLETT nahezu 800 Vorstellungen<br />
getanzt hat, mehr als 175 <strong>Ballett</strong>-Werkstätten, nachdem eine<br />
Schule gegründet, ein einmaliges <strong>Ballett</strong>zentrum errichtet, eine<br />
wissenschaftliche <strong>Ballett</strong>stiftung ins Leben gerufen wurden, während<br />
»mein« HAMBURG BALLETT von September 1973 bis heute<br />
etwa 3600 Vorstellungen getanzt hat, ist die Reise noch nicht zu<br />
Ende. Inzwischen besitze ich auch die deutsche Staatsbürger-<br />
schaft, (und freute mich, am letzten Sonntag zum ersten Mal an<br />
einer Wahl in meiner Wahlheimat Hamburg teilzunehmen!)<br />
Manchmal, wenn man von Zufall spricht, scheint es etwas<br />
von »Glücksspiel« zu haben, oberflächlich zu sein. In meinem<br />
Fall – wenn es wirklich Zufall wäre – war es glücklicherweise<br />
ernsthaft: Meine zufällige Zeit, mein zufälliger Aufenthalt in<br />
Deutschland bedeutet die Realisierung einer ernsten Berufung,<br />
die durch Akzeptanz, Verständnis, Aufgabe, Inspiration, Kritik,<br />
Enttäuschung, Freude, Herausforderung und Verantwortung und<br />
immer wieder Neugier zum wirklichen Inhalt meines aus polnisch-deutscher<br />
Herkunft stammenden amerikanisch-deutschen<br />
(or whatever) Lebens zu sein.<br />
Ich bin tief bewegt und stolz, diesen Deutschen Jubiläums-<br />
Tanzpreis entgegenzunehmen.<br />
Danke. ■<br />
14 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>
NRZ vom 3.3.<strong>2008</strong><br />
Der Deutsche Jubiläums-Tanzpreis <strong>2008</strong><br />
im Spiegel der Presse<br />
www.tanznetz.de<br />
<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 15
Jedes Jahr ist die Verleihung des Deutschen Tanzpreises in Essen nicht nur ein herausragendes Kultur-<br />
Die Hamburger Kultursenatorin Prof. Dr. Karin von Welck<br />
beglückwünscht John Neumeier<br />
Prof. Lutz Förster (links), Leiter des Studiengangs Tanz an der Folkwang-Hochschule, und<br />
Prof. Dr. Oliver Scheytt, Geschäftsführer der Kulturhauptstadt Ruhr.2001 GmbH<br />
Elke Holle-Riemenschneider, ehemalige Solistin des Stuttgarter <strong>Ballett</strong>s, mit ihrem Gatten<br />
Heinrich und John Neumeier<br />
Xin Peng Wang (links, <strong>Ballett</strong>direktor Dortmund), Traudl Kuppe-Loew im Gespräch mit<br />
Frank-Manuel Peter (Deutsches Tanzarchiv Köln)<br />
Ivan Liška, <strong>Ballett</strong>direktor des Bayerischen Staatsballetts,<br />
und Bernd Schindowski, <strong>Ballett</strong>intendant Gelsenkirchen<br />
Christine und Siegfried Maruhn im Gespräch mit Wulf<br />
Mämpel (Mitte), drei langjährige Freunde und Unterstützer<br />
des Deutschen Tanzpreises<br />
16 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>
ereignis, sondern auch ein Familientreffen <strong>für</strong> die Freunde und Förderer des <strong>Ballett</strong>s in Deutschland.<br />
Tanzpreisträger Horst Koegler mit Roland Gawlik<br />
(<strong>Ballett</strong>direktor Friedrichstadtpalast Berlin)<br />
Frank Andersen, Direktor des Royal Danish Ballet, und Heinz Spoerli, <strong>Ballett</strong>direktor<br />
des Züricher <strong>Ballett</strong>s<br />
Roberto Bolle im Gespräche mit dem Träger des Deutschen Jubiläums-Tanzpreises<br />
John Neumeier<br />
Die Tanzpreisträger Hans Herdlein (vorne) und Philippe Braunschweig im<br />
Gespräch mit Rainer Woihsyk (Noverre Gesellschaft Stuttgart)<br />
John Neumeier, Ulrich Roehm und Uschi Ziegler, Schulleiterin der <strong>Ballett</strong>schule<br />
des Hamburg <strong>Ballett</strong> und Trägerin des Ehrenpreises des DBfT 2007,<br />
im Gespräch mit Studierenden der Hamburger Schule<br />
Die langjährige Primaballerina des Stuttgarter <strong>Ballett</strong>s und Tanzpreisträgerin<br />
1998, Birgit Keil, mit Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert<br />
<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 17
18<br />
WAZ vom 3.3.<strong>2008</strong><br />
WAZ vom 3.3.<strong>2008</strong>
»Man muss auf der Bühne<br />
etwas zu sagen haben!«<br />
Dietmar Seyffert über seinen Weg zum<br />
Tänzer, Choreographen und Pädagogen<br />
Das Gespräch führte Volkmar Draeger<br />
Volkmar Draeger: Wenn Sie am 7. April Ihren 65. Geburtstag<br />
feiern, liegen 48 Jahre Berufsleben <strong>für</strong> den Tanz hinter Ihnen.<br />
Woran denken Sie besonders gern?<br />
Dietmar Seyffert: An den Spaß beim Choreographieren und<br />
auf meinen privaten Segeltörns. Auf See fühlt man sich ganz<br />
klein gegenüber der Natur, schraubt sich auf ein reales Maß<br />
zurück. Das gibt Kraft und Ausgeglichenheit. Gern denke ich<br />
auch an die Gespräche mit Palucca. Worauf ich stolz bin: Zwei<br />
Kinder groß gezogen zu haben.<br />
Was waren prägende Erlebnisse?<br />
In der Ausbildung die unglaublich guten Improvisationsstunden<br />
bei Palucca. Später als Tänzer habe ich mich nie so recht<br />
wohl gefühlt, vielleicht als Romeo in Grita Krätkes Fernseh-Tanzpoem<br />
»Romeo, Julia und die Finsternis« oder als Halbstarker in<br />
dem erfolgreichen DEFA-Musikfilm »Hochzeitsnacht im Regen«.<br />
Das morgendliche Training empfand ich immer als Strafe, erst<br />
gegen Ende der Stunde fand man seine Bestätigung.<br />
Gab es dennoch auch wichtige Erfahrungen?<br />
An der Berliner Staatsoper in »Spartacus« getanzt zu haben<br />
oder den Hilarion unter unserer damaligen <strong>Ballett</strong>chefin Lilo Gruber.<br />
Sie ließ uns viel gestalterische Freiheit, das gefiel mir – und<br />
ihr im Ergebnis dann auch. Ziemlich früh habe ich erkannt, dass<br />
Talent nur zu maximal 15 Prozent und allenfalls <strong>für</strong> die ersten<br />
drei Jahre den Erfolg ausmacht. Dann zählen nur noch physische<br />
Arbeit und Willenskraft. Dass man heute auf der Bühne so viele<br />
gute Techniker, aber so selten Persönlichkeiten sieht, bedaure<br />
ich.<br />
Wie kamen Sie zur Choreographie?<br />
Vielleicht sollte ich erst erzählen, wie ich zum Tanz kam: Als<br />
Sudeten-deutsches Flüchtlingskind verschlug es mich mit der Familie<br />
nach Limbach bei Chemnitz. Vater als Ex-NSDAP-Funktionär<br />
kam ins Umerziehungslager und floh in die Westsektoren,<br />
Mutter schälte bei den Russen Kartoffeln und fand <strong>für</strong> mich eine<br />
Uhrmacherlehre. Eine Lehrerin empfahl allerdings die Palucca-<br />
Schule, weil man dort nichts bezahlen musste. Allein, in Turnhose<br />
und barfuß, kam ich mit 13 zur Eignungsprüfung nach Dresden,<br />
fiel, da ohne jede Vorbildung, in Klassisch glatt durch. Tanze,<br />
was du willst, ermunterte mich Palucca beim Modern-Test. Ich<br />
kann gar nicht tanzen, das will ich ja hier erst lernen, lautete<br />
meine Antwort. Dann beweg’ dich einfach! So nahm ich eine<br />
<strong>Ballett</strong>stange, drosch drauflos und behauptete, das sei Bauernkrieg,<br />
weil wir den gerade in der Schule behandelt hatten.<br />
Da ist was dran, war Paluccas Urteil, und gegen alle anderen<br />
Pädagogen behielt sie mich <strong>für</strong> ein Probejahr. Und weil ich im<br />
zweiten Ausbildungsjahr noch immer kein <strong>Ballett</strong> gesehen hatte,<br />
schickte sie mich zur »Strafe« in jede <strong>Ballett</strong>vorstellung der Oper,<br />
damals gerade die Schilling-Ära, natürlich Stehplatz. Auf drei<br />
Seiten musste ich über die Aufführung dann berichten. Das gute<br />
Essen, die Mädchen und der Unterricht bei Palucca gefielen<br />
mir sehr, und auch in Klassisch strengte ich mich bald mehr an.<br />
Wenn Gäste in die Schule kamen, also ziemlich oft, ließ mich<br />
Palucca aus dem Theorieunterricht holen, damit ich mit den anderen,<br />
manchmal sogar mit ihr allein vorimprovisierte. Für meine<br />
Bewegungsfantasie bekam ich als Student immer wieder Lob.<br />
Zu meinem 50. Geburtstag schenkte sie mir Faksimiles ihrer Tagebuchnotizen<br />
über mich. Was ich bei ihr auch lernte: Beim<br />
