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think: act Special - Cloud Economy - Roland Berger

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<strong>think</strong>: <strong>act</strong> – <strong>Special</strong> Volume Two – <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong><br />

<strong>think</strong>: <strong>act</strong> – <strong>Special</strong> Volume Two<br />

CLOUD ECONOMY<br />

Der Weg zu neuen<br />

Geschäftsmodellen<br />

In den umfangreichen Datenmengen, die<br />

in sozialen Netzwerken und anderen<br />

Web-2.0-Anwendungen entstehen, stecken<br />

jede Menge Ideen für Unternehmen


NUTZEN<br />

Verstehen Sie die<br />

CLOUD ECONOMY?<br />

Die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> nutzt die Technik des Web 2.0, soziale Netze und <strong>Cloud</strong><br />

Computing, um gesellschaftliche und wirtschaftliche Aktivitäten virtuell abzubilden.<br />

CLOUD<br />

COMMERCE<br />

Virtuelle Abbildung<br />

des<br />

Konsumerlebnisses<br />

DIES BEINHALTET:<br />

DIE VERSCHIEDENEN BESTANDTEILE DER CLOUD ECONOMY<br />

CLOUD<br />

COLLABORATION<br />

CLOUD<br />

COMPUTING<br />

Virtuelle Abbildung von<br />

Computerressourcen<br />

und - systemen<br />

CLOUD<br />

COMMUN ICATION<br />

CLOUD<br />

COMMUNITY<br />

Web 2.0 Fortschrittliche Internettechnologien (Ajax, RSS), die Zusammenspiel, Kompatibilität und nutzerorientiertes<br />

Design erleichtern Social Media Internetbasierte Anwendungen und Plattformen, die Nutzern die Schaffung und den<br />

Austausch ihrer selbst erstellten Inhalte ermöglichen <strong>Cloud</strong> Computing Ressourcen, Software und Informationen sind<br />

auf Abfrage bereit, webbasiert und in Echtzeit verfügbar<br />

Die heutige Weltwirtschaft entwickelt sich zur <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong>, die auf<br />

soziale Netzwerke und geteilte Ressourcen ausgerichtet ist.<br />

• Traditionelle<br />

Wirtschaft<br />

• Handarbeit und<br />

landwirtschaftliche<br />

Produkte<br />

• Ständesystem<br />

und geringe Bevöl -<br />

kerungsdichte<br />

• Merkantilismus und<br />

Feudalwirtschaft<br />

TRADITIONELLE<br />

WIRTSCHAFT<br />

Virtuelle Abbildung<br />

der Zusammenarbeit<br />

von Menschen und<br />

Organisationen<br />

DIE ENTWICKLUNG IN RICHTUNG DER CLOUD ECONOMY<br />

• Schneller technologischer<br />

Fortschritt<br />

• Breite Palette von Gütern<br />

und Dienstleistungen<br />

• Marketing und PR:<br />

einseitige Kommunikation<br />

• Zeit vor der Internet-Ära<br />

VERARBEITENDE<br />

WIRTSCHAFT<br />

Virtuelle Abbildung des<br />

Informationsaustausches<br />

DIGITALE<br />

WIRTSCHAFT<br />

• Wohlstand wird durch<br />

Anwendung von Wissen<br />

geschaffen<br />

• Der Inhalt zählt:<br />

Kommunikation erfolgt<br />

in beide Richtungen<br />

Virtuelle<br />

Abbildung von<br />

Beziehungen (z.B.<br />

neue Formen<br />

des sozialen<br />

Austauschs im<br />

Internet)<br />

CLOUD<br />

ECONOMY<br />

BIS 1800 BIS 1950 BIS 2010 AB 2010<br />

• Vorherrschaft sozialer Online-Netzwerke im Internet<br />

• Soziale Komponenten als Teil von Geschäftsmodellen<br />

• Demokratisierung der grundlegenden Computer-<br />

ressourcen<br />

• Die IT erfolgt just in time<br />

• Der Zugang zu Werkzeugen für die Zusammenarbeit<br />

und Verbindung ist problemlos und weit verbreitet<br />

• Kommunikation über verschiedene Ebenen<br />

Editorial<br />

Liebe Leserinnen<br />

und Leser,<br />

Steckt hinter dem Hype um die Geschäftsmodelle von Facebook, LinkedIn<br />

und anderer „sozialer Netzwerke“ tatsächlich genug Substanz, von der auch<br />

„normale“ Unternehmen profitieren können? Oder beobachten wir wieder<br />

nur das Entstehen einer Blase? Die Antwort auf diese Fragen kann meiner<br />

Meinung nach nicht eindeutig ausfallen. Einerseits wecken die Investition<br />

von Goldman Sachs in Facebook – die Rede ist von 1 Milliarde Dollar – oder der<br />

Börsengang von LinkedIn sehr hohe Erwartungen: Das Karrierenetzwerk war am<br />

Ende des ersten Börsentags seinen Investoren stolze 8,9 Milliarden Dollar wert, bei<br />

243 Millionen Dollar Umsatz und 15 Millionen Dollar Gewinn wohlgemerkt. Diese<br />

Zahlen sind starke Indizien, dass es sich um eine Blase handeln könnte. Himmelhoch<br />

jauchzende Hoffnungen, die kaum zu erfüllen sind.<br />

Andererseits bin ich aber auch davon überzeugt, dass hinter Facebook, LinkedIn<br />

und Co. deutlich mehr steckt als überzeichnete Erwartungen. Denn die sozialen<br />

Netzwerke sind nur das auffälligste Zeichen einer Entwicklung: Immer weitere Bereiche<br />

des Privatlebens finden ihre Ergänzung in einer computerbasierten, virtuellen<br />

Umgebung. Das Freundschaftsnetzwerk ist damit jederzeit verfügbar. Vor dieser<br />

Entwicklung macht auch die Arbeitswelt nicht halt, im Gegenteil. Sie verlagert sich<br />

ebenfalls teilweise ins Virtuelle. In diesem Wandel<br />

steckt für Unternehmen eine Menge Potenzial. Wir<br />

nennen diese Entwicklung die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong>: eine<br />

Umgebung, in der Unternehmen die technischen Möglichkeiten<br />

und die Informationen aus den zahlreichen<br />

Nutzerdaten, die in der virtuellen Welt neu entstehen,<br />

für ihr Geschäftsmodell nutzen können.<br />

In diesem <strong>think</strong>:<strong>act</strong> SPECIAL beleuchten wir den<br />

Stand der Entwicklung und die Möglichkeiten, aber<br />

auch die Schwierigkeiten von Unternehmen bei ihrem<br />

Weg in die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong>. Wir hoffen, dass Ihnen<br />

diese Ausgabe unseres Magazins gefällt.<br />

Mit den besten Grüßen,<br />

Martin Wittig<br />

CEO <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />

THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 3


RUBRIK HIER RUBRIK HIER<br />

Seite 38<br />

Seite 14<br />

Seite 54<br />

Seite 26<br />

Seite 62<br />

Seite 42<br />

Inhalt<br />

FOOD FOR THOUGHT<br />

6 Mehr als eine Welt aus Servern<br />

Aus <strong>Cloud</strong> Computing, interaktiven Web-2.0-Angeboten<br />

und sozialen Netzwerken entsteht die <strong>Cloud</strong><br />

<strong>Economy</strong>.<br />

9 Die Mechanik des sozialen Geflechts<br />

Im Internet entstehen ständig neue Communitys, in<br />

denen sich Unternehmen zurechtfinden müssen. Eine<br />

Charakterisierung.<br />

14 Entdeckergemeinden machen mobil<br />

Social-Media-Communitys erscheinen auf den ersten<br />

Blick undurchschaubar. Manche Besonderheiten<br />

lassen sich aber ideal für das eigene Geschäft nutzen.<br />

STRATEGY<br />

18 Der lohnende Weg in die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong><br />

Unternehmen ringen um die passende Strategie und<br />

ihren richtigen Auftritt in Facebook, bei Twitter & Co.<br />

Was genau steckt dahinter?<br />

22 Den Kunden verstehen, Bit für Bit<br />

Gestern wie heute gilt: Wer erfolgreich sein will, muss<br />

wissen, was der Markt fordert. Gut, dass es in Zeiten<br />

der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> einfacher wird, die richtigen<br />

Antworten zu finden.<br />

26 „Wer auf Basis einer soliden Strategie vorgeht,<br />

muss keine Angst haben“<br />

Welche Bedeutung hat die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> für Unternehmen?<br />

Ein Gespräch zwischen Martin Wittig (CEO<br />

RBSC) und Sascha Lobo (Internet-Strategieberater).<br />

INDUSTRY REPORT<br />

34 Über den Wolken …<br />

ist die Freiheit nicht grenzenlos<br />

Es gibt einige sehr geschäftstüchtige Internetunternehmen<br />

in China, aber nur wenige Innovationen.<br />

Auch einige westliche Firmen haben es geschafft, in<br />

China Fuß zu fassen.<br />

38 Wie das Überall-Netz<br />

das reale Leben verbessert<br />

Junge Unternehmer in den USA tüfteln, wie sie mit<br />

mobilem Internet und Smartphone das Leben bequemer<br />

machen und damit Geld verdienen können.<br />

40 Marokkanern gefällt das<br />

Der marokkanische Mobilfunkanbieter Méditel<br />

setzt soziale Netzwerke strategisch ein – um die<br />

Kunden zu binden und den Absatz zu erhöhen.<br />

42 Schwarm-Intelligenz<br />

Immer mehr Unternehmen greifen bei der Neuentwicklung<br />

von Produkten und Services die Ideen und<br />

Anregungen ihrer Kunden direkt auf.<br />

46 Kaufsignale<br />

Manche Unternehmen wissen bereits heute, welche<br />

Produkte morgen gekauft werden – noch bevor es<br />

viele ihrer zahlreichen Käufer wissen.<br />

50 Verlässliche Freunde<br />

Schneller, günstiger, mehr Reichweite: Das sind nur<br />

einige der Vorteile, die Kundenservice über Social-<br />

Media-Netzwerke bietet.<br />

SERVICES<br />

54 Das Ende der Botschaften.<br />

Es lebe der Dialog<br />

Social-Media-Plattformen und die sich wandelnden<br />

Gewohnheiten der Öffentlichkeit fordern eine neue<br />

Kultur der Unternehmenskommunikation.<br />

58 Kampf um Köpfe<br />

Human-Resources-Manager können den Kampf<br />

um die besten Köpfe bei steigendem Fachkräftemangel<br />

nur gewinnen, wenn sie ihn im Web 2.0<br />

führen.<br />

60 „Es ist wichtig, sich selbst ein Bild zu machen“<br />

Informatikerin Angelika Ruppel kennt die Sicherheitsbedenken<br />

gegenüber <strong>Cloud</strong>-gestützten Services<br />

– und auch die passenden Vorsichtsmaßnahmen.<br />

ESSAY<br />

62 Die Regentänzer<br />

Die Geschichte des Internets lehrt: Der Weg zum<br />

nächsten Hype ist mit neuen Schlagwörtern gepflastert.<br />

Ist die „<strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong>“ mehr als nur ein<br />

wolkiges Versprechen?<br />

66 Impressum<br />

THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 5


<strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong>:<br />

Auch Unternehmen aus<br />

Schwellen- und Entwicklungsländern<br />

können<br />

profitieren.<br />

FOOD FOR THOUGHT<br />

Mehr als eine Welt<br />

aus Servern<br />

Das <strong>Cloud</strong> Computing, also die übers Internet verteilten<br />

Rechen- und Speicherkapazitäten sowie Softwareapplikationen,<br />

ist die technische Grundlage des interaktiven Web-2.0. Diese<br />

Angebote werden immer leistungsfähiger und wichtiger für das<br />

Alltags- und Berufsleben – die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> entsteht<br />

Wo Larry Ellison, Chef<br />

der Softwarefirma<br />

Oracle, auftaucht, ist<br />

Showtime. Der exzentrische<br />

Milliardär<br />

pflegt seit Jahrzehnten<br />

sein Image als Raubein und Provokateur. 1995<br />

diskutierte Ellison in Paris mit Microsoft-Chef<br />

Bill Gates über die Zukunft des PCs. Während<br />

Gates das damals bereits etablierte Prinzip des<br />

autarken, eigenständigen PCs als Universal-<br />

Rechenmaschine proklamierte, die sich für<br />

alle denkbaren Aufgaben ausrüsten lässt,<br />

prophezeite Ellison, die Zukunft läge bei den<br />

„dummen“, aber günstigen Computerterminals.<br />

Software, Applikationen und Dienste<br />

würden künftig ausschließlich im Netzwerk<br />

residieren und vom Anwender nach Bedarf<br />

abgerufen.<br />

Lange Jahre sah es so aus, als wäre dies nur<br />

eine schrullige Idee des Oracle-Chefs. Daten<br />

übers Internet verteilen – in Zeiten der 1,44<br />

Megabyte fassenden Disketten ein absurder<br />

Gedanke. Und als Apple 1998 den ersten<br />

iMac-Computer auslieferte, diskutierte die<br />

Branche die ungewohnte Optik des Gerätes<br />

ebenso intensiv wie den Verzicht auf das bis<br />

dato in Heim- und Bürorechnern standardmäßig<br />

verbaute Diskettenlaufwerk.<br />

Würde Ellison heute auf das Zitat von<br />

damals angesprochen, dürfte er sich wohl<br />

schmunzelnd die Hände reiben: Seine Vision<br />

beginnt wahr zu werden. Ohne Daten aus<br />

dem weltweiten Netz sind auch aktuelle PCs<br />

lediglich bessere Schreibmaschinen. Fernseher,<br />

Mobiltelefone, PKWs, selbst im Grunde<br />

banale Haushaltsgeräte wie Kühlschränke<br />

werden „kommunikationsfreudig“ und drängen<br />

ins Datennetz. Die Geschäftsmodelle von<br />

Multimilliardenunternehmen wie Facebook<br />

und Google gründen darauf, über das Internet<br />

Informationen zugänglich zu machen.<br />

Zugleich ist dank <strong>Cloud</strong> Computing praktisch<br />

unbegrenzte Rechenleistung und Speicherkapazität<br />

weltweit verfügbar. Genutzt wird<br />

diese Rechenpower unter anderem für die<br />

Schaffung virtueller Plattformen, auf denen<br />

immer größere Bereiche des täglichen Lebens<br />

stattfinden oder diese zumindest ergänzen:<br />

Einkauf, Kommunikation, Zusammenarbeit;<br />

selbst die privaten Netzwerke aus Freunden,<br />

Bekannten und Familienangehörigen werden<br />

durch Web-2.0-Angebote ergänzt oder<br />

gar überwiegend ins Internet verlagert. Ein<br />

kultureller Wandel, der auch weite Teile des<br />

Wirtschaftslebens umfasst. Die technischen<br />

Möglichkeiten erlauben neue oder erweiterte<br />

Arten der Zusammenarbeit. Es gibt zu-<br />

THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 7


FOOD FOR THOUGHT<br />

sätzliche Kommunikationskanäle und<br />

Möglichkeiten der sozialen Interaktion,<br />

sodass Erfahrungen, Ideen und Meinungen<br />

rasch und unkompliziert ausgetauscht<br />

werden können. Schließlich<br />

können neue Märkte oder Produkte quasi<br />

über Nacht entstehen oder bestehende<br />

Märkte binnen kürzester Zeit umgekrempelt<br />

werden. In dieser Kombination<br />

aus den Interaktionsmöglichkeiten,<br />

den aus den sozialen Netzen entliehenen<br />

Nutzergewohnheiten und den technischen<br />

Potenzialen des <strong>Cloud</strong> Computing<br />

entsteht die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> – virtuelle<br />

und reale Geschäftswelt vermischen und<br />

ergänzen sich. Eine Chance für etablierte<br />

Unternehmen, vergleichsweise günstig<br />

zu expandieren.<br />

Brasilien und Indien<br />

Profitieren können von dieser Entwicklung<br />

hin zur <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> aber auch<br />

kleinere Unternehmen oder Marktneulinge,<br />

darunter auch solche aus Schwellen-<br />

und Entwicklungsländern. Die<br />

Märkte werden durchlässiger, denn die<br />

Eintrittshürden für eine Teilnahme an<br />

der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> sind niedrig: Ein vergleichsweise<br />

leistungsschwacher PC und<br />

eine schnelle Internetleitung genügen,<br />

um ein überzeugendes Geschäftsmodell<br />

verwirklichen zu können.<br />

Beispiel Brasilien: Eine der populärsten<br />

Webseiten des Landes betreibt BuscaPé,<br />

ein Preisvergleichsdienstleister. Der<br />

Gründer Romero Rodriguez berichtet<br />

in einem Fernsehbeitrag der BBC vom<br />

Einfluss seiner Webseite: „Eine Menge<br />

Leute verbringen ihre Wochenenden in<br />

Shopping Malls. Am Montag, dem Tag,<br />

an dem wir die meisten Transaktionen<br />

beobachten, gehen diese Leute dann<br />

zur Arbeit und erledigen während der<br />

Mittagspause ihre Einkäufe. Sie nutzen<br />

also das Online-Angebot, um über ihre<br />

Offline-Einkäufe zu entscheiden – und<br />

umgekehrt.” Für die breite Bevölkerung<br />

ermöglichen die geschätzt etwa 100.000<br />

Internet-Cafés den Zugang zum Netz.<br />

Natürlich finden in Brasilien auch anderswo<br />

auf der Welt bekannte soziale Netzwerke<br />

ihre Fans: Mehr als sechs Millionen<br />

Neue Märkte<br />

oder Produkte<br />

können quasi<br />

über Nacht<br />

entstehen,<br />

bestehende<br />

Märkte binnen<br />

kürzester Zeit<br />

umgekrempelt<br />

werden<br />

Statistik<br />

Schwellenländer<br />

Indien:<br />

Fläche in Quadratkilometern:<br />

3.287.263<br />

Einwohner im Jahr 2010:<br />

1,19 Milliarden<br />

Bevölkerungsdichte:<br />

382 Einwohner/km 2<br />

BIP pro Kopf der Bevölkerung<br />

in US-$: 3.400<br />

Brasilien:<br />

Fläche in Quadratkilometern:<br />

8.514.877<br />

Einwohner im Jahr 2010:<br />

203,4 Millionen<br />

Bevölkerungsdichte:<br />

21,8 Einwohner/km 2<br />

BIP pro Kopf der Bevölkerung<br />

in US-$: 10.900<br />

Brasilianer sind bei Facebook vertreten,<br />

und das Business-Netzwerk LinkedIn<br />

zählt in Brasilien über eine Million Mitglieder.<br />

Noch deutlich populärer ist das<br />

mit Facebook vergleichbare Netzwerk Orkut,<br />

das von Google betrieben wird. Die<br />

Saat für weiteres Wachstum jedenfalls ist<br />

im größten Land Lateinamerikas bereits<br />

gelegt: Auf rund 203 Millionen Einwohner<br />

kommen mittlerweile über 210 Millionen<br />

Mobiltelefone – es ist wohl nur eine<br />

Frage der Zeit, bis sich, getrieben durch<br />

den steigenden Wohlstand der brasilianischen<br />

Bevölkerung, das mobile Internet<br />

auch dort durchsetzt. Und damit ganz<br />

neue Möglichkeiten bietet für Macher mit<br />

Ideen wie Romero Rodriguez.<br />

Auch Indien nutzt die Chancen der<br />

Computertechnologie konsequent und<br />

schon beinahe traditionell für die Weiterentwicklung<br />

des Landes. Die Erfolgsstory<br />

der indischen IT-Industrie rund um die<br />

ehemals beschauliche Verwaltungsmetropole<br />

Bangalore ist mittlerweile Allgemeinwissen.<br />

Unzählige kleine und beinahe<br />

jedes große Softwareunternehmen setzen<br />

auf indische Fachkräfte. Noch bemerkenswerter<br />

ist aber eine Entwicklung, die<br />

sich im Windschatten dieser Erfolgsstory<br />

vollzieht. Die Bevölkerung profitiert von<br />

der zunehmenden Verbreitung der Kommunikationskanäle:<br />

Bei der Zahl der<br />

Facebook-Nutzer steht Indien mit gut 20<br />

Millionen Usern weltweit auf Rang fünf,<br />

beinahe ebenso viele Inder nutzen Orkut.<br />

Zwei Drittel der Inder verfügen über einen<br />

Telefonanschluss, die meisten davon via<br />

Mobiltelefon. Das summiert sich auf die<br />

stattliche Zahl von rund 765 Millionen<br />

Anschlüssen. Geld lässt sich mit der Kommunikation<br />

von Millionen Indern ebenfalls<br />

verdienen: Unter den zehn größten<br />

Unternehmen in Indien sind mit Bharti<br />

Airtel und Reliance Communications<br />

gleich zwei Telekommunikationsanbieter.<br />

Und mit der weiteren Verbreitung der<br />

Technik, die einen Zugang zum Internet<br />

ermöglicht, steigt auch die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass unter den 1,3 Milliarden<br />

Indern die Zahl derjenigen erheblich zunimmt,<br />

die die Potenziale der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong><br />

erkennen und nutzen.<br />

Im Internet entstehen ständig neue Kanäle und Communitys, auf und in<br />

denen sich Unternehmen zurechtfinden müssen, um aktuelle Strömungen<br />

aufnehmen zu können. Die Charakteristika dieser neuen Kommunikationswege<br />

lassen sich aber, trotz dieser auf den ersten Blick unübersichtlichen Situation, in<br />

einigen wenigen Geschäftsmodellen klassifizieren<br />

GEFÄLLT MIR. Zwei kurze Worte, geprägt durch<br />

die standardisierte Verwendung im Social-<br />

Media-Netzwerk Facebook. Immer häufiger<br />

aber wird diese Floskel auch im Alltag verwendet.<br />

Ein Trend, eine Mode – oder doch<br />

ein Kulturwandel? Verschwimmen gar die<br />

Grenzen zwischen virtueller und realer Welt?<br />

Bereits heute steht fest, dass die Gruppe der<br />

aktiven Nutzer von Internetservices und Plattformen wie Facebook<br />

& Co. nicht mehr nur die üblichen Verdächtigen – die jungen, hippen<br />

und urbanen – umfasst, sondern zu einer generationenübergreifenden<br />

und weltweiten Massenbewegung geworden ist. Die<br />

Nutzer bewegen sich auf virtuellen Plattformen ebenso selbstverständlich<br />

wie in der realen Welt. Sie kaufen ein, verabreden sich,<br />

machen sich gegenseitig auf Angebote, Jobs und Projekte aufmerksam,<br />

kurz: Sie binden diese Plattformen intensiv in das Berufs-<br />

und das Privatleben ein. Diese breite Akzeptanz funktioniert auch<br />

deshalb so gut, weil die grundlegenden Techniken eigentlich alte<br />

Bekannte sind, über Jahre der Internetnutzung erprobt und gelernt.<br />

Ein Überblick über die wichtigsten Typen:<br />

INSTANT MESSAGING<br />

Kommunikation in Echtzeit<br />

FOOD FOR THOUGHT<br />

Die Mechanik des<br />

sozialen Geflechts<br />

Beim Instant Messaging (IM) kommunizieren Anwender<br />

in Echtzeit, meist per Textnachricht. Dafür<br />

müssen sie sich bei einem IM-Dienst anmelden. Die<br />

beliebtesten Anbieter sind in Europa und Amerika<br />

AOLs ICQ, der Windows Live Messenger, der Yahoo<br />

Messenger, Skype, in Asien vor allem Tecent QQ.<br />

Daneben gibt es auch Anwendungen, die in IT-<br />

Lösungen von Unternehmen integriert sind. Sobald<br />

sich ein Anwender in den IM-Dienst einwählt, kann<br />

er sehen, welche Freunde, Kollegen und Geschäftspartner<br />

online sind.<br />

DAS SOLLTE MAN ÜBER INSTANT MESSAGING WISSEN Vor<br />

vier Jahren galt IM als das Kommunikationsmittel<br />

der Zukunft, so die Experten des amerikanischen<br />

8 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 9


FOOD FOR THOUGHT<br />

Marktforschungsunternehmens Gartner. Ihre Prognose: Im Jahr<br />

2011 wird IM das wichtigste Werkzeug für Sprach-, Video- und<br />

Textnachrichten. Im Jahr 2013 sollten gar 95 Prozent der gesamten<br />

Kommunikation eines Unternehmens in Echtzeit per IM stattfinden.<br />

IM werde in vielen Fällen die E-Mail ablösen, ebenso die SMS.<br />

„Instant Messaging wird in Unternehmen einen ähnlichen Siegeszug<br />

antreten wie einst E-Mails“, schrieben die Gartner-Experten 2007<br />

in ihrer Studie und hatten einen Rat an Unternehmen: Sie sollten<br />

so schnell wie möglich IM in ihre Geschäftsprozesse einbinden. Das<br />

haben viele Unternehmen auch getan, doch das System wird kaum<br />

häufiger genutzt als im Jahr 2007, im Gegenteil: Der Trend ist rückläufig,<br />

wie eine Hochrechnung von UK Online Measurement zeigt.<br />

Im Jahr 2007 nutzten in England 14 Prozent der Internetnutzer ihre<br />

Onlinezeit für IM, 2010 waren es nur noch 5 Prozent.<br />

Die Schwächen des IM waren den Marktforschern von Gartner<br />

bereits damals bekannt: Über Instant Messaging empfangene<br />

Nachrichten lassen sich nicht so einfach und systematisch archivieren<br />

wie E-Mails. Zudem war und ist der Markt zersplittert:<br />

Die meisten IM-Systeme sind in sich geschlossene Biotope. Wer<br />

IM privat und beruflich nutzen will, muss folglich mehrere Konten<br />

bei mehreren Anbietern unterhalten – und dort jeweils einen<br />

Teil der Kontakte sammeln. Die größte Schwäche von IM aber ist<br />

seine Bindung an einen Computer: Lange ließen sich die meisten<br />

IM-Dienste nur von dort aus anwählen. Während also die Nutzer,<br />

erst per Handy, dann per Blackberry und heute per Smartphone<br />

immer mobiler wurden, blieb IM ein Kanal für den Schreibtisch.<br />

Der britische Journalist und Medienanalyst Chris Green beurteilt<br />

diesen Wandel wie folgt: „Die Menschen sind weitergezogen“, sagt<br />

er. „Die Neuheit hatte sich abgenutzt.“<br />

Die Echtzeitkommunikation existiert aber weiter. Das kalifornische<br />

Marktforschungsunternehmen The Radicati Group schätzt,<br />

dass es rund 2,4 Milliarden IM-Konten gibt. Die Zahl wird sich laut<br />

Expertenmeinung auf 3,5 Milliarden im Jahr 2014 steigern. Allerdings<br />

hat IM heute eine untergeordnete Bedeutung. Das technische<br />

Prinzip lebt jedoch weiter als Teil von Social-Media-Netzwerken wie<br />

Facebook oder in der Internettelefonie, etwa bei Skype.<br />

BLOGS<br />

Das ist die Blogosphäre<br />

Blogs seien die „Klowände des Internets“, so harsch kanzelte Jean-<br />

Remy von Matt, Inhaber einer führenden deutschen Werbeagentur,<br />

dieses Medium einst ab. Schließlich könne auf Blogs jeder publizieren,<br />

was er oder sie wolle. Das stimmt zwar, erlaubt aber kein<br />

Urteil über die Güte des Inhalts der Blogs. Die nämlich kann extrem<br />

hoch sein, wie beispielsweise Profi-Analysten bekannter Finanzhäuser<br />

zugeben müssen: Bei der Prognose der Quartalszahlen von<br />

Apple liegen Amateur-Blogger mittlerweile regelmäßig näher an<br />

BLOGS<br />

INSTANT<br />

MESSAGING<br />

SOZIALE<br />

NETZWERKE<br />

SHARING<br />

& HOSTING<br />

Viele Logos, viele<br />

Gemeinden. Aber eine<br />

überschaubare Anzahl an<br />

Geschäftsmodellen.<br />

FOOD FOR THOUGHT<br />

der Wirklichkeit als die Spezialisten von Goldman<br />

Sachs, Morgan Stanley oder der Deutschen Bank.<br />

Die Reputation von Blogs nimmt stetig zu. Immer<br />

mehr Firmen erkennen die Vorteile von Blogs als<br />

Kommunikationsforum, über das sie täglich, wöchentlich<br />

oder unregelmäßig mit ihren Kunden in<br />

Kontakt kommen oder sich selbst erklären können.<br />

DAS SOLLTE MAN ÜBER BLOGS WISSEN Sogenannte Corporate<br />

Blogs sind meist eingebettet in Internetseiten<br />

von Firmen. Dort schreiben zum Beispiel mehrere<br />

Mitarbeiter eines Unternehmens über Produkte,<br />

Neuigkeiten oder Strategien. Deutsche Firmen hinken<br />

dem Trend etwas hinterher. Während es hierzulande<br />

nur wenige hundert Unternehmensblogs gibt,<br />

bloggen bereits mehrere tausend Unternehmen in<br />

den USA. Besonders selten sind CEO-Blogs. Dort<br />

schreibt der Chef persönlich. In den USA gehören<br />

Blogs wie der „FastLane Blog“ von General Motors<br />

oder der Blog „Nuts about Southwest“ von Southwest<br />

Airlines mittlerweile zum festen Bestandteil der direkten<br />

Kommunikation mit Kunden, Mitarbeitern<br />

und anderen Zielgruppen.<br />

DIE CHANCEN Für Unternehmen bieten Blogs vor<br />

allem drei Chancen. Erstens: Blogs verbinden Unternehmen<br />

mit ihren Kunden. Firmen können ihren<br />

Blog etwa als Marketingwerkzeug nutzen. Zweitens:<br />

Ein Blog kann dabei helfen, die eigene Reputation zu<br />

erhöhen, etwa indem das Management strategische<br />

Entscheidungen erklärt oder Persönlichkeiten des<br />

Unternehmens auf Fragen der Kunden eingehen.<br />

Drittens: Blogs dienen als Kommunikationsinstrument,<br />

nicht nur in guten Zeiten, sondern auch bei<br />

Krisen und Konflikten.<br />

Ben Shneiderman, Professor der University of<br />

Maryland am Lehrstuhl Computer Science & Human-Computer<br />

Inter<strong>act</strong>ion Lab, sieht daneben noch<br />

weitere Einsatzmöglichkeiten von Blogs: „Im Gesundheitssektor<br />

könnten Blogs Experten und Bürger<br />

zusammenbringen, um Informationen zu sammeln,<br />

die die Forschung und Gesundheitspolitik nicht nur<br />

unterstützen, sondern auch verbessern.“ Ähnliche<br />

Möglichkeiten sieht er für den Bildungssektor, für<br />

die Wirtschaft oder bei Katastropheneinsätzen.<br />

DIE RISIKEN Jedes Blog weckt Aufmerksamkeit, bei<br />

Kunden, interessierten Bald-Kunden, aber auch bei<br />

kritischen Gruppen. Wenn Unternehmen ihr Wort<br />

an die Öffentlichkeit richten, müssen sie mit einer<br />

10 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 11


FOOD FOR THOUGHT<br />

„Viele Menschen teilen sich<br />

der Welt mit, aber nicht alle<br />

tun es auf dieselbe Weise“<br />

Mikolaj Jan Piskorski, Professor an der Harvard Business School<br />

Gegenreaktion rechnen. Dabei dürfen Firmen nicht unterschätzen,<br />

wie vernetzt Internetnutzer sind. Negative Reaktionen können sich<br />

rasch aufschaukeln. Experten sprechen von einer erhöhten Skandalisierungsgefahr<br />

