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Willkommen im Boot! - StopArmut 2015

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Just People? – Der <strong>StopArmut</strong>-Kurs<br />

<strong>Willkommen</strong> <strong>im</strong> <strong>Boot</strong>!<br />

Schön, dass du dich für mehr Gerechtigkeit und die Bekämpfung weltweiter<br />

Armut interessierst – genau darum geht es <strong>im</strong> Just People?-Kurs.<br />

Und das ist seine Geschichte:<br />

Als wir anfingen, uns für diese großen Themen zu interessieren, gab es keinen solchen<br />

deutschsprachigen Kurs. Es gab die Micha-Initiative in Deutschland und <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> in<br />

der Schweiz – beides Kampagnen, die Christinnen und Christen zu einem gerechteren Lebensstil<br />

motivieren möchten. Aber eben keinen Kurs. Also suchten die Micha-Initiative Deutschland<br />

und <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> Menschen, die einen schreiben würden. Ende 2007 fingen wir an. Titel<br />

und grobe Struktur übernahmen wir vom englischsprachigen Kurs Just People?. Alles andere<br />

haben wir selbst dazugestrickt, Fachliteratur gewälzt, Ideen in Gemeindekreisen testen lassen<br />

usw. Und das hat Geld gekostet, Geld das die Micha-Initiative Deutschland und <strong>StopArmut</strong><br />

<strong>2015</strong> bezahlten.<br />

So war das. Inzwischen wurde der Kurs bereits in einigen Gemeinden in Deutschland und<br />

der Schweiz durchgearbeitet.<br />

Darüber freuen wir uns, finden aber auch: Da geht noch mehr!<br />

Deshalb haben wir uns entschlossen, den Kurs zum kostenlosen Download anzubieten. So<br />

können mehr Menschen schneller darauf zugreifen.<br />

Aber wie das so ist: Die Micha-Initiative und <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> leben nahezu ausschließlich<br />

von Spenden. Deshalb freuen wir uns, wenn du mit einer kleinen Spende die Arbeit dieser<br />

zwei Kampagnen unterstützt – und damit auch die zweite und überarbeitete Auflage des Just<br />

People?-Kurses (erscheint Anfang 2013).<br />

Zum Vergleich: Die gedruckte Version kostet 25 Franken.<br />

Kontonummer:<br />

Interaction-Genf, IBAN: CH47 0900 0000 8547 5563 7<br />

Vermerk: <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> / Just People<br />

Nun denn:<br />

Dank dir, ahoi und lass dich gut inspirieren und motivieren,<br />

Die Autoren<br />

www.stoparmut<strong>2015</strong>.ch www.just-people.net


Just people?<br />

Der <strong>StopArmut</strong>-Kurs<br />

stopArmut <strong>2015</strong> ist eine durch den Verband Interaction verantwortete Kampagne<br />

der schweizerischen evangelischen Allianz.<br />

Dieses Buch erscheint in Zusammenarbeit mit der Micha-Initiative Deutschland.<br />

www.just-people.net


2<br />

.<br />

Impressum<br />

1. Auflage 2010<br />

Copyright Schweiz © 2010, <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong>, www.stoparmut<strong>2015</strong>.ch, Der Inhalt dieses Buches ist urhe-<br />

info@stoparmut<strong>2015</strong>.ch<br />

berrechtlich geschützt. Wir bitten<br />

<strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> ist eine durch den Verband Interaction verantwortete Kam- Sie/euch, den Inhalt nicht zu kopiepagne<br />

der Schweizerischen Evangelischen Allianz in Zürich, www.each.ch, ren, sofern es nicht vom Kurspro-<br />

info@each.ch.<br />

gramm erlaubt wird.<br />

Copyright Deutschland © 2010, Micha-Initiative, www.micha-initiative.de,<br />

info@micha-initiative.de<br />

Die Micha-Initiative wird von der Deutschen Evangelischen Allianz in Bad<br />

Blankenburg verantwortet, www.ead.de, info@ead.de.<br />

Herausgeber/Bearbeiter Für <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong>: Stefan Hochstrasser, Thomas Wieland,<br />

Matthias Hochstrasser<br />

Für die Micha-Initiative: Alexander Gentsch, Lydia Schubert<br />

Weitere Mitarbeiter Tilman Gerber, Daniel Rempe, Caroline Richter, Maarten van der Veer<br />

Grafisches Inhaltskonzept fortiss<strong>im</strong>o : think visual AG, www.fortiss<strong>im</strong>o.ch<br />

und Umschlaggestaltung<br />

(CH)<br />

Umschlaggestaltung (DE) Robin Sharma, www.greengorillas.de<br />

Layout Matthias Hochstrasser (<strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong>)<br />

Cartoons Jonathan Wüst, yoni.west@yahoo.de<br />

Quelle Studie (Umschlag) Faix, Tobias und Volke, Stephan (Hg.), WELTBLICK. Was Christen über Armut<br />

denken. Die Compassion-Studie, Schwarzenfeld, 2010, 28-51.<br />

Bibelstellen in den Kursunterlagen<br />

(Seiten 13-93)<br />

Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift<br />

© 1980 Katholische Bibelanstalt, Stuttgart<br />

Druck Gedruckt auf 100% Recyclingpapier · www.oekoprint.net<br />

Just People?, kostenlose Online-Version © 2010 <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong>, www.stoparmut<strong>2015</strong>.ch<br />

Spendenkonto: Interaction-Genf, IBAN: CH47 0900 0000 8547 5563 7, Vermerk: <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> / Just People


Just People?, kostenlose Online-Version © 2010 <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong>, www.stoparmut<strong>2015</strong>.ch<br />

Spendenkonto: Interaction-Genf Interaction-Genf, IBAN: CH47 0900 0000 8547 5563 7, Vermerk: <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> / / Just People<br />

Editorial<br />

Herzlich willkommen <strong>im</strong> Just People?-Kurs!<br />

Wir freuen uns sehr, dass du dich mit Armut und Gerechtigkeit sowie dem<br />

integralen Missionsauftrag auseinandersetzen willst. Lass dich bewegen und<br />

auf eine spannende Reise mitnehmen! Wir wünschen dir viele Aha-Erlebnisse,<br />

angeregte Diskussionen und konkrete Impulse für dein Leben.<br />

Mit diesem multifunktionalen Kursbuch hältst du auf der einen Seite alles in<br />

Händen, was du für eine erfolgreiche Kursdurchführung brauchst. Es wird<br />

dich durch die Kurseinheiten begleiten und dich <strong>im</strong>mer wieder herausfordern:<br />

<strong>im</strong> Denken und Handeln.<br />

Auf der anderen Seite dient das Kursbuch auch deiner persönlichen<br />

Beschäftigung mit Armut und Gerechtigkeit sowie dem integralen Missionsauftrag.<br />

Inhaltlich besteht der Kurs aus sechs Einheiten, die aufeinander aufbauen:<br />

Kurseinheit 1: Welt – einfach wegschauen?<br />

Kurseinheit 2: Bibel – einfach überlesen?<br />

Kurseinheit 3: Mission – einfach predigen?<br />

Kurseinheit 4: Ich – gerechter leben?<br />

Kurseinheit 5: Gesellschaft – gerechter gestalten?<br />

Kurseinheit 6: Kirche – gerechter nachfolgen?<br />

Strukturell hat das Kursbuch drei Teile:<br />

• Alle Kursunterlagen einschließlich Referate: Kursteilnehmende arbeiten<br />

vor allem mit diesem Buchteil. Hier findest du Arbeitsblätter, die<br />

du für den Kurs brauchst. Außerdem sind alle Referate abgedruckt. So<br />

kannst du dich auch nach den Treffen mit den Themen beschäftigen.<br />

Falls du selbst an keinem Kurs teilnehmen kannst: Die Referate sowie<br />

einige Arbeitsblätter lesen sich auch allein durchaus mit viel Gewinn.<br />

• Vertiefungsartikel: Pro Kurseinheit gibt es drei Vertiefungsartikel. Acht-<br />

zehn Personen aus Deutschland und der Schweiz haben diese passend<br />

zur jeweiligen Kurseinheit geschrieben. Es sind Personen, denen eine<br />

gerechtere Welt am Herzen liegt, die sich dafür einsetzen und dadurch<br />

entsprechende Kompetenzen erlangt haben. Diese Vertiefungsartikel<br />

kannst du völlig unabhängig von einer Kursteilnahme lesen, da sie nur<br />

thematisch (nicht methodisch) mit dem Kurs verbunden sind.<br />

• Kursanleitung: Der dritte und letzte Teil enthält alle nötigen Informati-<br />

onen für Kursleiterinnen oder Kursleiter. Natürlich sind diese methodischen<br />

und didaktischen Anweisungen für Kursteilnehmende selbst weniger<br />

interessant.<br />

Allerdings: Warum nicht selbst auch einen Kurs starten? Wir freuen<br />

uns besonders, falls du be<strong>im</strong> Lesen dieses Kursbuches oder durch eine<br />

Kursteilnahme motiviert wirst, selbst einen Just People?-Kurs auf die<br />

Beine zu stellen!<br />

Bleibt nur noch eines: Herzlichen Dank! Danke für alle Offenheit, Zeit, Energie<br />

und Kreativität, die du in den Just People?-Kurs investierst. Los geht’s!<br />

Micha-Initiative Deutschland und <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> Schweiz<br />

EDIToRIAL<br />

3


4<br />

InHALTSVERzEICHnIS<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Impressum .................................................................................................................2<br />

Editorial ......................................................................................................................3<br />

Inhaltsverzeichnis ......................................................................................................4<br />

Vorwort von Joel Edwards .........................................................................................7<br />

Alle Kursunterlagen einschließlich Referate<br />

Besinnlicher Anfang ..................................................................................................8<br />

Besinnlicher Schluss ...............................................................................................10<br />

Kurseinheit 1: Welt – einfach wegschauen? ........................................................13<br />

Referat 1 .......................................................................................................14<br />

Die Millenniumsziele ....................................................................................22<br />

Anleitung zum Untätigsein ...........................................................................24<br />

Angepackt!....................................................................................................26<br />

Kurseinheit 2: Bibel – einfach überlesen? ..........................................................27<br />

Referat 2 .......................................................................................................28<br />

Diskussion ....................................................................................................35<br />

Auswahl von Bibelstellen zu Armut und Reichtum .....................................36<br />

Definitionen von Armut Reichtum ................................................................38<br />

Angepackt!....................................................................................................41<br />

Kurseinheit 3: Mission – einfach predigen? ........................................................43<br />

Rollenspiel „Gemeindeleitung“ ...................................................................44<br />

Referat 3 .......................................................................................................45<br />

Diskussion ....................................................................................................53<br />

Mein persönliches Missionsverständnis ......................................................54<br />

Angepackt!....................................................................................................55<br />

Kurseinheit 4: Ich – gerechter leben? ..................................................................57<br />

Referat 4 .......................................................................................................58<br />

„Kleiner Lebenstest“ ....................................................................................64<br />

Angepackt!....................................................................................................68<br />

Kurseinheit 5: Gesellschaft – gerechter gestalten? ...........................................69<br />

Referat 5 .......................................................................................................70<br />

Der Micha-Aufruf .........................................................................................79<br />

Die Just People?-Aktion ...............................................................................80<br />

Angepackt!....................................................................................................84<br />

Kurseinheit 6: Kirche – gerechter nachfolgen? ...................................................85<br />

Referat 6 .......................................................................................................86<br />

Diskussion ....................................................................................................91<br />

Just People?, kostenlose Online-Version © 2010 <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong>, www.stoparmut<strong>2015</strong>.ch<br />

Spendenkonto: Interaction-Genf, IBAN: CH47 0900 0000 8547 5563 7, Vermerk: <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> / Just People


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Spendenkonto: Interaction-Genf Interaction-Genf, IBAN: CH47 0900 0000 8547 5563 7, Vermerk: <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> / / Just People<br />

Anhang<br />

100 Tipps für ein gerechteres Leben ...........................................................94<br />

Literaturnachweis ........................................................................................96<br />

Vertiefungsartikel<br />

Tiefer eintauchen .....................................................................................................99<br />

zu Kurseinheit 1: Welt – einfach wegschauen?<br />

Markus Meury: Welthandel heute ............................................................100<br />

Hermann Sautter: Das Millenniumsprojekt .............................................104<br />

Markus Muntwiler: Die Situation und Notwendigkeit der<br />

Entwicklungshilfe .....................................................................................108<br />

zu Kurseinheit 2: Bibel – einfach überlesen?<br />

Wolfgang neuser: Armut und Reichtum in der Bibel ..............................114<br />

Andreas Kusch: Der Kampf gegen Armut und für mehr<br />

Gerechtigkeit .............................................................................................118<br />

Paul Kleiner: Das Reich Gottes .................................................................122<br />

zu Kurseinheit 3: Mission – einfach predigen?<br />

Detlef Blöcher: Was ist integrale Mission? ..............................................126<br />

Werner Hässig: Das Evangelium <strong>im</strong> Umfeld von Konsum und<br />

Umweltproblemen ....................................................................................130<br />

Lawrence Temfwe: Integrale Mission in der Praxis ................................134<br />

zu Kurseinheit 4: Ich – gerechter leben?<br />

Pia Schmid: Woher kommt die Kraft zum Engagement? ........................138<br />

Flurina Weidmann Bieri: FairTrade ..........................................................142<br />

Hannes Leitlein: Mein fairer Lebensstil ...................................................146<br />

zu Kurseinheit 5: Gesellschaft – gerechter gestalten?<br />

Walter Donzé: Gesellschaftliches Engagement ......................................150<br />

T<strong>im</strong>o Plutschinski: Wirtschaft und Gerechtigkeit....................................154<br />

Alexander Gentsch: Tun, was gut ist .........................................................158<br />

zu Kurseinheit 6: Kirche – gerechter nachfolgen?<br />

Rolf zwick: Die Kirche kann auch Globalisierung ...................................162<br />

Martin Bühlmann: Gerechtigkeit ..............................................................166<br />

Christina Brudereck: Wer in Gott eintaucht, wird neben den<br />

Armen auftauchen.....................................................................................170<br />

Kursanleitung<br />

Just People? – So geht’s ........................................................................................175<br />

Inhaltsverzeichnis der Kursanleitung ...................................................................176<br />

InHALTSVERzEICHnIS<br />

5


6<br />

Just PEoPlE?<br />

Bitte nicht kopieren. © <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> (CH), Micha-Initiative (DE)<br />

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Vorwort<br />

Der christliche Glaube steckt voller Gehe<strong>im</strong>nisse; die Jungfrauengeburt, die<br />

Dreieinigkeit und die Kraft des Heiligen Abendmahls sind dafür nur ein paar<br />

