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Nr. 31 - Herder-Institut

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<strong>Nr</strong>. <strong>31</strong><br />

Juli-Dezember 2010<br />

HERDER aktuell<br />

Informationen aus dem <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> in Marburg<br />

Schwerpunktthema:<br />

Kulturtransfer und Wissenswege<br />

Eröffnung der Leibniz Graduate School<br />

Badekultur und Bäderarchitektur an<br />

der Ostsee als Gegenstand von Tagung<br />

und Ausstellung<br />

Internationale und interdisziplinäre<br />

Sommerakademie<br />

www.herder-institut.de<br />

1


Prof. Dr. Peter Haslinger<br />

Editorial<br />

Der Vortragssaal des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />

wird derzeit umfassend erneuert,<br />

und auch inhaltlich hat unser<br />

<strong>Institut</strong> im Jahr 2010 einen wichtigen<br />

neuen Akzent gesetzt: Am 6.<br />

Dezember fand die feierliche Eröffnung<br />

der „Leibniz Graduate School<br />

for Cultures of Knowledge in Central<br />

European Transnational Contexts“<br />

statt. Hinter diesem komplexen<br />

Titel verbirgt sich mehrerlei:<br />

Zum einen ist damit eine neue<br />

Form der Nachwuchsförderung zu<br />

verstehen, die vom <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong><br />

im vergangenen Jahr erfolgreich<br />

eingeworben werden konnte und<br />

das alte Doktorandenprogramm ersetzt.<br />

Die Leibniz Graduate School<br />

unterstützt und unterstreicht jedoch<br />

auch in inhaltlicher Hinsicht<br />

ein ganz zentrales Anliegen des <strong>Institut</strong>s,<br />

nämlich die Reflexion über<br />

die Rahmenbedingungen wissenschaftlicher<br />

Kommunikation in Vergangenheit<br />

und Gegenwart zwischen<br />

Ostmitteleuropa und dem<br />

deutschsprachigen Raum.<br />

Zum anderen unterstützt die<br />

Leibniz Graduate School damit die<br />

Internationalisierungsstrategie des<br />

<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s in einer bisher nicht<br />

in der nötigen Dichte verfolgten<br />

Richtung: gegenüber westeuropäischen<br />

Partnern. In den kommenden<br />

Monaten findet eine Präsentation<br />

des Konzepts und der Einzelthemen<br />

des mehrheitlich von Nachwuchswissenschaftlerinnen<br />

und<br />

-wissenschaftlern aus Ostmitteleuropa<br />

formierten Kollegs in Glasgow<br />

und Stockholm statt. Jedoch auch<br />

eine Verbindung mit dem <strong>Herder</strong>-<br />

Stipendienprogramm ist geplant:<br />

Der Austausch wird die kommenden<br />

Jahre prägen und nicht zuletzt<br />

über das <strong>Herder</strong>-Alumni-Programm<br />

die konzeptionelle Diskussion über<br />

die Möglichkeiten und Grenzen des<br />

neuen Ansatzes intensivieren.<br />

Drittens ist die Leibniz Graduate<br />

School ein erneuter Beweis für<br />

die sehr fruchtbare Zusammenarbeit<br />

mit der Justus-Liebig-Universität<br />

Gießen, namentlich mit dem<br />

2<br />

– vom Wissenschaftsrat 2009 mit<br />

großem Erfolg evaluierten – Gießener<br />

Zentrum Östliches Europa und<br />

dem International Graduate Centre<br />

for the Study of Culture aus der<br />

Exzellenzinitiative. Die im abgelaufenen<br />

Jahr auch am <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong><br />

mehrfach stattgefundenen Sitzungen<br />

mit den entsprechenden Sektionen<br />

und Research areas haben<br />

bereits jetzt erheblich zur Schärfung<br />

des Konzepts der Wissenskultur<br />

beigetragen, das in einer von<br />

sprachübergreifenden und transnationalen<br />

Dynamiken vielfältiger Art<br />

geprägten Untersuchungsregion<br />

viele neue Forschungsperspektiven<br />

zu eröffnen verspricht.<br />

Inhalt Seite<br />

Kulturtransfer und<br />

Wissenswege 3<br />

Tagungen und<br />

Ausstellungen 15<br />

Ereignisse und<br />

Informationen 18<br />

Personalien 22<br />

Gäste am <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> 23<br />

Lehrveranstaltungen<br />

SS 2010 23<br />

Vorträge und<br />

Werkstattgespräche 24<br />

Neue Veröffentlichungen 29<br />

Terminvorschau <strong>31</strong><br />

Titelbild:<br />

Eröffnungsveranstaltung der<br />

Leibniz Graduate School<br />

in der Justus-Liebig-Universität<br />

Gießen<br />

Fotos: Claudia Junghänel<br />

Impressum<br />

„<strong>Herder</strong> aktuell“ erscheint halbjährlich<br />

und wird herausgegeben vom<br />

HERDER-INSTITUT e.V.<br />

35037 Marburg, Gisonenweg 5-7<br />

Tel. +49-6421-184-0<br />

Fax +49-6421-184-139<br />

mail@herder-institut.de<br />

www.herder-institut.de<br />

Direktor: Prof. Dr. Peter Haslinger<br />

(V.i.S.d.P.)<br />

Redaktion: Dr. Anna Veronika Wendland<br />

Layout/Satz: Wolfgang Schekanski<br />

Verlag <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong><br />

Fotos: Wolfgang Schekanski u. a.<br />

Druck: Jürgen Haas Print Consulting,<br />

Gladenbach<br />

Alle Bilddokumente befinden sich in den<br />

Sammlungen des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s.<br />

Nachdruck mit Quellenangabe gestattet,<br />

Beleg erbeten.<br />

Redaktionsschluss dieser Ausgabe:<br />

28. Februar 2011


Schwerpunktthema:<br />

Kulturtransfer und Wissenswege<br />

I prefer the edge: the place where<br />

countries, communities,<br />

allegiances,<br />

affi nities, and roots bump<br />

uncomfortably up against<br />

one another<br />

—where cosmopolitanism is<br />

not so much an identity<br />

as the normal condition of life.<br />

Der jüngst verstorbene britische Historiker<br />

Tony Judt schrieb die oben<br />

zitierten Worte 2010 im Rahmen einiger<br />

grundsätzlicher Überlegungen<br />

zu kulturellen Identitätspolitiken und<br />

deren Auswirkungen auf die Neuformierunggeisteswissenschaftlicher<br />

Disziplinen. Judt kritisierte die<br />

zunehmende Bedeutung fest gefügter<br />

und für undiskutierbar gehaltener<br />

ethnisch-kultureller, sozialer<br />

oder geschlechtlicher Identitäten<br />

in den westlichen Gesellschaften.<br />

Diese wurden ursprünglich im Zuge<br />

emanzipatorischer sozialer oder<br />

Minderheits-Bewegungen „entdeckt“,<br />

führten aber, so Judt, letztlich<br />

zu einer Identitätsbesessenheit,<br />

welche nicht nur den Zusammenhalt<br />

moderner Gesellschaften gefährde,<br />

sondern auch die Denkfreiheit an<br />

den Hochschulen einschränke.<br />

Der Absolutheit der Identität<br />

setzt Judt, ausgehend von seinen<br />

eigenen Erfahrungen als Nachkomme<br />

jüdischer Immigranten in Großbritannien,<br />

sein Bekenntnis zu den<br />

„Rändern“ entgegen. Judt meinte<br />

mit seinem Begriff des Kosmopolitismus<br />

als „Lebensbedingung“<br />

weniger die selbstgewählte Weltläufigkeit<br />

neuzeitlicher, meist bürgerlicher<br />

Intellektueller, Künstler<br />

oder Unternehmer, sondern jene<br />

geografischen und sozialen Räume,<br />

in denen Zugehörigkeitsgefühle<br />

und Identitätsvorstellungen<br />

(„Wurzeln“) sich ihrer selbst eben<br />

nicht so sicher sind, wo sie sich<br />

überschneiden und durch gegenseitige<br />

Beeinflussung in ständiger<br />

Veränderung sind.<br />

Solche Räume können sehr nah<br />

sein – überall dort, wo sich in den<br />

hitzigen Diskussionen um Parallelgesellschaften<br />

und Integration die<br />

leiseren Stimmen melden, die ihre<br />

persönliche Erfahrung im „Dazwischen“<br />

einbringen. Andere dieser<br />

Räume gibt es jedoch nur noch in<br />

der historischen Erinnerung, beispielsweise<br />

jener an die Städte und<br />

Grenzregionen Ost- und Ostmitteleuropas,<br />

deren kulturelle Vielstimmigkeit<br />

den Kriegen, Genoziden<br />

und Territorialpolitiken des 20.<br />

Jahrhunderts zum Opfer fiel.<br />

Die von Judt umrissenen Grenz-<br />

und Interferenzräume stehen auch<br />

im Mittelpunkt eines sich immer<br />

weiter ausdifferenzierenden Forschungsinteresses<br />

in den Geschichts-<br />

und Kulturwissenschaften.<br />

Dieses hat auf theoretischem<br />

Gebiet innovative Ansätze zur<br />

Deutung des Spannungsfeldes<br />

zwischen kultureller<br />

Differenz und kulturellem<br />

Austausch<br />

hervorgebracht. So<br />

behandelt die Übers<br />

e t z u n g s t h e o r i e<br />

heute nicht nur die<br />

sozialen Bedingungen<br />

und sprachlichzeichenförmigen<br />

Verfahren der Übersetzung<br />

von Texten,<br />

sondern versucht<br />

soziale Interaktionen<br />

und menschliche<br />

Kommunikation als<br />

Übersetzungsakte<br />

und Schaffung von „dritten“ Räumen<br />

der Vermittlung zwischen Ausgangs-<br />

und Zielgemeinschaften zu<br />

verstehen.<br />

Die Kulturtransferforschung löst<br />

sich von älteren Vorstellungen geschlossener<br />

Nationalkulturen, deren<br />

Literaturen, <strong>Institut</strong>ionen oder<br />

Rechtssysteme allenfalls verglichen<br />

wurden, ohne sie auf ihre Interaktion<br />

hin zu befragen. Kulturtransfers<br />

werden heute nicht mehr als<br />

Transport eines kulturellen Gegenstandes<br />

von A nach B, von akti-<br />

vem Sender zu passivem Empfänger<br />

verstanden. Vielmehr definiert<br />

man sie als hochkomplexe Kommunikations-<br />

und Übersetzungsprozesse,<br />

die keine der beteiligten<br />

Gesellschaften, und erst recht nicht<br />

den Transfergegenstand, unberührt<br />

lassen. Unzählige Beispiele könnten<br />

hier angeführt werden; manche<br />

sind aus unserer Lebenswirklichkeit<br />

gar nicht mehr wegzudenken, z.B.<br />

die mitteleuropäische Konsum- und<br />

Esskultur, die sich im Zuge eines<br />

schon mehrere Jahrhunderte andauerndenGlobalisierungsprozesses<br />

herausbildete. Epochemachende<br />

europäische Glaubens- und<br />

Wissenskulturen und <strong>Institut</strong>ionen<br />

werden längst als „eigene“ ausgewiesen,<br />

sind in Wirklichkeit aber<br />

übernommene, erworbene und<br />

vielfältig transformierte – wie das<br />

Christentum und seine Wandlung<br />

und Wanderung von der jüdischen<br />

Sekte an der östlichen Peripherie<br />

des römischen Imperiums bis zur<br />

Eliten- und schließlich Volksreligion<br />

in dessen Nachfolgereichen.<br />

In einigen Ländern mit vergleichsweise<br />

junger Staatstradition<br />

hat die Erfahrung mit Grenzlagen<br />

und Kulturtransfers ironischerweise<br />

sogar zur Konstituierung nationaler<br />

Narrative beigetragen, so im<br />

Falle Belgiens als einer Nation am<br />

Kreuzungspunkt romanischer und<br />

3<br />

Die Stipendiaten<br />

der Leibniz<br />

Graduate School<br />

(v.l.n.r.): Konrad<br />

Hierasimowicz,<br />

Dominika Piotrowska,<br />

Sylwia<br />

Werner, Justyna<br />

Turkowska und<br />

Christian Lotz.<br />

Hinter dem Rednerpult<br />

(v.l.n.r.)<br />

Hans-Jürgen<br />

Bömelburg,<br />

Koordinatorin<br />

Wiebke Rohrer,<br />

Peter Haslinger


Grußworte zur Er-<br />

öffnung der Leibniz<br />

Graduate School<br />

sprachen die Vizepräsidentin<br />

der JLU,<br />

Prof. Eva Burwitz-<br />

Melzer, sowie Prof.<br />

Horst Carl für das<br />

Gießener Graduate<br />

Centre for the Study<br />

of Culture (GCSC)<br />

und Prof. Thomas<br />

Bohn für das<br />

Gießener Zentrum<br />

Östliches Europa<br />

(GiZo). Der Baseler<br />

Afrika-Historiker<br />

Prof. Patrick Harries<br />

hielt den Festvortrag<br />

über „Knowledge<br />

and Knowing:<br />

Managing and<br />

Measuring the New<br />

Across Space and<br />

Through Time“.<br />

germanischer Sprachen und Kulturen,<br />

oder im Falle der Ukraine. Hier<br />

überlagern sich gleich mehrere Interferenzzonen:<br />

die frühe osteuropäische<br />

Erschließungsgrenze der<br />

Steppe zwischen bäuerlichen und<br />

nomadischen Kulturen, eine spätere<br />

zwischen muslimischem „Orient“<br />

und christlichem „Okzident“ und<br />

dazu noch jene zwischen orthodoxem<br />

und lateinischem Christentum<br />

mit ihren jeweils politisch-institutionellen,<br />

später auch imperial<br />

überformten Folgewirkungen. Das<br />

ukrainische historisch-politische<br />

Denken seit dem frühen 19. Jahrhundert<br />

übersetzte diese Grenzerfahrung<br />

schließlich in Territorialkonzepte<br />

eines Landes „zwischen Ost<br />

und West“.<br />

In der Entwicklung der geisteswissenschaftlichen<br />

Disziplinen und<br />

ihrer Selbstbeobachtung wiederum<br />

spielt die Analyse „reisender“ Konzepte<br />

eine große Rolle. Solche „travelling<br />

concepts“, welche Disziplingrenzen<br />

unterwandern, hat die<br />

Kulturwissenschaftlerin Mieke Bal<br />

2002 als metapherförmige „shorthand<br />

theories“ definiert. Gemeint<br />

sind Begriffe wie „Gedächtnis“,<br />

„Raum“ oder „Text“, die außerhalb<br />

ihrer Ursprungsdisziplinen –<br />

hier der Individualpsychologie, der<br />

Geografie und der Sprachwissenschaft<br />

– für Erkenntnisgewinn und<br />

theoretische Innovation sorgten.<br />

Viele dieser Konzepte haben zu<br />

den berühmten „turns“, d.h. Wenden<br />

und Neuorientierungen in den<br />

Geisteswissenschaften, beigetragen.<br />

Auch das Reisen selbst, der<br />

Übersetzungsakt und der Transfer<br />

können als solche disziplin-unterlaufenden<br />

Konzepte zum Tragen<br />

kommen. Vor allem tragen sie zur<br />

historischen Erkundung von „Rändern“<br />

bei: Sie erhellen jeweils unterschiedliche<br />

Aspekte, die bei der<br />

Entstehung von Peripherieregionen,<br />

Interferenzräumen oder „intermediären“<br />

Akteursgruppen von<br />

Bedeutung sind.<br />

Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s sind<br />

solche vielstimmigen und vielsprachigen<br />

Interferenzräume und die<br />

4<br />

darin aktiven historischen Akteure<br />

das täglich Brot ihrer wissenschaftlichen,<br />

dokumentarischen, bibliothekarischen<br />

oder archivarischen<br />

Arbeit: Sie bilden den Gegenstandsbereich<br />

der <strong>Institut</strong>ssammlungen<br />

und vieler Forschungsprojekte,<br />

die am <strong>Institut</strong> betrieben<br />

werden. Ob Geschichtsregionen<br />

und Kunstlandschaften wie Schlesien<br />

oder die baltischen Länder,<br />

polyglotte und multikonfessionelle<br />

Metropolen wie Breslau, Lemberg<br />

oder Wilna, Spezialistennetzwerke<br />

wie die mittelalterlichen Notare<br />

im Ostseeraum, Wege offiziellen,<br />

verborgenen oder verbotenen Wissens,<br />

wie sie sich im Bibliothekswesen<br />

sozialistischer Länder abzeichneten:<br />

Der Jahresbericht 2010<br />

des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s wird davon<br />

wieder beredtes Zeugnis ablegen.<br />

Einige <strong>Institut</strong>smitarbeiterinnen und<br />

-mitarbeiter sind zudem in Kooperation<br />

mit der Justus-Liebig-Universität<br />

Gießen an Buchprojekten,<br />

Tagungen und der Planung von Forschungsprojekten<br />

beteiligt, welche<br />

die skizzierten kulturwissenschaftlichen<br />

Konzepte diskutieren und als<br />

Basis einer Ost- und Westeuropa<br />

integrierenden Wissenschaftskommunikation<br />

entwickeln.<br />

In dieser Ausgabe von <strong>Herder</strong>-<br />

Aktuell haben wir einige Beiträge<br />

versammelt, die Sie in den bisherigen<br />

Jahresberichten noch nicht<br />

verfolgen konnten. Sie alle thematisieren<br />

auf die eine oder andere<br />

Weise das Leitmotiv von Transfer<br />

und Wissenswegen, welche zur<br />

Konstitutierung von historischen<br />

Regionen beitrugen, aber auch<br />

zur Entstehung von andersartigen<br />

Räumen, jenen, die durch Kommunikation<br />

und Wissensvermittlung<br />

geschaffen werden und politische<br />

Grenzziehungen ignorieren.<br />

Die ersten fünf der im folgenden<br />

vorgestellten Autoren bearbeiten<br />

ihre Projekte als Doktoranden<br />

und Habilitanden in unserer von<br />

der Leibniz-Gemeinschaft finanzierten<br />

Graduiertenschule, die im<br />

April 2010 unter dem Generalthema<br />

„Wissenskulturen in transnationalen<br />

Kontexten“ ihre Arbeit auf-<br />

genommen hat. Sie wurde am 6.<br />

Dezember 2010 feierlich eröffnet.<br />

Aufnahmen von der Festveranstaltung<br />

an der Universität Gießen,<br />

dem Hochschulpartner der Leibniz-<br />

Graduiertenschule, finden Sie im<br />

Umfeld der Themenbeiträge.<br />

Justyna Turkowska untersucht<br />

die grenzüberschreitende Wissensvermittlung<br />

am Beispiel von<br />

Hygiene-Diskursen in der Provinz<br />

Posen; Dominika Piotrowska stellt<br />

sich einem klassischen Kulturtransfer-Thema,<br />

nämlich dem Wandern<br />

von Kunststilen und Repräsentationsauffassungen<br />

in Grenzregionen,<br />

exemplifiziert an neumärkischer<br />

Residenzarchitektur; Konrad<br />

Hierasimowicz präsentiert einen<br />

historisch wie kommunikationstheoretisch<br />

neuartigen Raum, jenen<br />

des Web 2.0, als Verständigungs-,<br />

Appell- und Resonanzraum für die<br />

weißrussische National- und Oppositionsbewegung;<br />

Sylwia Werner<br />

erkundet die „Lemberger Moderne“<br />

des frühen 20. Jahrhunderts<br />

als Fluchtpunkt eines weit über<br />

Stadt und Region ausgreifenden<br />

transdisziplinären Konzepttransfers;<br />

Christian Lotz bringt Licht in<br />

die transnationalen und -imperialen<br />

Verflechtungen bei der Verbreitung<br />

statistischen, ökonomischen<br />

und ökologischen Know-hows am<br />

Beispiel der Diskussion um die europäischen<br />

Holzressourcen im 19.<br />

Jahrhundert.<br />

Außerdem gibt uns Dorothee M.<br />

Goeze, die als Archivarin in der<br />

Dokumentesammlung des <strong>Herder</strong>-<br />

<strong>Institut</strong>s arbeitet, Einblicke in ihr<br />

Dissertationsprojekt zu Leben und<br />

Werk des estnischen Kulturwissenschaftlers<br />

Otto A. Webermann, eines<br />

Grenzgängers zwischen Sprachen<br />

und historisch konstituierten<br />

Wissenschaftskulturen im Baltikum<br />

und in der westlichen Emigration.<br />

Hinzugesellt haben wir diesen<br />

Werkstattberichten aus der wissenschaftlichen<br />

Arbeit noch ein<br />

Selbstzeugnis, das mit der <strong>Institut</strong>sgeschichte<br />

und den durch das<br />

<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> konstitutierten Wissens-<br />

und Kommunikationswegen<br />

zwischen (West-)Deutschland und


Polen zu tun hat: Horst von Chmielewski,<br />

ehemaliger Leiter der <strong>Institut</strong>sbibliothek,<br />

erinnert sich an seine<br />

frühen Reisen und Kontakte in<br />

heute schon lang zurückliegenden<br />

schwierigeren Zeiten.<br />

Die neuzeitliche Residenzarchitektur<br />

in der Neumark<br />

Mein von Prof. Jan Harasimowicz<br />

(Universität Breslau/Uniwersytet<br />

Wrocławski) betreutes Dissertationsprojekt,<br />

das im Rahmen der<br />

Leibniz Graduate School entsteht,<br />

beschäftigt sich mit dem Wissens-<br />

und Ideentransfer zwischen der<br />

Neumark und ihren Grenzgebieten<br />

einerseits sowie den großen<br />

europäischen Kulturzentren andererseits<br />

und dessen visueller und<br />

wissenskultureller Ausprägung und<br />

Kontextualisierung.<br />

Die neumärkische Residenzarchitektur<br />

der Jahre 1535 bis 1807<br />

wird unter Berücksichtigung der<br />

folgenden Aspekte untersucht: Erstens<br />

sind die ideologischen und visuellen<br />

Transfers und Diskurse von<br />

Interesse, zum Zweiten die machtpolitischen<br />

und soziokulturellen<br />

Auseinandersetzungen um die<br />

Wissenskodierung und Aneignung<br />

neuer Ausdrucksformen, die in den<br />

architektonischen und stilistischen<br />

Formen sichtbar wurden.<br />

Die Residenzarchitektur und ihre<br />

Objekte – Schlösser, Herrenhäuser,<br />

Gutshäuser – können als Archive<br />

und Medium der transnational aufgespannten<br />

Wissensbestände und<br />

regional übergreifenden Praktiken<br />

betrachtet werden. Zum einen spiegeln<br />

sie das visuelle Wissen und die<br />

transnationalen Einflüsse, zum anderen<br />

entstehen sie als Resultate<br />

eines wissenskulturellen Diskurses<br />

zwischen Architekten und Stiftern<br />

bzw. Bauherren.<br />

Ferner steht ein Residenzbau<br />

nicht nur für eine Summe von<br />

räumlichen und personalen Gestaltungselementen,<br />

sondern auch<br />

Zum Weiterlesen:<br />

Tony Judt, Edge People, The New<br />

York Review of Books Blog, February<br />

23, 2010, URL: http://www.nybooks.<br />

com/blogs/nyrblog/2010/feb/23/edge-<br />

people/<br />

für bestimmte Formen personaler<br />

und symbolischer Interaktion sowie<br />

kommunikativer Integration. Dazu<br />

gehörten Hoftage, verschiedene<br />

Festpraktiken sowie spezifische<br />

Lebensformen und Methoden der<br />

Kommunikation, die sich durch<br />

Kleidung, Gestik und Körpersprache<br />

manifestierten. Der Hof etablierte<br />

sich durch ein „höfisches“<br />

Wissen. In den Räumen eines Residenzbaues<br />

wurden Rituale von<br />

Doris Bachmann-Medick, Cultural<br />

turns. Neuorientierungen in den Kultur-<br />

wissenschaften, Reinbek 2006.<br />

Prunk, Reichtum, Glanz und Macht<br />

inszeniert und die künstlerische<br />

Form der Bauten diente einer vielschichtigen<br />

Positionierung – von<br />

der familiären über die soziokulturelle<br />

bis zur machtpolitischen. Ein<br />

Residenzbau war also viel mehr<br />

als nur ein künstlerisch gestaltetes<br />

repräsentatives Gebäude, das<br />

den Mitgliedern des Adels als Regierungs-<br />

oder Wohnsitz diente. Er<br />

spiegelte die Wünsche der Stifter<br />

Innenhof Schloß Küstrin vor 1945 (oben) und 2010 (unten)<br />

5<br />

Dominika Piotrowska<br />

studierte<br />

Kunstgeschichte<br />

in Wrocław und<br />

Marburg. Seit<br />

2008 arbeitet<br />

sie am <strong>Herder</strong>-<br />

<strong>Institut</strong>. Aus ihrem<br />

Spezialgebiet, der<br />

frühneuzeitlichen<br />

Profanarchitektur<br />

in Ostmitteleuropa,<br />

stammt auch ihr<br />

Promotionsprojekt<br />

zur Rolle von<br />

Transfers in der<br />

neumärkischen<br />

Residenzarchitektur.<br />

Sie ist Stipendiatin<br />

der Leibniz<br />

Graduate School<br />

und Doktoratsstudentin<br />

der Universität<br />

Wrocław.