Choreographieren zuerst die Schlussidee zu entwickeln und zu<br />
stellen, damit man das Ziel kennt, auf das man konsequent hin<br />
arbeiten muss. Die Palucca-Schule: Meine schönste Zeit.<br />
Zur Choreographie kam ich eher über Widerstände. Mit 21,<br />
als Tänzer in der Berliner Staatsoper, entwarf ich <strong>für</strong> eine Gruppe<br />
Gleichgesinnter kleine Stücke. Lilo Gruber fand das unmöglich,<br />
verbot einzelne Tänze, ließ uns sonst gewähren. Für eine der<br />
ersten Choreographien gewann ich den Nachwuchspreis beim<br />
DDR-<strong>Ballett</strong>wettbewerb, damals noch in der Berliner Volksbühne,<br />
später dann dreimal hintereinander den 1. Preis, bis ich von der<br />
Teilnahme ausgeschlossen wurde.<br />
Auch privat war ich auf Widerstand abonniert, beispielsweise<br />
gegen den abgehauenen Vater. Mit 14 trat ich der FDJ bei,<br />
1966 drehte das DDR-Fernsehen mit Dietmar Seyffert in der Hauptrolle den<br />
Film »Prometheus« (Foto: Privatarchiv Dietmar Seyffert)<br />
mit 18 freiwillig der SED – das gesamte Ensemble hielt mich <strong>für</strong><br />
bekloppt. Ich glaubte, etwas verändern zu können. Erste Zweifel<br />
fingen 1973 an, als ich nicht aus der Kirche austreten wollte.<br />
Ich war damals fast fanatisch gläubig, wurde dann ein ebenso<br />
überzeugter Kommunist. Nach dem Einmarsch der russischen<br />
Truppen in Prag schrieb ich einen Protestbrief, ab 1983 wurde<br />
ich quasi zur persona non grata. Man beließ mich dennoch in<br />
allen Funktionen, darunter Vorsitzender der Sektion Tanz im Theaterverband<br />
der DDR, Präsident Tanz im <strong>Intern</strong>ationalen Theaterinstitut<br />
der UNESCO.<br />
Sie galten immer als eine Art junger Wilder. Ich erinnere mich<br />
an erregte Debatten über Ihren Dreiteiler »Der neue Don Quixote«<br />
1987 in Leipzig...<br />
Ich wollte die Welt zeigen, wie sie ist. In der erwähnten Inszenierung<br />
gab es Frauen an Fleischhaken, wie bei der Fleischbeschau,<br />
auch schon einen Schauspieler. Sechs Pauker des<br />
Gewandhauses spielten. Der Intendant verbot das Stück, das<br />
<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 19
Ensemble verfasste einen Solidaritätsbrief. Erst das Argument, es<br />
gehe nicht um die DDR, sondern um Kapitalismuskritik, machte<br />
insgesamt vier Aufführungen möglich. Auch das Recht, »Le Sacre<br />
du Printemps« zu inszenieren, presste ich dem Intendanten ab.<br />
Elf Jahre war ich Choreograph in Leipzig, acht davon parallel<br />
an der Staatsoper Unter den Linden, bis ich körperlich, psychisch<br />
und kreativ total erschöpft war. Für Berlin choreographierte ich<br />
auch »Die Glocke«: Russland war darin die durchsichtige Mutterglocke,<br />
unter der es brodelt und die auseinander bricht. Ich wollte<br />
zeigen, wie Menschen an ihrer Revolution verbrennen. Empörte<br />
Leserbriefe im »Neuen Deutschland« erzwangen eine Absetzung<br />
des Stücks, wiewohl ich im Osten überwiegend Verrisse erntete,<br />
während ich im Westen gelobt wurde. So kam es zu meiner<br />
internationalen Karriere, die mich bis heute in 35 Länder führte,<br />
auch nach Neu-Delhi, Kalkutta, zum Taj-Mahal-Festival in Agra,<br />
nach Kairo, wo meine Viereinhalb-Stunden-Show »1000 Jahre<br />
Kairo« sechs Jahre ausverkauft lief. Mit 27 hatte man mich auf<br />
zwei Jahre nach Ägypten delegiert, dort lernte ich auch Arabisch<br />
und beschäftigte mich mit dem Koran. Für Mexiko City entstanden<br />
zum Cervantes-Festival ein neuer »Sacre« und ein Stück über<br />
1992: »Kleistiana« – ein Tanztheater in drei Akten, Choreographie Dietmar<br />
Seyffert, stehend im Hintergrund Gregor Seyffert, <strong>Deutscher</strong> Tanzpreis<br />
2003 (Foto: Annette Höfer)<br />
indianische Historie, beides lief live im Fernsehen. So ab 1985<br />
merkte ich, dass der Kommunismus eine glänzende, aber nicht<br />
durchsetzbare Idee war. Heute gefällt mir der Buddhismus am<br />
besten, das göttliche Moment in sich zu finden. Für die Bühne<br />
gilt: Man muss etwas zu sagen haben!<br />
Gerade <strong>für</strong> Ihre modernen Beiträge gewannen Sie bei großen<br />
<strong>Ballett</strong>wettbewerben viele Preise. Kam so die spektakuläre Zusammenarbeit<br />
mit Ihrem Sohn Gregor zustande?<br />
Was er an der Komischen Oper zu tanzen hatte, reichte nicht<br />
<strong>für</strong> eine internationale Karriere. Ich wollte ihn fördern, auch durch<br />
Sprechunterricht. »Back Home« als Kriegsheimkehrerdrama hieß<br />
einer der ersten Wettbewerbserfolge. »Clown Gottes«, das Solo<br />
um Nijinsky, mit dem er noch heute weltweit tourt, schenkte ich<br />
ihm zum Geburtstag, Uraufführung im Berliner Hebbel-Theater.<br />
Als das Stück ins Repertoire der Komischen Oper überging, entstand<br />
als zweiter Teil »Wölfe«, eine Zeitkritik. Ich bin stolz darauf,<br />
dass Gregor heute selbst choreographiert und so vielseitig ist.<br />
Weshalb sieht man von Ihnen kein Stück mehr auf deutschen<br />
Bühnen?<br />
Noch nach der Wende habe ich viel in Deutschland gearbeitet.<br />
Vor neun Jahren erlitt ich an der Deutschen Oper Berlin<br />
meinen größten Misserfolg. Möglicherweise war das Stück nicht<br />
gut, obgleich es bei der Uraufführung in San Francisco als bestes<br />
Antikriegsstück seit »Der Grüne Tisch« gefeiert worden war.<br />
In Berlin drosch die Kritik erbarmungslos auf mich ein, wollte<br />
wohl den Ost-Dino mal so richtig abwatschen. Ich verstand die<br />
Welt nicht mehr und arbeite seither nicht mehr in Deutschland.<br />
Vielleicht eine Überreaktion.<br />
Was war der Anlass, das in Europa einzigartige Choreographie-Studium<br />
in Berlin einzurichten?<br />
Es gab <strong>für</strong> die vielen Ensembles der DDR zu wenige Choreographen<br />
und auch keine Valuta, um Ausländer einzukaufen.<br />
Mein Vorschlag, einen Diplom-Studiengang<br />
<strong>für</strong> die eigenen Ressourcen einzurichten,<br />
stieß beim Kulturministerium auf offene Ohren.<br />
Man berief mich zum Professor und gab<br />
mir, neben meiner Tätigkeit an der Leipziger<br />
Oper, ein Jahr Zeit, die Lehrpläne auszuarbeiten.<br />
Ich selbst hatte ja ein vierjähriges<br />
Choreographie- und Psychologiestudium in<br />
Leipzig und eine zweijährige Aspirantur im<br />
damaligen Leningrad absolviert. Gewünscht<br />
war die Anbindung des Studiums an die Berliner<br />
<strong>Ballett</strong>schule. Mir schien aber die Schauspielschule<br />
der richtige Platz, weil dort die<br />
Studenten mit angehenden Schauspielern,<br />
Regisseuren, Dramaturgen in Berührung kommen.<br />
Unsere Studenten bekamen Unterricht<br />
in Regie und Szenenstudium, im Gegenzug<br />
vermittelten wir den Schauspiel- und Regiestudenten<br />
etwa Raumlehre, Umgang mit Gestik<br />
und theatraler Zeit.<br />
Was wurde in Ihrem Studiengang noch gelehrt?<br />
Insgesamt gab es über vier Jahre verteilt 27 Fächer, vom täglichen<br />
Training über Raum- und Bewegungslehre, Bewegungskomposition,<br />
Inszenierungsmethodik und choreographischen<br />
Einzelunterricht bis zu Anatomie, Biorhythmik, Sprecherziehung,<br />
Bühnenbild/Kostüm, Lichtdesign. Eine breit gefächerte Ausbildung,<br />
die auf alle Einsatzgebiete vorbereiten sollte, ob Theater,<br />
freie Szene, Show, Zirkus oder Eisrevue. Das Handwerk ist überall<br />
das gleiche. Schließlich hat auch Balanchine <strong>für</strong> Elefanten<br />
und Spoerli <strong>für</strong> Reitpferde in der Manege choreographiert. Viele<br />
Eiskunstlaufpaare der DDR errangen mit Choreographien von mir<br />
Weltmeistertitel, und mir hat dieser Ausgleich Spaß gemacht. Von<br />
den 15 Bewerbern <strong>für</strong> den ersten Studiengang, der nur jedes<br />
zweite Jahr immatrikulierte, habe ich damals fünf genommen. In<br />
den vergangenen zwei Jahrzehnten haben rund 50 Absolventen<br />
unsere Schule verlassen, viele besetzen Chefpositionen in Theatern,<br />