Beispiele.<br />

Aber die Leidenschaft Gottes für Gerechtigkeit sollte kein Gehe<strong>im</strong>nis<br />

sein! Nach der Götzenanbetung gibt es <strong>im</strong> Alten Testament kein Thema, über<br />

das Gott häufiger spricht. Und auch in der Urgemeinde ging es in der ersten<br />

großen Auseinandersetzung um Ungerechtigkeit: Griechische Witwen wurden<br />

benachteiligt, die jüdischen Witwen bevorzugt. Man könnte das auch<br />

Rassismus nennen.<br />

Gehe<strong>im</strong>nisvoll ist vielmehr, dass so wenige Menschen von so wenigen<br />

Pastoren so wenige Predigten über Gerechtigkeit hören. Wir sind alle Ergebnisse<br />

dessen, was wir aufnehmen. Und eine Kirche, die nichts von Gottes Leidenschaft<br />

für Gerechtigkeit aufn<strong>im</strong>mt, wird es nicht schaffen, nach Gerechtigkeit<br />

zu streben, Barmherzigkeit zu lieben und in Demut mit Gott zu gehen<br />

(Micha 6,8).<br />

Das Problem ist: Viele von uns haben angenommen, dass Gerechtigkeit<br />

eine „politische“ Idee von steinewerfenden Globalisierungsgegnern oder<br />

radikalen politischen Bewegungen sei. Aber nichts könnte weiter von der<br />

Wahrheit entfernt sein als das!<br />

Und es ist auch wahr, dass viele von uns glauben, Gerechtigkeit solle den<br />

Christen überlassen werden, die sich dafür in Kampagnen und Hilfswerken<br />

engagieren. Alle anderen, so denken wir, können also weiter wie bisher glauben<br />

und leben.<br />

Aber die Bibel ist hier sehr eindeutig: Heiligkeit vor Gott und gerechtes<br />

Handeln als Antwort auf Ungerechtigkeit ist für Gott ein und dasselbe. Und<br />

es ist auch eindeutig, dass gutes Regieren ohne den Einsatz für Gerechtigkeit<br />

unmöglich ist (Psalm 72,1-3). Aber Gerechtigkeit sollte genauso <strong>im</strong> Mittelpunkt<br />

unseres Glaubens- und Alltagslebens stehen.<br />

Das Problem mit dem Thema Gerechtigkeit ist, dass wir vergessen haben,<br />

welche entscheidende Rolle sie in der Kirchengeschichte <strong>im</strong>mer wieder<br />

gespielt hat. Der Kerngedanke von Gerechtigkeit wurde untrennbar mit der<br />

Theologie des Kreuzes und der Erlösung verbunden. Das motivierte Christen<br />

dazu, für die Armen zu sorgen, Krankenhäuser und Bildungseinrichtungen<br />

zu gründen und – trotz Widerständen aus den eigenen Reihen – sich für die<br />

Abschaffung der Sklaverei einzusetzen. In vielen westlichen Gesellschaften<br />

war es das christliche Engagement für Gerechtigkeit, das die Grundprinzipien<br />

verankerte, die heute unsere Rechtssysteme best<strong>im</strong>men.<br />

Und darum geht es bei Just People?: Dieser Kurs möchte dazu beitragen,<br />

dass biblische Gerechtigkeit (wieder) ein Thema wird, das alle etwas<br />

angeht!<br />

Die großartige Nachricht ist, dass Gott durch sein Wort und andere Menschen<br />

<strong>im</strong>mer wieder dafür sorgt, uns an seinen Auftrag zu erinnern, nach<br />

Gerechtigkeit zu streben. Und Just People? ist ein weiteres großartiges Beispiel<br />

dafür, dass die Kirche zu ihrer prophetischen Verantwortung zurückkehrt.<br />

Ich hoffe, du wirst dich durch diesen Kurs inspirieren lassen und wünsche<br />

dir viel Freude bei der Umsetzung!<br />

London, <strong>im</strong> Juli 2010<br />

Joel Edwards<br />

Foto: Privat<br />

VoRWoRT<br />

Joel Edwards (geboren 1951) ist<br />

Direktor von Micah Challenge International.<br />

Der britische Theologe mit<br />

jamaikanischen Wurzeln war mehr<br />

als zehn Jahre Generalsekretär der<br />

Evangelischen Allianz in Großbritannien.<br />

Er ist verheiratet mit Carol<br />

und Vater von zwei erwachsenen<br />

Kindern.<br />

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7


8<br />

Just PEoPlE?<br />

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Besinnlicher Anfang<br />

1. lied<br />

2. stille<br />

3. Bekenntnis<br />

E (Eine/r): Was anderes verlangt der Herr von uns, als Recht zu tun,<br />

Güte und Treue zu lieben und in Ehrfurcht den Weg zu gehen mit unserem<br />

Gott?<br />

A (Alle): Gott, öffne unsere Augen, unsere ohren und unsere Herzen für<br />

deinen Ruf.<br />

E: In einer Welt voller Ungerechtigkeit, Gewalt und Schmerz: Vergib uns,<br />

dass wir uns abgewendet haben vom Leiden deiner ganzen Schöpfung.<br />

A: Gott, öffne unsere Augen, unsere ohren und unsere Herzen für die<br />

Bedürfnisse um uns herum und in aller Welt.<br />

E: Rüste uns aus, damit wir uns in der Welt für Gerechtigkeit einsetzen<br />

können.<br />

A: Fordere uns täglich heraus, Recht zu tun, Güte und Treue zu lieben<br />

und in Ehrfurcht den Weg mit dir zu gehen.<br />

Amen.<br />

Oder:<br />

nach dem Bekenntnis von Accra (Ghana) des<br />

Reformierten Weltbundes: 1<br />

E: Wir glauben an Gott, den Schöpfer und Erhalter allen Lebens, der uns<br />

zu Partnerinnen und Partnern der Schöpfung und zur Erlösung der Welt<br />

beruft. Wir leben unter der Verheißung, dass Jesus Christus gekommen<br />

ist, damit alle Leben in Fülle haben. 2 Gestärkt und geleitet vom Heiligen<br />

Geist öffnen wir uns der Wirklichkeit der Welt.<br />

A: Wir glauben, dass die Wirtschaft dazu da ist, um der Würde und dem<br />

Wohl der Menschen <strong>im</strong> Rahmen der nachhaltigkeit der Schöpfung zu<br />

dienen.<br />

1 Bund für wirtschaftliche und ökologische Gerechtigkeit, Bericht der Sektion Bundesschluss.<br />

Das Bekenntnis von Accra, http://warc.jalb.de/warcajsp/side.jsp?news_<br />

id=1174&&navi=46, 29.07.2010.<br />

Gekürzt durch <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong>.<br />

Das Bekenntnis von Accra wurde von den Delegierten des Reformierten Weltbundes<br />

(World Alliance of Reformed Churches, WARC) auf ihrer 24. Generalversammlung<br />

in Accra (Ghana) 2004 verabschiedet.<br />

2 Johannes 10,10.<br />

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E: Darum sagen wir nein zu allen Wirtschaftssystemen, die Gottes Bund<br />

verachten, indem sie die notleidenden, die Armen und die Schöpfung in<br />

ihrer Ganzheit der Fülle des Lebens berauben.<br />

A: Wir glauben, dass Gott uns dazu aufruft, uns an die Seite der opfer<br />

von Ungerechtigkeit zu stellen. Wir wissen, was der Herr von uns fordert:<br />

„nichts anderes als dies: Recht tun, Güte und Treue lieben, in Ehrfurcht<br />

den Weg gehen mit deinem Gott." 3<br />

E: Darum sagen wir nein zur Kultur des ungebändigten Konsumverhaltens,<br />

der konkurrierenden Gewinnsucht und zur Habsucht des Menschen.<br />

Weiter sagen wir auch nein zur unkontrollierten Anhäufung von<br />

Reichtum und zum grenzenlosen Wachstum, die schon jetzt das Leben<br />

von Millionen Menschen gefordert und viel von Gottes Schöpfung zerstört<br />

haben.<br />

A: Wir glauben, dass Gott ein Gott der Gerechtigkeit ist. In einer Welt<br />

voller Korruption und Ausbeutung ist Gott in einer besonderen Weise<br />

der Gott der notleidenden, der Armen, der Ausgebeuteten, der ungerecht<br />

Behandelten und der Missbrauchten. 4 Jesus selbst bringt den<br />

Unterdrückten Gerechtigkeit und den Hungernden Brot; er befreit die<br />

Gefangenen und gibt den Blinden das Augenlicht. 5<br />

E: Wir glauben, dass der Geist uns dazu aufruft, Rechenschaft für die<br />

Hoffnung abzugeben, die durch Jesus Christus in uns ist, und zu glauben,<br />

dass Gerechtigkeit siegen und Frieden herrschen wird.<br />

A: Amen.<br />

3 Micha 6,8 nach der Einheitsübersetzung, die in diesem Kurs verwendet wird.<br />

4 Vgl. Psalm 146,6-9.<br />

5 Vgl. Lukas 4,18.<br />

BESInnUnGEn<br />

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9


10<br />

Just PEoPlE?<br />

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Besinnlicher schluss<br />

1. lied<br />

2. stille/Gebetsgemeinschaft<br />

3. Gebet<br />

Gebet von Detlev Block: 6<br />

Was wir haben, lass uns teilen,<br />

nichts gehört uns ganz allein.<br />

Hilf uns not und Hunger heilen<br />

und für andre da zu sein.<br />

Amen.<br />

Oder:<br />

Gebet nach Clemens von Rom (um 100 n. Chr.): 7<br />

Wir bitten dich, Herr, uns zu helfen und zu beschützen.<br />

Erlöse die Unterdrückten,<br />

erbarme dich der Bedeutungslosen,<br />

richte die Gefallenen auf,<br />

zeige dich den Bedürftigen,<br />

heile die Kranken,<br />

bringe die Verirrten zurück,<br />

gib den Hungrigen zu essen,<br />

richte die Schwachen auf,<br />

n<strong>im</strong>m die Ketten der Gefangenen weg.<br />

Möge jede nation erfahren, dass du alleine Gott bist,<br />

dass Jesus Christus dein Sohn ist<br />

und dass wir deine Menschen sind,<br />

die Schafe, die du weiden lässt.<br />

Amen.<br />

6 Block, Detlev (1976), in: Gesangbuch der Evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen<br />

Schweiz, nr. 644, Basel/zürich, 1998, 764.<br />

7 Eigene Übersetzung nach: Alkire, Sabina und newell, Edmund (Hg.), What Can One<br />

Person Do? Faith to Heal a Broken World, London, 2005, 40.<br />

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BESInnUnGEn<br />

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Just PEoPlE?<br />

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KURSEInHEIT 1:<br />

EInFACH WEGSCHAUEn? 1: WELT<br />

WElt – EInFACH<br />

WEGSCHAUEn?<br />

Darum geht’s: Viele Menschen müssen heute unter unfairen Bedingungen<br />

und in Armut leben.<br />

Genauer gesagt:<br />

• So sieht’s aus: zahlen und Fakten<br />

• Erklärungsversuch: So wurde der norden reich und der Süden arm<br />

• Lösungsversuch: Die Millenniumsziele der Vereinten nationen<br />

Fragen, die wir stellen: Warum ist der norden reich und der Süden<br />

arm? Was hat es zu bedeuten, dass wir <strong>im</strong> norden geboren wurden?<br />

Was ist an den MDGs anders als bei früheren zielsetzungen? Wie weit<br />

sind wir von diesen zielen noch entfernt?<br />

So machen wir’s:<br />

• Perlenspiel mit Auswertung<br />

• Referat und Diskussion<br />

• Anleitung zum Untätigsein<br />

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13


14<br />

Just PEoPlE?<br />

Anschaulich wird<br />

die Lage, wenn<br />

man sich die Welt<br />

als ein Dorf mit<br />

100 Bewohnern<br />

vorstellt. Davon<br />

sind 14 Personen<br />

unterernährt.<br />

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Referat 1:<br />

Welt – einfach wegschauen?<br />

Be<strong>im</strong> Perlenspiel habt ihr gemerkt, wie sich Ungerechtigkeit am eigenen Leib<br />

anfühlt. Natürlich vereinfacht so ein Spiel sehr stark. Und vor allem: Es ist<br />

eben nur ein Spiel.<br />

Was ist aber deutlich geworden bei diesem Spiel? Besitz bedeutet Macht.<br />

Und mit Macht kann man die Spielregeln ändern. Man kann also dafür sorgen,<br />

dass sich der eigene Besitz noch stärker vermehrt. Damit zeigt dieses<br />

einfache Spiel unsere komplexe Realität leider ziemlich gut. Einzelpersonen,<br />

Konzerne und Staaten nutzen nämlich ihre Macht aus.<br />

Und trotzdem: Wenn man sich mit den weltweiten Zusammenhängen<br />

beschäftigt, wird schnell klar: Unsere Welt kann man nicht in ein oder zwei<br />

Sätzen erklären. Schon gar nicht ihre Probleme. Wir werden euch in diesem<br />

Kurs deshalb erst einmal einen Überblick geben. Ihr selbst könnt euch zu<br />

Hause dann weiter mit den Themen beschäftigen.<br />

Heute schauen wir am Anfang einmal genauer hin. Dabei werden wir<br />

feststellen: Sehr viele Menschen müssen unter unfairen Bedingungen leben.<br />

Dann fragen wir uns, wie es dazu kam. Und schließlich werden wir nach<br />

Lösungen suchen. Ein Lösungsversuch sind die Millenniumsziele der Vereinten<br />

Nationen. Ganz oben steht dort, die extreme Armut zu halbieren – bis<br />

<strong>2015</strong>.<br />

Wenn die Welt ein Dorf wäre<br />

Anschaulich wird die globale Lage zum Beispiel, wenn man sich die Welt als<br />

Dorf vorstellt. Dieses Bild ist gar nicht so weit weg von der Realität, denn<br />

durch die Globalisierung rücken wir <strong>im</strong>mer näher zusammen: Wir können<br />

zum Beispiel für drei Tage ans Rote Meer zum Baden fliegen, unsere Tante<br />

in den USA anrufen und Schokolade mit Kakao aus Madagaskar essen. Auf<br />

den ersten Blick ist das gar nicht so schlecht. Aber sehen wir auch die Kehrseite<br />

der Medaille? Also die Mitmenschen <strong>im</strong> Dorf, die sich keine Schokolade<br />

leisten können? Und die vielleicht auch noch krank werden wegen der Chemikalien?<br />

Denn damit werden Kakaopflanzen reichlich eingesprüht, weil<br />

Schädlinge sonst die Ernte zerstören. Viele arme Dorfbewohner bekommen<br />

von diesen Chemikalien Asthma oder Hautausschlag. 1<br />

Chancen und Wohlstand sind ungleich verteilt – das ist ein offenes<br />

Gehe<strong>im</strong>nis. Durch Sendungen <strong>im</strong> Fernsehen und Radio und durch das Internet<br />

strömen Nachrichten darüber aus allen Teilen der Welt in unser Wohnz<strong>im</strong>mer.<br />

