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Organisationsdesigns als Wettbewerbsvorteil

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<strong>Organisationsdesigns</strong> <strong>als</strong> <strong>Wettbewerbsvorteil</strong><br />

Komplexe Strukturen werden entwickelt, um der Komplexität der Umwelt / des Marktes optimal<br />

gerecht zu werden. Organisationale Ambiguität oder Mehrdeutigkeit ist die Antwort der<br />

Organisation auf die Außenvielfalt. Sie ermöglicht der Organisation den Umgang mit<br />

Widersprüchen.<br />

In den meisten Organisationen gibt es verschiedene Strukturelemente neben-, mit- und<br />

übereinander; jedes Element leistet einen speziellen Beitrag für die Erfüllung der Aufgaben der<br />

Organisation. Im Folgenden werden die gängigsten organisational designs knapp beschrieben und<br />

auf ihre Vor- und Nachteile hin untersucht. Anschließend werden die Anforderungen an Führung in<br />

den jeweiligen Designs daraus abgeleitet.<br />

F U N K T I O N A L E O R G A N I S A T I O N<br />

Abbildung 1: Funktionales Organisationsdesign 1<br />

Die funktionale Organisation galt bis in die 1970er-Jahre <strong>als</strong> die ideale Organisationsform. Lange<br />

ging man davon aus, dass die hierarchische Spitze alle Vorgänge in der Organisation nicht nur<br />

überblicken, sondern auch realistisch einschätzen und steuern kann. In der funktionalen<br />

Organisation sind Entscheidungen zentralisiert und Abstimmungsprozesse durch die Hierarchie<br />

geregelt. Die Trennung der Funktionen führt zu einer funktionalen Spezialisierung, die die<br />

Entstehung von Expertenwissen begünstigt. Als Nachteile der funktionalen Organisation gelten ihre<br />

Schwerfälligkeit und die relativ geringe Fähigkeit, Komplexität zu bewältigen. Die Zentralisierung<br />

der Entscheidungen führt zudem leicht zu einer Überlastung der Spitze. 2<br />

1<br />

Vgl. Reinhart Nagel / Torsten Groth / Bernhard Krusche / Thomas Schumacher: Führungsherausforderungen in<br />

unterschiedlichsten Organisationsarchitekturen. S. 58-67. – In: Zeitschrift für Organisationsentwicklung. Heft<br />

2/2006, 60.<br />

2<br />

Vgl. Nagel et al., 2006, 59f.<br />

1


G E S C H Ä F T S F E L D O R G A N I S A T I O N<br />

Abbildung 2: Geschäftsfeldorganisation 3<br />

Die Gliederung nach Geschäftsfeldern ermöglicht den Aufbau von Kompetenz verstärkt dort, wo<br />

das unter Marktgesichtspunkten notwendig scheint. Dadurch wird die Orientierung an den<br />

Bedürfnissen der Kunden und an den Erfordernissen des Marktes erleichtert. Die Organisation<br />

schafft eigenverantwortliche Units im Unternehmen, die ihre Aufgaben weitgehend<br />

eigenverantwortlich erledigen. Nachteilig kann sich auswirken, dass dauerhaften Energien für<br />

unternehmensweite Aufgaben nur schwer zu mobilisieren sind. 4<br />

P R O J E K T O R G A N I S A T I O N<br />

Abbildung 3: Projektorganisation 5<br />

3 Nagel et al., 2006, 61.<br />

4 Vgl. Nagel et al., 2006, 60f.<br />

5 Nagel et al., 2006, 62.<br />

2


Die Projektorganisation ist überall dort angezeigt, wo das Kerngeschäft eines Unternehmens in<br />

Projekten abgewickelt wird, wie beispielsweise im Anlagenbau oder bei Filmproduktionen. Sie<br />

bringt mit sich, dass die Kernprozesse (Projekte) immer einen Anfang und ein Ende haben. Die<br />

Struktur der Kernprozesse ist auf Zeit, jene der Supportprozesse auf Kontinuität ausgerichtet.<br />