Justyna Turkowska<br />

studierte Politikwissenschaften,<br />

Geschichte und Soziologie<br />

in Warschau,<br />

Hannover und Berlin.<br />

Danach arbeitete<br />

sie in Deutschland<br />

und Polen, unter<br />

anderem in Projekten<br />

zum europäischen<br />

Kulturaustausch, bei<br />

der Organisation von<br />

Schülerwettbewerben<br />

und als Redakteurin<br />

der Zeitschrift<br />

„Krytyka Polityczna“.<br />

Seit 2010 ist sie Stipendiatin<br />

der Leibniz<br />

Graduate School am<br />

<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>.<br />

und der Bewohner, die Wünsche<br />

der Architekten sowie die kulturellen<br />

Sinnzuschreibungen beider<br />

Gruppen wider.<br />

Die Neumark stellt aufgrund<br />

der vielschichtigen transnationalen<br />

Austauschprozesse, denen sie<br />

unterlag, ein sehr interessantes<br />

Forschungsgebiet dar. Sie ist eine<br />

östlich der Oder gelegene historische<br />

Landschaft (das ehemalige<br />

Ostbrandenburg), die trotz ihres<br />

provinziellen Charakters zu einer<br />

Schnittstelle von unterschiedlichen<br />

ideologischen und visuellen Tendenzen<br />

wurde. Zu ihnen gehörten<br />

unter anderem der ideologische<br />

und visuelle Transfer aus Italien im<br />

16. Jahrhundert, aus den Niederlanden<br />

im 17., aus Frankreich und<br />

England im 18. und 19. Jahrhundert<br />

sowie aus den angrenzenden<br />

Gebieten. Dieser Transfer spielte für<br />

die Profanarchitektur in der Neumark<br />

eine große Rolle und bedeutete<br />

neben den visuellen Konzepten<br />

auch eine sinnstiftende Umdeutung<br />

der Wohnkultur.<br />

Wissenschaft als Wille und Vorstellung<br />

Salomon Neumann – ein Berliner<br />

Armenarzt und ein guter Freud von<br />

Rudolph Virchow – pflegte zu sagen,<br />

Medizin sei eine soziale Wissenschaft<br />

und die Politik sei nichts<br />

weiter als Medizin im Großen. Diese<br />

Aussage kann man nicht nur auf<br />

die Medizin, sondern vor allem auf<br />

die sich in der zweiten Hälfte des<br />

19. Jahrhunderts als Disziplin und<br />

Leitwissenschaft profilierende Hygiene<br />

anwenden, die zusammen<br />

mit der Wissens- und Wissenschaftspopularisierung<br />

im Fokus<br />

des hier vorgestellten Dissertationsprojekts<br />

steht. Der Arbeitstitel<br />

dieses Forschungsvorhabens<br />

lautet „Wissenschaft als Konstrukt<br />

und Inszenierung: ein deutsch-polnischer<br />

Vernetzungsfall im Spiegel<br />

6<br />

„Hygiene ist das Zauberwort der<br />

Moderne“<br />

Philipp Sarasin<br />

Bemerkenswert an der Neumark ist<br />

darüber hinaus, dass auf ihrem Territorium<br />

ein größeres bedeutsames<br />

Kulturzentrum fehlte. Daraus folgt,<br />

dass die Region besonders an einer<br />

künstlerischen Vernetzung mit<br />

außerhalb gelegenen Metropolen<br />

interessiert war. Sie wurde zum Ziel-<br />

und Durchdringungsgebiet vielfältiger<br />

Stiltransfers, die aus den unterschiedlichsten<br />

Kulturzentren kamen.<br />

Einen Schwerpunkt des Forschungsinteresses<br />

bilden die beiden<br />

im Feld der Residenzarchitektur<br />

agierenden sozialen Kreise – Stifter<br />

und Architekten. Einerseits besteht<br />

der Bedarf des künstlerischen, visuellen<br />

Ausdruckes seitens der<br />

Künstler, anderseits jener der Visualisierung<br />

ideologischer Bestrebungen<br />

seitens der Stifter. Aus diesem<br />

Aufeinandertreffen resultieren<br />

zahlreiche Fragen: Konnten beide<br />

Gruppen im Entstehungsprozess<br />

der Architektur erfolgreich kooperieren<br />

und gleichmäßig partizipieren<br />

und profitieren? Waren die Architekten<br />

und Baumeister immer den<br />

der Hygienediskurse“. Sein zentrales<br />

Anliegen ist, anhand der Hygienediskurse<br />

die konstitutive Rolle<br />

der Wissenschaftsvermittlung bei<br />

der Herausbildung von Wissenskulturen<br />

und -räumen sowie das<br />

Umdeutungs-, Stabilisierungs- und<br />

Hierarchisierungspotenzial der Wissenschaftspopularisierungaufzuspüren.<br />

Untersuchungsregion ist<br />

dabei ein preußisch-deutsch-polnischer<br />

Interferenzraum, die Provinz<br />

Posen in den Jahren 1871-1918.<br />

Dabei sind die folgenden Fragen<br />

leitend: Über welche Wissenswege<br />

wurde das hygienische Wissen<br />

vermittelt und in andere Wissensbereiche<br />

eingebunden? Inwiefern<br />

und wie wurde das Wissen instrumentalisiert;<br />

welche Bilder und gesellschaftlichen<br />

Strukturen wurden<br />

durch die Popularisierungsstrategien<br />

und -konzepte hervorgerufen,<br />

transformiert und etabliert; wie tief-<br />

Anforderungen der Stifter gewachsen?<br />

Übernahmen die Bauherren<br />

die westeuropäische Wohnkultur<br />

oder kann man von einer spezifisch<br />

„neumärkischen Wohnkultur“ sprechen?<br />

Wie haben sich innerhalb eines<br />

sich über fast 300 Jahre erstreckenden<br />

Zeitraumes die Rezeption<br />

und das Verständnis der Residenzarchitektur<br />

aus der Perspektive von<br />

Stiftern und Künstlern gewandelt?<br />

Die Arbeit betont also einen neuen<br />

Blickwinkel auf die regionale<br />

Architekturtradition, welche in den<br />

sozialen, politischen und wirtschaftlichen<br />

Kontext eingefügt wird. Statt<br />

die Architektur als ein geschlossenes<br />

System zu verstehen, wird sie<br />

als Resultat eines transnationalen<br />

Kulturtransfers betrachtet und bearbeitet.<br />

Das Forschungsprojekt<br />

geht somit über die bisherigen klassisch<br />

kunsthistorisch angelegten<br />

Arbeiten hinaus.<br />

gründig und dauerhaft wurden die<br />

Wissenskulturen und -räume durch<br />

diese Praktiken geprägt, definiert<br />

oder aber umgedeutet?<br />

Die Hygiene als eine Leitwissenschaft<br />

mit dem Anspruch auf<br />

Gehört- und Befolgtwerden profilierte<br />

sich im 19. Jahrhundert als<br />

eine gesundheitliche, aber auch<br />

moralische und soziale Normsetzungsinstanz,<br />

deren Beeinflussungs-<br />

und Durchsetzungskraft<br />

bis in die Bereiche der schulischen<br />

Ausbildung, der Bevölkerungspolitik,<br />

der Architektur oder sogar der<br />

Kriegsführung reichte. Dank ihres<br />

breit aufgeschlagenen Feldes (sex<br />

res non naturales) konnte sie als<br />

ein Aushandlungsort nicht nur für<br />

die Hygieniker, sondern auch für Ingenieure,<br />

Beamte, Lehrer, Priester<br />

und Popularisatoren aller Art sowie<br />

als eine Schnittstelle zwischen Populärwissenschaften<br />

und wissen-


schaftlichen Lehren fungieren. Die<br />

Populärwissenschaften dienten als<br />

Arena und Spiegelung der politischen<br />

und kulturellen Kontroversen<br />

und als Medium der Inszenierung<br />

und Konstruktion von Welterklärungsmodellen,<br />

die zwischen Laien<br />

und Wissenschaftlern entworfen<br />

wurden – in einem Dialog ohne eine<br />

scharfe Trennung, der durch einen<br />

offenen Zugang und eine gewisse<br />

Diskutierbarkeit der wissenschaftlichen<br />

Überlegungen gekennzeichnet<br />

war. Die hygienebezogenen<br />

Popularisierungspraktiken waren<br />

zwar auf die Verbreitung des hygienischen<br />

Wissens und auf die<br />

Implementierung neuester hygienischer<br />

Einrichtungen ausgerichtet.<br />

Sie beanspruchten aber auch<br />

gerade durch die Diskurse über<br />

soziale Schärfung oder moralische<br />

Disziplinierung die Hygienisierung<br />

des Sozialen, so dass man die Hygiene<br />

als eine Art Drehpunkt für die<br />

Verbreitung, Normierung und die<br />

soziale sowie nationale Kodierung<br />

des Wissens und der anhand dieses<br />

hygienischen Wissens geprägten<br />

transnational vernetzten hybriden<br />

Wissenskulturen wahrnehmen<br />

kann.<br />

In dem untersuchten preußischdeutsch-polnischen<br />

Wissensraum<br />

der Provinz Posen (einer im Zuge<br />

der drei Teilungen Polens und der<br />

napoleonischen Kriege von Preußen<br />

annektierten Provinz mit Sonderstatus),<br />

so meine zu prüfende Kernthe-<br />

se der Arbeit, unterlag die Wissenschaftspopularisierung<br />

sowohl der<br />

Hygiene als auch der anderen Wissenschaften<br />

einer doppelten aufklärerischen<br />

und nationalpolitischen<br />

Strategie und wurde oft politisch,<br />

national, kulturell oder aber konfessionell<br />

instrumentalisiert. Eine der<br />

Popularisierungsstrategien schien<br />

die nationale oder aber die soziale<br />

Mobilisierung zu sein, die häufig in<br />

Form einer direkten Ansprache und<br />

Zuordnung der Leser zu „unserem<br />

Volke“, zu „unseren Vorfahren“ oder<br />

durch eine Anspielung an gewisse<br />

nationale Redewendungen oder<br />

sozialgesellschaftliche Charakteristiken<br />

erfolgte. Anhand der Hygiene<br />

wurden u.a. die Gefahren- und<br />

Modernisierungskonzepte sowie<br />

die nationalen deutsch-polnischjüdischen<br />

und die konfessionellen<br />

Zuschreibungen ausgehandelt und<br />

konstruiert. Die Hygienediskurse<br />

spiegelten insofern nicht nur die<br />

Auseinandersetzungen um kulturelle<br />

und gesellschaftliche Bilder in<br />

den Zeiten nationaler Divergenzen<br />

und der Veränderung der vorherrschenden<br />

Deutungsmuster, sondern<br />

zeigen auch, wie bestimmte<br />

Wissensbestände wie die neusten<br />

medizinischen Entdeckungen oder<br />

Kanalisationseinrichtungen vom<br />

Zentrum in die Grenzregionen (u.a.<br />

Berlin – Posen, Posen – restliche<br />

Provinzteile), aber auch zwischen<br />

mehreren Zentren (u.a. Posen –<br />

Krakau – Lemberg – Warschau<br />

– Berlin – Dresden) vermittelt und<br />

in einem transnational geprägten<br />

Wissensraum aufgenommen und<br />

regional/kulturell/konfessionell angepasst<br />

wurden. Aufgrund ihrer<br />

mehrschichtigen kulturellen, konfessionellen<br />

und nationalen Struktur<br />

– in der Provinz Posen war die<br />

nationale und konfessionelle Zugehörigkeit<br />

nicht immer überlappend<br />

und die sprachlich konstruierte<br />

Identität höchst problematisch –<br />

stellt diese Region ein spannendes<br />

Untersuchungsfeld dar, in dem man<br />

nicht nur die ostmitteleuropäischen<br />

Popularisierungsmuster und wissenskulturelle<br />

Ausprägungen untersuchen,<br />

sondern auch die Mechanismen<br />

des Wissenstransfers, der<br />

Hybridisierung von Wissensräumen<br />

sowie von multilatenten dialogischen<br />

Wissenskulturen aufspüren<br />

und dechiffrieren kann.<br />

Die zu präsentierende Erforschung<br />

der Wissenschaftspopularisierung<br />

und deren Logik streben<br />

einen neuen wissenskulturellen<br />

Blickwinkel auf die regionale und<br />

transnationale Verflechtung der Region<br />

an. Sie hat zum Ziel, die deutschen<br />

Interpretationsparadigmen<br />

in Bezug auf die wissenschaftliche<br />

Kultur im preußisch-deutsch-polnischen<br />

Wissensraum zu überprüfen<br />

sowie der Frage nachzugehen, wie<br />

tiefgründig und dauerhaft Wissensordnungen<br />

und -kulturen durch<br />

solche Praktiken geprägt werden<br />

und welche Aspekte der heutigen<br />

Wissensgesellschaft auf diese Popularisierungsversuche<br />

des 19.<br />

Jahrhunderts zurückzuführen sind.<br />

7


Christian Lotz, Dr.<br />

phil., 1996-2003 Studium<br />

der Geschichte<br />

und Sozialwissenschaften<br />

in Leipzig,<br />

Edinburgh, Wien und<br />

Poznań/Posen. 2007<br />

Promotion in Stuttgart.<br />

2008/09 Forschungsaufenthalte<br />

am <strong>Institut</strong> für Europäische<br />

Geschichte<br />

in Mainz sowie an<br />

den Deutschen Historischen<br />

<strong>Institut</strong>en<br />

in Warschau und<br />

London. Seit Herbst<br />

2010 Stipendiat am<br />

<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> in<br />

Marburg.<br />

Flusssysteme als<br />

Transportwege der<br />

Holzwirtschaft im<br />

Ostseeraum,<br />

Mitte 19. Jh.<br />

Rohstoffnachschub in Gefahr?<br />

Internationale Debatten um die Verfügbarkeit von Holzressourcen im<br />

Europa des 19. Jahrhunderts<br />

Beinahe wöchentlich hört man in<br />

Presse und Rundfunk von der Sorge<br />

um Ressourcen und Energie:<br />

Mal sind es Chinas Seltene Erden,<br />

dann wieder ein Solarenergie-Projekt<br />

in der Sahara oder das Öl in<br />

der Arktis. Solche Aufmerksamkeit<br />

für Ressourcen und deren Nutzung<br />

ist nicht allein ein Phänomen unserer<br />

heutigen Zeit. In der Geschichte<br />

begegnen uns zahlreiche Fälle, in<br />

denen Menschen über die Nutzung<br />

von Rohstoffen nachdachten und<br />

Maßnahmen ergriffen, um sie gegenwärtig<br />

und zukünftig nutzen zu<br />

können. Einer dieser Rohstoffe ist<br />

Holz.<br />

Historische Forschungsprojekte<br />

haben sich schon seit den 1960er<br />

Jahren mit der Ressource Holz<br />

befasst. Es ist auffällig, dass sich<br />

viele bisherige Studien in engen regionalen<br />

oder nationalen Grenzen<br />

bewegen, obwohl Holz bereits seit<br />

der Frühen Neuzeit grenzübergreifend<br />

gehandelt wurde. Ein wichtiger<br />

Handelsweg zog sich bspw.<br />

aus dem Ostseeraum durch das<br />

Skagerrak zu den Kolonialmächten<br />

des 17. und 18. Jahrhunderts, etwa<br />

nach Großbritannien oder in die<br />

Niederlande.<br />

8<br />

Grenzübergreifende Zusammenhänge<br />

stehen im Mittelpunkt des<br />

hier vorzustellenden Projekts. Es<br />

konzentriert sich auf die zweite<br />

Hälfte des 19. Jahrhunderts und<br />

verfolgt die Frage, wie Wissenschaftler<br />

die gegenwärtige und<br />

zukünftige Verfügbarkeit von Holzressourcen<br />

international diskutierten.<br />

Wie drängend den Zeitgenossen<br />

die Frage der Versorgung mit<br />

Nutzholz erschien, wird deutlich,<br />

wenn man sich beispielhaft vor<br />

Augen führt, dass zwischen 1871<br />

und 1890 der Import von Nutzholz<br />

ins Deutsche Reich um das Vierfache<br />

stieg: Insbesondere Bergwerke<br />

und das Eisenbahnnetz, aber auch<br />

Städte- und Schiffbau verlangten<br />

nach immer größeren Holzmengen.<br />

Die Untersuchung wählt als<br />

Akteure zum einen solche Statistiker,<br />

Forstwissenschaftler und<br />

Ökonomen, die an Forschungseinrichtungen<br />

der Imperien Ostmitteleuropas<br />

(Deutsches Reich,<br />

Österreich-Ungarn, Russland) tätig<br />

waren. Zum anderen werden auch<br />

solche Wissenschaftler berücksichtigt,<br />

die Kontakte nach Ostmitteleuropa<br />

pflegten. Dazu gehören<br />

bspw. Forstwissenschaftler aus<br />

Skandinavien, da der nördliche<br />

Ostseeraum in forstwirtschaftlicher<br />

Hinsicht von ganz ähnlichen<br />

Entwicklungen geprägt war wie<br />

der südliche, aber auch Fachleute<br />

aus Großbritannien, die sich um<br />

den Holznachschub für die eigene<br />

Volkswirtschaft sorgten und daher<br />

aufwändige Erkundungen über die<br />

verfügbaren Holzressourcen in Ostmitteleuropa<br />

anstrengten.<br />

Eine markante Entwicklung, die<br />

die Diskussion unter Fachwissenschaftlern<br />

zwischen 1870 und 1914<br />

prägte, lässt sich als „Verschiebung<br />

des räumlichen Horizonts“ charakterisieren:<br />

Noch Mitte des 19.<br />

Jahrhunderts orientierten sich Erschließung<br />

und Nutzung von Holzressourcen<br />

beinahe ausschließlich<br />

an vorhandenen Wasserwegen.<br />

Da Holz eine schwere Ware ist,<br />

wären andere Transportwege zu<br />

kostspielig gewesen. Der räumliche<br />

Horizont, in dem die Akteure<br />

die Erschließung von Holzressourcen<br />

diskutierten, orientierte sich<br />

daher an den Wasserscheiden in<br />

Europa. Die beigefügte Karte zeigt<br />

dies exemplarisch für jene Flüsse,<br />

die in die Ostsee münden (vgl.<br />

dazu Karte: Der Ostseeraum). Mit<br />

der Ausbreitung des Eisenbahnnetzes<br />

in Ostmitteleuropa während<br />

der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />

dehnte sich nicht nur der<br />

nutzbare Raum für den Holzhandel<br />

über die Ostsee aus, sondern<br />

auch der räumliche Horizont der<br />

fachwissenschaftlichen Debatte.<br />

Geradezu beispielhaft wurde dies<br />

in den Verhandlungen des internationalen<br />

forstwissenschaftlichen<br />

Kongresses 1890 in Wien deutlich:<br />

Anders als noch Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

erschien den anwesenden<br />

Wissenschaftlern nun jede Region<br />