Also schalten wir doch mal ein und schauen uns unser globales Dorf<br />

näher an.<br />

Stellen wir uns vor: Die ganze Welt ist ein Dorf. In diesem Dorf leben 100<br />

Menschen:<br />

Die folgenden Punkte liest jeder am besten still für sich durch.<br />

1 Vgl. greenpeace magazin, Xocolatl – bittere Bohne,<br />

http://www.greenpeacemagazin.de/index.php?id=5765, 21.05.2010.<br />

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2<br />

• 6 Personen besitzen 60 Prozent des gesamten Reichtums,<br />

3 • 20 Personen müssen mit weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag leben, davon<br />

sind mehr als zwei Drittel Frauen, 4<br />

5<br />

• 14 Personen sind unterernährt,<br />

• es gibt zwar mehr als genug Nahrung für alle <strong>im</strong> Dorf, aber 40 Prozent<br />

des Getreides werden leider an Masttiere verfüttert, um vor allem den<br />

reicheren Teil des Dorfes mit Fleisch zu versorgen, 6<br />

7<br />

• 12 Personen haben nicht einmal die Grundschule abgeschlossen,<br />

8<br />

• eine einzige Person hat einen akademischen Titel,<br />

• 30 Personen haben keinen Zugang zu den wichtigsten Medikamenten,<br />

• die 20 reichsten Dorfbewohner gehen besonders verschwenderisch mit<br />

den Ressourcen des Dorfes um, sie belasten das Dorf stark und tragen am<br />

meisten zum Kl<strong>im</strong>awandel bei, 9<br />

• die Ärmsten <strong>im</strong> Dorf leiden am meisten unter dem Kl<strong>im</strong>awandel, obwohl<br />

sie am wenigsten dazu beigetragen haben,<br />

10<br />

• jeder dritte Dorfbewohner stirbt an den Folgen von Armut.<br />

Warum sind manche arm und andere nicht?<br />

Viele haben versucht, diese Frage zu beantworten – und kommen zu sehr<br />

unterschiedlichen Ergebnissen. Auch wir wollen es wagen, uns dazu ein paar<br />

geschichtliche und politische Zusammenhänge anzusehen:<br />

• die Kolonialzeit und ihre Vorgeschichte,<br />

• den Kalten Krieg und<br />

• die heutige Globalisierung.<br />

Der Beitrag der Kolonialzeit<br />

Zunächst sehen wir uns einmal die Kolonialgeschichte näher an. Darin finden<br />

wir nämlich wesentliche Gründe für die Ungleichheit in der Welt.<br />

Im 15. Jahrhundert segelten die Europäer über die Ozeane und entdeckten<br />

neue Welten. Die erklärten sie zu ihrem Eigentum und nannten sie ihre<br />

„Kolonien“. 11 Über Jahrhunderte plünderten die europäischen Kolonialmächte<br />

12 „ihre Überseegebiete“ aus. Ziel war es, ihre eigenen Bedürfnisse zu<br />

befriedigen. Am Anfang ging es den europäischen „Mutterländern“ nur um<br />

Rohstoffe – vor allem Gold, Seide oder Tee. Aber schon bald wollten sie auch<br />

neue Märkte und Lebensräume erschließen. Über die Jahrhunderte bauten<br />

2 Vgl. Alliance Sud, Eine andere Welt ist möglich, Bern, 2005, 2.<br />

3 Vgl. United nations, The Millennium Development Goals Report 2009,<br />

new York, 2009, 4.<br />

4 Vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche zusammenarbeit und Entwicklung<br />

(BMz), Stärkung der Teilhabe von Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit,<br />

Bonn/Berlin, 2007, 4.<br />

5 Berechnet anhand von Daten in: WFP, World Food Programme 2009, Rom, 2009, 4.<br />

6 Vgl. Alliance Sud 2005, 2.<br />

7 Vgl. United nations 2009, 4.<br />

8 Vgl. Alliance Sud 2005, 2.<br />

9 Berechnet anhand von Daten in: Dinkel, Fredy, Die Tragfähigkeit der Erde,<br />

Muttenz, 2007, 41.<br />

10 Berechnet anhand von zahlen in: Bleisch, Barbara und Schaber, Peter, Weltarmut<br />

und Ethik, Paderborn, 2007, 98.<br />

11 Wenn wir von „Kolonialgeschichte“ schreiben, meinen wir die Ausdehnung des<br />

europäischen Einflusses auf außereuropäische Gebiete, die zu Beginn des 15.<br />

Jahrhunderts begann und bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts dauerte.<br />

12 Portugal, Spanien, niederlande, England, Frankreich, Russland, Belgien,<br />

Deutschland und Italien.<br />

EInFACH WEGSCHAUEn? 1: WELT<br />

In der Kolonialgeschichte<br />

finden<br />

wir wesentliche<br />

Gründe für die<br />

Ungleichheit auf<br />

der Welt.<br />

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15


16<br />

Just PEoPlE?<br />

Europa fühlte<br />

sich überlegen<br />

und sprach<br />

fremden Völkern<br />

ihr Menschsein ab.<br />

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die Europäer die Infrastruktur in den Kolonien auf und aus – zogen Straßen<br />

oder Kanäle durch das Land.<br />

Bald brach ein Wettkampf aus zwischen den europäischen Großmächten:<br />

Wer die meisten Kolonien hatte, der war am mächtigsten und bewies<br />

seinen Fortschritt. So kam es, dass Ende des 19. Jahrhunderts 85 Prozent der<br />

weltweiten Landfläche von europäischen Mächten beherrscht wurden.<br />

Was trieb die Kolonialmächte eigentlich an? Und wieso konnten sie überhaupt<br />

so viele Gebiete einnehmen und andere Völker unterwerfen?<br />

Europa fühlte sich überlegen und sprach fremden Völkern ihr Menschsein<br />

ab. Menschen wurden auf ihre Arbeitskraft reduziert, sie wurden zur<br />

Ware. So blühte bald der Handel mit Sklaven – dabei verloren 15 bis 18 Millionen<br />

Afrikaner ihre He<strong>im</strong>at und ihre Freiheit. 13 Viele von ihnen starben bereits<br />

während der unmenschlichen Überfahrt zum Beispiel nach Amerika.<br />

Das Gefühl der Überlegenheit hatte auch kulturelle Wurzeln: „Geht hin<br />

in alle Welt!“ – Diesen Missionsauftrag Jesu verstanden viele Europäer falsch.<br />

Sie dachten, sie sollten vor allem die christliche Kultur verbreiten. Christliche<br />

Kultur war für sie die bessere Kultur – und die setzten sie zum Teil sehr<br />

grausam durch. Mit Wort und Tat die frohe Botschaft zu verkünden, kam<br />

dabei leider oft zu kurz. 14<br />

Militärisch und technisch waren die Europäer tatsächlich fortschrittlicher als<br />

die meisten anderen Völker. Denn schon lange vor der Kolonialzeit hatte eine<br />

ungleiche Entwicklung begonnen: Über viele Jahrhunderte zogen die Menschen<br />

mit ihren Herden von Weide zu Weide quer durchs Land. Unter anderem<br />

in Europa aber wurden sie sesshaft, das heißt: Sie blieben an einem Ort.<br />

Warum funktionierte das? Nach einer gängigen Theorie wuchsen an einigen<br />

Orten essbare Pflanzen, die man leichter anbauen konnte. Also ließen sich<br />

die Menschen dort nieder, begannen mit dem Ackerbau, ihr Vieh graste auf<br />

Weiden und sie bauten Häuser. Man konnte in Häusern aber nicht nur wohnen,<br />

sondern auch Saatgut oder Nahrung für schlechtere Zeiten lagern. Das<br />

bedeutet: Man erwirtschaftete nicht nur den Bedarf für einen Tag, sondern<br />

für mehrere Monate. Weil <strong>im</strong>mer mehr Menschen auf diese Weise lebten,<br />

konnten manche Arbeiten nachgehen, die nicht nur die eigene Versorgung<br />

zum Ziel hatten. Während einige Felder bebauten, wurden andere beispielsweise<br />

Handwerker oder Erfinder. So „erfand“ man mit der Zeit auch Organisationsformen,<br />

mit denen man Gruppen besser kontrollieren konnte und<br />

mit denen man sich gegen andere verteidigen oder auch das Land anderer<br />

erobern konnte. Besonders gut gelang das Völkern, die <strong>im</strong> heutigen Europa<br />

lebten.<br />

Je eher eine Gruppe damit begann, sesshaft zu werden, umso besser konnte<br />

sie sich gegen andere Gruppen durchsetzen und diese unterwerfen. 15 Und<br />

auch bei der industriellen Revolution <strong>im</strong> 18. und 19. Jahrhundert gehörten<br />

die Europäer zu den Ersten, die davon profitierten. Denn was taten sie mit<br />

ihren neuen technischen Errungenschaften? Sie bauten ihre politische, wirtschaftliche<br />

und militärische Macht weiter aus.<br />

13 Vgl. UnESCo, International Year to Commemorate the Struggle against Slavery and its<br />

Abolition, 1. Auflage, Paris, 2004, 49.<br />

14 In der späteren Kolonialgeschichte spielten Missionare teilweise aber auch eine<br />

andere Rolle und legten sich nicht selten mit ihren eigenen Kolonialregierungen<br />

an, wenn sie für die Rechte der Kolonisierten eintraten. Vgl. Hanfstängl, Michael,<br />

Niemand kann zwei Herren dienen (Matthäus 6,24) – Mission und Kolonialismus,<br />

http://www.lmw-mission.de/d/themen/kolonialismus.htm, 21.05.2010.<br />

15 näher ausgeführt wird diese Theorie bei Diamond, Jared, Arm und Reich.<br />

Die Schicksale menschlicher Gesellschaften, 7. Auflage, Frankfurt/Main, 2000.<br />

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Ein Blick in die Kolonialgeschichte und auf ihre Wurzeln zeigt, dass Ungleichheit<br />

eine lange Tradition hat. Manche Menschen glaubten, anderen von<br />

Grund auf überlegen zu sein. Und nicht nur das – sie verstärkten mit ihrem<br />

Handeln noch die Ungleichheit.<br />

Der Beitrag des Kalten Krieges<br />

Viele Kolonien erreichten erst nach dem Zweiten Weltkrieg ihre politische<br />

Unabhängigkeit.<br />

Diese ehemaligen Kolonien hatten jetzt mit großen Herausforderungen<br />

zu kämpfen: Oft produzierte man noch traditionell, also ohne oder mit alten<br />

Maschinen. Die sozialen Ordnungen waren zerstört und Traditionen vergessen.<br />

Jahrhundertelang waren Einhe<strong>im</strong>ische nur Menschen zweiter Klasse, die<br />

Befehle ausführten. Nun mussten sie nach einer neuen Identität suchen. Die<br />

Kolonialmächte hatten Landesgrenzen willkürlich und manchmal schnurgerade<br />

gezogen – ohne Rücksicht auf die Volksgruppen dort. Grenzkonflikte<br />

waren die Folge. Außerdem blieben die ehemaligen Kolonien weiterhin<br />

abhängig von ihren Mutterländern, denn von dort bekamen sie so genannte<br />

„Entwicklungshilfe“.<br />

Die Industrienationen wiederum befanden sich gerade in einem ideologischen<br />

Grabenkampf, dem so genannten „Kalten Krieg“: Auf der einen Seite<br />

wollten die sozialistischen Staaten ihre Wirtschaft planen und dann genauso<br />

umsetzen. Deshalb mussten sie alle gesellschaftlichen Bereiche kontrollieren.<br />

Auf der anderen Seite standen die kapitalistischen Länder. Sie waren<br />

der Meinung, dass nur eine freie Wirtschaft Wachstum und Wohlstand für<br />

alle bringt. 16 Wollte eine ehemalige Kolonie nun Entwicklungshilfe, erwartete<br />

man, dass sie sich für einen Machtblock entschied: entweder kommunistisch<br />

oder kapitalistisch. 17 Nur wenigen der jungen Staaten gelang es, zu<br />

beiden Blöcken Beziehungen zu pflegen. Wofür die Entwicklungshilfe eingesetzt<br />

wurde, war weniger wichtig. Es ist kein Wunder, dass sich einige der<br />

neuen Machthaber deshalb viel Geld in die eigene Tasche steckten und zu<br />

korrupten Diktatoren wurden. Um nur ein Beispiel zu nennen: Joseph-Désiré<br />

Mobutu regierte von 1965 bis 1997 als diktatorischer Präsident Zaire, also die<br />

heutige Demokratische Republik Kongo. Das war ihm nur möglich, weil die<br />

USA und Frankreich ihn unterstützten. Während das Volk unter Armut und<br />

Menschenrechtsverletzungen litt, ließ es sich der Diktator gut gehen. 1984<br />

wurde sein Privatvermögen auf 4 Milliarden US-Dollar geschätzt – ähnlich<br />

hoch war damals die Auslandsverschuldung von Zaire.<br />

Fassen wir noch einmal zusammen: Vielen Entwicklungsländern fehlte<br />

eine wirtschaftliche und soziale Basis. Sie blieben weiterhin von ihren alten<br />

Mutterländern abhängig. Hinzu kam das internationale Machtgerangel <strong>im</strong><br />

Kalten Krieg und eine stetig wachsende Bevölkerung. Viele Machthaber<br />

waren zudem überfordert oder korrupt oder beides. Deshalb ging es den<br />

meisten Menschen in den ehemaligen Kolonien nach ihrer Befreiung nicht<br />

16 Vgl. nuscheler, Franz, Lern- und Arbeitsbuch Entwicklungspolitik, 5. Auflage,<br />

Bonn, 2004.<br />

17 nicht jede Form der Entwicklungshilfe während des Kalten Krieges war kontraproduktiv.<br />

Besonders nicht-staatliche Unterstützung kam meistens den Ärmsten<br />

der Armen zugute. Seit Ende des Kalten Krieges wird auch bei staatlicher Entwicklungshilfe<br />

sehr stark auf die Wirksamkeit der Hilfe geschaut. Das hat zu vielen<br />

positiven Veränderungen geführt. Wenn heute Kritiker von Entwicklungshilfe vorrechnen,<br />

dass die gezahlten Milliarden der vergangenen 50 Jahre so wenig Gutes<br />

bewirkt haben, vergessen sie meistens, dass sich seit den neunzigerjahren viel<br />

bewegt hat. Vgl. nuscheler, Franz, Sicherheitsinteressen über dem Entwicklungsinteresse.<br />

Rückblick auf ein halbes Jahrhundert Entwicklungspolitik, In: eins Entwicklungspolitik<br />

21/22, Frankfurt/Main, 2007.<br />

EInFACH WEGSCHAUEn? 1: WELT<br />

Vielen Entwicklungsländern<br />

fehlte<br />

eine wirtschaftliche<br />

und soziale Basis.<br />

Sie blieben weiterhin<br />

von ihren alten<br />

Mutterländern<br />

abhängig.<br />

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17


18<br />

Just PEoPlE?<br />

Die Freiheit des<br />

Kapitals allein führt<br />

nicht automatisch<br />

zu Wohlstand für<br />

alle.<br />

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besser. Im Gegenteil: Besonderes das Afrika südlich der Sahara wurde geradezu<br />

zum Sinnbild für Armut und Elend. Wenn wir heute an Afrika denken,<br />

dann sehen wir magere Kinder mit dürren Ärmchen und Beinchen, aber riesigen<br />