wie der hochbegabte Mario Schröder in Kiel, andere arbeiten<br />
in der freien Szene, wie Christoph Winkler oder Sven Sören<br />
Beyer, oder im eigenen Cabaret wie Sylvia Schmidt. Von den 40<br />
Prozent Ausländern arbeiten heute viele in ihren Heimatländern.<br />
20 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>
Als Bilanz gefragt: Ist Choreographie lehrbar?<br />
Als Handwerk ja, und durch methodisches Herangehen kann man<br />
vorhandene Kreativität schulen und erweitern. Talent selbst hat man<br />
oder eben nicht. Frühzeitig habe ich übrigens erkannt, dass Lehre und<br />
Forschung eng zusammengehören. So entstanden im Lauf der Zeit 71<br />
Lehrbriefe zur Choreographie – die Quintessenz meiner langjährigen<br />
Erfahrung. Konflikt und Harmonie, Synchronismus und Asynchronismus,<br />
Raumlehre als dynamischer Prozess, wie stellt man Allegorien dar, wie<br />
übersetzt man Bewegung aus dem Alltag künstlerisch in den theatralen<br />
Alltag, so lauten einige der darin behandelten Themen.<br />
Mit Selbstauslöser fotografiert: Dietmar Seyffert beim<br />
Einhandsegeln auf seiner Jacht »Palucca« auf dem Weg<br />
nach Norwegen. Gret Palucca (Trägerin des Deutschen<br />
Tanzpreises 1993) hatte die Yacht selbst getauft.<br />
Vor anderthalb Jahren<br />
wurde der letzte<br />
Studiengang immatrikuliert.<br />
Deren jüngste<br />
choreographische<br />
Präsentation war von<br />
erschreckend niedrigem<br />
Niveau. Haben<br />
sich die Ausbildungsziele<br />
geändert?<br />
Lange und rechtzeitig<br />
habe ich mich um<br />
einen Nachfolger bemüht.<br />
Derzeit bin ich<br />
nur noch Vorsitzender<br />
der Prüfungskommission<br />
und Mentor, falls<br />
Studenten mich darum<br />
bitten. Ingo Reulecke,<br />
auch er unser Absolvent,<br />
hat als neuer Leiter<br />
des Studiengangs<br />
eine andere Auffassung<br />
davon, was ein<br />
Künstler heute können soll. Es scheint mir daher nicht nur logisch, dass<br />
mit meinem Ausscheiden der von mir begründete Studiengang ausläuft.<br />
Vielmehr bin ich froh, mit dem in der Nachfolge geplanten Master-Studiengang<br />
nichts mehr zu tun zu haben und keinerlei Verantwortung da<strong>für</strong><br />
zu tragen. Während überall in der Gesellschaft die Bedeutung von Choreographie<br />
wächst, ob im Management über Gestensprache, im Sport,<br />
bei der Selbstinszenierung in der Politik, verengt – soweit ich das überblicke<br />
– jenes Master-Studium den Begriff Choreographie eklatant, statt<br />
ihn zu erweitern. Ob dieser neue Studiengang meine Lehrbriefe möchte,<br />
befindet sich noch in Klärung. Angebote aus Russland und England sind<br />
da schon konkreter.<br />
Zieht sich Dietmar Seyffert nun resigniert aufs Altenteil zurück?<br />
Überhaupt nicht. Im April choreographiere ich am Nationaltheater<br />
Prag, arbeite als Juror in Perm, gebe zuvor ein choreographisches Seminar<br />
an der GITIS in Moskau; ähnliche Seminare folgen 2009 in San<br />
Antonio in den USA, 2010 im kanadischen Victoria, wo ich gleichzeitig<br />
mit Studenten Brechts »Die Rundköpfe und die Spitzköpfe« inszeniere.<br />
Im Oktober erscheint in Russland mein Lehrbuch über <strong>Tanzpädagogik</strong>,<br />
Interesse an einer englischen Ausgabe liegt vor; gegenwärtig schreibe<br />
ich gemeinsam mit Enno Markwart an einem Band über Fantasie und<br />
Kreativität in der Bewegungsfindung. Im November beginne ich eine<br />
Tanztheaterproduktion vom »Kaukasischen Kreidekreis« in der kambodschanischen<br />
Hauptstadt Phnom Penh, ab 2009 gibt es Angebote aus<br />
Russland, der Ukraine, den USA und aus Chile. Bis dahin aber sollte<br />
ich mit meiner Segeljacht mindestens zweieinhalb Monate pro Jahr die<br />
Meere durchpflügen. ■<br />
»Faust«, der Zweite<br />
Verleihung des Deutschen<br />
Theaterpreises<br />
Von Vesna Mlakar<br />
Das spontane Eingeständnis von Regisseurin Doris Dörrie,<br />
sie habe sich bereits in den ersten Minuten dieser<br />
Veranstaltung am 23. November 2007 im Prinzregententheater<br />
besser amüsiert als bei jeder Filmpreisverleihung,<br />
war ein großartiges, allgemein nachvollziehbares<br />
Kompliment. Das famose Moderatorenduo Peter<br />
Jordan und Bernd Moss – beide junge »alte« Schauspielerhasen<br />
am Hamburger Thalia Theater und den<br />
Münchner Kammerspielen – sorgten <strong>für</strong> den witzig-reibungslosen<br />
Ablauf des offiziellen Teils, wobei sie sich<br />
augenzwinkernd immer wieder die verbalen Bälle zuwarfen,<br />
um stets in die Klage darüber auszubrechen,<br />
nicht selbst Preisträger zu sein. Allein bei der Sparte<br />
Tanz gestanden sie ein, dieser so schwer fassbaren<br />
Kunst nicht mächtig zu sein.<br />
Die Idee einer Gesamtschau aller Bühnenkünste<br />
beim erst zum zweiten Mal vergebenen Deutschen<br />
Theaterpreis »Faust« ist lobenswert: In zehn Kategorien<br />
waren 24 Regisseure, Sänger, Schauspieler,<br />
Tänzer, Choreographen und Ausstatter nominiert. Auf<br />
kurze Ansprachen der Laudatoren folgte das Oscarähnliche<br />
Öffnen der versiegelten Umschläge mit den<br />
Gewinnernamen. Als die Kategorie »Beste Choreographie«<br />
an der Reihe war, erinnerte der ehemalige<br />
Präsident der Stiftung Weimarer Klassik und Tanzenthusiast<br />
Bernd Kauffmann an den unlängst verstorbenen<br />
Meisterchoreographen Maurice Béjart und überreichte<br />
den »Faust« in dessen Metier (vor den Kollegen<br />
Marguerite Donlon und Marco Goecke) an Stephan<br />
Thoss vom Städtischen Theater Chemnitz <strong>für</strong> »Giselle<br />
M.«. Obwohl dieser sich entschuldigte, das Sprechen<br />
sei nicht sein Gebiet, weshalb er wohl choreographiere,<br />
bedankte er sich mit wohlgesetzten Worten<br />
bei all jenen, die ihn zum »Denken in Bewegung«<br />
gebracht haben.<br />
Die beste darstellerische Leistung im Tanzbereich<br />
wurde vom operationsgeschwächten Primoballerino<br />
Vladimir Malakhov, <strong>Ballett</strong>direktor in Berlin, in warmen<br />
englischen Worten gewürdigt: Nicht Tigran Mikayelyan<br />
vom Bayerischen Staatsballett oder Edvin Revazov<br />
vom Hamburg <strong>Ballett</strong>, sondern Katja Wünsche vom<br />
Stuttgarter <strong>Ballett</strong> erhielt den »Faust« <strong>für</strong> die weibliche<br />
Hauptrolle in Maurizio Bigonzettis »I Fratelli«.<br />
Nimmt man noch das etwas befremdliche Kreischen<br />
der als Sängerin sich langbeinig neben ihrem<br />
Musikpartner Roland Jaeger im Rampenlicht wiegenden<br />
Schauspielerin Johanna Wokalek und das extrem<br />
eindrucksvolle Tanzsolo »Äffi« (Marco Goecke) des<br />
Stuttgarter Solisten und letztjährigen »Faust«-Preisträgers<br />
Marijn Rademaker hinzu, handelte es sich um einen<br />
insgesamt sehr bunten, nichtsdestoweniger höchst<br />
informativen und zugleich niveauvoll-unterhaltsamen<br />
Abend. Ohne Berührungsängste zwischen Künstlern<br />
und »Fußvolk« ging die Feier noch die halbe Nacht in<br />
den Foyers und im Lokal des Theaters munter weiter.■<br />
<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 21
Die Metamorphosen<br />
des Prix de Lausanne<br />
Der 36. Prix de Lausanne macht<br />
zukunftweisende Schritte<br />
Von Sylvia Garcia<br />
Der Prix de Lausanne hört nicht auf sich zu<br />
verwandeln. Er ist der alte in Bezug auf seine<br />
Ziele, dennoch sichtbar erneuert, wo es<br />
um Vorbereitungen und Abläufe geht. Vor<br />
allem hat man die Türen weit geöffnet <strong>für</strong><br />
ein interessiertes Publikum, das vom Balkon<br />
des Théâtre de Beaulieu aus sämtliche Prüfungen<br />
verfolgen konnte. Eine Brücke zu<br />
schlagen zwischen klassischem <strong>Ballett</strong> und<br />
moderner Tanztechnik und Vorurteile abzubauen,<br />
ist ein Anliegen von Samuel Würsten,<br />
Mitglied des künstlerischen Komitees,<br />
der seit 1997 Unterricht <strong>für</strong> Modernen Tanz<br />