durch die Exponiertheit, also durch die Konfrontation<br />

von Unternehmen mit Ansprüchen ihrer Kunden, die in<br />

keinem direkten Zusammenhang mit dem eigentlichen Geschäft<br />

stehen. Ein Beispiel zur Macht von Blogs: Siemens-Mitarbeiter<br />

hatten über einen internen Blog erfahren, dass ihr damaliger Chef<br />

Klaus Kleinfeld die Vorstandsgehälter erhöhen wollte. Sie hatten<br />

die Information an die Presse gegeben. Die Medienberichte und die<br />

darauf folgende öffentliche Diskussion waren äußerst kritisch, die<br />

Pläne wurden ad <strong>act</strong>a gelegt.<br />

DIE HERAUSFORDERUNG Unternehmen sollten eine Blogging-Strategie<br />

verfolgen. Experten des amerikanischen Marktforschungsinstituts<br />

Top Rank Online Marketing haben herausgefunden, dass<br />

nicht allein eine gesteigerte öffentliche Wahrnehmung das Ziel eines<br />

Blogs sein darf. So ein Ziel wird rasch enttarnt, und das Interesse<br />

von Kunden schlägt schnell um in Ärger oder gar Abneigung.<br />

Will ein Unternehmen einen Austausch zwischen Konsument und<br />

Produzent fördern, ist mehr gefragt als Marketing – nämlich ein<br />

Dialog mit den Nutzern des Blogs, und das in hoher Qualität und<br />

Authentizität.<br />

TWITTER<br />

Kommunikation in 140 Zeichen<br />

Innerhalb von wenigen Monaten eroberte der Mikroblogging-Dienst<br />

Twitter die Internetgemeinschaft. 140 Zeichen haben Blogger bei<br />

Twitter für ihre Nachricht zur Verfügung. Das Besondere an Twitter:<br />

Nachrichten werden von den Lesern weiterverbreitet – und erreichen<br />

so sekundenschnell eine weltweite Gemeinde. Warum genau<br />

welche Nachrichten so rasant verbreitet werden, untersucht derzeit<br />

Krishna Gummadi vom Max-Planck-Institut für Softwaresysteme<br />

in Saarbrücken mit Forschern des Korean Institute of Science and<br />

Technology. Die Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass sie<br />

dies mit rund 1,75 Millionen Tweets herausfinden können. Sou-<br />

mitra Dutta, akademischer Leiter des Forschungszentrums<br />

für Digitale Wirtschaft an der Business<br />

School INSEAD im französischen Fontainebleau,<br />

ist davon überzeugt, dass das Potential von Twitter<br />

noch bei weitem nicht ausgeschöpft ist: „Twitter ist<br />

eine großartige Echtzeit-People-to-People-Suchmaschine.<br />

Es ermöglicht, eine schnelle Rückmeldung<br />

oder Antwort von Leuten zu bekommen. Darin liegt<br />

die Macht von Twitter. Und das wird noch länger<br />

so sein.“<br />

SOZIALE NETZWERKE<br />

Digitales Beziehungsnetzwerk<br />

Das Internet beherbergt heute eine eigene Welt, in<br />

der sich die sogenannten Digital Natives so selbstverständlich<br />

bewegen wie in der analogen Realität.<br />

In sozialen Netzwerken verabredet man sich, recherchiert,<br />

macht sich gegenseitig auf Jobangebote und<br />

Projekte aufmerksam. An der mitgliederstärksten<br />

Plattform Facebook kommt kein Manager mehr vorbei.<br />

„Bei Facebook sind mittlerweile rund 680 Millionen<br />

Menschen angemeldet“, sagt Soumitra Dutta.<br />

„CEOs und Unternehmen sollten dort ebenfalls vertreten<br />

sein.“ Die erfolgreichste Unternehmensseite<br />

auf Facebook führt derzeit Coca-Cola. Der Konzern<br />

hat rund 30 Millionen Fans auf der Plattform – ein<br />

bedeutender Baustein in der Social-Marketing-Strategie<br />

des Getränkegiganten.<br />

DER NUTZEN Eine große Zahl von Facebook-Fans ist<br />

mehr als nur ein Imagegewinn. Utpal M. Dholakia,<br />

Associate Professor an der Rice-Universität in Houston,<br />

Texas, wies am Beispiel einer lokalen Café-Kette<br />

den konkreten wirtschaftlichen Nutzen erfolgreicher<br />

Unternehmensseiten nach: Kunden der Kette<br />

Dessert Gallery besuchten deren Filialen im Schnitt<br />

20 Prozent häufiger, nachdem sie auf Facebook zu<br />

Fans des Unternehmens geworden waren. Sie generierten<br />

mehr positive Mundpropaganda, zeigten sich<br />

dem Unternehmen stärker verbunden und gaben<br />

dort mehr Geld aus als in anderen Cafés.<br />

DIE VERBREITUNG Facebook ist freilich nicht die<br />

einzige bedeutende Plattform in der Welt sozialer<br />

Netzwerke. Der chinesische Konkurrent Qzone,<br />

lanciert im Jahr 2005 und damit nur ein Jahr später<br />

als Facebook, hat rund 480 Millionen Nutzer. Das<br />

US-amerikanische Netzwerk Bebo steht mit rund<br />

117 Millionen Nutzern an dritter Stelle; es folgen un-<br />

WEB 2.0 SOZIALE NETZWERKE<br />

mit mehr als 20 Millionen registrierten Nutzern und ihre Verbreitung<br />

BEBO /<br />

BEBO /<br />

117 MIO<br />

117 MIO<br />

BEBO<br />

Nordamerika<br />

Nordamerika<br />

/<br />

117 MIO<br />

Nordamerika<br />

ORKUT /<br />

ORKUT /<br />

100 MIO<br />

100 MIO<br />

ORKUT<br />

Indien, Brasilien<br />

Indien,<br />

/<br />

Brasilien<br />

100 MIO<br />

Indien, Brasilien<br />

HI 5 /<br />

HI 5 /<br />

80 MIO<br />

80 MIO<br />

HI<br />

Lateinamerika<br />

Lateinamerika<br />

5 /<br />

80 MIO<br />

Lateinamerika<br />

ter anderem Friendster, Orkut und Myspace. Hinzu kommen viele<br />

Plattformen mit starker regionaler Bedeutung, etwa der russische<br />

Facebook-Klon VKontakte, das chinesische Mixi, das südkoreanische<br />

Cyworld und das US-amerikanische Hi5, das insbesondere<br />

unter lateinamerikanischen Internetnutzern beliebt ist. „Führungskräfte<br />

sollten BEBO / diesen Plattformen ebenfalls Aufmerksamkeit schenken,<br />

falls 117 deren MIONutzergruppen<br />

für sie relevant sind“, sagt Dutta von<br />

INSEAD. Nordamerika Zusätzlich können sich Manager bei speziellen 135 Business- MIO<br />

Plattformen wie dem deutschen Xing, dem US-amerikanischen<br />

Russland<br />

LinkedIn oder dem französischen Viadeo anmelden. „Sie sind<br />

besser für konkrete Geschäftszwecke geeignet als etwa Facebook,<br />

weil die Nutzergemeinde dort homogener ist“, sagt Dutta. Diese<br />

Homogenität ORKUT kann / natürlich, je nach Geschäftsmodell, wiederum<br />

von Nachteil 100 MIO sein.<br />

Indien, Brasilien<br />

DIE REGIONALEN BESONDERHEITEN Es gilt zu beachten, dass soziale<br />

Netzwerke je nach Region unterschiedlich genutzt werden. „Viele<br />

Menschen teilen sich der Welt mit, aber nicht alle tun es auf dieselbe<br />

Weise“, HI konstatiert 5 / Mikolaj Jan Piskorski, Associate Professor für<br />

Business 80 Administration MIO<br />

an der Harvard Business School, in einer<br />

aktuellen Lateinamerika Studie. Cyworld etwa ist aufgebaut wie ein gigantisches<br />

Spiel, mehr als die Hälfte der südkoreanischen Bevölkerung ist<br />

RUBRIK HIER<br />

dort mit sogenannten Avataren vertreten. In Japan,<br />

Deutschland und den USA scheiterte der Plattformbetreiber<br />

SK Telecom mit diesem Konzept.<br />

SHARING-PLATTFORMEN<br />

FRIENDSTER /<br />

VKONTAKTE /<br />

115 MIO<br />

Jede Menge Inhalte Südostasien<br />

Internetseiten, auf denen Nutzer Fotos, Videos oder<br />

Musik mit anderen Internetnutzern teilen, haben in<br />

den vergangenen Jahren beachtliche Bedeutung im<br />

komplexen Social-Media-Gefüge erlangt. Die Videoplattform<br />

YouTube, 2005 in Kalifornien gegründet,<br />

ist die am dritthäufigsten besuchte Website der Welt<br />

und hat mittlerweile viele Nachahmer. Unter den<br />

100 weltweit QZONE gefragtesten /<br />

Internetseiten finden sich<br />

zahlreiche<br />

480 MIO<br />

weitere Sharing- und Hosting-Angebote,<br />

China<br />

etwa die chinesischen Videoplattformen Tutou und<br />

Youku sowie die Foto-Webseiten Flickr und ImageShack.<br />

Diese werden derzeit aber zunehmend von<br />

Social-Media-Plattformen wie Facebook verdrängt.<br />

12 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 13<br />

FACEBOOK /<br />

680 MIO<br />

VKONTAKTE<br />

VKONTAKTE<br />

/<br />

/<br />

135 MIO<br />

135 MIO<br />

VKONTAKTE<br />

Russland<br />

Russland<br />

/<br />

135 MIO<br />

Russland<br />

LINKEDIN /<br />

100 MIO<br />

weltweit<br />

QZONE /<br />

QZONE /<br />

480 MIO<br />

480 MIO<br />

QZONE<br />

China<br />

China<br />

/<br />

480 MIO<br />

China<br />

FACEBOOK<br />

FACEBOOK<br />

/ LINKEDIN / LINKEDIN<br />

/<br />

/<br />

MYSPACE<br />

MYSPACE<br />

/<br />

/<br />

VIADEO /<br />

VIADEO /<br />

680 MIO<br />

680 MIO 100 MIO<br />

100 MIO<br />

60 MIO<br />

60 MIO 35 MIO<br />

35 MIO<br />

FACEBOOK<br />

weltweit<br />

weltweit<br />

/ LINKEDIN<br />

weltweit<br />

weltweit<br />

/ MYSPACE<br />

weltweit<br />

weltweit<br />

/ VIADEO<br />

weltweit<br />

weltweit /<br />

680 MIO 100 MIO 60 MIO<br />

35 MIO<br />

weltweit<br />

weltweit<br />

weltweit<br />

weltweit<br />

MYSPACE /<br />

60 MIO<br />

weltweit<br />

MIXI /<br />

MIXI CY/<br />

CY<br />

29 MIO<br />

29 WORLD MIO /<br />

WORLD /<br />

MIXI<br />

Japan<br />

Japan 24 / CY<br />

MIO<br />

24 MIO<br />

FRIENDSTER<br />

FRIENDSTER<br />

/<br />

/ 29 MIO WORLD<br />

Südkorea<br />

Südkorea /<br />

115 MIO<br />

115 MIO Japan 24 MIO<br />

FRIENDSTER<br />

Südostasien<br />

Südostasien<br />

/<br />

Südkorea<br />

115 MIO<br />

Südostasien<br />

VIADEO /<br />

35 MIO<br />

weltweit<br />

MIXI /<br />

29 MIO<br />

Japan<br />

CY<br />

WORLD /<br />

24 MIO<br />

Südkorea


FOOD FOR THOUGHT<br />

Entdeckergemeinden<br />

machen mobil<br />

Die Nutzer von Social-Media-Plattformen bilden Communitys,<br />

deren Ziele, Zusammensetzung und Verhalten auf den ersten Blick<br />

undurchschaubar erscheinen. Viele Entscheider sind daher unsicher,<br />

ob sie oder ihr Unter nehmen den Schritt in die virtuelle Welt wagen<br />

sollen. Dabei lassen sich einige Eigenheiten dieser Communitys ideal<br />

für das eigene Geschäft nutzen<br />

FÜR WAHRSCHEINLICH jede<br />

Alters- und Interessengruppe<br />

existieren mittlerweile eigene<br />

Plattformen und Beziehungsstrukturen<br />

im Netz. Doch oft<br />

kapitulieren Unternehmen, die<br />

exakt die fürs eigene Geschäft relevante<br />

Community identifizieren<br />

wollen, vor der schier endlosen Zahl an <strong>Special</strong>-<br />

Interest-Gemeinden. Übrig bleibt dann eine wenig<br />

durchdachte und daher nur mäßig frequentierte<br />

Präsenz auf Facebook oder anderen besonders<br />

bekannten Social-Media-Plattformen. Besser<br />

wäre es, die User auf einer bestehenden Plattform<br />

abzuholen. So wie es beispielsweise der deutsche<br />

Burda-Verlag getan hat, der einen erfolgreichen<br />

Mode-Blog aufgekauft hat.<br />

Eleganter ist es, bestehende Kunden aus der realen<br />

Welt in die virtuelle Welt mitzunehmen: Die<br />

Robert-Bosch-Gruppe beispielsweise finanziert<br />

14 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL<br />

Eigenheiten kennen.<br />

Erfolgreiche Unternehmen nutzen<br />

Social-Media-Communitys.


