Antrag 3 - Goetheanum
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40 | Jahrestagung und Generalversammlung 2011<br />
ó Interviw<br />
Beziehung zu den Generalsekretären<br />
Stöckli: Stimmt der Eindruck, dass<br />
auf den Vorstand am <strong>Goetheanum</strong><br />
viele divergierende Kräfte einwirken?<br />
Das ist so, und das ist auch gut so.<br />
Es geht auch hier um Fairness. Ich<br />
fasse Vorstandstätigkeit am <strong>Goetheanum</strong><br />
so auf: Ich muss, wie schon gesagt,<br />
mitverantwortlich für die Hochschule<br />
sein können, sonst bin ich nur<br />
Verwalter, und das möchte ich nicht.<br />
Und ich bin Mitglied des Vorstands<br />
der Allgemeinen Anthroposophischen<br />
Gesellschaft als Weltgesellschaft.<br />
Sobald ich das Goethenaum<br />
verlasse, begebe ich mich in das Gebiet<br />
einer Landesgesellschaft.<br />
Wir können als Vorstand ja alles<br />
machen, aber wir bleiben isoliert,<br />
wenn wir nicht die Beziehung zu den<br />
anthroposophischen Landesgesellschaften<br />
pflegen. Diese Art von Zusammenarbeit<br />
ist mir wichtig.<br />
Held: Das Verhältnis zwischen Generalsekretären<br />
und Vorstand wirkt<br />
herzlicher als das zwischen Vorstand<br />
und Hochschulkollegium – täuscht<br />
der Eindruck?<br />
Nun, wenn man sich häufiger<br />
sieht, sehen Beziehungen immer anders<br />
aus, als wenn man sich seltener<br />
begegnet. Ich sehe keinen grundsätzlichen<br />
Konflikt zwischen Vorstand<br />
und Hochschulkollegium. Mit einzelnen<br />
Mitgliedern kann es aber zu<br />
Spannungen kommen. Das muss an<br />
und für sich nicht schlecht sein,<br />
wenn eine gewisse Konfliktfähigkeit<br />
gepflegt wird. Da haben wir noch<br />
nicht ‹ausgelernt›.<br />
Stöckli: Gibt es denn offene Kommunikationswege<br />
wie etwa ein Hearing<br />
oder ein offenes Forum?<br />
Wir haben wöchentlich die Mitarbeitendenversammlung<br />
am <strong>Goetheanum</strong>.<br />
So etwas könnte man grundsätzlich<br />
auch für einen größeren Umkreis<br />
machen – wir sprechen über<br />
diese Möglichkeit im Vorstand und<br />
haben die Mitglieder ja auch vor zwei<br />
Monaten, am 31. Dezember 2010, zu<br />
einem Gespräch eingeladen – aber<br />
danke, eine gute Anregung, das mehr<br />
aufzugreifen.<br />
Stöckli: Wie sieht es mit Fragen der<br />
Geschäftsführung aus?<br />
Am <strong>Goetheanum</strong> tragen auch<br />
Menschen, die nicht im Vorstand<br />
sind, Verantwortung. Das findet beispielsweise<br />
in den Bereichen beziehungsweise<br />
durch deren Leiterinnen<br />
und Leiter statt. Sie besprechen sich<br />
auch in einem eigenen Kreis.<br />
Eine andere Frage sind die Zuständigkeiten<br />
im Vorstand. Auch hier gibt<br />
es hin und wieder Veränderungen.<br />
Zuletzt haben wir die Zuständigkeiten<br />
für die einzelnen Bereiche im <strong>Goetheanum</strong><br />
verändert. So ist Seija Zimmermann<br />
seit 1. Januar 2011 für die<br />
Bereiche Empfang und Bühne, Bodo<br />
von Plato für den Bereich Dokumentation<br />
und Kommunikation und ich<br />
für die Bau-Administration und für<br />
unterstützende Dienstleistungen (Finanzen,<br />
IT, Personalwesen) zuständig.<br />
Suche nach Sicherheit<br />
Held: Im Vorfeld von Entscheidungen<br />
findet am <strong>Goetheanum</strong> häufig eine<br />
breite kollegiale Beratung statt. Dieses<br />
Gespräch aller auf Augenhöhe ist<br />
sicher wertvoll für die Entwicklung<br />
des <strong>Goetheanum</strong>. Am Schluss irritiert<br />
manchmal, wenn die Entscheidungshoheit<br />
des Vorstandes betont wird.<br />
Mir geht es darum, dass Entscheidungen<br />
im Kontext der gemachten<br />
Verabredungen getroffen werden. In<br />
Hochschulangelegenheiten liegen die<br />
Entscheidungen beim Hochschulkollegium,<br />
in Gesellschafts- und Hausangelegenheiten<br />
beim Vorstand.<br />
Als ich gebeten wurde, die Verantwortung<br />
für das Budget 2011 zu übernehmen,<br />
war mir klar, dass ich damit<br />
auch die Mitverantwortung für Entscheidungen<br />
in diesem Zusammenhang<br />
übernehme, darunter die Kündigungen<br />
– und das waren<br />
schmerz volle Entscheidungen.<br />
Stöckli: Was oft mitspielt, ist das Instrumentalisieren<br />
eines geistigen<br />
Überbaus (zum Beispiel der Hochschule<br />
für Geisteswissenschaft) für<br />
allzu Persönliches. Spiritualität ist<br />
doch aber, wie Sie anführten, das Leben<br />
des Satzes ‹Ich mag dich leiden›,<br />
der ehrliche direkte Dialog; das wirkt<br />
esoterisch ohne große Steiner-Worte.<br />
Dennoch habe ich ein gewisses<br />
Verständnis dafür. Rudolf Steiner hat<br />
so viel gegeben. Wenn man sich auf<br />
Anthroposophie einlässt, fühlt man<br />
sich anfangs (und immer wieder) unsicher,<br />
weil man neue Erfahrungen<br />
macht. Man sucht Sicherheit. Wo?<br />
Bei Rudolf Steiner.<br />
Stöckli: Ich verstehe es nicht mehr,<br />
wenn man heute immer noch die Sicherheit<br />
nur in Büchern sucht. Die anthroposophische<br />
Menschenkunde beispielsweise<br />
steckt doch nicht in einem<br />
Buch. Für die Menschenkunde muss<br />
ich den realen Menschen begegnen.<br />
Ja, das ist wichtig. Aber um das zu<br />
tun, braucht man ein entsprechendes<br />
Menschenbild. Und dazu verhilft das<br />
Studium der Anthroposophie, das dann<br />
zur Lebenspraxis werden kann. ó