am Prix de Lausanne erteilt. Es ist ihm besonderes<br />
wichtig, dass <strong>für</strong> Tänzerinnen und<br />
Tänzer, die hier erstmals mit Modernem<br />
Tanz konfrontiert werden, diese Erfahrung<br />
positiv ist. Der Prix hat sich in den über dreieinhalb<br />
Jahrzehnten seines Bestehens immer<br />
mit dem Tanz zusammen weiterentwickelt. Ein bedeutender<br />
Schritt <strong>für</strong> den Wettbewerb ist es, dass die modernen Choreographien,<br />
die zum Pflichtpensum gehören, gleichwertig zu den<br />
klassischen Komponenten beurteilt werden.<br />
In den vergangenen Jahren war die fernöstliche Dominanz<br />
enorm. Japan, China und Korea stellten mehr als die Hälfte der<br />
Teilnehmer. In diesem Jahr waren die 22 Nationalitäten bunt gemischt.<br />
Spanien, Norwegen, Schweden, Ungarn, Großbritannien,<br />
Brasilien, USA, Australien, Philippinen, Japan, Korea und<br />
die Schweiz waren im Finale vertreten. 52 Mädchen und 22<br />
Jungen waren anhand von DVD Aufzeichnungen nach Lausanne<br />
eingeladen worden, darunter erstaunliche Talente aus Brasilien.<br />
Erstmals hat man altersmäßig unterschieden zwischen den 15-<br />
bis 16- und den 17- bis 18-Jährigen. Ein kluger Beschluss, da<br />
sich in diesen Jahren eine Reife in der Entwicklung entscheidend<br />
manifestiert. Für die Juroren war es eine Ausdauerleistung, alle<br />
74 Teilnehmer in ihrer klassischen und modernen Variation zu<br />
beurteilen. Die modernen Variationen stammten aus <strong>Ballett</strong>en<br />
von Jurypräsident John Neumeier. Er macht übrigens keinen Hehl<br />
daraus, dass er Wettbewerbe eigentlich schrecklich findet: »Es<br />
gibt junge Tänzer, die mehr Zeit brauchen <strong>für</strong> ihre Entwicklung,<br />
deswegen sind sie nicht schlechter. Der ›Prix‹ ist ein wichtiges<br />
Schaufenster, denn hier geht es darum, Potenzial zu erkennen<br />
und zu fördern. Erst die Technik gibt die Freiheit, Emotionen darzustellen.«<br />
Einen beschränkten Einblick in die Bandbreite des<br />
Schaffens von John Neumeier erhielt man in den verschiedenen<br />
modernen Variationen, die einstudiert wurden. Beeindruckend<br />
wie beklemmend das Kranke, Manische in »Nijinsky« zu Musik<br />
von Schostakowitsch. Hinreißend die Musikalität, Eleganz und<br />
Beschwingtheit, die einige der jungen Tänzerinnen in der Bach-<br />
Suite II zeigten. War es früher oft die Diskrepanz in der Qualität<br />
dieser modernen Variationen, die <strong>für</strong> ein Weiterkommen entscheidend<br />
sein konnte, so war mit dieser Entscheidung <strong>für</strong> eine<br />
choreographische Handschrift ein mögliches Hindernis aus dem<br />
PRIX<br />
DE LAUSANNE<br />
Weg geräumt. Eine überaus sympathische Dienstleistung bieten<br />
die dem »Prix« verbundenen Schulen, deren Vertreter sich zu informativen<br />
Gesprächen zur Verfügung halten. Wohl bestückt mit<br />
Unterlagen und Broschüren über die professionelle Ausbildung,<br />
die Möglichkeiten an allgemeinbildenden Schulen, Unterbringung,<br />
Stipendien – das Angebot wurde reichlich genutzt.<br />
Das jährliche Budget des Prix beträgt mittlerweile 2 Mio.<br />
Schweizerfranken, (1,4 Mio. Euro.) Ein Betrag, der durch die<br />
Stadt Lausanne, den Kanton Waadt, Firmen, Banken, aber auch<br />
private Mäzene erbracht wird. 10.000 Euro,<br />
(16.000 Sfr) erhalten die Preisträger zusätzlich<br />
zum Studienplatz an einer Schule nach<br />
Wahl oder eine Spielzeit in einer Compagnie,<br />
die auf ein Jahr begrenzt ist. Die Kanadierin<br />
Mavis Staines hat dem Wettbewerb als<br />
künstlerische Leiterin während der vergangenen<br />
sieben Jahren wichtige Impulse gegeben.<br />
Sie wird abgelöst von Wim Broeckx, 1980<br />
selbst Preisträger in Lausanne, öfters bereits<br />
Jurymitglied, seit 2002 Direktor <strong>für</strong> Tanz am<br />
Konservatorium in Den Haag. Zwei Persönlichkeiten,<br />
die im vergangenen Jahr verstarben,<br />
wurden gebührend gewürdigt: Elvire<br />
Kremis-Braunschweig, 1973 Mitbegründerin<br />
des Prix de Lausanne. Ihr Leben und künstlerischer<br />
Werdegang wurde in einem berüh-<br />
renden Porträt gezeichnet. Und Maurice Béjart,<br />
ihm widmete John Neumeier sein »OPUS<br />
100 – for Maurice« vor gut zehn Jahren zum 70. Geburtstag,<br />
zur Musik von Simon & Garfunkel, getanzt von Ivan Urban und<br />
Yohan Stegli, Solisten des Hamburg <strong>Ballett</strong>. Wie ein Versprechen<br />
an die Zukunft erlebte man die Aufführung von »Yondering«,<br />
einer Choreographie zu Songs des amerikanischen Komponisten<br />
Stephen Foster, die Neumeier <strong>für</strong> die National Ballet<br />
School of Canada geschaffen hatte. Hier wurde das Stück von<br />
über 40 Studenten der <strong>Ballett</strong>schulen von Toronto, Hamburg und<br />
Paris getanzt. Ein begeisterndes Miteinander, voll beglückender<br />
Heiterkeit, wo Bewegung zum Ausdruck von Zukunftsglaube<br />
wird. »Yondering« bedeutet eine Grenze überschreiten, hin zum<br />
Abenteuer.<br />
21 Finalisten (zehn Mädchen und elf Jungen) haben sich<br />
im großen Finale der Jury und einem großen Publikum im ausverkauften<br />
Haus gestellt. Dabei erstaunt immer wieder, zu welcher<br />
Hochform die jungen Tänzerinnen und Tänzer in dieser<br />
fordernden Situation auflaufen. Sieben ertanzten sich einen der<br />
begehrten Preise. Erstaunlich der Spanier Aleix Martinez, der<br />
Jüngste unter allen, 15-jährig, der die technischen Schwierigkeiten<br />
seiner Bournonville-Variation mit stupender spielerischer Leichtigkeit<br />
gestaltete und <strong>für</strong> »Spring and Fall« (auch von Neumeier)<br />
gleich noch die Auszeichnung <strong>für</strong> die beste moderne Variation<br />
in Empfang nehmen durfte. Lili Felméri aus Ungarn bezauberte<br />
durch die Eleganz ihrer Gesten, ihre Musikalität und ihren subtilen<br />
Gestaltungswillen. Dylan Tedaldi, ein Amerikaner, erstaunte<br />
durch die Reife, mit der er sich in »Nijinsky«, den schon Gebrochenen,<br />
hineinzufühlen schien. Die weiteren Preisträger: Kyle<br />
Davis, USA, Irlan Silva und Marcella de Paiva, beide Brasilien,<br />
Akane Takada, Japan, holte nicht nur ein Schulstipendium, sondern<br />
auch den Publikumspreis. Schließlich wurde wieder einmal<br />
ein Preis <strong>für</strong> die »beste Schweizer Kandidatin« verliehen, die das<br />
Finale erreicht hatte. Aus der Talentschmiede der Tanzakademie<br />
Zürich stammt die junge Türkin, Gozde Ozgur, die eine fabelhafte<br />
Kitri (Don Quichote) auf die Bühne zauberte. ■<br />
22 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>
Erfolgreich und konkurrenzlos<br />
bestehen seit 30 Jahren meine beiden <strong>Ballett</strong>schulen in NRW.<br />
Nur 20 km voneinander entfernt, mit großem Einzugsgebiet<br />
und immer noch ausbaufähig, verfügen sie über 100 m2 Säle<br />
und einen großen Kostümfundus. Aus privaten Gründen muss<br />
ich die Schulen verkaufen, stehe aber <strong>für</strong> eine Einarbeitungszeit<br />
zur Verfügung.<br />
Angebote unter Chiffre Nr. 01-2-<strong>2008</strong> an den Deutschen <strong>Berufsverband</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong> e.V., Hollestr. 1, 45127 Essen<br />
Stadt Sankt Augustin<br />
58.000 Einwohner<br />
sucht <strong>für</strong> die Musikschule der Stadt Sankt Augustin<br />
zum 1. August <strong>2008</strong><br />
eine Fachbereichsleiterin/einen Fachbereichsleiter<br />
<strong>für</strong> den Fachbereich <strong>Ballett</strong><br />
in Vollzeit (derzeit 30 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten).<br />
Die Stelle ist bewertet nach Entgeltgruppe 9 Tarifvertrag <strong>für</strong> den<br />
öffentlichen Dienst (TVöD).<br />
Der vollständige Ausschreibungstext ist auf der <strong>Intern</strong>etseite der<br />
Stadt Sankt Augustin www.sankt-augustin.de veröffentlicht.<br />