Bäuchen vor uns. Natürlich ist das nicht überall in Afrika so, aber solche<br />

Bilder entsprechen eben auch heute noch der Realität – nicht nur während<br />

der Hungerkrise <strong>im</strong> Äthiopien der Achtzigerjahre mussten Kinder hungern.<br />

Der Beitrag der Globalisierung<br />

Der Kapitalismus hat sich weltweit durchgesetzt. Heute werden Unternehmen<br />

meistens von Privatleuten geleitet, also nicht vom Staat. Unsere Wirtschaft<br />

ist privatisiert. Das führt häufig natürlich zu mehr Effizienz und gesundem<br />

Wettbewerb, aber nicht nur. Oft werden Leistungen eher nach wirtschaftlichen<br />

Interessen bewertet und nicht nach der Würde eines Menschen oder<br />

dem Bewahren der Schöpfung. Vor allem in den Bereichen Bildung und<br />

Gesundheit ist das verheerend. Ein Beispiel: In Bolivien, Ghana und Südafrika<br />

hat man das Wassernetz von staatlichen in private Hände gegeben – mit<br />

dem Ergebnis, dass unrentable Gebiete seitdem nicht mehr mit Wasser versorgt<br />

werden! 18<br />

Wir sehen also: Die Freiheit des Kapitals allein führt nicht automatisch<br />

zu Wohlstand für alle.<br />

Handel bietet eine große Chance<br />

für nachhaltige Entwicklung – keine<br />

Frage. Deshalb fordern vor allem<br />

Industrieländer freie Märkte, auf<br />

denen jeder mit jedem handeln kann.<br />

Diese Liberalisierung der Märkte hat<br />

allerdings nicht <strong>im</strong>mer zu den versprochenen<br />

Erfolgen geführt. Denn<br />

wer etwas produzieren will, der sucht<br />

sich heute meist den Ort aus, wo er<br />

das am billigsten tun kann. Unter den<br />

niedrigen Preisen leiden natürlich die<br />

Arbeiter und unsere Umwelt.<br />

Außerdem haben die reichen Länder<br />

auch häufig Zugang zu den Märkten<br />

in Entwicklungsländern. Diese<br />

überschwemmen sie mit ihren billigen<br />

Produkten und zerstören somit oft<br />

einhe<strong>im</strong>ische Industrien oder kaufen<br />

erfolgreiche Firmen auf.<br />

Hier ein Beispiel: Durch die Unterstützung der EU kann europäisches<br />

Geflügel so günstig auf afrikanischen Märkten verkauft werden, dass es die<br />

einhe<strong>im</strong>ischen Preise unterbietet. Lokale Produzenten werden so vom Markt<br />

verdrängt, was die Existenzgrundlage von Menschen zerstört. 19<br />

Und um noch eins draufzusetzen: Die Industrieländer schützen gleichzeitig<br />

ihre eigenen Märkte vor Produkten aus Entwicklungsländern – und<br />

zwar genau in den Bereichen, wo es Entwicklungsländern besonders weh<br />

tut. Ein Beispiel dafür ist die Baumwolle. Baumwolle aus Westafrika ist zwar<br />

18 Vgl. Lobina, Emanuele, Problems with Private Water Concessions: A Review of Experiences<br />

and Analysis of Dynamics, in: International Journal of Water Resources Development,<br />

Volume 21, Issue 1, London, 2005, 55-87.<br />

19 noch mehr solcher Beispiele zeigt der Film „We feed the world“ von Erwin Wagenhofer,<br />

2005.<br />

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billiger und qualitativ besser als die aus den USA, sie hat aber trotzdem auf<br />

dem US-Markt keine Chance. Wieso? Weil die USA ihrer eigenen Baumwollindustrie<br />

jährlich staatliche Unterstützung zahlen. Dafür geben sie sogar<br />

dre<strong>im</strong>al so viel aus wie für ihre Entwicklungshilfe an Afrika. Nicht nur die<br />

Baumwollbauern in Burkina Faso fürchten deswegen um ihre Existenz, sondern<br />

der ganze Staat, denn Baumwolle ist sein wichtigstes Exportgut. In der<br />

US-Wirtschaft spielt sie hingegen nur eine Nebenrolle. 20<br />

Und so geht es vielen Ländern in Westafrika.<br />

unsere Rolle <strong>im</strong> ursachengeflecht<br />

Noch viele weitere Faktoren für globale Armut und die ungleiche Verteilung<br />

von Wohlstand können hier genannt werden: kulturelle Faktoren, geographische<br />

Faktoren, bewaffnete Konflikte, der Kl<strong>im</strong>awandel und das globale<br />

Finanzwesen. Auch das sind noch längst nicht alle Gründe und Zusammenhänge.<br />

Wie aber schon zu Beginn erwähnt, ist eine Erkenntnis ganz besonders<br />

wichtig: Es handelt sich um ein komplexes Ursachengeflecht.<br />

Was heißt das nun für uns? Wenn wir uns an die Welt als Dorf erinnern: Wir<br />

gehören zu denen, die privilegiert geboren wurden. Wir gehören zu den<br />

Reichen. Oder denken wir an unser Perlenspiel: Wir sind in der Quadrat-<br />

Gruppe.<br />

In diesem Kurs soll gezeigt werden, dass wir eine Menge tun können, um<br />

zu einer gerechteren Welt beizutragen – in unserem Leben als christliche<br />

Gemeinde, unserem persönlichen Lebensstil oder wenn wir in der Gesellschaft<br />

mitmischen. Und wir sind nicht allein mit unseren Forderungen nach<br />

einer gerechteren Welt. Mit den Millenniumszielen haben sich führende<br />

Politiker ehrgeizige Ziele gesetzt. Nehmen wir sie be<strong>im</strong> Wort, erinnern und<br />

unterstützen wir sie!<br />

Die Millenniumsziele<br />

Im September 2000 trafen sich in New York Vertreter aus 189 Staaten, vor<br />

allem Staats- und Regierungschefs. Auf diesem so genannten „Millenniumsgipfel“<br />

diskutierten sie die größten Herausforderungen der Welt für das neue<br />

Jahrtausend. Sie verabschiedeten ihre „Millenniumserklärung“. Die globale<br />

Armut gehört dort zu den zentralen Fragen. Aus dieser Erklärung wurden <strong>im</strong><br />

Anschluss acht Ziele abgeleitet, die „Millenniumsziele“. Auch früher gab es<br />

von den Vereinten Nationen schon Initiativen gegen Armut, aber die Millenniumsziele<br />

sind anders:<br />

• Alle Staaten und die wichtigsten internationalen Organisationen wie die<br />

UNO und die Weltbank haben sie unterschrieben. Sowohl arme als auch<br />

reiche Länder wollen ihren Beitrag leisten, damit die Ziele erreicht werden.<br />

• Sie zeigen die unterschiedlichen Facetten von Armut und machen klar,<br />

dass man Armut gleichzeitig an vielen Fronten bekämpfen muss – von<br />

Bildung über Ökologie bis zum Welthandel.<br />

• Die Ziele wurden so formuliert, dass man ihre Einhaltung mit Statistiken<br />

20 Welthungerhilfe, Baumwolle – Subventionen bedrohen Entwicklungsländer, http://<br />

www.welthungerhilfe.de/baumwolle.html, 24.08.2010 und Presseportal.de, Oxfam<br />

besorgt über Festhalten der USA an Baumwollsubventionen, http://www.presseportal.<br />

de/pm/51594/608086/oxfam_deutschland_e_v, 19.10.2004.<br />

EInFACH WEGSCHAUEn? 1: WELT<br />

Die Industrieländer<br />

schützen ihre<br />

eigenen Märkte vor<br />

Produkten aus Entwicklungsländern<br />

– und zwar genau<br />

in den Bereichen,<br />

wo es Entwicklungsländern<br />

besonders weh tut.<br />

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19


20<br />

Just PEoPlE?<br />

Die Millenniumsziele<br />

zeigen<br />

viele Facetten der<br />

Armutsbekämpfung<br />

– von Bildung<br />

über Ökologie bis<br />

zum Welthandel.<br />

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•<br />

messen kann. Außerdem steht ein Zeitplan fest: bis <strong>2015</strong> sollen alle das<br />

Ziel erreicht haben. Wie die einzelnen Schritte zum Ziel nun genau aussehen,<br />

dürfen die Länder aber selbst entscheiden.<br />

Die Fortschritte sind transparent: Jedes Jahr gibt es einen globalen<br />

Bericht und alle zwei bis drei Jahre erscheinen Berichte für die einzelnen<br />

Länder. Wir als Bürger sollen diesen Prozess kritisch begleiten.<br />

Und so lauten die acht Ziele 21 :<br />

• Millenniumsziel 1:<br />

Bekämpfung der extremen Armut und des Hungers<br />

Wer mit weniger als 1,25 US-Dollar am Tag auskommen muss, der zählt<br />

zu den extrem Armen. Bis <strong>2015</strong> soll sich die Anzahl dieser extrem armen<br />

Menschen halbieren. Vergleichsjahr ist 1990. Auch der Anteil der hungernden<br />

Menschen soll bis <strong>2015</strong> halbiert werden.<br />

• Millenniumsziel 2:<br />

Pr<strong>im</strong>arschulbildung für alle<br />

• Millenniumsziel 3:<br />

Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung der Rolle der Frau<br />

• Millenniumsziel 4:<br />

Reduzierung der Kindersterblichkeit<br />

• Millenniumsziel 5:<br />

Verbesserung der Gesundheitsversorgung für Mütter<br />

• Millenniumsziel 6:<br />

Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und weiteren Krankheiten<br />

• Millenniumsziel 7:<br />

Ökologische Nachhaltigkeit<br />

• Millenniumsziel 8:<br />

Aufbau einer globalen Partnerschaft für die Entwicklung<br />

Wie weit sind wir noch vom Ziel entfernt? Das können wir hier leider nicht<br />

bis ins Detail diskutieren. So viel kann man aber sagen: Bislang müssen<br />

wir eine gemischte Bilanz ziehen. Während in einigen Ländern das Erreichen<br />

verschiedener Ziele möglich scheint, sieht es in andern Ländern sehr<br />

schlecht aus. 22 Wenn ein Staat seine Versprechen gegenüber den Millenniumszielen<br />

bricht, wird er von der Völkergemeinschaft nicht bestraft. Aber es<br />

gibt den Druck der Öffentlichkeit, der Zivilgesellschaft. Denn Bürger können<br />

fortschrittliche Politik loben und zu wenig Engagement verurteilen. Dadurch<br />

konnte schon viel bewegt werden. Welche Rolle wir dabei spielen, soll in diesem<br />

Kurs noch intensiver diskutiert werden.<br />

21 Eine detaillierte Auflistung der ziele und Inhalte findest du auf Seite 22.<br />

22 Während vor allem in einigen Ländern Asiens das Erreichen verschiedener Millenniumsziele<br />

möglich erscheint, sieht es in vielen Ländern Afrikas sehr schlecht aus.<br />

zwar können hier mittlerweile viel mehr Kinder eine kostenlose Pr<strong>im</strong>arschulbildung<br />

genießen, aber gerade bei der Gesundheitsversorgung ist die Situation häufig<br />

nach wie vor katastrophal. noch <strong>im</strong>mer sterben in Afrika ungefähr hundertmal<br />

mehr Frauen an den Folgen einer Geburt als in Industrieländern. Auch das ziel der<br />

ökologischen nachhaltigkeit ist in weiter Ferne und bei der Schonung natürlicher<br />

Ressourcen in den meisten Ländern nichts von einer Trendumkehr zu sehen.<br />

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Haben wir unsere Verantwortung als Christen hier schon erkannt? Wo sollten<br />

wir uns mehr einmischen? Wo fordert Gott mich heraus? Wo kann ich<br />

nicht mehr wegschauen? Wo sollte ich vielleicht bewusster leben?<br />

Notizen<br />

EInFACH WEGSCHAUEn? 1: WELT<br />

Zum Weiterlesen<br />

• Meury, Markus, Welthandel<br />

heute: Sein Beitrag zur Armut,<br />

Seite 100<br />

• Sautter, Hermann, Das Millenniumsprojekt:<br />

Der Plan der UNO<br />

zur Verwirklichung der Millenniumsziele,<br />

Seite 104<br />

• Muntwiler, Markus, Die Situation<br />

und Notwendigkeit der Entwicklungshilfe,<br />

Seite 108<br />

• Diamond, Jared, Arm und Reich.<br />

Die Schicksale menschlicher<br />

Gesellschaften, 7. Auflage,<br />

Frankfurt/Main, 2000<br />

• Le Monde diplomatique, Atlas<br />

der Globalisierung: Sehen und<br />

verstehen, was die Welt bewegt,<br />

1. Auflage, Berlin, 2009<br />

• Sachs, Jeffrey D., Das Ende<br />

der Armut. Ein ökonomisches<br />

Programm für eine gerechtere<br />

Welt, 2. Auflage, München, 2007<br />

Informationen zum aktuellen<br />

Stand der Millenniumsziele<br />

findest du bei:<br />

www.millenniumcampaign.de<br />

www.mdgmonitor.org<br />

www.un.org/millenniumgoals<br />

zum Weitersurfen lohnt sich ein<br />

Blick in unsere Link-Liste auf<br />

www.just-people.net.<br />

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21


22<br />

Just PEoPlE?<br />

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Die Millenniumsziele<br />

Wegen der Ungerechtigkeit auf unserer Welt haben die Vereinten Nationen<br />

<strong>im</strong> Jahr 2000 die Millenniumserklärung verabschiedet. Damit man diese<br />

Erklärung auch umsetzen kann, wurden daraus acht Ziele abgeleitet, die Millenniumsziele.<br />

189 Staaten haben sich damit erstmals auf genau definierte<br />

Ziele festgelegt: 1<br />

Millenniumsziel 1: Bekämpfung von extremer Armut und<br />

Hunger<br />

• Zwischen 1990 und <strong>2015</strong> den Anteil der Menschen halbieren, die weniger<br />

als den Gegenwert von einem US-Dollar2 pro Tag zum Leben haben (von<br />

1,25 Milliarden Menschen 1990 auf 625 Millionen <strong>2015</strong>).<br />

• Zwischen 1990 und <strong>2015</strong> den Anteil der Menschen halbieren, die Hunger<br />

leiden.<br />

• Vollbeschäftigung in ehrbarer Arbeit für alle erreichen, auch für Frauen<br />

und Jugendliche.<br />

Millenniumsziel 2: Pr<strong>im</strong>arschulbildung für alle<br />

• Bis <strong>2015</strong> Schaffung der Grundlagen dafür, dass Kinder überall auf der<br />