Die Projektteams werden jeweils entsprechend der Aufgabe zusammengestellt. Das gestattet eine<br />

effiziente Bearbeitung komplexer Probleme. Das aufgabenorientierte Arbeiten in überschaubaren<br />

Gruppen quer zur Hierarchie ermöglicht der Organisation, schnell, flexibel und leistungsfähig zu<br />

agieren. Als Nachteil dieses Designs gilt, dass sich die Mitglieder eher mit den Projektgruppen und<br />

weniger mit der Gesamtorganisation identifizieren können. Der in dieser Konstruktion enthaltene<br />

organisationale Widerspruch muss kontinuierlich bearbeitet werden. 6<br />

P R O Z E S S O R G A N I S A T I O N<br />

Abbildung 4: Prozessorganisation 7<br />

In der Prozessorganisation ist das Unternehmen um den zentralen Prozess der Leistungserbringung<br />

herum gebaut. Im Mittelpunkt steht der Kunde, für dessen Probleme weitgehend maßgeschneiderte<br />

Lösungen erarbeitet werden. Interne Prozesse werden konsequent entlang der Kernprozesskette<br />

ausgerichtet. Der Primat des Gesamtprozesses ermöglicht kundenorientierte Problemlösungen.<br />

Die Zusammenarbeit entlang der Prozesskette erfordert hohen Teamgeist. Die Prozessgestaltung<br />

und die ständige Optimierung der Prozessabläufe führt zu einem hohen Koordinationsaufwand,<br />

insbesondere bei den Prozessschritten, die mehreren wertschöpfenden Prozessen zugeordnet sind. 8<br />

6 Vgl. Peter Heintel / Ewald E. Krainz: Projektmanagement. Eine Antwort auf die Hierarchiekrise? Wiesbaden,<br />

2000 11 .<br />

7 Nagel et al., 2006, 63.<br />

8 Vgl. Nagel et al., 2006, 61f.<br />

3


N E T Z W E R K O R G A N I S A T I O N<br />

Abbildung 5: Netzwerkorganisation 9<br />

Eine Netzwerkorganisation besteht aus rechtlich selbstständigen, wirtschaftlich allerdings<br />

voneinander abhängigen Unternehmen, die sich zu einem Netzwerk zusammenschließen, um durch<br />

die wechselseitige Ergänzung oder Bildung von Kernkompetenzen <strong>Wettbewerbsvorteil</strong>e zu erzielen.<br />

Durch die Netzwerkorganisation sollen z. B. Vorteile von Großunternehmen (wie z. B.<br />

Skalenvorteile) und kleiner Unternehmen (z.B. Flexibilität) kombiniert werden. Aufgrund der<br />

vergleichsweise ausgeprägten Autonomie der beteiligten Unternehmen stellt die<br />

Netzwerkorganisation ein polyzentrisches System dar, das sich durch komplexe, eher kooperative<br />

und mehr oder weniger stabile Beziehungen zwischen den Partnern auszeichnet. 10 Ein Beispiel für<br />

eine Netzwerkorganisation aus der Automobilbranche ist die Entwicklung, Produktion und Vertrieb<br />

des „Smart“. Das Netzwerk beschreitet mit dem Smart auch im Vertrieb ganz neue Wege (z. B.<br />

„Car 2 Go“ in Wien und anderen Großstädten), die mit den traditionellen Strukturen <strong>als</strong> nicht<br />

realisierbar gelten. 11<br />

9<br />

Ralf Struthoff: Führung und Orgainsation von Unternehmensnetzwerken. Nürnberg, 1998, S. 104. Diese Grafik<br />

repräsentiert ein heterarchisches Netzwerk. Heterarchie wird von Bühl (1987, 242) beschrieben <strong>als</strong> Handlungsoder<br />

Verhaltenssysteme, die aus mehreren, voneinander relativ unabhängigen „Akteuren“,<br />