Weitere Auskunft erteilt Frau Oberdörfer, Tel.: 02241/243-216.<br />
Fachliche Fragen beantwortet Herr Schulte, Tel.: 02241/243-343.<br />
Interessierte richten Ihre Bewerbung bitte mit den üblichen Unterlagen<br />
bis 15.4.<strong>2008</strong> (Eingang) an den Bürgermeister, Fachbereich<br />
Zentrale Dienste, 53754 Sankt Augustin.<br />
Eine gemeinsame Initiative<br />
Südtiroler Kulturinstitut<br />
Stiftung Stadttheater Bozen<br />
Bozen tanzt!<br />
Bolzano,<br />
la città che<br />
danza!<br />
Mehr Infos unter:<br />
Tel. +39 0471 313 800, www.tanzbozen.it<br />
Foto: Lea Fischer<br />
Herzlichen Glückwunsch<br />
John Neumeier!<br />
Die <strong>Ballett</strong>freunde Hamburg e.V. gratulieren John Neumeier<br />
sehr herzlich zum Deutschen Jubiläums-Tanzpreis <strong>2008</strong>.<br />
www.ballettfreundehamburg.de<br />
09.- 31. JULI LUGLIO<br />
Afro Brasil, Samba: Ivan Vasconcellos (BR), <strong>Ballett</strong>:<br />
Gillian Anthony (GB), Karen Henry (USA), Elaine Holland<br />
(GB), Hilary Neethling (GB), Bollywood, Afro Contemporary:<br />
Stephen Bongarçon (F), Contemporary<br />
Modern: Natalia Viñas Roig (E), Contemporary Technique,<br />
Creative Work: Britta Pudelko (D), Flamenco:<br />
Belén Cabanes (E), Juan Carlos Lérida Bermejo (E),<br />
Brigitta Luisa Merki (CH), Hip Hop: Patrick Grigo (D),<br />
Nina Kripas (A), Fabrizio Lolli (I), Hip Hop, Funky: Andy<br />
Lemond (CAN), Jazz: Anne-Marie Porras (F), Gianluca<br />
Girolami (I), Jazz Funk Fusion, Salsa Funk: Alex Kordek<br />
(GB), Musical: Carol Alston (USA), Latin Jazz, Lyrical<br />
Jazz: Rosy Néri-Calheiros (BR), Modern: Nancy<br />
Lushington (USA), Orientalischer Tanz: Amoura (USA),<br />
Pilates, Gyrokinesis: Apollonia Holzer (A), Stepptanz:<br />
Diana Richardson (IRL)<br />
Kreativer Kindertanz: Ulla Wenzel (D),<br />
B-Boying/Break Dance: Patrick Grigo (D),<br />
Jazz: Carole Alston (USA), Gianluca Girolami (I), Rosy<br />
Néri-Calheiros (BR), Video Clip Dance: Alex Kordek (GB),<br />
Rhythm4dance, Body Percussion: Gilson de Assis (BR)<br />
Intensiv-Workshops: 28.-31. Juli <strong>2008</strong><br />
Contemporary Dance: Henry Oguike (GB)<br />
<strong>Tanzpädagogik</strong>: Ulla Wenzel (D) Programmänderungen vorbehalten<br />
<strong>2008</strong><br />
24. <strong>Intern</strong>ationales Tanz- und Kursfestival<br />
<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 23
20 Jahre Fonds<br />
Darstellende Künste<br />
FONDS DARSTELLENDE KÜNSTE e.V.<br />
Der 1985 auf Initiative des Deutschen Kulturrates gegründete Fonds<br />
Darstellende Künste begeht in diesem Jahr sein 20-jähriges Förderjubiläum.<br />
In der Tanzstadt Essen nahm der Fonds seinen ersten<br />
Sitz, bevor er Ende 2000 nach Bonn umzog. Eines der zentralen<br />
Förderziele des Fonds ist es, einen substanziellen Beitrag zur Weiterentwicklung<br />
einer vielgestaltigen Theater- und Tanzlandschaft in<br />
Deutschland zu leisten. Auch deshalb wurde der in Essen verliehene<br />
Deutsche Tanzpreis seit 1989 inzwischen zum achten Mal durch<br />
den Fonds gefördert.<br />
Ulrich Roehm, Spiritus Rector des Deutschen Tanzpreises, wie<br />
auch Hans Herdlein, Präsident der Genossenschaft <strong>Deutscher</strong> Bühnenangehöriger,<br />
der 2005 den Tanzpreis verliehen bekam, gehörten<br />
zu den Mitbegründern des Fonds und wurden nach jahrelanger<br />
Vorstandstätigkeit zu Ehrenmitgliedern ernannt. Die Karlsruher <strong>Ballett</strong>direktorin<br />
Birgit Keil, 1998 ebenfalls mit dem Deutschen Tanzpreis<br />
geehrt, ist Kuratoriumsmitglied des Fonds. Und die beiden Träger<br />
des Deutschen Tanzpreises (2007) Susanne Linke und (2003) Gregor<br />
Seyffert gehören zu den vom Fonds geförderten Künstlerinnen<br />
und Künstlern.<br />
Der Fonds Darstellende Künste hat sich als einzige Förderinstitution<br />
in Deutschland zum Ziel gesetzt, qualitativ anspruchsvolle<br />
Projekte aller Arbeitsfelder und Sparten der darstellenden Künste,<br />
die sich insbesondere mit gesellschaftlich relevanten Themen auseinandersetzen<br />
und aufgrund ihrer Modellhaftigkeit oder spezifi schen<br />
Ästhetik exemplarisch <strong>für</strong> das Freie Theater und den Tanz sind, bundesweit<br />
zu fördern.<br />
Seit 1988 stellte der Bund dem Fonds anfangs über das Bundesinnenministerium,<br />
danach über die Kulturstiftung der Länder und seit<br />
2005 allein durch die Kulturstiftung des Bundes insgesamt 8 Millionen<br />
zur Verfügung. Somit konnten durch die Komplementärförderung<br />
des Fonds in über 300 Städten und Gemeinden 2.033 Projekte<br />
realisiert werden.<br />
Das Freie Theater in Deutschland hat in den letzten Jahren mit allen<br />
seinen Sparten eine enorme Vielfalt an künstlerischen Handschriften,<br />
experimentellen und innovativen Ansätzen sowie international<br />
erfolgreichen Produktionen hervorgebracht. Dies gilt insbesondere<br />
<strong>für</strong> den zeitgenössischen Tanz mit seinem grenzenlosen Feld performativer<br />
Konzepte. Den zeitgenössischen Tanz zeichnet die Suche<br />
nach innovativen Impulsen und neuen ästhetischen Ansätzen sowie<br />
fl exiblen Produktionsstrukturen und Präsentations- und Vermarktungsformen<br />
aus. Diese produktive Unruhe wirkt auch in die Stadt- und<br />
Staatstheater und seine <strong>Ballett</strong>ensembles hinein und löst zunehmend<br />
eine größere Resonanz <strong>für</strong> den Tanz – gerade bei den jüngeren<br />
Zuschauern – aus.<br />
Die Tanzszene in Deutschland ist auch internationaler geworden:<br />
Die freien Compagnien und ihre Projekte sind international besetzt,<br />
werden teilweise international koproduziert, touren in internationalen<br />
Netzwerken und Choreographen und Tänzer aus aller Welt<br />
arbeiten in Deutschland. Die freie Tanzszene in Deutschland leistet<br />
somit nicht nur einen unschätzbaren Beitrag <strong>für</strong> den kulturellen Austausch<br />
und die Integration, sie gehört auch zu den wichtigen Kulturbotschaftern<br />
Deutschlands.<br />
Die Tanzplattform Deutschland <strong>2008</strong>, das bedeutendste deutsche<br />
Forum <strong>für</strong> zeitgenössischen Tanz, verzeichnet in ihrem Katalog<br />
rund 1.000 Namen von professionellen Choreographen und<br />
Compagnien, die das breite Spektrum des freien zeitgenössischen<br />
Tanzes repräsentieren. In Deutschland werden insgesamt ca. 3.800<br />
Tanzschaffende gezählt. Auch die ständig wachsende Zahl von Projektanträgen<br />
an den Fonds Darstellende Künste (insgesamt jährlich<br />
700, davon zwischen 150 und 180 aus dem Tanzbereich) macht<br />
deutlich, wie schnell sich die freie Tanzszene entwickelt und sich der<br />
Begriff »Tanz« radikal erweitert hat.<br />
Die Projektanträge beim Fonds beschreiben Tanztheater, multimediale<br />
Tanzinstallationen, theatrale Tanzperformances im öffentlichen<br />
Raum, Tanzprojekte kultureller und ästhetischer Bildung <strong>für</strong> Kinder<br />
und Jugendliche, Projekte zwischen älteren und jungen Tänzern,<br />
Koproduktionen zwischen zeitgenössischem Tanz und <strong>Ballett</strong>, Tanz<br />
in Schulen mit Kindern und Jugendlichen, HipHop-Produktionen bis<br />
hin zu künstlerischen Lectureperformances und Forschungsprojekten,<br />
Tanzfi lmproduktionen, Fachbüchern und Studien.<br />
Aktuell fördert der Fonds die Modellstudie »Transition – <strong>für</strong> eine<br />
Karriere danach« (Diese wurde am 6. März <strong>2008</strong> in Berlin in<br />
Anwesenheit von Dr. Norbert Lammert, Präsident des Deutschen<br />
Bundestages, und Gitta Connemann, ehemalige Vorsitzende der<br />
E nquête-Kommission »Kultur in Deutschland« vorgestellt.), <strong>für</strong> die von<br />
der Enquête-Kommission »Kultur in Deutschland« empfohlene Einrichtung<br />
einer Stiftung in Deutschland, die wie in westeuropäischen<br />