erschließbar, und sei sie noch so<br />

abgelegen. Daher hob eine Debatte<br />

an, ob und inwieweit die Forstwissenschaft<br />

an tradierten Konzepten<br />

von Nachhaltigkeit (hier rein ökono-


misch verstanden als das Prinzip,<br />

nur so viel Holz zu fällen, wie nachwachsen<br />

kann) festhalten müsse.<br />

Einerseits meldeten sich Stimmen,<br />

die eine Überwindung solcher<br />

Nachhaltigkeitsvorstellungen for-<br />

Die Entstehung von Ludwik Flecks Wissenschaftstheorie<br />

in der Wissenskultur<br />

der Lemberger Moderne<br />

Die Leitfrage des Marburger Leibniz<br />

Graduate School-Stipendienprogramms<br />

nach der transnationalen<br />

Zirkulation, Transformation und Tradierung<br />

von Wissen soll in meinem<br />

Forschungsprojekt selbstreflexiv<br />

weitergetrieben werden, indem nun<br />

gefragt wird, in welchen sozialen<br />

Kontexten und unter welchen historischen<br />

und kulturellen Voraussetzungen<br />

Theorien entstehen und<br />

sich durchsetzen können, die die<br />

kulturelle und soziale Bedingtheit<br />

von Wissenschaft behaupten. Ein<br />

früher Kronzeuge für die theoretische<br />

Grundlegung einer kulturalistischen<br />

Wissenschaftsauffassung<br />

ist der aus Lemberg stammende<br />

polnische Mediziner und Wissenschaftstheoretiker<br />

Ludwik Fleck<br />

(1896-1961).<br />

In meinem Projekt will ich zeigen,<br />

dass Flecks Theorie über die sich<br />

durch die Zirkulation und Transfomation<br />

von Ideen formierenden<br />

Denkstile und Denkkollektive ihrerseits<br />

in einem ganz bestimmten<br />

wissenskulturellen Milieu entstand,<br />

das sich durch eine ungewöhnliche<br />

dichte Vernetzung von Literatur,<br />

Kunst und Wissenschaften auszeichnete<br />

und innerhalb dessen<br />

sich zudem spezifische experimentelle<br />

Praktiken in Wissenschaft und<br />

Kunst ausgebildet hatten. Dieser<br />

fluktuierende ‚Denkverkehr‘, der auf<br />

engem Raum quer durch alle Disziplinen<br />

und kulturellen Gebiete zwischen<br />

hervorragenden Forschern<br />

und Kulturschaffenden stattfand,<br />

von denen viele seinerzeit zur Weltspitze<br />

zählten, brachte Flecks kulturalistische<br />

Theorie hervor. Am<br />

derten, da mit der Entwicklung des<br />

Verkehrswesens Holz von überall<br />

herangeschafft werden könne. Andererseits<br />

ließen sich Mahnungen<br />

vernehmen, dass die Entwicklung<br />

des Eisenbahnwesens eine Gefahr<br />

Lemberger ,Denkverkehr‘ nahmen<br />

u.a. teil: der Maler, Logiker und Philosoph<br />

Leon Chwistek, der Mathematiker<br />

und Begründer der Lemberger<br />

Mathematikerschule Hugo<br />

Steinhaus, der Serologe, Blutgruppen-<br />

und Rhesusfaktor-Entdecker<br />

sowie Erfinder des Vaterschaftstests<br />

Ludwik Hirszfeld, der Kinderarzt,<br />

Direktor der Lemberger Oper<br />

und Fotograf, Erfinder der fotografischen<br />

Blende Franciszek Groër,<br />

der Mathematiker und Begründer<br />

der modernen Funktional-Analysis<br />

Stefan Banach, der Psychiater Jakob<br />

Frostig und die Pädagogin Marianne<br />

Frostig und schließlich der<br />

Biologe Rudolf Weigl, der mit seiner<br />

Forschergruppe, zu der auch Fleck<br />

gehörte, den Anti-Fleckfieberimpfstoff<br />

entdeckte, wofür er mehrfach<br />

zum Nobel-Preis nominiert war.<br />

Fleck führte auch Kontroversen mit<br />

der Philosophin Izydora Dąmbska,<br />

dem Psychologen Tadeusz Tomaszewski<br />

und dem Psychiater<br />

Tadeusz Bilikiewicz. Zum gleichen<br />

bedeute, da nun auch jene Regionen<br />

angetastet würden, die lange<br />

Zeit als sichere Reserven für den<br />

Holzbedarf der Volkswirtschaften<br />

Europas angesehen worden waren.<br />

Zeitpunkt dominierten die Diskussionen<br />

in Lemberg die Philosophen<br />

aus der berühmten, sich der<br />

Semantik, Wissenschaftstheorie<br />

und Logik widmenden Lemberg-<br />

Warschauer Schule, wie Kazimierz<br />

Twardowski, Kazimierz Ajdukiewicz,<br />

Alfred Tarski und Władysław<br />

Tartakiewicz, aber auch Roman<br />

Ingarden war seinerzeit in der<br />

Stadt. Leopold Infeld – der spätere<br />

wissenschaftliche Partner Einsteins<br />

– begann seine Laufbahn<br />

als Physiker, Bronisław Malinowski<br />

begründete zu dieser Zeit die moderne<br />

Ethnologie, die vielseitigen<br />

Künstler Stanisław Lem, der als<br />

Junge Flecks Labor besuchte, und<br />

Stanisław Ignacy Witkiewicz zählten<br />

wie Bruno Schulz und Joseph<br />

Roth zum weiteren Umfeld Flecks.<br />

In diesem einzigartigen kulturellen<br />

und wissenschaftlichen Milieu<br />

Lembergs entwickelt Fleck seine<br />

Theorie über die Entstehung wissenschaftlicher<br />

Tatsachen, der zufolge<br />

Entdeckungen nicht Resultate<br />

9<br />

Sylwia Werner<br />

studierte Germanistik<br />

in Olsztyn<br />

und promovierte<br />

in Berlin. Sie<br />

war WissenschaftlicheMitarbeiterin<br />

an der Goethe-<br />

Universität Frankfurt<br />

und am Berliner<br />

Max-Planck-<br />

<strong>Institut</strong> für Wissenschaftsgeschichte.<br />

An der Leibniz<br />

Graduate School<br />

bearbeitet sie ein<br />

Postdoc-Vorhaben<br />

über Ludwik<br />

Flecks Wissenschaftstheorie.


Konrad Hierasimowicz<br />

studierte<br />

Soziologie, Informatik<br />

und Europäische<br />

Ethnologie /<br />

Kulturwissenschaft in<br />

Marburg. Seit 2010<br />

ist er Doktorand an<br />

der Leibniz Graduate<br />

School. Seine<br />

Arbeitsschwerpunkte<br />

sind Neue Medien;<br />

Minderheiten, Identitäten<br />

und nationale<br />

Diskurse in Ostmittel-<br />

und Osteuropa<br />

mit Schwerpunkt<br />

Belarus.<br />

einzelner Individuen sind, sondern<br />

von (Denk-)Kollektiven in komplexen<br />

Austauschprozessen unter bestimmten<br />

sozialen und psychologischen<br />

Umständen erzeugt werden.<br />

Was liegt nun näher als Flecks The-<br />

Von zweimal Belarus zu Belarus 2.0<br />

Mediale Narration nationaler Vergangenheit und Identität im Übergang<br />

von Printmedien zu Social Media<br />

Im Herbst 2011 jährt sich der Austritt<br />

der Republik Belarus (Weißrussland)<br />

aus der Sowjetunion<br />

zum zwanzigsten Mal. Doch selbst<br />

nach zwei Jahrzehnten staatlicher<br />

Unabhängigkeit existiert dort kein<br />

allgemein anerkanntes Bild der nationalen<br />

Geschichte und Identität.<br />

Zwei disparat operierende Diskurslager<br />

spalten die Gesellschaft und<br />

polarisieren sich entlang einer Ost-<br />

West-Achse historischer Deutung:<br />

Der offizielle Standpunkt tendiert<br />

dazu, westliche Einflussnahmen als<br />

fremd und kolonialistisch zu interpretieren,<br />

der oppositionelle sieht<br />

dagegen in der russischen und sowjetischen<br />

Präsenz überwiegend<br />

imperialistische und feindliche Motive.<br />

Seit dem letzten Jahrzehnt finden<br />

diese Diskurse zunehmend im<br />

Internet statt. Primäre Motive sind<br />

dabei politischer und ökonomischer<br />

Natur: Die staatliche Zensur, welche<br />

das Publizieren abweichender Ansichten<br />

einschränkt, wird dadurch<br />

kostengünstig umgangen. In meiner<br />

Dissertation, die im Rahmen der<br />

Leibniz Graduate School entsteht,<br />

möchte ich die aus unterschiedlichen<br />

Wissenskulturen heraus geführten<br />

Online-Diskurse belarussischer<br />

Vergangenheitsdeutung und<br />

Identität anhand eines geeigneten<br />

diskursanalytischen Instrumentariums<br />

untersuchen. In erster Linie<br />

soll dabei überprüft werden, inwiefern<br />

die nationalen Diskurse im Internet<br />

ihren in der Printmedien-Ära<br />

tradierten Praktiken folgen und wie<br />

offen sie neuen Logiken der Wissensvermittlung<br />

gegenüber sind.<br />

10<br />

orie auf ihn selbst anzuwenden?<br />

Den seinerzeit in Lemberg quer<br />

durch die Disziplinen und zwischen<br />

Wissenschaften und Künsten zirkulierenden<br />

Gedanken, Konzepten,<br />

Wahrnehmungsweisen, Methoden,<br />

Die Geschichte der impliziten<br />

Diskursmotive reicht bis ins 19.<br />

Jahrhundert zurück, als die Idee einer<br />

modernen belarussischen Nation<br />

durch Aktivitäten der im vor- und<br />

transnationalen Raum handelnden<br />

Wissenschaftler und Intellektuellen<br />

entstand. Die überwiegend aus<br />

russischem und polnischem Kulturraum<br />

stammenden Forscher untersuchten<br />

ethnokulturelle Besonderheiten<br />

nordwestlicher Gebiete des<br />

Zarenreiches und lieferten national<br />

motivierten Regionaleliten wissenschaftlich<br />

untermauerte Leitlinien,<br />

um die Geschichte des Großfürstentums<br />

Litauen, in dessen Grenzen<br />

sich das heutige Belarus bis 1795<br />

befand, aus einer belarussisch nationalen<br />

Perspektive zu deuten. Das<br />

auf dieser Grundlage ausgearbeitete<br />

nationalgeschichtliche Wissen<br />

verließ jedoch, bedingt durch den<br />

geringen Urbanisierungsgrad und<br />

niedrigen Bildungsstand der Bevölkerung,<br />

kaum seine überschaubar<br />

kleinen Kreise. Im Zuge des 20.<br />

Jahrhunderts veranlassten mehrere<br />

Machtsysteme Neuinterpretationen<br />

der belarussischen Geschichte<br />

und hinterließen die sich bis in die<br />

Gegenwart auswirkende asymmetrische<br />

Koexistenz disparater Entwürfe.<br />

Massenwirksame Verbreitungsmechanismen<br />

nationaler Geschichtskonzepte<br />

sind in Belarus,<br />

wie auch in anderen Ländern, stark<br />

von Entscheidungen staatlicher <strong>Institut</strong>ionen<br />

abhängig. In den letzten<br />

Jahren eröffnet jedoch das Internet<br />

immer mehr Menschen den Zugang<br />

zu alternativen Informationsquellen.<br />

Motiven und Stilen gilt es en detail<br />

nachzuspüren, um so die Formierungsprozesse<br />

eines spezifischen<br />

Lemberger Denkstils transparent zu<br />

machen.<br />

In Belarus ist das Medium besonders<br />

unter den jüngeren Bevölkerungsschichten<br />

populär und gilt als<br />

eine Oase des Pluralismus, den die<br />

klassischen Medien nicht ansatzweise<br />

bieten. Nationale Geschichte<br />

und Identität sind ihrem kontroversen<br />

Potential entsprechend stark<br />

vertretene Themen, und obwohl<br />

derartige publizistische Tätigkeiten<br />

bisher geringe Tragweite aufweisen,<br />

ist eine positive Entwicklung<br />

zu beobachten. Ein bedeutender<br />

Teil der Akteure befindet sich im<br />

Ausland und wäre ohne das Internet<br />

vom inländischen Diskurs größtenteils<br />

isoliert.<br />

Die Beschleunigung und Enträumlichung<br />

der Informationsverbreitung<br />

charakterisieren jedoch<br />

nicht den markantesten Unterschied<br />

zwischen Internet und Printmedien.<br />

Das qualitative Novum verbirgt sich<br />

hinter dem vereinfachenden Begriff<br />

Web 2.0 (oder Social Media), der<br />

die rasante Entfaltung interaktiver<br />

und kollaborativer Potentiale des<br />

Mediums bezeichnet: Jeder Nutzer<br />

kann bei Bedarf in den dynamisch<br />

und egalitär organisierten Herstellungsprozess<br />

der Online-Inhalte<br />

eingreifen. Die Wikipedia veranschaulicht<br />

als bevorzugtes Beispiel<br />

dieser Entwicklung, wie aus Beiträgen<br />

einzelner Teilnehmer eine ansehnliche,<br />

von unten organisierte<br />

Wissenssammlung emergiert. In einer<br />

aktuellen Studie zu diesem Thema<br />

kommt die Autorin zum Ergebnis,<br />

dass dieser Praxiswandel in der<br />

Wissenskonstruktion und -vermittlung<br />

nachhaltige und grundlegende<br />

Veränderungen der Wissenskultur


Kamunikat.org – ein Web 2.0 basiertes belarussisches Kulturportal mit<br />

umfangreicher Sammlung sonst schwer erhältlicher, von der offiziellen<br />

Realitätsdeutung abweichendender Literatur<br />

nach sich zieht: Die zunehmend<br />

verbreitete Erkenntnis, dass Wissen<br />

ein gesellschaftliches Konstrukt<br />

ist, verringert seinen universalen<br />

Anspruch und stellt eine Koexistenz<br />

potentiell widersprüchlicher<br />

Wahrheiten in Aussicht. Da sich die<br />

Wissensproduktion jedoch nicht<br />

dauerhaft durch Beliebigkeit auszeichnen<br />

kann, kann das klassische<br />

Wahrheitsmodell des Wissens vom<br />

Konsensmodell sukzessiv abgelöst<br />

werden. (siehe Daniela Pscheida:<br />

Das Wikipedia-Universum. Wie das<br />

Internet unsere Wissenskultur verändert,<br />

Bielefeld 2010.)<br />

Estnische Kulturgeschichte in Deutschland?<br />

Möglichkeiten und Grenzen der Kulturvermittlung in Zeiten des<br />

Kalten Krieges<br />

Der Austausch von Kultur, von Wissen<br />

über Kultur ist heute ein vieldiskutiertes<br />

Thema in Bezug auf einzelne<br />

Länder und Regionen und ist<br />

nicht zuletzt auch mit der Vermittlung<br />

im www-Netz verbunden.<br />

Die hier vorgestellte Arbeit beschäftigt<br />

sich mit einer Kulturvermittlung<br />

in einem besonderen<br />

Sinne des Wortes, nämlich mit der<br />

verbindenden Tätigkeit durch eine<br />

Person. Somit steht nicht ein Ort<br />

oder eine Metropole als Kulturum-<br />

Betrachtet man belarussische Diskurse<br />

über nationale Identität und<br />

Geschichte aus dieser Perspektive<br />

und stellt sich ihre Ost-West-<br />

Deutungsachse in einem zweidimensionalen<br />

Grafen vor, bietet<br />

sich für seine vertikale Achse die<br />

Diskursoffenheit als eine sinnvoll<br />

korrespondierende Größe an. Ihre<br />

Ausprägungen reichen von stark<br />

monologischen bis zu pluralistischdialogischen<br />

Standpunkten: Ein Teil<br />

der Akteure beider Lager verharrt in<br />

klassischen Deutungsmustern und<br />

reproduziert Wissen stets im Rahmen<br />

tradierter Narrative, ein an-<br />

schlagplatz im Fokus, sondern eine<br />

ganz konkrete Person als Mittler<br />

von Informationen, die der wissenschaftlichen<br />

und der ethnokulturellen<br />

Geistesgeschichte eines Landes<br />

zugehören.<br />

Der estnische Literatur- und Kulturwissenschaftler<br />

Otto A. Webermann<br />

(1915-1971) teilt in seinem<br />

Lebensweg einerseits das typische<br />

Schicksal eines Esten in der Heimat,<br />

dann im Exil; andererseits hat<br />

er eine ganz besondere Stellung<br />

derer Teil versteht Geschichte und<br />

Identität als einen Prozess, der ein<br />

Optimum nur mit offenen Diskursen<br />

erreichen kann.<br />

An dieser Stelle knüpft meine<br />

Arbeit an und untersucht, wie sich<br />

der erfolgende mediale Wandel des<br />

Umgangs mit Wissen auf die Diskurse<br />

über belarussische nationale<br />

Geschichte auswirkt. Die zentrale<br />

Frage betrifft die aus unterschiedlichen<br />

Wissenskulturen heraus<br />

geführten diskursiven Deutungs-<br />

und Narrationslogiken historischer<br />

Ereignisse und die Resultate der<br />

Konfliktaustragung in einem konsensorientierten,<br />

klassische Machtstrukturen<br />

umgehenden Medium.<br />

Kann im Web 2.0 eine populärwissenschaftliche<br />

Synthese disparater<br />

Geschichtsentwürfe entstehen und<br />

lassen sich Verlagerungen der Diskurse<br />

im Rahmen des oben vorgeschlagenen<br />

Grafen beobachten?<br />

Ferner motiviert die leitende Frage<br />

zu allgemeineren Überlegungen<br />

über Chancen und Herausforderungen<br />

der sich durch die Neuen<br />

Medien wandelnden Wissens- und<br />

Wissenschaftspraxis im Hinblick<br />

auf die bestehende Möglichkeit der<br />

Objektivierung wissenskulturell bedingter<br />

Deutungsmuster und ihre<br />

reflexive Einbindung in einen transnationalen<br />

historischen Diskurs.<br />

Otto A. Webermann 1945 aus der<br />

Kriegsgefangenschaft kommend,<br />

Bildarchiv <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>: 159661<br />

11<br />

Dorothee M.<br />

Goeze<br />

studierte Buchwesen,<br />

Vergleichende<br />

Sprachwissenschaft,<br />

Geschichte<br />

in Mainz und<br />

Tartu/Estland,<br />

und arbeitete als<br />

wissenschaftliche<br />

Angestellte an der<br />

Universität Mainz.<br />

Seit 2000 ist sie<br />

Mitarbeiterin in<br />

der Dokumentesammlung<br />

des<br />

<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s.<br />

Ihre Arbeitsgebiete<br />

umfassen:<br />

Sprachen und ihre<br />

soziokulturellen<br />

Hintergründe, Kulturwissenschaft,<br />

Estland und die<br />

Geschichte des<br />

Baltikums.


