think: act Special - Cloud Economy - Roland Berger
think: act Special - Cloud Economy - Roland Berger
think: act Special - Cloud Economy - Roland Berger
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>think</strong>: <strong>act</strong> – <strong>Special</strong> Volume Two – <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong><br />
<strong>think</strong>: <strong>act</strong> – <strong>Special</strong> Volume Two<br />
CLOUD ECONOMY<br />
Der Weg zu neuen<br />
Geschäftsmodellen<br />
In den umfangreichen Datenmengen, die<br />
in sozialen Netzwerken und anderen<br />
Web-2.0-Anwendungen entstehen, stecken<br />
jede Menge Ideen für Unternehmen
NUTZEN<br />
Verstehen Sie die<br />
CLOUD ECONOMY?<br />
Die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> nutzt die Technik des Web 2.0, soziale Netze und <strong>Cloud</strong><br />
Computing, um gesellschaftliche und wirtschaftliche Aktivitäten virtuell abzubilden.<br />
CLOUD<br />
COMMERCE<br />
Virtuelle Abbildung<br />
des<br />
Konsumerlebnisses<br />
DIES BEINHALTET:<br />
DIE VERSCHIEDENEN BESTANDTEILE DER CLOUD ECONOMY<br />
CLOUD<br />
COLLABORATION<br />
CLOUD<br />
COMPUTING<br />
Virtuelle Abbildung von<br />
Computerressourcen<br />
und - systemen<br />
CLOUD<br />
COMMUN ICATION<br />
CLOUD<br />
COMMUNITY<br />
Web 2.0 Fortschrittliche Internettechnologien (Ajax, RSS), die Zusammenspiel, Kompatibilität und nutzerorientiertes<br />
Design erleichtern Social Media Internetbasierte Anwendungen und Plattformen, die Nutzern die Schaffung und den<br />
Austausch ihrer selbst erstellten Inhalte ermöglichen <strong>Cloud</strong> Computing Ressourcen, Software und Informationen sind<br />
auf Abfrage bereit, webbasiert und in Echtzeit verfügbar<br />
Die heutige Weltwirtschaft entwickelt sich zur <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong>, die auf<br />
soziale Netzwerke und geteilte Ressourcen ausgerichtet ist.<br />
• Traditionelle<br />
Wirtschaft<br />
• Handarbeit und<br />
landwirtschaftliche<br />
Produkte<br />
• Ständesystem<br />
und geringe Bevöl -<br />
kerungsdichte<br />
• Merkantilismus und<br />
Feudalwirtschaft<br />
TRADITIONELLE<br />
WIRTSCHAFT<br />
Virtuelle Abbildung<br />
der Zusammenarbeit<br />
von Menschen und<br />
Organisationen<br />
DIE ENTWICKLUNG IN RICHTUNG DER CLOUD ECONOMY<br />
• Schneller technologischer<br />
Fortschritt<br />
• Breite Palette von Gütern<br />
und Dienstleistungen<br />
• Marketing und PR:<br />
einseitige Kommunikation<br />
• Zeit vor der Internet-Ära<br />
VERARBEITENDE<br />
WIRTSCHAFT<br />
Virtuelle Abbildung des<br />
Informationsaustausches<br />
DIGITALE<br />
WIRTSCHAFT<br />
• Wohlstand wird durch<br />
Anwendung von Wissen<br />
geschaffen<br />
• Der Inhalt zählt:<br />
Kommunikation erfolgt<br />
in beide Richtungen<br />
Virtuelle<br />
Abbildung von<br />
Beziehungen (z.B.<br />
neue Formen<br />
des sozialen<br />
Austauschs im<br />
Internet)<br />
CLOUD<br />
ECONOMY<br />
BIS 1800 BIS 1950 BIS 2010 AB 2010<br />
• Vorherrschaft sozialer Online-Netzwerke im Internet<br />
• Soziale Komponenten als Teil von Geschäftsmodellen<br />
• Demokratisierung der grundlegenden Computer-<br />
ressourcen<br />
• Die IT erfolgt just in time<br />
• Der Zugang zu Werkzeugen für die Zusammenarbeit<br />
und Verbindung ist problemlos und weit verbreitet<br />
• Kommunikation über verschiedene Ebenen<br />
Editorial<br />
Liebe Leserinnen<br />
und Leser,<br />
Steckt hinter dem Hype um die Geschäftsmodelle von Facebook, LinkedIn<br />
und anderer „sozialer Netzwerke“ tatsächlich genug Substanz, von der auch<br />
„normale“ Unternehmen profitieren können? Oder beobachten wir wieder<br />
nur das Entstehen einer Blase? Die Antwort auf diese Fragen kann meiner<br />
Meinung nach nicht eindeutig ausfallen. Einerseits wecken die Investition<br />
von Goldman Sachs in Facebook – die Rede ist von 1 Milliarde Dollar – oder der<br />
Börsengang von LinkedIn sehr hohe Erwartungen: Das Karrierenetzwerk war am<br />
Ende des ersten Börsentags seinen Investoren stolze 8,9 Milliarden Dollar wert, bei<br />
243 Millionen Dollar Umsatz und 15 Millionen Dollar Gewinn wohlgemerkt. Diese<br />
Zahlen sind starke Indizien, dass es sich um eine Blase handeln könnte. Himmelhoch<br />
jauchzende Hoffnungen, die kaum zu erfüllen sind.<br />
Andererseits bin ich aber auch davon überzeugt, dass hinter Facebook, LinkedIn<br />
und Co. deutlich mehr steckt als überzeichnete Erwartungen. Denn die sozialen<br />
Netzwerke sind nur das auffälligste Zeichen einer Entwicklung: Immer weitere Bereiche<br />
des Privatlebens finden ihre Ergänzung in einer computerbasierten, virtuellen<br />
Umgebung. Das Freundschaftsnetzwerk ist damit jederzeit verfügbar. Vor dieser<br />
Entwicklung macht auch die Arbeitswelt nicht halt, im Gegenteil. Sie verlagert sich<br />
ebenfalls teilweise ins Virtuelle. In diesem Wandel<br />
steckt für Unternehmen eine Menge Potenzial. Wir<br />
nennen diese Entwicklung die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong>: eine<br />
Umgebung, in der Unternehmen die technischen Möglichkeiten<br />
und die Informationen aus den zahlreichen<br />
Nutzerdaten, die in der virtuellen Welt neu entstehen,<br />
für ihr Geschäftsmodell nutzen können.<br />
In diesem <strong>think</strong>:<strong>act</strong> SPECIAL beleuchten wir den<br />
Stand der Entwicklung und die Möglichkeiten, aber<br />
auch die Schwierigkeiten von Unternehmen bei ihrem<br />
Weg in die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong>. Wir hoffen, dass Ihnen<br />
diese Ausgabe unseres Magazins gefällt.<br />
Mit den besten Grüßen,<br />
Martin Wittig<br />
CEO <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />
THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 3
RUBRIK HIER RUBRIK HIER<br />
Seite 38<br />
Seite 14<br />
Seite 54<br />
Seite 26<br />
Seite 62<br />
Seite 42<br />
Inhalt<br />
FOOD FOR THOUGHT<br />
6 Mehr als eine Welt aus Servern<br />
Aus <strong>Cloud</strong> Computing, interaktiven Web-2.0-Angeboten<br />
und sozialen Netzwerken entsteht die <strong>Cloud</strong><br />
<strong>Economy</strong>.<br />
9 Die Mechanik des sozialen Geflechts<br />
Im Internet entstehen ständig neue Communitys, in<br />
denen sich Unternehmen zurechtfinden müssen. Eine<br />
Charakterisierung.<br />
14 Entdeckergemeinden machen mobil<br />
Social-Media-Communitys erscheinen auf den ersten<br />
Blick undurchschaubar. Manche Besonderheiten<br />
lassen sich aber ideal für das eigene Geschäft nutzen.<br />
STRATEGY<br />
18 Der lohnende Weg in die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong><br />
Unternehmen ringen um die passende Strategie und<br />
ihren richtigen Auftritt in Facebook, bei Twitter & Co.<br />
Was genau steckt dahinter?<br />
22 Den Kunden verstehen, Bit für Bit<br />
Gestern wie heute gilt: Wer erfolgreich sein will, muss<br />
wissen, was der Markt fordert. Gut, dass es in Zeiten<br />
der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> einfacher wird, die richtigen<br />
Antworten zu finden.<br />
26 „Wer auf Basis einer soliden Strategie vorgeht,<br />
muss keine Angst haben“<br />
Welche Bedeutung hat die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> für Unternehmen?<br />
Ein Gespräch zwischen Martin Wittig (CEO<br />
RBSC) und Sascha Lobo (Internet-Strategieberater).<br />
INDUSTRY REPORT<br />
34 Über den Wolken …<br />
ist die Freiheit nicht grenzenlos<br />
Es gibt einige sehr geschäftstüchtige Internetunternehmen<br />
in China, aber nur wenige Innovationen.<br />
Auch einige westliche Firmen haben es geschafft, in<br />
China Fuß zu fassen.<br />
38 Wie das Überall-Netz<br />
das reale Leben verbessert<br />
Junge Unternehmer in den USA tüfteln, wie sie mit<br />
mobilem Internet und Smartphone das Leben bequemer<br />
machen und damit Geld verdienen können.<br />
40 Marokkanern gefällt das<br />
Der marokkanische Mobilfunkanbieter Méditel<br />
setzt soziale Netzwerke strategisch ein – um die<br />
Kunden zu binden und den Absatz zu erhöhen.<br />
42 Schwarm-Intelligenz<br />
Immer mehr Unternehmen greifen bei der Neuentwicklung<br />
von Produkten und Services die Ideen und<br />
Anregungen ihrer Kunden direkt auf.<br />
46 Kaufsignale<br />
Manche Unternehmen wissen bereits heute, welche<br />
Produkte morgen gekauft werden – noch bevor es<br />
viele ihrer zahlreichen Käufer wissen.<br />
50 Verlässliche Freunde<br />
Schneller, günstiger, mehr Reichweite: Das sind nur<br />
einige der Vorteile, die Kundenservice über Social-<br />
Media-Netzwerke bietet.<br />
SERVICES<br />
54 Das Ende der Botschaften.<br />
Es lebe der Dialog<br />
Social-Media-Plattformen und die sich wandelnden<br />
Gewohnheiten der Öffentlichkeit fordern eine neue<br />
Kultur der Unternehmenskommunikation.<br />
58 Kampf um Köpfe<br />
Human-Resources-Manager können den Kampf<br />
um die besten Köpfe bei steigendem Fachkräftemangel<br />
nur gewinnen, wenn sie ihn im Web 2.0<br />
führen.<br />
60 „Es ist wichtig, sich selbst ein Bild zu machen“<br />
Informatikerin Angelika Ruppel kennt die Sicherheitsbedenken<br />
gegenüber <strong>Cloud</strong>-gestützten Services<br />
– und auch die passenden Vorsichtsmaßnahmen.<br />
ESSAY<br />
62 Die Regentänzer<br />
Die Geschichte des Internets lehrt: Der Weg zum<br />
nächsten Hype ist mit neuen Schlagwörtern gepflastert.<br />
Ist die „<strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong>“ mehr als nur ein<br />
wolkiges Versprechen?<br />
66 Impressum<br />
THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 5
<strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong>:<br />
Auch Unternehmen aus<br />
Schwellen- und Entwicklungsländern<br />
können<br />
profitieren.<br />
FOOD FOR THOUGHT<br />
Mehr als eine Welt<br />
aus Servern<br />
Das <strong>Cloud</strong> Computing, also die übers Internet verteilten<br />
Rechen- und Speicherkapazitäten sowie Softwareapplikationen,<br />
ist die technische Grundlage des interaktiven Web-2.0. Diese<br />
Angebote werden immer leistungsfähiger und wichtiger für das<br />
Alltags- und Berufsleben – die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> entsteht<br />
Wo Larry Ellison, Chef<br />
der Softwarefirma<br />
Oracle, auftaucht, ist<br />
Showtime. Der exzentrische<br />
Milliardär<br />
pflegt seit Jahrzehnten<br />
sein Image als Raubein und Provokateur. 1995<br />
diskutierte Ellison in Paris mit Microsoft-Chef<br />
Bill Gates über die Zukunft des PCs. Während<br />
Gates das damals bereits etablierte Prinzip des<br />
autarken, eigenständigen PCs als Universal-<br />
Rechenmaschine proklamierte, die sich für<br />
alle denkbaren Aufgaben ausrüsten lässt,<br />
prophezeite Ellison, die Zukunft läge bei den<br />
„dummen“, aber günstigen Computerterminals.<br />
Software, Applikationen und Dienste<br />
würden künftig ausschließlich im Netzwerk<br />
residieren und vom Anwender nach Bedarf<br />
abgerufen.<br />
Lange Jahre sah es so aus, als wäre dies nur<br />
eine schrullige Idee des Oracle-Chefs. Daten<br />
übers Internet verteilen – in Zeiten der 1,44<br />
Megabyte fassenden Disketten ein absurder<br />
Gedanke. Und als Apple 1998 den ersten<br />
iMac-Computer auslieferte, diskutierte die<br />
Branche die ungewohnte Optik des Gerätes<br />
ebenso intensiv wie den Verzicht auf das bis<br />
dato in Heim- und Bürorechnern standardmäßig<br />
verbaute Diskettenlaufwerk.<br />
Würde Ellison heute auf das Zitat von<br />
damals angesprochen, dürfte er sich wohl<br />
schmunzelnd die Hände reiben: Seine Vision<br />
beginnt wahr zu werden. Ohne Daten aus<br />
dem weltweiten Netz sind auch aktuelle PCs<br />
lediglich bessere Schreibmaschinen. Fernseher,<br />
Mobiltelefone, PKWs, selbst im Grunde<br />
banale Haushaltsgeräte wie Kühlschränke<br />
werden „kommunikationsfreudig“ und drängen<br />
ins Datennetz. Die Geschäftsmodelle von<br />
Multimilliardenunternehmen wie Facebook<br />
und Google gründen darauf, über das Internet<br />
Informationen zugänglich zu machen.<br />
Zugleich ist dank <strong>Cloud</strong> Computing praktisch<br />
unbegrenzte Rechenleistung und Speicherkapazität<br />
weltweit verfügbar. Genutzt wird<br />
diese Rechenpower unter anderem für die<br />
Schaffung virtueller Plattformen, auf denen<br />
immer größere Bereiche des täglichen Lebens<br />
stattfinden oder diese zumindest ergänzen:<br />
Einkauf, Kommunikation, Zusammenarbeit;<br />
selbst die privaten Netzwerke aus Freunden,<br />
Bekannten und Familienangehörigen werden<br />
durch Web-2.0-Angebote ergänzt oder<br />
gar überwiegend ins Internet verlagert. Ein<br />
kultureller Wandel, der auch weite Teile des<br />
Wirtschaftslebens umfasst. Die technischen<br />
Möglichkeiten erlauben neue oder erweiterte<br />
Arten der Zusammenarbeit. Es gibt zu-<br />
THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 7
FOOD FOR THOUGHT<br />
sätzliche Kommunikationskanäle und<br />
Möglichkeiten der sozialen Interaktion,<br />
sodass Erfahrungen, Ideen und Meinungen<br />
rasch und unkompliziert ausgetauscht<br />
werden können. Schließlich<br />
können neue Märkte oder Produkte quasi<br />
über Nacht entstehen oder bestehende<br />
Märkte binnen kürzester Zeit umgekrempelt<br />
werden. In dieser Kombination<br />
aus den Interaktionsmöglichkeiten,<br />
den aus den sozialen Netzen entliehenen<br />
Nutzergewohnheiten und den technischen<br />
Potenzialen des <strong>Cloud</strong> Computing<br />
entsteht die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> – virtuelle<br />
und reale Geschäftswelt vermischen und<br />
ergänzen sich. Eine Chance für etablierte<br />
Unternehmen, vergleichsweise günstig<br />
zu expandieren.<br />
Brasilien und Indien<br />
Profitieren können von dieser Entwicklung<br />
hin zur <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> aber auch<br />
kleinere Unternehmen oder Marktneulinge,<br />
darunter auch solche aus Schwellen-<br />
und Entwicklungsländern. Die<br />
Märkte werden durchlässiger, denn die<br />
Eintrittshürden für eine Teilnahme an<br />
der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> sind niedrig: Ein vergleichsweise<br />
leistungsschwacher PC und<br />
eine schnelle Internetleitung genügen,<br />
um ein überzeugendes Geschäftsmodell<br />
verwirklichen zu können.<br />
Beispiel Brasilien: Eine der populärsten<br />
Webseiten des Landes betreibt BuscaPé,<br />
ein Preisvergleichsdienstleister. Der<br />
Gründer Romero Rodriguez berichtet<br />
in einem Fernsehbeitrag der BBC vom<br />
Einfluss seiner Webseite: „Eine Menge<br />
Leute verbringen ihre Wochenenden in<br />
Shopping Malls. Am Montag, dem Tag,<br />
an dem wir die meisten Transaktionen<br />
beobachten, gehen diese Leute dann<br />
zur Arbeit und erledigen während der<br />
Mittagspause ihre Einkäufe. Sie nutzen<br />
also das Online-Angebot, um über ihre<br />
Offline-Einkäufe zu entscheiden – und<br />
umgekehrt.” Für die breite Bevölkerung<br />
ermöglichen die geschätzt etwa 100.000<br />
Internet-Cafés den Zugang zum Netz.<br />
Natürlich finden in Brasilien auch anderswo<br />
auf der Welt bekannte soziale Netzwerke<br />
ihre Fans: Mehr als sechs Millionen<br />
Neue Märkte<br />
oder Produkte<br />
können quasi<br />
über Nacht<br />
entstehen,<br />
bestehende<br />
Märkte binnen<br />
kürzester Zeit<br />
umgekrempelt<br />
werden<br />
Statistik<br />
Schwellenländer<br />
Indien:<br />
Fläche in Quadratkilometern:<br />
3.287.263<br />
Einwohner im Jahr 2010:<br />
1,19 Milliarden<br />
Bevölkerungsdichte:<br />
382 Einwohner/km 2<br />
BIP pro Kopf der Bevölkerung<br />
in US-$: 3.400<br />
Brasilien:<br />
Fläche in Quadratkilometern:<br />
8.514.877<br />
Einwohner im Jahr 2010:<br />
203,4 Millionen<br />
Bevölkerungsdichte:<br />
21,8 Einwohner/km 2<br />
BIP pro Kopf der Bevölkerung<br />
in US-$: 10.900<br />
Brasilianer sind bei Facebook vertreten,<br />
und das Business-Netzwerk LinkedIn<br />
zählt in Brasilien über eine Million Mitglieder.<br />
Noch deutlich populärer ist das<br />
mit Facebook vergleichbare Netzwerk Orkut,<br />
das von Google betrieben wird. Die<br />
Saat für weiteres Wachstum jedenfalls ist<br />
im größten Land Lateinamerikas bereits<br />
gelegt: Auf rund 203 Millionen Einwohner<br />
kommen mittlerweile über 210 Millionen<br />
Mobiltelefone – es ist wohl nur eine<br />
Frage der Zeit, bis sich, getrieben durch<br />
den steigenden Wohlstand der brasilianischen<br />
Bevölkerung, das mobile Internet<br />
auch dort durchsetzt. Und damit ganz<br />
neue Möglichkeiten bietet für Macher mit<br />
Ideen wie Romero Rodriguez.<br />
Auch Indien nutzt die Chancen der<br />
Computertechnologie konsequent und<br />
schon beinahe traditionell für die Weiterentwicklung<br />
des Landes. Die Erfolgsstory<br />
der indischen IT-Industrie rund um die<br />
ehemals beschauliche Verwaltungsmetropole<br />
Bangalore ist mittlerweile Allgemeinwissen.<br />
Unzählige kleine und beinahe<br />
jedes große Softwareunternehmen setzen<br />
auf indische Fachkräfte. Noch bemerkenswerter<br />
ist aber eine Entwicklung, die<br />
sich im Windschatten dieser Erfolgsstory<br />
vollzieht. Die Bevölkerung profitiert von<br />
der zunehmenden Verbreitung der Kommunikationskanäle:<br />
Bei der Zahl der<br />
Facebook-Nutzer steht Indien mit gut 20<br />
Millionen Usern weltweit auf Rang fünf,<br />
beinahe ebenso viele Inder nutzen Orkut.<br />
Zwei Drittel der Inder verfügen über einen<br />
Telefonanschluss, die meisten davon via<br />
Mobiltelefon. Das summiert sich auf die<br />
stattliche Zahl von rund 765 Millionen<br />
Anschlüssen. Geld lässt sich mit der Kommunikation<br />
von Millionen Indern ebenfalls<br />
verdienen: Unter den zehn größten<br />
Unternehmen in Indien sind mit Bharti<br />
Airtel und Reliance Communications<br />
gleich zwei Telekommunikationsanbieter.<br />
Und mit der weiteren Verbreitung der<br />
Technik, die einen Zugang zum Internet<br />
ermöglicht, steigt auch die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass unter den 1,3 Milliarden<br />
Indern die Zahl derjenigen erheblich zunimmt,<br />
die die Potenziale der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong><br />
erkennen und nutzen.<br />
Im Internet entstehen ständig neue Kanäle und Communitys, auf und in<br />
denen sich Unternehmen zurechtfinden müssen, um aktuelle Strömungen<br />
aufnehmen zu können. Die Charakteristika dieser neuen Kommunikationswege<br />
lassen sich aber, trotz dieser auf den ersten Blick unübersichtlichen Situation, in<br />
einigen wenigen Geschäftsmodellen klassifizieren<br />
GEFÄLLT MIR. Zwei kurze Worte, geprägt durch<br />
die standardisierte Verwendung im Social-<br />
Media-Netzwerk Facebook. Immer häufiger<br />
aber wird diese Floskel auch im Alltag verwendet.<br />
Ein Trend, eine Mode – oder doch<br />
ein Kulturwandel? Verschwimmen gar die<br />
Grenzen zwischen virtueller und realer Welt?<br />
Bereits heute steht fest, dass die Gruppe der<br />
aktiven Nutzer von Internetservices und Plattformen wie Facebook<br />
& Co. nicht mehr nur die üblichen Verdächtigen – die jungen, hippen<br />
und urbanen – umfasst, sondern zu einer generationenübergreifenden<br />
und weltweiten Massenbewegung geworden ist. Die<br />
Nutzer bewegen sich auf virtuellen Plattformen ebenso selbstverständlich<br />
wie in der realen Welt. Sie kaufen ein, verabreden sich,<br />
machen sich gegenseitig auf Angebote, Jobs und Projekte aufmerksam,<br />
kurz: Sie binden diese Plattformen intensiv in das Berufs-<br />
und das Privatleben ein. Diese breite Akzeptanz funktioniert auch<br />
deshalb so gut, weil die grundlegenden Techniken eigentlich alte<br />
Bekannte sind, über Jahre der Internetnutzung erprobt und gelernt.<br />
Ein Überblick über die wichtigsten Typen:<br />
INSTANT MESSAGING<br />
Kommunikation in Echtzeit<br />
FOOD FOR THOUGHT<br />
Die Mechanik des<br />
sozialen Geflechts<br />
Beim Instant Messaging (IM) kommunizieren Anwender<br />
in Echtzeit, meist per Textnachricht. Dafür<br />
müssen sie sich bei einem IM-Dienst anmelden. Die<br />
beliebtesten Anbieter sind in Europa und Amerika<br />
AOLs ICQ, der Windows Live Messenger, der Yahoo<br />
Messenger, Skype, in Asien vor allem Tecent QQ.<br />
Daneben gibt es auch Anwendungen, die in IT-<br />
Lösungen von Unternehmen integriert sind. Sobald<br />
sich ein Anwender in den IM-Dienst einwählt, kann<br />
er sehen, welche Freunde, Kollegen und Geschäftspartner<br />
online sind.<br />
DAS SOLLTE MAN ÜBER INSTANT MESSAGING WISSEN Vor<br />
vier Jahren galt IM als das Kommunikationsmittel<br />
der Zukunft, so die Experten des amerikanischen<br />
8 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 9
FOOD FOR THOUGHT<br />
Marktforschungsunternehmens Gartner. Ihre Prognose: Im Jahr<br />
2011 wird IM das wichtigste Werkzeug für Sprach-, Video- und<br />
Textnachrichten. Im Jahr 2013 sollten gar 95 Prozent der gesamten<br />
Kommunikation eines Unternehmens in Echtzeit per IM stattfinden.<br />
IM werde in vielen Fällen die E-Mail ablösen, ebenso die SMS.<br />
„Instant Messaging wird in Unternehmen einen ähnlichen Siegeszug<br />
antreten wie einst E-Mails“, schrieben die Gartner-Experten 2007<br />
in ihrer Studie und hatten einen Rat an Unternehmen: Sie sollten<br />
so schnell wie möglich IM in ihre Geschäftsprozesse einbinden. Das<br />
haben viele Unternehmen auch getan, doch das System wird kaum<br />
häufiger genutzt als im Jahr 2007, im Gegenteil: Der Trend ist rückläufig,<br />
wie eine Hochrechnung von UK Online Measurement zeigt.<br />
Im Jahr 2007 nutzten in England 14 Prozent der Internetnutzer ihre<br />
Onlinezeit für IM, 2010 waren es nur noch 5 Prozent.<br />
Die Schwächen des IM waren den Marktforschern von Gartner<br />
bereits damals bekannt: Über Instant Messaging empfangene<br />
Nachrichten lassen sich nicht so einfach und systematisch archivieren<br />
wie E-Mails. Zudem war und ist der Markt zersplittert:<br />
Die meisten IM-Systeme sind in sich geschlossene Biotope. Wer<br />
IM privat und beruflich nutzen will, muss folglich mehrere Konten<br />
bei mehreren Anbietern unterhalten – und dort jeweils einen<br />
Teil der Kontakte sammeln. Die größte Schwäche von IM aber ist<br />
seine Bindung an einen Computer: Lange ließen sich die meisten<br />
IM-Dienste nur von dort aus anwählen. Während also die Nutzer,<br />
erst per Handy, dann per Blackberry und heute per Smartphone<br />
immer mobiler wurden, blieb IM ein Kanal für den Schreibtisch.<br />
Der britische Journalist und Medienanalyst Chris Green beurteilt<br />
diesen Wandel wie folgt: „Die Menschen sind weitergezogen“, sagt<br />
er. „Die Neuheit hatte sich abgenutzt.“<br />
Die Echtzeitkommunikation existiert aber weiter. Das kalifornische<br />
Marktforschungsunternehmen The Radicati Group schätzt,<br />
dass es rund 2,4 Milliarden IM-Konten gibt. Die Zahl wird sich laut<br />
Expertenmeinung auf 3,5 Milliarden im Jahr 2014 steigern. Allerdings<br />
hat IM heute eine untergeordnete Bedeutung. Das technische<br />
Prinzip lebt jedoch weiter als Teil von Social-Media-Netzwerken wie<br />
Facebook oder in der Internettelefonie, etwa bei Skype.<br />
BLOGS<br />
Das ist die Blogosphäre<br />
Blogs seien die „Klowände des Internets“, so harsch kanzelte Jean-<br />
Remy von Matt, Inhaber einer führenden deutschen Werbeagentur,<br />
dieses Medium einst ab. Schließlich könne auf Blogs jeder publizieren,<br />
was er oder sie wolle. Das stimmt zwar, erlaubt aber kein<br />
Urteil über die Güte des Inhalts der Blogs. Die nämlich kann extrem<br />
hoch sein, wie beispielsweise Profi-Analysten bekannter Finanzhäuser<br />