„Entscheidungsträgern“ oder „Potenzialen“, zusammengesetzt sind, in denen es keine zentrale Kontrolle gibt,<br />

sondern die Führung des Systems in Konkurrenz und Konflikt, in Kooperation und Dominanz, in Sukzession<br />

und Substitution sozusagen immer wieder neu ausgehandelt wird oder von Subsystem zu Subsystem bzw. von<br />

Potenzial zu Potenzial wandert.<br />

10<br />

Vgl. http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Autoren/prof-dr-gerhard-schewe.html [9.05.2012]<br />

11<br />

Vgl. Horst Siebert: Ökonomische Analyse von Unternehmensnetzwerken. S. 7-28. – In: Jörg Sydow (Hrsg.):<br />

Management von Netzwerkorganisationen. Beiträge aus der Managementforschung. Wiesbaden, 2010.<br />

4


Ü B E R B L I C K Ü B E R D I E V O R - U N D N A C H T E I L E V O N<br />

O R G A N I S A T I O N S D E S I G N S<br />

Funktionale<br />

Organisation<br />

Geschäftsfeld-<br />

organisation<br />

Projekt-<br />

organisation<br />

Vorteile Nachteile<br />

• Entscheidungen sind<br />

zentralisiert, können schnell<br />

getroffen werden<br />

• Abstimmungsprozesse durch<br />

die Hierarchie geregelt<br />

• Funktionale Spezialisierung<br />

fördert Entstehung von<br />

Expertenwissen<br />

• Orientierung an den<br />

Bedürfnissen der Kunden und<br />

Erfordernissen des Marktes<br />

• Schaffung<br />

eigenverantwortlicher<br />

„Unternehmen im<br />

Unternehmen“<br />

• Überschaubare Einheiten<br />

erledigen Aufgaben<br />

weitgehend<br />

eigenverantwortlich<br />

• Aufbau von Kompetenz nahe<br />

am Markt<br />

• Aufgabenorientiertes Arbeiten<br />

in überschaubaren Gruppen<br />

quer zur Hierarchie ermöglicht<br />

schnelles, flexibles und<br />

leistungsfähiges Agieren<br />

• Zusammenstellung der<br />

Projektteams entsprechend<br />

der Aufgabe ermöglicht<br />

effiziente Bearbeitung<br />

komplexer Probleme<br />

Prozessorganisation • Primat des Gesamtprozesses<br />

ermöglicht kundenorientierte<br />

Problemlösungen<br />

• interne Prozesse werden<br />

konsequent entlang der<br />

Kernprozesskette ausgerichtet<br />

• relativ geringe Fähigkeit zur<br />

Komplexitätsbewältigung<br />

• Organisation neigt zur<br />

Schwerfälligkeit<br />

• Zentralisierung von<br />

Entscheidungen kann zur<br />

Überlastung der Spitze führen<br />

• dauerhaften Energien für<br />

unternehmensweite Aufgaben<br />

nur schwer zu mobilisieren, weil<br />

sich die Geschäftsfelder leicht<br />

<strong>als</strong> eigenverantwortliche Units<br />

und weniger <strong>als</strong> Teil eines<br />

größeren Ganzen verstehen<br />

• Widerspruch zwischen<br />

Organisation und Team muss<br />

kontinuierlich bearbeitet werden<br />

• Zusammenarbeit entlang der<br />

Prozesskette erfordert hohen<br />

Teamgeist<br />

• Hoher Koordinationsaufwand<br />

durch ständige<br />

Prozessoptimierung<br />

5


Netzwerkorganisation • Vorteile von verschiedenen<br />

Organisationen können<br />

kombiniert werden, das<br />

schaffte eine WIN-WIN-<br />

Situation für alle Beteiligten<br />

• Fokussiert auf den<br />

Kernprozess<br />

• Kann schnell und flexibel auf<br />

S T R U K T U R U N D F Ü H R U N G<br />

Marktbedürfnisse reagieren<br />

• Steuerung ist eine komplexe<br />

Herausforderung<br />

• Hohe Anforderungen in Bezug<br />

auf den Umgang mit Macht und<br />

Vertrauen angesichts der extrem<br />

losen Koppelung<br />

Die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Strukturformen in Organisationen ist Normalität geworden.<br />