Otto A. Webermann<br />

zeigt einen<br />

Band aus der Universitätsbibliothek<br />

Dorpat, Aufnahme<br />

wohl 1943,<br />

Bildarchiv <strong>Herder</strong>-<br />

<strong>Institut</strong>: 168517<br />

Horst von Chmielewski<br />

ist promovierter<br />

Slavist und<br />

wissenschaftlicher<br />

Bibliothekar. Von<br />

April 1972 bis April<br />

1999 war er Leiter<br />

der Bibliothek des<br />

<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s.<br />

innerhalb der wissenschaftlichen<br />

Diskussion seiner Zeit inne.<br />

Der Zeitrahmen seines Wirkens<br />

umfasst die freie Republik Estland,<br />

die Zeit des Zweiten Weltkriegs in<br />

Estland und Deutschland und die<br />

Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in<br />

Deutschland.<br />

Eine bloße Biografie mit der<br />

Schilderung der Lebensstationen<br />

wird der Würdigung dieses estnischen<br />

Gelehrten aber nicht gerecht.<br />

Die Betrachtung eines Lebensweges<br />

unter den Aspekten<br />

eines bestimmten Kapitals, das ein<br />

Mensch für seine wissenschaftlichen<br />

Arbeiten nutzt und was ihn<br />

von anderen Zeitgenossen abhebt,<br />

ist mit vielerlei Fragestellungen behaftet.<br />

Diese fließen, mit Bezug auf<br />

die Kulturtheorie Pierre Bourdieus,<br />

in die hier vorgestellte Arbeit ein:<br />

12<br />

Webermanns Bildungsweg und<br />

seine Forschungsthemen, die er<br />

in Veröffentlichungen, in Lehrveranstaltungen<br />

und Vorträgen präsentieren<br />

konnte. Überlegungen<br />

darüber führen immer zur Wahrnehmung<br />

der politischen und auch<br />

bürokratischen Umstände, denen<br />

Webermann ausgesetzt war. Sein<br />

persönliches „Kulturkapital“ hat er<br />

letztendlich eher als „unsichtbares<br />

Fluchtgepäck“ aus Estland mitgenommen,<br />

als er 1944 sein Heimatland<br />

verließ. Die Möglichkeiten und<br />

Grenzen der Vermittlung dieses<br />

„unsichtbaren Kapitals“ werden<br />

erläutert: Da Webermann keinerlei<br />

einflussreiches oder gar prestigeträchtiges<br />

Amt wahrnehmen<br />

konnte, gilt es, sich mit seinen Forschungen<br />

und seiner Arbeitsmethode<br />

näher zu beschäftigen: Er hat<br />

sich im literaturwissenschaftlichen<br />

und im sprach- und kulturwissenschaftlichen<br />

Bereich auf estnische<br />

und baltische Themen konzentriert.<br />

Bei der Betrachtung der Themen<br />

ist durchaus zu berücksichtigen, in<br />

welchem Zusammenhang er arbeitete:<br />

Nicht selten handelte es sich<br />

um Auftragsarbeiten, die er anfertigen<br />

musste, um Geld zu verdienen.<br />

In Selbstzeugnissen gibt es aber<br />

Erkenntnisse über den Mittelpunkt<br />

seiner eigenen Forschungen: In<br />

diesem stand das 18. Jahrhundert,<br />

das durch aus Deutschland<br />

kommende Einflüsse auf die Geistesgeschichte<br />

Estlands (so in der<br />

Herrnhuter Bewegung und der Aufklärung)<br />

geprägt war. Webermanns<br />

bedeutsame Leistung hierbei liegt<br />

in seiner weitsichtigen, alle verschiedenen<br />

Aspekte bedenkenden<br />

Art der wissenschaftlichen Beschäftigung,<br />

gerade auch mit der<br />

Berücksichtigung und Würdigung<br />

von Kultureinflüssen, die auf die<br />

estnische kulturelle Eigenart wirkten.<br />

Diese negierte er in ihrer Bedeutung<br />

für die Entwicklung der<br />

estnischen Kulturgeschichte nicht<br />

und stellte ihnen die eigene estnische<br />

Historie als gleichwertig gegenüber.<br />

In diesem Sinne war Webermann<br />

mit seinem Standort Göttingen (ab<br />

1946 bis zu seinem Tod 1971) ein<br />

Vermittler von Wissen über Estland<br />

allgemein, über die estnische Geschichte,<br />

Literaturgeschichte, Folklore<br />

und Sprachwissenschaft. Dargestellt<br />

werden seine vermittelnden<br />

Tätigkeiten zu Esten im weiteren<br />

Ausland (wie USA, Kanada oder<br />

Schweden), zu den Deutschbalten<br />

in Deutschland und nicht zuletzt zu<br />

den Esten in der Heimat. Daneben<br />

scheint immer wieder eine neue<br />

Art der Betrachtungsweise der<br />

gesamtbaltischen Kulturgeschichte<br />

jenseits nationaler Schranken<br />

durch Webermann auf.<br />

Bibliothekarische Polen-Reisen<br />

in dramatischer Zeit (1979 bis 1983)<br />

Vor 30 Jahren erschütterten und<br />

faszinierten die Bilder von den<br />

Streiks auf der Danziger Lenin-<br />

Werft die Welt und es erscheint gerechtfertigt,<br />

dass die Medien auch<br />

hierzulande kürzlich wieder daran<br />

erinnerten, dass Polen seinerzeit<br />

im Ostblock einen Außenseiter<br />

darstellte. Die Danziger Ereignisse<br />

bildeten den Höhepunkt eines<br />

zehnjährigen Konflikts zwischen<br />

Arbeiterschaft und Parteiführung in<br />

Polen. Da meine erste Polenreise in<br />

den Mai 1979 und eine weitere in<br />

den Sommer 1980 fiel, wurde ich<br />

zeitweise Zeuge einer stürmischen<br />

Entwicklung.<br />

Für das <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> war Polen<br />

ein einfacherer Partner als die<br />

ideologisch fixierte ČSSR oder die<br />

baltischen Sowjetrepubliken. Im<br />

<strong>Institut</strong> galt Polen auch auf Grund<br />

seines geografisch und bevölkerungsmäßig<br />

größeren Gewichts<br />

als besonders interessanter Partner.<br />

Ich übernahm 1976 das Polen-Referat<br />

innerhalb der Bibliothek<br />

und begann 1978 mit Vorbereitungen<br />

einer ersten Polen-Reise eines<br />

Bibliotheksleiters, nachdem<br />

Tauschbeziehungen ohne persönliche<br />

Kontakte bereits seit den sechziger<br />

Jahren bestanden. Die Reise<br />

fiel in die Zeit eines gesellschaftlichen<br />

Aufbruchs, gekennzeichnet<br />

einerseits durch die gerade erfolg-


te Wahl Karol Wojtyłas zum polnischen<br />

Papst, andererseits durch<br />

die sich verstärkenden sozialen<br />

Spannungen nach den Arbeiteraufständen<br />

von 1970 und 1976,<br />

die schließlich zur Gründung der<br />

„Solidarność“ führen sollten, insgesamt<br />

in eine Zeit der gesellschaftlichen<br />

Öffnung des Landes.<br />

Meine durch Korrespondenz mit<br />

den jeweiligen Einrichtungen vorbereitete<br />

Reise begann mit einem<br />

Besuch in einem Vorort von Krakau<br />

bei Prof. Dr. Alfons Schletz, einem<br />

Experten für die Geschichte<br />

der katholischen Kirche Polens und<br />

Herausgeber der Zeitschrift „Nasza<br />

Przesłość“. Prof. Schletz stellte<br />

in seinem <strong>Institut</strong> die Dokumentation<br />

seiner wissenschaftlichen und<br />

redaktionellen Arbeit in eindrucksvoller<br />

Weise vor. Ein sich anschließender<br />

Besuch der „Jagiellonischen<br />

Bibliothek“ in Krakau diente<br />

der gegenseitigen Information mit<br />

dem Ziel einer möglichen Ausweitung<br />

der Tauschbeziehungen und<br />

dem Kennenlernen der zweitwichtigsten<br />

Bibliothek Polens und ihrer<br />

Schätze.<br />

Besondere Erwartungen hatte ich<br />

an meinen Besuch in der Biblioteka<br />

Narodowa, der Nationalbibliothek<br />

Polens in Warschau, geknüpft.<br />

Sie wurden nicht enttäuscht. Der<br />

damalige Generaldirektor und angesehene<br />

Historiker Prof. Witold<br />

Stankiewicz und der Leiter der Erwerbungsabteilung<br />

Dr. Stanisław<br />

Kamiński gehörten nicht zu den<br />

ideologisch fixierten Vertretern ihres<br />

Fachs. Prof. Stankiewicz bezeichnete<br />

damals die bibliothekarische<br />

Welt als „Eine Welt“, unabhängig<br />

vom Eisernen Vorhang. Die Ergebnisse<br />

des Besuchs sollten über Jahre<br />

zum erheblichen Nutzen beider<br />

Seiten sein, mit der schmerzlichen<br />

Unterbrechung im Anschluss an<br />

die Ausrufung des Kriegsrechts im<br />

Dezember 1981 durch General Jaruzelski.<br />

Von besonderem Wert für mich<br />

war die Information über eine neue<br />

Aktivität im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit<br />

der Nationalbibliothek<br />

gemeinsam mit der Einrich-<br />

tung Polonia. 1979 war erstmals ein<br />

Kurs des polnischen Bibliothekswesens<br />

und der polnischen Kultur in<br />

Warschau veranstaltet worden. Zu<br />

dem für das Jahr 1980 vorgesehenen<br />

Kurs erhielt ich eine Einladung<br />

durch Vermittlung von Dr. Kamiński.<br />

So war eine Vertiefung der Kontakte<br />

in die Wege geleitet. Ich möchte<br />

nicht vergessen, meinen sich anschließenden<br />

Besuch in der Univer-<br />

sitätsbibliothek in Posen wenigstens<br />

zu erwähnen, wo man sich ebenfalls<br />

für eine Fortsetzung der Tauschbeziehungen<br />

interessierte.<br />

Das Jahr 1980 führte mit der Zunahme<br />

der Unzufriedenheit der Bevölkerung,<br />

besonders der Arbeiter,<br />

zu der in Osteuropa einmaligen Bewegung,<br />

dem Kampf der Unabhängigen<br />

Gewerkschaft Solidarność<br />

um das Durchsetzen eigener Forderungen<br />

gegen den Parteiapparat.<br />

Intellektuelle aus der Gruppierung<br />

KOR (ursprünglich Komitee<br />

zur Verteidigung der Arbeiter, später<br />

in Komitee zur gesellschaftlichen<br />

Selbstverteidigung umbenannt) hatten<br />

diese Bewegung unterstützt und<br />

sich nach der Gründung der Gewerkschaft<br />

Solidarność aufgelöst.<br />

Zur Zeit des Warschauer Bibliothekskurses<br />

im Juli und frühen August<br />

entwickelten sich lokale Warn-<br />

streiks in Teilen des Landes und<br />

kurz darauf die Streiks in der Danziger<br />

Leninwerft. So fiel dieser Kurs<br />

in eine sich dramatisierende Zeitspanne.<br />

Natürlich waren die Hauptthemen<br />

des Kurses schon länger<br />

vorbereitet und boten eine zu erwartende<br />

stolze Vorstellung nationaler<br />

kultureller Werte. Immerhin wagte<br />

einer der Referenten, Dr. Andrzej<br />

Paczkowski, eine kritische Bewer-<br />

Teilnehmende des Warschauer Bibliothekskurses im Sommer 1980 (v.l.n.r.):<br />

Joseph Placek, Horst v. Chmielewski, Kursteilnehmerin aus USA, Name unbekannt,<br />

Generaldirektor der Nationalbibliothek Warschau Prof. Dr. Witold Stankiewicz<br />

und Kursleiterin Barbara Białkowska<br />

tung der polnischen Presse. Die Vorträge<br />

und Führungen des Kurses fanden<br />

im historischen Krasinski-Palais<br />

in Warschau statt, in dem auch die<br />

Sondersammlungen für Kartografie,<br />

Musikalien, Handschriften und Frühdrucke<br />

untergebracht sind. Neben<br />

den Vorträgen und Führungen, auch<br />

zu Warschauer Friedhöfen, wurden<br />

auch Theateraufführungen vermittelt<br />

oder Sonderveranstaltungen. Im<br />

Rahmen des Kurses wurden zwei<br />

Exkursionen angeboten, einmal in<br />

den Norden mit dem Schwerpunkt<br />

Thorn, wo die damals modernste<br />

Universitätsbibliothek Polens vorgestellt<br />

wurde, zum anderen nach Krakau,<br />

Auschwitz und Zakopane. Alle<br />

Vorträge und Führungen wurden in<br />

polnischer Sprache gehalten.<br />

1981 war das Jahr der Hoffnungen,<br />

gewagter intellektueller Äußerungen<br />

wie etwa die der In-Fra-<br />

13


ge-Stellung eines übersteigerten<br />

polnischen Patriotismus durch<br />

Jan Józef Lipski („Zwei Vaterländer,<br />

zwei Patriotismen“), aber auch<br />

der Ängste der Polen, die sich im<br />

Dezember mit der Ausrufung des<br />

Kriegsrechts bestätigen sollten.<br />

Vorher hatten sich im Rahmen der<br />

Solidarność Gruppen von Bibliothekaren<br />

landesweit zusammengeschlossen,<br />

deren verschiedene<br />

Forderungen an die Regierung vor<br />

allem die Abschaffung der Zensur<br />

und den uneingeschränkten Zugang<br />

westlicher Literatur zu den<br />

polnischen Bibliotheken beinhalteten.<br />

Dr. Kamiński stellte eine Veröffentlichung<br />

inoffizieller Art unserer<br />

Bibliothek zur Verfügung, die in<br />

deutscher Übersetzung auch die<br />

Leser der Dokumentation Ostmitteleuropa<br />

erreichte.<br />

14<br />

Das Jahr 1982 brachte einen großen<br />

Rückschritt für die kulturellen und<br />

wissenschaftlichen Beziehungen<br />

Polens zu den Ländern der westlichen<br />

Welt. An eine sinnvolle Weiterführung<br />

der bisherigen Zusammenarbeit<br />

war zunächst nicht zu<br />

denken. Die Spitze der Warschauer<br />

Nationalbibliothek wurde ausgetauscht.<br />

Die neue strikte Parteilinie<br />

in der Bibliothek veranlasste den<br />

Weggang einer Reihe von Kollegen.<br />

Unter ihnen war auch S. Kamiński,<br />

der die Leitung der Erwerbungsabteilung<br />

der Universitätsbibliothek<br />

Warschau übernahm. Ende 1982<br />

unternahm ich eine private Reise<br />

nach Warschau, um eine offizielle<br />

Reise für das Jahr 1983 vorzubereiten.<br />

Bei meinem Aufenthalt in Warschau<br />

berichtete man mir über die<br />

Leiden der vielen Inhaftierten, aber<br />

auch von der Dankbarkeit für Hilfslieferungen<br />

aus Deutschland. In einer<br />

Kirche der Warschauer Altstadt<br />

waren die Folgen der Übergriffe von<br />

ZOMO-Soldaten auf hilflose Zivilisten<br />

zu sehen. Eine gewisse Normalisierung<br />

war 1983 festzustellen. Dr.<br />

Kamiński, nun in der Universitätsbibliothek<br />

Warschau, nutzte seine<br />

Erfahrungen im internationalen<br />

Schriftentausch unter stillschweigender<br />

Duldung von Vorgesetzten.<br />

Bei meinem ersten Besuch in<br />

der Bibliothek der KUL, der Katholischen<br />

Universität in Lublin, erhielt<br />

ich liebenswürdige Unterstützung<br />

durch Andrzej Paluchowski, den<br />

damaligen Leiter der Bibliothek. Die<br />

schon länger bestehenden guten<br />

Tauschbeziehungen konnten teilweise<br />

erweitert werden.<br />

Erfreulicherweise wurden in den<br />

folgenden Jahren Auslandsreisen<br />

für polnische Bibliothekare wieder<br />

möglich. Zu den besonders beliebten<br />

Zielen gehörten das Deutsche<br />

Polen-<strong>Institut</strong> in Darmstadt und<br />

auch das <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> in Marburg.<br />

Für Dr. Kamiński konnte ich,<br />

wie später auch für Dr. Cybulski<br />

und Stefan Czaja, vom Deutschen<br />

Bibliotheksinstitut finanzierte Reisen<br />

in die Bundesrepublik vermitteln.<br />

Zu meinen guten polnischen<br />

Freunden zählte auch der Volkskundler,<br />

Schriftsteller und spätere<br />

Verleger Przemysław Burchard und<br />

der international hochgeschätzte<br />

Grafiker Wojciech Jakubowski, für<br />

den ich in der Bibliothek des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />

eine Exlibris-Ausstellung<br />

vorbereiten konnte. Herr Jakubowski<br />

ist als Einziger meiner<br />

Freunde noch unter den Lebenden.<br />

So verbindet sich mit dem Rückblick<br />

auf eine spannungsreiche Zeit<br />

auch ein wenig Traurigkeit. Ein kleiner<br />

Trost ist es, dass die verstorbenen<br />

Freunde das Ende des Kommunismus<br />

und das Wiedererstehen<br />

eines freien Polen noch für einige<br />

Zeit erleben durften und somit auch<br />

eine Epoche erleichterter kultureller<br />

und bibliothekarischer Beziehungen<br />

zwischen Ost und West.


Tagungen und Ausstellungen<br />

Badekultur und Bäderarchitektur an der<br />

Ostsee als Gegenstand von Tagung und<br />

Ausstellung<br />

Um 1800 entstanden die ersten<br />

Seebäder an der Ostseeküste, zunächst<br />

ohne Komfort, mit einfachen<br />

Badekarren und Kaltbädern.<br />

Die Badeeinrichtungen dienten der<br />

Heilung verschiedener Krankheiten,<br />

aber von Beginn an auch der<br />

Erholung und Unterhaltung. Schnell<br />

entwickelte sich die Infrastruktur<br />

der Bäder, Warmbadeanstalten<br />

entstanden, die Seestege wuchsen<br />

immer gewaltiger ins Meer. Spätestens<br />

mit Aufkommen der Eisenbahn<br />

wurden aus den ehemals kleinen<br />

Fischerorten Unterhaltungszentren,<br />

in denen sich die „Welt“ traf.<br />

Die Exklusivität des Kuraufenthalts<br />

wich dem Massentourismus. So<br />

entwickelte sich insbesondere in<br />

der zweiten Hälfte des 19. und zu<br />

Beginn des 20. Jahrhunderts eine<br />

spezifische Badekultur und eine<br />

charakteristische Bäderarchitektur.<br />

Obwohl diese Phänomene allgemein<br />

bekannt sind, so sind sie<br />

doch unter kunst- und kulturhistorischen<br />

Aspekten noch wenig<br />

untersucht, erst recht nicht in einem<br />

vergleichenden Blick über<br />

die Regionen und Staaten hinweg.<br />

Dieser Aufgabe widmete sich das<br />

Homburger Gespräch der M.C.A.<br />

Böckler – Mare Balticum-Stiftung,<br />

das in Kooperation mit dem <strong>Herder</strong>-<br />

<strong>Institut</strong> Marburg und der Werner<br />

Reimers Stiftung Bad Homburg v.<br />

d. Höhe vom 7. bis zum 9. Oktober<br />

in Bad Homburg und Marburg<br />

durchgeführt wurde. Unter dem Titel<br />

„Badeorte und Bäderkultur an<br />

der Ostsee im 19. und 20. Jahrhundert.<br />

Architektur, gesellschaftliches<br />

Leben und ihre Darstellung in Bild<br />

und Wort“ wurde der Raum von<br />

Skandinavien über Deutschland<br />

und Polen bis zu den baltischen<br />

Ländern untersucht. In 15 Vorträgen<br />

von Kunsthistoriker/innen und<br />

Historiker/innen aus Deutschland,<br />

Estland, Lettland, Polen und Russland<br />

wurden teils in methodisch orientierten<br />

Überblicksdarstellungen,<br />

teils in Fallstudien verschiedene<br />

Aspekte der Architektur und der bildenden<br />

Kunst, der Denkmalpflege,<br />

der Kulturgeschichte sowie auch<br />

der Bildstrategien und des Marketing<br />

vorgestellt und diskutiert. Im<br />

Fokus stand die Entwicklung einzelner<br />

Orte wie etwa Travemünde,<br />

Vortrag von Ojars Sparitis bei der im <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> durchgeführten Sektion<br />

des Homburger Gesprächs<br />

Heiligendamm, Jurata, Kemmern/<br />

Kemeri, Reval/Tallinn oder Pernau/<br />

Pärnu sowie verschiedener Regionen<br />

in Schweden, Polen, Lettland<br />

und dem Kalinigrader Gebiet und<br />

ihrer Charakteristika. Bauformen<br />

und Architekturstile sowie die aktuellen<br />

Fragen der Erhaltung des<br />

Kulturerbes wurden ebenso thematisiert<br />

wie die Geschichte der<br />

Badebekleidung. Zur Eröffnung der<br />

Tagung in Bad Homburg war ein öffentlicher<br />

Vortrag von PD Dr. Ulrike<br />

Wolff-Thomsen (Kiel) der bildenden<br />

Kunst in den Künstlerkolonien gewidmet.<br />

Die Besichtigung der Badeeinrichtungen<br />

in Bad Homburg<br />

bildete den Abschluss der dreitägigen<br />

Veranstaltung.<br />

Im Rahmen der im <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong><br />

abgehaltenen Sektion am 8. Oktober<br />

fand zudem die Eröffnung der<br />

15<br />

Olga Kurilo beim<br />

Einführungsvortrag<br />

zur Ausstellungseröffnung


Ausstellung „Zoppot – Cranz – Rigaer<br />

Strand. Ostseebäder im 19.<br />

und 20. Jahrhundert“ statt, die in<br />

Zusammenarbeit mit dem Deutschen<br />

Kulturforum östliches Europa,<br />

Potsdam, und dem Lehrstuhl für<br />

Geschichte Osteuropas der Europa-Universität<br />

Viadrina, Frankfurt/<br />

Oder, realisiert wurde (<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>,<br />

8. Oktober bis 23. Dezember<br />

2010, Europa-Universität Viadrina,<br />

13. Januar bis 25. Februar 2011,<br />

weitere Präsentationen in Vorbereitung).<br />

Sie zeichnet anhand der<br />

Neue Medien in den Geschichts- und Osteuropawissenschaften<br />

Internationale und interdisziplinäre Sommerakademie des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />

in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Staatsbibliothek München<br />