Welt, Mädchen wie Jungen, in der Lage sind, einen Pr<strong>im</strong>arschulabschluss<br />

zu erwerben.<br />

Millenniumsziel 3: Gleichstellung der Geschlechter und<br />

stärkung der Rolle der Frau<br />

• Das Geschlechtergefälle in der Pr<strong>im</strong>ar- und Sekundarschulbildung beseitigen,<br />

möglichst bis 2005, und auf allen Bildungsebenen bis spätestens<br />

<strong>2015</strong>.<br />

Millenniumsziel 4: Reduzierung der Kindersterblichkeit<br />

• Zwischen 1990 und <strong>2015</strong> Senkung der Kindersterblichkeit von Unter-<br />

Fünf-Jährigen um zwei Drittel (von 10,6 Prozent auf 3,5 Prozent).<br />

Millenniumsziel 5: Verbesserung der Gesundheitsversorgung<br />

für Mütter<br />

• Zwischen 1990 und <strong>2015</strong> Senkung der Sterblichkeitsrate von Müttern um<br />

drei Viertel.<br />

• Bis <strong>2015</strong> allgemeinen Zugang zu reproduktiver Gesundheit erreichen.<br />

1 Vgl. www.millenniumcampaign.de, 15.05.2010.<br />

2 Durch neue Daten über die Preisentwicklung in den Entwicklungsländern hat die<br />

Weltbank die Armutsgrenze vergangenes Jahr angehoben. Als extrem arm gilt<br />

jetzt, wer weniger als den Gegenwert von 1,25 US-Dollar pro Tag zum (Über)Leben<br />

zur Verfügung hat. Bisher war es ein Dollar. Durch den neuen Wert ist die zahl der<br />

Armen noch höher als zuvor.<br />

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Millenniumsziel 6: Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und<br />

weiteren Krankheiten<br />

• Bis <strong>2015</strong> die Ausbreitung von HIV/Aids zum Stillstand bringen und eine<br />

Trendumkehr bewirken.<br />

• Bis 2010 weltweiten Zugang zu medizinischer Versorgung für alle HIV/<br />

Aids-Infizierten erreichen, die diese benötigen.<br />

• Bis <strong>2015</strong> die Ausbreitung von Malaria und anderen schweren Krankheiten<br />

zum Stillstand bringen und eine Trendumkehr bewirken.<br />

Millenniumsziel 7: Ökologische Nachhaltigkeit<br />

EInFACH WEGSCHAUEn?<br />

• Die Grundsätze der nachhaltigen Entwicklung in der Politik und den<br />

Programmen der einzelnen Staaten verankern und die Vernichtung von<br />

Umweltressourcen eindämmen.<br />

• Den Verlust der Biodiversität verringern, bis 2010 eine signifikante Drosselung<br />

der Verlustrate erreichen.<br />

• Bis <strong>2015</strong> Halbierung des Anteils der Menschen ohne dauerhaft gesicherten<br />

Zugang zu hygienisch einwandfreiem Trinkwasser (von 65 Prozent<br />

auf 32 Prozent).<br />

• Bis 2020 eine deutliche Verbesserung der Lebensbedingungen von mindestens<br />

100 Millionen Slumbewohnerinnen und -bewohnern bewirken.<br />

Millenniumsziel 8: Aufbau einer globalen Partnerschaft für<br />

die Entwicklung<br />

• Weitere Fortschritte bei der Entwicklung eines offenen, regelgestützten,<br />

berechenbaren und nicht diskr<strong>im</strong>inierenden Handels- und Finanzsystems.<br />

Dies umfasst die Verpflichtung zu verantwortungsbewusster Regierungsführung,<br />

zu Entwicklung und zur Senkung der Armut – sowohl auf<br />

nationaler als auch auf internationaler Ebene.<br />

• Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse der am wenigsten entwickelten<br />

Länder (Least Developed Countries; LDC). Das beinhaltet den<br />

Abbau von Handelshemmnissen, Schuldenerleichterung und -erlass,<br />

besondere finanzielle Unterstützung der aktiv um Armutsminderung<br />

bemühten Länder.<br />

• Den besonderen Bedürfnissen der Binnen- und kleinen Insel-Entwicklungsländer<br />

Rechnung tragen.<br />

• Umfassende Anstrengungen auf nationaler und internationaler Ebene<br />

zur Lösung der Schuldenprobleme der Entwicklungsländer unternehmen.<br />

• In Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern Strategien zur Schaffung<br />

menschenwürdiger und sinnvoller Arbeitsplätze für junge Menschen<br />

erarbeiten und umsetzen.<br />

• In Zusammenarbeit mit den Pharmaunternehmen Zugang zu unentbehrlichen<br />

Arzne<strong>im</strong>itteln zu erschwinglichen Preisen in Entwicklungsländern<br />

gewährleisten.<br />

• In Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor dafür sorgen, dass die Vorteile<br />

neuer Technologien, insbesondere von Informations- und Kommunikationstechnologien,<br />

von Entwicklungsländern genutzt werden können.<br />

Links zum Thema<br />

1: WELT<br />

www.millenniumcampaign.de<br />

www.stoparmut<strong>2015</strong>.ch<br />

www.micha-initiative.de<br />

www.mdgmonitor.org<br />

www.un.org/millenniumgoals<br />

www.worldmapper.org<br />

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23


24<br />

Just PEoPlE?<br />

1. Armut hat es schon <strong>im</strong>mer gegeben und wird es<br />

<strong>im</strong>mer geben.<br />

2. Je schl<strong>im</strong>mer es mit der Welt wird, desto schneller<br />

kommt Jesus zurück und dann wird die Welt sowieso<br />

ganz neu.<br />

3. Ich kann nichts dafür, dass ich hier geboren bin.<br />

Ich habe das System nicht gemacht, in dem Kinder<br />

an Hunger sterben.<br />

4. Die Armen sind selbst schuld. Sie bringen sich<br />

nicht in die Weltwirtschaft ein und entwickeln sich<br />

einfach nicht.<br />

5. Die Armutsproblematik ist extrem kompliziert und<br />

unlösbar. Jede noch so große Hilfe ist nur ein Tropfen<br />

auf den heißen Stein.<br />

6. Wer alles den Armen gibt, der will sich doch nur<br />

seinen Platz <strong>im</strong> H<strong>im</strong>mel verdienen. Aber durch<br />

gute Taten kommt man nicht in den H<strong>im</strong>mel. Jesus<br />

hat schon alles für mich getan.<br />

7. Jeder hat seine eigenen Probleme – ich auch.<br />

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Anleitung zum untätigsein<br />

Moment mal? Sollte es nicht heißen „Anleitung zum Tätigsein“? Geht es in<br />

diesem Kurs nicht darum, angesichts der Armut und Ungerechtigkeit auf der<br />

Welt aktiv zu werden?<br />

Eigentlich schon, aber dafür muss man sich ein bisschen anstrengen,<br />

man muss sich informieren und ein bisschen von seiner Freizeit opfern. Und<br />

selbst wenn man sich dann einmischt, wird die Welt nicht auf einen Schlag<br />

gerechter. Armutsbekämpfung ist ein Marathon und kein Sprint.<br />

Im Folgenden sind 22 Beispiele von Tatsachen und Meinungen aufgelistet,<br />

die uns <strong>im</strong> Zusammenhang mit dem Thema öfter begegnen. Die Tatsachen<br />

sind sehr verschieden und die Meinungen spiegeln die verschiedensten politischen<br />

und theologischen Ansichten wider. Eines haben sie aber alle gemeinsam:<br />

Sie können als Argumente gegen eigenes Engagement in der Armutsbekämpfung<br />

verwendet werden.<br />

Lies die 22 Punkte einmal durch und frage dich, was sie dir bedeuten.<br />

Sind sie für dich Argumente gegen Engagement oder nicht? Warum?<br />

Die „Anleitung zum Untätigsein“ ist ein Dokument, welches dich durch den<br />

Kurs begleitet. Wenn dir während des Kurses ein neuer Gedanke kommt,<br />

dann schreibe ihn in das entsprechende Kästchen.<br />

meine Überlegungen<br />

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8. Die korrupten Regierungen der Entwicklungsländer<br />

sind schuld.<br />

9. Das Reich Gottes ist nicht von dieser Welt und<br />

wenn wir uns zu sehr sozial engagieren, dann<br />

leidet unsere wichtigste Mission: Menschen zu<br />

bekehren.<br />

10. Auch bei uns in den Industrienationen gibt es<br />

Armut.<br />

11. Schuld haben die wirklich Reichen.<br />

12. Geldspenden sind auch keine Lösung.<br />

13. Wir leben in einer gefallenen Welt. Es kann kein<br />

Paradies auf Erden geben und daher lohnt sich der<br />

Einsatz für eine gerechtere Welt sowieso nicht.<br />

14. Ich bin selbst knapp bei Kasse. Da kann ich nicht<br />

bei jedem Einkauf auf nachhaltigkeit und FairTrade<br />

achten.<br />

15. Schuld sind die Amerikaner.<br />

16. Andere Völker wollen und brauchen unseren<br />

Fortschritt überhaupt nicht. Den Menschen<br />

in den Entwicklungsländern würde es in ihrer<br />

ursprünglichen Kultur viel besser gehen.<br />

17. Der nutzen von Entwicklungshilfe ist umstritten.<br />

18. Ich konzentriere mich auf meine Gemeinde vor ort.<br />

19. Wenn ich Geld an Hilfsorganisationen spende, fließt<br />

alles in einen riesigen Topf. Vieles wird auch noch<br />

für die Verwaltung ausgegeben. Ich kann gar nicht<br />

überblicken, was von meinem Geld wo überhaupt<br />

ankommt.<br />

20. So schl<strong>im</strong>m ist es mit den Großkonzernen auch<br />

wieder nicht. Sie engagieren sich auch sozial.<br />

21. Die natur hat schon <strong>im</strong>mer überlebt und wird ganz<br />

sicher weiter überleben – um die müssen wir uns<br />

keine Gedanken machen.<br />

22. Ich bin einfach nicht so ein sozialer Typ.<br />

EInFACH WEGSCHAUEn? 1: WELT<br />

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25


26<br />

Just PEoPlE?<br />

Angepackt!<br />

Bis zur Kurseinheit 2 nehme ich mir vor:<br />

• Ich rechne aus, wie teuer das Leben in Entwicklungsländern<br />

verglichen mit meinem Leben ist.*<br />

•<br />

•<br />

* Dazu ein Beispiel aus Uganda (alle Angaben von 2007):<br />

• Verdienst eines Lehrers: 60 Euro pro Monat<br />

• Verdienst eines Bauern: unter 30 Euro pro Monat<br />

Lebenshaltungskosten (alle Prozentangaben gerundet):<br />

• Einfache Mahlzeit: 0,25 Euro (entspricht 0,4 Prozent eines Lehrergehalts und 0,8<br />

Prozent eines Bauerneinkommens)<br />

• Arztbesuch (ohne Behandlung): 7,50 Euro (entspricht 12,5 Prozent eines Lehrergehalts<br />

und 25 Prozent eines Bauerneinkommens)<br />

• Behandlung von Malaria: 4,00 Euro (entspricht 7 Prozent eines Lehrergehalts<br />

und 14 Prozent eines Bauerneinkommens)<br />

• Ausgaben für Schulbesuch pro Kind: 40,00 bis 60,00 Euro <strong>im</strong> Jahr (entspricht<br />

5,5 bis 8,3 Prozent eines Lehrergehalts und 11 bis 16,6 Prozent eines Bauerneinkommens)<br />

Nun kannst du überlegen, wie teuer eine einfache Mahlzeit oder eine Malaria-<br />

Behandlung für dich wäre, wenn sie prozentual so viel kosten würde wie in<br />

Uganda.<br />

Quelle: Vgl. http://www.akademie-klausenhof.de/tilapia/tilapia-projekte.htm, 09.08.2010.<br />

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KURSEInHEIT 2:<br />

EInFACH ÜBERLESEn? 2: BIBEL<br />

BIBEl – EInFACH<br />

ÜBERLESEn?<br />

Darum geht’s: Armut (beziehungsweise Reichtum) und Gerechtigkeit<br />

gehören zu den zentralen Themen der Bibel.<br />

Genauer gesagt:<br />

•<br />

•<br />

•<br />

Wir wurden als Gottes Abbilder geschaffen: Mein Gegenüber ist also<br />

auch Gottes Abbild. Und als Gottes Abbilder sind wir für die Schöpfung<br />

verantwortlich.<br />

Gott als gerechter Gott: Er möchte gerechte Verhältnisse und ergreift<br />

Partei für die Schwachen, Unterdrückten und Armen.<br />

Auch seine Menschen sollen für Gerechtigkeit kämpfen. Ein Beispiel<br />

dafür sind die Propheten des Alten Testaments.<br />

• Jesus: Messias für Arme<br />

Fragen, die wir stellen: Denken wir bei Armut vor allem an „geistliche<br />

Armut“? Wieso? Was bedeutet es, ein Abbild Gottes zu sein? Wie sieht<br />

Gottes Gerechtigkeit aus? Ist es nicht eigenartig, wie wenig die kritischen<br />

Äußerungen der alten Propheten in unseren Kirchen auftauchen?<br />

Was bedeuten Jesu Worte und sein Einsatz für die Armen für uns als<br />

Westeuropäer?<br />

So machen wir’s:<br />

• Definitionen zu Armut und Reichtum (mit Brainstorming)<br />

• Referat mit Diskussion<br />

• Überblick: Auswahl von Bibelstellen zu Armut und Reichtum<br />

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27


28<br />

Just PEoPlE?<br />

Überlesen wir<br />

Bibelstellen zu<br />

Armut und Reichtum<br />

deshalb oft,<br />

weil wir unsere<br />

„Wohlstandsbrille“<br />

aufhaben?<br />

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Referat 2:<br />

Bibel – einfach überlesen?<br />

Rund 2.000 Bibelstellen zu Armut und Gerechtigkeit<br />

J<strong>im</strong> Wallis ist ein christlicher Prediger und Buchautor aus den USA. Als er noch<br />

an einem theologischen Seminar studierte, wurde dort einmal über Armut<br />

gesprochen. Zusammen mit seinen Mitstudenten beschloss er, alle Bibelstellen<br />

zu suchen, in denen die Armen, Armut und Gerechtigkeit vorkommen. 1<br />

Das Ergebnis: Über 2.000 Verse! Nachher nahm einer der Studenten eine alte<br />

Bibel und eine Schere. Er fing an, alle diese Bibelstellen herauszuschneiden.<br />

Er war sehr lange beschäftigt. Zum Schluss waren die alttestamentlichen<br />

Prophetenbücher zerfetzt, die Psalmen fast verschwunden, die Evangelien<br />

zerschnippelt und die Briefe arg zugerichtet. Anders gesagt: Die übrig gebliebene<br />