Die Vielfalt der Strukturen bestimmt, was machbar ist, weil sie neben einer Reihe von Vorteilen<br />

auch zu ganz speziellen Führungsproblemen führt.<br />

Verschiedene Strukturen bringen jeweils unterschiedliche Führungsvoraussetzungen mit sich, sie<br />

haben weitreichende Implikationen für die Kommunikation und Steuerung der Organisation. 12 Mit<br />

der Veränderung von <strong>Organisationsdesigns</strong> sind in der Regel Erwartungen wie Steigerung der<br />

Effizienz oder Effektivität verbunden. Die erhoffte Leistungssteigerung kann aber nur dann realisiert<br />

werden, wenn die Führungsstruktur an das veränderte Organisationsdesign angepasst wird und die<br />

Veränderungen in beiden Bereichen, gewissermaßen Hand in Hand, umgesetzt werden.<br />

In komplexen Strukturen bekommt Kommunikation einen ganz besonders hohen Stellenwert. Sie<br />

wird zu einer zentralen Führungsaufgabe. Das frühere Paradigma des arbeitenden Menschen: „Wer<br />

arbeitet, produziert.“ wird abgelöst durch das neue „Wer arbeitet, kommuniziert.“ 13 Die<br />

traditionellen Sicherheiten lösen sich immer mehr auf, an ihre Stelle tritt Kommunikation. Klarheit<br />

über Standards und Erwartungen der Organisation geben Orientierung und sorgen für Stabilität.<br />

Die Kommunikation in unterschiedlichen Medien befriedigt unterschiedliche<br />

Rezeptionsgewohnheiten.<br />

Kommunikation wird immer wichtiger, weil Führen in der modernen Organisation heißt, Sinn zu<br />

vermitteln und die MitarbeiterInnen für die gemeinsame Aufgabe zu gewinnen. Wenn<br />

MitarbeiterInnen den Sinn erkennen, können sie ihre Fähigkeiten und Kompetenzen bestmöglich<br />

12 Vgl. Thomas Schumacher: Von der allmählichen Verfestigung der Führung beim Reden. S. 211-237. – In:<br />

Philipp Juchli / Diego Haunreiter / Christoph Knupp (Hrsg.): Auswirkungen von Krisen auf Wirtschaft, Recht<br />

und Gesellschaft (f. d. Schweiz). Schriften der Assistierenden der Universität St. Gallen (HSG) Bd. 5 C. Bern,<br />

2010.<br />

13 Vgl. Dirk Baecker: Organisation und Management. Frankfurt am Main, 2003, 18.<br />

6


einbringen. Sowohl der Sinn <strong>als</strong> auch die Rahmenbedingungen müssen mit größtmöglicher Klarheit<br />

kommuniziert werden.<br />

Direkte Kommunikation, d.h., persönliche Mitteilungen im Meeting oder im Vier-Augen-Gespräch<br />

sind grundsätzlich wirksamer, ihre Reichweite ist allerdings deutlich eingeschränkt. Mit indirekten<br />

Medien wie z. B. einem Mission Statement, der Ansprache des CEO’s auf Video oder dem<br />

Unternehmens-Wiki werden einheitliche Informationen, die alle Firmenangehörigen erreichen<br />

können, verbreitet. Weitere wichtige Aspekte: Welche – realen und virtuellen – informellen<br />

Begegnungs- und Austauschräume es in Unternehmen gibt, entscheidet über die Quantität und<br />

Qualität der Kommunikation. Werden Erfolge gefeiert? Wie wird mit Fehlern umgegangen? Ein<br />

wichtiger Aspekt bei der Beurteilung der Kommunikationsstrukturen eines Unternehmens ist auch<br />

das, was nicht gesagt bzw. getan wird. Werden die MitarbeiterInnen rechtzeitig von Entwicklungen,<br />

Veränderungen und auch von Bedrohungen informiert oder kommen die Informationen nur<br />

zögerlich, zu spät und zu wenig aussagekräftig? Sind die Regeln klar kommuniziert und werden sie<br />

auch exekutiert? Wofür die Organisation (wirklich!) steht, sieht man daran, was getan wird. Klare<br />