Die vernetzte digitale Datenverarbeitung<br />

ist aus dem Alltag der Geschichts-<br />

und Osteuropawissenschaftler<br />

nicht mehr wegzudenken.<br />

Dieses bringt weitreichende Konsequenzen<br />

mit sich: Die so genannten<br />

Neuen Medien verdichten<br />

und beschleunigen nicht nur die<br />

Kommunikation zwischen Wissenschaftlern,<br />

sondern verändern ihre<br />

Arbeitsmethodik, Formen der Repräsentation<br />

und Rezeption von<br />

Geschichte sowie die Konzepte<br />

der Didaktik. Studierende sind mit<br />

der Nutzung des neuen Mediums<br />

gut vertraut, gleichzeitig nehmen<br />

ihre Fertigkeiten des klassischen<br />

16<br />

drei Ostseebäder Zoppot/Sopot,<br />

Cranz/Selenogradsk und Rigaer<br />

Strand/J�rmala exemplarisch deren<br />

Entwicklung nach und stellt die<br />

Unterschiede sowie die Gemeinsamkeiten<br />

heraus. Dabei stehen die<br />

Themenbereiche Landschaft und<br />

allgemeine Geschichte, Gestaltung<br />

des öffentlichen Raumes, Badegäste,<br />

Freizeitgestaltung und Unterhaltung<br />

sowie Bäderarchitektur<br />

in den aufeinanderfolgenden Zeitperioden<br />

– 19. Jahrhundert, Zwischenkriegszeit,<br />

Zeit des National-<br />

Wissenszugangs ab. Der Wissenschaftsbetrieb<br />

sieht sich mit diesem<br />

Phänomen konfrontiert und<br />

sucht nach neuen Methoden, um<br />

der Entwicklung gerecht zu werden.<br />

Das <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> Marburg<br />

und die Bayerische Staatsbibliothek<br />

München haben im Rah-<br />

men des durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft<br />

geförderten<br />

Programms „OstDok“ eine Gruppe<br />

aus neun Nachwuchswissenschaftlerinnen<br />

und -wissenschaftlern sowie<br />

erfahrene Forscherinnen und<br />

Forscher unterschiedlicher Disziplinen<br />

zu einer Sommerakademie eingeladen,<br />

um ihre Forschungspro-<br />

sozialismus und des Sozialismus/<br />

Kommunismus sowie nach der politischen<br />

Wende – im Vordergrund.<br />

Die Kuratorin der Ausstellung, PD<br />

Dr. Olga Kurilo (Frankfurt/Oder),<br />

erläuterte die dem Konzept zugrunde<br />

gelegte Fragestellung in einem<br />

Einführungsvortrag, wobei sie die<br />

transnationalen und interkulturellen<br />

Aspekte besonders hervorhob und<br />

die Perspektiven sowie Desiderate<br />

weiterer kulturwissenschaftlicher<br />

Forschungen herausstellte.<br />

jekte und -erkenntnisse zu diesem<br />

Thema vorzustellen sowie die mit<br />

ihnen verbundenen Chancen und<br />

Herausforderungen gemeinsam zu<br />

diskutieren. Impulsvorträge hielten<br />

Prof. Dr. Peter Haslinger, Bertold<br />

Gillitzer (München), Dr. Rüdiger<br />

Hohls (Berlin), Prof. Dr. Vadim Oswalt<br />

(Gießen), Dr. Matija Ogrin (Laibach/Ljubljana)<br />

und Dr. Harald Müller<br />

(Heidelberg).<br />

Auffällig oft wurde das Problem<br />

mangelnder Medienkompetenz<br />

thematisiert. Deutlich wurde,<br />

dass insbesondere in Bezug auf<br />

die Generation der „Digital natives“<br />

unter zahlreichen Gesichtspunkten<br />

der Begriff „Digital naives“ zutreffender<br />

wäre: Die Onlinedienste<br />

Google und Wikipedia dominieren<br />

als Recherchemittel und Wissensquelle<br />

der Studierenden. Professionelle<br />

Angebote werden – sofern<br />

sie nicht in wenigen Schritten zufriedenstellende<br />

Ergebnisse liefern<br />

– als ineffizient betrachtet. Um die<br />

Neuen Medien als Werkzeug der<br />

Geschichts- und Osteuropawissenschaften<br />

effizienter zu gestalten,<br />

müssen daher nachhaltige Strategien<br />

in die Wege geleitet werden. Der<br />

bedeutendste Schritt dabei wäre<br />

die lehrinstitutionelle Verankerung


eines umfassenden didaktischen<br />

Programms zum Umgang mit Neuen<br />

Medien. Die Vermittlung einer<br />

fundierten und kritischen Rezeption<br />

ist unabdingbar und müsste<br />

bereits im Rahmen der einführenden<br />

methodischen Lehrveranstaltungen<br />

erfolgen. Die Neuen Medien<br />

charakterisiert ein großes Potential<br />

der Demokratisierung des Wissenszugangs,<br />

ihre Zeitnähe und<br />

Ortsunabhängigkeit sowie die Gestaltung<br />

neuer Vermittlungsformen.<br />

Bei nicht sachgemäßer Anwendung<br />

besteht jedoch die Gefahr,<br />

dass der Siegeszug des Internets<br />

zur Erosion und Verflachung des<br />

Wissens und der Wissenschaften<br />

beiträgt. Ein solches didaktisches<br />

Programm dürfte sich keineswegs<br />

auf die Recherchemöglichkeiten<br />

im Internet beschränken. Ebenso<br />

wichtig ist die Vermittlung eines kritischen<br />

Umgangs mit den gefundenen<br />

Inhalten und der Tatsache,<br />

dass die Neuen Medien nur einen<br />

Teil der Wissensbestände abbilden.<br />

Zum Programm müssen auch die<br />

gesellschaftlichen Folgen der Informatisierung<br />

gehören: unter anderem<br />

die Frage der Urheberrechte<br />

oder gesetzliche Aspekte des Publizierens.<br />

Auf der anderen Seite der Kommunikationskanäle<br />

müssen die<br />

Betreiber der Onlinedienste und<br />

-plattformen mehr Rücksicht auf<br />

die Bedürfnisse der Nutzer nehmen.<br />

Geeignete Lösungsansätze bietet<br />

Stipendien des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />

bereits die Technologie des Web<br />

2.0 in Gestalt von personalisierten<br />

Webseiten, unterschiedlichen Sucheinstiegsmöglichkeiten<br />

oder der integrierten<br />

Suche. Ein isoliert auftretender,<br />

auf Spezialinteressen<br />

ausgerichteter Onlinedienst hat in<br />

der heutigen Unübersichtlichkeit<br />

des Internets kaum Chancen, einen<br />

nennenswerten Nutzerkreis zu<br />

etablieren. Aus diesem Grund ist<br />

eine effiziente Vernetzung und Integration<br />

fachverwandter Onlinedienste<br />

notwendig. Zur großen He-<br />

rausforderung bei der Konzeption<br />

gehört der Kompromiss zwischen<br />

Benutzerfreundlichkeit und wissenschaftlicher<br />

Effizienz. Da diese<br />

anhaltenden Prozesse mit Kosten<br />

verbunden sind, muss die gesellschaftliche<br />

und wissenschaftliche<br />

Bedeutung des informatischen<br />

Wandels stärker ins Bewusstsein<br />

der für die Bildungsfinanzierung<br />

verantwortlichen Akteure und <strong>Institut</strong>ionen<br />

rücken.<br />

Konrad Hierasimowicz<br />

Zur Förderung der historischen Ostmitteleuropa-Forschung vergibt das <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> an Wissenschaftler/in-<br />

nen insbesondere aus ostmitteleuropäischen Ländern Stipendien bis zu einer Dauer von drei Monaten, um<br />

ihnen die Möglichkeit zu bieten, für wissenschaftliche Vorhaben die Bestände in den Sammlungen des <strong>Institut</strong>s<br />

zu benutzen und Kontakte zu Fachkolleginnen und -kollegen in Deutschland zu knüpfen.<br />

Förderungsberechtigt sind promovierte Wissenschaftler/innen, Graduierte und Doktoranden/Doktorandinnen,<br />

im Ausnahmefall auch fortgeschrittene Studierende, die mit einer auf Ostmitteleuropa bezogenen historischen<br />

Fragestellung befasst sind und bereits wissenschaftliche Leistungen erbracht haben. Die Bewerber müssen<br />

über ausreichende Kenntnisse der deutschen oder englischen Sprache verfügen.<br />

Über die Ausstattung der Stipendien, Bewerbungsvoraussetzungen und Antragsmodalitäten informiert ein<br />

Merkblatt des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s, das gemeinsam mit dem Antragsformular auch über die www-Adresse des Ins-<br />

tituts verfügbar ist. Anträge auf Gewährung eines Stipendiums sind an den Vorstand des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s e.V.,<br />

Gisonenweg 5-7, D-35037 Marburg zu richten.<br />

17<br />

Teilnehmende<br />

der Sommerakademie<br />

2010<br />

des <strong>Herder</strong>-<br />

<strong>Institut</strong>s


Ereignisse und Informationen<br />

„Allerley kleine Papiere ...“<br />

Die Lehrveranstaltung: „Sprachkontakt<br />

in multiethnischen Gesellschaften<br />

– Die deutsche Sprache<br />

im Baltikum“ der Justus-Liebig-<br />

Universität (<strong>Institut</strong> für Germanistik,<br />

Historische Sprachwissenschaft)<br />

fand im Sommersemester 2010 in<br />

Zusammenarbeit mit dem <strong>Herder</strong>-<br />

<strong>Institut</strong> Marburg statt.<br />

Ein Semester gemeinsamer Arbeit<br />

schloss am 7. Oktober 2010<br />

eine öffentliche Veranstaltung im<br />

<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> mit Projektpräsentationen<br />

der Studierenden ab. Unter<br />

der Leitung von Prof. Dr. Anja<br />

Voeste (Gießen) und der Gastwissenschaftlerin<br />

Dr. Ineta Balode<br />

(Riga) hatten die Studierenden<br />

entschieden, sich bei ihren Untersuchungen<br />

auf Texte aus einem<br />

Bestand aus der Dokumentesammlung<br />

des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s zu<br />

konzentrieren: das Familienarchiv<br />

der livländischen Adelsfamilie von<br />

Campenhausen. Die Überlieferung<br />

in der Dokumentesammlung ist in<br />

zeitlicher und quantitativer Hinsicht<br />

eines der größten noch erhaltenen<br />

Familienarchive zur baltischen Ge-<br />

18<br />

schichte. Dr. Peter Wörster und<br />

Dorothee M. Goeze führten die Studierenden<br />

in die Überlieferungsgeschichte<br />

dieses reichen Archivbestandes<br />

ein.<br />

In fünf Gruppen wurden von den<br />

Studierenden Posterpräsentationen<br />

gezeigt – mit kenntnisreichen,<br />

ja geradezu souverän vorgetragenen<br />

Referaten zu den Themen, die<br />

eine große Bandbreite aufwiesen.<br />

„Allerley kleine Papiere“ hat der Se-<br />

nateur Balthasar von Campenhausen<br />

(1745-1800) im Jahre 1775 ein<br />

Dokument aus dem Familienarchiv,<br />

das eine Reihe von Unterlagen zusammenfügt,<br />

genannt (vgl. Abb.).<br />

In gleicher Weise, wie das so bescheiden<br />

benannte Konvolut hoch<br />

interessante Quellen bietet, haben<br />

die Studierenden des Seminars in<br />

akribischer Sorgfalt kleine Quellen<br />

einem großen wissenschaftlichen<br />

Zusammenhang zugeführt:<br />

Es gab eine sprachwissenschaftliche<br />

Untersuchung über<br />

„Komposita und Fugenelemente<br />

in der Mitte des 18. Jahrhunderts.<br />

Eine synchrone Betrachtung<br />

am Beispiel der Auswertung von<br />

Rechnungen, Inventarlisten und<br />

Auftragsbüchern aus der zweiten<br />

Hälfte des 18. Jahrhunderts und<br />

ein Vergleich der deutschen Sprache<br />

im Baltikum mit dem Deutsch<br />

im Mutterland“. Die hypothetische<br />

Frage „Deutsche Sprache im Baltikum<br />

als Insel mit Brücke zum Festland?“<br />

konnte klar im Sinne der<br />

Feststellung einer erstaunlichen<br />

Nähe des baltischen Deutsch zum<br />

Deutsch im Mutterland – in den untersuchten<br />

Phänomenen – beantwortet<br />

werden.<br />

Weiter wurden vier Briefe des<br />

sog. Reichscontrolleurs Balthasar<br />

von Campenhausen (1772-1823)<br />

an seine Eltern bzw. seinen Vater<br />

untersucht: so z.B. die Frage, welche<br />

Rolle die Wahl zwischen den<br />

Sprachen Deutsch, Französisch,<br />

Russisch und Latein spielte. Die<br />

Wortwahl an sich und selbstverständlich<br />

auch die Themen und<br />

die historischen Umstände, unter<br />

denen die Briefe entstanden,<br />

wurden ausführlich betrachtet: Als<br />

besonderes Dokument stellten die<br />

Studierenden eine Geldliste des<br />

11-jährigen Balthasar mit „Einnahmen“<br />

(meist Taschengeld), aber<br />

auch „Ausgaben“ (meist Strafgelder<br />

für Vergehen) vor.<br />

Anhand des Mediums Kalender<br />

oder Schreibkalender stellten die<br />

Bearbeiter eine weitere Art von<br />

Quelle vor, die die gedruckte Form<br />

des uns heute bekannten Kalenders<br />

mit handschriftlichen Eintragungen<br />

der Besitzer vereint. Hier wurden<br />

auch Sprache und Schreibweise<br />

des Generalleutnants Balthasar von<br />

Campenhausen (1689-1758) analysiert.<br />

Neben der regionalgeschichtlichen<br />

Bedeutung der Eintragungen<br />

eines Gutsbesitzers, der auf die<br />

üblichen landwirtschaftlichen Hinweise<br />

in einem solchen Kalender<br />

eingeht, entstand auch ein individuelles<br />

Bild eines Mannes, der in spä-


teren Zeiten seines Lebens immer<br />

mehr persönliche Dinge in solche<br />

Kalender eintrug.<br />

In einem weiteren Referat wurde<br />

die allgemein bekannte und weit<br />

verbreitete Quellengattung Stammbuch<br />

vorgestellt, im vorliegenden<br />

Fall geschrieben vom Reichscontrolleur<br />

und von seinem Vater, dem<br />

Senateur Balthasar von Campenhausen<br />

(1745-1800). Neben der<br />

historischen Einordnung der Quellengattung<br />

erläuterten die Referentinnen<br />

und Referenten die Sprachenwahl<br />

und den formalen Aufbau<br />

eines Stammbucheintrages, dazu<br />

aber auch inhaltliche Facetten: Studienorte,<br />

mögliche Kontakte des<br />

Schreibers etc. und als besonderes<br />

Kapitel die Einträge von Frauen und<br />

ihre Eigenarten.<br />

Zum Thema Selbst-Bildnis der<br />

Frau im 19. Jahrhundert wurden<br />

Thesen über die sprachlichen Äußerungen<br />

einer Frau in Briefen an<br />

ihren Ehemann vermittelt: Briefe<br />

von Dorothea (Doris) Gräfin von<br />

Keyserlingk (1779-1847) an ihren<br />

Mann Hermann Johann von Campenhausen<br />

(1773-1836), einen weiteren<br />

Sohn des Senateurs. Einige<br />

zitierte, sehr persönliche Äußerun-<br />

<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> im Bereich<br />

Chancengleichheit ausgezeichnet<br />

Am 4. November 2010 bekam das<br />

<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> für seine Maßnahmen<br />

im Bereich Chancengleichheit<br />

von Frauen und Männern das<br />

Total E-Quality-Prädikat verliehen.<br />

Die Festrede auf der feierlichen<br />

Veranstaltung in der Landesentwicklungsgesellschaft<br />

Thüringen<br />

in Erfurt hielt die thüringische Ministerpräsidentin<br />

Christiane Lieberknecht,<br />

des Weiteren bildete eine<br />

hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion<br />

zum Thema „Selbstverpflichtung<br />

versus Quote“ das<br />

Rahmenprogramm, bevor die 60<br />

Prädikatsträger aus Wirtschaft und<br />

Wissenschaft ihre Urkunden erhielten,<br />

darunter viele prominente<br />

Unternehmen und Forschungseinrichtungen.<br />

Für das <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong><br />

nahmen Direktor Prof. Dr. Peter<br />

Haslinger und die Gleichstellungsbeauftragte<br />

Dr. Elke Bauer sowie<br />

deren Stellvertreterin Katarína Köhler<br />

die Auszeichnung entgegen.<br />

Der Verleihung des Prädikats vorangegangen<br />

waren der Entschluss<br />

des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s und daran anschließende<br />

Entwicklungen, sich<br />

im Bereich der Chancengleichheit<br />

und der Vereinbarkeit von Familie<br />

und Beruf stärker zu engagieren. Im<br />

Jahr 2009 gingen alle <strong>Institut</strong>e der<br />

Leibnizgemeinschaft diesbezüglich<br />

eine Selbstverpflichtung ein mit der<br />

Maßgabe, bis 2013 die forschungsorientiertenGleichstellungsstandards<br />

der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />

umzusetzen. Dazu<br />

gehört auch die Verpflichtung, sich<br />

entsprechend zertifizieren zu lassen.<br />

Zwei Verfahren werden dabei<br />

empfohlen: entweder das „Audit<br />

Beruf und Familie“ oder das „Total<br />

E-Quality-Verfahren“. Während sich<br />

gen zeigen die Rolle der Frau in<br />

ihrer Zeit als ̦Unterhalterin‘ und als<br />

Verantwortliche für die Aufrechterhaltung<br />

der Beziehung bzw. der<br />

Ehe. Themen wie Kindererziehung<br />

und die Haushaltspflichten zeigen<br />

ein sicher nicht untypisches Bild<br />

einer Frau Anfang des 19. Jahrhunderts.<br />

An der Veranstaltung im <strong>Herder</strong>-<br />

<strong>Institut</strong> am 7. Oktober nahm auch<br />

Herr Dr. Mark Frhr. v. Campenhausen<br />

(Troisdorf) teil, ein Vertreter der<br />

Familie, der das Familienarchiv gehört.<br />

Dorothee M. Goeze<br />

das Erste auf die Vereinbarkeit von<br />

Beruf und Familie beschränkt, geht<br />

es beim Total E-Quality-Verfahren<br />

vor allem um die berufliche Perspektive,<br />

deren Verbesserung mit<br />

Maßnahmen im Bereich Beruf und<br />

Familie zwingend einhergehen.<br />

Das <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> entschied<br />

Verleihung des Total E-Quality-Prädikats am 4. November 2010 in der Landesentwicklungsgesellschaft<br />

Thüringen in Erfurt (v.l.n.r. Elke Bauer, Gleichstellungsbeauftragte<br />

des HI, Peter Haslinger, Direktor des HI, Birgit Reinhardt<br />

von der Deutschen Bahn AG, Vorstandsmitglied der Total E-Quality<br />

Deutschland e. V.)<br />

sich für das ein breiteres Themenspektrum<br />

abdeckende Verfahren<br />

der Total E-Quality Deutschland<br />

19


e.V. und bewarb sich im Mai 2010<br />

um das Prädikat. Das selbst gesteckte<br />

Ziel des Vereins ist, die<br />

Chancengleichheit von Frauen und<br />

Männern im Beruf zu etablieren und<br />

nachhaltig zu verankern. Besonderes<br />

Augenmerk liegt dabei auf der<br />

Förderung von Frauen in Führungspositionen.<br />

Hierzu gehören neben<br />

Maßnahmen zur Vereinbarkeit von<br />

Beruf und Familie auch eine chancengerechte<br />

Personalbeschaffung<br />

und -entwicklung sowie die Förderung<br />

partnerschaftlichen Verhaltens<br />

am Arbeitsplatz und die Berücksichtigung<br />

von Chancengleichheit<br />

in den Unternehmensgrundsätzen<br />

(www.total-e-quality.de).<br />

In der Begründung der Jury wird<br />

dem <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> positiv angerechnet,<br />

Chancengleichheit als<br />

ein Element der Profil- und Leit-<br />

Besuch aus Israel im <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong><br />