Ländern Tänzerinnen und Tänzern den Übergang in andere Berufe<br />
erleichtern soll, sobald sie aus gesundheitlichen Gründen ihren Tänzerberuf<br />
nicht mehr ausüben können.<br />
Neben dem auf fünf Jahre angelegten wichtigen Großprojekt<br />
»Tanzplan Deutschland« der Kulturstiftung des Bundes, mit einem Volumen<br />
von 12,5 Millionen Euro, muten die Fördermöglichkeiten des<br />
Fonds Darstellende Künste mit jährlich einer Million Euro (davon ca.<br />
40 freie zeitgenössische Tanzprojekte pro Jahr) eher bescheiden an.<br />
Aber trotzdem kann der Fonds <strong>für</strong> sich in Anspruch nehmen, bundesweit<br />
die quantitativ größte Anzahl von freien Tanzproduktionen<br />
komplementär zu fördern und damit nachhaltig zur Weiterentwicklung<br />
des Tanzes und der Aufhebung der Trennung von <strong>Ballett</strong> und<br />
zeitgenössischem Tanz in Deutschland beizutragen.<br />
V.<br />
V<br />
Jürgen Flügge Günter Jeschonnek<br />
Vorsitzender des Fonds Geschäftsführer des Fonds<br />
24 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>
Verwertungs-<br />
gesellschaften in<br />
der Bewährung<br />
Der Deutsche Kulturrat greift mit seinem<br />
Dossier in eine laufende Debatte ein<br />
Von Volkmar Draeger<br />
Die Verwertungsgesellschaften (VG) sind national wie international<br />
in die öffentliche Debatte geraten. Sie arbeiten ineffizient<br />
und zu wenig transparent, monieren die Einen. Als unzeitgemäß<br />
in der <strong>Intern</strong>et-Ära diskreditieren sie die Anderen. Hinzu treten<br />
Probleme des europäischen Einigungsprozesses. Zwar wurde<br />
2001 die »Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des<br />
Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte« europaweit<br />
verabschiedet. Aufgeteilt in verschiedene »Körbe« hat sie auch<br />
der Deutsche Bundestag diskutiert und über das »Zweite Gesetz<br />
zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft«<br />
2007 zu nationalem Recht gemacht. Doch die Rechte der VG in<br />
den einzelnen EU-Ländern sind unterschiedlich geregelt und bisher<br />
nicht normiert. Nun sorgt eine Empfehlung der EU-Kommission<br />
zu Online-Musikdiensten mit der Maßgabe nach mehr Wettbewerb<br />
zwischen den VG querbeet <strong>für</strong> Unbill und Ablehnung.<br />
Der Deutsche Kulturrat hat dazu das Dossier »Verwertungsgesellschaften«<br />
erarbeitet. Auf 32 Seiten von Zeitungsformat informiert<br />
es in 24 umfangreichen Beiträgen grundlegend über die Arbeit<br />
von GEMA, GVL, VG BILD-KUNST und VG WORT. Be<strong>für</strong>worter<br />
wie Kritiker, Wissenschaftler wie Politiker kommen zu Wort. Welche<br />
Bedeutung den VG zukommt, erhellt auch ein historischer<br />
Rückblick, wie ihn das Dossier voranstellt.<br />
Schuld ist Beaumarchais. Ehe er Ruhm als Komödiendichter<br />
errang, der immerhin Rossinis »Barbier von Sevilla« und Mozarts<br />
»Hochzeit des Figaro« inspirierte, hatte der Pariser Uhrmacherssohn<br />
die Unruh als Hemmungsrad <strong>für</strong> Taschenuhren entdeckt<br />
und sie gegen den geistigen Diebstahl durch den königlichen<br />
Uhrmacher ehrengerichtlich verteidigt. Das hat ihn <strong>für</strong> weitere<br />
Ungerechtigkeiten sensibilisiert, etwa dass damalige Theaterdirektoren<br />
ihren Textautoren die Zahlungen gern schuldig blieben.<br />
Gemeinsam mit Kollegen rief er daher 1777 mit dem »Bureau de<br />
Législation Dramatique« die welterste Urheberrechtsgesellschaft<br />
ins Leben. Stellten die USA 1788 geistiges Eigentum per Verfassung<br />
unter Schutz, so erließ Frankreich 1791 das erste Urheberrechtsgesetz.<br />
Noch im selben Jahr erweiterte Beaumarchais<br />
seine Gründung zum »Bureau de Perception des droits d’auteurs<br />
et compositeurs«, das nun auch den Komponisten von Bühnenmusiken,<br />
noch nicht aber von Konzerten, Gebühren erstritt. Aus<br />
dem Zusammenschluss mit einer Konkurrenzeinrichtung entstand<br />
1829 die bis heute bestehende »Société des Auteurs et Compositeurs<br />
Dramatiques«. Waren jetzt zwar französische Autoren<br />
geschützt, musste beispielsweise Carl Maria von Weber hilflos<br />
zusehen, wie sein »Freischütz« in Paris plagiiert erklang – und<br />
die Tantiemen an den Bearbeiter flossen. Mit dem »Gesetz zum<br />
Schutz des Eigentums an Werken der Wissenschaft und Kunst«<br />
schuf Preußen 1837 das damals modernste Urheberrecht, das<br />
1841 auch auf den Deutschen Bund, 1871 aufs frisch gegründete<br />
Deutsche Reich überging. Ebenfalls 1871 formierte sich,<br />
ähnlich der französischen »Société«, die »Deutsche Genossenschaft<br />
dramatischer Autoren und Komponisten«. Per Gesetz geschützt<br />
waren indes nur die ungedruckten Werke; <strong>für</strong> gedruckte<br />
Partituren lagen sowohl die Urheber- wie auch die Verwertungsrechte<br />
in der Regel beim Verleger – ein einträgliches Geschäft.<br />
Ein wichtiger Schritt zum wechselseitigen Schutz ausländischer<br />
Künstler war 1886 die Berner Konvention: Sie regelte das internationale<br />
Recht zwischen den neun Beitrittsländern und schützte Urheber<br />
nach den jeweiligen nationalen Gesetzen. Maßgeblichen<br />
Anteil daran hatte der französische Romancier Victor Hugo. Als<br />
1901 das »Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Werken der<br />
Literatur und der Tonkunst« Schriftstellern und Komponisten die ausschließlichen<br />
Aufführungsrechte ihrer Werke sicherte, konnte auch<br />
in Deutschland, analog zu inzwischen bewährten ausländischen<br />
Modellen, eine Anstalt <strong>für</strong> musikalische Aufführungsrechte gegründet<br />
werden. Wie die 1851 zu Paris formierte Urzelle, verstand<br />
sich die 1903 gebildete, von Richard Strauss mitinitiierte »Genossenschaft<br />
<strong>Deutscher</strong> Tonsetzer« als Solidargemeinschaft, die an<br />
den Einnahmen von Aufführungen partizipierte und sie nach einem<br />
fixen Schlüssel unter ihren Mitgliedern aufteilte. Komponisten und<br />
Verleger von Unterhaltungsmusik gründeten aus dem Gefühl der<br />
Benachteiligung als reine Tantiemenanstalt 1915 die »Gesellschaft<br />
zur Verwertung musikalischer Aufführungsrechte«. Aus dem<br />
Zwangsverein beider Einrichtungen zu Nazi-Zeiten formierte sich<br />
1947 in ihrer heutigen Form die GEMA als »Gesellschaft <strong>für</strong> musikalische<br />
Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte«.<br />
Das 1965 erlassene Urheberrechtsgesetz sicherte die Vergütung<br />
<strong>für</strong> eine Werknutzung und verpflichtete die VG im Sinn der Vorkämpfer<br />
zu einer Abgabe <strong>für</strong> kulturelle und soziale Belange. Heute<br />
vertritt die GEMA innerhalb Deutschlands das gesamte Weltrepertoire<br />
an urheberrechtlich geschützter Musik und gehört mit<br />
den knapp 900 Millionen Euro, die ihre über 60.000 Mitglieder<br />
jährlich einspielen, weltweit zu den führenden VG. Einrichtungen<br />
<strong>für</strong> andere Künstlergruppen folgten ihr. So gründete sich 1959 die<br />
»Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten« (GVL) als<br />
Organisation ausübender Künstler, die mittlerweile auch Zweitverwertungsrechte<br />
etwa von Tonträger- und Filmherstellern sowie Videoproduzenten<br />
wahrnimmt. Fast 120.000 Ausübende und über<br />
6000 Tonträgerhersteller bescherten der GVL 2006 Einnahmen<br />
von mehr als 160 Millionen Euro. Gleichfalls aus Vorgängergruppierungen<br />
formierte sich 1958 <strong>für</strong> Vertreter der schreibenden Zunft<br />
und ihre Publikationsarten die VG WORT, der mehr als 340.000<br />
Autoren und Übersetzer sowie über 8000 Verlage 2006 ein Jahresvolumen<br />
von 86 Millionen Euro eintrugen. Jüngste Gründung<br />
ist 1968 die VG BILD-KUNST als Heimat <strong>für</strong> Bildschaffende vom<br />
Grafiker bis zum Filmarchitekten; ihre rund 39.000 Mitglieder<br />