Bibel war voller Löcher. Sie fiel fast auseinander.<br />

Über 2.000 Bibelverse, also ungefähr jeder 14. Vers in der Bibel – Ist uns das<br />

bewusst? Arme, aber auch Reiche, werden in der Bibel <strong>im</strong>mer wieder explizit<br />

thematisiert oder direkt angesprochen. Natürlich kann man jetzt sofort einwenden,<br />

dass es bei den Armen nicht <strong>im</strong>mer nur um materiell Arme geht. Es<br />

gibt ja schließlich zum Beispiel auch eine „geistliche Armut“. St<strong>im</strong>mt, in den<br />

über 2.000 Bibelversen sind verschiedene Arten von Armut gemeint, so wie<br />

es auch verschiedene Arten von Reichtum gibt. Es geht auch nicht darum, die<br />

verschiedenen Aspekte von Armut und Reichtum gegeneinander auszuspielen.<br />

Allerdings muss man sagen, dass in den meisten Bibelstellen tatsächlich<br />

von materieller Armut die Rede ist. 2 Wir kommen später noch darauf zurück.<br />

An dieser Stelle nur noch ein kurzes Beispiel: Das Lukasevangelium. Dort<br />

geht es in den Kapiteln 4 bis 21, die das Wirken Jesu erzählen, in jedem 5. Vers<br />

um Armut und Reichtum. Das heißt: Jesus spricht oft konkret den Umgang<br />

mit Geld und Besitz an. 3<br />

Der Prediger und Buchautor J<strong>im</strong> Wallis sagt: „Wie hatte man ein so zentrales<br />

Anliegen derart beiseite schieben können, insbesondere in Kreisen, in denen<br />

der Glaube angeblich einzig und allein die Bibel zum Maßstab hat?“ 4 Warum<br />

sind bei diesem biblischen Befund die materiell Armen – und auf der anderen<br />

Seite die Reichen – kaum ein Thema in unseren Gottesdiensten, Jugendgruppen<br />

und Hauskreisen? Das hat wahrscheinlich Gründe, die sich niemand<br />

gerne eingesteht: Wenn wir die Bibel lesen, sind wir kein unbeschriebenes<br />

Blatt. Unsere Gesellschaft und auch unsere christliche Gemeinde haben uns<br />

geprägt und mit dieser Prägung lesen wir die Bibel. Anders gesagt: Wir lesen<br />

nicht einfach nur, sondern wir interpretieren die Bibel <strong>im</strong>mer aufgrund dessen,<br />

was wir wissen, kennen und glauben. Unsere Prägung best<strong>im</strong>mt mit,<br />

was uns an der Bibel wichtig erscheint und was wir überhaupt wahr- oder<br />

ernst nehmen.<br />

Man kann sich das so vorstellen: Wenn wir die Bibel lesen, tragen wir<br />

verschiedene Brillen. Das ist menschlich und okay. Allerdings gibt es Brillen,<br />

1 Vgl. Wallis, J<strong>im</strong>, Die Seele der Politik: Eine Vision zur spirituellen Erneuerung der Gesellschaft,<br />

München, 1995, 209, und J<strong>im</strong> Wallis auf dem Umschlagband von The Poverty<br />

and Justice Bible der American Bible Society und World Vision (new York, 2009).<br />

2 Vgl. die Definitionen von Reichtum und Armut auf Seite 38.<br />

3 Vgl. zum Beispiel Lukas 6,20-38; 12,13-34; 14,12-14; 16,1-31; 18,18-27; 19,1-10.<br />

4 Wallis 1995, 212.<br />

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die unseren Blick auf die Bibel negativ beeinträchtigen können. Eine davon<br />

nennen wir ab jetzt die „Wohlstandsbrille“. Damit sind wir be<strong>im</strong> provokanten<br />

Titel dieses Referats: „Bibel – einfach überlesen?“. Wir fragen uns nämlich,<br />

ob wir Bibelstellen über Armut und Reichtum deshalb oft überlesen, weil wir<br />

unsere „Wohlstandsbrille“ aufhaben. Diese blendet auf der einen Seite Bibelstellen<br />

aus, die Besitz und Reichtum kritisch gegenüberstehen, und auf der<br />

anderen Seite interpretiert sie Armut oft zu schnell als geistliche Armut.<br />

Heute können wir uns nur ein paar der mehr als 2.000 Bibelstellen über<br />

Armut und Gerechtigkeit genauer ansehen. Versuchen wir dabei einmal,<br />

unsere „Wohlstandsbrille“ abzulegen und die „Just People?-Brille“ aufzusetzen.<br />

Das gilt es nämlich von Anfang an einzugestehen: Auch der Just People?-<br />

Kurs ist nicht etwa brillenlos, aber bemüht sich um eine schärfere Sicht. In<br />

diesem Bewusstsein wollen wir uns dem Thema Armut und Gerechtigkeit in<br />

der Bibel nähern. Auf geht’s! Beginnen wir mit dem Alten Testament.<br />

Überblick zum Alten testament:<br />

1. Der erste Auftrag an den Menschen: Die Verantwortung<br />

für die ganze schöpfung<br />

Schlagen wir die Bibel zuerst ganz vorne auf: Gott schuf zu Beginn H<strong>im</strong>mel<br />

und Erde. Und er schuf den Menschen als sein Abbild. In 1. Mose/Genesis<br />

1,26a und 28 heißt es: „Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser<br />

Abbild, uns ähnlich. (…) Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar<br />

und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht<br />

über die Fische des Meeres, über die Vögel des H<strong>im</strong>mels und über alle Tiere, die<br />

sich auf dem Land regen.“<br />

Das hebräische Wort zelem, das hier mit „Abbild“ übersetzt wird, hat auch<br />

noch eine andere Bedeutung: „Statue“. Statuen waren zur Zeit des Alten Testaments<br />

meist Götterstatuen und repräsentierten die Gottheiten auf der Erde.<br />

Diese Vorstellung steht wahrscheinlich auch hinter 1. Mose/Genesis 1,26.<br />

Allerdings wird hier betont, dass nicht eine Götterstatue Gott auf Erden repräsentiert,<br />

sondern alle Menschen! 5 Das wertet den einzelnen Menschen ungemein<br />

auf. Ob reich und mächtig oder arm und unterdrückt: Alle sind Abbilder<br />

Gottes. Aber was heißt es, ein Abbild Gottes zu sein? Inwiefern repräsentieren<br />

wir Gott auf Erden?<br />

Kurzer Austausch zu zweit und kurze Diskussion <strong>im</strong> Plenum.<br />

Der Gedanke vom Abbild Gottes kann für uns zwei Auswirkungen haben. Erstens<br />

ist es eine Sicht auf den Mitmenschen: Im Gegenüber – ob reich oder<br />

absolut arm – begegnet mir <strong>im</strong>mer ein Abbild Gottes. Dieser schöne theologische<br />

Gedanke hat für das alltägliche Leben große Konsequenzen. Damit<br />

ist nämlich schon die zweite Auswirkung angesprochen, nämlich die Verantwortung:<br />

Menschen in Not sind es als Abbilder Gottes wert, dass wir ihnen<br />

helfen.<br />

Zur Verantwortung passt noch ein weiterer Gedanke: Der Mensch wird<br />

als Gottes Repräsentant auf Erden beauftragt, „die Erde zu unterwerfen“ (1.<br />

Mose/Genesis 1,28). Man könnte jetzt darüber diskutieren, was dieser Auftrag<br />

genau zu bedeuten hat. Schauen wir nur kurz die letzten beiden Jahrhunderte<br />

an: Der Mensch hat die Erde rücksichtslos ausgebeutet und tut dies<br />

5 Vgl. Keel, othmar und Schroer, Silvia, Schöpfung. Biblische Theologien <strong>im</strong> Kontext<br />

altorientalischer Religionen, Göttingen, 2002, 179f.<br />

EInFACH ÜBERLESEn? 2: BIBEL<br />

Im Gegenüber – ob<br />

reich oder absolut<br />

arm – begegnet mir<br />

<strong>im</strong>mer ein Abbild<br />

Gottes.<br />

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29


30<br />

Just PEoPlE?<br />

Wenn wir in der<br />

Bibel lesen, fällt<br />

auf, wie sehr es<br />

Gott bewegt, wenn<br />

Menschen unter<br />

Unrecht oder<br />

Armut leiden.<br />

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noch heute. 6 Nur ein konkretes Beispiel an dieser Stelle: Flugreisen. Bei jedem<br />

Flug entsteht durch das Verbrennen von Treibstoff unter anderem Kohlenstoffdioxid,<br />

kurz CO2. Dieses trägt als Treibhausgas zur globalen Erwärmung<br />

bei. Bei einem Flug von Berlin nach Washington wird pro Passagier anderthalbmal<br />

so viel CO2 in die Luft gepustet wie ein Mensch in einem ganzen<br />

Jahr verursachen sollte. 7 Die globale Erwärmung, die natürlich noch viele<br />

andere Ursachen hat, wird in Zukunft ein ernsthaftes Problem für unseren<br />

Planeten: die Durchschnittstemperatur steigt, Pole und Gletscher schmelzen,<br />

die Kl<strong>im</strong>azonen verschieben sich, es kommt zu Überschwemmungen und<br />

vielen anderen Problemen.<br />

Die ganze Schöpfung leidet unter der heutigen Ausbeutung – Menschen,<br />

Tiere und Umwelt. So hat es Gott aber nicht gemeint. Es ist daher nicht vermessen<br />

zu sagen: Wir sollten diesen ersten Auftrag Gottes, „die Erde zu unterwerfen“,<br />

viel stärker mit Blick auf die ökologische Nachhaltigkeit lesen.<br />

2. Gott sieht und hört Menschen in Not und erweist sich<br />

damit als gerechter Gott<br />

Mit dem Gedanken des Abbilds drückt Gott aus, dass ihm der einzelne Mensch<br />

viel wert ist. Wenn wir in der Bibel lesen, fällt auf, wie sehr es Gott bewegt,<br />

wenn Menschen unter Unrecht oder Armut leiden. An der Exodus-Geschichte<br />

sehen wir das sehr deutlich: Das Volk Israel wird in Ägypten rücksichtslos<br />

ausgebeutet. Die Israeliten müssen als Sklaven arbeiten. Gott lässt dies aber<br />

nicht einfach zu, sondern reagiert auf das Unrecht. Er beruft Moses und sagt:<br />

„Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen, und ihre laute Klage über<br />

ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid. Ich bin herabgestiegen, um sie<br />

der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein<br />

schönes, weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen“ (2. Mose/<br />

Exodus 3,7-8). Unrecht bewegt das Herz Gottes und er greift ein.<br />

Mit der Erwählung Israels setzt Gott ein klares Zeichen. Er wählt sich<br />

keine antike Supermacht, sondern ein armes Sklavenvolk. Unser Gott zeigt<br />

sich damit als ein Gott der Armen und Unterdrückten. Der Exodus bleibt<br />

keine einmalige Aktion dieser Art. Dass Gott für Unterdrückte eintritt, ist tief<br />

in seinem Wesen verankert. Das zeigen auch viele Psalmen, in denen Menschen<br />

<strong>im</strong>mer wieder fröhlich und dankbar von Gottes Wesen und seinen<br />

Taten singen.<br />

Lesen wir zum Beispiel Psalm 146,6-9:<br />

„Der Herr hat H<strong>im</strong>mel und Erde gemacht, das Meer und alle Geschöpfe; er<br />

hält ewig die Treue. Recht verschafft er den Unterdrückten, den Hungernden<br />

gibt er Brot; der Herr befreit die Gefangenen. Der Herr öffnet den Blinden die<br />

Augen, er richtet die Gebeugten auf. Der Herr beschützt die Fremden und verhilft<br />

den Waisen und Witwen zu ihrem Recht. Der Herr liebt die Gerechten, doch die<br />

Schritte der Frevler leitet er in die Irre.“<br />

Am Ende des Abschnitts lesen wir von Gerechten. Das Begriffsfeld „Gerechtigkeit“<br />

kommt <strong>im</strong> Alten Testament rund 500 Mal vor. Walter Dietrich war<br />

früher Professor für Altes Testament in Bern und er bezeichnet die Gerech-<br />

6 Vgl. dazu auch das Referat 1.<br />

7 Das kl<strong>im</strong>averträgliche Jahresbudget eines Menschen liegt bei 3.000 Kilogramm<br />

Co2. Auto- und Flugzeugabgase enthalten aber nicht nur Kohlenstoffdioxid. Die<br />

hier verwendeten Größen sind umgerechnet auf die Erwärmungswirkung der<br />

entsprechenden Menge an Co2.<br />

Auf dieser Seite kann man mehr erfahren und sich seine Emissionen zum Beispiel<br />

für einen Flug ausrechnen lassen: www.atmosfair.de.<br />

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tigkeit Gottes sogar als roten Faden des Alten Testaments. 8 Gerechtigkeit ist<br />

also ein wesentlicher Aspekt des Wesens Gottes. Und weil Gott gerecht ist,<br />

sollen auch wir Menschen als seine Abbilder gerecht sein. Doch was ist unter<br />

der Gerechtigkeit Gottes zu verstehen?<br />

Kurzer Austausch zu zweit und Sammlung von möglichen Definitionen <strong>im</strong> Plenum.<br />

Im Folgenden handelt es sich um eine weitere Definition.<br />

In Anlehnung an Professor Dietrich kann Gerechtigkeit so verstanden werden:<br />

Gerechtigkeit ist die Wahrung oder Wiederherstellung ausgeglichener,<br />

wohltuend geordneter, lebensfreundlicher Verhältnisse – <strong>im</strong> menschlichen<br />

Zusammenleben wie in der Gottesbeziehung. Gottes Gerechtigkeit<br />

ist <strong>im</strong>mer „parteiisch“: Sie umfasst ein Eintreten für jemanden und dabei<br />

insbesondere für die Schwachen, Unterdrückten und Armen.<br />

Das heißt: Die Gerechtigkeit Gottes ist mehr als „Jedem das Gleiche“; sie<br />

setzt Prioritäten. Zudem meint Gerechtigkeit aus biblischer Sicht nicht nur<br />

einen Zustand, sondern eine Beziehung: Es geht um die Beziehung von Gott<br />

zu uns Menschen, um das menschliche Zusammenleben und um das Eintreten<br />

für jemanden. Für unseren eher abstrakten und unpersönlichen Gerechtigkeitsbegriff<br />

ist das vielleicht ein neuer, aber zentraler Gedanke.<br />

3. so wie Gott sich selbst für Gerechtigkeit einsetzt, will er<br />

auch seine Menschen für Gerechtigkeit kämpfen sehen<br />

In Psalm 146 zeigt sich Gott nicht nur selbst als der Gerechte, sondern<br />

der Psalm sagt auch: „Der Herr liebt die Gerechten“ 9 . Er möchte, dass auch<br />

Menschen gerecht sind wie er. In den Worten von Psalm 146: Gott möchte,<br />

dass wir Menschen die Unterdrückten aufrichten und den Hungrigen Brot<br />

geben.<br />

Werfen wir einen kurzen Blick in die alttestamentlichen Gesetzestexte.<br />

Diese sind uns vielleicht eher fremd. Tatsächlich kann man viele Gesetze<br />

heute auch nicht mehr einfach so umsetzen. Überliest man allerdings alle<br />

Gesetzestexte, verpasst man auch wieder wesentliche Prioritäten Gottes.<br />

So haben uns die Gesetze gerade in sozialer Hinsicht viel zu sagen. Nur ein<br />