zugeben müssen: Bei der Prognose der Quartalszahlen von<br />
Apple liegen Amateur-Blogger mittlerweile regelmäßig näher an<br />
BLOGS<br />
INSTANT<br />
MESSAGING<br />
SOZIALE<br />
NETZWERKE<br />
SHARING<br />
& HOSTING<br />
Viele Logos, viele<br />
Gemeinden. Aber eine<br />
überschaubare Anzahl an<br />
Geschäftsmodellen.<br />
FOOD FOR THOUGHT<br />
der Wirklichkeit als die Spezialisten von Goldman<br />
Sachs, Morgan Stanley oder der Deutschen Bank.<br />
Die Reputation von Blogs nimmt stetig zu. Immer<br />
mehr Firmen erkennen die Vorteile von Blogs als<br />
Kommunikationsforum, über das sie täglich, wöchentlich<br />
oder unregelmäßig mit ihren Kunden in<br />
Kontakt kommen oder sich selbst erklären können.<br />
DAS SOLLTE MAN ÜBER BLOGS WISSEN Sogenannte Corporate<br />
Blogs sind meist eingebettet in Internetseiten<br />
von Firmen. Dort schreiben zum Beispiel mehrere<br />
Mitarbeiter eines Unternehmens über Produkte,<br />
Neuigkeiten oder Strategien. Deutsche Firmen hinken<br />
dem Trend etwas hinterher. Während es hierzulande<br />
nur wenige hundert Unternehmensblogs gibt,<br />
bloggen bereits mehrere tausend Unternehmen in<br />
den USA. Besonders selten sind CEO-Blogs. Dort<br />
schreibt der Chef persönlich. In den USA gehören<br />
Blogs wie der „FastLane Blog“ von General Motors<br />
oder der Blog „Nuts about Southwest“ von Southwest<br />
Airlines mittlerweile zum festen Bestandteil der direkten<br />
Kommunikation mit Kunden, Mitarbeitern<br />
und anderen Zielgruppen.<br />
DIE CHANCEN Für Unternehmen bieten Blogs vor<br />
allem drei Chancen. Erstens: Blogs verbinden Unternehmen<br />
mit ihren Kunden. Firmen können ihren<br />
Blog etwa als Marketingwerkzeug nutzen. Zweitens:<br />
Ein Blog kann dabei helfen, die eigene Reputation zu<br />
erhöhen, etwa indem das Management strategische<br />
Entscheidungen erklärt oder Persönlichkeiten des<br />
Unternehmens auf Fragen der Kunden eingehen.<br />
Drittens: Blogs dienen als Kommunikationsinstrument,<br />
nicht nur in guten Zeiten, sondern auch bei<br />
Krisen und Konflikten.<br />
Ben Shneiderman, Professor der University of<br />
Maryland am Lehrstuhl Computer Science & Human-Computer<br />
Inter<strong>act</strong>ion Lab, sieht daneben noch<br />
weitere Einsatzmöglichkeiten von Blogs: „Im Gesundheitssektor<br />
könnten Blogs Experten und Bürger<br />
zusammenbringen, um Informationen zu sammeln,<br />
die die Forschung und Gesundheitspolitik nicht nur<br />
unterstützen, sondern auch verbessern.“ Ähnliche<br />
Möglichkeiten sieht er für den Bildungssektor, für<br />
die Wirtschaft oder bei Katastropheneinsätzen.<br />
DIE RISIKEN Jedes Blog weckt Aufmerksamkeit, bei<br />
Kunden, interessierten Bald-Kunden, aber auch bei<br />
kritischen Gruppen. Wenn Unternehmen ihr Wort<br />
an die Öffentlichkeit richten, müssen sie mit einer<br />
10 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 11
FOOD FOR THOUGHT<br />
„Viele Menschen teilen sich<br />
der Welt mit, aber nicht alle<br />
tun es auf dieselbe Weise“<br />
Mikolaj Jan Piskorski, Professor an der Harvard Business School<br />
Gegenreaktion rechnen. Dabei dürfen Firmen nicht unterschätzen,<br />
wie vernetzt Internetnutzer sind. Negative Reaktionen können sich<br />
rasch aufschaukeln. Experten sprechen von einer erhöhten Skandalisierungsgefahr<br />
durch die Exponiertheit, also durch die Konfrontation<br />
von Unternehmen mit Ansprüchen ihrer Kunden, die in<br />
keinem direkten Zusammenhang mit dem eigentlichen Geschäft<br />
stehen. Ein Beispiel zur Macht von Blogs: Siemens-Mitarbeiter<br />
hatten über einen internen Blog erfahren, dass ihr damaliger Chef<br />
Klaus Kleinfeld die Vorstandsgehälter erhöhen wollte. Sie hatten<br />
die Information an die Presse gegeben. Die Medienberichte und die<br />
darauf folgende öffentliche Diskussion waren äußerst kritisch, die<br />
Pläne wurden ad <strong>act</strong>a gelegt.<br />
DIE HERAUSFORDERUNG Unternehmen sollten eine Blogging-Strategie<br />
verfolgen. Experten des amerikanischen Marktforschungsinstituts<br />
Top Rank Online Marketing haben herausgefunden, dass<br />
nicht allein eine gesteigerte öffentliche Wahrnehmung das Ziel eines<br />
Blogs sein darf. So ein Ziel wird rasch enttarnt, und das Interesse<br />
von Kunden schlägt schnell um in Ärger oder gar Abneigung.<br />
Will ein Unternehmen einen Austausch zwischen Konsument und<br />
Produzent fördern, ist mehr gefragt als Marketing – nämlich ein<br />
Dialog mit den Nutzern des Blogs, und das in hoher Qualität und<br />
Authentizität.<br />
TWITTER<br />
Kommunikation in 140 Zeichen<br />
Innerhalb von wenigen Monaten eroberte der Mikroblogging-Dienst<br />
Twitter die Internetgemeinschaft. 140 Zeichen haben Blogger bei<br />
Twitter für ihre Nachricht zur Verfügung. Das Besondere an Twitter:<br />
Nachrichten werden von den Lesern weiterverbreitet – und erreichen<br />
so sekundenschnell eine weltweite Gemeinde. Warum genau<br />
welche Nachrichten so rasant verbreitet werden, untersucht derzeit<br />
Krishna Gummadi vom Max-Planck-Institut für Softwaresysteme<br />
in Saarbrücken mit Forschern des Korean Institute of Science and<br />
Technology. Die Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass sie<br />
dies mit rund 1,75 Millionen Tweets herausfinden können. Sou-<br />
mitra Dutta, akademischer Leiter des Forschungszentrums<br />
für Digitale Wirtschaft an der Business<br />
School INSEAD im französischen Fontainebleau,<br />
ist davon überzeugt, dass das Potential von Twitter<br />
noch bei weitem nicht ausgeschöpft ist: „Twitter ist<br />
eine großartige Echtzeit-People-to-People-Suchmaschine.<br />
Es ermöglicht, eine schnelle Rückmeldung<br />
oder Antwort von Leuten zu bekommen. Darin liegt<br />
die Macht von Twitter. Und das wird noch länger<br />
so sein.“<br />
SOZIALE NETZWERKE<br />
Digitales Beziehungsnetzwerk<br />
Das Internet beherbergt heute eine eigene Welt, in<br />
der sich die sogenannten Digital Natives so selbstverständlich<br />
bewegen wie in der analogen Realität.<br />
In sozialen Netzwerken verabredet man sich, recherchiert,<br />
macht sich gegenseitig auf Jobangebote und<br />
Projekte aufmerksam. An der mitgliederstärksten<br />
Plattform Facebook kommt kein Manager mehr vorbei.<br />
„Bei Facebook sind mittlerweile rund 680 Millionen<br />
Menschen angemeldet“, sagt Soumitra Dutta.<br />
„CEOs und Unternehmen sollten dort ebenfalls vertreten<br />
sein.“ Die erfolgreichste Unternehmensseite<br />
auf Facebook führt derzeit Coca-Cola. Der Konzern<br />
hat rund 30 Millionen Fans auf der Plattform – ein<br />
bedeutender Baustein in der Social-Marketing-Strategie<br />
des Getränkegiganten.<br />
DER NUTZEN Eine große Zahl von Facebook-Fans ist<br />
mehr als nur ein Imagegewinn. Utpal M. Dholakia,<br />
Associate Professor an der Rice-Universität in Houston,<br />
Texas, wies am Beispiel einer lokalen Café-Kette<br />
den konkreten wirtschaftlichen Nutzen erfolgreicher<br />
Unternehmensseiten nach: Kunden der Kette<br />
Dessert Gallery besuchten deren Filialen im Schnitt<br />
20 Prozent häufiger, nachdem sie auf Facebook zu<br />
Fans des Unternehmens geworden waren. Sie generierten<br />
mehr positive Mundpropaganda, zeigten sich<br />
dem Unternehmen stärker verbunden und gaben<br />
dort mehr Geld aus als in anderen Cafés.<br />
DIE VERBREITUNG Facebook ist freilich nicht die<br />
einzige bedeutende Plattform in der Welt sozialer<br />
Netzwerke. Der chinesische Konkurrent Qzone,<br />
lanciert im Jahr 2005 und damit nur ein Jahr später<br />
als Facebook, hat rund 480 Millionen Nutzer. Das<br />
US-amerikanische Netzwerk Bebo steht mit rund<br />
117 Millionen Nutzern an dritter Stelle; es folgen un-<br />
WEB 2.0 SOZIALE NETZWERKE<br />
mit mehr als 20 Millionen registrierten Nutzern und ihre Verbreitung<br />
BEBO /<br />
BEBO /<br />
117 MIO<br />
117 MIO<br />
BEBO<br />
Nordamerika<br />
Nordamerika<br />
/<br />
117 MIO<br />
Nordamerika<br />
ORKUT /<br />
ORKUT /<br />
100 MIO<br />
100 MIO<br />
ORKUT<br />
Indien, Brasilien<br />
Indien,<br />
/<br />
Brasilien<br />
100 MIO<br />
Indien, Brasilien<br />
HI 5 /<br />
HI 5 /<br />
80 MIO<br />
80 MIO<br />
HI<br />
Lateinamerika<br />
Lateinamerika<br />
5 /<br />
80 MIO<br />
Lateinamerika<br />
ter anderem Friendster, Orkut und Myspace. Hinzu kommen viele<br />
Plattformen mit starker regionaler Bedeutung, etwa der russische<br />
Facebook-Klon VKontakte, das chinesische Mixi, das südkoreanische<br />
Cyworld und das US-amerikanische Hi5, das insbesondere<br />
unter lateinamerikanischen Internetnutzern beliebt ist. „Führungskräfte<br />
sollten BEBO / diesen Plattformen ebenfalls Aufmerksamkeit schenken,<br />
falls 117 deren MIONutzergruppen<br />
für sie relevant sind“, sagt Dutta von<br />
INSEAD. Nordamerika Zusätzlich können sich Manager bei speziellen 135 Business- MIO<br />
Plattformen wie dem deutschen Xing, dem US-amerikanischen<br />
Russland<br />
LinkedIn oder dem französischen Viadeo anmelden. „Sie sind<br />
besser für konkrete Geschäftszwecke geeignet als etwa Facebook,<br />
weil die Nutzergemeinde dort homogener ist“, sagt Dutta. Diese<br />
Homogenität ORKUT kann / natürlich, je nach Geschäftsmodell, wiederum<br />
von Nachteil 100 MIO sein.<br />
Indien, Brasilien<br />
DIE REGIONALEN BESONDERHEITEN Es gilt zu beachten, dass soziale<br />
Netzwerke je nach Region unterschiedlich genutzt werden. „Viele<br />
Menschen teilen sich der Welt mit, aber nicht alle tun es auf dieselbe<br />
Weise“, HI konstatiert 5 / Mikolaj Jan Piskorski, Associate Professor für<br />
Business 80 Administration MIO<br />
an der Harvard Business School, in einer<br />
aktuellen Lateinamerika Studie. Cyworld etwa ist aufgebaut wie ein gigantisches<br />
Spiel, mehr als die Hälfte der südkoreanischen Bevölkerung ist<br />
RUBRIK HIER<br />
dort mit sogenannten Avataren vertreten. In Japan,<br />
Deutschland und den USA scheiterte der Plattformbetreiber<br />
SK Telecom mit diesem Konzept.<br />
SHARING-PLATTFORMEN<br />
FRIENDSTER /<br />
VKONTAKTE /<br />
115 MIO<br />
Jede Menge Inhalte Südostasien<br />
Internetseiten, auf denen Nutzer Fotos, Videos oder<br />
Musik mit anderen Internetnutzern teilen, haben in<br />
den vergangenen Jahren beachtliche Bedeutung im<br />
komplexen Social-Media-Gefüge erlangt. Die Videoplattform<br />
YouTube, 2005 in Kalifornien gegründet,<br />
ist die am dritthäufigsten besuchte Website der Welt<br />
und hat mittlerweile viele Nachahmer. Unter den<br />
100 weltweit QZONE gefragtesten /<br />
Internetseiten finden sich<br />
zahlreiche<br />
480 MIO<br />
weitere Sharing- und Hosting-Angebote,<br />
China<br />
etwa die chinesischen Videoplattformen Tutou und<br />
Youku sowie die Foto-Webseiten Flickr und ImageShack.<br />
Diese werden derzeit aber zunehmend von<br />
Social-Media-Plattformen wie Facebook verdrängt.<br />
12 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 13<br />
FACEBOOK /<br />
680 MIO<br />
VKONTAKTE<br />
VKONTAKTE<br />
/<br />
/<br />
135 MIO<br />
135 MIO<br />
VKONTAKTE<br />
Russland<br />
Russland<br />
/<br />
135 MIO<br />
Russland<br />
LINKEDIN /<br />
100 MIO<br />
weltweit<br />
QZONE /<br />
QZONE /<br />
480 MIO<br />
480 MIO<br />
QZONE<br />
China<br />
China<br />
/<br />
480 MIO<br />
China<br />
FACEBOOK<br />
FACEBOOK<br />
/ LINKEDIN / LINKEDIN<br />
/<br />
/<br />
MYSPACE<br />
MYSPACE<br />
/<br />
/<br />
VIADEO /<br />
VIADEO /<br />
680 MIO<br />
680 MIO 100 MIO<br />
100 MIO<br />
60 MIO<br />
60 MIO 35 MIO<br />
35 MIO<br />
FACEBOOK<br />
weltweit<br />
weltweit<br />
/ LINKEDIN<br />
weltweit<br />
weltweit<br />
/ MYSPACE<br />
weltweit<br />
weltweit<br />
/ VIADEO<br />
weltweit<br />
weltweit /<br />
680 MIO 100 MIO 60 MIO<br />
35 MIO<br />
weltweit<br />
weltweit<br />
weltweit<br />
weltweit<br />
MYSPACE /<br />
60 MIO<br />
weltweit<br />
MIXI /<br />
MIXI CY/<br />
CY<br />
29 MIO<br />
29 WORLD MIO /<br />
WORLD /<br />
MIXI<br />
Japan<br />
Japan 24 / CY<br />
MIO<br />
24 MIO<br />
FRIENDSTER<br />
FRIENDSTER<br />
/<br />
/ 29 MIO WORLD<br />
Südkorea<br />
Südkorea /<br />
115 MIO<br />
115 MIO Japan 24 MIO<br />
FRIENDSTER<br />
Südostasien<br />
Südostasien<br />
/<br />
Südkorea<br />
115 MIO<br />
Südostasien<br />
VIADEO /<br />
35 MIO<br />
weltweit<br />
MIXI /<br />
29 MIO<br />
Japan<br />
CY<br />
WORLD /<br />
24 MIO<br />
Südkorea
FOOD FOR THOUGHT<br />
Entdeckergemeinden<br />
machen mobil<br />
Die Nutzer von Social-Media-Plattformen bilden Communitys,<br />
deren Ziele, Zusammensetzung und Verhalten auf den ersten Blick<br />
undurchschaubar erscheinen. Viele Entscheider sind daher unsicher,<br />
ob sie oder ihr Unter nehmen den Schritt in die virtuelle Welt wagen<br />
sollen. Dabei lassen sich einige Eigenheiten dieser Communitys ideal<br />
für das eigene Geschäft nutzen<br />
FÜR WAHRSCHEINLICH jede<br />
Alters- und Interessengruppe<br />
existieren mittlerweile eigene<br />
Plattformen und Beziehungsstrukturen<br />
im Netz. Doch oft<br />
kapitulieren Unternehmen, die<br />
exakt die fürs eigene Geschäft relevante<br />
Community identifizieren<br />
wollen, vor der schier endlosen Zahl an <strong>Special</strong>-<br />
Interest-Gemeinden. Übrig bleibt dann eine wenig<br />
durchdachte und daher nur mäßig frequentierte<br />
Präsenz auf Facebook oder anderen besonders<br />
bekannten Social-Media-Plattformen. Besser<br />
wäre es, die User auf einer bestehenden Plattform<br />
abzuholen. So wie es beispielsweise der deutsche<br />
Burda-Verlag getan hat, der einen erfolgreichen<br />
Mode-Blog aufgekauft hat.<br />
Eleganter ist es, bestehende Kunden aus der realen<br />
Welt in die virtuelle Welt mitzunehmen: Die<br />
Robert-Bosch-Gruppe beispielsweise finanziert<br />
14 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL<br />
Eigenheiten kennen.<br />
Erfolgreiche Unternehmen nutzen<br />
Social-Media-Communitys.
FOOD FOR THOUGHT<br />
Dabei sein ist nicht alles<br />
Social-Media-Knigge für CEOs<br />
„Die Zeit von Entscheidern<br />
ist knapp. Deshalb dürfen sie<br />
ruhig die Finger von privaten<br />
Plattformen lassen.“ Diese<br />
Meinung vertritt Social-Media-<br />
Experte Dr. Jan-Hinrik Schmidt<br />
vom Hans-Bredow-Institut in<br />
Hamburg. Niemand solle sich<br />
zu PR-Zwecken in Facebook<br />
und Co. zwingen lassen. Ein<br />
Profil in beruflichen Plattformen<br />
(Xing, LinkedIn) gehört<br />
zwar in zahlreichen Branchen<br />
zum guten Ton, denn es bringt<br />
Reputation und Kontakte fürs<br />
Unternehmen. Aber schnell<br />
können Entscheider überfordert<br />
sein, weil sie sehr begehrt<br />
sind – Topmanager zählt<br />
wohl jeder gerne zu seinen<br />
Kontakten. „Wenn es nur der<br />
anderen Seite um ihren eigenen<br />
Vorteil geht, dann sollte<br />
man zurückhaltend sein“, rät<br />
Schmidt. Übertriebene Eigeninitiative<br />
sei ebenfalls fehl<br />
am Platz. Gerade Entscheider<br />
dürften nicht danach streben,<br />
ihr Netzwerk um jeden Preis zu<br />
erweitern. „Bei einer Business-<br />
Konferenz stecken Sie ja auch<br />
nicht jedem eine Karte zu“, so<br />
Schmidt. Prinzipiell hält er ein<br />
großes Netzwerk auch im Netz<br />
aber für hilfreich.<br />
Wie allen Experten fällt es allerdings<br />
auch Schmidt schwer,<br />
die richtige Größe zu defi-<br />
nieren. Der Soziologe Robin<br />
Dunbar sieht seine Theorie,<br />
das menschliche Gehirn könne<br />
maximal 150 Freundschaften<br />
verwalten, auch im Web bestätigt.<br />
Allerdings hat er seine<br />
Forschungsergebnisse noch<br />
nicht offengelegt. Schmidt<br />
schätzt die Theorie seines<br />
Kollegen Mark Granovetter<br />
aus den 1970er Jahren als<br />
essenzieller ein und bejaht,<br />
dass deren Weiterentwicklung<br />
auch in der Netzwelt gilt:<br />
Starke Beziehungen lassen<br />
sich nur zu einer beschränkten<br />
Zahl von Menschen aufbauen.<br />
Diese sind in der Regel<br />
stark miteinander verknüpft<br />
und bilden eine weitgehend<br />
geschlossene Gemeinschaft.<br />
Aber: Die darüber hinaus bestehenden<br />
schwachen Verbindungen<br />
zu anderen Personen<br />
bilden eine Brücke zu anderen<br />
Netzwerken. Und dort warten<br />
immer wieder wichtige Informationen<br />
und Kontakte. Auch<br />
für Entscheider.<br />
unter anderem eine Homepage für Heimwerker<br />
mit Do-it-yourself-Wiki und Forum. Dort werden<br />
auch Nischenfragen wie etwa die nach der Abschaltmöglichkeit<br />
des Pendelhubs einer Stichsäge beantwortet<br />
– die Mitglieder der Plattform nehmen sich<br />
auch für diese Anliegen Zeit. Zudem verlinken sie<br />
ihre Beiträge mit Bauanleitungen oder präsentieren<br />
Projektideen, für die sie Beratung benötigen. Jeder<br />
stellt ein Profil online und skizziert seine Fähigkeiten.<br />
Die Community organisiert sich selbst, die<br />
Hobbybastler investieren viel Zeit und Herzblut und<br />
achten darauf, dass die Regeln eingehalten werden,<br />
die sie selbst aufgestellt haben. Bosch seinerseits tritt<br />
nur sporadisch in Erscheinung, schreibt Workshops<br />
aus, promotet eigene Wettbewerbe oder bietet einen<br />
Chat mit Experten aus dem Haus an. Diese lebendige,<br />
ungefilterte Aktivität macht die Plattform auch<br />
interessant für neue Besucher. Die Idee für die virtuelle<br />
Plattform stammt aus der realen Welt: dem Baumarkt.<br />
In der Konzeptionsphase lud Bosch Kunden<br />
und Interessenten zu Besprechungen ein, die bereits<br />
in Heimwerker-Foren aktiv waren. Anschließend<br />
wurde die Plattform realisiert, die dank der „viralen<br />
Weiterempfehlung“ auf Facebook und Co. zum<br />
Erfolg wurde. Überrascht blicken Außenstehende<br />
auf die Community, bei der aus virtuellen Handlungen<br />
auch mal Treffen im realen Leben werden:<br />
Die Nutzer verabreden sich, um etwa einem Mitglied<br />
beim Bau des Gartenhäuschens zu helfen. Und<br />
natürlich zieht Bosch, abseits vom Image-Gewinn,<br />
auch zusätzlichen Nutzen aus der Plattform. Einige<br />
der dort aktiven Heimwerker dürfen neue Produkte<br />
testen und bewerten. Das Prinzip „Mitmachen“<br />
funktioniert auch in anderen Branchen: Der nordamerikanische<br />
Pizza-Produzent Papa John’s forderte<br />
seine Community auf, Rezepte für die Fast-Food-<br />
Restaurants zu kreieren. Der Gewinner erhielt eine<br />
Umsatzbeteiligung von einem Prozent, Papa John’s<br />
war sprichwörtlich „in aller Munde“.<br />
Social-Media-Aktivitäten müssen<br />
einen Mehrwert bieten<br />
Entscheidend beim Community-Building sind nicht<br />
nur Faktoren wie Alter oder Beruf. Die Social-Media-<br />
Welt ermöglicht virtuelle Beziehungen zum Kunden<br />
vor Ort genauso wie zur Community in Übersee.<br />
Experten raten daher, eine eigene Plattform mit<br />
verschiedenen Kanälen und Zugängen zu kreieren,<br />
die ihrem Unternehmen einen Wiedererkennungseffekt<br />
verleiht. Dort gilt es, der Community einen<br />
Mehrwert zu bieten. Nur ein Blog zu starten und es<br />
nach einigen Monaten nicht mehr zu pflegen, genügt<br />
definitiv nicht. Aktivität ist der Gradmesser für jede<br />
Social-Media-Plattform. Social-Media-Aktivitäten<br />
sind daher immer mit Aufwand, Beharrlichkeit und<br />
auch Kosten verbunden. Stark verlinkte Inhalte<br />
und ständig neue Kommentare, die eine häufige<br />
Aktualisierung der Webseite bedeuten, sorgen für<br />
eine erfolgreiche Listung bei Google und anderen<br />
Suchmaschinen. Im besten Fall wird die Community<br />
sogar zum Botschafter des Unternehmens – und<br />
damit unbezahlbar.<br />
Smartphones integrieren<br />
Social Media ins reale Leben<br />
Nach einer Prognose der Investmentbank Morgan<br />
Stanley werden Mobilgeräte bis 2015 den klassischen<br />
PC als gängiges Gerät für den Internetzugang abgelöst<br />
haben. Untersuchungen zeigen, dass Facebook<br />
und Twitter bereits jetzt öfter von unterwegs genutzt<br />
werden als vom Computer zuhause. Social Media<br />
Communitys begleiten ihre Mitglieder mittlerweile<br />
überall hin – Smartphone sei Dank.<br />
Auch der Funktionsumfang der Mobilgeräte<br />
steigt immer weiter. Aktuelle Smartphones wissen,<br />
wo sie sich gerade aufhalten, und geben diese Information<br />
weiter, mitunter ohne Wissen der Nutzer,<br />
manchmal aber auch schon mit deren Einverständnis:<br />
Die Geolocation-Community Foursquare beispielsweise<br />
war eines der ersten standortbezogenen<br />
sozialen Netzwerke, das auf der GPS-Fähigkeit von<br />
Mobiltelefonen basiert. Die Mitglieder melden, wo<br />
sie sich gerade befinden, und bekommen ihrerseits<br />
Statusmeldungen aus ihrem persönlichen Netzwerk.<br />
Zudem können sie Empfehlungen abrufen, ob es in<br />
der Nähe einen angesagten Club oder ein Restaurant<br />
mit günstigem Lunch gibt. Für heimeliges Community-Gefühl<br />
sorgt die Belohnungsfunktion: Wer den<br />
Dienst fleißig nutzt, wird mit virtuellen Stickern und<br />
Abzeichen belohnt – Informationen, die natürlich an<br />
die eigenen Kontakte weitergegeben werden, zum<br />
Wettbewerb anspornen und für rege Kommunikation<br />
im eigenen Beziehungsgeflecht sorgen können.<br />
Besonders häufige „Check-ins“ an einem Lieblingsort<br />
werden mit dem „Bürgermeister-Titel“ honoriert,<br />
der allerdings laufend verteidigt werden muss.<br />
Facebook und Twitter<br />
werden bereits jetzt öfter von<br />
unterwegs genutzt als vom<br />
Computer zuhause<br />
Foursquare-Gründer Dennis Crowley betrachtet<br />
die Check-ins als „atomare Einheit für die messbare<br />
Relevanz eines Ortes“. Die Wurzeln des Belohnungsprinzips<br />
liegen in der Computerspiele-Industrie, die<br />
schon vor Jahren erkannt hat, dass die Nutzer mit<br />
noch mehr Begeisterung bei der Sache sind, wenn<br />
sie für ihre Leistung eine, wenn auch virtuelle, Belohnung<br />
wie den Eintrag in einer Siegerliste erhalten.<br />
Foursquare, 2009 gegründet, ist bereits auf über<br />
sieben Millionen User angewachsen. Immer mehr<br />
Unternehmen wollen als „Orte“ markiert werden, um<br />
das Netzwerk als neuen Werbekanal und Instrument<br />
zur Kundenbindung zu nutzen: Als Gegenleistung<br />
für Check-ins bieten Geschäfte und Unternehmen<br />
beispielsweise Freikarten oder Rabatte. Das hat natürlich<br />
auch den Marktgiganten Facebook auf den<br />
Plan gerufen, der das Prinzip kopiert und Mitte 2010<br />
sein Angebot „Places“ gestartet hat. Der Nutzer des<br />
Geo-Dienstes sieht, ob sich Freunde gerade in der<br />
Nähe befinden, und kann sich spontan mit ihnen<br />
in der realen Welt verabreden. Aber auch bei Facebook<br />
Places steht natürlich das Geschäftsmodell im<br />
Mittelpunkt. Bei der Einführung in den USA war<br />
zum Beispiel Burger King mit von der Partie und<br />
bot jedem Mitglied seiner Community einen Gratis-<br />
Whopper fürs Einchecken mittels Facebook-App.<br />
Etwas werthaltiger war die Aktion des Autoherstellers<br />
Mazda, der seiner Community in England 20<br />
Prozent Nachlass beim Kauf eines Sportwagens bot<br />
und damit riesiges Medieninteresse auf sich zog. In<br />
Deutschland offerierte H&M seinen Freunden 25<br />
Prozent Nachlass auf einen beliebigen Artikel. Vor<br />
allem Unternehmen mit lokaler Verankerung oder<br />
großem Filialnetz sehen eine Chance bei den Geo-<br />
Diensten und engagieren sich.<br />
FOOD FOR THOUGHT<br />
16 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 17
Claims abstecken.<br />
Wer RUBRIK als Unternehmer HIER<br />
weiß, wie er die<br />
Daten in der <strong>Cloud</strong><br />
nutzen kann, hat eine<br />
Goldmine gefunden.<br />
Der lohnende Weg in die<br />
<strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong><br />
Derzeit ist in vielen Unternehmen ein interessantes Schauspiel<br />
zu beobachten. Unterschiedliche Fachabteilungen ringen um die<br />
passende Strategie und ihren richtigen Auftritt in Facebook,<br />
bei Twitter & Co.<br />
DIE FRAGE MUSS erlaubt<br />
sein: Warum tun diese<br />
Unternehmen sich das an?<br />
Schließlich produziert die<br />
Nutzung von Social Media<br />
kein fassbares Produkt<br />
und beinhaltet in den<br />
meisten Fällen auch keine<br />
nennenswerte Dienstleistung. Der unmittelbare<br />
Grenznutzen dieser Aktivitäten für das Kerngeschäftsfeld<br />
dieser Unternehmen erschließt sich<br />
zumindest nicht auf den ersten Blick. Trotzdem<br />
sind diese Unternehmen auf der richtige Fährte.<br />
Sie setzen dort an, wo ihre Kunden bereits sind:<br />
auf virtuellen, cloudbasierten Plattformen, auf<br />
denen sich Verbraucher austauschen. Dabeisein<br />
ist aber kein Selbstzweck. Schließlich passiert auf<br />
Social-Media-Plattformen mehr als nur interaktiver<br />
Austausch: Jede Internetsuche, jede Produktbewertung,<br />
jede Transaktion, jede Statusmeldung<br />
hinterlässt Datenspuren im weltweiten Netz. In<br />
diesen webbasierten Daten steckt der Wert für<br />
STRATEGY<br />
Unternehmen, wenn sie Social-Media-Netzwerke<br />
beobachten und nutzen.<br />
Das Datenvolumen, das übers Internet transferiert<br />
wird, wächst dabei explosionsartig: Der<br />
Netzwerkausrüster Cisco prognostiziert, dass der<br />
jährliche Internet-Traffic bis 2014 auf 767 Exabytes<br />
anwachsen wird – um die Zahl der Bytes<br />
eines Exabytes auszudrücken, bräuchte man 18<br />
Nullen. Diese Zahl liegt um den Faktor 4,3 höher<br />
als der zum Vergleich herangezogene Referenzwert<br />
für das Jahr 2009. Das monatliche Verkehrsaufkommen<br />
im Internet entspricht dann ungefähr<br />
dem Fassungsvermögen von 16 Milliarden DVDs.<br />
Unternehmenseigene Daten<br />
Zu den webbasierten Datenmengen, die tagtäglich<br />
neu entstehen, gibt es eine weitere, keinesfalls<br />
geringer einzuschätzende Informationsquelle:<br />
Unternehmen produzieren in ihren eigenen IT-<br />
Systemen, in der Unternehmens-<strong>Cloud</strong>, ebenfalls<br />
Daten. Beim Anruf im Call-Center wird eine<br />
Auskunft abgefragt oder ein Problem bearbeitet,<br />
18 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 19
STRATEGY<br />
beim Bestellvorgang im Webshop werden Datensätze angelegt<br />
und im E-Commerce-System weiterbearbeitet, Marketing<br />
und Vertrieb nutzen Adressdaten für die Ansprache von<br />
bestehenden und potenziellen Kunden, markieren diese mit<br />
einem Status und erhalten Feedback.<br />
Dass bei dieser Menge an Informationen die Komplexität<br />
für Unternehmen, die diese Daten nutzen wollen, nicht<br />
geringer wird, ist klar. Aber: Dieser Datenberg ist eine<br />
Goldmine. Er beinhaltet unzählige wertvolle Hinweise der<br />
Kunden und Verbraucher, aus denen sich Rückschlüsse auf<br />
Wünsche und Konsumverhalten ziehen lassen. In ihm stecken<br />
Wünsche zum Warensortiment, Lösungen für zahlreiche<br />
Probleme, Kritik und auch Verbesserungsvorschläge für<br />
bestehende Produkte. Social-Media-Netzwerke erlauben,<br />
Nutzerprofile mit Informationen beispielsweise zu privaten<br />
Interessen der Kunden anzureichern und darüber für<br />
das eigene Geschäft zu profitieren. So können Konzerne<br />
den Wettbewerbsvorteil von kleineren, lokal verwurzelten<br />
Mitbewerbern bis hinunter zum „Tante-Emma-Laden“<br />
zumindest teilweise kompensieren: Dank der Daten aus<br />
Social-Media-Netzwerken sind die alltäglichen Bedürfnisse<br />
und auch die weniger alltäglichen Sonderwünsche eines<br />
Teils der Kundschaft bekannt, dank der Dialogfähigkeit<br />
von Social-Media-Netzwerken ist der „persönliche“ Kundenkontakt<br />
möglich.<br />
So weit die Theorie. In der Praxis aber tun sich Unternehmen<br />
derzeit schwer, überhaupt ihre Claims in dieser Goldmine<br />
abzustecken. Denn die Daten entstehen völlig unsortiert<br />
an verschiedensten Punkten: in Social-Media-Netzwerken<br />
und auf Beurteilungsportalen, in Blogs und Foren, durch<br />
Twitter-Tweets und Kommentare. Entsprechend unübersichtlich<br />
ist das Terrain. Die webbasierten Daten sind derzeit<br />
in keiner Weise miteinander verknüpft. Das Problem ist also<br />
die Systematisierung, sonst bleiben Potenziale ungenutzt.<br />
Ähnliches gilt für die Daten in der Unternehmens-<strong>Cloud</strong>:<br />
Die IT-Infrastruktur von Unternehmen ist in den vergangenen<br />
Jahrzehnten organisch gewachsen. Je nach Organisationsform<br />
des Unternehmens haben einzelne Bereiche früher,<br />
andere später auf unterschiedliche Systeme gesetzt. Support<br />
und Kundenbetreuung setzen auf eine CRM-Software, in<br />
der Produktion und Logistik werkelt ein ERP-System, der<br />
Internetshop wiederum nutzt eine E-Commerce-Lösung.<br />
Manches davon ist in Business-Intelligence-Systemen gebündelt,<br />
daneben gibt es immer wieder einzelne Bereiche,<br />
Dank der Daten aus<br />
Social-Media-Netzwerken<br />
sind die alltäglichen<br />
Bedürfnisse der<br />
Kundschaft bekannt<br />
in denen – oft aus guten Gründen – hochspezialisierte eigenprogrammierte<br />
Software oder Insellösungen weiterexistieren.<br />
Auch an diesen Stellen entstehen Daten en masse,<br />
viele davon lediglich interessant für interne Abläufe, doch<br />
oft stecken auch in diesen Daten wertvolle Informationen.<br />
Die Crux: Weder sind all die unterschiedlichen Systeme<br />
oder Module miteinander vernetzt noch liegen die Daten<br />
derzeit in einer Form vor, die eine systematische Auswertung<br />
ermöglicht. Um im Bild zu bleiben: Jeder weiß, wo die<br />
Goldmine liegt – aber niemand kennt bisher den richtigen<br />
Weg, sie auszubeuten.<br />
Entscheider zögern<br />
Es entsteht also die paradoxe Situation, dass in der Theorie<br />
auf Basis des vorhandenen Datenmaterials Managemententscheidungen<br />
fundiert und zielgerichtet getroffen werden<br />
könnten. In der Praxis aber herrscht eher ein Zögern unter<br />
vielen Entscheidungsträgern, denn vorhandene Informationen<br />
werden derzeit wegen der offensichtlichen Komplexität<br />
der Aufgabe nicht genutzt. Dieses Abwarten wird auch nicht<br />
durch die immer häufigeren Erfolgsstorys von Unternehmen<br />
beendet, die diese Probleme offenbar gelöst haben.<br />
Technisch zumindest sind heute die Grundlagen gelegt,<br />
dieser großen Menge an Daten, die in der <strong>Cloud</strong> entstehen,<br />
auch Herr zu werden – und zwar mit Hilfe der <strong>Cloud</strong>. Durch<br />
das <strong>Cloud</strong> Computing, also die Nutzung der de f<strong>act</strong>o unendlichen<br />
Ressourcen an Rechen- und Datenspeicherkapazität,<br />
können Analysetools heute auf die Rechenpower zurückgreifen,<br />
die sie für die zeitnahe und gezielte Ausbeutung der<br />
Datengoldmine brauchen. Bis vor wenigen Jahren war das<br />
so noch nicht möglich – oder wirtschaftlich nicht sinnvoll.<br />
Heute aber ist im Grunde nicht einmal der Besitz eigener<br />
Hardware Voraussetzung. Die gezielte Auswertung von Kundendaten<br />
und die daraus abgeleitete Steuerung der eigenen<br />
Angebotspalette, die sich vor Jahrzehnten eigentlich nur große<br />
Handelskonzerne wie etwa Walmart leisten konnten, sind<br />
heute vergleichsweise günstig einzukaufen. Für die Integration<br />
von bestehenden Daten aus der Unternehmens-<strong>Cloud</strong><br />
und deren Abgleich mit den aktuellen Informationen aus<br />
sozialen Netzwerken gibt es mittlerweile erprobte Konzepte.<br />
Und, ebenso elementar: Die zunehmende Standardisierung<br />
von Schnittstellen erleichtert den Austausch der Datensätze.<br />
Die in den letzten Jahren exponentiell gestiegene und damit<br />
zunächst abschreckende Komplexität herkömmlicher Ge-<br />
STRATEGY<br />
schäftsprozesse kann so wieder merklich reduziert werden.<br />
Kurz: Ausreden, die auf die Komplexität der Aufgabe gründen,<br />
zählen nicht mehr. Die Menge der Daten ist mit den<br />
richtigen Werkzeugen und Strategien beherrschbar.<br />
Potenzial für neue Geschäftsfelder<br />
Mehr noch: In den Daten der <strong>Cloud</strong> liegen die Grundlagen<br />
für neue Geschäftsmodelle. Denn dieser Datenschatz hat<br />
das Potenzial, die bisherige Herangehensweise an neue Geschäftsfelder<br />
erheblich zu beschleunigen: Bisher waren für<br />
die Entwicklung eines neuen Produkts erhebliche Erstinvestitionen<br />
in die Markt- oder Produktforschung nötig, gefolgt<br />
von weiteren Investitionen in die Produktion und schließlich<br />
Investitionen in Vertrieb und Vermarktung. Eine Menge<br />
Ressourcen also, bis überhaupt einmal ein fertiges Produkt<br />
zum Kunden gelangen konnte – und dann war ungewiss, ob<br />
das neue Angebot vom Kunden überhaupt so angenommen<br />
wird wie erhofft. Vereinfacht gesagt: Unternehmen bieten<br />
ihren Kunden eine Auswahl an Produkten an, von denen<br />
sie glauben, dass sie möglicherweise nutzbringend, sinnstiftend,<br />
arbeitserleichternd oder zumindest unterhaltsam sein<br />
werden. Aus dieser Palette kann der Kunde entweder das<br />
wählen, was ihm am ehesten zusagt – oder sich alleingelassen<br />
fühlen mit seinen Wünschen.<br />
Das alles ändert sich in der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong>. Denn Kunden<br />
artikulieren ihre Wünsche nicht mehr nur im privaten<br />
Kreis oder an einer Telefonsupport-Hotline. Foren, Blogs,<br />
Kommentare und soziale Netzwerke sind die Plattformen,<br />
auf denen Kundenbedürfnisse hinterlegt sind. Gleiches gilt<br />
für die unternehmenseigenen Daten, die ebenfalls Hinweise<br />
der Kunden bergen. Zudem sinkt der Ressourcenbedarf für<br />
Produktentwicklungen rapide: Dank <strong>Cloud</strong> Computing ist<br />
enorme Rechenpower so preiswert zu haben wie nie zuvor.<br />
Ähnliches gilt für Produktionskapazitäten. Diese haben<br />
sich, global gesehen, noch nie in der Geschichte so günstig<br />
einkaufen lassen. Und dank immer leistungsfähigerer Logistikketten<br />
spielen auch große Distanzen kaum mehr eine<br />
entscheidende Rolle.<br />
Eine zentrale Frage für Unternehmenslenker wird also in<br />
Zukunft sein: Welche Konsequenzen für das Geschäftsmodell<br />
haben die in der unternehmenseigenen <strong>Cloud</strong> vorhandenen<br />
und auf den unterschiedlichen Plattformen im Web<br />
generierten Daten? Wer diese Frage für sich beantworten<br />
kann, kennt den Weg in die Goldmine.<br />
20 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 21
STRATEGY<br />
Den Kunden<br />
verstehen,<br />
Bit für Bit<br />
Auch in neuen Zeiten gelten alte Prinzipien, zum Beispiel:<br />
Wer als Unternehmer erfolgreich wirtschaften will,<br />
der muss wissen, was der Markt fordert. Gut, dass es<br />
in Zeiten der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> einfacher wird, die richtige<br />
Antwort auf diese Frage zu finden<br />
Von Prof. Dr. Björn Bloching, Partner bei <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />
VERSTAUBT MUTEN SIE mittlerweile an,<br />
die traditionellen Methoden wie die<br />
Befragung durch Marktforschungsinstitute.<br />
Wer heute präzise Erkenntnisse<br />
über die Kundenbedürfnisse<br />
erhalten will, muss den Blick auf<br />
alle verfügbaren Daten richten, auf<br />
die im Unternehmen und auf die im<br />
Web. Schon in der IT des eigenen Unternehmens existieren<br />
haufenweise Informationen, die Rückschlüsse erlauben auf<br />
das Einkaufsverhalten und die Wünsche der Kundschaft.<br />
Der Onlinehändler Amazon ist ein gutes Beispiel. Das Unternehmen<br />
aus Seattle hat seine Unternehmens-IT seit<br />
einigen Jahren daraufhin optimiert, dass möglichst keine<br />
für das Geschäft relevanten Daten versickern. So wird<br />
durch die Auswertung des gesamten Einkaufsverhaltens,<br />
von der Produktsuche bis zum Kauf, die Sortimentspolitik<br />
beeinflusst. Ein weiterer Baustein: Die „Recommendation<br />
Engine“, eine Softwarefunktion im Onlineshop von<br />
Amazon, empfiehlt alternative Produkte – und ist damit<br />
Marketinginstrument und Werkzeug zur internen Unternehmenssteuerung<br />
gleichermaßen. Natürlich werden auch<br />
Nutzerbewertungen konsequent ausgewertet. Durch die<br />
intelligente Verknüpfung all dieser Informationen entwickelt<br />
Amazon das eigene Geschäftsmodell ständig weiter<br />
Daten entstehen.<br />
In ihnen stecken die Bedürfnisse<br />
und Wünsche der Kunden.<br />
– und hat es geschafft, von einem Beinahe-Pleitekandidaten<br />
nach dem Platzen der Internetblase im Jahr 2000<br />
zu einem der größten Internet-Versandhändler weltweit<br />
aufzusteigen.<br />
Auch der Computer- und Druckerhersteller Hewlett-<br />
Packard (HP) nutzt akribisch die Transaktionsdaten seiner<br />
Kunden. Das Besondere daran: Ein Großteil der Daten<br />
entsteht nicht originär auf den Servern des Unternehmens,<br />
sondern auf denen der Vertriebspartner: Onlineshops und<br />
B2B-Händler. Die Herausforderung besteht nun darin, diese<br />
aus ganz unterschiedlichen Quellen stammenden Daten zu<br />
sammeln und auszuwerten. Zusätzlich angereichert wird<br />
dieser Datenschatz durch die Analyse des Kaufverhaltens<br />
vieler Nicht-HP-Kunden, die das Unternehmen ebenfalls<br />
nachvollzieht. Durch die Verknüpfung und Interpretation<br />
dieser Daten kann HP gezielt Informations- und Marketingkampagnen<br />
für unterschiedliche Zielgruppen aufsetzen.<br />
Der Erfolg von Amazon und Hewlett-Packard mit diesem<br />
Vorgehen gründet also auf der konsequenten Nutzung und<br />
Auswertung der Daten und Informationen. Entscheider, die<br />
davon lernen wollen, sollten daher in einem ersten Schritt<br />
veranlassen, alle vorhandenen Daten miteinander zu vernetzen<br />
und zu nutzen. Je mehr Möglichkeiten die eigene IT-<br />
Infrastruktur bietet, Informationen der Kunden zu erhalten<br />
– beispielsweise über Blog-Kommentare, Foren oder Bewer-<br />
tungsportale auf den Shop-Webseiten –, desto reichhaltiger<br />
ist diese interne Datenquelle.<br />
Webbasierte Daten nutzen<br />
Einen Schritt weiter gehen Unternehmen, die sich nicht nur<br />
auf die intern vorhandenen Informationen verlassen, sondern<br />
Daten aus dem Web nutzen. Potenzielle Käufer und Geschäftspartner<br />
hinterlassen jede Menge Spuren im Internet,<br />
aus denen sich wertvolle Hinweise destillieren lassen. Ein<br />
Beispiel ist das Retargeting: Dabei wird anonymisiert und<br />
datenschutzkonform das Surfverhalten eines Webnutzers<br />
auf einer bestimmten Seite festgehalten. Surft der Nutzer<br />
weiter auf eine andere Seite, werden dort die Daten ausgewertet<br />
und individualisierte Services, beispielsweise Werbebanner,<br />
angezeigt. Das Besondere ist also, dass auf den<br />
ersten Blick nicht zusammenhängende Informationen von<br />
verschiedenen Webseiten in Echtzeit miteinander verknüpft<br />
und individualisiert werden, etwa durch Rabattierungen für<br />
interessante Produkte. All dies geschieht im Hintergrund<br />
und in Millisekunden. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde<br />
auf eine solch zielgerichtete Werbeplatzierung erfolgreich<br />
reagiert, liegt nach der Einschätzung von Branchenexperten<br />
der Zeitschrift Internet World Business bei Retargeting-<br />
Dienstleistern um 300 bis 600 Prozent höher als bei einer<br />
vergleichsweise wahllosen Schaltung.<br />
RUBRIK HIER<br />
Noch einen Schritt weiter gehen Unternehmen wie beispielsweise<br />
Bluekai. Das Unternehmen platziert bei Internetnutzern,<br />
die sich auf bestimmten <strong>Special</strong>-Interest-Seiten<br />
informieren, entsprechend gekennzeichnete Cookies, die<br />
mit zusätzlichen Informationen aus externen Datenquellen<br />
angereichert sind. Während des weiteren Stöberns im<br />
Netz sammeln diese Cookies – unter Berücksichtigung<br />
der geltenden Datenschutzvorschriften – weitere Informationen<br />
zu den besuchten Internetseiten. Gelangt der<br />
Surfer irgendwann wieder auf eine Seite, die die Daten des<br />
Bluekai-Cookies nutzen kann, werden ihm noch feiner auf<br />
ihn zugeschnittene Angebote angezeigt. Das Unternehmen<br />
aus dem US-Bundesstaat Washington kann damit Werbekunden<br />
zusichern, zielgenau und ohne Streuverlust nur die<br />
jeweils interessante Zielgruppe anzusprechen. Unternehmen<br />
buchen nicht mehr Werbeumfelder, sondern ganz konkrete<br />
Zielgruppen – ein immenser Vorteil für Werbetreibende und<br />
ein Beispiel, wie Daten aus der Online- und aus der Offline-<br />
Welt kombiniert ein riesiges Potenzial entfalten.<br />
Schließlich beobachten wir derzeit die Entwicklung,<br />
dass auch eigentlich unternehmensferne, aber öffentliche<br />
Daten von verschiedenen Plattformen zunehmend in den<br />
Fokus des Interesses zahlreicher Unternehmen rücken.<br />
Meinungsäußerungen, Produktvorschläge, Serviceempfehlungen,<br />
Kommentare und viele andere Informationen<br />
22 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 23
mehr werden öffentlich in<br />
Social-Media-Netzwerken und<br />
zahlreichen weiteren Kommunikationsplattformen<br />
hinterlegt.<br />
Die Gunst der digitalen Stunde<br />
liegt darin, dass derzeit vieles<br />
zusammenkommt, was für eine<br />
erfolgreiche Nutzung der unterschiedlichen<br />
Bausteine zusammenfinden<br />
muss: Erstens,<br />
Daten aus dem Unternehmen<br />
und aus dem Web liegen digital<br />
und in großer Masse vor. Zweitens,<br />
es existieren erprobte Algorithmen,<br />
die diese Datenmengen<br />
verknüpfen und auswerten<br />
können. Drittens, die Auswertung<br />
dieser Daten ist dank der<br />
Virtualisierung von Hard- und<br />
Software via <strong>Cloud</strong> Computing<br />
technisch nicht nur möglich,<br />
sondern auch bezahlbar. Und viertens, die<br />
Ergebnisse dieser Auswertung erlauben<br />
ein klares Bild von dem, was der Markt<br />
verlangt – aus dem unscharfen Mosaik<br />
wird ein HD-Foto. Die Herausforderung<br />
liegt nun darin, aus den vorliegenden Daten<br />
die richtigen Schlüsse für Produkte<br />
und Services zu ziehen. Eine Lehre könnte<br />
etwa sein, dass künftig zunehmend interessenbezogene<br />
und passgenau zugeschnittene<br />
Dienste und Services gefragt sind<br />
– denn je individueller das Angebot, desto<br />
höher ist die Bereitschaft, sich von einem<br />
Produkt überzeugen zu lassen, und desto<br />
größer ist das Vertrauen in den Anbieter,<br />
der seine Kunden zu kennen scheint. Im<br />
Unterschied dazu wirkt das allgemeine<br />
und unspezifische Anpreisen von Produkten<br />
und Services, verbunden mit dem<br />
Hinweis auf vermeintliche Vorteile, doch<br />
sehr gestrig. Dieser zunehmende Drang<br />
nach Individualisierung wird in letzter<br />
Konsequenz auch Auswirkungen auf Geschäftsmodelle<br />
haben.<br />
Die Ausstrahleffekte der neuen Möglichkeiten<br />
sind gewaltig, und sie wirken<br />
tief in die Unternehmensstrukturen hi-<br />
nein. Je größer Unternehmen werden,<br />
desto stärker differenzieren sich die Zuständigkeitsbereiche<br />
aus – oft auf Kosten<br />
der Übersichtlichkeit. Wo viele Räder<br />
ineinandergreifen müssen, gibt es viel<br />
Reibungsverlust – umso wichtiger ist es,<br />
die Strukturen nicht komplexer als unbedingt<br />
nötig werden zu lassen. Mit der<br />
Auswertung der Datenmenge vor allem<br />
aus der unternehmenseigenen <strong>Cloud</strong>,<br />
aber auch der webbasierten Daten können<br />
bislang nicht erkannte Zusammenhänge<br />
zwischen einzelnen operativen Prozessen<br />
(etwa Kommunikationswegen) sichtbar<br />
gemacht werden – und damit letztlich<br />
auch die Möglichkeiten dazu schaffen, die<br />
Strukturen zu optimieren.<br />
Auch die Antizipation von Kundenverhalten<br />
kann durch die Möglichkeiten der<br />
<strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> endlich wieder besser gelingen:<br />
Es ist ein mittlerweile altbekanntes<br />
Problem, dass die Einteilung in klassische<br />
Zielgruppen nicht mehr die Verlässlichkeit<br />
früherer Tage hat. Der treue Kunde<br />
gehört einer aussterbenden Gattung an.<br />
Er lässt sich durch herkömmliche Werbemethoden<br />
längst nicht mehr in dem Maße<br />
beeindrucken und binden, wie das in der<br />
Vergangenheit der Fall war. Kurz: Kundenbeziehungen<br />
sind mit den bekannten<br />
Mitteln nur noch schwer zu steuern. Die<br />
datenbasierte Analyse bestehender und<br />
auch möglicher Kundensegmente und daraus<br />
resultierend die Antizipation ihrer Bedürfnisse<br />
oder ihres Verhaltens in der <strong>Cloud</strong><br />
<strong>Economy</strong> kann hier Antworten liefern.<br />
Kriterien für den Erfolg<br />
Vor der Erschließung der skizzierten Möglichkeiten<br />
gibt es für Unternehmen einige<br />
Hausaufgaben zu erledigen. Wichtigster<br />
Punkt ist die Bestandsaufnahme, welche<br />
Daten im Unternehmen an welchem<br />
Standort und in welcher Form anfallen.<br />
In aller Regel lässt sich eine schlanke und<br />
effiziente, für die zielgenaue Nutzung aller<br />
verfügbaren Daten konzipierte IT- und<br />
Unternehmensstruktur nur bei völlig neu<br />
Wichtige Fragen…<br />
Kundendaten in<br />
der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong><br />
1/Welches sind die<br />
relevanten Informationen und<br />
wie sammeln wir sie?<br />
2/Wie können wir die<br />
in den Organisationen/<br />
Unternehmen vorliegenden<br />
Daten und Informationen zur<br />
<strong>Cloud</strong> vernetzen?<br />
3/Wie werten wir diese<br />
intelligent aus? Was sind<br />
die richtigen Fragen zur<br />
Reduktion der Komplexität<br />
und zur Monetarisierung?<br />
4/Wie müssen wir<br />
Geschäftsmodelle und<br />
Unternehmensbereiche<br />
(von der Forschung und<br />
Entwicklung über das<br />
Personalmanagement,<br />
das Marketing bis hin zum<br />
Kundensupport) umstellen?<br />
geschaffenen Unternehmenseinheiten realisieren. Das ist<br />
aber die Ausnahme. Typischerweise müssen die Daten aus<br />
bestehenden Strukturen zusammengeführt werden. Hier<br />
liegt einiges an Arbeit: Regelmäßig kritische Punkte sind<br />
– neben dem unterschiedlichen Ursprung und Format der<br />
Daten – konzeptionelle Schwächen schon in der Anfangsphase,<br />
Vorbehalte einzelner Organisationseinheiten in einem<br />
Konzern sowie die rechtzeitige Berücksichtigung des<br />
Datenschutzes. Zudem ist häufig die unternehmenseigene<br />
IT-Infrastruktur, ob Standardlösung oder Eigenentwicklung,<br />
eher für die Erfordernisse der bisherigen Wirtschaftssysteme<br />
konzipiert. Die zielgerichtete Nutzung der Daten<br />
in der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> und die Steuerung von Sortiment,<br />
Angebot und Kampagnen dagegen erlauben nur wenige<br />
dieser Systeme.<br />
Sind diese technischen und politischen Hürden genommen,<br />
müssen in einem nächsten Schritt alle Konzerneinheiten<br />
dazu verpflichtet werden, die relevanten Daten möglichst<br />
in Echtzeit zuzuliefern; schließlich ist eine Auswertung und<br />
Prozessoptimierung des Geschäftsmodells auf Basis alter<br />
Datensätze wenig hilfreich. Ein guter Anlass, um den in<br />
vielen Unternehmen traditionell über Nacht stattfindenden<br />
Datenabgleich via Batch-Lauf durch zeitgemäße Synchronisierungsverfahren<br />
zu ersetzen.<br />
Ein weiterer entscheidender Punkt ist die Auswahl der<br />
richtigen Werkzeuge, Mitarbeiter und Partnerunternehmen<br />
für die Datenauswertung unter Berücksichtigung von<br />
Expertise, Zeitrahmen und verfügbarem Budget. Während<br />