erwirtschafteten 2006 gut 43 Mio. Euro.<br />
Dennoch sind die VG keine gewinnorientierten Unternehmen,<br />
sondern nach wie vor Selbsthilfeorganisationen von Urhebern<br />
und Rechteinhabern. Treuhänderisch verwalten sie kollektiv deren<br />
Rechte, die individuell kaum übersehbar und folglich einklagbar<br />
wären, und teilen die Hauptsumme der Erlöse, abzüglich der<br />
Verwaltungskosten, unter den Mitgliedern und Wahrnehmungsberechtigten<br />
auf. Nach welchem Modus das geschieht, folgt internen<br />
Statuten. Dass ein bestimmter Prozentsatz <strong>für</strong> soziale und<br />
kulturelle Zwecke auszugeben ist, legt das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz<br />
fest, das gleichsam die Aufsichtspflicht über die<br />
konkurrenzlosen, mithin monopolisierten VG regelt: intern durch<br />
gewählte Gremien, staatlich durch ein Referat beim Deutschen<br />
Patent- und Markenamt. Per Gesetz müssen die VG sowohl mit<br />
jedem einen Wahrnehmungsvertrag abschließen, der das möchte,<br />
als auch jedem die Nutzung der von ihnen vertretenen Werke<br />
gestatten, der darum nachsucht. Über Gegenseitigkeitsabkommen<br />
kooperieren die VG der einzelnen Länder miteinander und<br />
sichern so die internationale Abgeltung von Ansprüchen.<br />
<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 25
Was auf den ersten Blick perfekt klingt, erweist seine Tücken<br />
im Detail. Kritiker halten den VG vor, ihre nach einem bestimmten<br />
Punktesystem operierenden Verteilungspläne seien kaum durchschaubar,<br />
zumal die VG zwischen verschiedenen Formen von<br />
Mitgliedschaften unterscheiden, die bei der Zuteilung auch unterschiedlich<br />
bewertet werden. Und dass jenes Referat der staatlichen<br />
Kontrollbehörde hoffnungslos unterbesetzt ist, gilt als offenes<br />
Geheimnis. Nun macht auch eine fatale Empfehlung der EU-Kommission<br />
zu Online-Musikdiensten Front gegen die bisherige Arbeits-<br />
und Existenzweise der VG. Sie fordert mehr Wettbewerb<br />
zwischen den internationalen Gesellschaften unter der unausgesprochenen<br />
Preisgabe ihrer Vorzüge. Dies liefe in erster Linie auf<br />
eine Konkurrenz der VG um die attraktivsten, zahlungskräftigsten<br />
Nutzer hinaus. Niedrige Nutzergebühren und entsprechende<br />
Preisnachlässe könnten jedoch nur die größten VG bieten. Die<br />
kleineren Gesellschaften würden diesem Kommerzdruck nicht<br />
standhalten, und <strong>für</strong> die Urheber würde er in jedem Fall wegen<br />
der geringeren Einnahmen der VG auch geringere Ausschüttungen<br />
bedeuten. Diese Einnahmen sind aber <strong>für</strong> viele Künstler ein<br />
unverzichtbarer Unterhaltszuschuss. Hinzu kommt, dass ein derartiges<br />
Konkurrenzdenken das Solidarprinzip der VG aushebeln<br />
würde. Bislang nivellieren sich die Ausschüttungen insofern, als<br />
die Großverdiener meist aus dem Popbereich solidarisch auf<br />
einen Teil ihrer Erlöse zugunsten der weniger »einspielstarken«<br />
Kollegen etwa der zeitgenössischen Genres verzichten. Einige<br />
würden durch das Konkurrenzsystem mehr einnehmen, die Masse<br />
wahrscheinlich erheblich weniger. Dass die Kultur an Vielfalt<br />
verliert, wenn sich nur noch die gut verkäuflichen Bereiche behaupten,<br />
zuvörderst da angloamerikanischer Pop und die großen<br />
Namen in der Bildenden Kunst, liegt auf der Hand. Nicht länger<br />
zu halten wären auch all die Sozialleistungen der VG zur Unterstützung<br />
junger, mittelloser oder alter Künstler.<br />
Kritiker sehen das anders. Mit sophistischer Juristerei verteidigt<br />
in dem Dossier ein Medienrechtler Brüssels Empfehlungen: Jeder<br />
Urheber möchte marktgerecht vergütet werden; Urheberrecht sei<br />
also Wirtschaftsrecht, »kulturelle Parfümierung« habe darin nichts<br />
verloren. In dieselbe Kerbe hauen die Vertreter der von Raubkopien<br />
gebeutelten Industrie. Sie polemisieren gegen die von<br />
den VG erhobenen Pauschalabgaben etwa bei Geräten und<br />
Leerträgern und verweisen auf die Selbstheilungskräfte des digitalen<br />
Zeitalters: Kostenpflichtige, passwortgeschützte Datenbanken,<br />
Archive und Online-Publikationen würden ihren Anbietern<br />
individuelle Vergütung einbringen – die VG als Mittler zwischen<br />
Urheber und Nutzer hätten somit ausgedient. Die Wahrheit liegt,<br />
vertraut man auch dem parteiübergreifenden Politikertenor im<br />
Dossier, wohl eher in der Mitte. Eigenverantwortliche Lizenzvergabe<br />
und Rechteverwaltung via <strong>Intern</strong>et wird allenfalls finanzstarken<br />
Großunternehmen möglich sein, weniger dem einzelnen<br />
Urheber. Vielmehr, so sind sich die VG-Vertreter einig, gehe es<br />
um eine sinnvolle Ergänzung von kollektiver Rechteverwertung<br />
seitens der VG und individueller Lizenzvergabe. Der Forderung<br />
durch neue digitale Medien werden sich die VG indes ebenso<br />
stellen müssen wie dem öffentlichen Wunsch nach einem transparenteren<br />
Ausschüttungsmodus. ■<br />
Das Dossier ist erhältlich über:<br />
<strong>Deutscher</strong> Kulturrat, Chausseestraße 103, 10115 Berlin<br />
online kostenlos unter:<br />
www.kulturrat.de/dossiers/verwertungsgesellschaften.pdf<br />
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Mit dem Thema »Verwertungsgesellschaften« wird sich BALLETT<br />
INTERN in den folgenden Ausgaben weiter beschäftigen.<br />
Für all’ jene Menschen, die John Neumeiers Spendenaufruf gefolgt<br />
waren, öffnete der Hamburger <strong>Ballett</strong>intendant und Chefchoreograph<br />
am 10. Februar <strong>2008</strong> erstmals die Türen zu seinem<br />
Privathaus in Hamburg Eppendorf, das auch seine berühmte<br />
Sammlung zur <strong>Ballett</strong>geschichte beherbergt. Das Besondere:<br />
Zum ersten Mal waren einige Zeichnungen und Gemälde von<br />
Waslaw Nijinsky zu sehen, dem von Neumeier so sehr verehrten<br />
Künstler, der 1950 in geistiger Umnachtung starb. Dank des<br />
großen Engagements ist es John Neumeier gelungen, sämtliche<br />
(!) 72 Werke zu kaufen – nur bezahlt sind sie noch nicht ganz.<br />
Rund ein Drittel des gesamten Kaufpreises von 1 Million Dollar<br />
muss noch aufgebracht werden, und das wird – laut Neumeier –<br />
in Spendeneingängen zwischen drei und mehreren tausend Euro<br />
zusammen getragen. Jenseits vieler kleiner und größerer privater<br />
Spenden der Mitglieder hat nun der Verein der <strong>Ballett</strong>freunde<br />
Hamburg e. V. anlässlich der Verleihung des Jubiläums-Tanzpreises<br />
<strong>2008</strong> an John Neumeier, den Betrag von 3.000 Euro<br />
gespendet, um sicherzustellen, dass diese einmalige Sammlung<br />
auch in Zukunft in Hamburg bleiben und einer interessierten Öffentlichkeit<br />
zugänglich gemacht werden kann.<br />
»Movimentos« heißen die Festwochen der Autostadt in Wolfsburg,<br />
die in diesem Jahr vom 12. April bis 25. Mai <strong>2008</strong> stattfinden.<br />
Die sechste Ausgabe des mittlerweile etablierten Festivals<br />
steht unter dem Motto »Vertrauen«, neben dem »Béjart Ballet Lausanne«<br />
ist u.a. auch »The Göteborg Ballet« sowie die »Compagnie<br />
Marie Chouinard« aus Montreal zu Gast. Die Workshops<br />
sind zum Treffpunkt tanzwilliger Kinder und Jugendlicher geworden:<br />
In Zusammenarbeit mit dem Tanzenden Theater Wolfsburg<br />
wird an jedem Freitag während der Festivalzeit unterrichtet, das<br />
Angebot reicht von <strong>Ballett</strong> und Kreativem Kindertanz über Musik-<br />
TanzTheater und Video Dance bis zu Zeitgenössischem Tanz und<br />
Tänzerischer Entspannung. Infos zum gesamten Festival unter Tel.<br />
0800 288 678 238 und www.movimentos.de<br />
Umsatzstarke <strong>Ballett</strong>schule<br />
mit ca. 320 Schülern aus persönlichen Gründen im Raum<br />
Niedersachsen zu verkaufen, Einarbeitung möglich. Angebote<br />