Beispiel: 10 Zur Zeit des Alten Testaments gehörten Witwen und Waisen zu<br />

den sozial besonders gefährdeten Gruppen. Sie waren meistens arm und<br />

schutzlos, weil mit dem Verlust des Ehemanns oder der Eltern auch die soziale<br />

Sicherung verloren ging. Auf der Prioritätenliste Gottes stehen sie aber<br />

besonders weit oben. Lesen wir in 2. Mose/Exodus 22,21-22: „Ihr sollt keine<br />

Witwe oder Waise ausnützen. Wenn du sie ausnützt und sie zu mir schreit, werde<br />

ich auf ihren Klageschrei hören.“ Hier sehen wir wieder: Gott hört die Klage<br />

der Armen und Unterdrückten. Er möchte, dass sich sein Volk von der Not<br />

8 Vgl. Dietrich, Walter, Der rote Faden <strong>im</strong> Alten Testament, in: ders. Theopolitik. Studien<br />

zur Theologie und Ethik des Alten Testaments, neukirchen-Vluyn, 2002, 13-28.<br />

9 Gerade aus neutestamentlicher Sicht stellt sich natürlich die Frage, wie ein<br />

Mensch gerecht werden kann. „Der aus Glauben Gerechte wird leben“, zitiert<br />

Paulus in Römer 1,17 aus Habakuk 2,4. Diese D<strong>im</strong>ension der Gerechtigkeit als<br />

Rechtfertigung allein aus der bedingungslosen Gnade Gottes darf natürlich nicht<br />

außer Acht gelassen werden. Die eine D<strong>im</strong>ension von Gerechtigkeit soll in diesem<br />

Kurs nicht gegen die andere ausgespielt werden. Allerdings liegt unser Fokus hier<br />

auf dem gerechten Handeln (gegenüber den Armen).<br />

10 Vgl. die Auswahl von Bibelstellen zu Armut und Reichtum auf Seite 36.<br />

EInFACH ÜBERLESEn? 2: BIBEL<br />

Die Gesetze haben<br />

uns gerade in<br />

sozialer Hinsicht<br />

viel zu sagen.<br />

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31


32<br />

Just PEoPlE?<br />

Speziell bei Amos,<br />

aber auch bei<br />

vielen anderen<br />

Propheten, ist die<br />

soziale Ungerechtigkeit<br />

ein Dauerbrenner.<br />

Welche<br />

Themen sind in<br />

den Kirchen heute<br />

Dauerbrenner?<br />

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anderer Menschen berühren lässt und sich für die Armen und Unterdrückten<br />

einsetzt.<br />

Revolutionär in der Gesetzgebung Israels sind das Erlassjahr (5. Mose 15,1-<br />

2) und das Jubeljahr (3. Mose 25,10-16): Das Erlassjahr verlangt, dass alle<br />

sieben Jahre die kompletten Schulden erlassen werden. 11 Im Jubeljahr sollen<br />

alle Leute nach fünfzig Jahren wieder zu ihrem ursprünglichen Grundbesitz<br />

kommen. Dahinter steht die Auffassung: Das Land und alle Güter gehören<br />

letztlich Gott selbst und daher darf niemand endgültigen Anspruch darauf<br />

erheben. Weiter sollen Erlassjahr und Jubeljahr auch der Verarmung vorbeugen.<br />

Stellt euch mal vor, so ein Gesetz wäre nachhaltig politisch umgesetzt<br />

worden! 12<br />

4. Die Propheten als sprachrohre der Gerechtigkeit Gottes<br />

Nun, wie sah das in der Realität aus? Wurden diese sozial revolutionären<br />

Gesetze wirklich umgesetzt? Leider nicht. Die Situation damals lässt sich gut<br />

mit der Situation heute vergleichen. Kaum jemand, der reich oder in leitender<br />

Position war, hat Gerechtigkeit geschaffen und sich mit seinen Möglichkeiten<br />

um lebensfreundliche Verhältnisse für alle bemüht. Menschen lassen<br />

sich eher von Bequemlichkeit, Gleichgültigkeit und der Liebe zu Geld, Macht<br />

oder materiellen Gütern leiten.<br />

Israel wurde zwar von fremden Völkern unterdrückt, aber auch innerhalb<br />

des Volkes unterdrückten die Reichen die Armen. Nicht zuletzt deswegen rief<br />

Gott die alttestamentlichen Propheten auf den Plan. In ihrer vielfältigen Kritik<br />

sprachen sie unter anderem Korruption, Lüge, Betrug, Raub und Gewalt<br />

an. Sie drohten unermüdlich den Reichen, die Arme unterdrückten.<br />

Zurück zu unserer „Wohlstandsbrille“: Ist es nicht eigenartig, wie wenig die<br />

kritischen Äußerungen der alten Propheten in unseren Kirchen auftauchen?<br />

Und wie wenig wir uns damit auseinandersetzen? Wenn wir Prophetentexte<br />

lesen, dann meistens Heilsverheißungen, die wir direkt auf unser Leben<br />

beziehen. Aber wir überlesen viele Aussagen, in denen reiche Menschen<br />

kritisiert werden! 13 Ein Beispiel ist Amos 2,6b-7b. Amos nennt dort Gründe,<br />

warum Gott sein Volk straft: „Weil sie den Unschuldigen für Geld verkaufen und<br />

den Armen für ein Paar Sandalen, weil sie die Kleinen in den Staub treten und<br />

das Recht der Schwachen beugen.“ 14<br />

Speziell bei Amos, aber auch bei vielen anderen Propheten, ist die soziale<br />

Ungerechtigkeit ein Dauerbrenner. Welche Themen sind in den Kirchen heute<br />

Dauerbrenner? Gerade be<strong>im</strong> Thema der sozialen Ungerechtigkeit besteht in<br />

vielen Kirchen dringender Nachholbedarf!<br />

11 Vgl. Dietrich 2002, 188.<br />

12 Es kommt nicht von ungefähr, dass <strong>im</strong> Alten Testament gerade auch vom König<br />

erwartet wird, dass er Armut tilgt und sich für Gerechtigkeit einsetzt. Psalm 72<br />

ist ein Königsgebet, das eindrücklich davon berichtet. Königliche Herrschaft und<br />

Armenfürsorge sollen unabdingbar zusammengehören:<br />

V. 4: „Er wird Recht verschaffen den Gebeugten <strong>im</strong> Volk, Hilfe bringen den Kindern<br />

der Armen, er wird die Unterdrücker zermalmen.“<br />

V. 8: „Er herrsche von Meer zu Meer, vom Strom bis an die Enden der Erde.“<br />

V. 11: „Alle Könige müssen ihm huldigen, alle Völker ihm dienen.“<br />

V. 12-14: „Denn er rettet den Gebeugten, der um Hilfe schreit, den Armen und den,<br />

der keinen Helfer hat. Er erbarmt sich des Gebeugten und Schwachen, er rettet<br />

das Leben der Armen. Von Unterdrückung und Gewalttat befreit er sie, ihr Blut ist<br />

in seinen Augen kostbar.“<br />

13 Vgl. die Auswahl von Bibelstellen zu Armut und Reichtum auf Seite 36.<br />

14 Vgl. auch die Auslegung bei Hardmeier, Roland, Kirche ist Mission. Auf dem Weg zu<br />

einem ganzheitlichen Missionsverständnis, Schwarzenfeld, 2009, 95f.<br />

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Für das Alte Testament stellen wir also fest: Die Bekämpfung von Armut und<br />

Unrecht ist für Gott sehr, sehr wichtig. Das kann man gar nicht oft genug<br />

betonen.<br />

Und wie sieht es damit <strong>im</strong> Neuen Testament aus?<br />

Spätestens hier empfehlen wir eine Pause von zehn Minuten.<br />

Neues testament: Jesus und die Armen aus sicht des<br />

lukasevangeliums<br />

Kommen wir zum Zentrum unseres Glaubens: Jesus Christus. Im Leben, Sterben<br />

und Auferstehen des Sohnes Gottes tritt Gott auf den Plan wie noch nie<br />

zuvor. Was Gott besonders wichtig ist, wird auch in Jesus Christus besonders<br />

deutlich.<br />

Wie zu Beginn des Referats schon angesprochen, spielen Armut und Reichtum<br />

<strong>im</strong> Lukasevangelium eine große Rolle. Das zeigt sich schon ganz zu<br />

Beginn be<strong>im</strong> Lobpreis der Maria. Die Mutter Gottes n<strong>im</strong>mt hier ganz bewusst<br />

die Sprache und das Anliegen der alttestamentlichen Propheten auf: „(…)<br />

er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden<br />

beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen“ (Lukas 1,52-<br />

53). 15 Maria macht unmissverständlich klar, dass die Botschaft des Alten Testaments<br />

bezüglich der Armen auch <strong>im</strong> Neuen Testament unverändert gilt.<br />

Es wird sogar deutlich akzentuiert: Gott wird die Verhältnisse von Arm und<br />

Reich umkehren.<br />

Jesus selbst zitiert in seiner Antrittspredigt in Lukas 4 aus dem Buch Jesaja.<br />

Er bezieht diesen Text direkt auf sich und seine Berufung und sagt: „Der Geist<br />

des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt,<br />

damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die<br />

Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen<br />

in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“ (Lukas 4,18-19,<br />

zitiert aus: Jesaja 61,1).<br />

Jesus definiert hier seine pr<strong>im</strong>äre Zielgruppe: die Armen. Wen meint<br />

Jesus damit? Geht es hier vor allem um eine geistliche Haltung oder sind die<br />

materiell Armen angesprochen? Wie schon zu Beginn des Referats gesagt:<br />

Das eine soll nicht gegen das andere ausgespielt werden. Aber wer hier lediglich<br />

an geistlich Arme denkt, der liest nicht die ganze Wahrheit. Wenn Jesus<br />

anschließend von den Gefangenen, Blinden und Zerschlagenen spricht, steht<br />

die soziale Ebene <strong>im</strong> Vordergrund. Außerdem steckt hinter dem hier genannten<br />

Gnadenjahr nichts anderes als das schon angesprochene Erlass- beziehungsweise<br />

Jubeljahr! 16<br />

Nehmen wir einen weiteren Text genauer unter die Lupe, die so genannten<br />

Seligpreisungen in Lukas 6:<br />

„Er richtete seine Augen auf seine Jünger und sagte: Selig, ihr Armen, denn<br />

euch gehört das Reich Gottes. Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet satt<br />

werden. Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen. (…)<br />

Aber weh euch, die ihr reich seid; denn ihr habt keinen Trost mehr zu erwarten.<br />

Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern. Weh euch, die ihr<br />

jetzt lacht; denn ihr werdet klagen und weinen“ (Lukas 6,20-26).<br />

15 zudem gibt es wörtliche Parallelen des Lobgesangs Marias zum Danklied der<br />

Hanna in 1. Samuel 2,1-11.<br />

16 Vgl. Dietrich 2002, 188.<br />

EInFACH ÜBERLESEn? 2: BIBEL<br />

Gott wird die<br />

Verhältnisse von<br />

Arm und Reich<br />

umkehren.<br />

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34<br />

Just PEoPlE?<br />

Haben wir keinen<br />

Trost mehr zu<br />

erwarten, nur weil<br />

wir Westeuropäer<br />

sind?<br />

Wir müssen lernen,<br />

die Bibel auch<br />

gegen uns zu lesen.<br />

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Noch einmal die Frage – möglichst ohne „Wohlstandsbrille“: Wo müssen wir<br />

uns hier als Westeuropäer angesprochen fühlen? Wir, die wir <strong>im</strong> Vergleich<br />

mit der ganzen Welt äußerst reich sind, auch wenn wir <strong>im</strong> eigenen Land vielleicht<br />

als arm gelten? Wir, die dre<strong>im</strong>al pro Tag satt werden? Wir, die trotz<br />

Sorgen und Nöten unterem Strich viel zu lachen haben? Wie gehen wir mit<br />

diesen Aussagen von Jesus um?<br />

Kurze Diskussion zu zweit (Eventuell mit Bezug zu den Definitionen von Armut<br />

und Reichtum auf Seite 38).<br />

Was bezweckt Jesus mit dieser Konfrontation? Haben wir keinen Trost mehr<br />

zu erwarten, nur weil wir Westeuropäer sind? Vielleicht helfen folgende<br />

Gedanken, einen Umgang mit dieser Stelle zu finden: Bei Lukas kann man<br />

davon ausgehen, dass er auch hier pr<strong>im</strong>är die materiell Armen meint. Das<br />

wird schon rein durch die zweite Seligpreisung klar, bei der Jesus von denen<br />

spricht, die Hunger haben. Im Matthäusevangelium ist bei den Seligpreisungen<br />

hingegen explizit von den geistlich Armen (Matthäus 5,3: „Selig, die arm<br />

sind vor Gott“) die Rede. Armut beschreibt also bei Matthäus eine geistliche<br />

Haltung, die vielleicht so definiert werden kann: Ich bin arm, weil ich weiß,<br />

dass ich in allem von Gott abhängig bin und mich demütig für sein Reich öffne.<br />

Materieller Reichtum steht dabei oft <strong>im</strong> Wege. Man richtet sich gemütlich auf<br />

der Erde ein und lässt es sich gut gehen. Mehr noch: Man wähnt sich einerseits<br />

unabhängig von Gott und verschließt sich andererseits vor den Nöten<br />

der Menschen. In dieser Perspektive kann auch Lukas 6 als Warnung an die<br />

Reichen gelesen werden. Das Lukasevangelium liefert dazu später anschauliche<br />

Negativ-Beispiele: Der reiche Kornbauer, der sinnlos für sich selbst spart<br />

(Lukas 12,16-21), oder der reiche, egoistische Mann <strong>im</strong> Gegensatz zum armen<br />

Lazarus (Lukas 16,19-31). Jesus zeigt seinen Jüngern damit deutlich, dass wir<br />

nicht die Befriedigung unserer eigenen Bedürfnisse hier und jetzt suchen sollen.<br />

Vielmehr wird <strong>im</strong> Verlauf des Lukasevangeliums klar, dass sich speziell<br />

