Historie
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Sie nahm ihren Betrieb 1890 auf. Zeitweise wurden<br />
mehr als 1000 Arbeitskräfte eingesetzt. Ihr<br />
Fabrikbereich umfasste 30 Hektar. Sie verarbeitete<br />
1906 etwa 12 Millionen Kilogramm Schafwolle.<br />
Weitere gründerzeitliche Betriebe waren z.B. die<br />
Weizenmühle Georg Plange (‚Diamant-Mehl’,<br />
1896 als größte Mühle Europas erbaut), die Deutschen<br />
Erdölwerke, die Georgswerder Ziegeleien<br />
und die 1906 errichtete Honigfabrik (heute Kommunikationszentrum),<br />
die als Margarinefabrik, Öl-<br />
und Fettraffinerie, Schmelzkäsefabrik und zuletzt<br />
als Honigabfüllerei genutzt wurde.<br />
Um 1890 traten auch die Gebrüder Vering, Ingenieure<br />
und Bauinvestoren aus Hannover, auf den<br />
Plan. Sie begründeten eine der größten Baufirmen<br />
des ausgehenden 19. Jahrhunderts, die unter anderem<br />
verantwortlich für die Errichtung des Nord-<br />
Ostsee-Kanals, des Frankfurter Hauptbahnhofes<br />
und großer Teile des Hamburger Hafens war. Sie<br />
ließen 250 ha Wilhelmsburger Land sturmflutsicher<br />
aufhöhen, Ackerland zu Wasserstraßen ausbauen,<br />
und auf Wiesen Brücken und Straßen errichten.<br />
1896 wurde eine neue evangelische Kirche am<br />
Reiherstieg (heute Emmaus-Kirche) eingeweiht.<br />
Ringsherum entstand in der Folge ein kleines bürgerliches<br />
Villenviertel, in dem sich z.B. Ärzte und<br />
Fabrikanten niederließen. Im Jahre 1909 wurde<br />
Neuhof nach Wilhelmsburg eingemeindet. 1911<br />
wurde der Wilhelmsburger Wasserturm in Betrieb<br />
genommen.<br />
1925 wird Wilhelmsburg zur Kreisfreien Stadt und<br />
1927 wird es mit Harburg zur Großstadt Harburg-<br />
Wilhelmsburg vereinigt. Ende der 20er Jahre bemühten<br />
sich Hamburg und Preußen im Unterelbegebiet<br />
um eine gemeinsame Planung, insbesondere<br />
für die Hafen- und Verkehrsentwicklung.<br />
Die Rolle der Elbinseln wurde vom Hamburger<br />
Oberbaudirektor Fritz Schumacher in den 20er<br />
Jahren so definiert: „Die Geest (ist)das natürliche<br />
großstädtische Wohngebiet, die Marsch (ist)durch<br />
ihre fünf Meter tiefere nicht sturmflutfreie Lage nur<br />
künstlich und deshalb nur teuer zum großstädtischen<br />
Wohngebiet herrichtbar. Wohl aber ist die<br />
Marsch das natürliche Arbeitsgebiet, die tiefe Lage<br />
erleichtert das Herstellen von Einschnitten und<br />
so wird sie das Gebiet der Hafenbecken und Industriekanäle.“<br />
JOHANN HERMANN VERING<br />
Johann Hermann Vering wurde am 04.11.1846 in<br />
Ahlen, Kreis Borkum, im Münsterland geboren. Er<br />
besuchte das Gymnasium in Münster und wollte<br />
eigentlich Priester werden. 1865 entschied er sich<br />
dann doch für ein Technisches Studium am Polytechnikum<br />
in Hannover, der damals führenden<br />
Bauschule Preußens. 1870 meldete er sich freiwillig<br />
zum deutsch-französischen Krieg. 1883 siedelte<br />
die Familie nach Hamburg über, hier lernte er<br />
den Reichskanzler Otto von Bismarck kennen. Es<br />
entstand eine freundschaftliche Beziehung.<br />
Johann Hermann und sein Bruder Carl schrieben<br />
in Wilhelmsburg Stadtgeschichte. Nach ihren Plänen<br />
wurde das Reiherstiegviertel für die Industrie<br />
erschlossen und zum Arbeiterwohnort entwickelt.<br />
Seit 1894 gehörte Johann Hermann 18 Jahre lang<br />
dem Gemeinderat von Wilhelmsburg und dem<br />
Kreistag in Harburg an. Im Jahr 1900 gewann er<br />
auf der Pariser Weltausstellung eine Goldmedaille<br />
für die Mitarbeit am Nord-Ostsee Kanal.<br />
Elf Jahre später, auf dem Höhepunkt seiner Karriere<br />
angelangt, wurde ihm die Ehrendoktorwürde<br />
der Technischen Hochschule Hannover verliehen.<br />
Am 06.01.1922 starb der Gutsbesitzer Doktor Ingenieur<br />
honoris causa Johann Hermann Vering<br />
75-jährig auf seinem Gut Wulfsdorf bei Ahrensburg.<br />
WOHNUNGSNOT UND WOHNUNGSBAUGE-<br />
NOSSENSCHAFTEN<br />
Im Zuge der Industrialisierung erfuhr Wilhelmsburg<br />
ein rasantes Bevölkerungswachstum. Während<br />
es 1875 noch 4.303 Einwohner gab, war die<br />
Bevölkerung bis 1905 auf 22.359 und bis 1925<br />
sogar bis auf 32.504 Einwohner angewachsen.<br />
Günstiger Wohnraum für Arbeiter wurde schnell<br />
zur Mangelware. Die Regierung in Lüneburg stufte<br />
die Wohnverhältnisse in Wilhelmsburg 1899 als<br />
katastrophal ein. Aufgrund der Wohnungsnot und<br />
der schlechten Löhne vermieteten viele Familien<br />
ihre Betten an ‚Schlafgänger’. Die zur Verfügung<br />
stehenden Betten wurden im Schichtbetrieb genutzt,<br />
so wie die Schichten in der Fabrik eingeteilt<br />
waren. Bürgermeister (1903-17) Adolf Menge versuchte<br />
Investoren für den Wohnungsbau anzulocken.<br />
Eckgrundstücke an neu angelegten Straßen<br />
wurden zu niedrigsten Preisen veräußert. Menge<br />
hoffte, dass sich die Lücken dazwischen allmählich<br />
mit Wohnungsbau schließen würden. Doch<br />
die katastrophale Wohn- und Lebenssituation der<br />
Arbeiter verlangte nach grundsätzlicheren Lösungen.<br />
IGS-2013 HAMBURG - Wilhelmsburg - PROGRAMM-ANHANG - HISTORIE 71