Rahmenbedingungen schaffen Orientierung.<br />

Die Erwartungen der Organisation sind in klaren Standards und Regeln, z. B. bezüglich des<br />

Umgangs miteinander oder mit Stakeholdern, zu fassen. Beispielsweise gibt es bei einem<br />

Weltkonzern ein klares Bekenntnis dazu, dass Flexibilität und kompetenten Umgang mit<br />

Komplexität und Unsicherheiten erforderlich ist. Flache Hierarchien und definierte Wege zur<br />

Erreichung des Top-Managements oder eine strikte open-door-policy von Führungskräften können<br />

strukturelle Vorgaben sein, mit denen Organisationen die Flexibilität und damit die erforderliche<br />

Anpassungsfähigkeit fördern.<br />

F Ü H R U N G I N D E R F U N K T I O N A L E N O R G A N I S A T I O N<br />

Beispielsweise besteht in der funktionalen Organisation mit ihren hierarchischen Strukturen die<br />

Gefahr der Überforderung der Spitze, weil ihr zu viele Entscheidungen abverlangt werden. Wenn<br />

Berichtslinien über die Spitze eingehalten werden müssen, wird die direkte Kommunikation von<br />

ExpertInnen behindert. Zeitliche Verzögerungen wichtiger Entscheidungen können die Folge sein.<br />

Die Spezialisierung von Organisationseinheiten fördert die Binnenorientierung eines Unternehmens<br />

und die selektive Wahrnehmung aus der jeweils eigenen Perspektive. Es liegt in der Verantwortung<br />

der Führung, dafür zu sorgen, dass die Kundenperspektive integriert wird. 14 Die<br />

Kommunikationsaufgabe der Führung in der funktionalen Organisation besteht daher darin, für die<br />

funktionsübergreifende Kommunikation zu sorgen.<br />

14 Vgl. Nagel et al., 2006, 62f.<br />

7


F Ü H R U N G I N D E R G E S C H Ä F T S F E L D O R G A N I S A T I O N<br />

Die Geschäftsfeldarchitektur schafft „Unternehmen im Unternehmen“, die in größtmöglicher<br />

Eigenverantwortung nahe am Markt operieren. Die einzelnen Geschäftsfelder entwickeln jeweils<br />

ihre eigene Identität, die Belange des Ganzen laufen Gefahr, nicht ausreichend beachtet zu<br />

werden. Führung in der Geschäftsfeldorganisation heißt daher, das Interesse des Ganzen im Auge<br />

zu behalten und es bei Bedarf über die Anliegen des Geschäftsfeldes oder der Individuen zu stellen.<br />

Eine wichtige Funktion von Führung an der Spitze einer Geschäftsfeldorganisation ist der Umgang<br />

mit dem Widerspruch zwischen Eigenverantwortung der Einheiten und notwendiger zentraler<br />

Steuerung des Ganzen. Die Geschäftsfelder brauchen Autonomie, um ihre Aufgaben gut erledigen<br />

zu können, die Kontextsteuerung der Spitze sorgt für den Rahmen, innerhalb dessen alle<br />

operativen Freiheiten für die Erledigung ihrer Aufgaben haben. Gleichzeitig müssen aber einige<br />

zentrale Funktionen des Gesamtunternehmens bewahrt werden, die unter Umständen im Konflikt<br />

mit den Einzelinteressen der Einheiten stehen. Das Management dieses Widerspruchs gehört zu<br />

den Aufgaben der Spitze der Geschäftsfeldorganisation. 15<br />

In der Geschäftsfeldorganisation besteht die Kommunikationsaufgabe der Führung darin, für die<br />

Kommunikation zwischen den Geschäftsfeldern Sorge zu tragen.<br />

F Ü H R U N G I N D E R P R O J E K T O R G A N I S A T I O N<br />

In reinen Projektorganisationen steht das Arbeiten in Projekten im Vordergrund. Die Loyalität der<br />