FOOD FOR THOUGHT<br />

Dabei sein ist nicht alles<br />

Social-Media-Knigge für CEOs<br />

„Die Zeit von Entscheidern<br />

ist knapp. Deshalb dürfen sie<br />

ruhig die Finger von privaten<br />

Plattformen lassen.“ Diese<br />

Meinung vertritt Social-Media-<br />

Experte Dr. Jan-Hinrik Schmidt<br />

vom Hans-Bredow-Institut in<br />

Hamburg. Niemand solle sich<br />

zu PR-Zwecken in Facebook<br />

und Co. zwingen lassen. Ein<br />

Profil in beruflichen Plattformen<br />

(Xing, LinkedIn) gehört<br />

zwar in zahlreichen Branchen<br />

zum guten Ton, denn es bringt<br />

Reputation und Kontakte fürs<br />

Unternehmen. Aber schnell<br />

können Entscheider überfordert<br />

sein, weil sie sehr begehrt<br />

sind – Topmanager zählt<br />

wohl jeder gerne zu seinen<br />

Kontakten. „Wenn es nur der<br />

anderen Seite um ihren eigenen<br />

Vorteil geht, dann sollte<br />

man zurückhaltend sein“, rät<br />

Schmidt. Übertriebene Eigeninitiative<br />

sei ebenfalls fehl<br />

am Platz. Gerade Entscheider<br />

dürften nicht danach streben,<br />

ihr Netzwerk um jeden Preis zu<br />

erweitern. „Bei einer Business-<br />

Konferenz stecken Sie ja auch<br />

nicht jedem eine Karte zu“, so<br />

Schmidt. Prinzipiell hält er ein<br />

großes Netzwerk auch im Netz<br />

aber für hilfreich.<br />

Wie allen Experten fällt es allerdings<br />

auch Schmidt schwer,<br />

die richtige Größe zu defi-<br />

nieren. Der Soziologe Robin<br />

Dunbar sieht seine Theorie,<br />

das menschliche Gehirn könne<br />

maximal 150 Freundschaften<br />

verwalten, auch im Web bestätigt.<br />

Allerdings hat er seine<br />

Forschungsergebnisse noch<br />

nicht offengelegt. Schmidt<br />

schätzt die Theorie seines<br />

Kollegen Mark Granovetter<br />

aus den 1970er Jahren als<br />

essenzieller ein und bejaht,<br />

dass deren Weiterentwicklung<br />

auch in der Netzwelt gilt:<br />

Starke Beziehungen lassen<br />

sich nur zu einer beschränkten<br />

Zahl von Menschen aufbauen.<br />

Diese sind in der Regel<br />

stark miteinander verknüpft<br />

und bilden eine weitgehend<br />

geschlossene Gemeinschaft.<br />

Aber: Die darüber hinaus bestehenden<br />

schwachen Verbindungen<br />

zu anderen Personen<br />

bilden eine Brücke zu anderen<br />

Netzwerken. Und dort warten<br />

immer wieder wichtige Informationen<br />

und Kontakte. Auch<br />

für Entscheider.<br />

unter anderem eine Homepage für Heimwerker<br />

mit Do-it-yourself-Wiki und Forum. Dort werden<br />

auch Nischenfragen wie etwa die nach der Abschaltmöglichkeit<br />

des Pendelhubs einer Stichsäge beantwortet<br />

– die Mitglieder der Plattform nehmen sich<br />

auch für diese Anliegen Zeit. Zudem verlinken sie<br />

ihre Beiträge mit Bauanleitungen oder präsentieren<br />

Projektideen, für die sie Beratung benötigen. Jeder<br />

stellt ein Profil online und skizziert seine Fähigkeiten.<br />

Die Community organisiert sich selbst, die<br />

Hobbybastler investieren viel Zeit und Herzblut und<br />

achten darauf, dass die Regeln eingehalten werden,<br />

die sie selbst aufgestellt haben. Bosch seinerseits tritt<br />

nur sporadisch in Erscheinung, schreibt Workshops<br />

aus, promotet eigene Wettbewerbe oder bietet einen<br />

Chat mit Experten aus dem Haus an. Diese lebendige,<br />

ungefilterte Aktivität macht die Plattform auch<br />

interessant für neue Besucher. Die Idee für die virtuelle<br />

Plattform stammt aus der realen Welt: dem Baumarkt.<br />

In der Konzeptionsphase lud Bosch Kunden<br />

und Interessenten zu Besprechungen ein, die bereits<br />

in Heimwerker-Foren aktiv waren. Anschließend<br />

wurde die Plattform realisiert, die dank der „viralen<br />

Weiterempfehlung“ auf Facebook und Co. zum<br />

Erfolg wurde. Überrascht blicken Außenstehende<br />

auf die Community, bei der aus virtuellen Handlungen<br />

auch mal Treffen im realen Leben werden:<br />

Die Nutzer verabreden sich, um etwa einem Mitglied<br />

beim Bau des Gartenhäuschens zu helfen. Und<br />

natürlich zieht Bosch, abseits vom Image-Gewinn,<br />

auch zusätzlichen Nutzen aus der Plattform. Einige<br />

der dort aktiven Heimwerker dürfen neue Produkte<br />

testen und bewerten. Das Prinzip „Mitmachen“<br />

funktioniert auch in anderen Branchen: Der nordamerikanische<br />

Pizza-Produzent Papa John’s forderte<br />

seine Community auf, Rezepte für die Fast-Food-<br />

Restaurants zu kreieren. Der Gewinner erhielt eine<br />

Umsatzbeteiligung von einem Prozent, Papa John’s<br />

war sprichwörtlich „in aller Munde“.<br />

Social-Media-Aktivitäten müssen<br />

einen Mehrwert bieten<br />

Entscheidend beim Community-Building sind nicht<br />

nur Faktoren wie Alter oder Beruf. Die Social-Media-<br />

Welt ermöglicht virtuelle Beziehungen zum Kunden<br />

vor Ort genauso wie zur Community in Übersee.<br />

Experten raten daher, eine eigene Plattform mit<br />

verschiedenen Kanälen und Zugängen zu kreieren,<br />

die ihrem Unternehmen einen Wiedererkennungseffekt<br />

verleiht. Dort gilt es, der Community einen<br />

Mehrwert zu bieten. Nur ein Blog zu starten und es<br />

nach einigen Monaten nicht mehr zu pflegen, genügt<br />

definitiv nicht. Aktivität ist der Gradmesser für jede<br />

Social-Media-Plattform. Social-Media-Aktivitäten<br />

sind daher immer mit Aufwand, Beharrlichkeit und<br />

auch Kosten verbunden. Stark verlinkte Inhalte<br />

und ständig neue Kommentare, die eine häufige<br />

Aktualisierung der Webseite bedeuten, sorgen für<br />

eine erfolgreiche Listung bei Google und anderen<br />

Suchmaschinen. Im besten Fall wird die Community<br />

sogar zum Botschafter des Unternehmens – und<br />

damit unbezahlbar.<br />

Smartphones integrieren<br />

Social Media ins reale Leben<br />

Nach einer Prognose der Investmentbank Morgan<br />

Stanley werden Mobilgeräte bis 2015 den klassischen<br />

PC als gängiges Gerät für den Internetzugang abgelöst<br />

haben. Untersuchungen zeigen, dass Facebook<br />

und Twitter bereits jetzt öfter von unterwegs genutzt<br />

werden als vom Computer zuhause. Social Media<br />

Communitys begleiten ihre Mitglieder mittlerweile<br />

überall hin – Smartphone sei Dank.<br />

Auch der Funktionsumfang der Mobilgeräte<br />

steigt immer weiter. Aktuelle Smartphones wissen,<br />

wo sie sich gerade aufhalten, und geben diese Information<br />

weiter, mitunter ohne Wissen der Nutzer,<br />

manchmal aber auch schon mit deren Einverständnis:<br />

Die Geolocation-Community Foursquare beispielsweise<br />

war eines der ersten standortbezogenen<br />

sozialen Netzwerke, das auf der GPS-Fähigkeit von<br />

Mobiltelefonen basiert. Die Mitglieder melden, wo<br />

sie sich gerade befinden, und bekommen ihrerseits<br />

Statusmeldungen aus ihrem persönlichen Netzwerk.<br />

Zudem können sie Empfehlungen abrufen, ob es in<br />

der Nähe einen angesagten Club oder ein Restaurant<br />

mit günstigem Lunch gibt. Für heimeliges Community-Gefühl<br />

sorgt die Belohnungsfunktion: Wer den<br />

Dienst fleißig nutzt, wird mit virtuellen Stickern und<br />

Abzeichen belohnt – Informationen, die natürlich an<br />

die eigenen Kontakte weitergegeben werden, zum<br />

Wettbewerb anspornen und für rege Kommunikation<br />

im eigenen Beziehungsgeflecht sorgen können.<br />

Besonders häufige „Check-ins“ an einem Lieblingsort<br />

werden mit dem „Bürgermeister-Titel“ honoriert,<br />

der allerdings laufend verteidigt werden muss.<br />

Facebook und Twitter<br />

werden bereits jetzt öfter von<br />

unterwegs genutzt als vom<br />

Computer zuhause<br />

Foursquare-Gründer Dennis Crowley betrachtet<br />

die Check-ins als „atomare Einheit für die messbare<br />

Relevanz eines Ortes“. Die Wurzeln des Belohnungsprinzips<br />

liegen in der Computerspiele-Industrie, die<br />

schon vor Jahren erkannt hat, dass die Nutzer mit<br />

noch mehr Begeisterung bei der Sache sind, wenn<br />

sie für ihre Leistung eine, wenn auch virtuelle, Belohnung<br />

wie den Eintrag in einer Siegerliste erhalten.<br />

Foursquare, 2009 gegründet, ist bereits auf über<br />

sieben Millionen User angewachsen. Immer mehr<br />

Unternehmen wollen als „Orte“ markiert werden, um<br />

das Netzwerk als neuen Werbekanal und Instrument<br />

zur Kundenbindung zu nutzen: Als Gegenleistung<br />

für Check-ins bieten Geschäfte und Unternehmen<br />

beispielsweise Freikarten oder Rabatte. Das hat natürlich<br />

auch den Marktgiganten Facebook auf den<br />

Plan gerufen, der das Prinzip kopiert und Mitte 2010<br />

sein Angebot „Places“ gestartet hat. Der Nutzer des<br />

Geo-Dienstes sieht, ob sich Freunde gerade in der<br />

Nähe befinden, und kann sich spontan mit ihnen<br />

in der realen Welt verabreden. Aber auch bei Facebook<br />

Places steht natürlich das Geschäftsmodell im<br />

Mittelpunkt. Bei der Einführung in den USA war<br />

zum Beispiel Burger King mit von der Partie und<br />

bot jedem Mitglied seiner Community einen Gratis-<br />

Whopper fürs Einchecken mittels Facebook-App.<br />

Etwas werthaltiger war die Aktion des Autoherstellers<br />

Mazda, der seiner Community in England 20<br />

Prozent Nachlass beim Kauf eines Sportwagens bot<br />

und damit riesiges Medieninteresse auf sich zog. In<br />

Deutschland offerierte H&M seinen Freunden 25<br />

Prozent Nachlass auf einen beliebigen Artikel. Vor<br />

allem Unternehmen mit lokaler Verankerung oder<br />

großem Filialnetz sehen eine Chance bei den Geo-<br />

Diensten und engagieren sich.<br />

FOOD FOR THOUGHT<br />

16 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 17


Claims abstecken.<br />

Wer RUBRIK als Unternehmer HIER<br />

weiß, wie er die<br />

Daten in der <strong>Cloud</strong><br />

nutzen kann, hat eine<br />

Goldmine gefunden.<br />

Der lohnende Weg in die<br />

<strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong><br />

Derzeit ist in vielen Unternehmen ein interessantes Schauspiel<br />

zu beobachten. Unterschiedliche Fachabteilungen ringen um die<br />

passende Strategie und ihren richtigen Auftritt in Facebook,<br />

bei Twitter & Co.<br />

DIE FRAGE MUSS erlaubt<br />

sein: Warum tun diese<br />

Unternehmen sich das an?<br />

Schließlich produziert die<br />

Nutzung von Social Media<br />

kein fassbares Produkt<br />

und beinhaltet in den<br />

meisten Fällen auch keine<br />

nennenswerte Dienstleistung. Der unmittelbare<br />

Grenznutzen dieser Aktivitäten für das Kerngeschäftsfeld<br />

dieser Unternehmen erschließt sich<br />

zumindest nicht auf den ersten Blick. Trotzdem<br />

sind diese Unternehmen auf der richtige Fährte.<br />

Sie setzen dort an, wo ihre Kunden bereits sind:<br />

auf virtuellen, cloudbasierten Plattformen, auf<br />

denen sich Verbraucher austauschen. Dabeisein<br />

ist aber kein Selbstzweck. Schließlich passiert auf<br />

Social-Media-Plattformen mehr als nur interaktiver<br />

Austausch: Jede Internetsuche, jede Produktbewertung,<br />

jede Transaktion, jede Statusmeldung<br />

hinterlässt Datenspuren im weltweiten Netz. In<br />

diesen webbasierten Daten steckt der Wert für<br />

STRATEGY<br />

Unternehmen, wenn sie Social-Media-Netzwerke<br />

beobachten und nutzen.<br />

Das Datenvolumen, das übers Internet transferiert<br />

wird, wächst dabei explosionsartig: Der<br />

Netzwerkausrüster Cisco prognostiziert, dass der<br />

jährliche Internet-Traffic bis 2014 auf 767 Exabytes<br />

anwachsen wird – um die Zahl der Bytes<br />

eines Exabytes auszudrücken, bräuchte man 18<br />

Nullen. Diese Zahl liegt um den Faktor 4,3 höher<br />

als der zum Vergleich herangezogene Referenzwert<br />

für das Jahr 2009. Das monatliche Verkehrsaufkommen<br />

im Internet entspricht dann ungefähr<br />

dem Fassungsvermögen von 16 Milliarden DVDs.<br />

Unternehmenseigene Daten<br />

Zu den webbasierten Datenmengen, die tagtäglich<br />

neu entstehen, gibt es eine weitere, keinesfalls<br />

geringer einzuschätzende Informationsquelle:<br />

Unternehmen produzieren in ihren eigenen IT-<br />

Systemen, in der Unternehmens-<strong>Cloud</strong>, ebenfalls<br />

Daten. Beim Anruf im Call-Center wird eine<br />

Auskunft abgefragt oder ein Problem bearbeitet,<br />

18 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 19


STRATEGY<br />

beim Bestellvorgang im Webshop werden Datensätze angelegt<br />

und im E-Commerce-System weiterbearbeitet, Marketing<br />

und Vertrieb nutzen Adressdaten für die Ansprache von<br />

bestehenden und potenziellen Kunden, markieren diese mit<br />

einem Status und erhalten Feedback.<br />

Dass bei dieser Menge an Informationen die Komplexität<br />

für Unternehmen, die diese Daten nutzen wollen, nicht<br />

geringer wird, ist klar. Aber: Dieser Datenberg ist eine<br />

Goldmine. Er beinhaltet unzählige wertvolle Hinweise der<br />

Kunden und Verbraucher, aus denen sich Rückschlüsse auf<br />

Wünsche und Konsumverhalten ziehen lassen. In ihm stecken<br />

Wünsche zum Warensortiment, Lösungen für zahlreiche<br />

Probleme, Kritik und auch Verbesserungsvorschläge für<br />

bestehende Produkte. Social-Media-Netzwerke erlauben,<br />

Nutzerprofile mit Informationen beispielsweise zu privaten<br />

Interessen der Kunden anzureichern und darüber für<br />

das eigene Geschäft zu profitieren. So können Konzerne<br />

den Wettbewerbsvorteil von kleineren, lokal verwurzelten<br />

Mitbewerbern bis hinunter zum „Tante-Emma-Laden“<br />

zumindest teilweise kompensieren: Dank der Daten aus<br />

Social-Media-Netzwerken sind die alltäglichen Bedürfnisse<br />

und auch die weniger alltäglichen Sonderwünsche eines<br />

Teils der Kundschaft bekannt, dank der Dialogfähigkeit<br />

von Social-Media-Netzwerken ist der „persönliche“ Kundenkontakt<br />

möglich.<br />

So weit die Theorie. In der Praxis aber tun sich Unternehmen<br />

derzeit schwer, überhaupt ihre Claims in dieser Goldmine<br />

abzustecken. Denn die Daten entstehen völlig unsortiert<br />

an verschiedensten Punkten: in Social-Media-Netzwerken<br />

und auf Beurteilungsportalen, in Blogs und Foren, durch<br />

Twitter-Tweets und Kommentare. Entsprechend unübersichtlich<br />

ist das Terrain. Die webbasierten Daten sind derzeit<br />

in keiner Weise miteinander verknüpft. Das Problem ist also<br />

die Systematisierung, sonst bleiben Potenziale ungenutzt.<br />

Ähnliches gilt für die Daten in der Unternehmens-<strong>Cloud</strong>:<br />

Die IT-Infrastruktur von Unternehmen ist in den vergangenen<br />

Jahrzehnten organisch gewachsen. Je nach Organisationsform<br />

des Unternehmens haben einzelne Bereiche früher,<br />

andere später auf unterschiedliche Systeme gesetzt. Support<br />

und Kundenbetreuung setzen auf eine CRM-Software, in<br />

der Produktion und Logistik werkelt ein ERP-System, der<br />

Internetshop wiederum nutzt eine E-Commerce-Lösung.<br />

Manches davon ist in Business-Intelligence-Systemen gebündelt,<br />

daneben gibt es immer wieder einzelne Bereiche,<br />

Dank der Daten aus<br />

Social-Media-Netzwerken<br />

sind die alltäglichen<br />

Bedürfnisse der<br />

Kundschaft bekannt<br />

in denen – oft aus guten Gründen – hochspezialisierte eigenprogrammierte<br />

Software oder Insellösungen weiterexistieren.<br />

Auch an diesen Stellen entstehen Daten en masse,<br />

viele davon lediglich interessant für interne Abläufe, doch<br />

oft stecken auch in diesen Daten wertvolle Informationen.<br />

Die Crux: Weder sind all die unterschiedlichen Systeme<br />

oder Module miteinander vernetzt noch liegen die Daten<br />

derzeit in einer Form vor, die eine systematische Auswertung<br />

ermöglicht. Um im Bild zu bleiben: Jeder weiß, wo die<br />

Goldmine liegt – aber niemand kennt bisher den richtigen<br />

Weg, sie auszubeuten.<br />

Entscheider zögern<br />

Es entsteht also die paradoxe Situation, dass in der Theorie<br />

auf Basis des vorhandenen Datenmaterials Managemententscheidungen<br />

fundiert und zielgerichtet getroffen werden<br />

könnten. In der Praxis aber herrscht eher ein Zögern unter<br />

vielen Entscheidungsträgern, denn vorhandene Informationen<br />

werden derzeit wegen der offensichtlichen Komplexität<br />

der Aufgabe nicht genutzt. Dieses Abwarten wird auch nicht<br />

durch die immer häufigeren Erfolgsstorys von Unternehmen<br />

beendet, die diese Probleme offenbar gelöst haben.<br />

Technisch zumindest sind heute die Grundlagen gelegt,<br />

dieser großen Menge an Daten, die in der <strong>Cloud</strong> entstehen,<br />

auch Herr zu werden – und zwar mit Hilfe der <strong>Cloud</strong>. Durch<br />

das <strong>Cloud</strong> Computing, also die Nutzung der de f<strong>act</strong>o unendlichen<br />

Ressourcen an Rechen- und Datenspeicherkapazität,<br />

können Analysetools heute auf die Rechenpower zurückgreifen,<br />

die sie für die zeitnahe und gezielte Ausbeutung der<br />

Datengoldmine brauchen. Bis vor wenigen Jahren war das<br />

so noch nicht möglich – oder wirtschaftlich nicht sinnvoll.<br />

Heute aber ist im Grunde nicht einmal der Besitz eigener<br />

Hardware Voraussetzung. Die gezielte Auswertung von Kundendaten<br />

und die daraus abgeleitete Steuerung der eigenen<br />

Angebotspalette, die sich vor Jahrzehnten eigentlich nur große<br />

Handelskonzerne wie etwa Walmart leisten konnten, sind<br />

heute vergleichsweise günstig einzukaufen. Für die Integration<br />

von bestehenden Daten aus der Unternehmens-<strong>Cloud</strong><br />

und deren Abgleich mit den aktuellen Informationen aus<br />

sozialen Netzwerken gibt es mittlerweile erprobte Konzepte.<br />

Und, ebenso elementar: Die zunehmende Standardisierung<br />

von Schnittstellen erleichtert den Austausch der Datensätze.<br />

Die in den letzten Jahren exponentiell gestiegene und damit<br />

zunächst abschreckende Komplexität herkömmlicher Ge-<br />

STRATEGY<br />

schäftsprozesse kann so wieder merklich reduziert werden.<br />

Kurz: Ausreden, die auf die Komplexität der Aufgabe gründen,<br />

zählen nicht mehr. Die Menge der Daten ist mit den<br />

richtigen Werkzeugen und Strategien beherrschbar.<br />

Potenzial für neue Geschäftsfelder<br />

Mehr noch: In den Daten der <strong>Cloud</strong> liegen die Grundlagen<br />

für neue Geschäftsmodelle. Denn dieser Datenschatz hat<br />

das Potenzial, die bisherige Herangehensweise an neue Geschäftsfelder<br />

erheblich zu beschleunigen: Bisher waren für<br />

die Entwicklung eines neuen Produkts erhebliche Erstinvestitionen<br />

in die Markt- oder Produktforschung nötig, gefolgt<br />

von weiteren Investitionen in die Produktion und schließlich<br />

Investitionen in Vertrieb und Vermarktung. Eine Menge<br />

Ressourcen also, bis überhaupt einmal ein fertiges Produkt<br />

zum Kunden gelangen konnte – und dann war ungewiss, ob<br />

das neue Angebot vom Kunden überhaupt so angenommen<br />

wird wie erhofft. Vereinfacht gesagt: Unternehmen bieten<br />

ihren Kunden eine Auswahl an Produkten an, von denen<br />

sie glauben, dass sie möglicherweise nutzbringend, sinnstiftend,<br />

arbeitserleichternd oder zumindest unterhaltsam sein<br />

werden. Aus dieser Palette kann der Kunde entweder das<br />

wählen, was ihm am ehesten zusagt – oder sich alleingelassen<br />

fühlen mit seinen Wünschen.<br />

Das alles ändert sich in der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong>. Denn Kunden<br />

artikulieren ihre Wünsche nicht mehr nur im privaten<br />

Kreis oder an einer Telefonsupport-Hotline. Foren, Blogs,<br />

Kommentare und soziale Netzwerke sind die Plattformen,<br />

auf denen Kundenbedürfnisse hinterlegt sind. Gleiches gilt<br />

für die unternehmenseigenen Daten, die ebenfalls Hinweise<br />

der Kunden bergen. Zudem sinkt der Ressourcenbedarf für<br />

Produktentwicklungen rapide: Dank <strong>Cloud</strong> Computing ist<br />

enorme Rechenpower so preiswert zu haben wie nie zuvor.<br />

Ähnliches gilt für Produktionskapazitäten. Diese haben<br />

sich, global gesehen, noch nie in der Geschichte so günstig<br />

einkaufen lassen. Und dank immer leistungsfähigerer Logistikketten<br />

spielen auch große Distanzen kaum mehr eine<br />

entscheidende Rolle.<br />

Eine zentrale Frage für Unternehmenslenker wird also in<br />

Zukunft sein: Welche Konsequenzen für das Geschäftsmodell<br />

haben die in der unternehmenseigenen <strong>Cloud</strong> vorhandenen<br />

und auf den unterschiedlichen Plattformen im Web<br />

generierten Daten? Wer diese Frage für sich beantworten<br />

kann, kennt den Weg in die Goldmine.<br />

20 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 21


STRATEGY<br />

Den Kunden<br />

verstehen,<br />

Bit für Bit<br />

Auch in neuen Zeiten gelten alte Prinzipien, zum Beispiel:<br />

Wer als Unternehmer erfolgreich wirtschaften will,<br />

der muss wissen, was der Markt fordert. Gut, dass es<br />

in Zeiten der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> einfacher wird, die richtige<br />

Antwort auf diese Frage zu finden<br />

Von Prof. Dr. Björn Bloching, Partner bei <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />

VERSTAUBT MUTEN SIE mittlerweile an,<br />

die traditionellen Methoden wie die<br />

Befragung durch Marktforschungsinstitute.<br />

Wer heute präzise Erkenntnisse<br />

über die Kundenbedürfnisse<br />

erhalten will, muss den Blick auf<br />

alle verfügbaren Daten richten, auf<br />

die im Unternehmen und auf die im<br />

Web. Schon in der IT des eigenen Unternehmens existieren<br />

haufenweise Informationen, die Rückschlüsse erlauben auf<br />

das Einkaufsverhalten und die Wünsche der Kundschaft.<br />

Der Onlinehändler Amazon ist ein gutes Beispiel. Das Unternehmen<br />

aus Seattle hat seine Unternehmens-IT seit<br />

einigen Jahren daraufhin optimiert, dass möglichst keine<br />

für das Geschäft relevanten Daten versickern. So wird<br />

durch die Auswertung des gesamten Einkaufsverhaltens,<br />

von der Produktsuche bis zum Kauf, die Sortimentspolitik<br />

beeinflusst. Ein weiterer Baustein: Die „Recommendation<br />

Engine“, eine Softwarefunktion im Onlineshop von<br />

Amazon, empfiehlt alternative Produkte – und ist damit<br />

Marketinginstrument und Werkzeug zur internen Unternehmenssteuerung<br />

gleichermaßen. Natürlich werden auch<br />

Nutzerbewertungen konsequent ausgewertet. Durch die<br />

intelligente Verknüpfung all dieser Informationen entwickelt<br />

Amazon das eigene Geschäftsmodell ständig weiter<br />

Daten entstehen.<br />

In ihnen stecken die Bedürfnisse<br />

und Wünsche der Kunden.<br />

– und hat es geschafft, von einem Beinahe-Pleitekandidaten<br />

nach dem Platzen der Internetblase im Jahr 2000<br />

zu einem der größten Internet-Versandhändler weltweit<br />

aufzusteigen.<br />

Auch der Computer- und Druckerhersteller Hewlett-<br />

Packard (HP) nutzt akribisch die Transaktionsdaten seiner<br />

Kunden. Das Besondere daran: Ein Großteil der Daten<br />

entsteht nicht originär auf den Servern des Unternehmens,<br />

sondern auf denen der Vertriebspartner: Onlineshops und<br />

B2B-Händler. Die Herausforderung besteht nun darin, diese<br />

aus ganz unterschiedlichen Quellen stammenden Daten zu<br />

sammeln und auszuwerten. Zusätzlich angereichert wird<br />

dieser Datenschatz durch die Analyse des Kaufverhaltens<br />

vieler Nicht-HP-Kunden, die das Unternehmen ebenfalls<br />

nachvollzieht. Durch die Verknüpfung und Interpretation<br />

dieser Daten kann HP gezielt Informations- und Marketingkampagnen<br />

für unterschiedliche Zielgruppen aufsetzen.<br />

Der Erfolg von Amazon und Hewlett-Packard mit diesem<br />

Vorgehen gründet also auf der konsequenten Nutzung und<br />

Auswertung der Daten und Informationen. Entscheider, die<br />

davon lernen wollen, sollten daher in einem ersten Schritt<br />

veranlassen, alle vorhandenen Daten miteinander zu vernetzen<br />

und zu nutzen. Je mehr Möglichkeiten die eigene IT-<br />

Infrastruktur bietet, Informationen der Kunden zu erhalten<br />

– beispielsweise über Blog-Kommentare, Foren oder Bewer-<br />

tungsportale auf den Shop-Webseiten –, desto reichhaltiger<br />

ist diese interne Datenquelle.<br />

Webbasierte Daten nutzen<br />

Einen Schritt weiter gehen Unternehmen, die sich nicht nur<br />

auf die intern vorhandenen Informationen verlassen, sondern<br />

Daten aus dem Web nutzen. Potenzielle Käufer und Geschäftspartner<br />

hinterlassen jede Menge Spuren im Internet,<br />

aus denen sich wertvolle Hinweise destillieren lassen. Ein<br />

Beispiel ist das Retargeting: Dabei wird anonymisiert und<br />

datenschutzkonform das Surfverhalten eines Webnutzers<br />

auf einer bestimmten Seite festgehalten. Surft der Nutzer<br />

weiter auf eine andere Seite, werden dort die Daten ausgewertet<br />

und individualisierte Services, beispielsweise Werbebanner,<br />

angezeigt. Das Besondere ist also, dass auf den<br />

ersten Blick nicht zusammenhängende Informationen von<br />

verschiedenen Webseiten in Echtzeit miteinander verknüpft<br />

und individualisiert werden, etwa durch Rabattierungen für<br />

interessante Produkte. All dies geschieht im Hintergrund<br />

und in Millisekunden. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde<br />

auf eine solch zielgerichtete Werbeplatzierung erfolgreich<br />

reagiert, liegt nach der Einschätzung von Branchenexperten<br />

der Zeitschrift Internet World Business bei Retargeting-<br />

Dienstleistern um 300 bis 600 Prozent höher als bei einer<br />

vergleichsweise wahllosen Schaltung.<br />

RUBRIK HIER<br />

Noch einen Schritt weiter gehen Unternehmen wie beispielsweise<br />

Bluekai. Das Unternehmen platziert bei Internetnutzern,<br />

die sich auf bestimmten <strong>Special</strong>-Interest-Seiten<br />

informieren, entsprechend gekennzeichnete Cookies, die<br />

mit zusätzlichen Informationen aus externen Datenquellen<br />

angereichert sind. Während des weiteren Stöberns im<br />

Netz sammeln diese Cookies – unter Berücksichtigung<br />

der geltenden Datenschutzvorschriften – weitere Informationen<br />

zu den besuchten Internetseiten. Gelangt der<br />

Surfer irgendwann wieder auf eine Seite, die die Daten des<br />

Bluekai-Cookies nutzen kann, werden ihm noch feiner auf<br />

ihn zugeschnittene Angebote angezeigt. Das Unternehmen<br />

aus dem US-Bundesstaat Washington kann damit Werbekunden<br />

zusichern, zielgenau und ohne Streuverlust nur die<br />

jeweils interessante Zielgruppe anzusprechen. Unternehmen<br />

buchen nicht mehr Werbeumfelder, sondern ganz konkrete<br />

Zielgruppen – ein immenser Vorteil für Werbetreibende und<br />

ein Beispiel, wie Daten aus der Online- und aus der Offline-<br />

Welt kombiniert ein riesiges Potenzial entfalten.<br />

Schließlich beobachten wir derzeit die Entwicklung,<br />

dass auch eigentlich unternehmensferne, aber öffentliche<br />

Daten von verschiedenen Plattformen zunehmend in den<br />

Fokus des Interesses zahlreicher Unternehmen rücken.<br />

Meinungsäußerungen, Produktvorschläge, Serviceempfehlungen,<br />

Kommentare und viele andere Informationen<br />

22 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 23


mehr werden öffentlich in<br />

Social-Media-Netzwerken und<br />

zahlreichen weiteren Kommunikationsplattformen<br />

hinterlegt.<br />

Die Gunst der digitalen Stunde<br />

liegt darin, dass derzeit vieles<br />

zusammenkommt, was für eine<br />

erfolgreiche Nutzung der unterschiedlichen<br />

Bausteine zusammenfinden<br />

muss: Erstens,<br />

Daten aus dem Unternehmen<br />

und aus dem Web liegen digital<br />

und in großer Masse vor. Zweitens,<br />

es existieren erprobte Algorithmen,<br />

die diese Datenmengen<br />

verknüpfen und auswerten<br />

können. Drittens, die Auswertung<br />

dieser Daten ist dank der<br />

Virtualisierung von Hard- und<br />

Software via <strong>Cloud</strong> Computing<br />

technisch nicht nur möglich,<br />

sondern auch bezahlbar. Und viertens, die<br />

Ergebnisse dieser Auswertung erlauben<br />

ein klares Bild von dem, was der Markt<br />

verlangt – aus dem unscharfen Mosaik<br />

wird ein HD-Foto. Die Herausforderung<br />

liegt nun darin, aus den vorliegenden Daten<br />

die richtigen Schlüsse für Produkte<br />

und Services zu ziehen. Eine Lehre könnte<br />

etwa sein, dass künftig zunehmend interessenbezogene<br />

und passgenau zugeschnittene<br />

Dienste und Services gefragt sind<br />

– denn je individueller das Angebot, desto<br />

höher ist die Bereitschaft, sich von einem<br />

Produkt überzeugen zu lassen, und desto<br />

größer ist das Vertrauen in den Anbieter,<br />

der seine Kunden zu kennen scheint. Im<br />

Unterschied dazu wirkt das allgemeine<br />

und unspezifische Anpreisen von Produkten<br />

und Services, verbunden mit dem<br />

Hinweis auf vermeintliche Vorteile, doch<br />

sehr gestrig. Dieser zunehmende Drang<br />

nach Individualisierung wird in letzter<br />

Konsequenz auch Auswirkungen auf Geschäftsmodelle<br />

haben.<br />

Die Ausstrahleffekte der neuen Möglichkeiten<br />

sind gewaltig, und sie wirken<br />

tief in die Unternehmensstrukturen hi-<br />

nein. Je größer Unternehmen werden,<br />

desto stärker differenzieren sich die Zuständigkeitsbereiche<br />

aus – oft auf Kosten<br />

der Übersichtlichkeit. Wo viele Räder<br />

ineinandergreifen müssen, gibt es viel<br />

Reibungsverlust – umso wichtiger ist es,<br />

die Strukturen nicht komplexer als unbedingt<br />

nötig werden zu lassen. Mit der<br />

Auswertung der Datenmenge vor allem<br />

aus der unternehmenseigenen <strong>Cloud</strong>,<br />

aber auch der webbasierten Daten können<br />

bislang nicht erkannte Zusammenhänge<br />

zwischen einzelnen operativen Prozessen<br />

(etwa Kommunikationswegen) sichtbar<br />

gemacht werden – und damit letztlich<br />

auch die Möglichkeiten dazu schaffen, die<br />

Strukturen zu optimieren.<br />

Auch die Antizipation von Kundenverhalten<br />

kann durch die Möglichkeiten der<br />

<strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> endlich wieder besser gelingen:<br />

Es ist ein mittlerweile altbekanntes<br />

Problem, dass die Einteilung in klassische<br />

Zielgruppen nicht mehr die Verlässlichkeit<br />

früherer Tage hat. Der treue Kunde<br />

gehört einer aussterbenden Gattung an.<br />

Er lässt sich durch herkömmliche Werbemethoden<br />

längst nicht mehr in dem Maße<br />

beeindrucken und binden, wie das in der<br />

Vergangenheit der Fall war. Kurz: Kundenbeziehungen<br />

sind mit den bekannten<br />

Mitteln nur noch schwer zu steuern. Die<br />

datenbasierte Analyse bestehender und<br />

auch möglicher Kundensegmente und daraus<br />

resultierend die Antizipation ihrer Bedürfnisse<br />

oder ihres Verhaltens in der <strong>Cloud</strong><br />

<strong>Economy</strong> kann hier Antworten liefern.<br />

Kriterien für den Erfolg<br />

Vor der Erschließung der skizzierten Möglichkeiten<br />

gibt es für Unternehmen einige<br />

Hausaufgaben zu erledigen. Wichtigster<br />

Punkt ist die Bestandsaufnahme, welche<br />

Daten im Unternehmen an welchem<br />

Standort und in welcher Form anfallen.<br />

In aller Regel lässt sich eine schlanke und<br />

effiziente, für die zielgenaue Nutzung aller<br />

verfügbaren Daten konzipierte IT- und<br />

Unternehmensstruktur nur bei völlig neu<br />

Wichtige Fragen…<br />

Kundendaten in<br />

der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong><br />

1/Welches sind die<br />

relevanten Informationen und<br />

wie sammeln wir sie?<br />

2/Wie können wir die<br />

in den Organisationen/<br />

Unternehmen vorliegenden<br />

Daten und Informationen zur<br />

<strong>Cloud</strong> vernetzen?<br />

3/Wie werten wir diese<br />

intelligent aus? Was sind<br />

die richtigen Fragen zur<br />

Reduktion der Komplexität<br />

und zur Monetarisierung?<br />

4/Wie müssen wir<br />

Geschäftsmodelle und<br />

Unternehmensbereiche<br />

(von der Forschung und<br />

Entwicklung über das<br />

Personalmanagement,<br />

das Marketing bis hin zum<br />

Kundensupport) umstellen?<br />

geschaffenen Unternehmenseinheiten realisieren. Das ist<br />

aber die Ausnahme. Typischerweise müssen die Daten aus<br />

bestehenden Strukturen zusammengeführt werden. Hier<br />

liegt einiges an Arbeit: Regelmäßig kritische Punkte sind<br />

– neben dem unterschiedlichen Ursprung und Format der<br />

Daten – konzeptionelle Schwächen schon in der Anfangsphase,<br />

Vorbehalte einzelner Organisationseinheiten in einem<br />

Konzern sowie die rechtzeitige Berücksichtigung des<br />

Datenschutzes. Zudem ist häufig die unternehmenseigene<br />

IT-Infrastruktur, ob Standardlösung oder Eigenentwicklung,<br />

eher für die Erfordernisse der bisherigen Wirtschaftssysteme<br />

konzipiert. Die zielgerichtete Nutzung der Daten<br />

in der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> und die Steuerung von Sortiment,<br />