Am 14. Juli 2010 besuchte Frau<br />

Prof. Dr. Tirza Cohen-Fraenkel aus<br />

Israel zusammen mit ihrer Tochter<br />

Frau Dr. Jiska Mansfield, geb. Cohen,<br />

und ihrem Enkelsohn Jonathan<br />

Mansfield das <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>,<br />

hier vor allem die Hensel-Villa. Für<br />

Frau Prof. Cohen-Fraenkel war<br />

dies die erste Begegnung mit dem<br />

Haus, in dem sie 1926 in Marburg<br />

geboren wurde. Ihr Vater, Prof. Abraham<br />

A. Fraenkel, war Schüler von<br />

Prof. Kurt Hensel, dem bekannten<br />

20<br />

bildentwicklung implementiert und<br />

konkrete Maßnahmen gestartet zu<br />

haben. So verfügt das <strong>Institut</strong> seit<br />

2007 über einen Gleichstellungsplan<br />

sowie über eine Vereinbarung<br />

mit dem Land Hessen, in der die<br />

Förderung der Chancengleichheit<br />

in Umsetzung der Ausführungsvereinbarung<br />

zur Rahmenvereinbarung<br />

Forschungsförderung über<br />

die Gleichstellung von Frauen und<br />

Männern bei der gemeinsamen<br />

Forschungsförderung (AvGlei) festgeschrieben<br />

ist. Darüber hinaus<br />

wählen die Mitarbeiterinnen alle<br />

vier Jahre eine Gleichstellungsbeauftragte,<br />

die aktiv an der <strong>Institut</strong>spolitik<br />

beteiligt ist, es wurden erste<br />

Schritte unternommen, die Anzahl<br />

der Wissenschaftlerinnen zu erhöhen,<br />

das <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> achtet bei<br />

der Stipendienvergabe und Nach-<br />

Professor für Mathematik der Universität<br />

Marburg, der für sich und<br />

seine Familie 1906 eine ansehnliche<br />

Villa am heutigen Gisonenweg<br />

hatte errichten lassen. In diese<br />

nahm er seinen begabten Schüler<br />

Fraenkel, seit 1919 Professor der<br />

Universität Marburg, mit seiner<br />

Ehefrau Wilhelmina/Wilma (Malka),<br />

geb. Prins, auf. Hier wurden dem<br />

jungen Paar vier Kinder geboren,<br />

so 1926 auch Tirza. Prof. Abraham<br />

A. Fraenkel folgte 1928 einem Ruf<br />

wuchsförderung auf ein ausgewogenes<br />

Geschlechterverhältnis, das<br />

<strong>Institut</strong> führte familienfreundliche<br />

Sitzungszeiten ein, die Angestellten<br />

werden bei individuellen Lösungen<br />

zur Vereinbarkeit von Familie<br />

und Beruf unterstützt. Zudem wird<br />

in Zukunft, wenn Bedarf angemeldet<br />

wird, bei Veranstaltungen eine<br />

Kinderbetreuung angeboten. In<br />

Kooperationen mit Partnern wie<br />

den Universitäten in Marburg und<br />

Gießen soll die Angebotspalette<br />

entsprechend den Bedürfnissen<br />

der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

noch weiter ausgebaut werden,<br />

denn in drei Jahren muss das Prädikat<br />

erneut beantragt werden und<br />

das <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> wird dann an<br />

den umgesetzten Plänen gemessen<br />

werden.<br />

an die Universität Kiel, wo er seine<br />

Professur bis 1933 innehatte. Seit<br />

1929 hatte er einige Gastsemester<br />

an der Hebräischen Universität<br />

zu Jerusalem absolviert, wohin<br />

er angesichts der in Deutschland<br />

wachsenden Bedrohungssituation<br />

in bewusster Entscheidung 1933<br />

endgültig wechselte.<br />

Peter Wörster


Prof. Dr. Andrzej Tomaszewski 1934-2010<br />

Prof. Dr. Andrzej Tomaszewski, ein<br />

Pionier der deutsch-polnischen Zusammenarbeit<br />

bei der Erforschung<br />

und dem Schutz des gemeinsamen<br />

Kulturerbes, ist am 25. Oktober<br />

2010 überraschend verstorben.<br />

Wir verlieren mit ihm eine der<br />

herausragenden und der einflussreichsten<br />

Persönlichkeiten im Bereich<br />

der Kunstgeschichte und<br />

Denkmalpflege Polens und Mitteleuropas.<br />

Das <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> trauert<br />

um einen Inspirator, Begleiter<br />

und Mitherausgeber wichtiger Forschungs-<br />

und Editionsvorhaben; es<br />

verliert einen Freund und Kollegen,<br />

der die <strong>Institut</strong>sarbeit auf dem Gebiet<br />

der Kunst- und Kulturgeschichte<br />

Ostmitteleuropas wesentlich mitgeprägt<br />

hat.<br />

Der 1934 in Warschau geborene,<br />

dort aufgewachsene und an der<br />

Warschauer Universität sowie an<br />

der Technischen Universität (Politechnika<br />

Warszawska) ausgebildete<br />

Architekt, Kunst- und Architekturhistoriker<br />

sowie Denkmalpfleger<br />

hat mit seinem Wirken den Weg für<br />

eine neue Epoche der Versöhnung<br />

und der Kooperation geebnet. Gleichermaßen<br />

hat er Forschung und<br />

Praxis wesentlich gestaltet und gefördert:<br />

durch eine Vielzahl eigener<br />

Studien und Publikationen, durch<br />

Ausbildung des wissenschaftlichen<br />

Nachwuchses in seiner Tätigkeit als<br />

Hochschullehrer (seit 1976), durch<br />

Initiierung und Begleitung denkmalpflegerischer<br />

Maßnahmen – oft<br />

als letzte Rettung von Monumenten<br />

in prekären Erhaltungszuständen<br />

– sowie nicht zuletzt durch seine<br />

Autorität, sein Engagement und<br />

seine persönliche Ausstrahlung als<br />

„Diplomat“ im Dienste des europäischen,<br />

ja des Weltkulturerbes.<br />

Prof. Tomaszewski bekleidete<br />

wichtige und einflussreiche Ämter<br />

als Generaldirektor des Internationalen<br />

Studienzentrums für die Erhaltung<br />

und Restaurierung von<br />

Kulturgut (ICCROM) in Rom (1988-<br />

1992), als Generalkonservator der<br />

Republik Polen (1995-1999) und<br />

Berater des polnischen Kulturministers,<br />

als Vorsitzender des polnischen<br />

ICOMOS-Komitees (Internationaler<br />

Rat für Denkmalpflege) und<br />

als Vertreter Polens im Komitee für<br />

Kulturerbe des Europarats sowie<br />

im UNESCO-Welterbe-Komitee.<br />

Er war Initiator der Eintragung verschiedener<br />

Kulturdenkmäler in die<br />

UNESCO-Welterbeliste: etwa der<br />

Marienburg/Malbork, der Altstadt<br />

von Thorn/Toruń, der schlesischen<br />

Friedenskirchen (Schweidnitz/<br />

Świdnica, Jauer/Jawor), der Jahrhunderthalle<br />

in Breslau/Wrocław<br />

und des gemeinsam von Deutschland<br />

und Polen nominierten Muskauer<br />

Landschaftsparks zu beiden<br />

Seiten der Neiße. Für seine besonderen<br />

Verdienste erhielt Prof. Tomaszewski<br />

eine Reihe von hohen<br />

Auszeichnungen und Anerkennungen<br />

in Polen wie im Ausland, so<br />

war er z.B. im Jahr 2003 der erste<br />

Träger des vom Deutschen Kulturforum<br />

östliches Europa in Potsdam<br />

verliehenen Dehio-Preises „für besondere<br />

Leistungen und Verdienste<br />

auf dem Gebiet der Erforschung,<br />

Bewahrung und Präsentation von<br />

Zeugnissen kulturellen Erbes, die<br />

Deutschland mit seinen östlichen<br />

Nachbarn verbinden“.<br />

Mit der Geschichte und Kultur<br />

Deutschlands sowie dessen Wissenschaftslandschaft<br />

war er sehr<br />

vertraut und eng verwoben. Neben<br />

Forschungs- und Studienaufenthalten<br />

in Poitiers und Rom gehörte<br />

Prof. Tomaszewski 1981-1983 zum<br />

ersten Fellow-Jahrgang des West-<br />

Berliner Wissenschaftskollegs und<br />

war 1986-1987 Gastprofessor an<br />

der Johannes-Gutenberg-Universität<br />

in Mainz. Zusammen mit dem<br />

Mainzer Kunsthistoriker Prof. Dr.<br />

Dethard von Winterfeld begründete<br />

er 1988 den Arbeitskreis deutscher<br />

und polnischer Kunsthistoriker und<br />

Denkmalpfleger „Das gemeinsame<br />

Kulturerbe“, der seit der Mitte der<br />

1990er Jahre jährliche Tagungen<br />

abwechselnd in Deutschland und in<br />

Polen veranstaltet. Dieser nicht ins-<br />

titutionalisierte Kreis ist eine außerordentlich<br />

lebendige und fruchtbare<br />

Plattform für den wissenschaftlichen<br />

Austausch von erfahreneren<br />

und jüngeren Kolleginnen und Kollegen<br />

unterschiedlichster Fachrichtungen<br />

aus beiden Ländern. Viele<br />

gemeinsame Forschungs-, Publikations-<br />

und Ausstellungsprojekte<br />

wurden hier erdacht und konzipiert.<br />

Herausragendes Produkt war das<br />

Ende der 1990er Jahre begründete<br />

Handbuch der Kunstdenkmäler<br />

zu Schlesien, das mit seinem Erscheinen<br />

in deutscher (2005) und<br />

polnischer (2006) Version in die unter<br />

Federführung des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />

erstellte Reihe des „Dehio-<br />

Handbuchs der Kunstdenkmäler in<br />

Polen“ gemündet ist – gegenwärtig<br />

mit Vorbereitung des Bandes zu<br />

Kleinpolen. Prof. Tomaszewski war<br />

Gründervater des Vorhabens und<br />

zugleich Berater und Mitherausgeber<br />

des Schlesien-Bandes.<br />

Seine jüngste Initiative war die<br />

Gründung der „Deutsch-polnischen<br />

Stiftung Kulturpflege und<br />

Denkmalschutz“ zusammen mit<br />

Prof. Dr. Gottfried Kiesow, dem<br />

Vorstandsvorsitzenden der Deutschen<br />

Stiftung Denkmalschutz,<br />

im Jahr 2007, deren gegenwärtige<br />

Anstrengungen der Rettung des<br />

heute halbverfallenen, ehemaligen<br />

Schlosses der Familie von Lehndorf<br />

in Steinort/Sztynort in Ostpreußen<br />

gilt.<br />

21


Die auf seine Initiative in den<br />

1990er Jahren begonnene kontinuierliche<br />

Kooperation von polnischen<br />

und deutschen Kunsthistorikern,<br />

Museumsfachleuten und<br />

Denkmalpflegern mit einem besonderen<br />

Engagement für das gemeinsame<br />

Kulturerbe wird noch lange<br />

von der außerordentlichen Persönlichkeit<br />

Prof. Tomaszewskis und<br />

von seinem Wirken geprägt sein.<br />

Er war es, der die Begriffe „Baudenkmal<br />

mit doppelter Nationalität<br />

bzw. doppelter Identität“ und „ge-<br />

Personalien<br />

Dr. Heidi Hein-Kircher wird nach<br />

der Geburt ihrer Tochter in der Verlagsleitung<br />

vertreten durch Alexandra<br />

Schweiger. Frau Schweiger<br />

hat in Köln und Krakau Mittlere und<br />

Neuere Geschichte, Osteuropäische<br />

Geschichte und Lateinische<br />

Philologie studiert. Nach dem Studium<br />

war sie ein Jahr als Deutschlehrerin<br />

und drei Jahre als wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin im<br />

Deutschen Bundestag tätig. Parallel<br />

arbeitete sie an ihrer Doktorarbeit<br />

zum polnischen Ostdiskurs.<br />

Seit dem 1. April 2010 ist sie wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin im <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>.<br />

Frau Schweiger ist außerdem<br />

von Februar bis April 2011<br />

an die LOEWE-Geschäftsstelle im<br />

Hessischen Wissenschaftsministerium<br />

delegiert.<br />

Im Vorzimmer der Direktion wird<br />

Simone Cerwenka seit der Geburt<br />

ihrer Tochter noch bis Mai 2011<br />

von Heidi Becker vertreten. Frau<br />

Becker war als Verwaltungsfachangestellte<br />

lange Zeit in verschiedenen<br />

Bereichen der Stadtverwaltung<br />

Battenberg tätig. In den letzten<br />

Jahren arbeitete sie in Marburg bei<br />

der Lebenshilfe, einer Organisation<br />

für Menschen mit Behinderungen.<br />

Dort war sie für das Veranstaltungs-<br />

und Weiterbildungsmanagement<br />

zuständig.<br />

Aus der Elternzeit zurückgekehrt<br />

ist im Oktober Wiebke Rohrer, die<br />

gerade ihr Promotionsverfahren abschließt<br />

und im <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> fortan<br />

für die Betreuung der Stipendiaten,<br />

22<br />

meinsames Kulturerbe“ einführte.<br />

Er bezog sie insbesondere auf das<br />

materielle Erbe in den historischen<br />

deutschen Ostgebieten und zielte<br />

darauf ab, dass sich die heutige<br />

polnische Bevölkerung in diesen<br />

Regionen die kulturelle Vergangenheit<br />

der Denkmäler bewusst macht<br />

und dass bei den ehemaligen deutschen<br />

Einwohnern ebenso wie bei<br />

allen Deutschen die Verantwortung<br />

für diese weiterhin wach gehalten<br />

werden müsse. Prof. Tomaszewski<br />

trat stets dafür ein, dieses ge-<br />

der Graduiertenschule und für das<br />

Fortbildungsmanagement zuständig<br />

ist. Neue Projektmitarbeiter sind seit<br />

2010 Agnes Laba und Dr. Vytautas<br />

Petronis. Frau Laba studierte Neuere<br />

und Neueste Geschichte und<br />

Neuere deutsche Literaturgeschichte<br />

an der Albert-Ludwigs-Universität<br />

in Freiburg. Sie forscht im Rahmen<br />

des Leibniz-Paktmittelprojekts „Demokratiegeschichte<br />

als Zäsurgeschichte“<br />

am <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> über<br />

Grenzdiskurse in der Weimarer Republik.<br />

Herr Dr. Petronis wurde nach<br />

dem Studium in Kaunas und Turku<br />

in Stockholm mit einer Dissertation<br />

unter dem Titel „Constructing<br />

Lithuania. Ethnic mapping in Tsarist<br />

Russia ca. 1800-1914“ promoviert.<br />

Nach einer Zwischenstation an der<br />

Universität Glasgow bearbeitet er<br />

nun als Mitglied der DFG-Forschergruppe<br />

„Gewaltgemeinschaften“ ein<br />

Projektthema zur Geschichte eines<br />

litauischen paramilitärischen Verbandes<br />

zwischen 1918 und 1944.<br />

Justyna Turkowska, Dominika Piotrowska,<br />

Sylwia Werner, Konrad<br />

Hierasimowicz und Christian Lotz<br />

haben als Stipendiaten der Leibniz<br />

Graduate School 2010 ihre Arbeit<br />

am <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> aufgenommen.<br />

Sie sind auf den vorderen Seiten dieses<br />

Heftes mit ihren Projekten vertreten.<br />

Dr. Norbert Kersken wurde<br />

zum 1. Juli 2010 als Gastwissenschaftler<br />

ans Deutsche Historische<br />

<strong>Institut</strong> in Warschau berufen.<br />

In der Bibliothek gab es mehrere<br />

Wechsel. Bereits seit einiger Zeit<br />

meinsame Kulturerbe, welches in<br />

objektiver Weise von der Geschichte<br />

polnischer und deutscher Grenzregionen<br />

zeuge, aus übernationaler<br />

Sicht zu erforschen und frei von<br />

Verfälschungen und Vorurteilen<br />

darzustellen, aber auch zu erhalten<br />

– im Hinblick auf zukünftige Generationen.<br />

Mögen sich die Fachleute<br />

der Kunstgeschichte und Denkmalpflege<br />

in Polen und Deutschland<br />

weiterhin von seinen Gedanken<br />

und Überzeugungen leiten lassen!<br />

Dietmar Popp<br />

neu bei uns ist Gabriela Niedballa.<br />

Frau Niedballa wurde an der TU<br />

Dresden ausgebildet und studierte<br />

Bibliothekswissenschaften an der<br />

FH Burgenland (Österreich). Nach<br />

Stationen in Homburg und Ingolstadt<br />

ist sie im <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> als<br />

Bibliothekarin unter anderem für<br />

den Bereich Katalogisierung/Polen<br />

zuständig. Nora Weitzel wechselte<br />

im Herbst 2010 vom <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong><br />

auf eine neue Arbeitsstelle an der<br />

Bibliothek der Fachhochschule<br />

Gießen-Friedberg.<br />

Auch bei der Zeitschrift für Ostmitteleuropaforschung<br />

gibt es<br />

mehrere Veränderungen. Nach dem<br />

Abschied von Marco Wauker, der<br />

seit November 2002 im <strong>Herder</strong>-<br />

<strong>Institut</strong> arbeitete, übernahm Dr.<br />

Christoph Schutte im März 2010<br />

die Stelle des ZfO-Redakteurs.<br />

Herr Dr. Schutte studierte Osteuropäische<br />

Geschichte, Linguistik und<br />

Politikwissenschaft an der Freien<br />

Universität Berlin und ist seit 1999<br />

am <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> beschäftigt, zunächst<br />

als Doktorand und seit 2005<br />

als Sachbearbeiter in der Abteilung<br />

Literaturdokumentation. 2006 promovierte<br />

er bei Klaus Zernack über<br />

die Königliche Akademie in Posen<br />

1903-1919. Schließlich wurden die<br />

<strong>Institut</strong>smitarbeiterinnen Dr. Heidi<br />

Hein-Kircher (Forum/Verlag) und<br />

Dr. Anna Veronika Wendland (Direktion)<br />

ins Herausgebergremium<br />

der ZfO berufen.


Gäste am <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong><br />

Die Stipendiaten des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />

unter unseren Gästen werden<br />

mit dem Titel ihres Forschungsvorhabens<br />

vorgestellt:<br />

Agnes Flora, Cluj­Napoca (01.­<br />

30.07.) „Notare und Notariat in mittelalterlichen<br />

und frühneuzeitlichen<br />

Städten“<br />

Katarzyna Szymankiewicz, Oborniki<br />

(01.07.­<strong>31</strong>.08.) „Baltendeutsche<br />

im Warthegau (1939­1945)“<br />

Katarzyna Sliwinska, Poznań (05.­<br />

30.07.) „Poetik(en) des Verlusts.<br />

‚Verlorene Heimat‘ und ‚Vertreibung‘<br />

in der deutschen und polnischen<br />

Literatur nach 1945“<br />

Piotr Kociumbas, Elbląg (19.­<br />

30.07.) „Die Gelegenheitskantate im<br />

(ehemaligen) Königlichen Preußen<br />

unter besonderer Berücksichtigung<br />

Elbings des 18. Jahrhunderts“<br />

Agata Rome-Dzida, Jelenia Góra<br />

(01.­<strong>31</strong>.08.) „Das künstlerische Leben<br />

im Riesengebirge in den Jahren<br />

1880­1945“<br />

Sergey Medvetev, Voronež (01.08­<br />

30.09.) „Das Russlandbild der deutschen<br />

Zivilverschleppten in sowjetischen<br />

Arbeitslagern 1944­1956“<br />

Pavel Shcherbinin, Tambov (02.­<br />

<strong>31</strong>.08.) „Der Alltag von Kindern von<br />

Evakuierten und Flüchtlingen aus<br />

Lehrveranstaltungen<br />

Prof. Dr. Peter Haslinger –<br />

Anja Golebiowski:<br />

Justus-Liebig-Universität Gießen<br />

� Flucht, Vertreibung und ethnische<br />

Säuberung im östlichen Europa<br />

1939-1950. Historische und<br />

literarische Zeugnisse<br />

Hauptseminar SS 2010, 2 SWS<br />

� Wissenschaftliche Kontroversen<br />

und Politik in Ostmitteleuropa im<br />

19. und 20. Jahrhundert<br />

Hauptseminar WS 2010/11, 2 SWS<br />

dem Westen des Zarenreiches in<br />

den zentral­russischen Gouvernements<br />

1915 bis 1924“<br />

Svetlana Knyazeva, Voronež<br />

(13.08.­15.09.) „Integration der<br />

zwangsübersiedelten Frauen in die<br />

gesellschaftlich­politische Struktur<br />

Deutschlands in den Jahren 1945­<br />

1956“<br />

Natalia Lewko, Szczecin (01.­<br />

30.09.) „Die Architektur der mittelalterlichen<br />

Stadtkirchen in Vor­ und<br />

Hinterpommern“<br />

Tomasz Majewski, Wrocław (01.­<br />

30.09.) „Zur Geschichte der Breslauer<br />

Verlage. Graß, Barth & Co.<br />

als Zeitschriftenverleger in der Zeit<br />

der Weimarer Republik. Beispielfall<br />

‚Schlesische Monatshefte‘“<br />

Dr. Denis Lomtev, Moskva (01.09.­<br />

30.11.) „Die Deutschen als Repräsentanten<br />

der Prager Komponistenschule<br />

im 20. Jahrhundert“<br />

Aleksandr Sologubov, Kaliningrad<br />

(01.­<strong>31</strong>.10.) „Entwicklung der räumlich­wirtschaftlichen<br />

Strukturen im<br />

Nordostpreussen. 2. Hälfte des XIX.<br />

Jahrhunderts – 1. Hälfte des XX.<br />

Jahrhunderts“<br />

Patryk Wasiak, Warszawa (01.10.­<br />

30.11.) „Polish People’s Republic,<br />

computers and the discourse of<br />

modernization“<br />

Dr. Norbert Kersken:<br />

Justus-Liebig-Universität Gießen<br />

� Kirchenorganisation und Staatsbildung.<br />

Die Erzbistümer im mittelalterlichen<br />

Europa<br />

Hauptseminar SS 2010, 2 SWS<br />

Dr. Anna Veronika Wendland:<br />

Justus-Liebig-Universität Gießen<br />

� Visuelle Geschichte in und über<br />

Ostmitteleuropa<br />

Übung, SS 2010, 2 SWS<br />

Jan Daniluk, Gdańsk (04.­23.10.)<br />

„Die kasernierte Stadt: Danzig als<br />

Garnison, Festung und militärischer<br />

Verwaltungs­, Verpfl egungs­<br />

und Produktionspunkt in den Jahren<br />

1939­1945“<br />

Jana Kosová, Praha (01.­30.11.)<br />

„Abzug der Sowjetarmee aus<br />

Deutschland und der Tschechoslowakei“<br />

Ekaterina Yasinskaya, Kaliningrad<br />

(01.­30.11.) „Die wirtschaftliche und<br />

politische Geschichte Ostpreußens<br />

in den Jahren des ersten Weltkrieges“<br />

Julia Mozdzeń, Toruń (11.­22.12.)<br />

„Die Weltwahrnehmung der preußischen<br />

Stadtbürger im Spätmittelalter<br />

und in der Frühen Neuzeit“<br />

William Niven, Nottingham (09.­<br />

17.08.) (Alexander­von­Humboldt­<br />

Stiftung/Dept. of History, Heritage<br />

and the Geography) „Die Darstellung<br />

von Flucht und Vertreibung in<br />

der Bundesrepublik Deutschland<br />

und der DDR 1945­1990“<br />

David Smith / John Hiden, Glasgow<br />

(30.10.­06.11.) (Universität<br />

Glasgow)<br />

Dr. Jan Lipinsky –<br />

Dr. Jürgen Warmbrunn:<br />

Justus-Liebig-Universität Gießen<br />

� Medien- und Informationskompetenz<br />

für Historiker/innen – Datenbanken,<br />

Wissensportale, Online-<br />

Ressourcen<br />

Übung, WS 2010/11, 2 SWS<br />

23


Tagung der<br />

Historischen<br />

Kommission<br />

Schlesien<br />

Vorträge und Werkstattgespräche<br />

In dieser Rubrik finden Sie alle Vorträge<br />

unserer Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter sowie alle Vortragsveranstaltungen,<br />

die im <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong><br />

stattfanden bzw. bei denen das<br />

<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> als Kooperationspartner<br />

aktiv war (2. Hj. 2010)<br />

7. Juli 2010<br />

Alexandra Schweiger (Marburg):<br />

„Polnische und deutsche Ostkonzepte<br />

im Vergleich“ [Kolloquium<br />

des Lehrstuhls für Osteuropäische<br />

Geschichte der Martin-Luther-Universität<br />

Halle-Wittenberg]<br />

9. Juli 2010<br />

Anna Veronika Wendland (Marburg):<br />

„Überlegungen zum ̦imperial<br />

turn‘ in der Geschichte (Ost-)Europas“<br />

[Zentrum für Europäische Studien<br />

der Universität zu Köln], Köln<br />

27. und 30. Juli 2010<br />

VIII World Congress 2010 „Eurasia:<br />

Prospects for Wider Cooperation“,<br />

Stockholm, Schweden<br />

Jürgen Warmbrunn (Marburg):<br />

„So near but yet so far – the library<br />

of the <strong>Herder</strong> <strong>Institut</strong> in the context<br />

of research on East Central Europe<br />

after 1945“<br />

Jürgen Warmbrunn (Marburg):<br />

„Digitisation of Collections: An Update“<br />

23. August 2010<br />

Jan Lipinsky (Marburg): „Der Hitler-Stalin-Pakt,<br />

seine Vorgeschichte<br />

und dessen unmittelbare Wir-<br />

24<br />

kungen auf die Völker Ost-, Mittel-<br />

und Südosteuropas“ [Vortrags- und<br />

Filmveranstaltung „Der Hitler-Stalin-Pakt<br />

am 23. August 1939“], Halle<br />

(Saale)<br />

<strong>31</strong>. August 2010<br />

Peter Haslinger (Marburg/Gießen):<br />

„Nationalstaatliche Karten – Darstellungsmodi<br />

und politischer Kontext“<br />

[III. Interdisziplinäre Sommerakademie<br />

„Politisches Kartieren –<br />

Kartengebrauch in Mittelalter und<br />

Neuzeit“], Westfälische Wilhelms-<br />

Universität Münster/<strong>Institut</strong> für vergleichende<br />

Stadtgeschichte, Münster<br />

3. September 2010<br />

Dariusz Gierczak (Marburg): „The<br />

Population of the Upper Silesian cities<br />

– between the Poles and the<br />

Germans“ [Xth International Conference<br />

of the European Association<br />

for Urban History: City & Society in<br />

European History. Panel S08, Sektion<br />

„Cities and Towns in Central Europe<br />

in the 19th and 20th century:<br />

̦Salad Bowl‘ or ̦Melting Pot‘ of Cultures?“],<br />

Gent, Belgien<br />

3. September 2010<br />

Wolfgang Kreft (Marburg): Sektion<br />

„Namen, Sprachen, Medizin“ [15.<br />

Kartographiehistorisches Colloquium],<br />

München<br />

3. September 2010<br />

Dietmar Popp / Peter Haslinger<br />

(Marburg): Eröffnungsrede zur Aus-<br />

stellung „Im Objektiv des Feindes.<br />

Die deutschen Bildberichterstatter<br />

im besetzten Warschau 1939-<br />

1945“, Wissenschaftliches Zentrum<br />

der Polnischen Akademie der Wissenschaften,<br />

Wien<br />

11. September 2010<br />

Dorothee M. Goeze (Marburg):<br />

„Hellmuth Weissi isiklik pärand <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong><br />