auf Seiten der Technik und der Dienstleistungspartner eine<br />
vergleichsweise breite Auswahl herrscht, ist der Markt für<br />
erfahrene Data-Mining-Experten in diesem Bereich relativ<br />
eng. Die Besetzung dieser Positionen aber ist entscheidend<br />
für die erfolgreiche Ausbeutung des Datenschatzes: Denn<br />
es geht an diesem Punkt gerade nicht darum, eine klassische<br />
Business-Intelligence-Analyse und -Auswertung zu<br />
fahren, sondern darum, den Datenberg mit den richtigen<br />
Hypothesen und Fragen zu attackieren, um die richtigen<br />
Antworten zu erhalten und konkret umsetzbare Schlüs-<br />
Die Gunst der digitalen Stunde liegt<br />
darin, dass derzeit vieles zusammen<br />
kommt, was für eine erfolgreiche<br />
Nutzung der unterschiedlichen<br />
Bausteine zusammenfinden muss<br />
Prof. Dr. Björn Bloching<br />
se ziehen zu können. Experten für dieses vergleichsweise<br />
junge Aufgabenfeld sind noch selten. Schließlich, und das<br />
sollte beim Handling von Daten eigentlich eine Selbstverständlichkeit<br />
sein, sind Vorkehrungen nötig, um stets<br />
und in allen Punkten die Einhaltung des Datenschutzes<br />
zu gewährleisten.<br />
Sind all diese oben holzschnittartig skizzierten Strukturen<br />
geschaffen, sind eine weitgehende Automatisierung<br />
von Auswertungen und die Ansteuerung zum Beispiel von<br />
Kampagnentools möglich. Das aufgebaute Know-how im<br />
Unternehmen kann dann dazu genutzt werden, Modelle und<br />
Anwendungsfälle für die strategische Weiterentwicklung der<br />
aus den Daten gewonnenen Informationen zu entwickeln.<br />
Tante Emma reloaded<br />
STRATEGY<br />
Das Ergebnis rechtfertigt die Anstrengungen. Wer die verfügbaren<br />
Daten intelligent nutzt, reduziert in allen unternehmensrelevanten<br />
Bereichen die Komplexität der eigenen<br />
Unternehmensstruktur: Das Unternehmen wird schlanker<br />
und leistungsfähiger. In einer Studie haben Forscher der<br />
Sloan School of Management am Massachusetts Institute<br />
of Technology (MIT) herausgefunden, dass Unternehmen,<br />
die Entscheidungen auf der Basis von gesammelten Daten<br />
treffen, um rund fünf bis sechs Prozent produktiver sind<br />
als ihre Mitbewerber. Das hört sich im ersten Moment nach<br />
nicht besonders viel an – doch nach Expertenmeinung mach en<br />
genau diese kleinen Abweichungen häufig den Unterschied<br />
aus zwischen Gewinnern und Verlierern.<br />
Zugleich ermöglicht die systematische Nutzung der<br />
Informationen eine neu gewonnene Personalisierung und<br />
Nähe zum Kunden. Und: In den rechtlich verfügbaren Daten<br />
und Informationen stecken die Antworten auf die Frage,<br />
welche Produkte und Services von Kunden künftig nachgefragt<br />
werden. Manchmal wird dann die Antwort nicht nur<br />
in einem neuen Produkt oder einem neuen Service bestehen,<br />
sondern sogar den Anstoß für ein neues Geschäftsmodell<br />
liefern – eine wahrhaft wertschöpfende Nutzung von Informationen.<br />
Die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> ist die Zukunft.<br />
24 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 25
RUBRIK HIER RUBRIK STRATEGY HIER<br />
„Wer auf Basis einer<br />
soliden Strategie<br />
vorgeht, muss<br />
keine Angst haben“<br />
Welche Bedeutung hat die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong><br />
für Unternehmen? Ein Gespräch zwischen<br />
Martin Wittig, CEO von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy<br />
Consultants, und Sascha Lobo, Autor, Blogger,<br />
Microblogger und Internet-Strategieberater<br />
26 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 27
STRATEGY<br />
Lobo: <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong>. Meinst du<br />
wirklich, dass der Begriff passt?<br />
Wittig: Ich denke schon. Es geht um<br />
die Virtualisierung der Geschäftswelt.<br />
Von der Produktentwicklung über das<br />
Marketing bis hin zum Support – die<br />
Kraft dieser neuen Geschäftswelt,<br />
dieser <strong>Economy</strong>, kommt aus der Vernetzung.<br />
Und die findet fast immer<br />
auf den Servern statt, in der <strong>Cloud</strong>,<br />
vereinfacht gesprochen.<br />
Lobo: Das stimmt. Neben der Kommunikation<br />
ist dieser Aspekt für<br />
mich übrigens am reizvollsten: <strong>Cloud</strong><br />
Computing bedeutet fast unbegrenzte<br />
Rechenleistung via Internet. Mit dem<br />
Handy auf die Leistungsfähigkeit<br />
eines Superrechners zugreifen, das<br />
finde ich fast unfassbar.<br />
Wittig: Aber bitte vergiss dabei nicht:<br />
Das Schlagwort „<strong>Cloud</strong>“ hat nicht<br />
für jedermann die gleiche Faszination<br />
wie für dich. Ich mache immer<br />
wieder die Erfahrung, dass konkrete<br />
Beispiele helfen, die Vorteile für<br />
Unternehmen zu verdeutlichen, etwa<br />
so: „Ihre Firma will hochkomplexe<br />
Genom-Auswertungen oder andere<br />
rechenintensive Berechnungsmodelle<br />
durchspielen? Kein Problem. Sie<br />
brauchen dafür heutzutage nur noch<br />
einen handelsüblichen Computer mit<br />
Internetanschluss.“ Das zieht, davon<br />
sind Unternehmer fasziniert.<br />
Lobo: Es ist ja auch beeindruckend.<br />
Du kannst dank <strong>Cloud</strong> Computing<br />
auf extrem komplexe Software zurückgreifen,<br />
für die du sonst ganze<br />
Serverfarmen unterhalten müsstest.<br />
Du kannst dir Rechenpower und<br />
Softwareintelligenz genau dann<br />
dazubuchen, wenn du sie brauchst.<br />
Und sonst eben nicht. Die Preise<br />
dafür sind beinahe lächerlich gering.<br />
Die stärksten, regulär auf dem Markt<br />
verfügbaren Rechner lassen sich für<br />
ein paar Dollar die Stunde nutzen.<br />
Wittig: Und als dritter Punkt neben<br />
Rechenleistung und Software kommt<br />
die Speicherfähigkeit im Netz hinzu.<br />
Speicherplatz ist heute beinahe un-<br />
endlich vorhanden, und vor allem:<br />
weltweit verfügbar. Man braucht nur<br />
einen Internetanschluss, um auf all<br />
das zuzugreifen. Daraus ergeben sich<br />
immense Möglichkeiten für Unternehmen.<br />
Das beginnt schon im Kleinen:<br />
Die zentrale Speicherung von<br />
Daten bedeutet auch, dass alle Mitarbeiter<br />
immer die aktuellen Daten<br />
zur Verfügung haben können – von<br />
Zahlentabellen über Kundendaten bis<br />
zu Textentwürfen.<br />
Lobo: Oh Gott, ja! Du weißt ja, ich<br />
bin nicht nur Besitzer einer gutgehenden<br />
Frisur, sondern auch Buchautor.<br />
Was das früher für eine Hölle war,<br />
dutzende von Dokumenten abzu-<br />
gleichen, weil niemand weiß, wie die<br />
Word-Funktion „Dokumente abgleichen“<br />
richtig funktioniert. Und alle<br />
Dateien tragen Namen wie Text_final,<br />
Text_final2, Text_REALLYfinal<br />
und so weiter.<br />
Wittig: Das deckt sich leider mit<br />
meinen Erfahrungen. Ich habe schon<br />
Unternehmen erlebt, bei denen<br />
das ähnlich war – und nein, ich<br />
werde keine Namen nennen, unter<br />
keinen Umständen. Aber Tatsache<br />
ist: In diesen Fällen waren drei,<br />
vier Sekretariate damit beschäftigt,<br />
unterschiedliche Textversionen verschiedener<br />
Abteilungen aufwändig<br />
miteinander in Einklang zu bringen.<br />
Und das ist nur ein winziger Teilbereich,<br />
an dem aber sehr schön das riesige<br />
Effizienzpotenzial deutlich wird,<br />
das in der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> steckt.<br />
Lobo: Es gibt aber noch einen an-<br />
deren Aspekt, den wir gemeinsam<br />
mal überlegen sollten: Die Virtualisierung<br />
betrifft nicht nur Bereiche,<br />
die vordergründig für Unternehmen<br />
relevant sind.<br />
Wittig: Wie meinst du das?<br />
Lobo: Die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> ist meiner<br />
Meinung nach mehr als nur <strong>Cloud</strong><br />
Computing, und wie ich damit Geld<br />
verdiene. Da stecken noch andere<br />
Facetten drin, Beispiel: Beziehungsnetzwerke,<br />
Facebook und so, du weißt<br />
schon.<br />
Wittig: Worauf willst du hinaus?<br />
Lobo: Auf einen umfassenden<br />
gesellschaftlichen Wandel. Diese<br />
Entwicklung im Netz, die mit dem<br />
„Social Media verändern das<br />
Leben vieler Menschen – und<br />
das sind nicht nur irgendwelche<br />
blutjungen Internet-Junkies“<br />
Sascha Lobo<br />
wenig sagenden Begriff Social<br />
Media bezeichnet wird, verändert<br />
das Leben vieler Menschen. Und<br />
das sind nicht nur irgendwelche<br />
blutjungen Internet-Junkies. Das<br />
Durchschnittsalter auf Facebook ist<br />
38 Jahre. Und auch sonst sind die<br />
Zahlen enorm. In Deutschland aber<br />
sind erst 23 Prozent der Bevölkerung<br />
auf Facebook aktiv.<br />
Wittig: Erst? Das finde ich erstaunlich<br />
viel. Immerhin sind das fast 20<br />
Millionen Menschen – und die sind<br />
im Durchschnitt gut ausgebildet,<br />
verdienen mehr …<br />
Lobo: Ja, „erst“ habe ich im Vergleich<br />
zu anderen Ländern gemeint. In<br />
Österreich sind es 31 Prozent der<br />
Bevölkerung, in der Schweiz 34 Prozent,<br />
in den USA hat der Wert gerade<br />
die 50-Prozent-Marke überschritten,<br />
ganz ähnlich in Chile, Norwegen,<br />
RUBRIK HIER<br />
28 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 29
STRATEGY<br />
Neuseeland, Hong Kong oder den<br />
Vereinigten Arabischen Emiraten.<br />
Und in Island liegt die Quote bei<br />
über 65 Prozent, Tendenz steigend,<br />
um monatlich 2 Prozent. Wenn<br />
man Kleinkinder und alte, weniger<br />
Internet-affine Mitbürger abzieht,<br />
dann geht das in Richtung digitales<br />
Einwohnermeldeamt.<br />
Wittig: Wo gibt es eigentlich die<br />
weltweit höchste Facebook-<br />
Durchdringung? Hast du diese<br />
Information parat?<br />
Lobo: Das ist witzig: im Vatikan-<br />
Staat, und zwar mit 109 Prozent.<br />
Wittig: 109 Prozent? Diese Zahl halte<br />
ich bevölkerungsmathematisch für<br />
relativ gewagt …<br />
Lobo: Aber sie stimmt, oder vielmehr:<br />
hat mal gestimmt. Das liegt<br />
daran, wie Facebook diese Zahlen<br />
berechnet. Sie prüfen, wie viele Nutzer<br />
sich innerhalb eines Monats in<br />
einem Land eingeloggt haben und<br />
vergleichen das mit der Zahl der dort<br />
gemeldeten Einwohner.<br />
Wittig: Statistiken … Aber du hast<br />
Recht. Soziale Netzwerke und all die<br />
Kanäle, die man Social Media nennt,<br />
sind im Leben vieler, vor allem jüngerer<br />
Leute mittlerweile nicht mehr<br />
wegzudenken. Und weil die Beschäftigung<br />
mit diesen Plattformen so<br />
intensiv und zeitaufwändig ist, weil<br />
Social Media so unglaublich viel<br />
Aufmerksamkeit bündeln, spielt das<br />
natürlich sofort auch für das Marketing<br />
eine Rolle.<br />
Lobo: Eben. In meinen Augen ist es<br />
aber ein Trugschluss zu glauben, dass<br />
DAX-Konzerne ohne eigenen Twitter-Account<br />
übermorgen insolvent<br />
sind. Man bekommt ja manchmal<br />
so einen Eindruck, wenn man mit<br />
Internet-Begeisterten spricht …<br />
Wittig: Ganz klar: Da wird derzeit<br />
mal wieder viel Unfug geredet. Manchen<br />
gilt „Social Media Consultant“<br />
bereits als Schimpfwort. Aber in<br />
diesem Bereich ist es wie in so vielen<br />
anderen: Man kann sich dafür oder<br />
dagegen entscheiden, für beides gibt<br />
es Argumente. Entscheidend ist, dass<br />
eine Entscheidung auf der Basis von<br />
qualifiziertem Know-how getroffen<br />
wird – und eben nicht aufgrund eines<br />
diffusen Bauchgefühls.<br />
Lobo: Du sprichst das Bauchgefühl<br />
an. Teilst du meinen Eindruck, dass<br />
es bei vielen Unternehmenslenkern<br />
gegenüber der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> teilweise<br />
deutliche Vorbehalte gibt?<br />
Wittig: Teilweise. Das hängt natürlich<br />
auch davon ab, mit wem<br />
ich spreche. Finanzvorstände zum<br />
Beispiel haben oft Vorbehalte wegen<br />
der Kosten. Wenn ich dann von den<br />
dramatischen Einsparpotenzialen<br />
erzähle, mit Beispielen aus unseren<br />
Beratungsprojekten, dann werden die<br />
Vorbehalte deutlich kleiner. Manchmal<br />
sind es dann sogar gerade die<br />
Finanzer, die die laufenden Kosten<br />
für die IT-Infrastruktur gar nicht<br />
schnell genug senken können und<br />
deshalb in die <strong>Cloud</strong> drängen.<br />
Lobo: Und gegenüber Social Media?<br />
Wittig: Die Leute, die die Entscheidungen<br />
treffen, arbeiten häufig sechzig,<br />
siebzig Stunden die Woche. Die<br />
haben oft gar keine Zeit für Facebook<br />
oder Twitter, da reicht es abends<br />
gerade noch für die interessante<br />
Hälfte des Wirtschaftsteils der FAZ.<br />
Meiner Meinung nach ist die Frage<br />
nach Social Media auch eine Frage<br />
nach der Arbeitskultur. Das ist aber<br />
natürlich nicht bei allen so.<br />
Lobo: Unterstellst du mir gerade indirekt,<br />
ich würde zu wenig arbeiten?<br />
Wittig: Bei dir ist das etwas anderes.<br />
Twitter ist Teil deiner Arbeit, du<br />
musst dort Präsenz zeigen. Was du ja<br />
auch regelmäßig tust. Aber ich werde<br />
oft gefragt: „Social Media, ist das<br />
überhaupt für uns relevant?“<br />
Lobo: Und was antwortest du?<br />
Wittig: Social Media sind heute für<br />
sehr viele Leute relevant, du hast ja<br />
selbst die Zahlen genannt. Und wenn<br />
die Zielgruppe eines Unternehmens<br />
dazugehört oder demnächst dazugehören<br />
wird, dann sind Social<br />
Media selbstverständlich wichtig.<br />
Das bedeutet im Umkehrschluss:<br />
Wenn ich unter diesen Umständen<br />
Social Media nicht nutze, ist das eine<br />
verpasste Chance. Zielgruppe verstehe<br />
ich in diesem Zusammenhang<br />
übrigens sehr weit. Ein Beispiel: Die<br />
meisten Unternehmen brauchen ja<br />
auch Nachwuchs – und das ist dann<br />
ein Teil der Zielgruppe.<br />
Lobo: Begegnen dir auch Leute, die<br />
Angst haben vor Social Media?<br />
Wittig: Niemand gibt gern zu, Angst<br />
zu haben. Dennoch spüre ich manchmal<br />
Unbehagen. Dafür habe ich auch<br />
Verständnis: Es ist eine neue Welt,<br />
sie scheint vielen unkontrollierbar,<br />
und es gelten neue Regeln. Und es<br />
gibt viele Beispiele, wo aus der Kommunikation<br />
auf den neuen Kanälen<br />
„Zehn Jahre Bankenexpertise, da<br />
gibt es einige. Zehn Jahre Facebook-<br />
Erfahrung hat niemand“<br />
eine Krise entstanden ist. Da ist es<br />
ganz natürlich, dass eine gehörige<br />
Portion Respekt und manchmal<br />
auch Angst mit im Spiel sind. Das ist<br />
aber nicht nur schlecht. Denn diese<br />
Angst hindert viele Unternehmen<br />
daran, irgendwelche Schnellschüsse<br />
abzufeuern, nur um dabei zu sein.<br />
Nachzudenken, gründlich zu arbeiten<br />
und das Ganze auf Basis einer soliden<br />
Strategie – das ist der richtige Weg.<br />
Und wer so vorgeht, wird meiner<br />
Erfahrung nach auch keine Angst vor<br />
dem Weg in die neue Welt haben.<br />
Lobo: Da spricht der Strategieberater.<br />
Ab und zu, wenn ich auf irgendwelchen<br />
Abendveranstaltungen Unternehmensvorstände<br />
treffe, werde ich<br />
gefragt, warum sich ein mittelständisches<br />
Unternehmen in die sozialen<br />
Medien stürzen sollte. Meine Antwort<br />
ist dann verkürzt, aber sie wirkt oft.<br />
Man kann heute ja schon massive<br />
Kommunikationsprobleme bekommen,<br />
wenn sich nur ein namenloser<br />
Ex-Zulieferer der Firma in Südostasien,<br />
sagen wir, unanständig verhält.<br />
Und wenn dann eine solche Internet-<br />
Welle rollt, und das Unternehmen<br />
muss erst mal drei Wochen lang herausfinden,<br />
wie Twitter funktioniert,<br />
ist das, vorsichtig gesagt, ungünstig.<br />
Wittig: Takt gehört nicht gerade zu<br />
deinen stärksten Eigenschaften, oder?<br />
Lobo: Mag sein. Von Social Media<br />
zurück zur <strong>Cloud</strong> – das Stichwort<br />
Angst schwingt ja auch beim <strong>Cloud</strong><br />
Computing mit …<br />
Wittig: … sehr verständlich, wenn<br />
hochsensible Daten durch die Netze<br />
jagen, dann kommt Gegenwind von<br />
den Compliance- und Risikoverantwortlichen<br />
…<br />
Lobo: … genau, das bringt mich zu<br />
diesem Punkt: Die Sicherheit, und<br />
damit meine ich die Datensicherheit,<br />
wird unendlich wichtig.<br />
Wittig: Datensicherheit wird nicht<br />
erst heute wichtig, sie war schon<br />
immer wichtig. Und Computer sind<br />
ja nicht erst seit gestern vernetzt, in<br />
diesem Punkt ist der Unterschied<br />
zur <strong>Cloud</strong> gar nicht mehr so groß.<br />
Netzwerke müssen technisch extrem<br />
gut gesichert sein. Egal, ob die Daten<br />
auf irgendeinem Server eines <strong>Cloud</strong>-<br />
Systems liegen oder auf einzelnen<br />
Rechnern meines Unternehmens,<br />
wie das bisher oft der Fall war.<br />
Lobo: So schwer mir das fällt, ich<br />
muss dir vorbehaltlos zustimmen.<br />
Aber nochmal zur Angst vor Social<br />
Media. Natürlich funktioniert diese<br />
digitale, vernetzte Sphäre nach ganz<br />
anderen Spielregeln. Aber es gibt<br />
Regeln, und es gibt Strategien. Social<br />
Media sind kein Rätsel, sondern nur<br />
so neu, dass viele Kommunikationsprozesse<br />
einfach noch nicht bis<br />
ins letzte Detail durchleuchtet und<br />
erforscht sind. Deshalb unterscheidet<br />
sich auch die Herangehensweise<br />
gegenüber anderen Kommunikationskanälen.<br />
Wittig: Magst du das etwas<br />
ausführen?<br />
Lobo: Welcher Personalchef würde<br />
einen Verantwortlichen einstellen,<br />
der kaum 18 Monate Erfahrung in<br />
seiner Branche mitbringt? Im Bereich<br />
Social Media sind viele entscheidende<br />
Entwicklungen aber erst in den<br />
letzten anderthalb Jahren überhaupt<br />
entstanden. Zehn Jahre Bankenexpertise,<br />
da gibt es einige. Zehn Jahre<br />
Facebook-Erfahrung hat niemand.<br />
30 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 31<br />
Sascha Lobo<br />
STRATEGY
RUBRIK HIER<br />
Geht ja auch gar nicht, Facebook<br />
wurde erst 2004 gegründet.<br />
Wittig: Umso wichtiger, dass die<br />
entsprechenden Aktivitäten nicht<br />
nach Gefühl und Wellenschlag stattfinden,<br />
sondern strategisch sauber<br />
aufgesetzt werden.<br />
Lobo: Absolut, und interessanterweise<br />
hat das auch Auswirkungen auf<br />
die Unternehmensstruktur. In den<br />
USA ist in den letzten zwei Jahren<br />
das Berufsbild des Informationsprokuristen<br />
entstanden. Hört sich<br />
seltsam an, ist aber eigentlich die<br />
logische Konsequenz der Offenheit<br />
und Transparenz, die Social Media<br />
und eigentlich das ganze Internet<br />
mit sich bringen. Der Informationsprokurist<br />
hat die Prokura dafür, für<br />
sämtliche Belange des Unternehmens<br />
zu kommunizieren – ohne Rückfrage<br />
oder Freigabe. In der schnellen, dialogischen<br />
Welt der digitalen Vernetzung<br />
ist es eben kaum sinnvoll, auf eine<br />
Frage zu antworten: „Sorry, da muss<br />
ich bei Abteilung 9 nachfragen, die ist<br />
nächsten Dienstag wieder im Haus.“<br />
Wittig: Dazu kommt: In dem Moment,<br />
wo börsenrelevante Informationen<br />
dabei sind – und das geht ja oft<br />
schneller, als einem lieb ist –, ist das<br />
kein Job mehr für den Praktikanten<br />
aus der PR.<br />
Lobo: Genau.<br />
Wittig: Dazu kommt, dass man nicht<br />
bei Social Media und <strong>Cloud</strong> Computing,<br />
den beiden entgegensetzten<br />
Enden der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong>, stehen<br />
bleiben darf. Auch die internen und<br />
externen Arbeitsprozesse in Unternehmen<br />
verändern sich. Studenten,<br />
die heute gemeinsam zwischen Chat,<br />
Facebook-Gruppe und <strong>Cloud</strong>-Anwendung<br />
eine Arbeit für die Uni schreiben,<br />
haben morgen wenig Lust, nach<br />
ihrem Studium im Unternehmen<br />
nochmal mit Faxgeräten und anderen<br />
Technologien von gestern zu arbeiten.<br />
Das gilt besonders für die größten Talente,<br />
die sich eh aussuchen können,<br />
wo sie später tätig sein wollen.<br />
Lobo: Das wollte ich vorhin sagen, als<br />
ich von meiner Arbeit als Autor ge-<br />
„Daten sind in Echtzeit exakt dann<br />
vorhanden, wenn man sie braucht,<br />
und müssen nicht angefordert,<br />
neu berechnet oder überhaupt erst<br />
generiert werden“<br />
sprochen habe. Ich habe gelernt, dass<br />
die richtige Technologie – wir haben<br />
mit Google Docs gearbeitet, einer Art<br />
Online-Word – bestimmte Formen<br />
der Zusammenarbeit erst ermöglicht.<br />
Bis dahin dachte ich, Texte könnte<br />
man nur allein schreiben. Stimmt<br />
gar nicht! Zusammen schreiben sich<br />
Texte ganz hervorragend. Sofern die<br />
Plattform stimmt und die Teilnehmer<br />
wissen, was sie tun.<br />
Wittig: Wissen, was man tut, ist eigentlich<br />
nie verkehrt … Nicht nur die<br />
direkte Zusammenarbeit wie bei deinem<br />
Buch verändert sich dramatisch<br />
durch die Technologien der <strong>Cloud</strong><br />
<strong>Economy</strong>. Besonders in Verbindung<br />
mit dem mobilen Internet in Echtzeit<br />
sehe ich großes Potenzial. Ich sehe da<br />
Parallelen zu einem Management-<br />
Schlagwort, das Ende der 70er,<br />
Anfang der 80er Jahre weltweit die<br />
Unternehmen bewegt hat: Just-in-<br />
Time-Produktion, also Fertigstellung<br />
oder Lieferung exakt zum sinnvollsten<br />
Zeitpunkt. Von der Dimension<br />
und der Wirkung her gilt das auch<br />
für die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> – nur geht<br />
es diesmal um Daten. Daten sind<br />
in Echtzeit exakt dann vorhanden,<br />
wenn man sie braucht, und müssen<br />
nicht angefordert, neu berechnet oder<br />
überhaupt erst generiert werden.<br />
Lobo: Daten ist das Stichwort, das<br />
mir gerade ebenfalls in den Sinn kam,<br />
und zwar die einfache Verfügbarkeit<br />
von Daten, was die Sicherheit und ihre<br />
Verwendung angeht. Ich werfe mal<br />
den Namen Wikileaks in den Raum.<br />
Wittig: Da sprichst du natürlich die<br />
Kehrseite der Medaille an: Mehr oder<br />
weniger alle Betriebsgeheimnisse eines<br />
beliebigen Unternehmens passen<br />
heute auf einen USB-Stick für 4,99<br />
Euro. Das bedeutet auch, dass diese<br />
Daten extrem schnell übers Netz<br />
verteilt werden können. Dann ist die<br />
schnelle Verfügbarkeit und Übertragung<br />
der Daten nicht ausschließlich<br />
mit Vorteilen verbunden. An dieser<br />
Stelle hat <strong>Cloud</strong> Computing aber auch<br />
einen Sicherheitsvorteil: Wenn die<br />
Daten zentral auf einem Server liegen,<br />
können die Zugriffe besser kontrolliert<br />
werden.<br />
Lobo: Was meine persönlichen<br />
Daten angeht, bin ich übrigens fast<br />
altmodisch. Mein Mantra, das ich<br />
auch anderen immer empfehle, ist:<br />
Veröffentliche nichts im Netz, das im<br />
Zweifel nicht auch auf der Titelseite<br />
einer Zeitung stehen könnte.<br />
Wittig: Liest du tatsächlich noch<br />
Zeitung?<br />
Lobo: Jeden Tag. Und nicht nur<br />
eine – Dutzende! Bloß eben nicht auf<br />
Papier, sondern im Netz.<br />
Wittig: Ich finde, das ist ein schönes<br />
Bild für den digitalen Wandel zum<br />
Abschluss: Die alten Werte sind in<br />
der neuen Welt nicht überflüssig. Aber<br />
die Strukturen verändern sich.<br />
32 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 33<br />
Martin Wittig<br />
STRATEGY
INDUSTRY REPORT<br />
Über den Wolken …<br />
ist die Freiheit<br />
nicht grenzenlos<br />
Es gibt einige sehr geschäftstüchtige Internetunternehmen in<br />
China, aber nur wenige Innovationen. Im Gegenzug haben es<br />
einige westliche Firmen geschafft, in China Fuß zu fassen<br />
Von Steven Lin, Peking<br />
34 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL<br />
INDUSTRY REPORT<br />
Exotisch, zumindest ein bisschen. Die Börsenstorys<br />
chinesischer Internet-Unternehmen gleichen denen<br />
ihrer westlichen Vorbilder.