Angebot und Kampagnen dagegen erlauben nur wenige<br />

dieser Systeme.<br />

Sind diese technischen und politischen Hürden genommen,<br />

müssen in einem nächsten Schritt alle Konzerneinheiten<br />

dazu verpflichtet werden, die relevanten Daten möglichst<br />

in Echtzeit zuzuliefern; schließlich ist eine Auswertung und<br />

Prozessoptimierung des Geschäftsmodells auf Basis alter<br />

Datensätze wenig hilfreich. Ein guter Anlass, um den in<br />

vielen Unternehmen traditionell über Nacht stattfindenden<br />

Datenabgleich via Batch-Lauf durch zeitgemäße Synchronisierungsverfahren<br />

zu ersetzen.<br />

Ein weiterer entscheidender Punkt ist die Auswahl der<br />

richtigen Werkzeuge, Mitarbeiter und Partnerunternehmen<br />

für die Datenauswertung unter Berücksichtigung von<br />

Expertise, Zeitrahmen und verfügbarem Budget. Während<br />

auf Seiten der Technik und der Dienstleistungspartner eine<br />

vergleichsweise breite Auswahl herrscht, ist der Markt für<br />

erfahrene Data-Mining-Experten in diesem Bereich relativ<br />

eng. Die Besetzung dieser Positionen aber ist entscheidend<br />

für die erfolgreiche Ausbeutung des Datenschatzes: Denn<br />

es geht an diesem Punkt gerade nicht darum, eine klassische<br />

Business-Intelligence-Analyse und -Auswertung zu<br />

fahren, sondern darum, den Datenberg mit den richtigen<br />

Hypothesen und Fragen zu attackieren, um die richtigen<br />

Antworten zu erhalten und konkret umsetzbare Schlüs-<br />

Die Gunst der digitalen Stunde liegt<br />

darin, dass derzeit vieles zusammen<br />

kommt, was für eine erfolgreiche<br />

Nutzung der unterschiedlichen<br />

Bausteine zusammenfinden muss<br />

Prof. Dr. Björn Bloching<br />

se ziehen zu können. Experten für dieses vergleichsweise<br />

junge Aufgabenfeld sind noch selten. Schließlich, und das<br />

sollte beim Handling von Daten eigentlich eine Selbstverständlichkeit<br />

sein, sind Vorkehrungen nötig, um stets<br />

und in allen Punkten die Einhaltung des Datenschutzes<br />

zu gewährleisten.<br />

Sind all diese oben holzschnittartig skizzierten Strukturen<br />

geschaffen, sind eine weitgehende Automatisierung<br />

von Auswertungen und die Ansteuerung zum Beispiel von<br />

Kampagnentools möglich. Das aufgebaute Know-how im<br />

Unternehmen kann dann dazu genutzt werden, Modelle und<br />

Anwendungsfälle für die strategische Weiterentwicklung der<br />

aus den Daten gewonnenen Informationen zu entwickeln.<br />

Tante Emma reloaded<br />

STRATEGY<br />

Das Ergebnis rechtfertigt die Anstrengungen. Wer die verfügbaren<br />

Daten intelligent nutzt, reduziert in allen unternehmensrelevanten<br />

Bereichen die Komplexität der eigenen<br />

Unternehmensstruktur: Das Unternehmen wird schlanker<br />

und leistungsfähiger. In einer Studie haben Forscher der<br />

Sloan School of Management am Massachusetts Institute<br />

of Technology (MIT) herausgefunden, dass Unternehmen,<br />

die Entscheidungen auf der Basis von gesammelten Daten<br />

treffen, um rund fünf bis sechs Prozent produktiver sind<br />

als ihre Mitbewerber. Das hört sich im ersten Moment nach<br />

nicht besonders viel an – doch nach Expertenmeinung mach en<br />

genau diese kleinen Abweichungen häufig den Unterschied<br />

aus zwischen Gewinnern und Verlierern.<br />

Zugleich ermöglicht die systematische Nutzung der<br />

Informationen eine neu gewonnene Personalisierung und<br />

Nähe zum Kunden. Und: In den rechtlich verfügbaren Daten<br />

und Informationen stecken die Antworten auf die Frage,<br />

welche Produkte und Services von Kunden künftig nachgefragt<br />

werden. Manchmal wird dann die Antwort nicht nur<br />

in einem neuen Produkt oder einem neuen Service bestehen,<br />

sondern sogar den Anstoß für ein neues Geschäftsmodell<br />

liefern – eine wahrhaft wertschöpfende Nutzung von Informationen.<br />

Die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> ist die Zukunft.<br />

24 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 25


RUBRIK HIER RUBRIK STRATEGY HIER<br />

„Wer auf Basis einer<br />

soliden Strategie<br />

vorgeht, muss<br />

keine Angst haben“<br />

Welche Bedeutung hat die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong><br />

für Unternehmen? Ein Gespräch zwischen<br />

Martin Wittig, CEO von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy<br />

Consultants, und Sascha Lobo, Autor, Blogger,<br />

Microblogger und Internet-Strategieberater<br />

26 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 27


STRATEGY<br />

Lobo: <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong>. Meinst du<br />

wirklich, dass der Begriff passt?<br />

Wittig: Ich denke schon. Es geht um<br />

die Virtualisierung der Geschäftswelt.<br />

Von der Produktentwicklung über das<br />

Marketing bis hin zum Support – die<br />

Kraft dieser neuen Geschäftswelt,<br />

dieser <strong>Economy</strong>, kommt aus der Vernetzung.<br />

Und die findet fast immer<br />

auf den Servern statt, in der <strong>Cloud</strong>,<br />

vereinfacht gesprochen.<br />

Lobo: Das stimmt. Neben der Kommunikation<br />

ist dieser Aspekt für<br />

mich übrigens am reizvollsten: <strong>Cloud</strong><br />

Computing bedeutet fast unbegrenzte<br />

Rechenleistung via Internet. Mit dem<br />

Handy auf die Leistungsfähigkeit<br />

eines Superrechners zugreifen, das<br />

finde ich fast unfassbar.<br />

Wittig: Aber bitte vergiss dabei nicht:<br />

Das Schlagwort „<strong>Cloud</strong>“ hat nicht<br />

für jedermann die gleiche Faszination<br />

wie für dich. Ich mache immer<br />

wieder die Erfahrung, dass konkrete<br />

Beispiele helfen, die Vorteile für<br />

Unternehmen zu verdeutlichen, etwa<br />

so: „Ihre Firma will hochkomplexe<br />

Genom-Auswertungen oder andere<br />

rechenintensive Berechnungsmodelle<br />

durchspielen? Kein Problem. Sie<br />

brauchen dafür heutzutage nur noch<br />

einen handelsüblichen Computer mit<br />

Internetanschluss.“ Das zieht, davon<br />

sind Unternehmer fasziniert.<br />

Lobo: Es ist ja auch beeindruckend.<br />

Du kannst dank <strong>Cloud</strong> Computing<br />

auf extrem komplexe Software zurückgreifen,<br />

für die du sonst ganze<br />

Serverfarmen unterhalten müsstest.<br />

Du kannst dir Rechenpower und<br />

Softwareintelligenz genau dann<br />

dazubuchen, wenn du sie brauchst.<br />

Und sonst eben nicht. Die Preise<br />

dafür sind beinahe lächerlich gering.<br />

Die stärksten, regulär auf dem Markt<br />

verfügbaren Rechner lassen sich für<br />

ein paar Dollar die Stunde nutzen.<br />

Wittig: Und als dritter Punkt neben<br />

Rechenleistung und Software kommt<br />

die Speicherfähigkeit im Netz hinzu.<br />

Speicherplatz ist heute beinahe un-<br />

endlich vorhanden, und vor allem:<br />

weltweit verfügbar. Man braucht nur<br />

einen Internetanschluss, um auf all<br />

das zuzugreifen. Daraus ergeben sich<br />

immense Möglichkeiten für Unternehmen.<br />

Das beginnt schon im Kleinen:<br />

Die zentrale Speicherung von<br />

Daten bedeutet auch, dass alle Mitarbeiter<br />

immer die aktuellen Daten<br />

zur Verfügung haben können – von<br />

Zahlentabellen über Kundendaten bis<br />

zu Textentwürfen.<br />

Lobo: Oh Gott, ja! Du weißt ja, ich<br />

bin nicht nur Besitzer einer gutgehenden<br />

Frisur, sondern auch Buchautor.<br />

Was das früher für eine Hölle war,<br />

dutzende von Dokumenten abzu-<br />

gleichen, weil niemand weiß, wie die<br />

Word-Funktion „Dokumente abgleichen“<br />

richtig funktioniert. Und alle<br />

Dateien tragen Namen wie Text_final,<br />

Text_final2, Text_REALLYfinal<br />

und so weiter.<br />

Wittig: Das deckt sich leider mit<br />

meinen Erfahrungen. Ich habe schon<br />

Unternehmen erlebt, bei denen<br />

das ähnlich war – und nein, ich<br />

werde keine Namen nennen, unter<br />

keinen Umständen. Aber Tatsache<br />

ist: In diesen Fällen waren drei,<br />

vier Sekretariate damit beschäftigt,<br />

unterschiedliche Textversionen verschiedener<br />

Abteilungen aufwändig<br />

miteinander in Einklang zu bringen.<br />

Und das ist nur ein winziger Teilbereich,<br />

an dem aber sehr schön das riesige<br />

Effizienzpotenzial deutlich wird,<br />

das in der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> steckt.<br />

Lobo: Es gibt aber noch einen an-<br />

deren Aspekt, den wir gemeinsam<br />

mal überlegen sollten: Die Virtualisierung<br />

betrifft nicht nur Bereiche,<br />

die vordergründig für Unternehmen<br />

relevant sind.<br />

Wittig: Wie meinst du das?<br />

Lobo: Die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> ist meiner<br />

Meinung nach mehr als nur <strong>Cloud</strong><br />

Computing, und wie ich damit Geld<br />

verdiene. Da stecken noch andere<br />

Facetten drin, Beispiel: Beziehungsnetzwerke,<br />

Facebook und so, du weißt<br />

schon.<br />

Wittig: Worauf willst du hinaus?<br />

Lobo: Auf einen umfassenden<br />

gesellschaftlichen Wandel. Diese<br />

Entwicklung im Netz, die mit dem<br />

„Social Media verändern das<br />

Leben vieler Menschen – und<br />

das sind nicht nur irgendwelche<br />

blutjungen Internet-Junkies“<br />

Sascha Lobo<br />

wenig sagenden Begriff Social<br />

Media bezeichnet wird, verändert<br />

das Leben vieler Menschen. Und<br />

das sind nicht nur irgendwelche<br />

blutjungen Internet-Junkies. Das<br />

Durchschnittsalter auf Facebook ist<br />

38 Jahre. Und auch sonst sind die<br />

Zahlen enorm. In Deutschland aber<br />

sind erst 23 Prozent der Bevölkerung<br />

auf Facebook aktiv.<br />

Wittig: Erst? Das finde ich erstaunlich<br />

viel. Immerhin sind das fast 20<br />

Millionen Menschen – und die sind<br />

im Durchschnitt gut ausgebildet,<br />

verdienen mehr …<br />

Lobo: Ja, „erst“ habe ich im Vergleich<br />

zu anderen Ländern gemeint. In<br />

Österreich sind es 31 Prozent der<br />

Bevölkerung, in der Schweiz 34 Prozent,<br />

in den USA hat der Wert gerade<br />

die 50-Prozent-Marke überschritten,<br />

ganz ähnlich in Chile, Norwegen,<br />

RUBRIK HIER<br />

28 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 29


STRATEGY<br />

Neuseeland, Hong Kong oder den<br />

Vereinigten Arabischen Emiraten.<br />

Und in Island liegt die Quote bei<br />

über 65 Prozent, Tendenz steigend,<br />

um monatlich 2 Prozent. Wenn<br />

man Kleinkinder und alte, weniger<br />

Internet-affine Mitbürger abzieht,<br />

dann geht das in Richtung digitales<br />

Einwohnermeldeamt.<br />

Wittig: Wo gibt es eigentlich die<br />

weltweit höchste Facebook-<br />

Durchdringung? Hast du diese<br />

Information parat?<br />

Lobo: Das ist witzig: im Vatikan-<br />

Staat, und zwar mit 109 Prozent.<br />

Wittig: 109 Prozent? Diese Zahl halte<br />

ich bevölkerungsmathematisch für<br />

relativ gewagt …<br />

Lobo: Aber sie stimmt, oder vielmehr:<br />

hat mal gestimmt. Das liegt<br />

daran, wie Facebook diese Zahlen<br />

berechnet. Sie prüfen, wie viele Nutzer<br />

sich innerhalb eines Monats in<br />

einem Land eingeloggt haben und<br />

vergleichen das mit der Zahl der dort<br />

gemeldeten Einwohner.<br />

Wittig: Statistiken … Aber du hast<br />

Recht. Soziale Netzwerke und all die<br />

Kanäle, die man Social Media nennt,<br />

sind im Leben vieler, vor allem jüngerer<br />

Leute mittlerweile nicht mehr<br />

wegzudenken. Und weil die Beschäftigung<br />

mit diesen Plattformen so<br />

intensiv und zeitaufwändig ist, weil<br />

Social Media so unglaublich viel<br />

Aufmerksamkeit bündeln, spielt das<br />

natürlich sofort auch für das Marketing<br />

eine Rolle.<br />

Lobo: Eben. In meinen Augen ist es<br />

aber ein Trugschluss zu glauben, dass<br />

DAX-Konzerne ohne eigenen Twitter-Account<br />

übermorgen insolvent<br />

sind. Man bekommt ja manchmal<br />

so einen Eindruck, wenn man mit<br />

Internet-Begeisterten spricht …<br />

Wittig: Ganz klar: Da wird derzeit<br />

mal wieder viel Unfug geredet. Manchen<br />

gilt „Social Media Consultant“<br />

bereits als Schimpfwort. Aber in<br />

diesem Bereich ist es wie in so vielen<br />

anderen: Man kann sich dafür oder<br />

dagegen entscheiden, für beides gibt<br />

es Argumente. Entscheidend ist, dass<br />

eine Entscheidung auf der Basis von<br />

qualifiziertem Know-how getroffen<br />

wird – und eben nicht aufgrund eines<br />

diffusen Bauchgefühls.<br />

Lobo: Du sprichst das Bauchgefühl<br />

an. Teilst du meinen Eindruck, dass<br />

es bei vielen Unternehmenslenkern<br />

gegenüber der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> teilweise<br />

deutliche Vorbehalte gibt?<br />

Wittig: Teilweise. Das hängt natürlich<br />

auch davon ab, mit wem<br />

ich spreche. Finanzvorstände zum<br />

Beispiel haben oft Vorbehalte wegen<br />

der Kosten. Wenn ich dann von den<br />

dramatischen Einsparpotenzialen<br />

erzähle, mit Beispielen aus unseren<br />

Beratungsprojekten, dann werden die<br />

Vorbehalte deutlich kleiner. Manchmal<br />

sind es dann sogar gerade die<br />

Finanzer, die die laufenden Kosten<br />

für die IT-Infrastruktur gar nicht<br />

schnell genug senken können und<br />

deshalb in die <strong>Cloud</strong> drängen.<br />

Lobo: Und gegenüber Social Media?<br />

Wittig: Die Leute, die die Entscheidungen<br />

treffen, arbeiten häufig sechzig,<br />

siebzig Stunden die Woche. Die<br />

haben oft gar keine Zeit für Facebook<br />

oder Twitter, da reicht es abends<br />

gerade noch für die interessante<br />

Hälfte des Wirtschaftsteils der FAZ.<br />

Meiner Meinung nach ist die Frage<br />

nach Social Media auch eine Frage<br />

nach der Arbeitskultur. Das ist aber<br />

natürlich nicht bei allen so.<br />

Lobo: Unterstellst du mir gerade indirekt,<br />

ich würde zu wenig arbeiten?<br />

Wittig: Bei dir ist das etwas anderes.<br />

Twitter ist Teil deiner Arbeit, du<br />

musst dort Präsenz zeigen. Was du ja<br />

auch regelmäßig tust. Aber ich werde<br />

oft gefragt: „Social Media, ist das<br />

überhaupt für uns relevant?“<br />

Lobo: Und was antwortest du?<br />

Wittig: Social Media sind heute für<br />

sehr viele Leute relevant, du hast ja<br />

selbst die Zahlen genannt. Und wenn<br />

die Zielgruppe eines Unternehmens<br />

dazugehört oder demnächst dazugehören<br />

wird, dann sind Social<br />

Media selbstverständlich wichtig.<br />

Das bedeutet im Umkehrschluss:<br />

Wenn ich unter diesen Umständen<br />

Social Media nicht nutze, ist das eine<br />

verpasste Chance. Zielgruppe verstehe<br />

ich in diesem Zusammenhang<br />

übrigens sehr weit. Ein Beispiel: Die<br />

meisten Unternehmen brauchen ja<br />

auch Nachwuchs – und das ist dann<br />

ein Teil der Zielgruppe.<br />

Lobo: Begegnen dir auch Leute, die<br />

Angst haben vor Social Media?<br />

Wittig: Niemand gibt gern zu, Angst<br />

zu haben. Dennoch spüre ich manchmal<br />

Unbehagen. Dafür habe ich auch<br />

Verständnis: Es ist eine neue Welt,<br />

sie scheint vielen unkontrollierbar,<br />

und es gelten neue Regeln. Und es<br />

gibt viele Beispiele, wo aus der Kommunikation<br />

auf den neuen Kanälen<br />

„Zehn Jahre Bankenexpertise, da<br />

gibt es einige. Zehn Jahre Facebook-<br />

Erfahrung hat niemand“<br />

eine Krise entstanden ist. Da ist es<br />

ganz natürlich, dass eine gehörige<br />

Portion Respekt und manchmal<br />

auch Angst mit im Spiel sind. Das ist<br />

aber nicht nur schlecht. Denn diese<br />

Angst hindert viele Unternehmen<br />

daran, irgendwelche Schnellschüsse<br />

abzufeuern, nur um dabei zu sein.<br />

Nachzudenken, gründlich zu arbeiten<br />

und das Ganze auf Basis einer soliden<br />

Strategie – das ist der richtige Weg.<br />

Und wer so vorgeht, wird meiner<br />

Erfahrung nach auch keine Angst vor<br />

dem Weg in die neue Welt haben.<br />

Lobo: Da spricht der Strategieberater.<br />

Ab und zu, wenn ich auf irgendwelchen<br />

Abendveranstaltungen Unternehmensvorstände<br />

treffe, werde ich<br />

gefragt, warum sich ein mittelständisches<br />

Unternehmen in die sozialen<br />

Medien stürzen sollte. Meine Antwort<br />

ist dann verkürzt, aber sie wirkt oft.<br />

Man kann heute ja schon massive<br />

Kommunikationsprobleme bekommen,<br />

wenn sich nur ein namenloser<br />

Ex-Zulieferer der Firma in Südostasien,<br />

sagen wir, unanständig verhält.<br />

Und wenn dann eine solche Internet-<br />

Welle rollt, und das Unternehmen<br />

muss erst mal drei Wochen lang herausfinden,<br />

wie Twitter funktioniert,<br />

ist das, vorsichtig gesagt, ungünstig.<br />

Wittig: Takt gehört nicht gerade zu<br />

deinen stärksten Eigenschaften, oder?<br />

Lobo: Mag sein. Von Social Media<br />

zurück zur <strong>Cloud</strong> – das Stichwort<br />

Angst schwingt ja auch beim <strong>Cloud</strong><br />

Computing mit …<br />

Wittig: … sehr verständlich, wenn<br />

hochsensible Daten durch die Netze<br />

jagen, dann kommt Gegenwind von<br />

den Compliance- und Risikoverantwortlichen<br />

…<br />

Lobo: … genau, das bringt mich zu<br />

diesem Punkt: Die Sicherheit, und<br />

damit meine ich die Datensicherheit,<br />

wird unendlich wichtig.<br />

Wittig: Datensicherheit wird nicht<br />

erst heute wichtig, sie war schon<br />

immer wichtig. Und Computer sind<br />

ja nicht erst seit gestern vernetzt, in<br />

diesem Punkt ist der Unterschied<br />

zur <strong>Cloud</strong> gar nicht mehr so groß.<br />

Netzwerke müssen technisch extrem<br />

gut gesichert sein. Egal, ob die Daten<br />

auf irgendeinem Server eines <strong>Cloud</strong>-<br />

Systems liegen oder auf einzelnen<br />

Rechnern meines Unternehmens,<br />

wie das bisher oft der Fall war.<br />

Lobo: So schwer mir das fällt, ich<br />

muss dir vorbehaltlos zustimmen.<br />

Aber nochmal zur Angst vor Social<br />

Media. Natürlich funktioniert diese<br />

digitale, vernetzte Sphäre nach ganz<br />

anderen Spielregeln. Aber es gibt<br />

Regeln, und es gibt Strategien. Social<br />

Media sind kein Rätsel, sondern nur<br />

so neu, dass viele Kommunikationsprozesse<br />

einfach noch nicht bis<br />

ins letzte Detail durchleuchtet und<br />

erforscht sind. Deshalb unterscheidet<br />

sich auch die Herangehensweise<br />

gegenüber anderen Kommunikationskanälen.<br />

Wittig: Magst du das etwas<br />

ausführen?<br />

Lobo: Welcher Personalchef würde<br />

einen Verantwortlichen einstellen,<br />

der kaum 18 Monate Erfahrung in<br />

seiner Branche mitbringt? Im Bereich<br />

Social Media sind viele entscheidende<br />

Entwicklungen aber erst in den<br />

letzten anderthalb Jahren überhaupt<br />

entstanden. Zehn Jahre Bankenexpertise,<br />

da gibt es einige. Zehn Jahre<br />

Facebook-Erfahrung hat niemand.<br />

30 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 31<br />

Sascha Lobo<br />

STRATEGY


RUBRIK HIER<br />

Geht ja auch gar nicht, Facebook<br />

wurde erst 2004 gegründet.<br />

Wittig: Umso wichtiger, dass die<br />

entsprechenden Aktivitäten nicht<br />

nach Gefühl und Wellenschlag stattfinden,<br />

sondern strategisch sauber<br />

aufgesetzt werden.<br />

Lobo: Absolut, und interessanterweise<br />

hat das auch Auswirkungen auf<br />

die Unternehmensstruktur. In den<br />

USA ist in den letzten zwei Jahren<br />

das Berufsbild des Informationsprokuristen<br />

entstanden. Hört sich<br />

seltsam an, ist aber eigentlich die<br />

logische Konsequenz der Offenheit<br />

und Transparenz, die Social Media<br />

und eigentlich das ganze Internet<br />

mit sich bringen. Der Informationsprokurist<br />

hat die Prokura dafür, für<br />

sämtliche Belange des Unternehmens<br />

zu kommunizieren – ohne Rückfrage<br />

oder Freigabe. In der schnellen, dialogischen<br />

Welt der digitalen Vernetzung<br />

ist es eben kaum sinnvoll, auf eine<br />

Frage zu antworten: „Sorry, da muss<br />

ich bei Abteilung 9 nachfragen, die ist<br />

nächsten Dienstag wieder im Haus.“<br />

Wittig: Dazu kommt: In dem Moment,<br />

wo börsenrelevante Informationen<br />

dabei sind – und das geht ja oft<br />

schneller, als einem lieb ist –, ist das<br />

kein Job mehr für den Praktikanten<br />

aus der PR.<br />

Lobo: Genau.<br />

Wittig: Dazu kommt, dass man nicht<br />

bei Social Media und <strong>Cloud</strong> Computing,<br />

den beiden entgegensetzten<br />

Enden der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong>, stehen<br />

bleiben darf. Auch die internen und<br />

externen Arbeitsprozesse in Unternehmen<br />

verändern sich. Studenten,<br />

die heute gemeinsam zwischen Chat,<br />

Facebook-Gruppe und <strong>Cloud</strong>-Anwendung<br />

eine Arbeit für die Uni schreiben,<br />

haben morgen wenig Lust, nach<br />

ihrem Studium im Unternehmen<br />

nochmal mit Faxgeräten und anderen<br />

Technologien von gestern zu arbeiten.<br />

Das gilt besonders für die größten Talente,<br />

die sich eh aussuchen können,<br />

wo sie später tätig sein wollen.<br />

Lobo: Das wollte ich vorhin sagen, als<br />

ich von meiner Arbeit als Autor ge-<br />

„Daten sind in Echtzeit exakt dann<br />

vorhanden, wenn man sie braucht,<br />

und müssen nicht angefordert,<br />

neu berechnet oder überhaupt erst<br />

generiert werden“<br />

sprochen habe. Ich habe gelernt, dass<br />

die richtige Technologie – wir haben<br />

mit Google Docs gearbeitet, einer Art<br />

Online-Word – bestimmte Formen<br />

der Zusammenarbeit erst ermöglicht.<br />

Bis dahin dachte ich, Texte könnte<br />

man nur allein schreiben. Stimmt<br />

gar nicht! Zusammen schreiben sich<br />

Texte ganz hervorragend. Sofern die<br />

Plattform stimmt und die Teilnehmer<br />

wissen, was sie tun.<br />

Wittig: Wissen, was man tut, ist eigentlich<br />

nie verkehrt … Nicht nur die<br />

direkte Zusammenarbeit wie bei deinem<br />

Buch verändert sich dramatisch<br />

durch die Technologien der <strong>Cloud</strong><br />

<strong>Economy</strong>. Besonders in Verbindung<br />

mit dem mobilen Internet in Echtzeit<br />

sehe ich großes Potenzial. Ich sehe da<br />

Parallelen zu einem Management-<br />

Schlagwort, das Ende der 70er,<br />

Anfang der 80er Jahre weltweit die<br />

Unternehmen bewegt hat: Just-in-<br />

Time-Produktion, also Fertigstellung<br />

oder Lieferung exakt zum sinnvollsten<br />

Zeitpunkt. Von der Dimension<br />

und der Wirkung her gilt das auch<br />

für die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> – nur geht<br />

es diesmal um Daten. Daten sind<br />

in Echtzeit exakt dann vorhanden,<br />

wenn man sie braucht, und müssen<br />

nicht angefordert, neu berechnet oder<br />

überhaupt erst generiert werden.<br />

Lobo: Daten ist das Stichwort, das<br />

mir gerade ebenfalls in den Sinn kam,<br />

und zwar die einfache Verfügbarkeit<br />

von Daten, was die Sicherheit und ihre<br />

Verwendung angeht. Ich werfe mal<br />

den Namen Wikileaks in den Raum.<br />

Wittig: Da sprichst du natürlich die<br />

Kehrseite der Medaille an: Mehr oder<br />

weniger alle Betriebsgeheimnisse eines<br />

beliebigen Unternehmens passen<br />

heute auf einen USB-Stick für 4,99<br />

Euro. Das bedeutet auch, dass diese<br />

Daten extrem schnell übers Netz<br />

verteilt werden können. Dann ist die<br />

schnelle Verfügbarkeit und Übertragung<br />

der Daten nicht ausschließlich<br />

mit Vorteilen verbunden. An dieser<br />

Stelle hat <strong>Cloud</strong> Computing aber auch<br />

einen Sicherheitsvorteil: Wenn die<br />

Daten zentral auf einem Server liegen,<br />

können die Zugriffe besser kontrolliert<br />

werden.<br />

Lobo: Was meine persönlichen<br />

Daten angeht, bin ich übrigens fast<br />

altmodisch. Mein Mantra, das ich<br />

auch anderen immer empfehle, ist:<br />

Veröffentliche nichts im Netz, das im<br />

Zweifel nicht auch auf der Titelseite<br />

einer Zeitung stehen könnte.<br />

Wittig: Liest du tatsächlich noch<br />

Zeitung?<br />

Lobo: Jeden Tag. Und nicht nur<br />

eine – Dutzende! Bloß eben nicht auf<br />

Papier, sondern im Netz.<br />

Wittig: Ich finde, das ist ein schönes<br />

Bild für den digitalen Wandel zum<br />

Abschluss: Die alten Werte sind in<br />

der neuen Welt nicht überflüssig. Aber<br />

die Strukturen verändern sich.<br />

32 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 33<br />

Martin Wittig<br />

STRATEGY


INDUSTRY REPORT<br />

Über den Wolken …<br />

ist die Freiheit<br />

nicht grenzenlos<br />

Es gibt einige sehr geschäftstüchtige Internetunternehmen in<br />

China, aber nur wenige Innovationen. Im Gegenzug haben es<br />

einige westliche Firmen geschafft, in China Fuß zu fassen<br />

Von Steven Lin, Peking<br />

34 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL<br />

INDUSTRY REPORT<br />

Exotisch, zumindest ein bisschen. Die Börsenstorys<br />

chinesischer Internet-Unternehmen gleichen denen<br />

ihrer westlichen Vorbilder.