Marburgis/Der Nachlass<br />

von Hellmuth Weiss im <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong><br />

Marburg“ [Seminar „Baltisakslased<br />

Eesti Vabariigis 1920.-1930.<br />

Aastail/Deutschbalten in der Estnischen<br />

Republik in den 1920er und<br />

1930er Jahren“], Tallin<br />

15. September 2010<br />

Dorothee M. Goeze (Marburg):<br />

„Eestlastest Saksa DP-laagrites/Über<br />

Esten in DP-Lagern in<br />

Deutschland“ [Õpetatud Eesti<br />

Selts/Gelehrte Estnische Gesellschaft],<br />

Tartu<br />

16. September 2010<br />

Elke Bauer (Marburg): „Zwischen<br />

Inszenierung und Authentizität:<br />

Kontextualisierung ausgewählter<br />

Bilderzeugnisse zum Alltagsleben<br />

der Deutschen in Ostmitteleuropa<br />

vor 1945“ [Jahrestagung „Blickpunkte.<br />

Fotografien als Quelle zur<br />

Erforschung der Kultur der Deutschen<br />

im und aus dem östlichen<br />

Europa. Teil 1“], Schlesisches Museum<br />

zu Görlitz<br />

Sommerakademie: Bertold Gillitzer und Gudrun Wirtz aus München


20. - 26. September 2010<br />

Internationale und interdisziplinäre<br />

Sommerakademie „Neue Medien<br />

in den Geschichts- und Osteuropawissenschaften“,<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>,<br />

Marburg<br />

Gudrun Wirtz (München): „Zukunft<br />

bücherlose Bibliothek oder bibliothekslose<br />

Bücher?“<br />

Peter Haslinger (Marburg/Gießen):<br />

„Transnationale Wissensvermittlung:<br />

Neue Medien in den area studies“<br />

Marc Friede (Marburg): „Auf dem<br />

Weg zu einem integrierten Fachinformationssystem<br />

des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s“<br />

Peter Wörster (Marburg): „Das<br />

online-Angebot der Dokumentesammlung<br />

(DSHI) als Baustein „auf<br />

dem Weg zu einem integrierten<br />

Fachinformationssystem des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s:<br />

Chancen und Grenzen<br />

eines fachspezifischen Webangebots“<br />

Kalina Szary (Poznań): „Die Großpolnische<br />

Digitale Bibliothek – Tätigkeit,<br />

Sammlungen und Perspektiven“<br />

Heidi Hein-Kircher / Alexandra<br />

Schweiger (Marburg): „Dokumente<br />

und Materialien zur ostmitteleuropäischen<br />

Geschichte – eine elektronische<br />

Quellenedition für die universitäre<br />

Lehre“<br />

Bertold Gillitzer (München): „Von<br />

alten Zöpfen in neuen Schläuchen<br />

oder warum Aristoteles schon alles<br />

wusste, aber erst google damit<br />

Geld verdient“<br />

Anna Sobczak (Gniezno): „Internetservices<br />

der Polnischen Staatsarchive<br />

– als Hilfsmittel für die geschichtliche<br />

Recherche“<br />

Rüdiger Hohls (Berlin): „Zur Kultur<br />

der wissenschaftlichen Diskussion<br />

und Mailinglisten“<br />

Vadim Oswalt (Gießen): „Geschichtsdidaktische<br />

Perspektiven“<br />

Kristine Greßhöner (Paderborn):<br />

„Online kooperieren, offline diskutieren.<br />

Wie Geschichtsstudierende<br />

mit Neuen Medien umgehen“<br />

Marcin Wilkowski (Warszawa):<br />

„Our past is in bits. The use of digital<br />

history in Poland“<br />

Bogumił Rudawski (Osieczna):<br />

„Die digitalisierte Sammlung des<br />

Posener Stadtarchivs und ihre Verwendung<br />

(am Beispiel des Kreises<br />

Pleschen)“<br />

Katarzyna Woniak (Stadtbergen):<br />

„Internetplattformen der deutschen<br />

Heimatvertriebenen als historische<br />

Quelle für erinnerungskulturelle Untersuchungen“<br />

Wolfgang Kreft / Marc Friede<br />

(Marburg): „Historisch-topographischer<br />

Atlas schlesischer Städte.<br />

Die Beispiele Oppeln/Opole (digital)<br />

und Görlitz/Zgorzelec (analog)“<br />

Matija Ogrin (Ljubljana): „Electronic<br />

Scholarly Editions“<br />

Friedla Rozenblat (Berlin): „Juden<br />

in Breslau und Wrocław: jüdisch-deutsche<br />

und jüdisch-polnische<br />

Lebenswelten 1918-1945 und<br />

1945-1968“<br />

Maciej Rynarzewski (Barczewo):<br />

„Digital rescue history: Recovering,<br />

preserving und presenting in the local<br />

past in the 2.0 era“<br />

Norbert Kunz (München) / Jürgen<br />

Warmbrunn (Marburg): „VifaOst<br />

und Ostdok“<br />

Konrad Hierasimowicz (Marburg):<br />

„Mediale Narration nationaler Identität:<br />

vom Druck bis zum Web 2.0.<br />

Eine Untersuchung zum belarussischen<br />

Fall“<br />

Harald Müller (Heidelberg): „Open<br />

Access und Urheberrecht“<br />

23. September 2010<br />

Dietmar Popp (Marburg): Buch-<br />

präsentation „Danzig im Luftbild<br />

der Zwischenkriegszeit“ [18. Tagung<br />

des Arbeitskreises deutscher<br />

und polnischer Kunsthistoriker und<br />

Denkmalpfleger „Stadtkultur des<br />

späten Mittelalters und der frühen<br />

Neuzeit in Ostmitteleuropa und ihre<br />

Renaissance im 19. Jh.“], Oldenburg<br />

25. September 2010<br />

Peter Wörster (Marburg): „Das <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong><br />

Marburg, seine Dokumentesammlung<br />

und die Möglichkeiten<br />

für ost- und westpreußische<br />

Familienforscher“ [Jahrestagung<br />

des Vereins für Familienforschung<br />

in Ost- und Westpreußen], Kassel<br />

29. September 2010<br />

Jan Lipinsky (Marburg): „Digitalisierungsprojekte<br />

des <strong>Herder</strong>-Ins-<br />

tituts Marburg: Beispiel Zeitungsausschnitt-sammlung“<br />

[Workshop<br />

„Deutschsprachige Zeitungsbestände<br />

aus dem östlichen Europa –<br />

aktuelle Digitalisierungsprojekte“],<br />

Oldenburg<br />

1. Oktober 2010<br />

48. Deutscher Historikertag „Über<br />

Grenzen“, Humboldt-Universität zu<br />

Berlin<br />

Peter Haslinger (Marburg/Gießen)<br />

/ Vadim Oswalt (Gießen): „Raumkonzepte,<br />

Wissenstransfer und die<br />

Karte als Medium von Geschichtskultur<br />

und Geschichtspolitik“<br />

25<br />

Tagung des <strong>Herder</strong>Forschungsrats


Ute Wardenga (Leipzig): „Gewinn<br />

durch Verlust und Verlust durch Gewinn<br />

– Wie wirklich ist die ‚Wirklichkeit‘<br />

im Medium der Karte?“<br />

Anna Veronika Wendland (Marburg):<br />

„Ikonographien des Raumbilds<br />

Ukraine: Eine europäische<br />

Wissenstransfergeschichte“<br />

Sebastian Bode (Gießen) / Mathias<br />

Renz (Gießen): „Grenzen in ostmitteleuropäischen<br />

konventionellen<br />

und digitalen Geschichtskarten“<br />

Vytautas Petronis (Marburg): „Die<br />

umkämpfte Stadt: Die Darstellung<br />

von Vilnius/Wilno/Wilna auf russländischen<br />

ethnographischen und<br />

litauisch nationalen Karten, 1840-<br />

1918“<br />

4. Oktober 2010<br />

Tagung „Schlesien digital – Neue<br />

Wege zu den Quellen“, <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>,<br />