RUBRIK HIER<br />
FRÜHER ARBEITETEN WIR in der Firma<br />
mit den <strong>Cloud</strong>-Computing-Angeboten<br />
des Suchmaschinenkonzerns Google, den<br />
„Google Apps“: Gmail für alle, E-Mail-Konten<br />
bis ans Lebensende, Google Docs für die<br />
Bearbeitung von Texten und Tabellen im<br />
Team und in Echtzeit, Google Kalender für<br />
die Termine des gesamten Unternehmens.<br />
Wunderbare Zeiten: Ich war für lange, lange Zeit befreit von<br />
der Routine, unterschiedliche Dateiversionen meiner Dokumente<br />
unterscheiden zu müssen. In meinem Leben davor<br />
gab es die „finale Version“, die „endgültig finale Version“, die<br />
„vom Chef freigegebene finale Version“ und die Version „freigegeben<br />
von Chef und Rechtsabteilung“. Aus und vorbei. Die<br />
„state-of-the-art“ lag in der Google-<strong>Cloud</strong>.<br />
Seit dem 2. März 2011 aber liefen die Google Apps in<br />
China unzuverlässig. Verbindungen zu den Google-Servern<br />
wurden immer wieder unterbrochen. Ein chinesischer<br />
Blogger namens William Long untersuchte die Situation<br />
genauer: Wenn er die Google-Services über die Server in<br />
Hong Kong nutzte, funktionierte alles reibungslos. Die Verbindung<br />
über Shanghai dagegen zeigte Auffälligkeiten: Auf<br />
15 Minuten ohne Probleme folgten 15 Minuten Blackout. Als<br />
Konsequenz wechselte unser Unternehmen Ende März 2011<br />
zum chinesischen E-Mail-Provider 163.com.<br />
Man kann von dieser Politik halten, was man will – fest<br />
steht: Sie begünstigt große chinesische Internet-Firmen.<br />
Gemäß Webseite von 163.com kostet der E-Mail-Service<br />
für Unternehmen bis 500 Mitarbeiter pro Jahr 7.668 Euro.<br />
Jedem Mitarbeiter stehen drei Gigabyte Speicherplatz zur<br />
Verfügung. Anders gerechnet: Unternehmen zahlen für<br />
jeden Nutzer und jedes Gigabyte mindestens 5 Euro pro<br />
Jahr. Zum Vergleich: Das E-Mail-System von Google kostet<br />
Unternehmenskunden pro User und Gigabyte lediglich<br />
1,30 Euro. Nicht berücksichtigt ist dabei, dass Google über<br />
die elegantere Benutzeroberfläche, einen integrierten Instant<br />
Messenger, Push-E-Mails und die gesamte Palette an<br />
Google Apps verfügt.<br />
Dieses Beispiel ist symptomatisch. Die führenden Internet-<br />
Unternehmen in China verdienen mit schlechterer Infrastruktur,<br />
niedrigerer Servicequalität und geringeren Investitionen<br />
deutlich mehr Geld als ihre internationalen Wettbewerber. Im<br />
E-Mail-System von 163.com können Mails nicht einmal nach<br />
Themengruppen sortiert werden. Es gleicht dem Hotmail-<br />
System der 1990er Jahre. Die Kehrseite dieser Politik ist: Sie<br />
behindert Innovationen. Zwar werden in diesem Sommer<br />
zahlreiche chinesische Internet-Unternehmen an die NAS-<br />
DAQ gehen. Die Börsenstorys von Youku.com (Chinas You-<br />
Tube) und Renren.com (Chinas Facebook) sind aber nur ein<br />
kaum vernehmbares Echo der globalen <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong>.<br />
Das E-Mail-System von<br />
163.com gleicht dem Hotmail-<br />
System der 1990er Jahre<br />
Eine Erfolgsstory dagegen ist Xunlei, eine sehr verbreitete<br />
Peer-to-Peer-Software in China. Ganz egal, welches Internetprotokoll<br />
für das Herunterladen von Daten genutzt wird<br />
– http, BitTorrent, ED2K (eDonkey) –, Xunlei beschleunigt<br />
den Datentransfer, indem es freie Übertragungsressourcen<br />
aller an das Netzwerk angeschlossenen Computer bündelt.<br />
Nach westlichem Verständnis ist Xunlei „böse“. Über dieses<br />
System werden hochauflösende Raubkopien von Filmen,<br />
Fernsehserien und Musik verteilt. Die Leitungen der Internetprovider<br />
ächzen unter der enormen Datenlast. Und die<br />
Nutzer werden permanent mit blinkenden Werbebildchen<br />
überall auf dem Bildschirm belästigt. Aber es ist populär.<br />
Und seit Xunlei einen <strong>Cloud</strong>-Service, Xunlei Offline Download,<br />
vorstellte, sind die Nutzer sogar ganz wild darauf, für<br />
eine Premium-Mitgliedschaft zu bezahlen. Für 1 Euro Monatsgebühr<br />
kann jeder Download über einen Xunlei-Server<br />
Schneller Datentransfer.<br />
Der Peer-to-Peer-Service<br />
von Xunlei ist eine<br />
chinesische Erfolgsstory<br />
– und nach westlichem<br />
Verständnis „böse“.<br />
INDUSTRY REPORT<br />
durchgeführt und die Daten können dort auch<br />
gespeichert werden. Der Speicherplatz pro<br />
Nutzer beträgt 1.048.576 Gigabyte, was sich<br />
nach deutlich mehr anhört als „unbegrenzt“.<br />
Der Trick hinter diesem „Service“: Alle Daten,<br />
die die Nutzer einmal haben herunterladen<br />
lassen, bleiben für künftige Anfragen auch<br />
anderer Nutzer gespeichert. Die Anwälte von<br />
Xunlei haben ungezählte Stunden darauf verwendet,<br />
den Service legal erscheinen zu lassen.<br />
Dennoch agiert das Unternehmen nach Meinung<br />
westlicher Unternehmen wohl in einem<br />
Graubereich. Xunlei – gewiss eine chinesische<br />
Internet-Erfolgsstory. Aber zu welchem Preis?<br />
Zwei nicht-chinesische Unternehmen<br />
haben es dagegen geschafft, still und leise<br />
<strong>Cloud</strong>-Dienste in China zu etablieren: Sales-<br />
Force.com und Amazon Web Services, beide<br />
2010 unter den Top 10 der <strong>Cloud</strong>-Computing-Services,<br />
wie der auf weltweite Technologietrends<br />
spezialisierte Blog ReadWriteWeb<br />
ermittelt hat. Viele chinesische Unternehmen<br />
verkaufen heute chinesische Produkte direkt<br />
an Kunden auf der ganzen Welt. Um die dafür notwendige,<br />
komplexe, weltumspannende Lieferkette reibungslos funktionieren<br />
zu lassen, liegt es nahe, <strong>Cloud</strong>-Services wie die von<br />
SalesForce.com und Amazon Web Services als unsichtbare<br />
Kettenglieder zu nutzen. Warum können diese Anbieter<br />
ohne Beeinträchtigung durch staatliche Überwachungssysteme<br />
existieren? Sie stehen der Masse der chinesischen<br />
Bevölkerung nicht offen, sondern richten sich lediglich an<br />
Unternehmen, zufälligerweise auch in China – und fallen<br />
dadurch nicht auf.<br />
Die chinesische Sprache kennt für diese Strategie ein<br />
Sprichwort: „Men Sheng Fa Da Cai“ – wer ein Vermögen<br />
verdienen will, sollte im Verborgenen bleiben. Dieser Philosophie<br />
zu folgen, könnte auch für die Anbieter von <strong>Cloud</strong>-<br />
Services empfehlenswert sein, wenn sie im chinesischen<br />
Markt Fuß fassen wollen.<br />
36 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 37
INDUSTRY REPORT<br />
Wie das Überall-Netz<br />
das reale Leben verbessert<br />
Die Technik steht. Nun tüfteln junge Unternehmer in den USA, wie<br />
sie mit mobilem Internet und Smartphone das Leben ihrer Kunden<br />
bequemer machen und damit Geld verdienen können<br />
Von Viktoria Unterreiner, New York<br />
LUST AUF EINEN KOSTENLOSEN MUFFIN? Oder<br />
ein Stück Pizza zum halben Preis? Kein Problem<br />
für den, der sich gerade in New York befindet und<br />
ein Smartphone besitzt. Mit Hilfe der Webseite<br />
Tenka locken Restaurants und Cafés ihre Gäste<br />
durch günstige Angebote zum Besuch. Sie melden beispielsweise,<br />
dass sie 100 Cappuccinos verschenken. Interessenten<br />
müssen keinen Gutschein ausdrucken, sondern einfach nur<br />
Starbucks ist nur<br />
eine von vielen<br />
Möglichkeiten.<br />
Fast überall in<br />
New York gibt es<br />
frei zugängliches<br />
Internet.<br />
auf das Angebot klicken und im Laden das Telefon mit dem<br />
virtuellen Coupon vorzeigen. Wer einmal dort war, so die<br />
Geschäftslogik, kommt wieder und bringt idealerweise<br />
gleich noch jemanden mit. Außerdem sehen Facebook-<br />
Freunde im Internet, dass man den Tenka-Deal eingelöst<br />
hat, und wie viele dieser Gutscheine noch übrig sind. Das<br />
verleitet sie möglicherweise dazu, ebenfalls in dem Café<br />
vorbeizuschauen. Denn bekanntlich ist die beste Werbung<br />
immer noch der Ratschlag eines Freundes – sogar dann,<br />
wenn man mit diesem nur über Facebook verbunden ist.<br />
Vor einigen Monaten wurde Tenka in New York gestartet.<br />
Der Service zeigt, dass Werbung im Internet weit mehr<br />
sein kann als die bisher üblichen Banner, die am Rande<br />
von Websites flimmern. Fast überall in der Stadt gibt es<br />
frei zugängliches Internet, sodass die Tenka-Angebote<br />
selbst im Park oder im Bus nur einen Klick entfernt sind.<br />
Potenzielle Kunden sind also permanent online, und über<br />
soziale Netzwerke bieten sich Firmen völlig neue Möglichkeiten,<br />
um diese User zu erreichen. Denn längst reicht es<br />
nicht mehr, sich in den sozialen Netzen einfach nur einen<br />
Auftritt zuzulegen. In den USA läuft laut einer Studie des<br />
US-Marktforschers comScore bereits ein Drittel der Onlinewerbung<br />
über Facebook. Die Werbeexperten von BIA/<br />
Kelsey schätzen, dass sich die Werbeausgaben in sozialen<br />
Netzwerken von derzeit rund zwei Milliarden Dollar bis<br />
2015 auf über 8 Milliarden Dollar (knapp 6 Milliarden<br />
Euro) vervierfachen dürften.<br />
Spürnasen suchen in New York<br />
Nach wie vor ist in den USA das Silicon Valley die erste Adresse<br />
für Neugründungen in der Internetszene. Dort sitzen nicht<br />
nur viele Start-ups, sondern weltweit führende Computer-<br />
und Internetfirmen wie Hewlett Packard und Google. Doch<br />
Investoren und Berater blicken heute mit ebenso großem Interesse<br />
auf die Szene in New York, die dabei ist, der Westküste<br />
den Rang abzulaufen. Das stellte Brad Feld bei einem Blick<br />
auf sein iPhone fest. Der Investor gehört zu den besten Spürnasen<br />
für spannende Start-ups. So ist er unter anderem an<br />
Zynga beteiligt, einem Unternehmen, das beliebte Facebookbasierte<br />
Spiele wie Farmville und Mafia Wars entwickelt hat,<br />
und damit nach Schätzungen des Wall Street Journal 2010<br />
einen Gewinn von 400 Millionen Dollar erzielte.<br />
Seit dem 1. Januar 2009 verfolgt der Investor mit Hilfe<br />
einer App, an welchen Orten er sich aufhält. 37-mal war er<br />
seither in New York, aber nur 30-mal in San Francisco. „In<br />
den vergangenen Jahren hat die Bedeutung New Yorks für<br />
die Internetszene stark zugenommen“, sagt Feld. Dort fanden<br />
einige der erfolgreichsten Neugründungen der vergangenen<br />
Jahre statt. Zu ihnen gehört Foursquare, bei dem die<br />
Nutzer ihren Standort per Klick dem Freundeskreis mitteilen.<br />
Aber auch Tumblr, die einfachere und kürzere Variante<br />
eines Blogs, hat hier seinen Sitz – und nicht in Kalifornien.<br />
Für die zunehmende Bedeutung New Yorks gibt es einen<br />
guten Grund. „Ein Start-up aufzubauen ist heute viel<br />
billiger als noch vor fünf oder gar zehn Jahren“, sagt Frank<br />
Rimalovski, der den Innovation Venture Fund der New York<br />
University verwaltet. Damals sei es vor allem darum gegangen,<br />
die Technik zu entwickeln. Die ist jetzt vorhanden und<br />
ermöglicht es Jungunternehmern, ihre Geschäftsidee zu<br />
vergleichsweise niedrigen Kosten umzusetzen. „Jetzt sind<br />
Start-ups gefragt, die den Nutzern durch ihre Idee das Leben<br />
leichter machen“, sagt Rimalovski. Für sie ist New York<br />
die perfekte Spielwiese. Nirgendwo sonst lässt sich besser<br />
testen, ob eine Idee funktioniert, denn in dieser Stadt leben<br />
Menschen aller Nationen und Religionen, Junge, Alte,<br />
Arme und Reiche auf engstem Raum zusammen.<br />
Vor einigen Jahren dachten Internetexperten fälschlicherweise,<br />
dass User sich im Internet eine zweite Lebenswelt<br />
aufbauen würden. Second Life war damals groß<br />
in Mode. Viele richteten sich mit Hilfe eines Avatars,<br />
den sie ganz nach ihren Wünschen gestalteten, eine zweite<br />
Identität ein. American Apparel eröffnete dort einen<br />
T-Shirt-Laden, Mercedes eine Niederlassung, und Coca Cola<br />
stellte Getränkeautomaten auf. Doch die Idee ist gefloppt.<br />
„In den vergangenen<br />
Jahren hat die<br />
Bedeutung New Yorks<br />
für die Internetszene<br />
stark zugenommen“<br />
Brad Feld, Investor<br />
INDUSTRY REPORT<br />
Die meisten Avatare irren nur mehr als Schattengestalten<br />
umher. Statt des Booms der zweiten Lebenswelt ist etwas<br />
anderes passiert. Die Menschen bewegen sich zwar im virtuellen<br />
Raum, aber sie nutzen ihn für ihr reales Leben.<br />
Dadurch ändert sich nicht nur Werbung, mit der wir hofiert<br />
werden. Auch die Zusammenarbeit für Unternehmen<br />
wird vereinfacht. So nutzt beispielsweise Gigwalk ganz gezielt<br />
die Hilfe von Leuten, die ein Smartphone besitzen und<br />
Lust haben, sich ohne großen Aufwand ein bisschen Geld<br />
dazuzuverdienen. Wer sich bei Gigwalk anmeldet, soll Fotos<br />
von dem Ort machen, an dem er sich gerade befindet. So<br />
kann ihn ein Restaurantkritiker auffordern, ein Foto von der<br />
Speisekarte eines Restaurants zu schießen. Oder er erhält<br />
den Auftrag, die Schreibweise eines Straßennamens zu überprüfen<br />
und per Foto mitzuteilen. Unternehmen bekommen<br />
dadurch ohne großen Aufwand Informationen, die sie sich<br />
andernfalls teuer anderswo hätten beschaffen müssen.<br />
Eines haben all diese neuen Start-ups gemeinsam: Die<br />
Nutzer profitieren von den enorm vereinfachten Informations-<br />
und Austauschmöglichkeiten. Und kommen so im<br />
„richtigen“ Leben schneller voran.<br />
38 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 39
INDUSTRY REPORT<br />
Marokkanern gefällt das<br />
Die kulturellen Unterschiede in Marokko sind riesig: Einerseits westlich<br />
geprägtes Leben in den Metropolen, andererseits Nomadenleben am Rande<br />
der Sahara. Doch auch die Bevölkerung in abgelegenen Gebieten hat Zugang<br />
zum Internet – dank Mobilfunk<br />
RUND 25 MILLIONEN HANDYS verteilen sich<br />
auf 32 Millionen Marokkaner – aber nur 3,5<br />
Millionen Festnetzanschlüsse gibt es im Land.<br />
Dennoch gehen 13 Millionen Marokkaner regelmäßig<br />
online: in Internetcafés, zunehmend<br />
aber auch über internetfähige Mobiltelefone. Einige marokkanische<br />
Unternehmen haben die Bedeutung von mobilem<br />
Internet für ihre Kundschaft erkannt und setzen vor<br />
allem soziale Medien strategisch ein. Einer der Vorreiter<br />
auf diesem Gebiet ist Méditel.<br />
Das in Casablanca ansässige Unternehmen baut sein<br />
3G-Netz auch außerhalb der Metropolen Casablanca,<br />
Rabat oder Fès und sogar mitten in der Wüste aus. Damit<br />
haben die Kunden in fast jeder marokkanischen Stadt guten<br />
Zugang zum Internet, ohne dass dafür ein aufwändiges<br />
Glasfasernetz nötig wäre. Technische Unterstützung erhält<br />
das nordafrikanische Unternehmen von dem chinesischen<br />
Telekommunikationsausrüster Huawei. Dabei kann Méditel<br />
auf die Erfahrungen in China und anderen asiatischen<br />
Staaten zurückgreifen, wo der leistungsfähige Zugang ins<br />
Internet fast ausschließlich über Funknetze erfolgt. Die<br />
nächste Generation mobiler Übertragungsstandards – und<br />
damit eine weitere Steigerung der Performance – steht<br />
ebenfalls auf der Agenda.<br />
Auch im Bereich Social Media ist Méditel seinen Konkurrenten<br />
weit voraus. Obwohl der Marktführer und Rivale<br />
Maroc Télécom rund 50 Prozent des Mobilfunkmarktes<br />
bedient, kann das Unternehmen lediglich 3.510 Facebook-<br />
Fans von der Präsenz des Unternehmens überzeugen.<br />
Méditel dagegen, mit rund 33 Prozent nur die Nummer<br />
zwei auf dem marokkanischen Mobilfunkmarkt, bringt es<br />
auf stolze 67.273 Facebook-Fans. Die Aktivitäten dienen<br />
aber nicht nur dazu, den Absatz zu fördern, sondern vor<br />
allem, um mit seinen Kunden zu kommunizieren, diese so<br />
noch besser zu verstehen und an sich zu binden. „Wie fängt<br />
euer Tag an?“ fragte der marokkanische Mobilfunkanbieter<br />
etwa am 10. Mai 2011 um 11:02 Uhr auf seiner Facebook-<br />
Seite: Wenige Minuten später kamen die ersten Antworten:<br />
Rahma aus Ouezzane: „Sehr gut!“; Hicham aus Casablanca:<br />
„Es gibt ja nichts Neues bei MEDITEL, alles ist normal<br />
und ruhig“; Samir aus Tanger: „Gut, zuuuuu viiiiel Arbeit,<br />
hab Geburtstag“; Antwort acht Minuten später: „Hallo<br />
Samir, Méditel wünscht dir alles Gute zum Geburtstag!“<br />
Mit gezielten Fragen lockt Méditel seine Fans aus der<br />
Reserve: Wie war euer Tag? Deine Prognose für die UEFA<br />
Champions League: Manchester United oder Schalke 04?<br />
Was für ein Handy hast du? Wer gewinnt beim Clásico –<br />
Barça oder Real Madrid? Ganz nebenbei werden die Fans<br />
von Méditel über neue Angebote und Aktionen des Mobilfunkunternehmens<br />
informiert. „Merci Méditel!“, so die<br />
Kundenantwort, für alle zum Mitlesen.<br />
Sorgsame Vorbereitung<br />
Seinen Auftritt auf der Social-Media-Plattform hat Méditel<br />
sorgsam vorbereitet. Im vergangenen Juni startete Méditel<br />
die Aktion „Facebook Zero“. Kunden können sich mit<br />
ihren Mobiltelefonen kostenfrei in das soziale Netzwerk<br />
einloggen. Dieser Service steht allen offen, egal ob sie einen<br />
Vertrag haben oder eine Prepaidkarte benutzen. So erfahren<br />
sie quasi in Echtzeit, welche neuen Aktionen Méditel<br />
„Hallo Samir, Méditel<br />
wünscht dir alles Gute<br />
zum Geburtstag!“<br />
plant. Der ständige Informationsfluss hält die Kunden bei<br />
der Stange und generiert neuen Umsatz. Denn sobald es<br />
verbilligte Gesprächsminuten oder Kurznachrichten im<br />
Angebot gibt, können die Kunden sofort zugreifen. Und<br />
das tun die Handynutzer in Marokko.<br />
Marketing und Kundenbindung sind nur eine Seite der<br />
Facebook-Aktivität von Méditel. Der Kampf um kluge<br />
Köpfe ist die andere. Immer wieder fordert Méditel seine<br />
Kunden auf, selbst kreativ zu werden. Das Beispiel der<br />
jüngsten Vergangenheit: ein Wettbewerb für Entwickler.<br />
Sie sollen originär marokkanischen Content für das<br />
Android-Betriebssystem von Google schaffen. Die Aktion<br />
endete am 12. Dezember 2010. Der Hauptgewinn ging an<br />
Mohamed el Idrissi für seine Applikation „Khadamat“.<br />
Khadamat – auf Deutsch ganz einfach „Auskunft“ – bringt<br />
INDUSTRY REPORT<br />
Online dank Mobilfunk. Beim Kampf um die klugen Köpfe setzt der<br />
marokkanische Anbieter Méditel auch auf soziale Netze.<br />
aktuelle Nachrichten, aber auch das Fernsehprogramm<br />
oder den Zugfahrplan auf das Smartphone. Damit ist die<br />
App genau auf die Bedürfnisse der marokkanischen User<br />
zugeschnitten, weil es ihren Alltag einfacher macht. Grund<br />
genug für die Jury, den Entwickler und Absolventen der<br />
Universität Fès nach San Francisco auf die I/O Developer<br />
Conference von Google zu schicken. Durch derartige Aktionen<br />
kann Méditel nicht nur sein junges Image festigen<br />
und ein Gemeinschaftsgefühl aufbauen, es kann vor allem<br />
wertvolle potenzielle Mitarbeiter an sich binden. Kreative<br />
Arbeitskräfte – seien sie nun festangestellt oder projektgebunden<br />
auf freiberuflicher oder gar freiwilliger Basis tätig<br />
– werden dadurch auf Méditel als Arbeitgeber aufmerksam.<br />
Die räumliche Entfernung spielt dank des Internets<br />
keine Rolle.<br />
Soziale Medien bieten eine Plattform, auf der sich nicht<br />
nur ein Unternehmen mit seinen Kunden austauschen<br />
kann, sondern auch die Kunden untereinander. Dadurch<br />
werden neue Beziehungen möglich, private und geschäftliche.<br />
Bisher bewegen sich meist junge Menschen auf diesem<br />
Terrain, weil soziale Medien bereits zu ihrer Lebenswirklichkeit<br />
gehören. Diese jungen Leute werden künftig die<br />
Regeln der Kommunikation und der Zusammenarbeit bestimmen<br />
– und wahrscheinlich Méditel treu bleiben.<br />
40 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 41
RUBRIK HIER<br />
Ideen an der Angel.<br />
Viele Nutzer haben<br />
Lösungen für<br />
bekannte Probleme<br />
parat – Unternehmen<br />
müssen diese nur<br />
noch einfangen.<br />
OB ES UNTERNEHMEN gefällt<br />
oder nicht: Kunden<br />
tauschen sich über Produkte<br />
und Services aus“,<br />
sagt Josh Bernoff, Experte<br />
der IT-Marktforschung<br />
Forrester und Co-Autor<br />
des Buchs „Groundswell“.<br />
Dort beschreibt er die manchmal ruhige, manchmal<br />
aber auch stürmische See von Meinungen und Kommentaren<br />
im Netz. Als richtige Konsequenz aus dieser<br />
Entwicklung rät Bernoff Unternehmen, diesen<br />
Austausch nicht zu ignorieren, sondern für sich zu<br />
nutzen. Denn wer sich beschwert, weiß häufig auch,<br />
was Firmen besser machen können. „Viele Menschen<br />
haben neue Lösungen im Kopf, wollen sich einbringen“,<br />
sagt Bernoff. Dabei gibt es natürlich eine Menge<br />
Ausschuss: „Man darf nicht erwarten, dass alle<br />
Ideen praxistauglich sind. Schließlich stammen viele<br />
Ideen von Menschen, die es nicht gewohnt sind, Produkte<br />
zu entwerfen“, meint Bernoff. Dennoch finden<br />
INDUSTRY REPORT<br />
Schwarm-Intelligenz<br />
Es brechen schwere Zeiten an für Marktforscher: Immer mehr Unternehmen<br />
greifen bei der Neuentwicklung von Produkten und Services die Ideen<br />
und Anregungen ihrer Kunden direkt ab und spannen auf der Suche nach<br />
Innovationen auch Hobbytüftler für sich ein<br />
sich unter den Vorschlägen immer wieder auch clevere<br />
Lösungen. Die klassische Marktforschung per<br />
Fokusgruppe könne im Vergleich dazu oft lediglich<br />
Probleme identifizieren, aber nur selten Lösungen<br />
bieten.<br />
Immer mehr Unternehmen schaffen daher eigene<br />
Kommunikationsplattformen, auf denen ihre<br />
Kunden Produktideen und Verbesserungsvorschläge<br />
platzieren können. Ideenwettbewerbe und<br />
Abstimmungen sorgen für zusätzlichen Reiz. Das<br />