Personen zum Team ist häufig stärker <strong>als</strong> zum Unternehmen. In der Projektorganisation gehört<br />

daher die Stärkung des „Wir-Gefühls“ zu den Kernfunktionen von Führung. Das „Management des<br />

Zusammenhangs“ bedarf der konstanten Aufmerksamkeit der Führung, denn ohne Gegensteuerung<br />

zu den intensiven Bindungen in den Projektgruppen besteht die Gefahr, dass das Unternehmen in<br />

seine Einzelteile zerfällt. 16<br />

Eine weitere zentrale Aufgabe von Führung in der Projektorganisation ist die Stärkung der<br />

organisationalen Lernfähigkeit und Lerngeschwindigkeit. Speziell für diesen Organisationstyp, <strong>als</strong>o<br />

beispielsweise Forschungsinstitute, IT-Consulter oder Werbeagenturen, stellen einmalige<br />

wissensbasierte Kernkompetenzen einen wichtigen Wettbewerbsfaktor dar, die auszuprägen und<br />

ständig weiterzuentwickeln sind. Das verteilte Wissen muss intern so zur Verfügung gestellt<br />

werden, dass es leicht für immer neue Projektaufträge neu gebündelt und weiterentwickelt werden<br />

kann. 17<br />

In der Projektorganisation besteht die Kommunikationsaufgabe der Führung einerseits in der<br />

Stabilisierung des Zusammenhalts und des „Wir-Gefühls“. Für die Stärkung der organisationalen<br />

15 Vgl. Nagel et al., 2006, 64.<br />

16 Vgl. Nagel et al., 2006, 65.<br />

17 Vgl. Nagel et al., 2006, 66.<br />

8


Lernfähigkeit sind geeignete Strukturen aufzubauen, die die virtuelle und reale Kommunikation<br />

fördern.<br />

F Ü H R U N G I N D E R P R O Z E S S O R G A N I S A T I O N<br />

Die Prozessorganisation ist um die optimale Prozesskette herum gebaut. Alle Teilprozesse sind auf<br />

optimales Zusammenspiel ausgerichtet. Die strikte Koppelung der optimalen Prozessbeherrschung<br />

birgt das Risiko in sich, dass Störungen den gesamten Prozess lahm legen und enorme<br />

wirtschaftliche Schäden verursachen können. Die zentrale Führungsherausforderung liegt daher<br />

darin, der notwendigen strikten Koppelung der Führung der Teilprozesse Formen der losen<br />

Koppelung entgegenzusetzen. Flexibilität ist vor allem bei der Bewältigung von Fehlern und<br />

Störungen gefragt. 18<br />

Untersuchungen von Extremsituationen wie beispielsweise die Arbeit auf einem Flugzeugträger<br />

oder in einem Atomkraftwerk zeigen, dass Unternehmen von diesen hochkomplexen<br />

Organisationen auch für den Umgang mit der Komplexität in modernen Organisationen lernen<br />

können. Es sind vor allem fünf Prinzipien, die einen kollektiven Zustand der Achtsamkeit erzeugen<br />

können und damit zur zentralen Kommunikationsaufgabe von Führung in der Prozessorganisation<br />

werden. Es gilt,<br />

1. die Fähigkeit zu kultivieren, Fehler zu entdecken und zu beheben, bevor sie zu Krisen<br />

eskalieren.<br />

2. keine grob vereinfachenden Interpretationen vorzunehmen, sondern die Phantasie zu<br />

stärken, innere Bilder abzugleichen und die Weisheit der Vielen ernst zu nehmen.<br />

3. betriebliche Abläufe zu hinterfragen, nichts für selbstverständlich und Skepsis ernst zu<br />

nehmen.<br />

4. Flexibilität anzustreben, Ungewissheit <strong>als</strong> etwas Positives einzuschätzen und unerwartete<br />

Ereignisse <strong>als</strong> Informationen zu verstehen.<br />

5. Hochachtung vor fachlichem Wissen und Können zu haben und Tuchfühlung mit dem<br />

operativen Geschäft oder den Basisaktivitäten zu halten. 19<br />

F Ü H R U N G I N D E R N E T Z W E R K O R G A N I S A T I O N<br />

Das Management von interorganisationalen Netzwerken ist noch stärker <strong>als</strong> das Management von<br />

