I n f o r m a t i o n - Dornbach-Gruppe
I n f o r m a t i o n - Dornbach-Gruppe
I n f o r m a t i o n - Dornbach-Gruppe
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Jahrgang 2 | JUNI 2010 Non-Profit-Organisationen<br />
Ein einheitliches Entgelt steht jedoch<br />
dem Entgeltabstandsgebot entgegen.<br />
Die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerbefreiung<br />
nach § 4 Nr. 18 UStG<br />
waren damit nicht mehr erfüllt.<br />
Genau dieser Umstand führte zu einem<br />
Rechtsstreit zwischen einem als gemeinnützig<br />
anerkannten Betreuungsverein<br />
und dem örtlichen Finanzamt.<br />
Das Finanzamt stellte sich dabei auf<br />
den Rechtsstandpunkt, dass bei einheitlicher<br />
Vergütung das Entgeltabstandgebot<br />
nicht erfüllt sei und die<br />
erbrachten Leistungen des Vereins<br />
daher umsatzsteuerpflichtig seien.<br />
Allerdings hatte das Finanzamt im vorliegenden<br />
Fall europäisches Recht nicht<br />
beachtet. Dieses sieht zwar vor, dass<br />
Mitgliedsstaaten die Umsatzsteuerbefreiung<br />
durch das Entgeltabstandsgebot<br />
begrenzen dürfen, wie dies die<br />
Bundesrepublik Deutschland in ihrem<br />
Umsatzsteuergesetz auch getan hat.<br />
Aber das europäische Recht bestimmt<br />
auch, dass eine solche Begrenzung der<br />
Befreiung von der Umsatzsteuerpflicht<br />
nicht bei “behördlich genehmigten<br />
Preisen” zulässig ist (Art. 13 Teil A Abs.<br />
2 Buchst. a 3. Gedankenstrich der<br />
Richtlinie 77/388/EWG ersetzt mit Wirkung<br />
ab 1.1.2007 durch die diesbezüglich<br />
inhaltsgleiche Mehrwertsteuer-<br />
Systemrichtlinie – Richtlinie 2006/112/<br />
EG).<br />
Das Finanzgericht Düsseldorf hat mit<br />
seinem Urteil vom 16.08.2006 (Az. 5 K<br />
5856/02 U) festgestellt, dass die vom<br />
Vormundschaftsgericht festgesetzte<br />
Vergütung für Berufs- und Vereinsbetreuer<br />
bei mittellosen Betreuten “behördlich<br />
genehmigte Preise” im Sinne<br />
des europäischen Rechts sind, das<br />
preisliche Abstandsgebot gemäß deutschem<br />
Umsatzsteuerrecht nicht anwendbar<br />
ist und der Verein daher in<br />
dem streitigen Fall von der Umsatzsteuer<br />
befreit ist. Das europäische<br />
Recht gehe hier nationalem Recht vor,<br />
so dass das Entgeltabstandsgebot im<br />
I n f o r m a t i o n<br />
deutschen Umsatzsteuergesetz europakonform<br />
auszulegen sei.<br />
Der Bundesfinanzhof bestätigte diese<br />
Entscheidung mit seinem Urteil vom<br />
17.2.2009 (Az. XI R 67/06) in letzter Instanz<br />
und erklärte damit das Entgeltabstandsgebot<br />
des § 4 Nr. 18 Buchstabe<br />
c in der Fassung der deutschen<br />
Umsatzsteuergesetzes für gemeinschaftsrechtswidrig.<br />
Die deutsche Bestimmung differenziert<br />
nicht zwischen behördlich genehmigten<br />
bzw. kontrollierten Preisen und frei kalkulierten<br />
Preisen. Die Richtlinienbestimmung<br />
lässt dagegen ein Entgeltabstandsgebot<br />
als nationales Wahlrecht<br />
nur bei frei kalkulierten Preisen<br />
zu.<br />
Was bedeutet dies nun für die Praxis?<br />
Der als gemeinnützig anerkannte Betreuungsverein<br />
kann sich – im Falle der<br />
Betreuungsleistungen gegenüber mittellosen<br />
Leistungsempfängern und den<br />
damit einhergehenden behördlich genehmigten<br />
bzw. kontrollierten Leistungsentgelten<br />
– in punkto Umsatzsteuerbefreiung<br />
unmittelbar auf die für<br />
ihn günstigere gemeinschaftsrechtliche<br />
Regelung berufen.<br />
Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung<br />
nach Art. 132 Abs.1 Buchst. G<br />
der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie<br />
genügt es, dass zwei Voraussetzungen<br />
erfüllt sind, und zwar<br />
• dass es sich um eng mit der Sozialfürsorge<br />
und der sozialen Sicherheit<br />
verbundene Dienstleistungen und<br />
Lieferungen von Gegenständen handelt,<br />
und<br />
• dass diese Dienstleistungen oder<br />
Lieferungen durch Einrichtungen des<br />
öffentlichen Rechts oder anderer Einrichtungen,<br />
die vom jeweiligen Mitgliedsstaat<br />
als Einrichtungen mit<br />
sozialem Charakter anerkannt sind,<br />
bewirkt werden.<br />
Ausgabe 2 / 2010<br />
Das für gemeinschaftsrechtswidrig erklärte<br />
Entgeltabstandsgebot des § 4<br />
Nr. 18 Buchst. c UStG ist – sofern überhaupt<br />
– ausschließlich bei frei kalkulierten<br />
Preisen anzuwenden. Stellt man<br />
den Vergleich mit den Entgelten gewerblicher<br />
Anbieter an, sind die „Nettopreise“<br />
heranzuziehen. Die zusätzlich<br />
berechnete Umsatzsteuer ist kein Bestandteil<br />
des Entgelts.<br />
Betrachtet man nun die o. g. Voraussetzungen<br />
für die Inanspruchnahme<br />
der Steuerbefreiung stellt sich die<br />
Frage, ob denn nicht auch Berufsbetreuer<br />
als Einrichtungen mit sozialem<br />
Charakter gelten können und ebenso<br />
den Vorzug einer Steuerbefreiung für<br />
sich reklamieren können.<br />
Hierzu führt die Oberfinanzdirektion<br />
Koblenz in ihrer Rundverfügung vom<br />
25.2.2010 (Az. S 7175 A – St 44 2) aus<br />
„Der deutsche Gesetzgeber hat die Berufsbetreuer<br />
nicht als Einrichtungen mit<br />
sozialem Charakter anerkannt. Demzufolge<br />
unterliegen deren Umsätze aus<br />
Betreuungsleistungen weiterhin der<br />
Umsatzsteuer“.<br />
Grundsätzlich gilt jedoch, dass der Begriff<br />
der „von dem Mitgliedsstaat als<br />
Einrichtungen mit sozialem Charakter<br />
anerkannte Einrichtung“ nach ständiger<br />
Rechtsprechung weit auszulegen<br />
ist. So hat der BFH mit Urteil vom<br />
18. 8.2006 eine freiberuflich tätige Legasthenie-Therapeutin<br />
als „Einrichtung<br />
mit sozialem Charakter“ anerkannt, soweit<br />
sie ihre Leistungen mit dem zuständigen<br />
öffentlich-rechtlichen Sozialleistungsträgern<br />
abrechnet. Insoweit<br />
unterlagen die Leistungen der Therapeutin<br />
der Umsatzsteuerbefreiung.<br />
Betriebswirt (VWA) Markus Schmidt<br />
Seite 7 / 7