RUBRIK HIER<br />

FRÜHER ARBEITETEN WIR in der Firma<br />

mit den <strong>Cloud</strong>-Computing-Angeboten<br />

des Suchmaschinenkonzerns Google, den<br />

„Google Apps“: Gmail für alle, E-Mail-Konten<br />

bis ans Lebensende, Google Docs für die<br />

Bearbeitung von Texten und Tabellen im<br />

Team und in Echtzeit, Google Kalender für<br />

die Termine des gesamten Unternehmens.<br />

Wunderbare Zeiten: Ich war für lange, lange Zeit befreit von<br />

der Routine, unterschiedliche Dateiversionen meiner Dokumente<br />

unterscheiden zu müssen. In meinem Leben davor<br />

gab es die „finale Version“, die „endgültig finale Version“, die<br />

„vom Chef freigegebene finale Version“ und die Version „freigegeben<br />

von Chef und Rechtsabteilung“. Aus und vorbei. Die<br />

„state-of-the-art“ lag in der Google-<strong>Cloud</strong>.<br />

Seit dem 2. März 2011 aber liefen die Google Apps in<br />

China unzuverlässig. Verbindungen zu den Google-Servern<br />

wurden immer wieder unterbrochen. Ein chinesischer<br />

Blogger namens William Long untersuchte die Situation<br />

genauer: Wenn er die Google-Services über die Server in<br />

Hong Kong nutzte, funktionierte alles reibungslos. Die Verbindung<br />

über Shanghai dagegen zeigte Auffälligkeiten: Auf<br />

15 Minuten ohne Probleme folgten 15 Minuten Blackout. Als<br />

Konsequenz wechselte unser Unternehmen Ende März 2011<br />

zum chinesischen E-Mail-Provider 163.com.<br />

Man kann von dieser Politik halten, was man will – fest<br />

steht: Sie begünstigt große chinesische Internet-Firmen.<br />

Gemäß Webseite von 163.com kostet der E-Mail-Service<br />

für Unternehmen bis 500 Mitarbeiter pro Jahr 7.668 Euro.<br />

Jedem Mitarbeiter stehen drei Gigabyte Speicherplatz zur<br />

Verfügung. Anders gerechnet: Unternehmen zahlen für<br />

jeden Nutzer und jedes Gigabyte mindestens 5 Euro pro<br />

Jahr. Zum Vergleich: Das E-Mail-System von Google kostet<br />

Unternehmenskunden pro User und Gigabyte lediglich<br />

1,30 Euro. Nicht berücksichtigt ist dabei, dass Google über<br />

die elegantere Benutzeroberfläche, einen integrierten Instant<br />

Messenger, Push-E-Mails und die gesamte Palette an<br />

Google Apps verfügt.<br />

Dieses Beispiel ist symptomatisch. Die führenden Internet-<br />

Unternehmen in China verdienen mit schlechterer Infrastruktur,<br />

niedrigerer Servicequalität und geringeren Investitionen<br />

deutlich mehr Geld als ihre internationalen Wettbewerber. Im<br />

E-Mail-System von 163.com können Mails nicht einmal nach<br />

Themengruppen sortiert werden. Es gleicht dem Hotmail-<br />

System der 1990er Jahre. Die Kehrseite dieser Politik ist: Sie<br />

behindert Innovationen. Zwar werden in diesem Sommer<br />

zahlreiche chinesische Internet-Unternehmen an die NAS-<br />

DAQ gehen. Die Börsenstorys von Youku.com (Chinas You-<br />

Tube) und Renren.com (Chinas Facebook) sind aber nur ein<br />

kaum vernehmbares Echo der globalen <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong>.<br />

Das E-Mail-System von<br />

163.com gleicht dem Hotmail-<br />

System der 1990er Jahre<br />

Eine Erfolgsstory dagegen ist Xunlei, eine sehr verbreitete<br />

Peer-to-Peer-Software in China. Ganz egal, welches Internetprotokoll<br />

für das Herunterladen von Daten genutzt wird<br />

– http, BitTorrent, ED2K (eDonkey) –, Xunlei beschleunigt<br />

den Datentransfer, indem es freie Übertragungsressourcen<br />

aller an das Netzwerk angeschlossenen Computer bündelt.<br />

Nach westlichem Verständnis ist Xunlei „böse“. Über dieses<br />

System werden hochauflösende Raubkopien von Filmen,<br />

Fernsehserien und Musik verteilt. Die Leitungen der Internetprovider<br />

ächzen unter der enormen Datenlast. Und die<br />

Nutzer werden permanent mit blinkenden Werbebildchen<br />

überall auf dem Bildschirm belästigt. Aber es ist populär.<br />

Und seit Xunlei einen <strong>Cloud</strong>-Service, Xunlei Offline Download,<br />