Organisationen durch Paradoxien, Mehrdeutigkeiten und Spannungsverhältnisse gekennzeichnet. 20<br />

Netzwerktypische Spannungsverhältnisse sind beispielsweise Kooperation und Wettbewerb,<br />

Vertrauen und Kontrolle, Autonomie und Abhängigkeit, Flexibilität und Stabilität, Einheit und<br />

18<br />

Vgl. Nagel et al., 2006, 66.<br />

19<br />

Vgl. Karl E. Weick / Kathleen M. Sutcliffe: Das Unerwartete managen. Wie Unternehmen aus<br />

Extremsituationen lernen. Stuttgart, 2003.<br />

20<br />

Vgl. Jörg Sydow / Stephan Duschek: Management interorganisationaler Beziehungen. Netzwerke – Cluster –<br />

Allianzen. Stuttgart, 2011, 172.<br />

9


Vielfalt u. a. m. 21 Die Führung von Netzwerken stellt daher hohe Anforderungen an die soziale<br />

Kompetenz der Führungskräfte. In der Netzwerkorganisation besteht die Kommunikationsaufgabe<br />

der Führung darin, systemische Führungskompetenz zu entfalten. Kompetentes Entscheiden,<br />

Kommunizieren, Sinn vermitteln, Chancen erkennen und wahrnehmen, Grenzen erkennen und<br />

wahren, konsequent lösungsorientiertes Denken und Handeln, Reflexion und<br />

Selbstmanagementkompetenz unterstützt die Führungskräfte bei der Bewältigung ihrer<br />

Führungsaufgaben.<br />

21<br />

Vgl. Jörg Sydow: Netzwerkberatung – Aufgaben, Ansätze, Instrumente. S. 57-84. – In: Jörg Sydow / Stephan<br />

Manning (Hrsg.): Netzwerke beraten. Wiesbaden, 2006, 63.<br />

10


Ü B E R B L I C K Ü B E R D I E S P E Z I E L L E N F Ü H R U N G S P R O B L E M E I N<br />

U N T E R S C H I E D L I C H E N O R G A N I S A T I O N S D E S I G N S<br />

Spezielle Führungsprobleme<br />

Funktionale Organisation • Tendenzielle Überforderung der Spitze, weil viele<br />

Entscheidungen ganz oben konzentriert sind.<br />

• Es kann zu zeitlichen Verzögerungen wichtiger<br />

Entscheidungen durch lange Kommunikationswege kommen.<br />

• Spezialisierung von Facheinheiten fördert Binnenorientierung<br />

und selektive Wahrnehmung � Führung muss dafür sorgen,<br />

dass die Kundenperspektive integriert wird.<br />

• Die Einhaltung der Berichtslinien über die Spitze behindert die<br />

direkte Kommunikation von ExpertInnen (Abhilfe: „Fayol´sche<br />

Brücken“).<br />

• Die Kommunikationsaufgabe der Führung besteht vor allem<br />

darin, für die funktionsübergreifende Kommunikation zu<br />

sorgen.<br />

Geschäftsfeldorganisation • Führung muss den Einheiten weitreichende<br />

Entscheidungskompetenzen übertragen, damit sie ihrer<br />

Eigenverantwortung gerecht werden und ihre Ertrags- und<br />

Kostenentwicklung steuern können.<br />

• Egoismen der „Unternehmen im Unternehmen“ bedürfen<br />

besonderer Aufmerksamkeit, damit die Gesamtidentität nicht<br />

gefährdet wird.<br />

• Der Widerspruch zwischen Eigenverantwortung der Einheiten<br />

und notwendiger zentraler Steuerung des Ganzen muss<br />

sorgfältig gemanagt werden.<br />

• Die Kommunikationsaufgabe besteht vor allem darin, Sorge<br />

für die Kommunikation zwischen den Geschäftsfeldern zu<br />

tragen.<br />

Projektorganisation • Führung muss vor allem das Wir-Gefühl des größeren Ganzen<br />