Prinzip lässt sich auch innerhalb einer geschlossenen<br />
Einheit, etwa unternehmensintern, umsetzen.<br />
Nötig ist allein die passende Infrastruktur, angelehnt<br />
an oder adaptiert von den sozialen Netzen.<br />
Marktforscher Bernoff, eigentlich ein Vertreter<br />
der „alten Garde“, ist überzeugt, dass das Prinzip<br />
„groundswell“ funktioniert. Unternehmen, die sich<br />
dieser Entwicklung verschließen, hätten im Wettbewerb<br />
bald das Nachsehen: „Diese Unternehmen<br />
werden sich nicht schnell genug an Kundenwünsche<br />
anpassen können.“<br />
42 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 43
Innocentive<br />
Forschergemeinde<br />
US-Pharmahersteller Eli Lilly<br />
startete Ende der 90er Jahre eine<br />
Plattform im Netz, die das Wissen<br />
der Masse nutzbar machen sollte:<br />
„Innocentive“. Mit Erfolg: Heute<br />
unterstützt Innocentive Unternehmen<br />
und Organisationen aus aller<br />
Welt dabei, Probleme aus Forschung<br />
und Entwicklung als konkretes<br />
Rätsel zu formulieren. Auf<br />
Wissenschaftsportalen wie Nature.<br />
com oder Academia.edu schreibt<br />
Innocentive diese sogenannten<br />
„challenges“ aus. Die Community<br />
hat 225.000 Mitglieder aus 200<br />
Ländern. Die Auftraggeber der<br />
challenges bleiben in der Regel<br />
anonym. Innocentive sorgt für<br />
eine netzgerechte Aufbereitung der<br />
Aufgaben: „Man muss sehr präzise,<br />
klare Fragen stellen, um gute<br />
Antworten zu erhalten“, sagt David<br />
Ritter, Chief Technology Officer<br />
von Innocentive. Die Vorschläge<br />
werden von Experten geprüft,<br />
der beste Vorschlag mit Preisgeldern<br />
von bis zu 1 Million Dollar<br />
prämiert. Nicht immer gewinnen<br />
dabei Forscher vom Fach: Ein<br />
pensionierter Mobilfunkingenieur<br />
lieferte der US-Raumfahrtbehörde<br />
NASA ein neues Modell zur Vorhersage<br />
des Sonnenwindes. Fast<br />
1.200 Probleme hat Innocentive<br />
ausgeschrieben, die Hälfte davon<br />
wurde gelöst. Seit 2008 können<br />
Unternehmen die Technik auch<br />
intern einsetzen. Dann dürfen nur<br />
Mitarbeiter teilnehmen: „Innocentive@work“<br />
heißt diese Variante.<br />
www.innocentive.com<br />
Phylo<br />
Spieltrieb<br />
Auf den ersten Blick ist Phylo<br />
nur ein Online-Spiel auf einer<br />
Webseite der McGill University<br />
in Montreal, Kanada: Der Spieler<br />
muss Reihen aus vier farbigen<br />
Quadraten so anordnen, dass sie<br />
möglichst deckungsgleich sind.<br />
Beim Lösen dieser Puzzles arbeiten<br />
die Internetnutzer indes an einer<br />
weitaus größeren Aufgabe mit.<br />
Denn Phylo, seit November 2010<br />
in Betrieb, unterstützt die McGill-<br />
Genetiker dabei, die Sequenzen der<br />
Erbsubstanz DNA zu erforschen.<br />
Die bunten Klötzchenreihen, die<br />
der Internetspieler zuordnet, entsprechen<br />
DNA-Abschnitten. Die<br />
Wissenschaftler sind auf der Suche<br />
nach Gensequenzen, die sich bei<br />
verschiedenen Spezies ähneln.<br />
Solche Abschnitte, vermuten die<br />
Forscher, haben eine wichtige<br />
Funktion, und wenn sie mutieren,<br />
kommt es zu Stoffwechselerkrankungen<br />
oder Krebs. Natürlich<br />
könnten die McGill-Forscher die<br />
Gensequenzen auch mit dem<br />
Computer vergleichen. Das aber<br />
dauert wesentlich länger – Menschen<br />
kommen intuitiv schneller<br />
zu einem Ergebnis. Inzwischen<br />
werden 500 bis 1.000 Puzzles pro<br />
Tag gespielt, mehr als 200.000<br />
Fundstellen haben die Wissenschaftler<br />
schon gesammelt. Assistant<br />
Professor Jerome Waldispuhl<br />
wird die besten Puzzler belohnen:<br />
In den Veröffentlichungen der<br />
Ergebnisse wollen die Forscher sie<br />
namentlich erwähnen.<br />
phylo.cs.mcgill.ca<br />
BMW Co-Creation<br />
Fan-Design<br />
Der Münchener Automobilhersteller<br />
BMW spannt seine Kunden<br />
schon seit 2004 regelmäßig für<br />
Online-Ideenwettbewerbe ein.<br />
2010 bat der Konzern um Vorschläge<br />
zum Thema „Mobilität von<br />
morgen“. 550 Teilnehmer diskutierten<br />
mehr als 300 Ideen miteinander,<br />
darunter neue Ansätze für<br />
Elektroautos, Parkmöglichkeiten<br />
und Kommunikation. Auf der so<br />
entstandenen, virtuellen Plattform<br />
„Co-Creation Lab“ will BMW<br />
nun dauerhaft Autointeressierte<br />
versammeln, die dort ihre Ideen<br />
vorstellen sollen. Ein Team aus<br />
den entsprechenden Fachabteilungen<br />
des Autoherstellers arbeitet<br />
mit den ambitionierten Tüftlern<br />
zusammen. Ende vergangenen<br />
Jahres lief auf dem Co-Creation<br />
Lab ein Ideenwettbewerb zum<br />
Thema „Individualisierung im<br />
Fahrzeuginterieur“. Eine Jury<br />
aus Designexperten und Fahrzeugingenieuren<br />
bewertete die<br />
Vorschläge. Die besten Teilnehmer<br />
gewannen ein Treffen mit den<br />
BMW-Entwicklern. Vor allem aber<br />
verspricht BMW, die Ideen aus<br />
dem Co-Creation Lab in der eigenen<br />
Forschungsarbeit ernsthaft<br />
weiterzuverfolgen. Was die Hobbydesigner<br />
tun, ist also viel mehr als<br />
Spielerei. Es geht darum, die Autos<br />
von morgen zu entwickeln.<br />
www.bmwgroup-cocreationlab.com<br />
Dell Ideastorm<br />
Vorschlagswesen<br />
US-Computerhersteller Dell hat<br />
in Sachen „groundswell“ einen<br />
schmerzhaften Lernprozess<br />
hinter sich. 2005 war in der<br />
amerikanischen Blogosphäre ein<br />
Sturm der Entrüstung über Dell<br />
hereingebrochen, nachdem sich<br />
der Blogger Jeff Jarvis lautstark<br />
über den schlechten Kundendienst<br />
der Firma beschwert hatte. Das<br />
Schlagwort „Dell Hell“ machte die<br />
Runde. Zwei Jahre später begann<br />
Dell, den „groundswell“ zu nutzen,<br />
und richtete ein offenes Forum<br />
ein, auf dem Kunden, Mitarbeiter<br />
oder andere Interessierte jede<br />
Art von Verbesserungsvorschlag<br />
für Dell-Produkte einstellen und<br />
diskutieren konnten. Einzige<br />
Voraussetzung: Man musste<br />
sich kostenfrei registrieren. Dell<br />
moderiert die Diskussionen nur<br />
wenig. Die Teilnehmer selbst<br />
stimmen über Vorschläge ab. Die<br />
Topvorschläge wertet Dell aus und<br />
zeigt, welche Ideen „reviewed“<br />
sind, welche bereits bearbeitet<br />
werden („in progress“) oder schon<br />
umgesetzt wurden („implemented“).<br />
Die beliebtesten Vorschläge<br />
stehen gleich auf der Startseite. In<br />
den ersten drei Jahren hat Dell mit<br />
Ideastorm 10.000 Ideen gesammelt<br />
und nach eigenen Angaben<br />
knapp 400 davon umgesetzt.<br />
www.ideastorm.com<br />
MyStarbucksIdea<br />
Kaffee-Netzwerk<br />
Die Kaffeehauskette Starbucks<br />
startete ihre Ideation-Plattform<br />
2008: Auf MyStarbucksIdea<br />
können Kunden – ähnlich wie<br />
bei Dells „Ideastorm“ – Ideen<br />
und Verbesserungsvorschläge zu<br />
Starbucks-Produkten einreichen<br />
und bewerten. Hier werden keine<br />
konkreten Fragen oder Aufgaben<br />
gestellt – man sammelt jeden<br />
Verbesserungsvorschlag, den man<br />
bekommen kann. In dem Forum,<br />
das wie ein soziales Netzwerk<br />
aufgebaut ist, diskutieren Kunden<br />
zum Beispiel die Frage, ob ein<br />
Studentenrabatt von zehn Prozent<br />
sinnvoll ist oder eine Mitgliedskarte,<br />
auf der Kunden ihre Lieblingskaffee-Variante<br />
eintragen.<br />
Der Kunde, so die Idee, hält dem<br />
Starbucks-Mitarbeiter dann nur<br />
noch die Karte hin und sagt: „Das<br />
Übliche, bitte.“ 40 „Starbucks Idea<br />
Partners“ aus den verschiedensten<br />
Bereichen des Unternehmens<br />
fungieren als Moderatoren und<br />
Ansprechpartner. Einige Hundert<br />
der eingereichten Vorschläge hat<br />
Starbucks Beobachtern zufolge<br />
bereits umgesetzt. Für die Kaffeehauskette<br />
ist das Ideation-<br />
Projekt zudem ein Instrument der<br />
Selbstvergewisserung. Manche<br />
Neuerungen haben zwar Kunden<br />
vorgeschlagen, sie waren aber auch<br />
schon zuvor in der Pipeline der<br />
Entwicklungsabteilung.<br />
mystarbucksidea.force.com<br />
INDUSTRY REPORT<br />
Salesforce IdeaExchange<br />
Aktive Nutzercommunity<br />
Das Softwareunternehmen Salesforce<br />
aus San Francisco liefert<br />
webbasierte Programme zur Pflege<br />
von Kundendaten. Zwar sind die<br />
Käufer solcher Softwaresysteme<br />
im Business-to-Business-Bereich<br />
zu finden, mit mehr als 92.000<br />
Kunden weltweit erreicht die<br />
Salesforce-Community aber<br />
durchaus die kritische Masse<br />
für ein Crowdsourcing-Projekt.<br />
Schon seit Oktober 2006 betreibt<br />
Salesforce die Plattform<br />
„IdeaExchange“: Hier können die<br />
Anwender die Funktionen neuer<br />
Versionen diskutieren und Verbesserungsvorschläge<br />
machen. Wie<br />
bei anderen Ideation-Plattformen<br />
auch bewerten andere Teilnehmer<br />
die Ideen, was automatisch zu<br />
Ranglisten führt. Innerhalb der<br />
ersten sechs Monate zählte Idea-<br />
Exchange nach Salesforce-Angaben<br />
mehr als 2.500 Ideen, 42.000<br />
Ratings und 3.700 Kommentare.<br />
Schon in der Salesforce-Version im<br />
Frühjahr 2007 wurden etliche der<br />
Anregungen umgesetzt. Im sogenannten<br />
Apex Developer Network<br />
(ADN) tauschen sich Salesforce-<br />
Entwickler direkt mit der Community<br />
aus und erfragen, wo die<br />
Anwender den größten Bedarf an<br />
neuen Funktionen sehen.<br />
success.salesforce.com/ideaHome<br />
44 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 45
RUBRIK HIER<br />
Durchschnittliche Kundenbewertung<br />
Durchschnittliche Kundenbewertung<br />
Durchschnittliche Kundenbewertung<br />
Durchschnittliche Kundenbewertung<br />
Durchschnittliche Kundenbewertung<br />
Kaufsignale<br />
Manche Unternehmen wissen bereits heute, welche Produkte morgen<br />
gekauft werden – noch bevor es viele ihrer zahlreichen Käufer wissen.<br />
Hinweise auf künftige Entscheidungen schlummern im sozialen Netz<br />
BISLANG NUTZEN Hersteller und<br />
Händler vor allem historische<br />
Daten zur Nachfrage- und Logistikplanung:<br />
Sie analysieren,<br />
was Kunden gekauft haben,<br />
schätzen daraus die Nachfrage<br />
nach ihren Produkten und<br />
planen Frachtkapazitäten. Eine<br />
Methode mit Schwächen, erzeugt doch der Blick<br />
in die Vergangenheit bestenfalls ein unscharfes<br />
Bild der Zukunft. Jeden Tag aber laufen über soziale<br />
Netze Millionen Nachfragesignale. Kunden<br />
tauschen sich über Camcorder oder Fernseher aus,<br />
schreiben in ihren Blogs über Computerspiele und<br />
Filme, twittern über einen neuen Schokoriegel,<br />
den sie im Supermarktregal entdeckt haben. Kein<br />
Wunder, dass diese Daten bereits Begehrlichkeiten<br />
geweckt haben: „In den nächsten fünf Jahren<br />
werden die Unternehmen einen deutlichen<br />
Wettbewerbsvorteil erlangen, die es schaffen,<br />
diese Signale zu nutzen“, prophezeit Steve Keifer,<br />
Experte des E-Commerce-Beraters GXS mit Sitz<br />
in Gaithersburg, Maryland, USA. Sein Unternehmen<br />
ist darauf spezialisiert, die unterschiedlichen<br />
Daten zu systematisieren, auf ihre Nutzbarkeit<br />
INDUSTRY REPORT<br />
entlang der gesamten Lieferkette zu prüfen und<br />
so Optimierungspotenziale aufzuspüren.<br />
Ein Beispiel ist die bereits seit Jahren gängige<br />
Auswertung von Vorbestellungen und Interessenlisten<br />
großer Onlinehändler wie Amazon oder<br />
Barnesandnoble.com. Auch große Handelsketten<br />
speisen Verkaufszahlen für jedes gewünschte Produkt<br />
im Sekundentakt in Datenbanken ein. Diese<br />
POS-Informationen werden für vergleichbare Situationen<br />
hochgerechnet: Das nächste Wochenende<br />
etwa, Weihnachten oder Thanksgiving. Hersteller<br />
wie Procter & Gamble, Kraft Foods oder Kimberly<br />
Clark fahren ihre Produktion entsprechend herauf<br />
oder herunter und buchen bei ihren Logistikern<br />
die passenden Frachtkapazitäten. Das Problem:<br />
Die Daten sind ungenau, denn sie speisen sich aus<br />
den Erfahrungen der Vergangenheit. Zugleich,<br />
das zeigen zahlreiche Studien, ist die Transparenz<br />
und Flexibilität der Lieferkette einer der entscheidenden<br />
Erfolgsfaktoren, um auf die Launen der<br />
Kunden möglichst schnell reagieren zu können –<br />
bevor der kaufwillige Konsument es sich doch noch<br />
anders überlegt.<br />
Einige konkrete Anhaltspunkte verstecken<br />
sich in der Analyse der Kundenbewegungen auf<br />
THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 47
INDUSTRY REPORT<br />
Ortsbezogen<br />
Local Based Services<br />
Auch am „Point of Sale“ selbst, im Laden<br />
also, lassen sich die Eigenschaften<br />
der sozialen Netze nutzen. Denn schon<br />
längst haben Spezialisten für mobiles<br />
Marketing diverse „Local-based Services“<br />
entwickelt. Sie nutzen den Umstand,<br />
dass Mobiltelefone mit Hilfe von<br />
GPS-Modulen und Mobilfunkortung<br />
permanent aufzeichnen, wo sie – und<br />
damit ihre Besitzer – sich befinden. Das<br />
Smartphone könnte maßgeschneiderte<br />
Werbebotschaften und gezielte Angebote<br />
anzeigen, sobald sich der Nutzer<br />
in Reichweite des betreffenden Ladens<br />
befindet. Und damit auch ein Stück weit<br />
die Nachfrage beeinflussen. Voraussetzung<br />
ist allerdings, dass der Anwender<br />
der Übermittlung, Auswertung und<br />
Nutzung dieser Daten aktiv zugestimmt<br />
hat – andernfalls wäre eine Verwendung<br />
datenschutzrechtlich bedenklich.<br />
Das US-Startup Hunch ist genau in<br />
diesem Bereich der individualisierten<br />
Werbung tätig. Bisher eröffnet die<br />
IT-Firma aus New York City lediglich<br />
die Möglichkeit, das Internet selbst<br />
nach den Bedürfnissen von Kunden<br />
zu personalisieren. Hunch nutzt dazu<br />
Algorithmen, die vorausberechnen,<br />
welchen Konsumwunsch ein Kunde in<br />
einer bestimmten Situation haben wird.<br />
Der nächste Schritt ist es, diese Technik<br />
mit Location-based Services zu verknüpfen.<br />
„Du läufst eine Straße entlang,<br />
und Hunch weiß, dass ein Geschäft in<br />
der Nähe zu deinem Geschmack passt“,<br />
so beschreibt es Hunch-Gründer Chris<br />
Dixon. Und das nicht nur auf der Straße:<br />
Amerikanische Handelsketten wie<br />
Macy‘s haben ihre Filialen bereits mit<br />
einer Ortungstechnik ausgestattet, die<br />
es ihnen erlaubt, Kunden bis auf wenige<br />
Zentimeter zu orten – auch innerhalb<br />
des Geschäfts. Das macht Smartphone-<br />
Werbung möglich, die genau auf die<br />
Person zugeschnitten ist, die da gerade<br />
vor einem bestimmten Kaufhausregal<br />
steht – wenn diese Person das will. Die<br />
Wahrscheinlichkeit, dass dieser Nutzer<br />
dann auch tatsächlich zum beworbenen<br />
Produkt greift, ist nach Meinung von<br />
Dixon hoch.<br />
Internetfähige Handys sind noch aus<br />
einem zweiten Grund für die Nachfrageplanung<br />
interessant: Denn ihre<br />
Besitzer senden über Facebook- oder<br />
Twitter-Apps häufig auch von unterwegs<br />
Nachrichten in die sozialen Netze.<br />
Und zwar solche, die oft damit zu tun<br />
haben, wo sie sich gerade befinden. Die<br />
niederländische Fluggesellschaft KLM<br />
hat kürzlich gemeinsam mit Foursquare,<br />
einer Plattform, die Location-based-<br />
Services anbietet, eine Aktion gestartet,<br />
die zeigt, was die Kombination aus<br />
Smartphone, Ortung und Internet kann.<br />
KLM ermutigte seine Kunden, sich<br />
mit dem Smartphone bei Foursquare<br />
„einzuloggen“, während sie auf ihr<br />
Flugzeug warteten. Foursquare<br />
meldete ihren Standort dann an den<br />
KLM-Server. Wer seinen Followern<br />
bei Twitter zusätzlich mit der Kennung<br />
„#klm“ signalisierte, dass er gleich mit<br />
einem Flugzeug der Niederländer<br />
unterwegs sein würde, erhielt ein<br />
personalisiertes Geschenk von der<br />
Airline. Personalisiert, weil KLM auch<br />
die Social-Media-Profile der eingeloggten<br />
Smartphone-Nutzer erfasst hatte.<br />
Ein Passagier flog nach Mexiko, um<br />
beim Bau von Obdachlosenheimen zu<br />
helfen. Er erhielt ein Carepaket – mit<br />
Traubenzucker und einer Salbe gegen<br />
Muskelschmerzen. Ein anderer Fluggast,<br />
der auf dem Weg zu einer Social-<br />
Media-Konferenz war, bekam<br />
Kinokarten für „The Social Network“,<br />
den mit mehreren Oscars ausgezeichneten<br />
Film von Regisseur David<br />
Fincher über Facebook-Gründer Mark<br />
Zuckerberg. Spielerei? Mehr als das:<br />
Die Beispiele zeigen, was die Kombination<br />
der Daten aus einem virtuellen<br />
Freundschaftsnetzwerk und der Smartphone-Ortung<br />
alles möglich macht:<br />
Unerwartetes. Und das zählt.<br />
den Plattformen, die beispielsweise in<br />
Vorschlagslisten von Amazon Gestalt<br />
annehmen. Dabei werden bisherige<br />
Einkäufe oder bereits vorhandene Musikstücke<br />
analysiert, mit den Profilen<br />
anderer Kunden oder Nutzer abgeglichen<br />
und aus diesen Informationen<br />
passende weitere Produkte empfohlen<br />
– auch in der Hoffnung, so mehr<br />
Nachfrage zu generieren und den „Mitnahmeeffekt“,<br />
bekannt von den Kassenangeboten<br />
im stationären Handel, in<br />
der E-Commerce-Welt zu erschließen.<br />
Das funktioniert bis zu einem gewissen<br />
Punkt, dennoch: Präzise lässt sich die<br />
Nachfrage so immer noch nicht planen.<br />
Aussagekräftige Nachfragesignale<br />
Die Lösung für dieses Dilemma könnte<br />
in den virtuellen Netzen mit ihren Millionen<br />
von Nachfragesignalen liegen.<br />
Eine erste Ahnung, welche Informationsschätze<br />
im Netz brachliegen, gibt der<br />
„Insights for Search“-Dienst des Suchmaschinenbetreibers<br />
Google. Er liefert<br />
zu jedem beliebigen Suchbegriff genaue<br />
Statistiken: Wie oft wird das Wort gegoogelt?<br />
In welchen Ländern und Regionen?<br />
Damit lässt sich etwa zeigen, dass<br />
die Suchhäufigkeit bei Filmen, die später<br />
tatsächlich einen Oscar gewannen,<br />
in den Monaten zuvor stets signifikant<br />
höher war als die nach letztendlich erfolglosen<br />
Streifen. „Insights for Search<br />
könnte man auch für die Kapazitätsplanung<br />
nutzen“, erklärt Yossi Matias,<br />
Leiter der Google Labs im israelischen<br />
Tel Aviv. Ein Elektronikhändler könnte<br />
zum Beispiel aus der Zahl und Dichte<br />
der Suchanfragen nach einem neuen<br />
Tablet-PC ableiten, wie viele Geräte er<br />
zum Marktstart in bestimmten Filialen<br />
oder Regionen vorhalten muss.<br />
Ein anderes Beispiel: Die Marketingkampagnen<br />
des fränkischen<br />
Sportartikelherstellers Adidas finden<br />
mittlerweile überwiegend online und<br />
in sozialen Netzwerken statt. Als der<br />
Sportartikelhersteller Mitte März 2011<br />
seine neue Kampagne „They are all in“<br />
lancierte, platzierte er dazu aufwändig<br />
produzierte YouTube-Videos – und<br />
verfolgt aufmerksam die Kommentare, die solche Aktionen<br />
provozieren. IT-Chef Jan Brecht registriert die „I like“- und<br />
„Share“-Signale in sozialen Netzwerken, misst den „buzz“,<br />
den seine Filme generieren – indem er Nennungen auf<br />
Twitter, in Blogs, Facebook oder anderen Netzwerken auswertet.<br />
Unter anderem will Adidas so herausfinden, wie gut<br />
die gezeigten Produkte ankommen – und daraus ablesen, in<br />
welchen Stückzahlen sie nachgefragt werden dürften.<br />
Auch der Monitoringdienst „Buzzmetrics“ des Marktforschers<br />
Nielsen nimmt bereits das soziale Netz unter die Lupe.<br />
Die Software filtert aus dem unstrukturierten Stimmengewirr<br />
der Konsumenten in Blogs, Foren und Newsgroups<br />
gezielt heraus, was über ein bestimmtes Unternehmen, eine<br />
Marke oder ein Produkt geschrieben und diskutiert wird, wie<br />
sich dieser „buzz“ im Zeitverlauf verändert und welche Zielgruppen<br />
sich dabei zu Wort melden. Ziel solcher Analysen:<br />
Die Stimmen der neuen, stetig wachsenden Onlineöffentlichkeit,<br />
die sich neben den etablierten Medien gebildet hat,<br />
einzufangen. Denn Internetnutzer nutzen nicht mehr nur die<br />
Empfehlungen von <strong>Special</strong>-Interest-Medien, sondern sammeln<br />
auf eigene Faust Erfahrungsberichte Gleichgesinnter<br />
im Netz. Der Fachjournalist als Gatekeeper und Beglaubiger<br />
von Informationen erhält Rückkopplung durch das soziale<br />
Netz. Die Marktforscher von Gartner haben 2010 in einer<br />
Studie ermittelt, dass die Mehrheit der Konsumenten sich bei<br />
Kaufentscheidungen inzwischen zumindest zum Teil auf die<br />
Meinungen von Nutzern in sozialen Netzen verlässt.<br />
Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist die Nutzung dieser<br />
Daten unkritisch: Schließlich handelt es sich bei allen Informationen<br />
lediglich um statistische, nicht personenbezogene<br />
Daten, die von den Anwendern selbst veröffentlicht wurden.<br />
Vorsicht ist allerdings angebracht, wenn Profile einzelner Personen<br />
aus mehreren Datenquellen erstellt werden und diese<br />
dann gezielt zur Kundenansprache genutzt werden sollen.<br />
ligence-Systeme einfließen, die moderne Lieferketten<br />
steuern. „Theoretisch wäre das technisch zwar möglich“,<br />
bestätigt Nari Viswanathan, Logistikspezialist der Aberdeen<br />
Group. Allerdings gibt es praktische Hürden. Die<br />
Daten aus den sozialen Netzen haben nämlich nicht das<br />
richtige Format – genauer: Sie haben gar keins. Sie stellen<br />
„big data“ dar: riesige, unstrukturierte Informationsmengen,<br />
bei denen es nicht darauf ankommen kann, wie viele<br />
„Felder“ ein Datensatz hat. „Um diesen Datenwust auszuwerten,<br />
benötigt man eine andere Logik als die bisher<br />
vorhandene“, erklärt Lothar Wieske, beim IT-Dienstleister<br />
des Logistikkonzerns Deutsche Bahn für das Innovationsmanagement<br />
zuständig. Heutige Business-Intelligence-<br />