vorstellte, sind die Nutzer sogar ganz wild darauf, für<br />

eine Premium-Mitgliedschaft zu bezahlen. Für 1 Euro Monatsgebühr<br />

kann jeder Download über einen Xunlei-Server<br />

Schneller Datentransfer.<br />

Der Peer-to-Peer-Service<br />

von Xunlei ist eine<br />

chinesische Erfolgsstory<br />

– und nach westlichem<br />

Verständnis „böse“.<br />

INDUSTRY REPORT<br />

durchgeführt und die Daten können dort auch<br />

gespeichert werden. Der Speicherplatz pro<br />

Nutzer beträgt 1.048.576 Gigabyte, was sich<br />

nach deutlich mehr anhört als „unbegrenzt“.<br />

Der Trick hinter diesem „Service“: Alle Daten,<br />

die die Nutzer einmal haben herunterladen<br />

lassen, bleiben für künftige Anfragen auch<br />

anderer Nutzer gespeichert. Die Anwälte von<br />

Xunlei haben ungezählte Stunden darauf verwendet,<br />

den Service legal erscheinen zu lassen.<br />

Dennoch agiert das Unternehmen nach Meinung<br />

westlicher Unternehmen wohl in einem<br />

Graubereich. Xunlei – gewiss eine chinesische<br />

Internet-Erfolgsstory. Aber zu welchem Preis?<br />

Zwei nicht-chinesische Unternehmen<br />

haben es dagegen geschafft, still und leise<br />

<strong>Cloud</strong>-Dienste in China zu etablieren: Sales-<br />

Force.com und Amazon Web Services, beide<br />

2010 unter den Top 10 der <strong>Cloud</strong>-Computing-Services,<br />

wie der auf weltweite Technologietrends<br />

spezialisierte Blog ReadWriteWeb<br />

ermittelt hat. Viele chinesische Unternehmen<br />

verkaufen heute chinesische Produkte direkt<br />

an Kunden auf der ganzen Welt. Um die dafür notwendige,<br />

komplexe, weltumspannende Lieferkette reibungslos funktionieren<br />

zu lassen, liegt es nahe, <strong>Cloud</strong>-Services wie die von<br />

SalesForce.com und Amazon Web Services als unsichtbare<br />

Kettenglieder zu nutzen. Warum können diese Anbieter<br />

ohne Beeinträchtigung durch staatliche Überwachungssysteme<br />

existieren? Sie stehen der Masse der chinesischen<br />

Bevölkerung nicht offen, sondern richten sich lediglich an<br />

Unternehmen, zufälligerweise auch in China – und fallen<br />

dadurch nicht auf.<br />

Die chinesische Sprache kennt für diese Strategie ein<br />

Sprichwort: „Men Sheng Fa Da Cai“ – wer ein Vermögen<br />

verdienen will, sollte im Verborgenen bleiben. Dieser Philosophie<br />

zu folgen, könnte auch für die Anbieter von <strong>Cloud</strong>-<br />

Services empfehlenswert sein, wenn sie im chinesischen<br />

Markt Fuß fassen wollen.<br />

36 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 37


INDUSTRY REPORT<br />

Wie das Überall-Netz<br />

das reale Leben verbessert<br />

Die Technik steht. Nun tüfteln junge Unternehmer in den USA, wie<br />

sie mit mobilem Internet und Smartphone das Leben ihrer Kunden<br />

bequemer machen und damit Geld verdienen können<br />

Von Viktoria Unterreiner, New York<br />

LUST AUF EINEN KOSTENLOSEN MUFFIN? Oder<br />

ein Stück Pizza zum halben Preis? Kein Problem<br />

für den, der sich gerade in New York befindet und<br />

ein Smartphone besitzt. Mit Hilfe der Webseite<br />

Tenka locken Restaurants und Cafés ihre Gäste<br />

durch günstige Angebote zum Besuch. Sie melden beispielsweise,<br />

dass sie 100 Cappuccinos verschenken. Interessenten<br />

müssen keinen Gutschein ausdrucken, sondern einfach nur<br />

Starbucks ist nur<br />

eine von vielen<br />

Möglichkeiten.<br />

Fast überall in<br />

New York gibt es<br />

frei zugängliches<br />

Internet.<br />

auf das Angebot klicken und im Laden das Telefon mit dem<br />

virtuellen Coupon vorzeigen. Wer einmal dort war, so die<br />

Geschäftslogik, kommt wieder und bringt idealerweise<br />

gleich noch jemanden mit. Außerdem sehen Facebook-<br />

Freunde im Internet, dass man den Tenka-Deal eingelöst<br />

hat, und wie viele dieser Gutscheine noch übrig sind. Das<br />

verleitet sie möglicherweise dazu, ebenfalls in dem Café<br />

vorbeizuschauen. Denn bekanntlich ist die beste Werbung<br />

immer noch der Ratschlag eines Freundes – sogar dann,<br />

wenn man mit diesem nur über Facebook verbunden ist.<br />

Vor einigen Monaten wurde Tenka in New York gestartet.<br />

Der Service zeigt, dass Werbung im Internet weit mehr<br />

sein kann als die bisher üblichen Banner, die am Rande<br />

von Websites flimmern. Fast überall in der Stadt gibt es<br />

frei zugängliches Internet, sodass die Tenka-Angebote<br />

selbst im Park oder im Bus nur einen Klick entfernt sind.<br />

Potenzielle Kunden sind also permanent online, und über<br />

soziale Netzwerke bieten sich Firmen völlig neue Möglichkeiten,<br />

um diese User zu erreichen. Denn längst reicht es<br />

nicht mehr, sich in den sozialen Netzen einfach nur einen<br />

Auftritt zuzulegen. In den USA läuft laut einer Studie des<br />

US-Marktforschers comScore bereits ein Drittel der Onlinewerbung<br />

über Facebook. Die Werbeexperten von BIA/<br />

Kelsey schätzen, dass sich die Werbeausgaben in sozialen<br />

Netzwerken von derzeit rund zwei Milliarden Dollar bis<br />

2015 auf über 8 Milliarden Dollar (knapp 6 Milliarden<br />

Euro) vervierfachen dürften.<br />

Spürnasen suchen in New York<br />

Nach wie vor ist in den USA das Silicon Valley die erste Adresse<br />

für Neugründungen in der Internetszene. Dort sitzen nicht<br />

nur viele Start-ups, sondern weltweit führende Computer-<br />

und Internetfirmen wie Hewlett Packard und Google. Doch<br />

Investoren und Berater blicken heute mit ebenso großem Interesse<br />

auf die Szene in New York, die dabei ist, der Westküste<br />

den Rang abzulaufen. Das stellte Brad Feld bei einem Blick<br />

auf sein iPhone fest. Der Investor gehört zu den besten Spürnasen<br />

für spannende Start-ups. So ist er unter anderem an<br />

Zynga beteiligt, einem Unternehmen, das beliebte Facebookbasierte<br />

Spiele wie Farmville und Mafia Wars entwickelt hat,<br />

und damit nach Schätzungen des Wall Street Journal 2010<br />

einen Gewinn von 400 Millionen Dollar erzielte.<br />

Seit dem 1. Januar 2009 verfolgt der Investor mit Hilfe<br />

einer App, an welchen Orten er sich aufhält. 37-mal war er<br />

seither in New York, aber nur 30-mal in San Francisco. „In<br />

den vergangenen Jahren hat die Bedeutung New Yorks für<br />

die Internetszene stark zugenommen“, sagt Feld. Dort fanden<br />

einige der erfolgreichsten Neugründungen der vergangenen<br />

Jahre statt. Zu ihnen gehört Foursquare, bei dem die<br />

Nutzer ihren Standort per Klick dem Freundeskreis mitteilen.<br />

Aber auch Tumblr, die einfachere und kürzere Variante<br />

eines Blogs, hat hier seinen Sitz – und nicht in Kalifornien.<br />

Für die zunehmende Bedeutung New Yorks gibt es einen<br />

guten Grund. „Ein Start-up aufzubauen ist heute viel<br />

billiger als noch vor fünf oder gar zehn Jahren“, sagt Frank<br />

Rimalovski, der den Innovation Venture Fund der New York<br />

University verwaltet. Damals sei es vor allem darum gegangen,<br />

die Technik zu entwickeln. Die ist jetzt vorhanden und<br />

ermöglicht es Jungunternehmern, ihre Geschäftsidee zu<br />

vergleichsweise niedrigen Kosten umzusetzen. „Jetzt sind<br />

Start-ups gefragt, die den Nutzern durch ihre Idee das Leben<br />

leichter machen“, sagt Rimalovski. Für sie ist New York<br />

die perfekte Spielwiese. Nirgendwo sonst lässt sich besser<br />

testen, ob eine Idee funktioniert, denn in dieser Stadt leben<br />

Menschen aller Nationen und Religionen, Junge, Alte,<br />

Arme und Reiche auf engstem Raum zusammen.<br />

Vor einigen Jahren dachten Internetexperten fälschlicherweise,<br />

dass User sich im Internet eine zweite Lebenswelt<br />

aufbauen würden. Second Life war damals groß<br />

in Mode. Viele richteten sich mit Hilfe eines Avatars,<br />

den sie ganz nach ihren Wünschen gestalteten, eine zweite<br />

Identität ein. American Apparel eröffnete dort einen<br />

T-Shirt-Laden, Mercedes eine Niederlassung, und Coca Cola<br />

stellte Getränkeautomaten auf. Doch die Idee ist gefloppt.<br />

„In den vergangenen<br />

Jahren hat die<br />

Bedeutung New Yorks<br />

für die Internetszene<br />

stark zugenommen“<br />

Brad Feld, Investor<br />

INDUSTRY REPORT<br />

Die meisten Avatare irren nur mehr als Schattengestalten<br />

umher. Statt des Booms der zweiten Lebenswelt ist etwas<br />

anderes passiert. Die Menschen bewegen sich zwar im virtuellen<br />

Raum, aber sie nutzen ihn für ihr reales Leben.<br />

Dadurch ändert sich nicht nur Werbung, mit der wir hofiert<br />

werden. Auch die Zusammenarbeit für Unternehmen<br />

wird vereinfacht. So nutzt beispielsweise Gigwalk ganz gezielt<br />

die Hilfe von Leuten, die ein Smartphone besitzen und<br />

Lust haben, sich ohne großen Aufwand ein bisschen Geld<br />

dazuzuverdienen. Wer sich bei Gigwalk anmeldet, soll Fotos<br />

von dem Ort machen, an dem er sich gerade befindet. So<br />

kann ihn ein Restaurantkritiker auffordern, ein Foto von der<br />

Speisekarte eines Restaurants zu schießen. Oder er erhält<br />

den Auftrag, die Schreibweise eines Straßennamens zu überprüfen<br />

und per Foto mitzuteilen. Unternehmen bekommen<br />

dadurch ohne großen Aufwand Informationen, die sie sich<br />

andernfalls teuer anderswo hätten beschaffen müssen.<br />

Eines haben all diese neuen Start-ups gemeinsam: Die<br />

Nutzer profitieren von den enorm vereinfachten Informations-<br />

und Austauschmöglichkeiten. Und kommen so im<br />

„richtigen“ Leben schneller voran.<br />

38 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 39


INDUSTRY REPORT<br />

Marokkanern gefällt das<br />

Die kulturellen Unterschiede in Marokko sind riesig: Einerseits westlich<br />

geprägtes Leben in den Metropolen, andererseits Nomadenleben am Rande<br />

der Sahara. Doch auch die Bevölkerung in abgelegenen Gebieten hat Zugang<br />

zum Internet – dank Mobilfunk<br />

RUND 25 MILLIONEN HANDYS verteilen sich<br />

auf 32 Millionen Marokkaner – aber nur 3,5<br />

Millionen Festnetzanschlüsse gibt es im Land.<br />

Dennoch gehen 13 Millionen Marokkaner regelmäßig<br />

online: in Internetcafés, zunehmend<br />

aber auch über internetfähige Mobiltelefone. Einige marokkanische<br />

Unternehmen haben die Bedeutung von mobilem<br />

Internet für ihre Kundschaft erkannt und setzen vor<br />

allem soziale Medien strategisch ein. Einer der Vorreiter<br />

auf diesem Gebiet ist Méditel.<br />

Das in Casablanca ansässige Unternehmen baut sein<br />

3G-Netz auch außerhalb der Metropolen Casablanca,<br />

Rabat oder Fès und sogar mitten in der Wüste aus. Damit<br />

haben die Kunden in fast jeder marokkanischen Stadt guten<br />

Zugang zum Internet, ohne dass dafür ein aufwändiges<br />

Glasfasernetz nötig wäre. Technische Unterstützung erhält<br />

das nordafrikanische Unternehmen von dem chinesischen<br />

Telekommunikationsausrüster Huawei. Dabei kann Méditel<br />

auf die Erfahrungen in China und anderen asiatischen<br />

Staaten zurückgreifen, wo der leistungsfähige Zugang ins<br />

Internet fast ausschließlich über Funknetze erfolgt. Die<br />

nächste Generation mobiler Übertragungsstandards – und<br />

damit eine weitere Steigerung der Performance – steht<br />

ebenfalls auf der Agenda.<br />

Auch im Bereich Social Media ist Méditel seinen Konkurrenten<br />

weit voraus. Obwohl der Marktführer und Rivale<br />

Maroc Télécom rund 50 Prozent des Mobilfunkmarktes<br />

bedient, kann das Unternehmen lediglich 3.510 Facebook-<br />

Fans von der Präsenz des Unternehmens überzeugen.<br />

Méditel dagegen, mit rund 33 Prozent nur die Nummer<br />

zwei auf dem marokkanischen Mobilfunkmarkt, bringt es<br />

auf stolze 67.273 Facebook-Fans. Die Aktivitäten dienen<br />

aber nicht nur dazu, den Absatz zu fördern, sondern vor<br />

allem, um mit seinen Kunden zu kommunizieren, diese so<br />

noch besser zu verstehen und an sich zu binden. „Wie fängt<br />

euer Tag an?“ fragte der marokkanische Mobilfunkanbieter<br />

etwa am 10. Mai 2011 um 11:02 Uhr auf seiner Facebook-<br />

Seite: Wenige Minuten später kamen die ersten Antworten:<br />

Rahma aus Ouezzane: „Sehr gut!“; Hicham aus Casablanca:<br />

„Es gibt ja nichts Neues bei MEDITEL, alles ist normal<br />

und ruhig“; Samir aus Tanger: „Gut, zuuuuu viiiiel Arbeit,<br />

hab Geburtstag“; Antwort acht Minuten später: „Hallo<br />

Samir, Méditel wünscht dir alles Gute zum Geburtstag!“<br />

Mit gezielten Fragen lockt Méditel seine Fans aus der<br />

Reserve: Wie war euer Tag? Deine Prognose für die UEFA<br />

Champions League: Manchester United oder Schalke 04?<br />

Was für ein Handy hast du? Wer gewinnt beim Clásico –<br />

Barça oder Real Madrid? Ganz nebenbei werden die Fans<br />

von Méditel über neue Angebote und Aktionen des Mobilfunkunternehmens<br />

informiert. „Merci Méditel!“, so die<br />

Kundenantwort, für alle zum Mitlesen.<br />

Sorgsame Vorbereitung<br />

Seinen Auftritt auf der Social-Media-Plattform hat Méditel<br />

sorgsam vorbereitet. Im vergangenen Juni startete Méditel<br />

die Aktion „Facebook Zero“. Kunden können sich mit<br />

ihren Mobiltelefonen kostenfrei in das soziale Netzwerk<br />

einloggen. Dieser Service steht allen offen, egal ob sie einen<br />

Vertrag haben oder eine Prepaidkarte benutzen. So erfahren<br />

sie quasi in Echtzeit, welche neuen Aktionen Méditel<br />

„Hallo Samir, Méditel<br />

wünscht dir alles Gute<br />

zum Geburtstag!“<br />

plant. Der ständige Informationsfluss hält die Kunden bei<br />

der Stange und generiert neuen Umsatz. Denn sobald es<br />

verbilligte Gesprächsminuten oder Kurznachrichten im<br />

Angebot gibt, können die Kunden sofort zugreifen. Und<br />

das tun die Handynutzer in Marokko.<br />

Marketing und Kundenbindung sind nur eine Seite der<br />

Facebook-Aktivität von Méditel. Der Kampf um kluge<br />

Köpfe ist die andere. Immer wieder fordert Méditel seine<br />

Kunden auf, selbst kreativ zu werden. Das Beispiel der<br />

jüngsten Vergangenheit: ein Wettbewerb für Entwickler.<br />

Sie sollen originär marokkanischen Content für das<br />

Android-Betriebssystem von Google schaffen. Die Aktion<br />

endete am 12. Dezember 2010. Der Hauptgewinn ging an<br />

Mohamed el Idrissi für seine Applikation „Khadamat“.<br />

Khadamat – auf Deutsch ganz einfach „Auskunft“ – bringt<br />

INDUSTRY REPORT<br />

Online dank Mobilfunk. Beim Kampf um die klugen Köpfe setzt der<br />

marokkanische Anbieter Méditel auch auf soziale Netze.<br />

aktuelle Nachrichten, aber auch das Fernsehprogramm<br />

oder den Zugfahrplan auf das Smartphone. Damit ist die<br />

App genau auf die Bedürfnisse der marokkanischen User<br />

zugeschnitten, weil es ihren Alltag einfacher macht. Grund<br />

genug für die Jury, den Entwickler und Absolventen der<br />

Universität Fès nach San Francisco auf die I/O Developer<br />

Conference von Google zu schicken. Durch derartige Aktionen<br />

kann Méditel nicht nur sein junges Image festigen<br />

und ein Gemeinschaftsgefühl aufbauen, es kann vor allem<br />

wertvolle potenzielle Mitarbeiter an sich binden. Kreative<br />

Arbeitskräfte – seien sie nun festangestellt oder projektgebunden<br />

auf freiberuflicher oder gar freiwilliger Basis tätig<br />

– werden dadurch auf Méditel als Arbeitgeber aufmerksam.<br />

Die räumliche Entfernung spielt dank des Internets<br />

keine Rolle.<br />

Soziale Medien bieten eine Plattform, auf der sich nicht<br />

nur ein Unternehmen mit seinen Kunden austauschen<br />

kann, sondern auch die Kunden untereinander. Dadurch<br />

werden neue Beziehungen möglich, private und geschäftliche.<br />

Bisher bewegen sich meist junge Menschen auf diesem<br />

Terrain, weil soziale Medien bereits zu ihrer Lebenswirklichkeit<br />

gehören. Diese jungen Leute werden künftig die<br />

Regeln der Kommunikation und der Zusammenarbeit bestimmen<br />

– und wahrscheinlich Méditel treu bleiben.<br />

40 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 41


RUBRIK HIER<br />

Ideen an der Angel.<br />

Viele Nutzer haben<br />

Lösungen für<br />

bekannte Probleme<br />

parat – Unternehmen<br />

müssen diese nur<br />

noch einfangen.<br />

OB ES UNTERNEHMEN gefällt<br />

oder nicht: Kunden<br />

tauschen sich über Produkte<br />

und Services aus“,<br />

sagt Josh Bernoff, Experte<br />

der IT-Marktforschung<br />

Forrester und Co-Autor<br />

des Buchs „Groundswell“.<br />

Dort beschreibt er die manchmal ruhige, manchmal<br />

aber auch stürmische See von Meinungen und Kommentaren<br />

im Netz. Als richtige Konsequenz aus dieser<br />

Entwicklung rät Bernoff Unternehmen, diesen<br />

Austausch nicht zu ignorieren, sondern für sich zu<br />

nutzen. Denn wer sich beschwert, weiß häufig auch,<br />

was Firmen besser machen können. „Viele Menschen<br />

haben neue Lösungen im Kopf, wollen sich einbringen“,<br />

sagt Bernoff. Dabei gibt es natürlich eine Menge<br />

Ausschuss: „Man darf nicht erwarten, dass alle<br />

Ideen praxistauglich sind. Schließlich stammen viele<br />

Ideen von Menschen, die es nicht gewohnt sind, Produkte<br />

zu entwerfen“, meint Bernoff. Dennoch finden<br />

INDUSTRY REPORT<br />

Schwarm-Intelligenz<br />

Es brechen schwere Zeiten an für Marktforscher: Immer mehr Unternehmen<br />

greifen bei der Neuentwicklung von Produkten und Services die Ideen<br />

und Anregungen ihrer Kunden direkt ab und spannen auf der Suche nach<br />

Innovationen auch Hobbytüftler für sich ein<br />

sich unter den Vorschlägen immer wieder auch clevere<br />

Lösungen. Die klassische Marktforschung per<br />

Fokusgruppe könne im Vergleich dazu oft lediglich<br />

Probleme identifizieren, aber nur selten Lösungen<br />

bieten.<br />

Immer mehr Unternehmen schaffen daher eigene<br />

Kommunikationsplattformen, auf denen ihre<br />

Kunden Produktideen und Verbesserungsvorschläge<br />

platzieren können. Ideenwettbewerbe und<br />

Abstimmungen sorgen für zusätzlichen Reiz. Das<br />

Prinzip lässt sich auch innerhalb einer geschlossenen<br />

Einheit, etwa unternehmensintern, umsetzen.<br />

Nötig ist allein die passende Infrastruktur, angelehnt<br />

an oder adaptiert von den sozialen Netzen.<br />

Marktforscher Bernoff, eigentlich ein Vertreter<br />

der „alten Garde“, ist überzeugt, dass das Prinzip<br />

„groundswell“ funktioniert. Unternehmen, die sich<br />

dieser Entwicklung verschließen, hätten im Wettbewerb<br />

bald das Nachsehen: „Diese Unternehmen<br />

werden sich nicht schnell genug an Kundenwünsche<br />

anpassen können.“<br />

42 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 43


Innocentive<br />

Forschergemeinde<br />

US-Pharmahersteller Eli Lilly<br />

startete Ende der 90er Jahre eine<br />

Plattform im Netz, die das Wissen<br />

der Masse nutzbar machen sollte:<br />

„Innocentive“. Mit Erfolg: Heute<br />

unterstützt Innocentive Unternehmen<br />

und Organisationen aus aller<br />

Welt dabei, Probleme aus Forschung<br />

und Entwicklung als konkretes<br />

Rätsel zu formulieren. Auf<br />

Wissenschaftsportalen wie Nature.<br />

com oder Academia.edu schreibt<br />

Innocentive diese sogenannten<br />

„challenges“ aus. Die Community<br />

hat 225.000 Mitglieder aus 200<br />

Ländern. Die Auftraggeber der<br />

challenges bleiben in der Regel<br />

anonym. Innocentive sorgt für<br />

eine netzgerechte Aufbereitung der<br />

Aufgaben: „Man muss sehr präzise,<br />

klare Fragen stellen, um gute<br />

Antworten zu erhalten“, sagt David<br />

Ritter, Chief Technology Officer<br />

von Innocentive. Die Vorschläge<br />

werden von Experten geprüft,<br />

der beste Vorschlag mit Preisgeldern<br />

von bis zu 1 Million Dollar<br />

prämiert. Nicht immer gewinnen<br />

dabei Forscher vom Fach: Ein<br />

pensionierter Mobilfunkingenieur<br />

lieferte der US-Raumfahrtbehörde<br />

NASA ein neues Modell zur Vorhersage<br />

des Sonnenwindes. Fast<br />

1.200 Probleme hat Innocentive<br />

ausgeschrieben, die Hälfte davon<br />

wurde gelöst. Seit 2008 können<br />

Unternehmen die Technik auch<br />

intern einsetzen. Dann dürfen nur<br />

Mitarbeiter teilnehmen: „Innocentive@work“<br />

heißt diese Variante.<br />

www.innocentive.com<br />

Phylo<br />

Spieltrieb<br />

Auf den ersten Blick ist Phylo<br />

nur ein Online-Spiel auf einer<br />

Webseite der McGill University<br />

in Montreal, Kanada: Der Spieler<br />

muss Reihen aus vier farbigen<br />

Quadraten so anordnen, dass sie<br />

möglichst deckungsgleich sind.<br />

Beim Lösen dieser Puzzles arbeiten<br />

die Internetnutzer indes an einer<br />

weitaus größeren Aufgabe mit.<br />

Denn Phylo, seit November 2010<br />

in Betrieb, unterstützt die McGill-<br />

Genetiker dabei, die Sequenzen der<br />

Erbsubstanz DNA zu erforschen.<br />

Die bunten Klötzchenreihen, die<br />

der Internetspieler zuordnet, entsprechen<br />

DNA-Abschnitten. Die<br />

Wissenschaftler sind auf der Suche<br />

nach Gensequenzen, die sich bei<br />

verschiedenen Spezies ähneln.<br />

Solche Abschnitte, vermuten die<br />

Forscher, haben eine wichtige<br />

Funktion, und wenn sie mutieren,<br />

kommt es zu Stoffwechselerkrankungen<br />

oder Krebs. Natürlich<br />

könnten die McGill-Forscher die<br />

Gensequenzen auch mit dem<br />

Computer vergleichen. Das aber<br />

dauert wesentlich länger – Menschen<br />

kommen intuitiv schneller<br />

zu einem Ergebnis. Inzwischen<br />

werden 500 bis 1.000 Puzzles pro<br />

Tag gespielt, mehr als 200.000<br />

Fundstellen haben die Wissenschaftler<br />

schon gesammelt. Assistant<br />

Professor Jerome Waldispuhl<br />

wird die besten Puzzler belohnen:<br />

In den Veröffentlichungen der<br />

Ergebnisse wollen die Forscher sie<br />

namentlich erwähnen.<br />

phylo.cs.mcgill.ca<br />

BMW Co-Creation<br />

Fan-Design<br />

Der Münchener Automobilhersteller<br />

BMW spannt seine Kunden<br />

schon seit 2004 regelmäßig für<br />

Online-Ideenwettbewerbe ein.<br />

2010 bat der Konzern um Vorschläge<br />

zum Thema „Mobilität von<br />

morgen“. 550 Teilnehmer diskutierten<br />

mehr als 300 Ideen miteinander,<br />

darunter neue Ansätze für<br />

Elektroautos, Parkmöglichkeiten<br />

und Kommunikation. Auf der so<br />

entstandenen, virtuellen Plattform<br />

„Co-Creation Lab“ will BMW<br />

nun dauerhaft Autointeressierte<br />

versammeln, die dort ihre Ideen<br />

vorstellen sollen. Ein Team aus<br />

den entsprechenden Fachabteilungen<br />

des Autoherstellers arbeitet<br />

mit den ambitionierten Tüftlern<br />

zusammen. Ende vergangenen<br />

Jahres lief auf dem Co-Creation<br />

Lab ein Ideenwettbewerb zum<br />

Thema „Individualisierung im<br />

Fahrzeuginterieur“. Eine Jury<br />

aus Designexperten und Fahrzeugingenieuren<br />

bewertete die<br />

Vorschläge. Die besten Teilnehmer<br />

gewannen ein Treffen mit den<br />

BMW-Entwicklern. Vor allem aber<br />

verspricht BMW, die Ideen aus<br />

dem Co-Creation Lab in der eigenen<br />

Forschungsarbeit ernsthaft<br />

weiterzuverfolgen. Was die Hobbydesigner<br />

tun, ist also viel mehr als<br />

Spielerei. Es geht darum, die Autos<br />

von morgen zu entwickeln.<br />

www.bmwgroup-cocreationlab.com<br />

Dell Ideastorm<br />

Vorschlagswesen<br />

US-Computerhersteller Dell hat<br />

in Sachen „groundswell“ einen<br />

schmerzhaften Lernprozess<br />

hinter sich. 2005 war in der<br />

amerikanischen Blogosphäre ein<br />

Sturm der Entrüstung über Dell<br />

hereingebrochen, nachdem sich<br />

der Blogger Jeff Jarvis lautstark<br />

über den schlechten Kundendienst<br />

der Firma beschwert hatte. Das<br />

Schlagwort „Dell Hell“ machte die<br />

Runde. Zwei Jahre später begann<br />

Dell, den „groundswell“ zu nutzen,<br />

und richtete ein offenes Forum<br />

ein, auf dem Kunden, Mitarbeiter<br />

oder andere Interessierte jede<br />

Art von Verbesserungsvorschlag<br />

für Dell-Produkte einstellen und<br />

diskutieren konnten. Einzige<br />

Voraussetzung: Man musste<br />

sich kostenfrei registrieren. Dell<br />

moderiert die Diskussionen nur<br />

wenig. Die Teilnehmer selbst<br />

stimmen über Vorschläge ab. Die<br />

Topvorschläge wertet Dell aus und<br />

zeigt, welche Ideen „reviewed“<br />

sind, welche bereits bearbeitet<br />

werden („in progress“) oder schon<br />

umgesetzt wurden („implemented“).<br />

Die beliebtesten Vorschläge<br />

stehen gleich auf der Startseite. In<br />

den ersten drei Jahren hat Dell mit<br />

Ideastorm 10.000 Ideen gesammelt<br />

und nach eigenen Angaben<br />

knapp 400 davon umgesetzt.<br />

www.ideastorm.com<br />

MyStarbucksIdea<br />

Kaffee-Netzwerk<br />

Die Kaffeehauskette Starbucks<br />

startete ihre Ideation-Plattform<br />

2008: Auf MyStarbucksIdea<br />

können Kunden – ähnlich wie<br />

bei Dells „Ideastorm“ – Ideen<br />

und Verbesserungsvorschläge zu<br />

Starbucks-Produkten einreichen<br />

und bewerten. Hier werden keine<br />

konkreten Fragen oder Aufgaben<br />

gestellt – man sammelt jeden<br />

Verbesserungsvorschlag, den man<br />

bekommen kann. In dem Forum,<br />

das wie ein soziales Netzwerk<br />

aufgebaut ist, diskutieren Kunden<br />

zum Beispiel die Frage, ob ein<br />

Studentenrabatt von zehn Prozent<br />

sinnvoll ist oder eine Mitgliedskarte,<br />

auf der Kunden ihre Lieblingskaffee-Variante<br />

eintragen.<br />

Der Kunde, so die Idee, hält dem<br />

Starbucks-Mitarbeiter dann nur<br />

noch die Karte hin und sagt: „Das<br />

Übliche, bitte.“ 40 „Starbucks Idea<br />

Partners“ aus den verschiedensten<br />

Bereichen des Unternehmens<br />

fungieren als Moderatoren und<br />

Ansprechpartner. Einige Hundert<br />

der eingereichten Vorschläge hat<br />

Starbucks Beobachtern zufolge<br />

bereits umgesetzt. Für die Kaffeehauskette<br />

ist das Ideation-<br />

Projekt zudem ein Instrument der<br />

Selbstvergewisserung. Manche<br />

Neuerungen haben zwar Kunden<br />

vorgeschlagen, sie waren aber auch<br />

schon zuvor in der Pipeline der<br />

Entwicklungsabteilung.<br />

mystarbucksidea.force.com<br />

INDUSTRY REPORT<br />

Salesforce IdeaExchange<br />

Aktive Nutzercommunity<br />

Das Softwareunternehmen Salesforce<br />

aus San Francisco liefert<br />

webbasierte Programme zur Pflege<br />

von Kundendaten. Zwar sind die<br />

Käufer solcher Softwaresysteme<br />

im Business-to-Business-Bereich<br />

zu finden, mit mehr als 92.000<br />

Kunden weltweit erreicht die<br />

Salesforce-Community aber<br />

durchaus die kritische Masse<br />

für ein Crowdsourcing-Projekt.<br />

Schon seit Oktober 2006 betreibt<br />

Salesforce die Plattform<br />

„IdeaExchange“: Hier können die<br />

Anwender die Funktionen neuer<br />

Versionen diskutieren und Verbesserungsvorschläge<br />

machen. Wie<br />

bei anderen Ideation-Plattformen<br />

auch bewerten andere Teilnehmer<br />

die Ideen, was automatisch zu<br />

Ranglisten führt. Innerhalb der<br />

ersten sechs Monate zählte Idea-<br />

Exchange nach Salesforce-Angaben<br />

mehr als 2.500 Ideen, 42.000<br />

Ratings und 3.700 Kommentare.<br />

Schon in der Salesforce-Version im<br />

Frühjahr 2007 wurden etliche der<br />

Anregungen umgesetzt. Im sogenannten<br />

Apex Developer Network<br />

(ADN) tauschen sich Salesforce-<br />

Entwickler direkt mit der Community<br />

aus und erfragen, wo die<br />

Anwender den größten Bedarf an<br />

neuen Funktionen sehen.<br />

success.salesforce.com/ideaHome<br />

44 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 45


RUBRIK HIER<br />

Durchschnittliche Kundenbewertung<br />

Durchschnittliche Kundenbewertung<br />

Durchschnittliche Kundenbewertung<br />

Durchschnittliche Kundenbewertung<br />

Durchschnittliche Kundenbewertung<br />

Kaufsignale<br />

Manche Unternehmen wissen bereits heute, welche Produkte morgen<br />

gekauft werden – noch bevor es viele ihrer zahlreichen Käufer wissen.<br />

Hinweise auf künftige Entscheidungen schlummern im sozialen Netz<br />

BISLANG NUTZEN Hersteller und<br />

Händler vor allem historische<br />

Daten zur Nachfrage- und Logistikplanung:<br />

Sie analysieren,<br />

was Kunden gekauft haben,<br />

schätzen daraus die Nachfrage<br />

nach ihren Produkten und<br />

planen Frachtkapazitäten. Eine<br />

Methode mit Schwächen, erzeugt doch der Blick<br />

in die Vergangenheit bestenfalls ein unscharfes<br />

Bild der Zukunft. Jeden Tag aber laufen über soziale<br />

Netze Millionen Nachfragesignale. Kunden<br />

tauschen sich über Camcorder oder Fernseher aus,<br />

schreiben in ihren Blogs über Computerspiele und<br />

Filme, twittern über einen neuen Schokoriegel,<br />

den sie im Supermarktregal entdeckt haben. Kein<br />

Wunder, dass diese Daten bereits Begehrlichkeiten<br />

geweckt haben: „In den nächsten fünf Jahren<br />

werden die Unternehmen einen deutlichen<br />

Wettbewerbsvorteil erlangen, die es schaffen,<br />

diese Signale zu nutzen“, prophezeit Steve Keifer,<br />

Experte des E-Commerce-Beraters GXS mit Sitz<br />

in Gaithersburg, Maryland, USA. Sein Unternehmen<br />

ist darauf spezialisiert, die unterschiedlichen<br />

Daten zu systematisieren, auf ihre Nutzbarkeit<br />

INDUSTRY REPORT<br />

entlang der gesamten Lieferkette zu prüfen und<br />

so Optimierungspotenziale aufzuspüren.<br />

Ein Beispiel ist die bereits seit Jahren gängige<br />

Auswertung von Vorbestellungen und Interessenlisten<br />

großer Onlinehändler wie Amazon oder<br />

Barnesandnoble.com. Auch große Handelsketten<br />

speisen Verkaufszahlen für jedes gewünschte Produkt<br />

im Sekundentakt in Datenbanken ein. Diese<br />

POS-Informationen werden für vergleichbare Situationen<br />

hochgerechnet: Das nächste Wochenende<br />

etwa, Weihnachten oder Thanksgiving. Hersteller<br />

wie Procter & Gamble, Kraft Foods oder Kimberly<br />

Clark fahren ihre Produktion entsprechend herauf<br />

oder herunter und buchen bei ihren Logistikern<br />

die passenden Frachtkapazitäten. Das Problem:<br />

Die Daten sind ungenau, denn sie speisen sich aus<br />

den Erfahrungen der Vergangenheit. Zugleich,<br />

das zeigen zahlreiche Studien, ist die Transparenz<br />

und Flexibilität der Lieferkette einer der entscheidenden<br />

Erfolgsfaktoren, um auf die Launen der<br />

Kunden möglichst schnell reagieren zu können –<br />

bevor der kaufwillige Konsument es sich doch noch<br />

anders überlegt.<br />

Einige konkrete Anhaltspunkte verstecken<br />

sich in der Analyse der Kundenbewegungen auf<br />

THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 47


INDUSTRY REPORT<br />

Ortsbezogen<br />

Local Based Services<br />

Auch am „Point of Sale“ selbst, im Laden<br />

also, lassen sich die Eigenschaften<br />

der sozialen Netze nutzen. Denn schon<br />

längst haben Spezialisten für mobiles<br />

Marketing diverse „Local-based Services“<br />

entwickelt. Sie nutzen den Umstand,<br />

dass Mobiltelefone mit Hilfe von<br />

GPS-Modulen und Mobilfunkortung<br />

permanent aufzeichnen, wo sie – und<br />

damit ihre Besitzer – sich befinden. Das<br />

Smartphone könnte maßgeschneiderte<br />

Werbebotschaften und gezielte Angebote<br />

anzeigen, sobald sich der Nutzer<br />

in Reichweite des betreffenden Ladens<br />

befindet. Und damit auch ein Stück weit<br />

die Nachfrage beeinflussen. Voraussetzung<br />

ist allerdings, dass der Anwender<br />

der Übermittlung, Auswertung und<br />

Nutzung dieser Daten aktiv zugestimmt<br />

hat – andernfalls wäre eine Verwendung<br />

datenschutzrechtlich bedenklich.<br />

Das US-Startup Hunch ist genau in<br />

diesem Bereich der individualisierten<br />

Werbung tätig. Bisher eröffnet die<br />

IT-Firma aus New York City lediglich<br />

die Möglichkeit, das Internet selbst<br />

nach den Bedürfnissen von Kunden<br />

zu personalisieren. Hunch nutzt dazu<br />

Algorithmen, die vorausberechnen,<br />

welchen Konsumwunsch ein Kunde in<br />

einer bestimmten Situation haben wird.<br />

Der nächste Schritt ist es, diese Technik<br />

mit Location-based Services zu verknüpfen.<br />

„Du läufst eine Straße entlang,<br />

und Hunch weiß, dass ein Geschäft in<br />

der Nähe zu deinem Geschmack passt“,<br />

so beschreibt es Hunch-Gründer Chris<br />

Dixon. Und das nicht nur auf der Straße:<br />

Amerikanische Handelsketten wie<br />

Macy‘s haben ihre Filialen bereits mit<br />

einer Ortungstechnik ausgestattet, die<br />

es ihnen erlaubt, Kunden bis auf wenige<br />

Zentimeter zu orten – auch innerhalb<br />

des Geschäfts. Das macht Smartphone-<br />

Werbung möglich, die genau auf die<br />

Person zugeschnitten ist, die da gerade<br />

vor einem bestimmten Kaufhausregal<br />

steht – wenn diese Person das will. Die<br />

Wahrscheinlichkeit, dass dieser Nutzer<br />

dann auch tatsächlich zum beworbenen<br />

Produkt greift, ist nach Meinung von<br />

Dixon hoch.<br />

Internetfähige Handys sind noch aus<br />

einem zweiten Grund für die Nachfrageplanung<br />

interessant: Denn ihre<br />

Besitzer senden über Facebook- oder<br />

Twitter-Apps häufig auch von unterwegs<br />

Nachrichten in die sozialen Netze.<br />

Und zwar solche, die oft damit zu tun<br />

haben, wo sie sich gerade befinden. Die<br />

niederländische Fluggesellschaft KLM<br />

hat kürzlich gemeinsam mit Foursquare,<br />

einer Plattform, die Location-based-<br />

Services anbietet, eine Aktion gestartet,<br />

die zeigt, was die Kombination aus<br />

Smartphone, Ortung und Internet kann.<br />

KLM ermutigte seine Kunden, sich<br />

mit dem Smartphone bei Foursquare<br />

„einzuloggen“, während sie auf ihr<br />

Flugzeug warteten. Foursquare<br />

meldete ihren Standort dann an den<br />

KLM-Server. Wer seinen Followern<br />

bei Twitter zusätzlich mit der Kennung<br />

„#klm“ signalisierte, dass er gleich mit<br />

einem Flugzeug der Niederländer<br />

unterwegs sein würde, erhielt ein<br />

personalisiertes Geschenk von der<br />

Airline. Personalisiert, weil KLM auch<br />

die Social-Media-Profile der eingeloggten<br />

Smartphone-Nutzer erfasst hatte.<br />

Ein Passagier flog nach Mexiko, um<br />

beim Bau von Obdachlosenheimen zu<br />

helfen. Er erhielt ein Carepaket – mit<br />

Traubenzucker und einer Salbe gegen<br />

Muskelschmerzen. Ein anderer Fluggast,<br />

der auf dem Weg zu einer Social-<br />

Media-Konferenz war, bekam<br />

Kinokarten für „The Social Network“,<br />

den mit mehreren Oscars ausgezeichneten<br />

Film von Regisseur David<br />

Fincher über Facebook-Gründer Mark<br />

Zuckerberg. Spielerei? Mehr als das:<br />

Die Beispiele zeigen, was die Kombination<br />

der Daten aus einem virtuellen<br />

Freundschaftsnetzwerk und der Smartphone-Ortung<br />

alles möglich macht:<br />

Unerwartetes. Und das zählt.<br />

den Plattformen, die beispielsweise in<br />

Vorschlagslisten von Amazon Gestalt<br />

annehmen. Dabei werden bisherige<br />

Einkäufe oder bereits vorhandene Musikstücke<br />

analysiert, mit den Profilen<br />

anderer Kunden oder Nutzer abgeglichen<br />

und aus diesen Informationen<br />

passende weitere Produkte empfohlen<br />

– auch in der Hoffnung, so mehr<br />

Nachfrage zu generieren und den „Mitnahmeeffekt“,<br />

bekannt von den Kassenangeboten<br />

im stationären Handel, in<br />

der E-Commerce-Welt zu erschließen.<br />

Das funktioniert bis zu einem gewissen<br />

Punkt, dennoch: Präzise lässt sich die<br />

Nachfrage so immer noch nicht planen.<br />

Aussagekräftige Nachfragesignale<br />

Die Lösung für dieses Dilemma könnte<br />

in den virtuellen Netzen mit ihren Millionen<br />

von Nachfragesignalen liegen.<br />

Eine erste Ahnung, welche Informationsschätze<br />

im Netz brachliegen, gibt der<br />

„Insights for Search“-Dienst des Suchmaschinenbetreibers<br />

Google. Er liefert<br />

zu jedem beliebigen Suchbegriff genaue<br />

Statistiken: Wie oft wird das Wort gegoogelt?<br />

In welchen Ländern und Regionen?<br />

Damit lässt sich etwa zeigen, dass<br />

die Suchhäufigkeit bei Filmen, die später<br />

tatsächlich einen Oscar gewannen,<br />

in den Monaten zuvor stets signifikant<br />

höher war als die nach letztendlich erfolglosen<br />

Streifen. „Insights for Search<br />

könnte man auch für die Kapazitätsplanung<br />

nutzen“, erklärt Yossi Matias,<br />

Leiter der Google Labs im israelischen<br />

Tel Aviv. Ein Elektronikhändler könnte<br />

zum Beispiel aus der Zahl und Dichte<br />

der Suchanfragen nach einem neuen<br />

Tablet-PC ableiten, wie viele Geräte er<br />

zum Marktstart in bestimmten Filialen<br />

oder Regionen vorhalten muss.<br />

Ein anderes Beispiel: Die Marketingkampagnen<br />

des fränkischen<br />

Sportartikelherstellers Adidas finden<br />

mittlerweile überwiegend online und<br />

in sozialen Netzwerken statt. Als der<br />

Sportartikelhersteller Mitte März 2011<br />

seine neue Kampagne „They are all in“<br />

lancierte, platzierte er dazu aufwändig<br />

produzierte YouTube-Videos – und<br />

verfolgt aufmerksam die Kommentare, die solche Aktionen<br />

provozieren. IT-Chef Jan Brecht registriert die „I like“- und<br />

„Share“-Signale in sozialen Netzwerken, misst den „buzz“,<br />

den seine Filme generieren – indem er Nennungen auf<br />

Twitter, in Blogs, Facebook oder anderen Netzwerken auswertet.<br />

Unter anderem will Adidas so herausfinden, wie gut<br />

die gezeigten Produkte ankommen – und daraus ablesen, in<br />

welchen Stückzahlen sie nachgefragt werden dürften.<br />

Auch der Monitoringdienst „Buzzmetrics“ des Marktforschers<br />

Nielsen nimmt bereits das soziale Netz unter die Lupe.<br />

Die Software filtert aus dem unstrukturierten Stimmengewirr<br />

der Konsumenten in Blogs, Foren und Newsgroups<br />

gezielt heraus, was über ein bestimmtes Unternehmen, eine<br />

Marke oder ein Produkt geschrieben und diskutiert wird, wie<br />

sich dieser „buzz“ im Zeitverlauf verändert und welche Zielgruppen<br />

sich dabei zu Wort melden. Ziel solcher Analysen:<br />

Die Stimmen der neuen, stetig wachsenden Onlineöffentlichkeit,<br />

die sich neben den etablierten Medien gebildet hat,<br />

einzufangen. Denn Internetnutzer nutzen nicht mehr nur die<br />

Empfehlungen von <strong>Special</strong>-Interest-Medien, sondern sammeln<br />

auf eigene Faust Erfahrungsberichte Gleichgesinnter<br />

im Netz. Der Fachjournalist als Gatekeeper und Beglaubiger<br />

von Informationen erhält Rückkopplung durch das soziale<br />

Netz. Die Marktforscher von Gartner haben 2010 in einer<br />

Studie ermittelt, dass die Mehrheit der Konsumenten sich bei<br />

Kaufentscheidungen inzwischen zumindest zum Teil auf die<br />

Meinungen von Nutzern in sozialen Netzen verlässt.<br />

Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist die Nutzung dieser<br />