stärken. Ohne Gegensteuerung zu den intensiven Bindungen<br />

in den Projektgruppen besteht die Gefahr, dass das<br />

Unternehmen in seine Einzelteile auseinanderfällt.<br />

• Das Personalmanagement gilt <strong>als</strong> besonders wichtige Funktion<br />

in der Projektorganisation, weil sie flexibel auf den<br />

Personalbedarf der Projekte reagieren muss.<br />

• Das in der Organisation (in den Projekten) verteilte Wissen<br />

muss intern so zur Verfügung gestellt werden, dass es leicht<br />

für immer neue Projektaufträge neu gebündelt und<br />

weiterentwickelt werden kann. Die Lernfähigkeit und<br />

11


Lerngeschwindigkeit stellt ganz speziell für diesen<br />

Organisationstyp einen wichtigen Wettbewerbsfaktor dar.<br />

Prozessorganisation • Alle Teilprozesse sind auf optimales Zusammenspiel der<br />

Teilprozesse ausgerichtet. Die strikte Koppelung der optimalen<br />

Prozessbeherrschung birgt das Risiko in sich, dass Störungen<br />

den gesamten Prozess lahm legen und enorme wirtschaftliche<br />

Schäden verursachen können. Führung muss daher für<br />

Flexibilität bei der Behebung von Fehlern und Störungen<br />

sorgen.<br />

• Führung in dieser Organisationsform kann viel aus den<br />

Erfahrungen in HRO (High Reliability Organizations) lernen.<br />

o Fehler <strong>als</strong> Information sehen<br />

o Nichts für selbstverständlich halten<br />

o Keine vereinfachenden Interpretationen vornehmen<br />

o Flexibel sein, Unerwartetes positiv einschätzen<br />

o Hochachtung vor fachlichem Wissen haben<br />

Netzwerkorganisation • In Netzwerken noch mehr Paradoxien, Mehrdeutigkeiten und<br />

Spannungsverhältnisse zu managen <strong>als</strong> in Organisationen<br />

• Netzwerktypische Spannungsverhältnisse sind beispielsweise<br />

Kooperation und Wettbewerb, Vertrauen und Kontrolle,<br />

Autonomie und Abhängigkeit, Flexibilität und Stabilität,<br />

Einheit und Vielfalt u. a. m.<br />

• Hohe Anforderungen an die soziale Kompetenz der<br />

Führungskräfte � systemische Führungskompetenz, <strong>als</strong>o<br />

kompetentes Entscheiden, Kommunizieren, Sinn vermitteln,<br />

Chancen erkennen und wahrnehmen, Grenzen erkennen und<br />

wahren, konsequent lösungsorientiertes Denken und Handeln,<br />

Reflexion und Selbstmanagementkompetenz unterstützt die<br />

Führungskräfte bei der Bewältigung ihrer Führungsaufgaben.<br />

Jede Struktur hat ihre ganz speziellen Probleme und es ist unmittelbar einsichtig, dass<br />

übereinander gelagerte Strukturen die Probleme potenzieren. Der Umgang mit der daraus<br />

resultierenden Komplexität ist zu einer zentralen Führungsaufgabe geworden. Hohe Komplexität im<br />

Inneren einer Organisation bringt zweifach Probleme mit sich. Einerseits beeinträchtigen die<br />

komplexen Rahmenbedingungen die Flexibilität der Organisation. Ähnlich wie ein Hochseetanker<br />

sind sie schwer manövrierbar. Veränderungen brauchen Zeit, bis sie umgesetzt und verdaut sind.<br />

Vielfach steht diese Zeit nicht zur Verfügung, eine Veränderung jagt die andere. Andererseits<br />

haben viele Personen Schwierigkeiten, den permanenten Veränderungsdruck zu verdauen und in<br />

konstruktiver Haltung zu bewältigen.<br />

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