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<strong>Tanzpädagogik</strong> e.V., 45127 Essen, Hollestraße 1<br />
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26 <strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong>
Liebe Leser, liebe Freunde,<br />
25 JAHRE DEUTSCHER TANZPREIS<br />
lassen Sie mich noch einmal Goethe zitieren: »... Und jedermann<br />
erwartet sich ein Fest!« Und es wurde ein Fest, ein außergewöhnliches<br />
Fest des Tanzes zur Ehrung einer ebenfalls außergewöhnlichen<br />
Persönlichkeit unserer Tanzkunst! Wortgetreu fi nden Sie die<br />
Dokumentation dieses festlichen Ereignisses in dieser Ausgabe<br />
unserer Zeitschrift BALLETT INTERN – ja, auch die liebenswürdige<br />
Laudatio Marcia Haydées konnte durch eine gute Tonaufzeichnung<br />
wortgetreu wiedergegeben werden. Doch es wurde nicht<br />
nur gesprochen, der überwiegende Teil der 4½-stündigen Gala<br />
war dem Tanz, den großartigen Tänzern der zahlreichen Neumeier-Choreographien<br />
gewidmet – und davon können wir Ihnen<br />
bedauerlicherweise nur einen kleinen Eindruck mit viel zu wenigen<br />
Abbildungen vermitteln. Mit dieser relativ umfangreichen Dokumentation<br />
wird dieses Vierteljahrhundert-Ereignis auch tanzhistorisch<br />
seinen Platz in den diversen Archiven des Tanzes fi nden!<br />
Doch auch die aktuelle Situation der Tanz unterrichtenden<br />
Schulen, deren zum Teil noch nicht bewussten Problemen in<br />
Sachen Künstler-Sozial-Versicherung/KSK, der Berufsgenossenschaft/BG,<br />
der GEMA, der Umsatzsteuer-Befreiung widmet sich<br />
der Deutsche <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong> zur Zeit intensiv.<br />
Einen ersten Hinweis fi nden Sie auf den Seiten 25 und 26<br />
dieser Ausgabe in Bezug auf die uns alle tangierenden »Verwertungs-Gesellschaften«<br />
in dem Bericht von Volkmar Draeger.<br />
In den nächsten Ausgaben werden wir uns weiterhin ausführlich<br />
diesen Themen widmen. Den anwesenden Mitgliedern des DBfT<br />
wurden sie zu einem großen Teil bereits auf der 33. Mitgliederversammlung<br />
in Essen referiert bzw. fi nden im Protokoll dieser<br />
Versammlung ihren Niederschlag. Und allen Nicht-Mitgliedern<br />
seien sie eine Information, eine Warnung darüber, was in nächster<br />
Zukunft auf die unterrichtende Tanz-Szene zukommen wird.<br />
Es grüßt Sie, Ihr Ulrich Roehm<br />
BALLETT INTERN ISSN 1864–1172<br />
ist die Mitgliederzeitschrift des Deutschen <strong>Berufsverband</strong>es <strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong> e. V.<br />
(DBfT) und liegt der Zeitschrift »tanzjournal« fünf Mal (Februar, April, Juni, August und<br />
Dezember) als Supplement bei. Beide Zeitschriften gehen den Mitgliedern des Verbandes<br />
kostenlos zu. Nichtmitglieder können BALLETT INTERN abonnieren: Deutschland<br />
€ 7,50, europäisches Ausland € 12,00 (jeweils inkl. Porto/Versand) je Ausgabe.<br />
Redaktion dieser Ausgabe: Ulrich Roehm (verantwortl.), Dagmar Fischer (dagmar.<br />
fi scher@ballett-intern.de), Frank Münschke dwb<br />
Autoren dieser Ausgabe: Volkmar Draeger (Berlin), Sylvia Garcia (Zürich), Günter<br />
Jeschonnek (Berlin), Marcia Haydée (Santiago de Chile / Stuttgart), Manfred Krause<br />
(Essen), Dr. Norbert Lammert (Berlin), Prof. John Neumeier (Hamburg), Dr. Wolfgang<br />
Reiniger (Essen), Ulrich Roehm (Essen), Vesna Mlakar (München)<br />
Alle Fotos von der Verleihung des Deutschen Jubiläums-Tanzpreises: Ursula Kaufmann<br />
(Essen).<br />
Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion<br />
oder des Herausgebers wieder. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist ohne<br />
ausdrückliche Genehmigung der Redaktion nicht gestattet. Für unverlangt eingesandte<br />
Manuskripte und <strong>für</strong> Terminangaben wird keine Gewähr übernommen. Die Redaktion<br />
behält sich das Recht vor, Leserbriefe zu kürzen. Manuskripte gehen in das Eigentum<br />
der Redaktion über.<br />
Umschlag vorne: John Neumeier und die Tänzerinnen und Tänzer der Tanzpreis-Gala<br />
beim Abschluss-Applaus: (von links) Valerya Mukhanova, Dmitry Khamzin, Laëtitia Pujol,<br />
Manuel Legris, Ulrich Roehm, Lucia Lacarra, Roberto Bolle, John Neumeier, Alexandre<br />
Riabko, Peter Dingle, Silvia Azzoni, Carsten Jung, Katja Wünsche, Jason Reilly.<br />
Umschlag hinten: (oben) Marcia Haydée und Ivan Liška im Film »Die Kameliendame«<br />
– (unten) Vladimir Klos, Marcia Haydée, Ivan Liška, Colleen Scott, Marianne Menze<br />
und Ulrich Roehm nach der Wiederaufführungsgala vor der Essener Lichtburg.<br />
BALLETT INTERN<br />
Heft 2/<strong>2008</strong><br />
<strong>Deutscher</strong> Jubiläums-Tanzpreis <strong>2008</strong>:<br />
John Neumeier<br />
Für das <strong>Ballett</strong> geboren<br />
Von Manfred Krause . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2<br />
Begrüßung<br />
Von Dr. Wolfgang Reiniger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
Begrüßungsrede<br />
Von Ulrich Roehm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
Grußwort<br />
Von Dr. Norbert Lammert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
Laudatio<br />
Von Marcia Haydée . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />
Dankesrede des Preisträgers<br />
Von John Neumeier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
Der Deutsche Jubiläums-Tanzpreis im Spiegel der Presse . . 15<br />
»Man muss auf der Bühne etwas zu sagen haben!«<br />
Interview mit Dietmar Seyffert<br />
Von Volkmar Draeger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />
»Faust«, der Zweite<br />
Von Vesna Mlakar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />
Die Metamorphosen des Prix de Lausanne<br />
Von Sylvia Garcia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />
20 Jahre Fonds Darstellende Künste<br />
Von Günter Jeschonnek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />
Verwertungsgesellschaften in der Bewährung<br />
Von Volkmar Draeger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />
Kurz und bündig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />
Herausgeber: <strong>Deutscher</strong> <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong> e. V., (DBfT)<br />
Hollestraße 1, D–45127 Essen<br />
Tel.: +49(0)201 – 228883 Fax: +49(0)201 – 226444<br />
<strong>Intern</strong>et: www.dbft.de – www.ballett-intern.de<br />
Bankverbindung: <strong>Deutscher</strong> <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong> e. V.,<br />
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BLZ 360 200 30 – BIC: NBAGDE3E<br />
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Realisation: Klartext Medienwerkstatt GmbH<br />
45327 Essen,<br />
Bullmannaue 11<br />
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+49(0)201 – 9222 535<br />
(Frank Münschke)<br />
Anzeigen und Beilagen: Gültige Preisliste: 1/05<br />
Nächste Ausgabe:<br />
Heft 3/<strong>2008</strong> erscheint Anfang Juni <strong>2008</strong><br />
Redaktionsschluss: 8. Mai <strong>2008</strong><br />
Anzeigenschluss: 15. Mai <strong>2008</strong><br />
Annahmeschluss Beilagen: 20. Mai <strong>2008</strong><br />
BALLETT INTERN<br />
Herausgeber: <strong>Deutscher</strong> <strong>Berufsverband</strong> <strong>für</strong> <strong>Tanzpädagogik</strong> e. V. – Heft 82/31. Jg. – Nr. 2/April <strong>2008</strong> – ISSN 1864-1172<br />
<strong>Ballett</strong> <strong>Intern</strong> 2/<strong>2008</strong> 27
Essen<br />
»Die Kameliendame«<br />
Choreographie: John Neumeier<br />
Musik: Frédéric Chopin<br />
Marguerite Gautier Marcia Haydée<br />
Armand Duval Ivan Liška<br />
Monsieur Duval François Klaus<br />
Prudence Duvernoy Colleen Scott<br />
Gaston Rieux Vladimir Klos<br />
Manon Lescaut Lynne Charles<br />
Des Grieux Jeffrey Kirk<br />
Olympia Gigi Hyatt<br />
Nanina Beatrice Cordua<br />
u.a.<br />
Foto: Holger Badekow<br />
Foto: Armin Thimer