Daten unkritisch: Schließlich handelt es sich bei allen Informationen<br />

lediglich um statistische, nicht personenbezogene<br />

Daten, die von den Anwendern selbst veröffentlicht wurden.<br />

Vorsicht ist allerdings angebracht, wenn Profile einzelner Personen<br />

aus mehreren Datenquellen erstellt werden und diese<br />

dann gezielt zur Kundenansprache genutzt werden sollen.<br />

ligence-Systeme einfließen, die moderne Lieferketten<br />

steuern. „Theoretisch wäre das technisch zwar möglich“,<br />

bestätigt Nari Viswanathan, Logistikspezialist der Aberdeen<br />

Group. Allerdings gibt es praktische Hürden. Die<br />

Daten aus den sozialen Netzen haben nämlich nicht das<br />

richtige Format – genauer: Sie haben gar keins. Sie stellen<br />

„big data“ dar: riesige, unstrukturierte Informationsmengen,<br />

bei denen es nicht darauf ankommen kann, wie viele<br />

„Felder“ ein Datensatz hat. „Um diesen Datenwust auszuwerten,<br />

benötigt man eine andere Logik als die bisher<br />

vorhandene“, erklärt Lothar Wieske, beim IT-Dienstleister<br />

des Logistikkonzerns Deutsche Bahn für das Innovationsmanagement<br />

zuständig. Heutige Business-Intelligence-<br />

Systeme in der Logistik arbeiten ja nach althergebrachten<br />

Datenbankverfahren. Jeder Datensatz muss immer dieselbe<br />

Struktur haben und eindeutig identifizierbar sein, sonst<br />

funktioniert das System nicht. Vorbild für die neue Zeit<br />

könnten nach Meinung Wieskes die cloudbasierten File-<br />

Systeme von Google oder Amazon sein: verteilt arbeitende<br />

Datenbanken wie „Cassandra“ von Apache, ursprünglich<br />

eine Entwicklung von Facebook, die eigens für den Umgang<br />

mit Social-Media-Daten gemacht wurden.<br />

Bis es so weit ist, erstellen E-Commerce-Unternehmen<br />

die ersten webbasierten Nachfrageprognosen aus Datensätzen,<br />

die bereits eine Struktur haben: Hochzeitslisten<br />

eben, oder Vorbestellungen. Auch Online-Konfiguratoren,<br />

etwa für Einbauküchen und Autos, eignen sich, um daraus<br />

Kaufabsichten abzuleiten. Interessenten und spätere Kunden<br />

spielen in solchen Konfiguratoren meist mehrere Male<br />

mit Ausstattungsvarianten, Farben und Materialien herum,<br />

bevor sie sich tatsächlich zum Kauf entschließen, sagt<br />

Robert Byrne von Terra Technology: „Auch daraus können<br />

die Hersteller Nachfragetrends ableiten.“ Die ersten Systeme<br />

dieser Art würden bei komplexen, teuren Produkten zu finden<br />

sein, etwa im Hintergrund der Online-Konfiguratoren<br />

von Autoherstellern. Byrne hat bereits Gespräche mit Fahrzeugbauern<br />

geführt, die seine Software nutzen möchten.<br />

Und das ist nur der Anfang.<br />

48 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 49<br />

Big data<br />

„Die Unternehmen werden einen deutlichen<br />

Wettbewerbsvorteil erlangen, die es schaffen,<br />

Signale aus sozialen Netzen zu nutzen“<br />

Steve Keifer, E-Commerce-Experte<br />

Die Signale aus den sozialen Netzen können derzeit allerdings<br />

noch nicht direkt in kollaborative Business-Intel-<br />

INDUSTRY REPORT


INDUSTRY REPORT<br />

Verlässliche<br />

Freunde<br />

Schneller, günstiger, mehr Reichweite: Das sind nur einige der Vorteile,<br />

die Kundenservice über Social-Media-Netzwerke bietet. Clever<br />

eingesetzt, lässt sich eine neue Dimension der Kundenbeziehung<br />

aufbauen, die weiter wirkt als die reine Problemlösung<br />

BLOGS, FOREN UND ANDERE Internetplattformen<br />

sind voll mit Produktproblemen.<br />

Aber oft eben auch mit den dazu<br />

passenden Lösungen, denn bei Fragen<br />

rund um ihr Produkt finden Kunden<br />

vermehrt im Internet nicht mehr nur<br />

Leidensgenossen, sondern auch Antworten.<br />

Findige Unternehmen nutzen diese<br />

Informationen für den Support und bündeln das Wissen<br />

der Community, teils extern, teils sogar auf der eigenen<br />

Internetseite.<br />

Wie erfolgreich das sein kann, zeigt das Beispiel des<br />

Elektro- und Elektronikkonzerns LG: Der Kundenservice<br />

griff Fragen auf, die im Forum immer wiederkehrten, und<br />

veröffentlichte sie im Blog. So konnten mit diesen 47 Einträgen<br />

die Probleme von rund 30.000 Kunden gelöst werden.<br />

„Die Kosten pro Nutzer liegen bei zwölf Cent. Deutlich mehr<br />

würde es kosten, wenn sich die Kunden mehrheitlich über<br />

die Hotline an das Unternehmen wenden“, so Bernhard<br />

Steimel. Der Serviceexperte hat mit seinem Unternehmen<br />

Mind Business Consultants in einer Studie den Kundenservice<br />

in den Social-Media-Kanälen untersucht und weiß,<br />

warum ausgerechnet der koreanische Konzern LG so erfolgreich<br />

im virtuellen Support ist: „Bei Elektroprodukten gibt<br />

es einen hohen Bedarf, sich über die Funktionen auszutauschen.<br />

Gleichzeitig gibt es viele Produktfans, die lediglich<br />

für virtuellen Ruhm und Ehre anderen behilflich sind. So<br />

werden bei LG nach Angaben des Konzerns mittlerweile 70<br />

Prozent der Serviceanfragen von externen Bloggern oder<br />

Community-Mitgliedern beantwortet. Nur rund 30 Prozent<br />

bleiben für die Mitarbeiter der Serviceabteilung zur<br />

Bearbeitung.“<br />

LG ist mit der Nutzung des Prinzips „Kunden helfen<br />

Kunden“ nicht allein. Auch Internetunternehmen wie Apple<br />

oder Google zapfen diese Ressource für ihren Kundenservice<br />

an und wickeln ihren Support weitgehend über <strong>Cloud</strong>-<br />

Community-Plattformen ab. Dabei ist es nur eine kleine<br />

Gruppe von Nutzern, die ihr Wissen der Internetcommunity<br />

zur Verfügung stellt. Der dänische Webdesignexperte Jakob<br />

Nielsen stellte 2006 die nach ihm benannte Regel auf: 90<br />

Prozent der Internetnutzer sind passive Leser, neun Prozent<br />

schreiben gelegentlich einen Beitrag und nur ein Prozent<br />

der Nutzer ist richtig aktiv. Diese Vielschreiber aber sind<br />

wichtige Wissensgeber, die Unternehmen für sich gewinnen<br />

sollten. Deswegen rät Service-Experte Steimel, solche<br />

„Super-User“ mit Informationen aus erster Hand zu versorgen<br />

und sie stets über neue Produkte zu informieren: LG<br />

etwa schickt solche Markenfans auf Firmenkosten zu Messen.<br />

Sie sind Testpersonen aus der Praxis und geben wichtigen<br />

Input zur Nutzung und Verbesserung der Produkte.<br />

Heike Simmet, Professorin für Betriebswirtschaft mit<br />

Schwerpunkt Marketingmanagement an der Hochschule<br />

Bremerhaven, hat festgestellt, dass sich der Kundenservice<br />

vom Call-Center zur webbasierten Selbsthilfe verschiebt.<br />

„70 Prozent der<br />

Serviceanfragen werden<br />

von externen Bloggern<br />

oder Community-<br />

Mitgliedern beantwortet.<br />

Nur rund 30 Prozent<br />

bleiben für die Mitarbeiter<br />

der Serviceabteilung zur<br />

Bearbeitung“<br />

Bernhard Steimel, Serviceexperte<br />

Kundenservice vom Kunden. Engagierte<br />

Nutzer entlasten via Kommunikation<br />

in sozialen Netzen immer häufiger den<br />

unternehmenseigenen Support.<br />

Simmet: „Einige Unternehmen haben sich auf diesen Anspruchswandel<br />

eingestellt und bieten unterschiedlichste Kanäle:<br />

animierte Frage-/Antwort-Angebote, Support-Chats,<br />

Serviceblogs, Twitter-Konten für Serviceanfragen, Wikis,<br />

Foren, Kundenportale und Communitys, die nach dem<br />

‚Kunden-helfen-Kunden-Prinzip‘ funktionieren.“ Der Verlierer<br />

ist dann das Telefon: Eine Servicenummer wird künftig<br />

nur noch dann gewählt, wenn persönlicher Kontakt oder<br />

ein Premiumservice gefragt sind. Diese Verschiebung hängt<br />

aber auch mit dem veränderten Kommunikationsverhalten<br />

jüngerer Nutzergenerationen zusammen. Die „Digital<br />

Natives“ telefonieren weniger, kommunizieren dafür vermehrt<br />

über soziale Netzwerke, dank Smartphone auch von<br />

unterwegs aus. Diese Gerätegeneration kann zudem Informationen<br />

zum Standort des Users abfragen und übermitteln,<br />

die ihrerseits den Kundensupport individueller und<br />

zielgenauer machen können.<br />

Die Präsenz des Kundenservices in den sozialen Netzwerken<br />

allerdings ist auch Verpflichtung, denn sie signalisiert<br />

Dialogbereitschaft. Dieses Versprechen muss auch eingehalten<br />

werden, andernfalls ist die Verärgerung der Kunden<br />

groß. Funktioniert der Kanal allerdings, profitieren Kunden<br />

und das Unternehmen gleichermaßen: Probleme können<br />

unmittelbar gelöst werden, sodass sich beim Kunden ein gutes<br />

Gefühl einstellt, das er dann mit seinen virtuellen Freunden<br />

teilen kann. Ökonomisch gesehen zunächst eine eher<br />

weiche Größe, die das Image verbessert, die Bekanntheit er-<br />

50 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 51


RUBRIK INDUSTRY HIER REPORT INDUSTRY REPORT<br />

höht und eine Möglichkeit bietet, die Qualität zu verbessern.<br />

Im zweiten Schritt aber können sich solche erfolgreichen<br />

Social-Media-Aktivitäten auch in höherer Kundentreue oder<br />

gesteigertem Umsatz niederschlagen – oder schlicht Geld<br />

sparen, wie das LG-Beispiel zeigt.<br />

Wissen, was geredet wird<br />

Die Unterhaltung über Firmen oder Produkte beschränkt<br />

sich nicht auf die Unternehmenskanäle – Kunden tauschen<br />

sich überall über die Services und Produkte aus. Daher<br />

müssen Unternehmen aufmerksam zuhören, was über sie<br />

im Internet gesprochen wird. So finden sie nicht nur heraus,<br />

welches Image sie haben, sondern können aktiv auf die Suche<br />

nach Kundenproblemen gehen. „Computerprogramme<br />

übernehmen dabei 60 bis 80 Prozent der Arbeit, doch den<br />

Rest müssen Menschen erledigen“, erklärt Serviceexperte<br />

Bernhard Steimel. Nicht jedes Foren-Posting aber erfordert<br />

eine sofortige Reaktion: So hat Avaya, ein Anbieter für Kommunikationssysteme,<br />

festgestellt, dass von 1.000 Beiträgen<br />

300 servicerelevant sind und nur 50 davon eine Aktion<br />

erfordern. Mit entsprechend geschulten Servicemitarbeitern<br />

lassen sich so aufgespürte Kundenprobleme lösen. Das<br />

kommt auch dem Image zugute.<br />

Mit diesem Augenmerk auf die Probleme der Kunden<br />

steht Avaya aber recht alleine da. Die meisten Social-<br />

Media-Aktivtäten laufen bisher – wenn überhaupt – über<br />

„Firmen sind auf<br />

Facebook, Twitter und Co.<br />

auf Sendung gegangen,<br />

ohne zu begreifen,<br />

dass ihre Kunden<br />

soziale Netzwerke<br />

als Servicekanal<br />

verstehen und dort auch<br />

Supportanfragen stellen“<br />

Bernhard Steimel, Serviceexperte<br />

die Abteilungen Öffentlichkeitsarbeit oder Vertrieb. Steimel:<br />

„Firmen sind auf Facebook, Twitter und Co. auf<br />

Sendung gegangen, ohne zu begreifen, dass ihre Kunden<br />

soziale Netzwerke als Servicekanal verstehen und dort<br />

auch Supportanfragen stellen.“ Doch wer auf diesen Plattformen<br />

aktiv ist, muss auch mit deutlich mehr Feedback<br />

als in der Vergangenheit rechnen – auch negativem. Wer<br />

es ignoriert oder Kritik sogar bewusst ausschließt, macht<br />

sich unbeliebt. Das hat beispielsweise der Düsseldorfer<br />

Konsumgüterkonzern Henkel erst vor kurzem leidvoll erfahren<br />

müssen: Das Unternehmen rief im Internet dazu<br />

auf, das Design einer Flasche Geschirrspülmittel mitzugestalten<br />

und über die besten Ergebnisse abzustimmen. Bei<br />

den veröffentlichten Vorschlägen landeten, es war beinahe<br />

zu erwarten gewesen, gerade die frechsten und daher nicht<br />

ins Markenbild passenden Entwürfe auf den vorderen Rängen.<br />

Statt diese Möglichkeit aber schon bei der Konzeption<br />

der Aktion zu berücksichtigen oder die Aktion im Sande<br />

verlaufen zu lassen, entschied sich Henkel einzugreifen: Das<br />

Abstimmungsergebnis wurde im Nachhinein angezweifelt<br />

und korrigiert, eine von Henkel eingesetzte Jury entschied<br />

über die Sieger, und die Zusage, die besten Entwürfe in den<br />

Handel zu bringen, wurde ebenfalls relativiert. Die Community<br />

fühlte sich massiv provoziert und aus dem erhofften<br />

Imagegewinn durch die Nutzung der Internetcommunity<br />

wurde ein veritabler Imageschaden.<br />

Wie dagegen ein erfolgreiches „Unternehmen 2.0“ aussieht,<br />

zeigt Zappos. Die Nummer eins im US-amerikanischen<br />

Online-Schuhversand setzt auf Kommunikation,<br />

Transparenz und Kundenservice in allen Bereichen: 365<br />

Tage Rückgaberecht, Livechat, Erreichbarkeit rund um die<br />

Uhr, an sieben Tagen in der Woche. Und jeder Mitarbeiter ist<br />

bei Twitter aktiv – bis hinauf zum CEO. Das Unternehmen<br />

tritt seinen Kunden auf persönlicher Ebene entgegen und<br />

erscheint dadurch authentisch. Jeder Kunde kann jederzeit<br />

mit einem Mitarbeiter interagieren – auch dies eine Art von<br />

Support. Solche Offenheit funktioniert vor allem gut, wenn<br />

Unternehmen flach organisiert sind.<br />

Technisch sind die Weichen längst gestellt, wenngleich<br />

die Lösungen noch optimiert werden müssen. Marketingprofessorin<br />

Simmet sieht die größte Herausforderung<br />

darin, die derzeitige Technologie noch weiter zur „Web-<br />

3.0“-Technologie zu optimieren, um der zunehmenden<br />

Datenflut Herr zu werden und die Ergebnisse noch präziser<br />

aufzubereiten. So müsse beispielsweise Monitoringsoftware<br />

semantisch noch präziser werden. Zudem bestehe noch eine<br />

Menge Potenzial bei der Optimierung der Schnittstellen<br />

zwischen den verschiedenen Kanälen, um Kundendaten<br />

übergreifend verfügbar zu machen und gleichzeitig dem<br />

Datenschutz gerecht zu werden. Schließlich soll der Kundenservice<br />

nicht nur näher am Kunden sein, sondern auch<br />

reibungslos funktionieren.<br />

52 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 53


RUBRIK HIER RUBRIK SERVICES<br />

HIER<br />

Das Ende<br />

der Botschaften.<br />

Es lebe<br />

der Dialog<br />

Das in zahlreichen Unternehmen praktizierte Nebeneinander<br />

von Marketingabteilung, Öffentlichkeitsarbeit und Investor<br />

Relations steht vor dem Ende. Social-Media-Plattformen<br />

und die sich wandelnden Gewohnheiten der Öffentlichkeit<br />

erfordern eine integrierte Kommunikation aller Abteilungen<br />

eines Unternehmens<br />

54 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 55


SERVICES<br />

MIT PRESSEARBEIT habe ich<br />

nichts am Hut. Ich mache<br />

Marketing.“ Der selbstbewusste<br />

Satz stammt von einem Mitarbeiter<br />

eines weltweit agierenden<br />

Technologiekonzerns. Dass<br />

hinter der Fassade vielleicht<br />

doch eine gehörige Portion<br />

Unsicherheit steckt, lässt sich daran erkennen, dass der<br />

Befragte nicht namentlich zitiert werden will. Das ist<br />

vermutlich auch besser so. Mit seiner Einstellung dürfte<br />

er in Zeiten von Social Media in seinem Job keine große<br />

Zukunft mehr haben – oder eine Menge Arbeit vor sich,<br />

um die neuen Kanäle kennenzulernen. Bislang glich die<br />

Kommunikation aus der Pressestelle einer Einbahnstraße,<br />

bei der die Botschaften aus der Kommunikationsabteilung<br />

heraus der Öffentlichkeit – Kunden, Mitarbeiter, Investoren,<br />

Presse – verkündet wurden. Parallel dazu existierte<br />

das Marketing, das die Öffentlichkeit mit Informationen<br />

zu neuen Produkten, Services oder Angeboten versorgte.<br />

Mehr oder weniger im Blindflug, denn ob die Empfänger<br />

der Botschaften diese Informationen tatsächlich haben<br />

wollten oder vielleicht ganz andere Bedürfnisse hatten,<br />

blieb weitgehend unbekannt. Kurz: Es wurde viel geredet,<br />

aber wenig miteinander gesprochen.<br />

Jetzt aber öffnet sich ein Rückkanal. In sozialen Netzwerken,<br />

Blogs und Foren kommunizieren Vertreter beinahe aller<br />

für ein Unternehmen relevanten Zielgruppen miteinander;<br />

sie suchen Empfehlungen, kommentieren, raten ab. Der<br />

Austausch von Informationen und Meinungen ist in jede<br />

Richtung möglich, und zwar ohne aufwändige Infrastruktur.<br />

Und: Die Kommunikation läuft auf Plattformen, die von<br />

allen eingesehen werden können. Ohne Regulativ oder gar<br />

Kontrolle durch einige wenige Gatekeeper, eine Rolle, die<br />

lange Zeit Journalisten für sich in Anspruch nahmen. Jeder<br />

kann diesen Austausch passiv verfolgen oder aktiv steuern.<br />

Die Herausforderung für Pressestelle, Marketing und Investor<br />

Relations wird darin bestehen, die für die jeweilige<br />

Zielgruppe relevanten Kanäle zu erkennen, diese mindestens<br />

aufmerksam zu verfolgen und sie idealerweise zielgerichtet<br />

zu nutzen – was sich in letzter Konsequenz auch auf die Organisationsstruktur<br />

eines Unternehmens auswirken kann.<br />

Nach den Spielregeln der Community<br />

Dialogfähigkeit und Reputationsmanagement sind Schlüsselqualifikationen<br />

für die erweiterten Aufgaben. Beinahe<br />

ebenso wichtig aber ist es, die Gepflogenheiten der Com-<br />

munity zu kennen und sich entsprechend zu verhalten.<br />

Unternehmen, die eine Facebook-Seite oder einen Unternehmensblog<br />

einrichten, müssen sich bewusst sein, dass sie<br />

Plattformen verwenden, deren Umgangsformen überwiegend<br />

von Privatpersonen geprägt werden. Entsprechend<br />

läuft die Kommunikation: direkt, unverfälscht und schnell.<br />

Stellt der Besucher einer solchen Seite eine Frage, erwartet<br />

er eine Antwort, und zwar rasch – so wie er es von einer<br />

echten Person, mit der er über die verschiedenen Kanäle<br />

kommuniziert, erwartet. Unternehmen mit starren Strukturen<br />

können diese Erwartungshaltung kaum erfüllen. Die<br />

Folge: Der Social-Media-Auftritt ist statisch, wird dadurch<br />

uninteressant oder wirkt sogar negativ auf das Image des<br />

Unternehmens. Wer eine Präsenz aufsetzt, auf der wochenlang<br />

nichts passiert oder nur klassische Werbetexte laufen,<br />

hat die Spielregeln der neuen Welt nicht verstanden.<br />

Den schnellen Dialog in Social-Media-Kanälen bieten<br />

bisher vor allem ITK-Unternehmen. So stellt sich der US-<br />

Kabelnetzbetreiber Comcast auf mehreren Twitter-Kanälen<br />

den Nöten seiner Kunden. Auch die Telekom nutzt ihre<br />

Twitter- und Facebook-Accounts „Telekom_hilft“, um ihren<br />

Kunden schnell und unkompliziert zu helfen. Einfache Probleme<br />

werden sofort gelöst und für alle sichtbar gepostet. Bei<br />

umfangreicheren Antworten oder der Abfrage von persönlichen<br />

Daten wird auf E-Mail ausgewichen oder die Anfrage<br />

an eine entsprechende Stelle weitergeleitet. Ein Kanal wie<br />

Twitter punktet mit seiner einfachen Bedienbarkeit und den<br />

geringen Kosten, die ein Engagement dort erfordert. Dafür<br />

sind die Einträge recht knapp und in der bei Twitter üblichen<br />

Timeline-Ansicht wenig systematisch – ein Manko, das<br />

sich auch durch das Setzen von Hash-Tags, also Schlüsselwörtern<br />

für die Suchfunktionalität, nur partiell lösen lässt.<br />

Mehr Nachhaltigkeit bieten beispielsweise Blogs – diese<br />

fordern aber auch mehr Engagement. Die Daimler AG nutzt<br />

unter anderem ein Corporate Blog, um mit den Menschen<br />

ins Gespräch zu kommen, die sich zunehmend über soziale<br />

Medien austauschen. „Authentische und nachhaltige<br />

Kommunikation geht am besten übers Bloggen“, sagt Uwe<br />

Knaus, Social-Media-Manager des Konzerns. Die Dialogplattform<br />

ist bereits seit 2007 am Start und war das erste<br />

externe Corporate Blog eines DAX-Konzerns. Es bloggen<br />

dort Mitarbeiter und nicht die Kommunikations- oder Marketingabteilung,<br />

da Untersuchungen gezeigt haben, dass<br />

User einen „operativ tätigen Mitarbeiter“ als sehr glaubwürdig<br />

einstufen. Außerdem lasse man auch Gastbeiträge<br />

zu, Greenpeace beispielsweise habe sich zur Elektromobilität<br />

geäußert. Derzeit bloggen etwa 300 Beschäftigte zu<br />

„Der Schlüssel zum Erfolg<br />

in der Social-Networking-<br />

Ära ist, die Mitarbeiter<br />

dazu zu ermutigen, selbst<br />

Verantwortung außerhalb<br />

hierarchischer Strukturen<br />

zu übernehmen“<br />

Bill George, Professor an der Harvard Business School<br />

56 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 57<br />

SERVICES<br />

15 Themengebieten, die das ganze Portfolio des Konzerns<br />

abdecken. Die meisten dieser Geschichten würden in klassischen<br />

Medien nur selten berücksichtigt werden. „So schaffen<br />

wir es, mit dieser Plattform unserem Konzern ein Gesicht<br />

zu geben und dadurch transparent und offen zu kommunizieren“,<br />

so Knaus.<br />

Experten weisen jedoch auch auf Rückschlagpotenziale<br />

hin. Wenn Mitarbeiter über ihren Job und ihren Arbeitgeber<br />

schreiben, vermischen sich Privates und Geschäftliches.<br />

Das erfordert neue Verhaltensregeln, insbesondere<br />

bei börsennotierten Unternehmen, damit die sorgfältig<br />

abgestimmte Investor-Relations-Kommunikation nicht<br />

von Mitarbeiterkommentaren aus anderen Unternehmensbereichen<br />

konterkariert werden kann. Viele Firmenlenker<br />

fürchten den Kontrollverlust, der durch eine offene, vernetzte<br />

Kommunikation ihrer Mitarbeiter entsteht. Schließlich<br />

können sie nicht ständig kontrollieren, ob sich alle<br />

Mitarbeiter im Netz korrekt verhalten. Mag diese Sorge<br />

auch übertrieben sein: Durch Verweigerung des Dialogs<br />

werden sich kritische Situationen nicht vermeiden lassen.<br />

Wer öffentlich kommuniziert, steht heute automatisch im<br />

Gespräch und damit früher oder später auch in der Kritik.<br />

Die Internetgemeinde reagiert zwar nicht immer fair, aber<br />

sie reagiert auch nicht völlig unberechenbar, wenn einige<br />

Grundregeln online ebenso konsequent eingehalten werden<br />

wie offline: Den Dialog suchen, den Tonfall wahren,<br />

angemessen reagieren, keine übertriebenen Versprechen<br />

abgeben und aufrichtig bleiben. Und: Klare Leitplanken<br />

für das aufstellen, was erlaubt ist und was nicht, insbesondere<br />

in Investor-Relations-nahen Themenfeldern. „Der<br />

Schlüssel zum Erfolg in der Social-Networking-Ära ist, die<br />

Mitarbeiter dazu zu ermutigen, selbst Verantwortung außerhalb<br />

hierarchischer Strukturen zu übernehmen“, betont<br />

Bill George, Professor für Management Pr<strong>act</strong>ice an der<br />

Harvard Business School. Denn die sozialen Netzwerke<br />

in- und außerhalb der Unternehmen brechen traditionelle<br />

Informationshierarchien auf. „Das klassische mittlere Management<br />

wird in der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> zunehmend weniger<br />

wichtig“, sagt George. Wichtiger wird stattdessen, die Mitarbeiter,<br />

die im Namen ihres Unternehmens twittern, bloggen<br />

und chatten, genau auszuwählen und auszubilden. Sie<br />

müssen einerseits gut informiert sein, andererseits schnell<br />

reagieren können und auch dürfen. Und: Sie müssen nicht<br />

zwangsläufig aus dem Marketing oder der Kommunikationsabteilung<br />

kommen. Aus einer Spezialdisziplin für einen<br />

Unternehmensbereich wird eine Schlüsselqualifikation für<br />

weite Bereiche der Unternehmensorganisation.


UBRIK HIER<br />

Kampf um<br />

Köpfe<br />

Die neue Generation qualifizierter Fachkräfte wird mit sozialen Online-<br />

Netzwerken aufwachsen. Human-Resources-Manager und Recruiter<br />

können den Kampf um die besten Köpfe bei steigendem Fachkräftemangel<br />

nur gewinnen, wenn sie ihn im Internet führen. Ein Schlüssel zum<br />

Recruiting-Erfolg sind die virtuellen Beziehungen der eigenen Mitarbeiter<br />

PERSONALMANAGER WERDEN SICH in den kommenden<br />

Jahren von mehreren traditionellen<br />

Recruiting-Instrumenten verabschieden müssen.<br />

Die klassische Stellenanzeige in der Tageszeitung?<br />

Mutet an wie ein Relikt vergangener<br />

Tage. Bewerbungsmappen, per Post verschickt? Immer mehr<br />

läuft digital. Hochglanzbroschüren für Karrieremessen und<br />

Universitäten wirken immer öfter unzeitgemäß, ebenso<br />

wie statische Karriere-Websites, die Bewerbern außer der<br />

E-Mail-Adresse des Recruiting-Teams und einer Telefonnummer<br />

keinerlei Kommunikationsmöglichkeiten bieten.<br />

Der Kampf um die besten Fachkräfte wird zunehmend<br />

in den sozialen Medien ausgefochten. „LinkedIn, Facebook,<br />

Twitter und Blogs sind ein gigantischer Talentpool, aus dem<br />

sich Human-Resources-Manager bedienen können“, ist<br />

James Durbin überzeugt, selbsternannter „Social-Media-<br />

Headhunter“ aus Missouri. Der Haken: „Unternehmen<br />

müssen bei der Personalsuche selbst aktiv auf potenzielle<br />

Bewerber zugehen und einen kontinuierlichen Dialog mit<br />

ihnen aufnehmen“, sagt Durbin. Wer aus den Millionen<br />

Blogs, Facebook-Profilen und Twitter-Accounts die passenden<br />

Köpfe herausfiltern und ihr Interesse wecken möchte,<br />

muss dazu zunächst das Prinzip dieser sozialen Beziehungsgeflechte<br />

verstehen. Das Motto „Dabei sein ist alles“ gilt dort<br />

nämlich nicht. „Recruiter müssen lernen, die Erwartungshaltung<br />

der jeweiligen Plattformnutzer zu verstehen“, sagt<br />

Durbin. Und das bedeutet in den sozialen Medien: authentische<br />

und persönliche Wege der Kontaktaufnahme zu finden<br />

– und ständig bereit zu sein für Dialog und Interaktion.<br />

Auf Social Media spezialisierte Social-Media-Headhunter<br />

recherchieren überall da, wo im Netz Experten diskutieren,<br />

in Blogs, Newsgroups, auf Twitter oder in den Rezensionen<br />

bei Amazon. Sie identifizieren Kandidaten, holen Empfehlungen<br />

ein und sprechen den potenziellen Mitarbeiter über<br />

Facebook oder andere soziale Netzwerke an – ganz gezielt.<br />

Erfahrene Social-Media-Recruiter nutzen für diese Suche<br />

sogar die eigenen Mitarbeiter. Auf dem SAP-Twitter-Kanal<br />

schreibt „Marcelo“ etwa, dass er sich auf das Karnevalswochenende<br />

in São Paulo freut. Und weist nebenbei auf die<br />

vielen offenen Stellen bei SAP Brazil hin. „Wenn ihr gute,<br />

talentierte Leute kennt, schickt sie zu uns!“, fordert Marcelo<br />

seine Leser auf. Im Minutentakt posten auch andere Mitarbeiter<br />

aus allen Abteilungen und Niederlassungen des Konzerns<br />

nicht nur persönliche Erfolgsmeldungen, Neuigkeiten<br />

aus Projekten, Berichte von Konferenzen und Schulungen<br />

– sie melden auch offene Stellen in ihren Abteilungen. Sean<br />

MacNiven, Head of Social Media bei SAP, hat das Twitter-<br />

Tool für die Human-Resources-Abteilung entwickelt. „Die<br />

persönlichen Berichte der Mitarbeiter machen neugierig“,<br />

sagt MacNiven. „Twitter-Accounts eines Unternehmens<br />

erreichen sie auf einer ganz anderen Ebene als Imagefilme<br />

oder Broschüren. Weil sie die Menschen zeigen, die hinter<br />

SAP stehen.“<br />

In der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> werden Mitarbeiter zu Unternehmensbotschaftern.<br />

Das ist eine große Chance für die Unternehmen.<br />

Zum einen direkt, eben indem sie die privaten<br />

Netzwerke ihrer Mitarbeiter anzapfen, um neue Talente zu<br />

finden, sagt Graeme Martin, Direktor des Centre for Reputation<br />

Management through People (CRMP) der Universität<br />

Glasgow. Zum anderen, weil sie so ein authentisches Bild des<br />

Unternehmens in den sozialen Netzwerken schaffen. „Wer<br />

enthusiastische Blogger und Facebook-Nutzer in seinem<br />

Unternehmen unterstützt, signalisiert, dass das Unternehmen<br />

offen ist für einen Dialog in den sozialen Medien“,<br />

sagt Martin. Unternehmen, die ihre Mitarbeiter durch Internetsperren<br />

und ähnlich drastische Maßnahmen aus der<br />

Social-Media-Welt ausschließen, könnten hingegen zu den<br />

Verlierern zählen: Ihre Mitarbeiter fühlen sich möglicherweise<br />

kontrolliert und gegängelt. Und dieses Gefühl wird mit Sicherheit<br />

nicht ihre Bindung an das Unternehmen verstärken.<br />

Wer passt zu mir? In sozialen Netzen<br />

auf der der Suche nach Fachkräften<br />

und High Potentials.<br />

Die Rolle der Human-Resources-Manager in den Unternehmen<br />

hingegen wird immer anspruchsvoller, weil sie<br />

die Aktivitäten der Mitarbeiter in den sozialen Netzwerken<br />

begleiten und steuern müssen. „HR-Manager könnten<br />

eine neue, strategisch wichtige Rolle übernehmen: Die des<br />

Community- und Reputations-Managers, der eine positive<br />

Arbeitgeber-Marke in den sozialen Netzen etabliert und die<br />

Kommunikation zwischen Arbeitnehmern und potenziellen<br />

Bewerbern strategisch steuert“, sagt Tanya Bondarouk,<br />

Associate Professor für Social Innovation in Operations and<br />

Human Resources Management an der niederländischen<br />

Universität Twente. Noch, ist sie sich sicher, sind die meisten<br />

Human-Resources-Abteilungen in den Unternehmen von<br />

dieser strategischen Rolle weit entfernt. „Vor den Personalverantwortlichen<br />

liegt viel Arbeit.“<br />

„Die persönlichen<br />

Berichte der Mitarbeiter<br />

machen neugierig“<br />

Sean McNiven, SAP-Head of Social Media<br />

58 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 59<br />

SERVICES


SERVICES<br />

„Es ist wichtig, sich selbst<br />

ein Bild zu machen“<br />

Angelika Ruppel ist Informatikerin am Fraunhofer Institute for Secure<br />

Information Technology in Garching bei München. Sie kennt die<br />

Sicherheitsbedenken gegenüber dem Einsatz von <strong>Cloud</strong>-gestützten Services<br />