Systeme in der Logistik arbeiten ja nach althergebrachten<br />
Datenbankverfahren. Jeder Datensatz muss immer dieselbe<br />
Struktur haben und eindeutig identifizierbar sein, sonst<br />
funktioniert das System nicht. Vorbild für die neue Zeit<br />
könnten nach Meinung Wieskes die cloudbasierten File-<br />
Systeme von Google oder Amazon sein: verteilt arbeitende<br />
Datenbanken wie „Cassandra“ von Apache, ursprünglich<br />
eine Entwicklung von Facebook, die eigens für den Umgang<br />
mit Social-Media-Daten gemacht wurden.<br />
Bis es so weit ist, erstellen E-Commerce-Unternehmen<br />
die ersten webbasierten Nachfrageprognosen aus Datensätzen,<br />
die bereits eine Struktur haben: Hochzeitslisten<br />
eben, oder Vorbestellungen. Auch Online-Konfiguratoren,<br />
etwa für Einbauküchen und Autos, eignen sich, um daraus<br />
Kaufabsichten abzuleiten. Interessenten und spätere Kunden<br />
spielen in solchen Konfiguratoren meist mehrere Male<br />
mit Ausstattungsvarianten, Farben und Materialien herum,<br />
bevor sie sich tatsächlich zum Kauf entschließen, sagt<br />
Robert Byrne von Terra Technology: „Auch daraus können<br />
die Hersteller Nachfragetrends ableiten.“ Die ersten Systeme<br />
dieser Art würden bei komplexen, teuren Produkten zu finden<br />
sein, etwa im Hintergrund der Online-Konfiguratoren<br />
von Autoherstellern. Byrne hat bereits Gespräche mit Fahrzeugbauern<br />
geführt, die seine Software nutzen möchten.<br />
Und das ist nur der Anfang.<br />
48 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 49<br />
Big data<br />
„Die Unternehmen werden einen deutlichen<br />
Wettbewerbsvorteil erlangen, die es schaffen,<br />
Signale aus sozialen Netzen zu nutzen“<br />
Steve Keifer, E-Commerce-Experte<br />
Die Signale aus den sozialen Netzen können derzeit allerdings<br />
noch nicht direkt in kollaborative Business-Intel-<br />
INDUSTRY REPORT
INDUSTRY REPORT<br />
Verlässliche<br />
Freunde<br />
Schneller, günstiger, mehr Reichweite: Das sind nur einige der Vorteile,<br />
die Kundenservice über Social-Media-Netzwerke bietet. Clever<br />
eingesetzt, lässt sich eine neue Dimension der Kundenbeziehung<br />
aufbauen, die weiter wirkt als die reine Problemlösung<br />
BLOGS, FOREN UND ANDERE Internetplattformen<br />
sind voll mit Produktproblemen.<br />
Aber oft eben auch mit den dazu<br />
passenden Lösungen, denn bei Fragen<br />
rund um ihr Produkt finden Kunden<br />
vermehrt im Internet nicht mehr nur<br />
Leidensgenossen, sondern auch Antworten.<br />
Findige Unternehmen nutzen diese<br />
Informationen für den Support und bündeln das Wissen<br />
der Community, teils extern, teils sogar auf der eigenen<br />
Internetseite.<br />
Wie erfolgreich das sein kann, zeigt das Beispiel des<br />
Elektro- und Elektronikkonzerns LG: Der Kundenservice<br />
griff Fragen auf, die im Forum immer wiederkehrten, und<br />
veröffentlichte sie im Blog. So konnten mit diesen 47 Einträgen<br />
die Probleme von rund 30.000 Kunden gelöst werden.<br />
„Die Kosten pro Nutzer liegen bei zwölf Cent. Deutlich mehr<br />
würde es kosten, wenn sich die Kunden mehrheitlich über<br />
die Hotline an das Unternehmen wenden“, so Bernhard<br />
Steimel. Der Serviceexperte hat mit seinem Unternehmen<br />
Mind Business Consultants in einer Studie den Kundenservice<br />
in den Social-Media-Kanälen untersucht und weiß,<br />
warum ausgerechnet der koreanische Konzern LG so erfolgreich<br />
im virtuellen Support ist: „Bei Elektroprodukten gibt<br />
es einen hohen Bedarf, sich über die Funktionen auszutauschen.<br />
Gleichzeitig gibt es viele Produktfans, die lediglich<br />
für virtuellen Ruhm und Ehre anderen behilflich sind. So<br />
werden bei LG nach Angaben des Konzerns mittlerweile 70<br />
Prozent der Serviceanfragen von externen Bloggern oder<br />
Community-Mitgliedern beantwortet. Nur rund 30 Prozent<br />
bleiben für die Mitarbeiter der Serviceabteilung zur<br />
Bearbeitung.“<br />
LG ist mit der Nutzung des Prinzips „Kunden helfen<br />
Kunden“ nicht allein. Auch Internetunternehmen wie Apple<br />
oder Google zapfen diese Ressource für ihren Kundenservice<br />
an und wickeln ihren Support weitgehend über <strong>Cloud</strong>-<br />
Community-Plattformen ab. Dabei ist es nur eine kleine<br />
Gruppe von Nutzern, die ihr Wissen der Internetcommunity<br />
zur Verfügung stellt. Der dänische Webdesignexperte Jakob<br />
Nielsen stellte 2006 die nach ihm benannte Regel auf: 90<br />
Prozent der Internetnutzer sind passive Leser, neun Prozent<br />
schreiben gelegentlich einen Beitrag und nur ein Prozent<br />
der Nutzer ist richtig aktiv. Diese Vielschreiber aber sind<br />
wichtige Wissensgeber, die Unternehmen für sich gewinnen<br />
sollten. Deswegen rät Service-Experte Steimel, solche<br />
„Super-User“ mit Informationen aus erster Hand zu versorgen<br />
und sie stets über neue Produkte zu informieren: LG<br />
etwa schickt solche Markenfans auf Firmenkosten zu Messen.<br />
Sie sind Testpersonen aus der Praxis und geben wichtigen<br />
Input zur Nutzung und Verbesserung der Produkte.<br />
Heike Simmet, Professorin für Betriebswirtschaft mit<br />
Schwerpunkt Marketingmanagement an der Hochschule<br />
Bremerhaven, hat festgestellt, dass sich der Kundenservice<br />
vom Call-Center zur webbasierten Selbsthilfe verschiebt.<br />
„70 Prozent der<br />
Serviceanfragen werden<br />
von externen Bloggern<br />
oder Community-<br />
Mitgliedern beantwortet.<br />
Nur rund 30 Prozent<br />
bleiben für die Mitarbeiter<br />
der Serviceabteilung zur<br />
Bearbeitung“<br />
Bernhard Steimel, Serviceexperte<br />
Kundenservice vom Kunden. Engagierte<br />
Nutzer entlasten via Kommunikation<br />
in sozialen Netzen immer häufiger den<br />
unternehmenseigenen Support.<br />
Simmet: „Einige Unternehmen haben sich auf diesen Anspruchswandel<br />
eingestellt und bieten unterschiedlichste Kanäle:<br />
animierte Frage-/Antwort-Angebote, Support-Chats,<br />
Serviceblogs, Twitter-Konten für Serviceanfragen, Wikis,<br />
Foren, Kundenportale und Communitys, die nach dem<br />
‚Kunden-helfen-Kunden-Prinzip‘ funktionieren.“ Der Verlierer<br />
ist dann das Telefon: Eine Servicenummer wird künftig<br />
nur noch dann gewählt, wenn persönlicher Kontakt oder<br />
ein Premiumservice gefragt sind. Diese Verschiebung hängt<br />
aber auch mit dem veränderten Kommunikationsverhalten<br />
jüngerer Nutzergenerationen zusammen. Die „Digital<br />
Natives“ telefonieren weniger, kommunizieren dafür vermehrt<br />
über soziale Netzwerke, dank Smartphone auch von<br />
unterwegs aus. Diese Gerätegeneration kann zudem Informationen<br />
zum Standort des Users abfragen und übermitteln,<br />
die ihrerseits den Kundensupport individueller und<br />
zielgenauer machen können.<br />
Die Präsenz des Kundenservices in den sozialen Netzwerken<br />
allerdings ist auch Verpflichtung, denn sie signalisiert<br />
Dialogbereitschaft. Dieses Versprechen muss auch eingehalten<br />
werden, andernfalls ist die Verärgerung der Kunden<br />
groß. Funktioniert der Kanal allerdings, profitieren Kunden<br />
und das Unternehmen gleichermaßen: Probleme können<br />
unmittelbar gelöst werden, sodass sich beim Kunden ein gutes<br />
Gefühl einstellt, das er dann mit seinen virtuellen Freunden<br />
teilen kann. Ökonomisch gesehen zunächst eine eher<br />
weiche Größe, die das Image verbessert, die Bekanntheit er-<br />
50 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 51
RUBRIK INDUSTRY HIER REPORT INDUSTRY REPORT<br />
höht und eine Möglichkeit bietet, die Qualität zu verbessern.<br />
Im zweiten Schritt aber können sich solche erfolgreichen<br />
Social-Media-Aktivitäten auch in höherer Kundentreue oder<br />
gesteigertem Umsatz niederschlagen – oder schlicht Geld<br />
sparen, wie das LG-Beispiel zeigt.<br />
Wissen, was geredet wird<br />
Die Unterhaltung über Firmen oder Produkte beschränkt<br />
sich nicht auf die Unternehmenskanäle – Kunden tauschen<br />
sich überall über die Services und Produkte aus. Daher<br />
müssen Unternehmen aufmerksam zuhören, was über sie<br />
im Internet gesprochen wird. So finden sie nicht nur heraus,<br />
welches Image sie haben, sondern können aktiv auf die Suche<br />
nach Kundenproblemen gehen. „Computerprogramme<br />
übernehmen dabei 60 bis 80 Prozent der Arbeit, doch den<br />
Rest müssen Menschen erledigen“, erklärt Serviceexperte<br />
Bernhard Steimel. Nicht jedes Foren-Posting aber erfordert<br />
eine sofortige Reaktion: So hat Avaya, ein Anbieter für Kommunikationssysteme,<br />
festgestellt, dass von 1.000 Beiträgen<br />
300 servicerelevant sind und nur 50 davon eine Aktion<br />
erfordern. Mit entsprechend geschulten Servicemitarbeitern<br />
lassen sich so aufgespürte Kundenprobleme lösen. Das<br />
kommt auch dem Image zugute.<br />
Mit diesem Augenmerk auf die Probleme der Kunden<br />
steht Avaya aber recht alleine da. Die meisten Social-<br />
Media-Aktivtäten laufen bisher – wenn überhaupt – über<br />
„Firmen sind auf<br />
Facebook, Twitter und Co.<br />
auf Sendung gegangen,<br />
ohne zu begreifen,<br />
dass ihre Kunden<br />
soziale Netzwerke<br />
als Servicekanal<br />
verstehen und dort auch<br />
Supportanfragen stellen“<br />
Bernhard Steimel, Serviceexperte<br />
die Abteilungen Öffentlichkeitsarbeit oder Vertrieb. Steimel:<br />
„Firmen sind auf Facebook, Twitter und Co. auf<br />
Sendung gegangen, ohne zu begreifen, dass ihre Kunden<br />
soziale Netzwerke als Servicekanal verstehen und dort<br />
auch Supportanfragen stellen.“ Doch wer auf diesen Plattformen<br />
aktiv ist, muss auch mit deutlich mehr Feedback<br />
als in der Vergangenheit rechnen – auch negativem. Wer<br />
es ignoriert oder Kritik sogar bewusst ausschließt, macht<br />
sich unbeliebt. Das hat beispielsweise der Düsseldorfer<br />
Konsumgüterkonzern Henkel erst vor kurzem leidvoll erfahren<br />
müssen: Das Unternehmen rief im Internet dazu<br />
auf, das Design einer Flasche Geschirrspülmittel mitzugestalten<br />
und über die besten Ergebnisse abzustimmen. Bei<br />
den veröffentlichten Vorschlägen landeten, es war beinahe<br />
zu erwarten gewesen, gerade die frechsten und daher nicht<br />
ins Markenbild passenden Entwürfe auf den vorderen Rängen.<br />
Statt diese Möglichkeit aber schon bei der Konzeption<br />
der Aktion zu berücksichtigen oder die Aktion im Sande<br />
verlaufen zu lassen, entschied sich Henkel einzugreifen: Das<br />
Abstimmungsergebnis wurde im Nachhinein angezweifelt<br />
und korrigiert, eine von Henkel eingesetzte Jury entschied<br />
über die Sieger, und die Zusage, die besten Entwürfe in den<br />
Handel zu bringen, wurde ebenfalls relativiert. Die Community<br />
fühlte sich massiv provoziert und aus dem erhofften<br />
Imagegewinn durch die Nutzung der Internetcommunity<br />
wurde ein veritabler Imageschaden.<br />
Wie dagegen ein erfolgreiches „Unternehmen 2.0“ aussieht,<br />
zeigt Zappos. Die Nummer eins im US-amerikanischen<br />
Online-Schuhversand setzt auf Kommunikation,<br />
Transparenz und Kundenservice in allen Bereichen: 365<br />
Tage Rückgaberecht, Livechat, Erreichbarkeit rund um die<br />
Uhr, an sieben Tagen in der Woche. Und jeder Mitarbeiter ist<br />
bei Twitter aktiv – bis hinauf zum CEO. Das Unternehmen<br />
tritt seinen Kunden auf persönlicher Ebene entgegen und<br />
erscheint dadurch authentisch. Jeder Kunde kann jederzeit<br />
mit einem Mitarbeiter interagieren – auch dies eine Art von<br />
Support. Solche Offenheit funktioniert vor allem gut, wenn<br />
Unternehmen flach organisiert sind.<br />
Technisch sind die Weichen längst gestellt, wenngleich<br />
die Lösungen noch optimiert werden müssen. Marketingprofessorin<br />
Simmet sieht die größte Herausforderung<br />
darin, die derzeitige Technologie noch weiter zur „Web-<br />
3.0“-Technologie zu optimieren, um der zunehmenden<br />
Datenflut Herr zu werden und die Ergebnisse noch präziser<br />
aufzubereiten. So müsse beispielsweise Monitoringsoftware<br />
semantisch noch präziser werden. Zudem bestehe noch eine<br />
Menge Potenzial bei der Optimierung der Schnittstellen<br />
zwischen den verschiedenen Kanälen, um Kundendaten<br />
übergreifend verfügbar zu machen und gleichzeitig dem<br />
Datenschutz gerecht zu werden. Schließlich soll der Kundenservice<br />
nicht nur näher am Kunden sein, sondern auch<br />
reibungslos funktionieren.<br />
52 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 53
RUBRIK HIER RUBRIK SERVICES<br />
HIER<br />
Das Ende<br />
der Botschaften.<br />
Es lebe<br />
der Dialog<br />
Das in zahlreichen Unternehmen praktizierte Nebeneinander<br />
von Marketingabteilung, Öffentlichkeitsarbeit und Investor<br />
Relations steht vor dem Ende. Social-Media-Plattformen<br />
und die sich wandelnden Gewohnheiten der Öffentlichkeit<br />
erfordern eine integrierte Kommunikation aller Abteilungen<br />
eines Unternehmens<br />
54 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 55
SERVICES<br />
MIT PRESSEARBEIT habe ich<br />
nichts am Hut. Ich mache<br />
Marketing.“ Der selbstbewusste<br />
Satz stammt von einem Mitarbeiter<br />
eines weltweit agierenden<br />
Technologiekonzerns. Dass<br />
hinter der Fassade vielleicht<br />
doch eine gehörige Portion<br />
Unsicherheit steckt, lässt sich daran erkennen, dass der<br />
Befragte nicht namentlich zitiert werden will. Das ist<br />
vermutlich auch besser so. Mit seiner Einstellung dürfte<br />
er in Zeiten von Social Media in seinem Job keine große<br />
Zukunft mehr haben – oder eine Menge Arbeit vor sich,<br />
um die neuen Kanäle kennenzulernen. Bislang glich die<br />
Kommunikation aus der Pressestelle einer Einbahnstraße,<br />
bei der die Botschaften aus der Kommunikationsabteilung<br />
heraus der Öffentlichkeit – Kunden, Mitarbeiter, Investoren,<br />
Presse – verkündet wurden. Parallel dazu existierte<br />
das Marketing, das die Öffentlichkeit mit Informationen<br />
zu neuen Produkten, Services oder Angeboten versorgte.<br />
Mehr oder weniger im Blindflug, denn ob die Empfänger<br />
der Botschaften diese Informationen tatsächlich haben<br />
wollten oder vielleicht ganz andere Bedürfnisse hatten,<br />
blieb weitgehend unbekannt. Kurz: Es wurde viel geredet,<br />
aber wenig miteinander gesprochen.<br />
Jetzt aber öffnet sich ein Rückkanal. In sozialen Netzwerken,<br />
Blogs und Foren kommunizieren Vertreter beinahe aller<br />
für ein Unternehmen relevanten Zielgruppen miteinander;<br />
sie suchen Empfehlungen, kommentieren, raten ab. Der<br />
Austausch von Informationen und Meinungen ist in jede<br />
Richtung möglich, und zwar ohne aufwändige Infrastruktur.<br />
Und: Die Kommunikation läuft auf Plattformen, die von<br />
allen eingesehen werden können. Ohne Regulativ oder gar<br />
Kontrolle durch einige wenige Gatekeeper, eine Rolle, die<br />
lange Zeit Journalisten für sich in Anspruch nahmen. Jeder<br />
kann diesen Austausch passiv verfolgen oder aktiv steuern.<br />
Die Herausforderung für Pressestelle, Marketing und Investor<br />
Relations wird darin bestehen, die für die jeweilige<br />
Zielgruppe relevanten Kanäle zu erkennen, diese mindestens<br />
aufmerksam zu verfolgen und sie idealerweise zielgerichtet<br />
zu nutzen – was sich in letzter Konsequenz auch auf die Organisationsstruktur<br />
eines Unternehmens auswirken kann.<br />
Nach den Spielregeln der Community<br />
Dialogfähigkeit und Reputationsmanagement sind Schlüsselqualifikationen<br />
für die erweiterten Aufgaben. Beinahe<br />
ebenso wichtig aber ist es, die Gepflogenheiten der Com-<br />
munity zu kennen und sich entsprechend zu verhalten.<br />
Unternehmen, die eine Facebook-Seite oder einen Unternehmensblog<br />
einrichten, müssen sich bewusst sein, dass sie<br />
Plattformen verwenden, deren Umgangsformen überwiegend<br />
von Privatpersonen geprägt werden. Entsprechend<br />
läuft die Kommunikation: direkt, unverfälscht und schnell.<br />
Stellt der Besucher einer solchen Seite eine Frage, erwartet<br />
er eine Antwort, und zwar rasch – so wie er es von einer<br />
echten Person, mit der er über die verschiedenen Kanäle<br />
kommuniziert, erwartet. Unternehmen mit starren Strukturen<br />
können diese Erwartungshaltung kaum erfüllen. Die<br />
Folge: Der Social-Media-Auftritt ist statisch, wird dadurch<br />
uninteressant oder wirkt sogar negativ auf das Image des<br />
Unternehmens. Wer eine Präsenz aufsetzt, auf der wochenlang<br />
nichts passiert oder nur klassische Werbetexte laufen,<br />
hat die Spielregeln der neuen Welt nicht verstanden.<br />
Den schnellen Dialog in Social-Media-Kanälen bieten<br />
bisher vor allem ITK-Unternehmen. So stellt sich der US-<br />
Kabelnetzbetreiber Comcast auf mehreren Twitter-Kanälen<br />
den Nöten seiner Kunden. Auch die Telekom nutzt ihre<br />
Twitter- und Facebook-Accounts „Telekom_hilft“, um ihren<br />
Kunden schnell und unkompliziert zu helfen. Einfache Probleme<br />
werden sofort gelöst und für alle sichtbar gepostet. Bei<br />
umfangreicheren Antworten oder der Abfrage von persönlichen<br />
Daten wird auf E-Mail ausgewichen oder die Anfrage<br />
an eine entsprechende Stelle weitergeleitet. Ein Kanal wie<br />
Twitter punktet mit seiner einfachen Bedienbarkeit und den<br />
geringen Kosten, die ein Engagement dort erfordert. Dafür<br />
sind die Einträge recht knapp und in der bei Twitter üblichen<br />
Timeline-Ansicht wenig systematisch – ein Manko, das<br />
sich auch durch das Setzen von Hash-Tags, also Schlüsselwörtern<br />
für die Suchfunktionalität, nur partiell lösen lässt.<br />
Mehr Nachhaltigkeit bieten beispielsweise Blogs – diese<br />
fordern aber auch mehr Engagement. Die Daimler AG nutzt<br />
unter anderem ein Corporate Blog, um mit den Menschen<br />
ins Gespräch zu kommen, die sich zunehmend über soziale<br />
Medien austauschen. „Authentische und nachhaltige<br />
Kommunikation geht am besten übers Bloggen“, sagt Uwe<br />
Knaus, Social-Media-Manager des Konzerns. Die Dialogplattform<br />
ist bereits seit 2007 am Start und war das erste<br />
externe Corporate Blog eines DAX-Konzerns. Es bloggen<br />
dort Mitarbeiter und nicht die Kommunikations- oder Marketingabteilung,<br />
da Untersuchungen gezeigt haben, dass<br />
User einen „operativ tätigen Mitarbeiter“ als sehr glaubwürdig<br />
einstufen. Außerdem lasse man auch Gastbeiträge<br />
zu, Greenpeace beispielsweise habe sich zur Elektromobilität<br />
geäußert. Derzeit bloggen etwa 300 Beschäftigte zu<br />
„Der Schlüssel zum Erfolg<br />
in der Social-Networking-<br />
Ära ist, die Mitarbeiter<br />
dazu zu ermutigen, selbst<br />
Verantwortung außerhalb<br />
hierarchischer Strukturen<br />
zu übernehmen“<br />
Bill George, Professor an der Harvard Business School<br />
56 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 57<br />
SERVICES<br />
15 Themengebieten, die das ganze Portfolio des Konzerns<br />
abdecken. Die meisten dieser Geschichten würden in klassischen<br />
Medien nur selten berücksichtigt werden. „So schaffen<br />
wir es, mit dieser Plattform unserem Konzern ein Gesicht<br />
zu geben und dadurch transparent und offen zu kommunizieren“,<br />
so Knaus.<br />
Experten weisen jedoch auch auf Rückschlagpotenziale<br />
hin. Wenn Mitarbeiter über ihren Job und ihren Arbeitgeber<br />
schreiben, vermischen sich Privates und Geschäftliches.<br />
Das erfordert neue Verhaltensregeln, insbesondere<br />
bei börsennotierten Unternehmen, damit die sorgfältig<br />
abgestimmte Investor-Relations-Kommunikation nicht<br />
von Mitarbeiterkommentaren aus anderen Unternehmensbereichen<br />
konterkariert werden kann. Viele Firmenlenker<br />
fürchten den Kontrollverlust, der durch eine offene, vernetzte<br />
Kommunikation ihrer Mitarbeiter entsteht. Schließlich<br />
können sie nicht ständig kontrollieren, ob sich alle<br />
Mitarbeiter im Netz korrekt verhalten. Mag diese Sorge<br />
auch übertrieben sein: Durch Verweigerung des Dialogs<br />
werden sich kritische Situationen nicht vermeiden lassen.<br />
Wer öffentlich kommuniziert, steht heute automatisch im<br />
Gespräch und damit früher oder später auch in der Kritik.<br />
Die Internetgemeinde reagiert zwar nicht immer fair, aber<br />
sie reagiert auch nicht völlig unberechenbar, wenn einige<br />
Grundregeln online ebenso konsequent eingehalten werden<br />
wie offline: Den Dialog suchen, den Tonfall wahren,<br />
angemessen reagieren, keine übertriebenen Versprechen<br />
abgeben und aufrichtig bleiben. Und: Klare Leitplanken<br />
für das aufstellen, was erlaubt ist und was nicht, insbesondere<br />
in Investor-Relations-nahen Themenfeldern. „Der<br />
Schlüssel zum Erfolg in der Social-Networking-Ära ist, die<br />
Mitarbeiter dazu zu ermutigen, selbst Verantwortung außerhalb<br />
hierarchischer Strukturen zu übernehmen“, betont<br />
Bill George, Professor für Management Pr<strong>act</strong>ice an der<br />
Harvard Business School. Denn die sozialen Netzwerke<br />
in- und außerhalb der Unternehmen brechen traditionelle<br />
Informationshierarchien auf. „Das klassische mittlere Management<br />
wird in der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> zunehmend weniger<br />
wichtig“, sagt George. Wichtiger wird stattdessen, die Mitarbeiter,<br />
die im Namen ihres Unternehmens twittern, bloggen<br />
und chatten, genau auszuwählen und auszubilden. Sie<br />
müssen einerseits gut informiert sein, andererseits schnell<br />
reagieren können und auch dürfen. Und: Sie müssen nicht<br />
zwangsläufig aus dem Marketing oder der Kommunikationsabteilung<br />
kommen. Aus einer Spezialdisziplin für einen<br />
Unternehmensbereich wird eine Schlüsselqualifikation für<br />
weite Bereiche der Unternehmensorganisation.