Marburg<br />

Jürgen Warmbrunn (Marburg):<br />

Vortrag „Vernetzung durch Digitalisierung<br />

– Digitalisierungsprojekte<br />

im <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>“<br />

Dariusz Gierczak / Wolfgang<br />

Kreft (Marburg): „Schlesische<br />

Städte im Spiegel topographischer<br />

Karten. Ein multimediales Atlasprojekt<br />

zur Siedlungsentwicklung vom<br />

19.-21. Jahrhundert“<br />

Marc Friede (Marburg): „Silesiaca<br />

in der Kartensammlung des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />

und ihre Online-Verfügbarkeit“<br />

Thomas Urban (Marburg): „Der<br />

‚Bildkatalog‘, die Online-Datenbank<br />

des Bildarchivs und Digitalisierungsprojekte<br />

zu Schlesien“<br />

Dietmar Popp (Marburg): „Vom<br />

Dehio-Handbuch Schlesien zum<br />

Online-Informationssystem der<br />

Bau- und Kunstdenkmäler“<br />

Dorothee M. Goeze (Marburg):<br />

„Speichern – anzeigen – nutzen.<br />

Gedanken zu einem Archivportal<br />

Silesiaca“<br />

Peter Wörster (Marburg): „Ein früher<br />

sachthematischer Archivalienkatalog:<br />

Schlesien in der ̦Dülfer-<br />

Kartei‘“<br />

Wojciech Mrozowicz (Wrocław):<br />

„Digitalisierungsprojekte der Universitätsbibliothek<br />

Breslau und an<br />

schlesischen Archiven“<br />

26<br />

Dariusz Przybytek (Wrocław): „Georeferenzierung<br />

und Digitalisierung<br />

von kartografischen Sammlungen<br />

der Universität Breslau“<br />

7. Oktober 2010<br />

Abschlussveranstaltung/Projektpräsentation<br />

der Justus-Liebig-<br />

Universität Gießen, <strong>Institut</strong> für Germanistik,<br />

Historische Sprachwissenschaft,<br />

in Zusammenarbeit mit<br />

dem <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>, DSHI, Marburg<br />

Anja Voeste (Gießen) / Ineta Balode<br />

(Riga) / Peter Wörster / Dorothee<br />

M. Goeze (Marburg): „Sprachkontakt<br />

in multiethnischen Gesellschaften<br />

– Die deutsche Sprache<br />

im Baltikum“<br />

7. - 10. Oktober 2010<br />

Homburger Gespräch der M.C.A.<br />

Böckler–Mare Baltikum-Stiftung/<br />

des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />

Dietmar Popp (Marburg): „Badeorte<br />

und Bäderkultur an der Ostseeküste<br />

im 19. und 20. Jahrhundert.<br />

Architektur, Gesellschaftliches Leben<br />

und ihre Darstellung in Bild und<br />

Wort“, Bad Homburg und Marburg<br />

8. Oktober 2010<br />

Anna Veronika Wendland (Marburg):<br />

„Kritische Anmerkung zu Galizien<br />

als Referenzraum kultureller<br />

Interferenz“ [Tagung „Reflexion kultureller<br />

Interferenzräume. Beispiele<br />

aus Ostmitteleuropa im 20. Jahrhundert“<br />

des GWZO], Leipzig<br />

14. - 16. Oktober 2010<br />

Internationale Nachwuchstagung<br />

des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s „Violence and<br />

Societies in East Central Europe,<br />

18th to 20th centuries“, Vilnius<br />

H. H. Bass (Bremen): „Quiet violence,<br />

violent excesses. The dynamics<br />

of violence in the mid-19th<br />

century subsistence crisis in Prussia“<br />

M. Kaszka: „Groups Using Force<br />

in 17th Century Polish-Lithuanian<br />

Commonwealth“<br />

Vytautas Petronis (Marburg):<br />

„Forms of Societal Coercion: The<br />

Case of the Lithuanian Paramilitary<br />

Organisation ̦Iron Wolf‘ (Late<br />

1920s)“<br />

D. Starchenko (Gießen): „The Cossack<br />

Uprising in 1637/38. Perception<br />

and Construction of Violence in Selected<br />

Contemporary Sources“<br />

M. Chvojka (Skopje): „Between Revolution<br />

and Stability. The Uprising<br />

in Galicia of 1846 and the Habsburg<br />

Province Moravia-Silesia“<br />

A. Mi�ins (Latvia): „Manifestations<br />

of Civil War on the Territory of Latvia<br />

1918-1920“<br />

T. Minnik (Tallinn): „Terror And Repressions<br />

During the Estonian War<br />

Of Independence 1918-1919“<br />

W. Dornik (Graz): „The 1918 Occupation<br />

of the Ukraine by the Central<br />

Powers“<br />

T. Buchen (Berlin): „Anti-Jewish Violence:<br />

Dynamics and Representations<br />

of the Galician ̦anti-Semitic<br />

Excesses‘ of 1889“<br />

K. Richter (Berlin): „ ̦Horrible Were<br />

the Avengers, but the Jews Were<br />

Horrible, too‘. Nationalistic Contempo-raries<br />

Interpret the Pogrom<br />

of Dusetos (1905)“<br />

E. Reder (Wien): „Pogroms in Poland<br />

1918-20 und 1945/46 in Comparison“<br />

S. Žemaityt� / L. Venclauskas<br />

(Kaunas): „From Word to Act: Anti-<br />

Semitic Rhetoric Influence on Jews<br />

and Lithuanians Everyday Relationship<br />

in 4th Decade of 20th Century“<br />

F. Grafl (Gießen): „Urban Violence<br />

in Barcelona in the Interwar Years“<br />

Ž. Mikailien� (Vilnius): „The Hippie<br />

Movement in Soviet Lithuania: The<br />

Tension Between Official and Unofficial<br />

Youth Culture and State Violence“<br />

A.-M. Kõll (Stockholm): „Violence<br />

in the Baltic sea region: The question<br />

of paramilitary groups 1917-<br />

1945“<br />

E. Gioielli (Budapest): „The Terror<br />

at Home: Mistresses, Maids,<br />

and ̦Domestic‘ Politics in Hungary,<br />

1919-1921“<br />

M. Becker (Frankfurt): „German<br />

Judges in Occupied Poland During<br />

the Second World War“<br />

D. Brewing (Stuttgart): „In the Shadow<br />

of Auschwitz: Mass Crimes<br />

Against Ethnic Poles, 1939-1945“<br />

V. Ivanauskas (Vilnius): „Local Intellectuals,<br />

Soviet Indoctrination


and ̦National‘ Question: Participation,<br />

Escape or Resistance“<br />

P. Kolar (Potsdam/Prag): „Capital<br />

Punishment and State Sovereignty<br />

in Late Socialism“<br />

I. Paslaviči�t� (Wien): „Violence in<br />

Post-Stalinist Everyday Life: Case<br />

Studies of the Petitions to the Central<br />

Committee of the Lithuanian<br />

Communist Party between 1953<br />

and 1964“<br />

S. Zehnle (Gießen): „The Materiality<br />

of Violence in 19th Century East<br />

Africa“<br />

G. Brumane (Riga): „Violence as<br />

Part of Political Agitation: the Example<br />

of Political Poster in Latvia,<br />

1920-1934“<br />

E. Kernbauer (Bern): „Violence,<br />

Memory and Narration in the Works<br />

of Deimantas Narkevičius“<br />

A. Griffante (Vilnius): „War, Self-<br />

Perception and the Nation. Some<br />

Reflections on Personal Diaries in<br />

Lithuania During World War“<br />

22. - 23. Oktober 2010<br />

Jahrestagung „Transnationale Regionen<br />

in der wissenschaftlichen<br />

Praxis“, <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>, Marburg<br />

Markus Schroer (Kassel): „Zur Relevanz<br />

des Raums als soziologischer<br />

Kategorie“<br />

Reinhard Johler (Tübingen):<br />

„Raum als Kategorie der Europäischen<br />

Ethnologie“<br />

Peter Haslinger (Marburg/Gießen):<br />

„Spatial turn und historische Regionen“<br />

Markus Krzoska (Gießen): „Nationale<br />

widerstreitende Perspektiven<br />

auf regionale Kultur und Geschichte<br />

im diachronen und interregionalen<br />

Vergleich“<br />

Robert Luft (München): „Landesgeschichte<br />

von außen? Die böhmisch-mährische<br />

Geschichte im<br />

Dialog nationaler Wissenschaftskulturen“<br />

Ralph Tuchtenhagen (Berlin):<br />

„Raum oder historische Region<br />

‚Baltikum‘“<br />

Arno Mentzel-Reuters (München):<br />

„Mediävistische Landesforschung<br />

und Raumbegriffe der Moderne“<br />

Haik Thomas Porada (Leipzig):<br />

„Landesgeschichtliche und landes-<br />

kundliche Forschungen zum Land<br />

am Meer im 100. Jahr des Bestehens<br />

der Historischen Kommission<br />

für Pommern“<br />

Klaus Roth (München): „Regionalentwicklung<br />

und transnationale Regionen<br />

in Südosteuropa“<br />

Stefan Rohdewald (Passau): „Religiöse<br />

Erinnerungsorte (Projektvorstellung)“<br />

Ludger Udolph (Dresden): „Geopoetik?<br />

Literarische Raumproduktion<br />

und regionale Literaturen“<br />

Claudia Kraft (Erfurt): „Raus aus<br />

der blackbox. Nation in der Zeitgeschichte“<br />

Jörg Hackmann (Stettin): „Problem<br />

und Perspektiven der regionalkundlichenOstmitteleuropa-Forschung“<br />

29. - <strong>31</strong>. Oktober 2010<br />

Internationale Tagung „Historiografie<br />

und Landeskunde im deutschpolnischen<br />

Kontaktbereich. Reflexionen<br />

über 125 Jahre institutionelle<br />

historisch-landeskundliche<br />

Forschung in und über Posen“,<br />

<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>, Marburg<br />

Stefan Dyroff (Bern): „1885-1918<br />

– Streben nach Wissenschaftlichkeit<br />

im Spannungsfeld zwischen<br />

behördlichen Erwartungen, polnischer<br />

Konkurrenz und dem gesellschaftlichen<br />

Bedürfnis nach Dilletantismus,<br />

Geselligkeit und regionaler<br />

Identität“<br />

Christoph Schutte (Marburg):<br />

„Rodgero Prümers – Adolf Warschauer.<br />

Zwei Posener Archivare<br />

als Landeshistoriker“<br />

Olgierd Kiec (Grünberg/Zielona<br />

Góra): „1918-1945 – Aufgezwungene<br />

Kampfesstellung? Die deutschen<br />

Historiker und Heimatforscher<br />

in Polen“<br />

Matthias Barelkowski (Gießen):<br />

„Manfred Laubert und Wolfgang<br />

Kohte“<br />

Błażej Białkowski (Berlin): „Alfred<br />

Lattermann und Kurt Lück“<br />

Wolfgang Kessler (Herne): „1945-<br />

1990 – Ostforschung als Abwehr:<br />

Die Historisch-Landeskundliche<br />

Kommission für Posen und das<br />

Deutschentum in Polen als Gesinnungsgemeinschaft“<br />

Eike Eckert (Berlin): „Gotthold<br />

Rhode und Richard Breyer“<br />

Matthias Weber (Oldenburg) / Andreas<br />

Lawaty (Lüneburg) / Markus<br />

Krzoska (Gießen) / Jan Maria Piskorski<br />

(Szczecin): „Welche Zukunft<br />

hat die historisch-landeskundliche<br />

Forschung über die Geschichte der<br />

Deutschen in Polen?“<br />

3. November 2010<br />

Anna Veronika Wendland (Marburg):<br />

„Polnische Verwaltung und<br />

‚nichtpolnische‘ Staatsbürger in<br />

Südostpolen“ [Kooperationsveranstaltung<br />

„Minderheitenpolitik als<br />

Interaktion? Die staatlichen <strong>Institut</strong>ionen<br />

der Zweiten Polnischen<br />

Republik und die ‚nichtpolnischen‘<br />

Staatsbürger (1918-1939)“], Universität<br />

Leipzig und Polnisches <strong>Institut</strong>,<br />

Leipzig<br />

27<br />

Tagung der<br />

Historischen<br />

Kommission<br />

Posen


Tagung des <strong>Herder</strong><br />

Forschungsrats<br />

3. November 2010<br />

Vernetzungstreffen „Glasgow meets<br />

Giessen – cooperation day“, Justus-<br />

Liebig-Universität Gießen<br />

Master class „Language, identity,<br />

politics“<br />

Ada Regelmann (Glasgow): „Catch<br />

22 – the Impact of Minorities’ Activism<br />

on Integration”<br />

Markus Krzoska (Gießen): „The<br />

Politics and Dynamics of Ethnona-<br />

tional Escalation: the Example of<br />

Habsburg Bohemia in 1897“<br />

Ammon Cheskin (Glasgow):<br />

„The Discursive Construction of<br />

̦Russian-speakers‘: The Russian-<br />

Language Media and Demarcated<br />

Political Identities in Latvia“<br />

Ruth Bartholomä / Aksana Braun<br />

(Gießen): „Majority or Minority?<br />

Constructions of Identity in the Discourse<br />

about Language Policy of<br />

Russian-Turkic Speech Communities<br />

in the Republic of Kazakhstan<br />

and the Republic of Tatarstan (Russian<br />

Federation)“<br />

Marine Germane (Glasgow): „United<br />

Latvian National State – a Contradiction<br />

in terms?“<br />

Rayk Einax (Gießen): „Russification<br />

Measures in the Belorussian Soviet<br />

Republic (1950ies to 1970ies) and<br />

its Consequences“<br />

Keiji Sato (Glasgow): „Europeanisation<br />

and Confidence-Building Measures<br />

in the Transnistria Region“<br />

John Hiden / David Smith (Glasgow):<br />

„Nation State or State Com-<br />

28<br />

munity? Alternatives from Interwar<br />

Europe“<br />

4. November 2010<br />

Marc Friede (Marburg): „Historisch-topographischer<br />

Atlas schlesischer<br />

Städte“ [Treffen des Arbeitskreises<br />

Historische Kartographie],<br />

<strong>Institut</strong> für Europäische<br />

Geschichte, Mainz<br />

5. - 6. November 2010<br />

Wolfgang Kreft (Marburg): Präsentation<br />

des Städteatlas Schlesien im<br />

Rahmen einer Medienstation [Tagung<br />

„Menschen unterwegs. Die<br />

via regia und ihre Akteure“ zur Vorbereitung<br />

der 3. Sächsischen Landesausstellung],<br />

Schlesisches Museum,<br />

Görlitz<br />

6. November 2010<br />

Jürgen Warmbrunn (Marburg):<br />

„Kaszuby i Instytut im. <strong>Herder</strong>a w<br />

Marburgu“ [Ausstellung „Polen,<br />

Deutsche und Kaschuben. Alltag,<br />

Brauchtum und Volkskultur auf dem<br />

Gut Hochpaleschken in Westpreußen<br />

um 1900“], Haus der Begegnungen<br />

mit der Geschichte, Warschau<br />

8. November 2010<br />

Markus Roth (Gießen/Marburg):<br />

„Herrenmenschen. Nationalsozialistische<br />

Besatzungspolitik in Polen<br />

1939-1945 [Offene Akademie der<br />

Volkshochschule München], Kulturzentrum<br />

Gasteig, München<br />

9. November 2010<br />

Cordula Kalmbach (Freiburg):<br />

„Katyń als lieu de mémoire der polnischen<br />

Erinnerungskultur – fiktive<br />

Verwandte angesichts der menschlichen<br />

Katastrophe“, Justus-Liebig-<br />

Universität, Gießen<br />

9. November 2010<br />

Michael Zok (Marburg): „Der Holocaust<br />

im polnischen Fernsehen<br />

1968-1989. Zwischen Marginalisierung<br />

und Wiederentdeckung“ [Kolloquium<br />

der Abteilung für Osteuropäische<br />

Geschichte], Johannes-<br />

Gutenberg-Universität, Mainz<br />

19. November 2010<br />

42nd Annual Convention of the<br />

Association for Slavic, East European<br />

and Eurasian Studies (ASEE-<br />

ES), Los Angeles, USA / Sektion<br />

„Windows, Bridges, Gateways and<br />

More: Defining Baltic Space in the<br />

20th Century: Central, East, and<br />

North European Perspectives“<br />

Peter Haslinger (Marburg/Gießen):<br />

Chair<br />

Vytautas Petronis (Marburg): Co-<br />

Referent<br />

Laimonas Briedis (Litauen): Co-<br />

Referent<br />

Jörg Hackmann (Polen): „Return<br />

to History? Conceptualizing Baltic<br />

Space in Political and Scholarly<br />

Discourses since the 1980s“<br />

Ralph Tuchtenhagen (Berlin):<br />

„ ̦Germanic Sea‘: The Baltic Sea<br />

Region as an Ethnic Space in German<br />

Humanities c. 1890-1950“<br />

Jan Hecker-Stampehl (Berlin):<br />

„Nordic Perspectives on the Baltic<br />

Sea Region“<br />

22. November 2010<br />

Peter Haslinger (Marburg/Gießen):<br />

Buchpräsentation „Nation und Territorium<br />

im tschechischen politischen<br />

Diskurs 1880-1938“, Geisteswissenschaftliches<br />

Zentrum<br />

Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas<br />

(GWZO), Leipzig<br />

23. November 2010<br />

Peter Haslinger (Marburg/Gießen):<br />

„Regionale Bewegungen in Ostmitteleuropa<br />

um 1900 zwischen Nati-


on, Staat und Dynastie“<br />

Anna Veronika Wendland (Marburg):<br />

„Städte als Arenen imperialer,<br />

nationaler und lokaler Projekte“<br />

[Workshop „Transnationale Geschichte<br />

Ostmitteleuropas: Territorialisierung<br />

in der zweiten Hälfte<br />

des 19. Jahrhunderts“ der Projektgruppe<br />

Ostmitteleuropa Transnational<br />

– Studien zur Verflechtungsgeschichte],Geisteswissenschaftliches<br />

Zentrum Geschichte und<br />

Kultur Ostmitteleuropas (GWZO),<br />

Leipzig<br />

6. Dezember 2010<br />

Feierliche Eröffnung der Leibniz<br />

Graduate School for Cultures of<br />

Knowledge in Central European<br />

Transnational Contexts, Alexandervon-Humboldt-Gästehaus<br />

der Justus-Liebig-Universität,<br />

Gießen<br />

Peter Haslinger (Marburg/Gießen):<br />

„Grenzüberschreitungen und<br />

Transformationen von Wissen in<br />

multikulturellen Räumen – Vorstellung<br />

der Leibniz Graduate School<br />

for Cultures of Knowledge in Central<br />

European Transnational Contexts“<br />

Sylwia Werner (Marburg): „Die Entstehung<br />

von Ludwik Flecks Wissenschaftstheorie<br />

in der Wissenskultur<br />

der Lemberger Moderne“<br />

Justyna A. Turkowska (Marburg):<br />

„Wissenschaft als Konstrukt und<br />

Neue Veröffentlichungen und Vorschau<br />

Inszenierung: ein deutsch-polnischer<br />

Vernetzungsfall im Spiegel<br />

der Hygienediskurse“<br />

Dominika Piotrowska (Marburg):<br />

„Die neuzeitliche Residenzarchitektur<br />

in der Neumark“<br />

Christian Lotz (Marburg): „Die Erkundung<br />

des Vorrats. Wissenschaftler<br />

und Akademien in den<br />

Imperien Ostmitteleuropas und die<br />

Bestimmung der verfügbaren Holzressourcen<br />

(ca. 1870-1914)“<br />

Konrad Hierasimowicz (Marburg):<br />

„Mediale Narration nationaler Identität<br />

– vom Druck bis zum ̦Web<br />

2.0‘. Eine Untersuchung am belarussischen<br />

Fall“<br />

Patrick Harries (Basel): „Knowledge<br />

and Knowing: Managing and<br />

Measuring the New Across Space<br />

and Through Time“<br />

13. Dezember 2010<br />

Agnes Laba (Marburg): „Öffentliche<br />

Diskussion der Ostgrenzen<br />

in der frühen Weimarer Republik“<br />

[Kolloquium am International Graduate<br />

Centre for the Study of Culture<br />

(GCSC)], FB Geschichts- und<br />

Kulturwissenschaften, Justus-Liebig-Universität,<br />

Gießen<br />

14. Dezember 2010<br />

Workshop „Demokratiegeschichte<br />

des 20. Jahrhunderts als Zäsurgeschichte.<br />

Das Beispiel der frü-<br />

hen Weimarer Republik“ [Treffen<br />

des SAW-Projekts „Demokratiegeschichte<br />

des 20. Jahrhunderts als<br />

Zäsurgeschichte“], <strong>Institut</strong> für Deutsche<br />

Sprache (IDS), Mannheim<br />

Peter Haslinger (Gießen/Marburg):<br />

„Erinnerung und Diskurs. Die Aktualisierung<br />

von Vergangenheit im<br />

politischen Raum“<br />

Heidrun Kämper (Mannheim):<br />

Kommentar zum Vortrag Haslinger<br />

Uta Koppert-Maats (Mannheim):<br />

„Der Frauenrechte-Diskurs zu Beginn<br />

der Weimarer Republik“<br />

Agnes Laba (Marburg): „Die öffentliche<br />

Diskussion der Ostgrenzen in<br />

der frühen Weimarer Republik“<br />

Dominik Mauer (Mannheim): „Demokratische<br />

und antidemokratische<br />

Konzepte in der Satire der<br />

Weimarer Republik“ und Promotionsvorhaben<br />

„Grundlegung einer<br />

quantitativ-qualitativen Argumentationsanalyse<br />

als diskurslinguistische<br />

Methode“<br />

Jörn Retterath (München): „Volk<br />

im Umbruch zwischen Kaiserreich<br />

und Weimarer Republik. Ein Werkstattbericht<br />

zu Stand und Problemen<br />

der Zeitungsauswertung“<br />

Melanie Seidenglanz (Mannheim):<br />

„Die Funktion von Abdankungsurkunden<br />

im Demokratisierungsprozess<br />

der Weimarer Republik“<br />

Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung<br />

Das neueste Heft 59/2 des zentralen<br />

Organs der internationalen Ostmitteleuropa-Forschung<br />

enthält<br />

neben einem umfangreichen Besprechungsteil<br />

folgende Beiträge:<br />

Erki Tammiksaar: Alexander Theodor<br />

von Middendorff und die Entwicklung<br />

der livländischen Gesellschaft<br />

in den Jahren 1860 bis 1885<br />

Pavel Marek: Zum politischen Profil<br />

von František Kordač<br />

Katharina Wessely: Die deutsch-<br />

sprachigen Provinztheater Böhmens<br />

und Mährens zwischen lokaler,<br />

regionaler und nationaler<br />

Identität<br />

29


Der Führer im Europa des 20. Jahrhunderts<br />

Forschungen zu Kult und Herrschaft der Führer-Regime in Mittel-, Ost-<br />

und Südosteuropa. Analysen, Konzepte und Vergleiche<br />

Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />

(1914-1945) brachte im Zuge<br />

der autoritären und totalitären Systeme<br />

eine Reihe von Führerkulten<br />

in Mittel-, Ost- und Südosteuropa<br />

hervor. Mit der Personalisierung<br />

politischer Macht war die Prämisse<br />

verbunden, dass diese nicht in<br />

„abstrakten“ <strong>Institut</strong>ionen verfasst<br />

sein, sondern erst im Bild des „Führers“<br />

einen für die Wahrnehmung<br />

des Volkes greifbaren Ausdruck<br />

und für die Herrschaft durchgreifenden<br />

Effekt finden kann, so dass<br />

die Allgegenwart und Allmacht des<br />

„Führers“ nur durch umfassenden<br />

Einsatz der Massenmedien des 20.<br />

Jahrhunderts gewährleistet werden<br />

konnte.<br />

Die politischen Kulte des 20. Jahrhunderts<br />

waren bislang erstaunlich<br />

30<br />

selten Gegenstand ausführlicher<br />

und komparatistischer historischer<br />

Forschung. Die Beiträge des Ban-<br />

Loyalitäten im Staatssozialismus<br />

DDR, Tschechoslowakei, Polen<br />

Die allgemeine Vorstellung von<br />

staatssozialistischen Diktaturen ist<br />

trotz aller Fortschritte der historischen<br />

Forschung immer noch stark<br />

von einer Unterscheidung zwischen<br />

„Macht“ und „Gesellschaft“<br />

geprägt. Demnach beruhte das<br />

Handeln in solchen Regimen in erster<br />

Linie auf Zwang und Angst vor<br />

Repression. Doch ist es notwendig,<br />

genauer nach verschiedenen<br />

Motivationen und Formen systemkonformen<br />

und -stabilisierenden<br />

Handelns jenseits des Drucks von<br />

Partei und Staatssicherheit zu fragen.<br />

Aus diesem Grund betrachten<br />

die Autoren dieses Sammelbandes<br />

mit Hilfe der Analysekategorie<br />

„Loyalität“ am Beispiel von Themenbereichen<br />

wie Migration und<br />

Umverteilung nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg, Feindpropaganda, Sozi-<br />

al- und Konsumpolitik, Intellektuelle<br />

und Künstler sowie Kirche im Sozialismus<br />

verschiedene gesellschaftliche<br />

Aspekte der Funktionsweise<br />

der staatssozialistischen Systeme<br />

in der SBZ/DDR, der Tschechoslowakei<br />

und Polen in den Jahren<br />

1945 bis 1989.<br />

Loyalitäten im Staatssozialismus<br />

DDR, Tschechoslowakei, Polen<br />

Herausgegeben von Volker Zimmermann,<br />

Peter Haslinger und<br />

Tomáš Nigrin<br />

(Tagungen zur Ostmitteleuropa-<br />

Forschung, Bd. 28)<br />

Marburg 2010, VI, 366 S.<br />

€ 27,00<br />

ISBN 978-3-87969-364-1<br />

des stellen daher Führerkulte des<br />

20. Jahrhunderts, die in autoritären<br />

und totalitären Regimen entstanden<br />

sind, in vergleichender Perspektive<br />

dar.<br />

Der Führer im Europa des 20.<br />

Jahrhunderts<br />

Forschungen zu Kult und Herrschaft<br />

der Führer-Regime in Mittel-,<br />

Ost- und Südosteuropa. Analysen,<br />

Konzepte und Vergleiche<br />

Herausgegeben von Benno Ennker<br />

und Heidi Hein-Kircher<br />

(Tagungen zur Ostmitteleuropa-<br />

Forschung, Bd. 27)<br />

Marburg 2010, VIII, 382 S.<br />

€ 38,00<br />

ISBN 978-3-87969-359-7


Umgesiedelt – Vertrieben<br />

Deutschbalten und Polen 1939-1945 im<br />

Warthegau<br />

Der sogenannte „Hitler-Stalin-Pakt“<br />

vom August 1939 mit seinen geheimen<br />

Zusatzprotokollen über die<br />

Abgrenzung von Interessensphären<br />

zwischen NS-Deutschland und<br />

der Sowjetunion löste umfangreiche<br />

Grenzverschiebungen, Umsiedlungen<br />

und Vertreibungen in<br />

Europa aus. Den Anfang machte<br />

die gewaltsame Vertreibung der<br />

jüdischen und großer Teile der polnischen<br />

Bevölkerung aus den im<br />

Polenfeldzug der deutschen Wehrmacht<br />

besetzten Gebieten, um den<br />

von den NS-Behörden aus dem<br />

Baltikum und anderen deutschen<br />

Siedlungsgebieten im östlichen<br />

Europa umgesiedelten deutschen<br />

Volksgruppen Platz zu machen.<br />

Siebzig Jahre nach dem Beginn<br />

dieser Ereignisse trafen sich auf<br />

Initiative der Deutsch-Baltischen<br />

Terminvorschau<br />

22. Oktober 2010 - 1. Mai 2011<br />

Dokumentationszentrum Obersalzberg,<br />

Berchtesgaden<br />

18. Mai - 18. Juni 2011<br />

Kornhausforum, Bern<br />

10. Oktober - 15. November 2011<br />

Forschungsstelle Ostmitteleuropa,<br />

TU Dortmund<br />

Im Objektiv des Feindes – Die deutschen<br />

Bildberichterstatter im besetzten<br />

Warschau 1939-1945 /<br />

W obiektywie wroga. Niemieccy fotoreporterzy<br />

w okupowanej Warszawie<br />

(1939-1945)<br />

Eine Wanderausstellung des Hauses<br />

der Begegnung mit der Geschichte<br />

in Warschau in Zusammenarbeit<br />

mit der Polnischen<br />

Akademie der Wissenschaften und<br />

dem <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> in Marburg,<br />

dem Bundesarchiv sowie der Stiftung<br />

Preußischer Kulturbesitz mit<br />

Gesellschaft (Darmstadt) und des<br />

Instytut Zachodni (Poznań) im<br />

Oktober 2009 Wissenschaftler,<br />

Zeitzeugen und Interessierte aus<br />

Deutschland und Polen in Poznań,<br />

um sich über den Stand der wissenschaftlichen<br />

Erforschung der<br />

Geschehnisse zwischen 1939 und<br />

1945 im sogenannten „Warthegau“<br />

auszutauschen und anhand von<br />

Zeitzeugenberichten das damalige<br />

Erleben und die weiteren Schicksale<br />

der betroffenen Menschen<br />

gegenwärtig werden zu lassen. Der<br />

vorliegende Band vereint die Beiträge<br />

dieser Tagung.<br />

Umgesiedelt – Vertrieben<br />

Deutschbalten und Polen 1939-<br />

1945 im Warthegau<br />

Herausgegeben von Eckhart Neander<br />

und Andrzej Sakson<br />

der Bildagentur bpk und dem Museum<br />

Europäischer Kulturen –<br />

Staatliche Museen zu Berlin.<br />

3. Februar - 15. April 2011<br />

<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>, Marburg<br />

Region und Nation. 125 Jahre deutschehistoriographisch-landeskundliche<br />

Beschäftigung mit der<br />

Geschichte der Deutschen in Posen<br />

und Polen<br />

Eine Ausstellung der Kommission<br />

für die Geschichte der Deutschen<br />

in Polen e.V.<br />

4. März - 27. April 2011<br />

Museum der Niederschlesischen<br />

Weberei, Landeshut/Kamienna Góra<br />

Zeit-Reisen. Schlesien-Ansichten<br />

aus der Graphiksammlung Haselbach<br />

/ Podróże w czasie. Dawne<br />

(Tagungen zur Ostmitteleuropa-<br />

Forschung, Bd. 29)<br />

Marburg 2010, VI, 130 S.<br />

€ 26,00<br />

ISBN 978-3-87969-367-2<br />

widoki Śląska na grafikach z kolekcji<br />

Haselbacha<br />

Eine Ausstellung des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />

Marburg, des Schlesischen<br />

Museums zu Görlitz und des Kunstforums<br />

Ostdeutsche Galerie Regensburg,<br />

in Kooperation mit dem<br />

Architekturmuseum in Breslau<br />

22. - 23. März 2011<br />

Hessisches Staatsarchiv, Marburg<br />

Frühjahrstagung Adelsarchive in<br />

der historischen Forschung der<br />

Fachgruppe 4 des Verbands deutscher<br />

Archivarinnen und Archivare<br />

(Herrschafts- und Familienarchive)<br />

und des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />

5. Mai 2011<br />

<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>, Marburg<br />

LOEWE-Workshop Prosopographisch<br />

Arbeiten. Inhalte – Metho-<br />

<strong>31</strong>


den – Erfahrungen – Desiderata<br />

(Eligiusz Janus)<br />

16. Mai 2011<br />

<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>, Marburg<br />

LOEWE-Workshop Raum virtuell.<br />

Theorien und Anwendungsperspektiven<br />

(Wolfgang Kreft)<br />

16. Mai 2011<br />

<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>, Marburg<br />

Ausstellungseröffnung: Breslau im<br />

Luftbild der Zwischenkriegszeit<br />

Eine Ausstellung des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />

Marburg in Zusammenarbeit<br />

mit der Stadtverwaltung Wrocław<br />

und dem Verlag VIA NOVA Wrocław<br />

(Ausstellung bis zum 30. September<br />

2011)<br />

17. Mai 2011<br />

<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>, Marburg<br />

LOEWE-Workshop Vom Katalog<br />

zum Wissensspeicher, von der Bestandserschließung<br />

zur Wissensgenerierung<br />

– Synergien/Rückkopplung<br />

von Grundlagenarbeit in den<br />

Sammlungen und wissenschaftlicher<br />

Forschung. Teil I: Grundlagenarbeit<br />

– Bild und Kontext (Elke Bauer)<br />

32<br />

27. - 29. Mai 2011<br />

Deutsches Historisches <strong>Institut</strong><br />

(DHI), Warschau<br />

Tagung Deutsch-polnische Wissenskulturen<br />

und Wissenschaftsbeziehungen<br />

/ Kultura wiedzy a<br />

polsko-niemieckie stosunki naukowe<br />

30. - <strong>31</strong>. Mai 2011<br />

Universität Södertörn, Stockholm<br />

Präsentation der Leibniz Graduate<br />

School am <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong><br />

10. Juni 2011<br />

<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>, Marburg<br />

Mitgliederversammlung<br />

16. - 18. Juni 2011<br />

Alexander von Humboldt-Gästehaus<br />

der Justus-Liebig-Universität<br />

Gießen und <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>, Marburg<br />

Tagung Migration und Religion.<br />

Interdisziplinäre Forschung und<br />

Umsetzung in deutschen und polnischen<br />

Schulbüchern der Gemeinsamen<br />

Deutsch-Polnischen Schulbuchkommission<br />

24. - 25. Juni 2011<br />

Margarete-Bieber-Saal, Gießen<br />

Abschlussveranstaltung LOEWE-<br />

Schwerpunkt Kulturtechniken und<br />

ihre Medialisierung<br />

12. - 17. September 2011<br />

<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>, Marburg<br />

Internationale und interdisziplinäre<br />

Sommerakademie des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />

„Knowlegde in Flux“: Wissenskulturen<br />

und Diskursivität des Wissens<br />

angesichts von Differenzierungs-,<br />

Dynamisierungs- und Transnationalisierungsprozessen<br />

22. - 24. September 2011<br />

Deutsches Polen-<strong>Institut</strong>, Mainz<br />

Zweite Tagung Deutsche Polenforschung<br />

Die Mitte Europas. Kommunikation<br />

– Konstruktion – Kooperation<br />

11. Oktober - 23. Dezember 2011<br />

<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>, Marburg<br />

Schloss Friedrichstein in Ostpreußen<br />

und die Grafen Dönhoff<br />

Eine Ausstellung des Deutschen<br />

Kulturforums östliches Europa,<br />

Potsdam<br />

HERDER-INSTITUT e.V.<br />

Gisonenweg 5-7<br />

35037 Marburg,<br />

Tel. +49-6421-184-0<br />

Fax +49-6421-184-139<br />

mail@herder-institut.de<br />

www.herder-institut.de

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