– und weiß, welche Vorsichtsmaßnahmen empfehlenswert sind<br />

Expertin<br />

Angelika Ruppel<br />

Die Informatikerin Angelika<br />

Ruppel arbeitet am Fraunhofer-Institut<br />

für Sichere<br />

Informationstechnologie in<br />

Garching bei München im<br />

Forschungsbereich Sichere<br />

Services und Qualitätstests.<br />

Derzeit konzipiert sie unter<br />

anderem Sicherheitslösungen<br />

für den Einsatz<br />

von <strong>Cloud</strong>-Computing-<br />

Systemen in der Telekommunikationsbranche<br />

und<br />

beschäftigt sich mit dem<br />

Aufbau des <strong>Cloud</strong>-Sicherheits-Labors<br />

des Instituts.<br />

Frau Ruppel, Studien besagen, dass<br />

jedes fünfte Unternehmen auf die<br />

Nutzung der Potenziale des <strong>Cloud</strong><br />

Computing verzichtet – aus Angst vor<br />

mangelndem Datenschutz. Zu recht?<br />

Ich kann die Sorge verstehen. Unternehmer<br />

sollten sich bewusst sein, dass<br />

in der <strong>Cloud</strong> Gefahren die Sicherheit<br />

ihrer Daten bedrohen. Wie auch bei<br />

herkömmlichen IT-Anwendungen<br />

müssen Unternehmen damit rechnen,<br />

dass ein <strong>Cloud</strong>-Service nicht jederzeit<br />

bereitsteht, Daten gelöscht wurden oder<br />

in falsche Hände geraten können. Ein<br />

Problem ist auch, dass durch den Einsatz<br />

von <strong>Cloud</strong>-Computing-Systemen die<br />

Sicherheits- und Verfügbarkeitsrisiken<br />

für Nutzer zunehmend intransparent<br />

werden. Außerdem ergeben sich neue<br />

Schwachstellen. Ein Beispiel: Angreifer<br />

können in die Rolle eines Konsumenten<br />

im <strong>Cloud</strong>-System schlüpfen, um von dort<br />

aus die Daten anderer Konsumenten<br />

anzugreifen. Oder <strong>Cloud</strong>-Dienste werden<br />

genutzt, um Brute-Force-Angriffe auf<br />

Passwörter durchzuführen.<br />

Also sinkt das Sicherheitslevel beim<br />

Gang in die <strong>Cloud</strong> sogar ...<br />

Das muss nicht zwangsläufig so sein:<br />

Kleinere Unternehmen haben heute<br />

häufig nicht die Möglichkeit, detaillierte<br />

Sicherheitsrichtlinien auszuarbeiten<br />

und entsprechend umzusetzen. Häufig<br />

fehlen dazu das nötige Know-how und<br />

die Mitarbeiter. In diesen Fällen kann<br />

der Einsatz von <strong>Cloud</strong>-Services mit<br />

standardisierten Sicherheitslevels sogar<br />

die Sicherheit erhöhen, da es zu den Kernaufgaben<br />

des <strong>Cloud</strong>-Anbieters gehört,<br />

adäquate Sicherheitsmechanismen zu<br />

implementieren. Aber man kann auch<br />

annehmen, dass vor allem bei großen<br />

Unternehmen, die auf <strong>Cloud</strong>-Services<br />

setzen, Kosteneinsparungen eine große<br />

Rolle spielen. Wenn nun die Dienstleister<br />

versuchen, Services möglichst günstig<br />

anzubieten, besteht zumindest theoretisch<br />

die Gefahr, dass dies auf Kosten der<br />

Sicherheit geschieht.<br />

Wie können die Sicherheitsrisiken der<br />

<strong>Cloud</strong> minimiert werden?<br />

<strong>Cloud</strong>-Systeme sind sehr komplex, bestehen<br />

aus vielen Komponenten und Diensten<br />

auf unterschiedlichen Ebenen. Dementsprechend<br />

vielschichtig sind die einzelnen<br />

Sicherheitsaspekte, die es zu berücksichtigen<br />

gilt. Die Bereiche Infrastruktur,<br />

Anwendung und Plattform, Verwaltung<br />

und Compliance müssen genau analysiert<br />

werden. Wer <strong>Cloud</strong>-Services nutzen will,<br />

sollte eine Checkliste mit Fragen für den<br />

potenziellen Anbieter erarbeiten.<br />

Wie könnte so eine Checkliste aussehen?<br />

Da gibt es zahlreiche Faktoren abzuklären.<br />

Im Bereich Infrastruktur geht es etwa<br />

um die Frage, wie das Gebäude abgesichert<br />

ist, in dem die Rechner stehen. Gibt<br />

es dort eine Videoüberwachung? Wie<br />

werden die Zugangskontrollen umgesetzt?<br />

Von Interesse ist natürlich auch, wie die<br />

Daten in der <strong>Cloud</strong> gespeichert werden.<br />

Werden die Backup-Daten verschlüsselt<br />

abgelegt? Was die Anwendung betrifft,<br />

steht unter anderem die Frage im Raum,<br />

ob und wie die Sitzung des Nutzers mitprotokolliert<br />

wird. Werden Nachrichten<br />

verschlüsselt übermittelt? Wer hat wann<br />

und wie Zugriff auf welche Daten? Viele<br />

Fragen lassen sich erst präzisieren, wenn<br />

konkret bekannt ist, welche <strong>Cloud</strong>-Dienstleistungen<br />

zum Einsatz kommen sollen.<br />

Aus der Betrachtung aller relevanten Bereiche<br />

ergibt sich ein Fragenkatalog, den<br />

man als Ausgangsbasis betrachten kann.<br />

Was muss man noch berücksichtigen,<br />

wenn das erst die Ausgangsbasis ist?<br />

Üblicherweise sollten <strong>Cloud</strong>-Services in<br />

ein bestehendes IT-System mit vorhandenem<br />

Sicherheitskonzept integriert werden.<br />

Außerdem kann es sinnvoll sein, sich vorab<br />

mit dem <strong>Cloud</strong>-Anbieter zu treffen. Durch<br />

den hohen Automatisierungsgrad in der<br />

Branche kommt es nämlich nicht mehr<br />

zwangsläufig zu einer menschlichen Interaktion.<br />

Es ist aber wichtig, sich den <strong>Cloud</strong>-<br />

Anbieter genau anzusehen und sich selbst<br />

ein Bild von den Rechenzentren, den Mitarbeitern<br />

und den Abläufen zu machen.<br />

Ratsam ist es auch, feste Ansprechpartner<br />

für Problem- und Notfälle zu vereinbaren.<br />

Ein ganz wichtiges Thema ist der Schutz<br />

der Netzinfrastruktur. <strong>Cloud</strong>-Dienste<br />

laufen über das Internet. Firewalls, Verschlüsselungen<br />

und redundante Netzanbindungen<br />

sollten daher Standard sein.<br />

Das alles klingt vielleicht banal – aber nur<br />

wenn der <strong>Cloud</strong>-Nutzer auch solche Dinge<br />

abfragt oder überprüft, kann er das nötige<br />

Vertrauen zum Anbieter aufbauen. Andernfalls<br />

kann man sich höchstens danach<br />

richten, wie lange der Dienst auf dem<br />

Markt ist, ob er viele Kunden hat und<br />

ob es Auffälligkeiten oder Vorfälle in der<br />

Vergangenheit gegeben hat.<br />

Existieren Branchenstandards<br />

oder ein Gütesiegel, die ein hohes<br />

Sicherheitsniveau belegen?<br />

Sicherheitstestate und -zertifikate können<br />

Hinweise auf die Sicherheit eines <strong>Cloud</strong>-<br />

Computing-Systems geben. Hier ist im<br />

Einzelfall zu prüfen, welche Merkmale<br />

des Anbieters durch ein Sicherheitszertifikat<br />

von einem externen Unternehmen<br />

untersucht wurden und wie diese beim<br />

<strong>Cloud</strong>-Anbieter umgesetzt werden. Ein<br />

Tipp ist auch, sich die Reports zeigen<br />

zu lassen, um sich somit selbst ein Bild<br />

machen zu können.<br />

„Der Einsatz von <strong>Cloud</strong>-Services<br />

kann in manchen Fällen sogar<br />

die Sicherheit erhöhen“<br />

Wie weit kann man als <strong>Cloud</strong>-<br />

Nutzer Einfluss nehmen auf die<br />

branchenüblichen Service Level<br />

Agreements (SLA)?<br />

Die SLAs der Anbieter sind meist standardisiert<br />

und die Verfügbarkeit ist in vielen<br />

Fällen das einzig definierte Dienstgütekriterium,<br />

für das Entschädigungen bei sicherheitsrelevanten<br />

Vorfällen geregelt sind.<br />

Möglichkeiten zur Aushandlung eines<br />

individuellen SLA ist meist nur Großkunden<br />

vorbehalten. Wenn Kunden jedoch die<br />

Möglichkeit zur Aushandlung eines SLA<br />

haben, dann sollten darin die Rechte und<br />

Pflichten der beteiligten Akteure in Bezug<br />

auf Sicherheitsmaßnahmen so detailliert<br />

wie möglich ausgehandelt werden.<br />

60 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 61<br />

SERVICES


ESSAY<br />

Die Regentänzer<br />

Die Geschichte des Internets lehrt: Der Weg zum nächsten Hype ist mit<br />

neuen Schlagwörtern gepflastert. Ist die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> mehr als nur<br />

ein wolkiges Versprechen?<br />

Von Thomas Vašek<br />

SIE TANZTEN und murmelten magische<br />

Formeln, um die Geister des<br />

Himmels zu beschwören. Zu allen<br />

Zeiten versuchten Regentänzer,<br />

mit ihrem Zauber Niederschläge<br />

auszulösen. In glücklichen Fällen<br />

zogen dunkle Wolken auf und<br />

spendeten das ersehnte Nass – und<br />

eine reiche Ernte. Heute rufen manche die große Datenwolke<br />

an und hoffen, dass der Regen ihr Business<br />

fruchtbar macht. Und zwar möglichst rasch – und<br />

ohne dass sie viel dafür tun müssten.<br />

Nennen wir sie die Regentänzer der <strong>Cloud</strong><br />

<strong>Economy</strong>.<br />

Der Weg zu jedem Hype ist mit Schlagwörtern<br />

und Zauberformeln gepflastert. Und stets<br />

gibt es die Wundergläubigen, die lieber auf Magie<br />

vertrauen statt auf ökonomischen Verstand, auf<br />

technologisches Mantra statt auf ein gesundes Geschäftsmodell.<br />

Wenn die Hoffnungen hoch fliegen,<br />

empfiehlt es sich deshalb, am Boden zu bleiben.<br />

Und wenn alle in die gleiche Richtung rennen, sollte<br />

man kurz innehalten und fragen: „Wohin laufen wir<br />

da eigentlich?“<br />

Blinder Herdentrieb führte vor zehn Jahren<br />

zum Dotcom-Crash. Die Regentänzer von damals<br />

beschworen wolkige Geschäftsmodelle ohne reale<br />

Grundlage; die bloßen Erwartungen trieben die<br />

Aktienkurse in schwindelerregende Höhen. Aus der<br />

Wolke stürzte letztlich nur ein Haufen verbranntes<br />

Geld. Der blinde Glaube an ebenso nebulöse Derivate,<br />

hinter denen sich letztlich nichts als faule Kredite<br />

verbargen, löste 2008 die globale Finanzkrise aus.<br />

Die zentrale Lehre daraus ist sehr einfach: Je virtueller<br />

das Business wird, desto mehr muss man nach<br />

seiner realen Basis fragen – nach Kundennutzen,<br />

nach Produkten, kurz: nach echtem ökonomischen<br />

Wert. Und wer heute soziale Netzwerke zur goldenen<br />

Zukunft hochstilisiert, sollte nicht die Hypes der<br />

jüngeren Vergangenheit vergessen. Noch vor wenigen<br />

Jahren galt MySpace als Profitmaschine, Blogging<br />

als Medienrevolution und die virtuelle Welt „Second<br />

Life“ als Marktplatz der Zukunft. Alle drei Voraussagen<br />

haben sich als falsch erwiesen. MySpace verkam<br />

zur Marketing-Spielwiese der Musikindustrie, von<br />

„Second Life“ redet kaum noch jemand – und Blogs<br />

haben zwar ihren Platz, aber viel Geld lässt sich damit<br />

bis heute nicht verdienen.<br />

Heute soll plötzlich alles anders sein. Die <strong>Cloud</strong><br />

<strong>Economy</strong> verspricht nichts weniger als eine Revolution,<br />

die Wirtschaft und Gesellschaft verändert. Die<br />

Informationstechnologie verliert ihre physische Form.<br />

Speicherkapazität, Rechenleistung und Software:<br />

Alles verlagert sich ins Netz – weltweit verstreut, un-<br />

62 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL<br />

Farbenprächtige Beschwörung.<br />

Aber kann der Regen aus<br />

der Datenwolke das Business<br />

fruchtbar machen?<br />

THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 63


ESSAY<br />

„Stets gibt es die Wundergläubigen, die lieber<br />

auf Magie vertrauen statt auf ökonomischen<br />

Verstand, auf technologisches Mantra statt auf<br />

ein gesundes Geschäftsmodell“<br />

sichtbar und flexibel aufteilbar, ganz nach Bedarf. Und wir<br />

alle speisen die Wolke mit unseren Daten und Interaktionen,<br />

via Google, Facebook, Twitter & Co. Das legt eine verführerische<br />

Hoffnung nahe: Unternehmen müssten die „<strong>Cloud</strong>“<br />

nur nach Bedarf anzapfen, die Datenströme in die richtige<br />

Richtung lenken – und schon regnet es neue Kunden und<br />

Profit. Doch das wäre ein großes Missverständnis.<br />

Regentänzer verwechseln die Chance mit einer Lösung,<br />

neue technologische Möglichkeiten mit einem Geschäftsmodell.<br />

Nicht nur die Geschichte des Webs zeigt: Hypes<br />

und Blasen entstehen dann, wenn wir Dinge überbewerten.<br />

Das muss nicht heißen, dass diese „Dinge“ in Wirklichkeit<br />

wertlos sind. Es heißt nur, dass viele Menschen mehr Wert in<br />

sie hineinprojizieren, als tatsächlich in ihnen steckt. So legt<br />

das beispiellose Wachstum von Facebook nahe, dass Beziehungen<br />

in sozialen Netzwerken ungemein wertvoll wären.<br />

Allerdings kann man die ketzerische Frage stellen, ob dieser<br />

„Wert“ nicht auf einer Illusion beruht.<br />

Über Facebook, Twitter & Co. kann man leicht mit hunderten<br />

Menschen in Kontakt bleiben. Man kann erfahren,<br />

was jeder gerade so treibt, welche Vorlieben er hat, ob er<br />

noch Single ist oder nicht. Das erzeugt die Illusion echter,<br />

bedeutsamer Freundschaften. In Wahrheit aber entstehen<br />

massenhaft oberflächliche Beziehungen – flüchtige Infomoleküle<br />

in der großen Datenwolke. Man tauscht hin und<br />

wieder ein paar Bits aus, nimmt eine Statusmeldung zur<br />

Kenntnis, liest einen Twitter-Tweet – und das war es dann<br />

auch. Aufmerksamkeit ist eine begrenzte Ressource: Niemand<br />

kann die Updates von hunderten Facebook-Freunden<br />

verfolgen, gleichzeitig Tweets und E-Mails lesen und Videos<br />

gucken. Und nicht wenige fühlen sich vom ständigen Facebook-Monitoring<br />

längst überfordert – oder sie halten das<br />

pausenlose Geplapper und die ständigen Freundschaftseinladungen<br />

schlicht für Nervkram.<br />

Das alte Web hat digitale Inhalte entwertet – mit dramatischen<br />

Folgen vor allem für die Medienbranche. Das neue<br />

Web läuft Gefahr, auch soziale Beziehungen zu inflationieren.<br />

So wie die Banken vor der Finanzkrise „faule Kredite“<br />

verkauften, handelten soziale Plattformen mit Beziehungen<br />

minderer Qualität, meint etwa der angesehene Strategie-<br />

und Markenexperte Umair Haque in seinem Blog auf der<br />

Website des Harvard Business Review. Das ist zwar nur<br />

eine Minderheitsmeinung. Aber andererseits: Wären die<br />

Beziehungen auf Facebook und Co. tatsächlich so wertvoll,<br />

müssten Nutzer und Werbetreibende auch bereit sein, dafür<br />

zu bezahlen. Oder die schlauen Netzwerke müssten Werbung<br />

umgekehrt längst überflüssig gemacht haben, weil<br />

die „Schwarmintelligenz“ von sich aus die richtigen Produkte<br />

findet. Aber weder das eine noch das andere ist der<br />

Fall. Einerseits schießen Social-Media-Agenturen aus dem<br />

Netz, andererseits haben die sozialen Netzwerke bei allem<br />

Wachstum immer noch Schwierigkeiten, Werbekunden zu<br />

akquirieren. Die zentrale Rolle der Werbung wird damit zur<br />

Überlebensfrage.<br />

Zwar hat Facebook im letzten Jahr einen Werbeerlös von<br />

über einer Milliarde Dollar erzielt. Aber das ist immer noch<br />

nur ein Bruchteil dessen, was Google mit seinen zielgenauen<br />

Suchanzeigen verdient. Facebook ist daher gezwungen,<br />

immer neue Tools und Werbeformen zu entwickeln, um<br />

den „sozialen Graphen“, also die Beziehungsgeflechte seiner<br />

Nutzer, effektiver auszubeuten. Das führt allerdings<br />

zu einem Dilemma. Einerseits muss Facebook mehr Geld<br />

mit Werbung verdienen. Andererseits läuft das Netzwerk<br />

dadurch Gefahr, immer mehr wie eine Marketingplattform<br />

zu wirken – und nicht wie ein Ort, an dem Menschen neue<br />

Beziehungen knüpfen. Gedankenlose Kommerzialisierung<br />

war letztlich einer der Gründe für den Niedergang von<br />

Myspace. Und auch Facebook bekam den Zorn der Nutzer<br />

zu spüren, als es 2007 die berüchtigte „Beacon“-Funktion<br />

einführte: Wenn ein Facebook-Nutzer etwa einen Internetkauf<br />

getätigt hatte, schickte „Beacon“ die Informationen<br />

automatisch an die Facebook-Freunde weiter, ohne vorher<br />

um Erlaubnis zu fragen. Die Facebook-Gemeinde fühlte sich<br />

missbraucht und reagierte mit Proteststürmen. Innerhalb<br />

weniger Tage musste Facebook das Feature zurückziehen.<br />

Pannen dieser Art könnten auf Dauer das Vertrauen der<br />

Facebook-Gemeinde aushöhlen, nicht zu reden von Datenlecks<br />

größeren Stils.<br />

Der Autor<br />

Thomas Vašek<br />

war Gründungschefredakteur<br />

der deutschen Ausgabe<br />

von „Technology Review“,<br />

dem Innovationsmagazin<br />

des „Massachusetts Institute<br />

of Technology“ und zuletzt<br />

Chefredakteur des P.M.<br />

Magazins. Heute lebt er<br />

als Buchautor (u. a. „Die<br />

Weichmacher – das süße<br />

Gift der Harmoniekultur“)<br />

und Journalist in München.<br />

Unter anderem schreibt<br />

er für die ZEIT und das<br />

Wirtschaftsmagazin brandeins.<br />

64 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL 65<br />

ESSAY<br />

Soziale Netzwerke bringen Menschen zusammen. Aber sie sind<br />

weder ein Marktplatz noch ein Marketingtool im traditionellen<br />

Sinn. Natürlich gibt es immer wieder erfolgreiche Marketingaktionen:<br />

Starbucks etwa verteilte an seine Facebook-Fans Gutscheine<br />

für einen Becher Kaffee, und auch viele andere Unternehmen beglücken<br />

ihre Fans mit Werbegeschenken. Aber wer Facebook ausschließlich<br />

für billige Werbezwecke einsetzt, der hat Entscheidendes<br />

missverstanden.<br />

Social Media bieten eine neue Plattform, um mit Menschen zu<br />

reden, ihre Bedürfnisse kennenzulernen und dabei eigene Themen<br />

zu transportieren. Aber nicht von oben herab, vom Sender zum<br />

Empfänger wie im „alten“ Web, sondern auf Augenhöhe. Da geht es<br />

um echten Dialog – und nicht um schnellen Return on Investment.<br />

Wer seinen Facebook-Fans nur etwas verkaufen will, der wird am<br />

Ende scheitern und womöglich sogar seiner Marke schaden. Und er<br />

wird dazu beitragen, dass die Inhalte auf Facebook immer belangloser<br />

werden, die Beziehungen weiter „ausdünnen“, die Plattform zur<br />

virtuellen Tupperware-Party verkommt. Wenn es tatsächlich eine<br />

Social-Media-Blase gibt, dann sind nicht die neuen Technologien<br />

daran schuld, sondern jene Unternehmen, die Facebook mit einer<br />

Art virtueller CRM-Software verwechseln.<br />

Märkte sind Gespräche, postulierte einst das „Cluetrain“-Manifest.<br />

Das ist heute immer noch genauso wahr, und in gewisser<br />

Weise war es nie anders. Soziale Netzwerke schaffen einen virtuellen<br />

Raum, in dem Unternehmen dieses Gespräch, diesen Dialog<br />

führen können – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Genau darin<br />

besteht ihr bleibender Wert. Der Hype hingegen beginnt dort, wo<br />

Unternehmen zwanghaft versuchen, diese Netzwerke um jeden<br />

Preis zu steuern und zu monetarisieren, womöglich sogar mit fragwürdigen<br />

Methoden. Wer in der <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong> erfolgreich sein<br />

will, muss auch zuhören können – und zwar vor allem dann, wenn<br />

es um Dinge geht, die ihm nicht gefallen. Der Wert sozialer Netzwerke<br />

besteht ironischerweise gerade darin, dass sie auch negatives<br />

Feedback produzieren, auf das Unternehmen reagieren müssen.<br />

Wer die Wolke nur beschwört, um einen schnellen Euro zu machen,<br />

wird statt warmen Geldregens ein Gewitter auslösen – und damit<br />

Verheerungen statt reicher Ernte.<br />

Menschen sind soziale Wesen. Sie wollen sich austauschen, ihr<br />

Wissen und ihre Vorlieben mit anderen teilen. Unternehmen und<br />

Marken können und sollen das nutzen. Substanzielle Gespräche<br />

verlangen jedoch substanzielle Beziehungen und echtes Engagement.<br />

Ohne diesen Dialog wird die <strong>Cloud</strong> <strong>Economy</strong>, trotz aller<br />

technologischen Möglichkeiten, abstrakt und wolkig bleiben. Ein<br />

paar tausend Facebook-Fans oder Twitter-Follower zu haben, ist<br />

vielleicht eine gute Voraussetzung, um ein solches Gespräch zu<br />

führen. Aber Dialog ist kein Popularitätswettbewerb, und die Zahl<br />

der Facebook-Freunde allein kein Indikator für Kundennähe oder<br />

Markenattraktivität. Ein Gespräch ist mehr als „Daumen hoch“<br />

oder „Daumen runter“, eine Kundenbeziehung mehr als eine Facebook-Freundschaft,<br />

ein realer Kunde mehr als ein Molekül in einer<br />

großen Datenwolke – und erfolgreiches <strong>Cloud</strong>-Business ist alles<br />

andere als ein Regentanz.


HERAUSGEBER<br />

Martin Wittig, CEO<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants GmbH<br />

High Light Towers, Mies-van-der-Rohe-Str.6<br />

D-80807 München, Tel.: +49 (0) 89-9230-0<br />

LEITUNG<br />

Dr. Katherine Nölling, Matthias Sturm (V.i.S.d.P)<br />

REDAKTIONSBEIRAT<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />

VERLAG<br />

Axel Springer AG<br />

Axel-Springer-Str. 65, 10888 Berlin, Germany<br />

Tel.: +49 (0)30 2591-74718, Fax: +49 (0)30 2591-74710<br />

newbusiness@axelspringer.de, www.axelspringer.de<br />

GESCHÄFTSLEITUNG (NEUE GESCHÄFTSFELDER)<br />

Frank Parlow, Lutz Thalmann<br />

CHEFREDAKTION UND KONZEPTION<br />

ergo Unternehmenskommunikation GmbH & Co. KG<br />

Sebastian Düring (verantw.), Santo Pane<br />

AUTOREN<br />

Julia Groth, Michael Naumann, Sylvia Schaab, Sibylle Schikora, Christian Schreiber,<br />

David Selbach, Sarah Sommer, Prof. Dr. Björn Bloching (München), Steven Lin (Peking),<br />

Viktoria Unterreiner (New York), Thomas Vašek (München)<br />

GESTALTUNG<br />

Re<strong>think</strong> GmbH<br />

Brian O’Connor, Jennifer Bressler, Helge Hoffmann,<br />

Jana Hallberg, Henrike Noetzold, Andrea Schumacher<br />

ILLUSTRATIONEN<br />

Jörg Block<br />

FOTOS<br />

Oliver Mark<br />

PRODUKTION<br />

Olaf Hopf<br />

BILDBEARBEITUNG<br />

Druckvorstufe WELT Gruppe<br />

DRUCK<br />

Firmengruppe APPL, aprinta Druck GmbH<br />

Senefelderstraße 3-11, 86650 Wemding<br />

URHEBERRECHTE<br />

Die im Magazin enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt.<br />

Alle Rechte werden vorbehalten.<br />

HINWEIS<br />

Redaktionelle Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung<br />

des Herausgebers wieder.<br />

Haben Sie Fragen an den Herausgeber oder das Redaktionsteam?<br />

Interessieren Sie sich für Studien von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants?<br />

Schreiben Sie an service@<strong>think</strong>-<strong>act</strong>.info<br />

Seite 22-23 Jason Schmidt/trunkarchive.com, Seite 25 Courtesy<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>, Seite 34 – 35 Ian Teh/VU, Seite 36 – 37 Mark<br />

Leong 2010/Redux/Laif, Seite 38 Agentur Focus, Seite 41 Getty<br />

Images, Seite 47 PR, Seite 52 – 53 George Cogan/Gallery Stock;<br />

Impressum<br />

BILDVERWEISE<br />

Fotex; Manfred Horvath/Anzenberger, Seite 58 – 59 Michael<br />

Constantin/PaloAlto/Corbis; Kurt Krieger/ Fotoagentur Wolfram;<br />

plainpicuture; F1Online, Zoonar, Seite 60 PR, Seite 62 Kirk<br />

Mastin/Aurora/Laif, Seite 65 PR<br />

66 THINK:ACT CLOUD ECONOMY SPECIAL<br />

www.<br />

1 Billion USD<br />

Geschätzter Wert des von Hackern gestohlenen geistigen Eigentums pro Jahr.<br />

1 von 10<br />

Internetnutzern musste sich bei der Jobsuche für Inhalte auf sozialen Netzwerken rechtfertigen.<br />

152 Mio.<br />

Anzahl der Blogs im Internet.<br />

6 Mrd. USD<br />

gab das amerikanische Verteidigungsministerium 2009 für die Sicherheit seines Computersystems aus.<br />

76% der Nutzer haben keine Kinder. 74%<br />

haben zumindest einen Collegeabschluss.<br />

1% der Nutzer verursachen 34% des Datenverkehrs<br />

auf der Seite.<br />

LinkedIn hat 100 Mio. Mitglieder<br />

YouTube wird jeden Monat<br />

Schätzungen zu Folge 92<br />

Mrd. Mal angeklickt.<br />

YouTube hat 490 Mio. Unique User.<br />

.com<br />

50 Million<br />

Die durchschnittliche tägliche Anzahl an<br />

Tweets von Personen im Jahr 2010.<br />

182 % betrug der Anstieg der mobilen Twitter-<br />

Nutzer in 2010. 22,5 % der Nutzer verursachten<br />

90 % aller Twitter-Aktivitäten.<br />

Twitter hat 300 Mio. registrierte Accounts.<br />

ALLE 60 SEKUNDEN<br />

senden die Nutzer 230.000 NACHRICHTEN, verändern 95.000 MAL ihren STATUS,<br />

schreiben 80.000 PINNWANDNACHRICHTEN, markieren 65.000 FOTOS, teilen<br />

50.000 LINKS und versehen sie mit einer ½ MILLION KOMMENTAREN.<br />

Zudem wurden 2010 IN JEDER SEKUNDE<br />

7,9 NEUE KONTEN<br />

bei Facebook angemeldet. Facebook hat rund 680 Mio. Nutzer<br />

Quellen: fastgush.com, onlinemba.com, youtube.com, royal.pingdom.com, sysomos.com, blogs.kissmetrics.com, socialbakers, fastcompany.com<br />

wallblog.co.uk, blog.linkedin.com

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