UBRIK HIER<br />
Kampf um<br />
Köpfe<br />
Die neue Generation qualifizierter Fachkräfte wird mit sozialen Online-<br />
Netzwerken aufwachsen. Human-Resources-Manager und Recruiter<br />
können den Kampf um die besten Köpfe bei steigendem Fachkräftemangel<br />
nur gewinnen, wenn sie ihn im Internet führen. Ein Schlüssel zum<br />
Recruiting-Erfolg sind die virtuellen Beziehungen der eigenen Mitarbeiter<br />
PERSONALMANAGER WERDEN SICH in den kommenden<br />
Jahren von mehreren traditionellen<br />
Recruiting-Instrumenten verabschieden müssen.<br />
Die klassische Stellenanzeige in der Tageszeitung?<br />
Mutet an wie ein Relikt vergangener<br />
Tage. Bewerbungsmappen, per Post verschickt? Immer mehr<br />
läuft digital. Hochglanzbroschüren für Karrieremessen und<br />
Universitäten wirken immer öfter unzeitgemäß, ebenso<br />
wie statische Karriere-Websites, die Bewerbern außer der<br />
E-Mail-Adresse des Recruiting-Teams und einer Telefonnummer<br />
keinerlei Kommunikationsmöglichkeiten bieten.<br />
Der Kampf um die besten Fachkräfte wird zunehmend<br />
in den sozialen Medien ausgefochten. „LinkedIn, Facebook,<br />
Twitter und Blogs sind ein gigantischer Talentpool, aus dem<br />
sich Human-Resources-Manager bedienen können“, ist<br />
James Durbin überzeugt, selbsternannter „Social-Media-<br />
Headhunter“ aus Missouri. Der Haken: „Unternehmen<br />
müssen bei der Personalsuche selbst aktiv auf potenzielle<br />
Bewerber zugehen und einen kontinuierlichen Dialog mit<br />
ihnen aufnehmen“, sagt Durbin. Wer aus den Millionen<br />
Blogs, Facebook-Profilen und Twitter-Accounts die passenden<br />
Köpfe herausfiltern und ihr Interesse wecken möchte,<br />
muss dazu zunächst das Prinzip dieser sozialen Beziehungsgeflechte<br />
verstehen. Das Motto „Dabei sein ist alles“ gilt dort<br />
nämlich nicht. „Recruiter müssen lernen, die Erwartungshaltung<br />
der jeweiligen Plattformnutzer zu verstehen“, sagt<br />
Durbin. Und das bedeutet in den sozialen Medien: authentische<br />
und persönliche Wege der Kontaktaufnahme zu finden<br />
– und ständig bereit zu sein für Dialog und Interaktion.<br />
Auf Social Media spezialisierte Social-Media-Headhunter<br />
recherchieren überall da, wo im Netz Experten diskutieren,<br />
in Blogs, Newsgroups, auf Twitter oder in den Rezensionen<br />
bei Amazon. Sie identifizieren Kandidaten, holen Empfehlungen<br />
ein und sprechen den potenziellen Mitarbeiter über<br />
Facebook oder andere soziale Netzwerke an – ganz gezielt.<br />
Erfahrene Social-Media-Recruiter nutzen für diese Suche<br />
sogar die eigenen Mitarbeiter. Auf dem SAP-Twitter-Kanal<br />
schreibt „Marcelo“ etwa, dass er sich auf das Karnevalswochenende<br />
in São Paulo freut. Und weist nebenbei auf die<br />
vielen offenen Stellen bei SAP Brazil hin. „Wenn ihr gute,<br />
talentierte Leute kennt, schickt sie zu uns!“, fordert Marcelo<br />
seine Leser auf. Im Minutentakt posten auch andere Mitarbeiter<br />
aus allen Abteilungen und Niederlassungen des Konzerns<br />
nicht nur persönliche Erfolgsmeldungen, Neuigkeiten<br />
aus Projekten, Berichte von Konferenzen und Schulungen<br />
– sie melden auch offene Stellen in ihren Abteilungen. Sean<br />
MacNiven, Head of Social Media bei SAP, hat das Twitter-<br />
Tool für die Human-Resources-Abteilung entwickelt. „Die<br />
persönlichen Berichte der Mitarbeiter machen neugierig“,<br />
sagt MacNiven. „Twitter-Accounts eines Unternehmens<br />
erreichen sie auf einer ganz anderen Ebene als Imagefilme<br />
oder Broschüren. Weil sie die Menschen zeigen, die hinter<br />
SAP stehen.“<br />
In der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> werden Mitarbeiter zu Unternehmensbotschaftern.<br />
Das ist eine große Chance für die Unternehmen.<br />
Zum einen direkt, eben indem sie die privaten<br />
Netzwerke ihrer Mitarbeiter anzapfen, um neue Talente zu<br />
finden, sagt Graeme Martin, Direktor des Centre for Reputation<br />
Management through People (CRMP) der Universität<br />
Glasgow. Zum anderen, weil sie so ein authentisches Bild des<br />
Unternehmens in den sozialen Netzwerken schaffen. „Wer<br />
enthusiastische Blogger und Facebook-Nutzer in seinem<br />
Unternehmen unterstützt, signalisiert, dass das Unternehmen<br />
offen ist für einen Dialog in den sozialen Medien“,<br />
sagt Martin. Unternehmen, die ihre Mitarbeiter durch Internetsperren<br />
und ähnlich drastische Maßnahmen aus der<br />
Social-Media-Welt ausschließen, könnten hingegen zu den<br />
Verlierern zählen: Ihre Mitarbeiter fühlen sich möglicherweise<br />
kontrolliert und gegängelt. Und dieses Gefühl wird mit Sicherheit<br />
nicht ihre Bindung an das Unternehmen verstärken.<br />
Wer passt zu mir? In sozialen Netzen<br />
auf der der Suche nach Fachkräften<br />
und High Potentials.<br />
Die Rolle der Human-Resources-Manager in den Unternehmen<br />
hingegen wird immer anspruchsvoller, weil sie<br />
die Aktivitäten der Mitarbeiter in den sozialen Netzwerken<br />
begleiten und steuern müssen. „HR-Manager könnten<br />
eine neue, strategisch wichtige Rolle übernehmen: Die des<br />
Community- und Reputations-Managers, der eine positive<br />
Arbeitgeber-Marke in den sozialen Netzen etabliert und die<br />
Kommunikation zwischen Arbeitnehmern und potenziellen<br />
Bewerbern strategisch steuert“, sagt Tanya Bondarouk,<br />
Associate Professor für Social Innovation in Operations and<br />
Human Resources Management an der niederländischen<br />
Universität Twente. Noch, ist sie sich sicher, sind die meisten<br />
Human-Resources-Abteilungen in den Unternehmen von<br />
dieser strategischen Rolle weit entfernt. „Vor den Personalverantwortlichen<br />
liegt viel Arbeit.“<br />
„Die persönlichen<br />
Berichte der Mitarbeiter<br />
machen neugierig“<br />
Sean McNiven, SAP-Head of Social Media<br />
58 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 59<br />
SERVICES
SERVICES<br />
„Es ist wichtig, sich selbst<br />
ein Bild zu machen“<br />
Angelika Ruppel ist Informatikerin am Fraunhofer Institute for Secure<br />
Information Technology in Garching bei München. Sie kennt die<br />
Sicherheitsbedenken gegenüber dem Einsatz von <strong>Cloud</strong>-gestützten Services<br />
– und weiß, welche Vorsichtsmaßnahmen empfehlenswert sind<br />
Expertin<br />
Angelika Ruppel<br />
Die Informatikerin Angelika<br />
Ruppel arbeitet am Fraunhofer-Institut<br />
für Sichere<br />
Informationstechnologie in<br />
Garching bei München im<br />
Forschungsbereich Sichere<br />
Services und Qualitätstests.<br />
Derzeit konzipiert sie unter<br />
anderem Sicherheitslösungen<br />
für den Einsatz<br />
von <strong>Cloud</strong>-Computing-<br />
Systemen in der Telekommunikationsbranche<br />
und<br />
beschäftigt sich mit dem<br />
Aufbau des <strong>Cloud</strong>-Sicherheits-Labors<br />
des Instituts.<br />
Frau Ruppel, Studien besagen, dass<br />
jedes fünfte Unternehmen auf die<br />
Nutzung der Potenziale des <strong>Cloud</strong><br />
Computing verzichtet – aus Angst vor<br />
mangelndem Datenschutz. Zu recht?<br />
Ich kann die Sorge verstehen. Unternehmer<br />
sollten sich bewusst sein, dass<br />
in der <strong>Cloud</strong> Gefahren die Sicherheit<br />
ihrer Daten bedrohen. Wie auch bei<br />
herkömmlichen IT-Anwendungen<br />
müssen Unternehmen damit rechnen,<br />
dass ein <strong>Cloud</strong>-Service nicht jederzeit<br />
bereitsteht, Daten gelöscht wurden oder<br />
in falsche Hände geraten können. Ein<br />
Problem ist auch, dass durch den Einsatz<br />
von <strong>Cloud</strong>-Computing-Systemen die<br />
Sicherheits- und Verfügbarkeitsrisiken<br />
für Nutzer zunehmend intransparent<br />
werden. Außerdem ergeben sich neue<br />
Schwachstellen. Ein Beispiel: Angreifer<br />
können in die Rolle eines Konsumenten<br />
im <strong>Cloud</strong>-System schlüpfen, um von dort<br />
aus die Daten anderer Konsumenten<br />
anzugreifen. Oder <strong>Cloud</strong>-Dienste werden<br />
genutzt, um Brute-Force-Angriffe auf<br />
Passwörter durchzuführen.<br />
Also sinkt das Sicherheitslevel beim<br />
Gang in die <strong>Cloud</strong> sogar ...<br />
Das muss nicht zwangsläufig so sein:<br />
Kleinere Unternehmen haben heute<br />
häufig nicht die Möglichkeit, detaillierte<br />
Sicherheitsrichtlinien auszuarbeiten<br />
und entsprechend umzusetzen. Häufig<br />
fehlen dazu das nötige Know-how und<br />
die Mitarbeiter. In diesen Fällen kann<br />
der Einsatz von <strong>Cloud</strong>-Services mit<br />
standardisierten Sicherheitslevels sogar<br />
die Sicherheit erhöhen, da es zu den Kernaufgaben<br />
des <strong>Cloud</strong>-Anbieters gehört,<br />
adäquate Sicherheitsmechanismen zu<br />
implementieren. Aber man kann auch<br />
annehmen, dass vor allem bei großen<br />
Unternehmen, die auf <strong>Cloud</strong>-Services<br />
setzen, Kosteneinsparungen eine große<br />
Rolle spielen. Wenn nun die Dienstleister<br />
versuchen, Services möglichst günstig<br />
anzubieten, besteht zumindest theoretisch<br />
die Gefahr, dass dies auf Kosten der<br />
Sicherheit geschieht.<br />
Wie können die Sicherheitsrisiken der<br />
<strong>Cloud</strong> minimiert werden?<br />
<strong>Cloud</strong>-Systeme sind sehr komplex, bestehen<br />
aus vielen Komponenten und Diensten<br />
auf unterschiedlichen Ebenen. Dementsprechend<br />
vielschichtig sind die einzelnen<br />
Sicherheitsaspekte, die es zu berücksichtigen<br />
gilt. Die Bereiche Infrastruktur,<br />
Anwendung und Plattform, Verwaltung<br />
und Compliance müssen genau analysiert<br />
werden. Wer <strong>Cloud</strong>-Services nutzen will,<br />
sollte eine Checkliste mit Fragen für den<br />
potenziellen Anbieter erarbeiten.<br />
Wie könnte so eine Checkliste aussehen?<br />
Da gibt es zahlreiche Faktoren abzuklären.<br />
Im Bereich Infrastruktur geht es etwa<br />
um die Frage, wie das Gebäude abgesichert<br />
ist, in dem die Rechner stehen. Gibt<br />
es dort eine Videoüberwachung? Wie<br />
werden die Zugangskontrollen umgesetzt?<br />
Von Interesse ist natürlich auch, wie die<br />
Daten in der <strong>Cloud</strong> gespeichert werden.<br />
Werden die Backup-Daten verschlüsselt<br />
abgelegt? Was die Anwendung betrifft,<br />
steht unter anderem die Frage im Raum,<br />
ob und wie die Sitzung des Nutzers mitprotokolliert<br />
wird. Werden Nachrichten<br />
verschlüsselt übermittelt? Wer hat wann<br />
und wie Zugriff auf welche Daten? Viele<br />
Fragen lassen sich erst präzisieren, wenn<br />
konkret bekannt ist, welche <strong>Cloud</strong>-Dienstleistungen<br />
zum Einsatz kommen sollen.<br />
Aus der Betrachtung aller relevanten Bereiche<br />
ergibt sich ein Fragenkatalog, den<br />
man als Ausgangsbasis betrachten kann.<br />
Was muss man noch berücksichtigen,<br />
wenn das erst die Ausgangsbasis ist?<br />
Üblicherweise sollten <strong>Cloud</strong>-Services in<br />
ein bestehendes IT-System mit vorhandenem<br />
Sicherheitskonzept integriert werden.<br />
Außerdem kann es sinnvoll sein, sich vorab<br />
mit dem <strong>Cloud</strong>-Anbieter zu treffen. Durch<br />
den hohen Automatisierungsgrad in der<br />
Branche kommt es nämlich nicht mehr<br />
zwangsläufig zu einer menschlichen Interaktion.<br />
Es ist aber wichtig, sich den <strong>Cloud</strong>-<br />
Anbieter genau anzusehen und sich selbst<br />
ein Bild von den Rechenzentren, den Mitarbeitern<br />
und den Abläufen zu machen.<br />
Ratsam ist es auch, feste Ansprechpartner<br />
für Problem- und Notfälle zu vereinbaren.<br />
Ein ganz wichtiges Thema ist der Schutz<br />
der Netzinfrastruktur. <strong>Cloud</strong>-Dienste<br />
laufen über das Internet. Firewalls, Verschlüsselungen<br />
und redundante Netzanbindungen<br />
sollten daher Standard sein.<br />
Das alles klingt vielleicht banal – aber nur<br />
wenn der <strong>Cloud</strong>-Nutzer auch solche Dinge<br />
abfragt oder überprüft, kann er das nötige<br />
Vertrauen zum Anbieter aufbauen. Andernfalls<br />
kann man sich höchstens danach<br />
richten, wie lange der Dienst auf dem<br />
Markt ist, ob er viele Kunden hat und<br />
ob es Auffälligkeiten oder Vorfälle in der<br />
Vergangenheit gegeben hat.<br />
Existieren Branchenstandards<br />
oder ein Gütesiegel, die ein hohes<br />
Sicherheitsniveau belegen?<br />
Sicherheitstestate und -zertifikate können<br />
Hinweise auf die Sicherheit eines <strong>Cloud</strong>-<br />
Computing-Systems geben. Hier ist im<br />
Einzelfall zu prüfen, welche Merkmale<br />
des Anbieters durch ein Sicherheitszertifikat<br />
von einem externen Unternehmen<br />
untersucht wurden und wie diese beim<br />
<strong>Cloud</strong>-Anbieter umgesetzt werden. Ein<br />
Tipp ist auch, sich die Reports zeigen<br />
zu lassen, um sich somit selbst ein Bild<br />
machen zu können.<br />
„Der Einsatz von <strong>Cloud</strong>-Services<br />
kann in manchen Fällen sogar<br />
die Sicherheit erhöhen“<br />
Wie weit kann man als <strong>Cloud</strong>-<br />
Nutzer Einfluss nehmen auf die<br />
branchenüblichen Service Level<br />
Agreements (SLA)?<br />
Die SLAs der Anbieter sind meist standardisiert<br />
und die Verfügbarkeit ist in vielen<br />
Fällen das einzig definierte Dienstgütekriterium,<br />
für das Entschädigungen bei sicherheitsrelevanten<br />
Vorfällen geregelt sind.<br />
Möglichkeiten zur Aushandlung eines<br />
individuellen SLA ist meist nur Großkunden<br />
vorbehalten. Wenn Kunden jedoch die<br />
Möglichkeit zur Aushandlung eines SLA<br />
haben, dann sollten darin die Rechte und<br />
Pflichten der beteiligten Akteure in Bezug<br />
auf Sicherheitsmaßnahmen so detailliert<br />
wie möglich ausgehandelt werden.<br />
60 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 61<br />
SERVICES
ESSAY<br />
Die Regentänzer<br />
Die Geschichte des Internets lehrt: Der Weg zum nächsten Hype ist mit<br />
neuen Schlagwörtern gepflastert. Ist die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> mehr als nur<br />
ein wolkiges Versprechen?<br />
Von Thomas Vašek<br />
SIE TANZTEN und murmelten magische<br />
Formeln, um die Geister des<br />
Himmels zu beschwören. Zu allen<br />
Zeiten versuchten Regentänzer,<br />
mit ihrem Zauber Niederschläge<br />
auszulösen. In glücklichen Fällen<br />
zogen dunkle Wolken auf und<br />
spendeten das ersehnte Nass – und<br />
eine reiche Ernte. Heute rufen manche die große Datenwolke<br />
an und hoffen, dass der Regen ihr Business<br />
fruchtbar macht. Und zwar möglichst rasch – und<br />
ohne dass sie viel dafür tun müssten.<br />
Nennen wir sie die Regentänzer der <strong>Cloud</strong><br />
<strong>Economy</strong>.<br />
Der Weg zu jedem Hype ist mit Schlagwörtern<br />
und Zauberformeln gepflastert. Und stets<br />
gibt es die Wundergläubigen, die lieber auf Magie<br />
vertrauen statt auf ökonomischen Verstand, auf<br />
technologisches Mantra statt auf ein gesundes Geschäftsmodell.<br />
Wenn die Hoffnungen hoch fliegen,<br />
empfiehlt es sich deshalb, am Boden zu bleiben.<br />
Und wenn alle in die gleiche Richtung rennen, sollte<br />
man kurz innehalten und fragen: „Wohin laufen wir<br />
da eigentlich?“<br />
Blinder Herdentrieb führte vor zehn Jahren<br />
zum Dotcom-Crash. Die Regentänzer von damals<br />
beschworen wolkige Geschäftsmodelle ohne reale<br />
Grundlage; die bloßen Erwartungen trieben die<br />
Aktienkurse in schwindelerregende Höhen. Aus der<br />
Wolke stürzte letztlich nur ein Haufen verbranntes<br />
Geld. Der blinde Glaube an ebenso nebulöse Derivate,<br />
hinter denen sich letztlich nichts als faule Kredite<br />
verbargen, löste 2008 die globale Finanzkrise aus.<br />
Die zentrale Lehre daraus ist sehr einfach: Je virtueller<br />
das Business wird, desto mehr muss man nach<br />
seiner realen Basis fragen – nach Kundennutzen,<br />
nach Produkten, kurz: nach echtem ökonomischen<br />
Wert. Und wer heute soziale Netzwerke zur goldenen<br />
Zukunft hochstilisiert, sollte nicht die Hypes der<br />
jüngeren Vergangenheit vergessen. Noch vor wenigen<br />
Jahren galt MySpace als Profitmaschine, Blogging<br />
als Medienrevolution und die virtuelle Welt „Second<br />
Life“ als Marktplatz der Zukunft. Alle drei Voraussagen<br />
haben sich als falsch erwiesen. MySpace verkam<br />
zur Marketing-Spielwiese der Musikindustrie, von<br />
„Second Life“ redet kaum noch jemand – und Blogs<br />
haben zwar ihren Platz, aber viel Geld lässt sich damit<br />
bis heute nicht verdienen.<br />
Heute soll plötzlich alles anders sein. Die <strong>Cloud</strong><br />
<strong>Economy</strong> verspricht nichts weniger als eine Revolution,<br />
die Wirtschaft und Gesellschaft verändert. Die<br />
Informationstechnologie verliert ihre physische Form.<br />
Speicherkapazität, Rechenleistung und Software:<br />
Alles verlagert sich ins Netz – weltweit verstreut, un-<br />
62 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL<br />
Farbenprächtige Beschwörung.<br />
Aber kann der Regen aus<br />
der Datenwolke das Business<br />
fruchtbar machen?<br />
THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 63
ESSAY<br />
„Stets gibt es die Wundergläubigen, die lieber<br />
auf Magie vertrauen statt auf ökonomischen<br />
Verstand, auf technologisches Mantra statt auf<br />
ein gesundes Geschäftsmodell“<br />
sichtbar und flexibel aufteilbar, ganz nach Bedarf. Und wir<br />
alle speisen die Wolke mit unseren Daten und Interaktionen,<br />
via Google, Facebook, Twitter & Co. Das legt eine verführerische<br />
Hoffnung nahe: Unternehmen müssten die „<strong>Cloud</strong>“<br />
nur nach Bedarf anzapfen, die Datenströme in die richtige<br />
Richtung lenken – und schon regnet es neue Kunden und<br />
Profit. Doch das wäre ein großes Missverständnis.<br />
Regentänzer verwechseln die Chance mit einer Lösung,<br />
neue technologische Möglichkeiten mit einem Geschäftsmodell.<br />
Nicht nur die Geschichte des Webs zeigt: Hypes<br />
und Blasen entstehen dann, wenn wir Dinge überbewerten.<br />
Das muss nicht heißen, dass diese „Dinge“ in Wirklichkeit<br />
wertlos sind. Es heißt nur, dass viele Menschen mehr Wert in<br />
sie hineinprojizieren, als tatsächlich in ihnen steckt. So legt<br />
das beispiellose Wachstum von Facebook nahe, dass Beziehungen<br />
in sozialen Netzwerken ungemein wertvoll wären.<br />
Allerdings kann man die ketzerische Frage stellen, ob dieser<br />
„Wert“ nicht auf einer Illusion beruht.<br />
Über Facebook, Twitter & Co. kann man leicht mit hunderten<br />
Menschen in Kontakt bleiben. Man kann erfahren,<br />
was jeder gerade so treibt, welche Vorlieben er hat, ob er<br />
noch Single ist oder nicht. Das erzeugt die Illusion echter,<br />
bedeutsamer Freundschaften. In Wahrheit aber entstehen<br />
massenhaft oberflächliche Beziehungen – flüchtige Infomoleküle<br />
in der großen Datenwolke. Man tauscht hin und<br />
wieder ein paar Bits aus, nimmt eine Statusmeldung zur<br />
Kenntnis, liest einen Twitter-Tweet – und das war es dann<br />
auch. Aufmerksamkeit ist eine begrenzte Ressource: Niemand<br />
kann die Updates von hunderten Facebook-Freunden<br />
verfolgen, gleichzeitig Tweets und E-Mails lesen und Videos<br />
gucken. Und nicht wenige fühlen sich vom ständigen Facebook-Monitoring<br />
längst überfordert – oder sie halten das<br />
pausenlose Geplapper und die ständigen Freundschaftseinladungen<br />
schlicht für Nervkram.<br />
Das alte Web hat digitale Inhalte entwertet – mit dramatischen<br />
Folgen vor allem für die Medienbranche. Das neue<br />
Web läuft Gefahr, auch soziale Beziehungen zu inflationieren.<br />
So wie die Banken vor der Finanzkrise „faule Kredite“<br />
verkauften, handelten soziale Plattformen mit Beziehungen<br />
minderer Qualität, meint etwa der angesehene Strategie-<br />
und Markenexperte Umair Haque in seinem Blog auf der<br />
Website des Harvard Business Review. Das ist zwar nur<br />
eine Minderheitsmeinung. Aber andererseits: Wären die<br />
Beziehungen auf Facebook und Co. tatsächlich so wertvoll,<br />
müssten Nutzer und Werbetreibende auch bereit sein, dafür<br />
zu bezahlen. Oder die schlauen Netzwerke müssten Werbung<br />
umgekehrt längst überflüssig gemacht haben, weil<br />
die „Schwarmintelligenz“ von sich aus die richtigen Produkte<br />
findet. Aber weder das eine noch das andere ist der<br />
Fall. Einerseits schießen Social-Media-Agenturen aus dem<br />
Netz, andererseits haben die sozialen Netzwerke bei allem<br />
Wachstum immer noch Schwierigkeiten, Werbekunden zu<br />
akquirieren. Die zentrale Rolle der Werbung wird damit zur<br />
Überlebensfrage.<br />
Zwar hat Facebook im letzten Jahr einen Werbeerlös von<br />
über einer Milliarde Dollar erzielt. Aber das ist immer noch<br />
nur ein Bruchteil dessen, was Google mit seinen zielgenauen<br />
Suchanzeigen verdient. Facebook ist daher gezwungen,<br />
immer neue Tools und Werbeformen zu entwickeln, um<br />
den „sozialen Graphen“, also die Beziehungsgeflechte seiner<br />
Nutzer, effektiver auszubeuten. Das führt allerdings<br />
zu einem Dilemma. Einerseits muss Facebook mehr Geld<br />
mit Werbung verdienen. Andererseits läuft das Netzwerk<br />
dadurch Gefahr, immer mehr wie eine Marketingplattform<br />
zu wirken – und nicht wie ein Ort, an dem Menschen neue<br />
Beziehungen knüpfen. Gedankenlose Kommerzialisierung<br />
war letztlich einer der Gründe für den Niedergang von<br />
Myspace. Und auch Facebook bekam den Zorn der Nutzer<br />
zu spüren, als es 2007 die berüchtigte „Beacon“-Funktion<br />
einführte: Wenn ein Facebook-Nutzer etwa einen Internetkauf<br />
getätigt hatte, schickte „Beacon“ die Informationen<br />
automatisch an die Facebook-Freunde weiter, ohne vorher<br />
um Erlaubnis zu fragen. Die Facebook-Gemeinde fühlte sich<br />
missbraucht und reagierte mit Proteststürmen. Innerhalb<br />
weniger Tage musste Facebook das Feature zurückziehen.<br />
Pannen dieser Art könnten auf Dauer das Vertrauen der<br />
Facebook-Gemeinde aushöhlen, nicht zu reden von Datenlecks<br />
größeren Stils.<br />
Der Autor<br />
Thomas Vašek<br />
war Gründungschefredakteur<br />
der deutschen Ausgabe<br />
von „Technology Review“,<br />
dem Innovationsmagazin<br />
des „Massachusetts Institute<br />
of Technology“ und zuletzt<br />
Chefredakteur des P.M.<br />
Magazins. Heute lebt er<br />
als Buchautor (u. a. „Die<br />
Weichmacher – das süße<br />
Gift der Harmoniekultur“)<br />
und Journalist in München.<br />
Unter anderem schreibt<br />
er für die ZEIT und das<br />
Wirtschaftsmagazin brandeins.<br />
64 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 65<br />
ESSAY<br />
Soziale Netzwerke bringen Menschen zusammen. Aber sie sind<br />
weder ein Marktplatz noch ein Marketingtool im traditionellen<br />
Sinn. Natürlich gibt es immer wieder erfolgreiche Marketingaktionen:<br />
Starbucks etwa verteilte an seine Facebook-Fans Gutscheine<br />
für einen Becher Kaffee, und auch viele andere Unternehmen beglücken<br />
ihre Fans mit Werbegeschenken. Aber wer Facebook ausschließlich<br />
für billige Werbezwecke einsetzt, der hat Entscheidendes<br />
missverstanden.<br />
Social Media bieten eine neue Plattform, um mit Menschen zu<br />
reden, ihre Bedürfnisse kennenzulernen und dabei eigene Themen<br />
zu transportieren. Aber nicht von oben herab, vom Sender zum<br />
Empfänger wie im „alten“ Web, sondern auf Augenhöhe. Da geht es<br />
um echten Dialog – und nicht um schnellen Return on Investment.<br />
Wer seinen Facebook-Fans nur etwas verkaufen will, der wird am<br />
Ende scheitern und womöglich sogar seiner Marke schaden. Und er<br />
wird dazu beitragen, dass die Inhalte auf Facebook immer belangloser<br />
werden, die Beziehungen weiter „ausdünnen“, die Plattform zur<br />
virtuellen Tupperware-Party verkommt. Wenn es tatsächlich eine<br />
Social-Media-Blase gibt, dann sind nicht die neuen Technologien<br />
daran schuld, sondern jene Unternehmen, die Facebook mit einer<br />
Art virtueller CRM-Software verwechseln.<br />
Märkte sind Gespräche, postulierte einst das „Cluetrain“-Manifest.<br />
Das ist heute immer noch genauso wahr, und in gewisser<br />
Weise war es nie anders. Soziale Netzwerke schaffen einen virtuellen<br />
Raum, in dem Unternehmen dieses Gespräch, diesen Dialog<br />
führen können – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Genau darin<br />
besteht ihr bleibender Wert. Der Hype hingegen beginnt dort, wo<br />
Unternehmen zwanghaft versuchen, diese Netzwerke um jeden<br />
Preis zu steuern und zu monetarisieren, womöglich sogar mit fragwürdigen<br />
Methoden. Wer in der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> erfolgreich sein<br />
will, muss auch zuhören können – und zwar vor allem dann, wenn<br />
es um Dinge geht, die ihm nicht gefallen. Der Wert sozialer Netzwerke<br />
besteht ironischerweise gerade darin, dass sie auch negatives<br />
Feedback produzieren, auf das Unternehmen reagieren müssen.<br />
Wer die Wolke nur beschwört, um einen schnellen Euro zu machen,<br />
wird statt warmen Geldregens ein Gewitter auslösen – und damit<br />
Verheerungen statt reicher Ernte.<br />
Menschen sind soziale Wesen. Sie wollen sich austauschen, ihr<br />
Wissen und ihre Vorlieben mit anderen teilen. Unternehmen und<br />
Marken können und sollen das nutzen. Substanzielle Gespräche<br />
verlangen jedoch substanzielle Beziehungen und echtes Engagement.<br />
Ohne diesen Dialog wird die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong>, trotz aller<br />
technologischen Möglichkeiten, abstrakt und wolkig bleiben. Ein<br />
paar tausend Facebook-Fans oder Twitter-Follower zu haben, ist<br />
vielleicht eine gute Voraussetzung, um ein solches Gespräch zu<br />
führen. Aber Dialog ist kein Popularitätswettbewerb, und die Zahl<br />
der Facebook-Freunde allein kein Indikator für Kundennähe oder<br />
Markenattraktivität. Ein Gespräch ist mehr als „Daumen hoch“<br />
oder „Daumen runter“, eine Kundenbeziehung mehr als eine Facebook-Freundschaft,<br />
ein realer Kunde mehr als ein Molekül in einer<br />
großen Datenwolke – und erfolgreiches <strong>Cloud</strong>-Business ist alles<br />
andere als ein Regentanz.
HERAUSGEBER<br />
Martin Wittig, CEO<br />
<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants GmbH<br />
High Light Towers, Mies-van-der-Rohe-Str.6<br />
D-80807 München, Tel.: +49 (0) 89-9230-0<br />
LEITUNG<br />
Dr. Katherine Nölling, Matthias Sturm (V.i.S.d.P)<br />
REDAKTIONSBEIRAT<br />
<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />
VERLAG<br />
Axel Springer AG<br />
Axel-Springer-Str. 65, 10888 Berlin, Germany<br />
Tel.: +49 (0)30 2591-74718, Fax: +49 (0)30 2591-74710<br />
newbusiness@axelspringer.de, www.axelspringer.de<br />
GESCHÄFTSLEITUNG (NEUE GESCHÄFTSFELDER)<br />
Frank Parlow, Lutz Thalmann<br />
CHEFREDAKTION UND KONZEPTION<br />
ergo Unternehmenskommunikation GmbH & Co. KG<br />
Sebastian Düring (verantw.), Santo Pane<br />
AUTOREN<br />
Julia Groth, Michael Naumann, Sylvia Schaab, Sibylle Schikora, Christian Schreiber,<br />
David Selbach, Sarah Sommer, Prof. Dr. Björn Bloching (München), Steven Lin (Peking),<br />
Viktoria Unterreiner (New York), Thomas Vašek (München)<br />
GESTALTUNG<br />
Re<strong>think</strong> GmbH<br />
Brian O’Connor, Jennifer Bressler, Helge Hoffmann,<br />
Jana Hallberg, Henrike Noetzold, Andrea Schumacher<br />
ILLUSTRATIONEN<br />
Jörg Block<br />
FOTOS<br />
Oliver Mark<br />
PRODUKTION<br />
Olaf Hopf<br />
BILDBEARBEITUNG<br />
Druckvorstufe WELT Gruppe<br />
DRUCK<br />
Firmengruppe APPL, aprinta Druck GmbH<br />
Senefelderstraße 3-11, 86650 Wemding<br />
URHEBERRECHTE<br />
Die im Magazin enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt.<br />
Alle Rechte werden vorbehalten.<br />
HINWEIS<br />
Redaktionelle Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung<br />
des Herausgebers wieder.<br />
Haben Sie Fragen an den Herausgeber oder das Redaktionsteam?<br />
Interessieren Sie sich für Studien von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants?<br />
Schreiben Sie an service@<strong>think</strong>-<strong>act</strong>.info<br />
Seite 22-23 Jason Schmidt/trunkarchive.com, Seite 25 Courtesy<br />
<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>, Seite 34 – 35 Ian Teh/VU, Seite 36 – 37 Mark<br />
Leong 2010/Redux/Laif, Seite 38 Agentur Focus, Seite 41 Getty<br />
Images, Seite 47 PR, Seite 52 – 53 George Cogan/Gallery Stock;<br />
Impressum<br />
BILDVERWEISE<br />
Fotex; Manfred Horvath/Anzenberger, Seite 58 – 59 Michael<br />
Constantin/PaloAlto/Corbis; Kurt Krieger/ Fotoagentur Wolfram;<br />
plainpicuture; F1Online, Zoonar, Seite 60 PR, Seite 62 Kirk<br />
Mastin/Aurora/Laif, Seite 65 PR<br />
66 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL<br />
www.<br />
1 Billion USD<br />
Geschätzter Wert des von Hackern gestohlenen geistigen Eigentums pro Jahr.<br />
1 von 10<br />
Internetnutzern musste sich bei der Jobsuche für Inhalte auf sozialen Netzwerken rechtfertigen.<br />
152 Mio.<br />
Anzahl der Blogs im Internet.<br />
6 Mrd. USD<br />
gab das amerikanische Verteidigungsministerium 2009 für die Sicherheit seines Computersystems aus.<br />
76% der Nutzer haben keine Kinder. 74%<br />
haben zumindest einen Collegeabschluss.<br />
1% der Nutzer verursachen 34% des Datenverkehrs<br />
auf der Seite.<br />
LinkedIn hat 100 Mio. Mitglieder<br />
YouTube wird jeden Monat<br />
Schätzungen zu Folge 92<br />
Mrd. Mal angeklickt.<br />
YouTube hat 490 Mio. Unique User.<br />
.com<br />
50 Million<br />
Die durchschnittliche tägliche Anzahl an<br />
Tweets von Personen im Jahr 2010.<br />
182 % betrug der Anstieg der mobilen Twitter-<br />
Nutzer in 2010. 22,5 % der Nutzer verursachten<br />
90 % aller Twitter-Aktivitäten.<br />
Twitter hat 300 Mio. registrierte Accounts.<br />
ALLE 60 SEKUNDEN<br />
senden die Nutzer 230.000 NACHRICHTEN, verändern 95.000 MAL ihren STATUS,<br />
schreiben 80.000 PINNWANDNACHRICHTEN, markieren 65.000 FOTOS, teilen<br />
50.000 LINKS und versehen sie mit einer ½ MILLION KOMMENTAREN.<br />
Zudem wurden 2010 IN JEDER SEKUNDE<br />
7,9 NEUE KONTEN<br />
bei Facebook angemeldet. Facebook hat rund 680 Mio. Nutzer<br />
Quellen: fastgush.com, onlinemba.com, youtube.com, royal.pingdom.com, sysomos.com, blogs.kissmetrics.com, socialbakers, fastcompany.com<br />
wallblog.co.uk, blog.linkedin.com