Reiche – aber letztlich alle Menschen – den Armen zuwenden sollen. Jesus<br />

selbst macht in seinem Handeln deutlich, dass die Armenfürsorge hohe Priorität<br />

hat. Er heilt Kranke, sucht Unreine, Ausgeschlossene, Verachtete und<br />

Notleidende auf und führt sie zurück in die Gemeinschaft mit den Menschen<br />

und mit Gott. Er macht damit gerade für die sozial Schwächeren seiner Zeit<br />

bessere Lebensverhältnisse möglich.<br />

Noch einmal zurück zu Matthäus 5: Wir sollen hungern und dürsten nach<br />

Gerechtigkeit, wir sollen barmherzig sein und Frieden stiften. Und das kann<br />

einiges kosten!<br />

In Jesus zeigt Gott seine Gerechtigkeit<br />

durch seine Gnade, seine Barmherzigkeit<br />

und seine Vergebung. Trotz<br />

der manchmal scharfen Kritik Jesu an<br />

den Reichen gilt der Gnadenzuspruch<br />

natürlich nicht nur Frommen und<br />

Gerechten, sondern allen – sowohl<br />

den Armen als auch den Reichen.<br />

Auf diesen Zuspruch folgt aber<br />

auch ein Anspruch, der sich <strong>im</strong> Leben<br />

Jesu radikal zeigt. Wieder gilt er allen<br />

– Armen und Reichen. Er möchte,<br />

dass die Menschen, welche Gottes<br />

Barmherzigkeit erlebt haben, diese<br />

Barmherzigkeit aus Dankbarkeit teilen:<br />

„Seid barmherzig, wie es auch euer<br />

Vater ist!“ (Lukas 6,36). Besonders in<br />

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Sachen Armutsbekämpfung bedeutet das für uns privilegierte Menschen<br />

in Westeuropa eine große Verantwortung. Eine Verantwortung, die wir als<br />

Abbilder Gottes tragen gegenüber den Abbildern Gottes, die in Not geraten<br />

sind – um noch einmal auf 1. Mose/Genesis 1,26 zurückzukommen.<br />

Es ist manchmal nötig, dass uns gewisse Bibelstellen aus der Ruhe bringen,<br />

ansonsten tragen wir wohl zu dicke „Wohlstandsbrillen“. Wir müssen lernen,<br />

die Bibel auch gegen uns zu lesen. Der erste Schritt dazu ist, dass wir die über<br />

2.000 Bibelstellen zu Armut und Gerechtigkeit nicht überlesen. Gott hat sich<br />

speziell auf die Seite der Armen gestellt. Im nächsten Kursteil werden wir uns<br />

damit beschäftigen, welche Konsequenzen das für unseren Missionsauftrag<br />

hat.<br />

Diskussion<br />

Kurze Diskussion zu zweit und <strong>im</strong> Plenum:<br />

• Was hat mich besonders angesprochen?<br />

• Wo bin ich anderer Meinung?<br />

• Wo werde ich weiterdenken?<br />

EInFACH ÜBERLESEn? 2: BIBEL<br />

Zum Weiterlesen<br />

• Wolfgang neuser, Armut und<br />

Reichtum in der Bibel, Seite 114<br />

• Andreas Kusch, Der Kampf<br />

gegen Armut und für mehr<br />

Gerechtigkeit, Seite 118<br />

• Paul Kleiner, Das Reich Gottes,<br />

Seite 122<br />

• Irgendeine Bibel aus deinem<br />

Bücherregal und die Auswahl<br />

von Bibelstellen zu Armut und<br />

Reichtum auf Seite 36<br />

• The Poverty & Justice Bible,<br />

Contemporary English Version,<br />

new York, 2008 (Eine deutsche<br />

Version ist in Entwicklung:<br />

www.micha-initiative.de.)<br />

• Faix, Tobias und Volke, Stephan<br />

(Hg.), WELTBLICK. Was Christen<br />

über Armut denken. Die<br />

Compassion-Studie, Schwarzenfeld,<br />

2010<br />

zum Weitersurfen lohnt sich ein<br />

Blick in unsere Link-Liste auf<br />

www.just-people.net.<br />

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35


36<br />

Just PEoPlE?<br />

Altes Testament<br />

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Auswahl von Bibelstellen zu Armut und<br />

Reichtum<br />

Hier findest du eine Auswahl von Bibelstellen zu Armut und Reichtum. Die<br />

thematische Gliederung soll dabei nur ein Versuch sein, die vielseitige und<br />

differenzierte Beschäftigung der Bibel mit diesem Thema zum Ausdruck<br />

bringen. Da es sich um eine Auswahl handelt, fehlen sicherlich einige ganz<br />

wichtige und vor allem viele weitere Stellen, welche die Aussagen der aufgeführten<br />

Bibelstellen noch einmal bestätigen würden. Schon diese Auswahl<br />

zeigt aber sehr schön, wie wichtig in der Bibel das Thema Armut und Reichtum<br />

ist.<br />

Lass dich mitnehmen auf eine spannende Entdeckungsreise!<br />

Reichtum als Segen beziehungsweise gute Gabe Gottes:<br />

• 1.Mose 24,35; 26,12-14; 27,27-28; 30,27-30; 3. Mose 26,4-10; 5. Mose 8,18; 28,3-12; Hiob 1,3; 42,10-12;<br />

Psalm 65,10-14; 112,2-3; Sprüche 10,22<br />

Gesetze in den fünf Büchern Mose zugunsten der Armen:<br />

• 3. Mose 19,9-10: Bei der Ernte auch etwas den Armen überlassen<br />

• 2. Mose 22,20-24 (vgl. Maleachi 3,5): Arme – hier: Waisen, Witwen und Fremde – nicht ausnützen<br />

• 2. Mose 23,6: Das Recht der Armen nicht beugen<br />

• 3. Mose 25,10-16: Jubeljahr: alle erhalten nach 50 Jahren wieder ihren ursprünglichen Grundbesitz<br />

• 5. Mose 14,28-29: Den zehnten alle drei Jahre an die Armen geben<br />

• 5. Mose 15,1-5: Erlassjahr: alle sieben Jahre ein Schuldenerlass<br />

• 5. Mose 24,17-18: Armenrecht<br />

Gebete von Hiob und in den Psalmen*:<br />

• Psalm 9,10; 10,18; 22,25: Gott hört das Schreien der Armen<br />

• Psalm 12,6; 22; 38; 55: Schilderung u.a. sozialer not<br />

• Psalm 41,2; 146,6-9: Wohl dem, der sich des Schwachen ann<strong>im</strong>mt…<br />

• Psalm 49; 73: Gesellschaftskritik<br />

• Psalm 72: Der König als Retter der Armen<br />

• Psalm 146: Gott als Beschützer der Armen<br />

• Hiob 24,2-5: Klage über die Gottlosen und das Leiden der Armen<br />

• Hiob 29,12-16: Gerechtigkeit bedeutet Armenfürsorge<br />

Weisheits-Sprüche über Armut und Reichtum:<br />

• Sprüche 30,8-9: Gib mir weder Armut noch Reichtum<br />

• Sprüche 6,6-8; 10,4; 12,11; 19,15; 21,17; 23,20-21; 24,30-34; 28,19: Auflistung von Gründen für eine mögliche<br />

Selbstverschuldung der Armut<br />

• Sprüche 14,31; 19,17; 28,27: Argumente für die Armenfürsorge<br />

• Sprüche 22,9: Wohlstand bringt Verantwortung<br />

• Sprüche 22,22-23: Gott streitet für die Armen<br />

Prophetische Reichtums- und Sozialkritik und Aufforderung zu Armenfürsorge:<br />

• Jesaja 5,8-9: Weh euch, die ihr Haus an Haus reiht…<br />

• Jesaja 58,6-8: Das wahre Fasten<br />

• Jeremia 5,27; 22,3-17; Hesekiel 45,9; Amos 2,6-8; 3,9-10; 5,10-15; 6,1-12: Ungerechtigkeit der Reichen und<br />

Mächtigen<br />

• Micha 2-3: Gegen die Habsüchtigen und Rechtsbrecher<br />

• Micha 6,8: Recht, Güte, Treue und Ehrfurcht<br />

* In einigen (weiteren) Psalmen beschreibt Armut auch eine Haltung der Demut gegenüber Gott.<br />

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(Prophetische) Verheißungen zugunsten der Armen:<br />

• 2. Mose 3,7-8: Gott sieht die not seines Volkes und reagiert darauf<br />

• Jesaja 11,1-5: Der Messias der Gerechtigkeit<br />

• Jesaja 61,1-3: Eine frohe Botschaft für die Armen<br />

neues Testament<br />

EInFACH ÜBERLESEn? 2: BIBEL<br />

Jesus als Armer:<br />

• Lukas 2: Die Geburt Jesu in ärmsten Verhältnissen<br />

• Lukas 9,58: Der Menschensohn hat keinen ort, wo er sein Haupt hinlegen kann<br />

Jesus für die Armen und die Umkehrung der Verhältnisse:<br />

• Lukas 1,46-55: Der Lobgesang der Maria<br />

• Lukas 4,16-21: … damit ich den Armen eine gute nachricht bringe<br />

• Lukas 6,20-26: Seligpreisung der Armen (vgl. auch die Seligpreisungen in Matthäus 5,3-12)<br />

• Lukas 16,1-31: Der reiche Mann und der arme Lazarus<br />

• Jakobus 1,9-11: Der Arme darf sich rühmen, der Reiche wird vergehen<br />

Aufforderung, alles zu verlassen/zu verkaufen (und den Armen zu geben):<br />

• Lukas 9,1-6;23-27;57-62; 10,1-12; 14,25-27: nachfolge bedeutet, alles zu verlassen<br />

• Lukas 12,33: Aufforderung an die Jünger, alles zu verkaufen und Almosen zu geben<br />

• Markus 12,41-44: Das Scherflein der Witwe<br />

• Lukas 18,18-30, Matthäus 19,16-30, Markus 10,17-31: Der reiche Jüngling<br />

• 1. Korinther 13,3: ohne Liebe bringt es auch nichts, seine ganze Habe den Armen zu geben<br />

Reichtumskritik und Warnung vor der Habgier:<br />

• Matthäus 6,19-24: Mammon oder Gott<br />

• Lukas 12,13-34: Der reiche Kornbauer, falsches und rechtes Sorgen<br />

• Lukas 16,1-31: Der kluge Verwalter, der rechte Gebrauch des Reichtums, der reiche<br />

Mann und der arme Lazarus<br />

• Jakobus 4,13-5,6: negativbeispiele von Geschäftsmachern und Reichen<br />

• Römer 1,29; 1. Korinther 5,10-11; 6,10; Kolosser 3,5; 1. Thessalonicher 2,5; 4,6;<br />

1. T<strong>im</strong>otheus 6,6-11: Warnung vor der Habgier<br />

Aufforderung zur Nächstenliebe und Armenfürsorge (innerhalb und außerhalb der Gemeinde):<br />

• Matthäus 25,31-46: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt…<br />

• Lukas 3,10-14: Predigt des Täufers<br />

• Lukas 6,27-38: Bedingungslose Barmherzigkeit<br />

• Lukas 10,25-37: Der barmherzige Samariter<br />

• Lukas 14,12-14: Das Gastmahl für die Armen<br />

• Apostelgeschichte 20,35: Geben ist seliger denn nehmen<br />

• Römer 15,25-28; 1. Korinther 16,1-4; 2. Korinther 8-9: Kollektensammlung für<br />

die verarmte Gemeinde in Jerusalem<br />

• 1. Korinther 11,17-34: (Un)soziales Verhalten bei der Abendmahlsfeier<br />

• 1. Johannes 3,17-18: Gottesliebe führt zu Armenfürsorge<br />

• Jakobus 2: Unparteilichkeit, nächstenliebe, Barmherzigkeit<br />

Positivbeispiele von Reichen:<br />

• Lukas 19,1-10: zachäus<br />

• Apostelgeschichte 9,36; 10,2: Tabita und Cornelius als großzügige Reiche<br />

Immaterieller Reichtum:<br />

• Römer 2,4; Epheser 1,7: „Reichtum Gottes“ als Ausdruck des Ausmaßes der Gnade und Güte Gottes<br />

• Lukas 12,21; Jakobus 2,5: Reich-Sein (<strong>im</strong> Glauben) vor Gott<br />

Weitere:<br />

• Lukas 22,35-38: Geldbeutel behalten angesichts der kommenden Bedrängnis<br />

• 1. Thessalonicher 4,11-12: Mit eigenen Händen arbeiten, um auf niemanden angewiesen zu sein<br />

• 2. Thessalonicher 3,10b: Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen<br />

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Just PEoPlE?<br />

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Definitionen von Armut und Reichtum<br />

„Armut“ und „Reichtum“ sind umfassende und vielseitig verwendete Begriffe.<br />

Da wir diese Begriffe <strong>im</strong> Kurs ständig verwenden, wollen wir euch zwei Vorschläge<br />

für die Definitionen machen, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit<br />

erheben. Sie sind auf jeden Fall ergänzungsbedürftig. Wenn wir <strong>im</strong> Kurs<br />

allerdings von Armut und Reichtum sprechen, haben wir diese Definitionen<br />

<strong>im</strong> Hinterkopf. 1<br />

Eigene Defintionen:<br />

Armut<br />

Allgemeine Definition:<br />

Bei der Abgrenzung des Begriffs „Armut“ gehen die Meinungen weit auseinander<br />

– je nachdem, in welchem Zusammenhang er gebraucht wird. Möchte<br />

man Armut messen und vergleichen, steht meistens das Einkommen von<br />

Menschen <strong>im</strong> Mittelpunkt. Aber materielle Armut hängt von vielen anderen<br />

Faktoren ab. So kann man beispielsweise als Selbstständige/r durchaus<br />

genügend Nahrung, Kleidung und eine vernünftige Unterkunft besitzen,<br />

ohne dass man über ein regelmäßiges Einkommen verfügt.<br />

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich aber <strong>im</strong>mer mehr ganzheitliche<br />

Ansätze durchgesetzt, die auch zu erklären versuchen, welche Strukturen<br />

und Prozesse zu Armut führen. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten<br />

Nationen UNDP definierte 1997 Armut wie folgt:<br />

„Armut manifestiert sich in den Entbehrungen, die das Leben der Menschen<br />

best<strong>im</strong>men. Armut bedeutet häufig nicht nur das Fehlen notwendiger Vor-<br />

1 Hochstrasser, Stefan, „Selig ihr Armen – wehe euch, ihr Reichen“ (Lk 6,20.24) – Armut<br />

und Reichtum in neutestamentlicher Perspektive, Masterarbeit an der Universität<br />

Bern, 2009.<br />

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aussetzungen für materielles Wohlbefinden, sondern auch die Vorenthaltung<br />

von Chancen auf ein erträgliches Leben. (...) Entscheidend sind die Möglichkeiten,<br />

ein gesundes Leben zu führen, Bildung zu erwerben und einen<br />

angemessenen Lebensstandard zu genießen. Sie werden ergänzt durch politische<br />

Freiheiten, garantierte Menschenrechte und verschiedene Elemente<br />

der Selbstachtung.“ 2<br />

Andere Ansätze gehen noch weiter und suchen die Wurzel von Armut in<br />

Beziehungen und Machtverhältnissen: „Armut und die Armen kann man nur<br />

verstehen, wenn man die Beziehungen zwischen den Armen und den Nicht-<br />

Armen klar <strong>im</strong> Auge behält“ 3 , schreibt beispielsweise Bryant Myers. In seinem<br />

Buch „Walking with the Poor“ entwickelt er solche relationalen Armutsansätze<br />

noch weiter und betont, dass auch eine gestörte Gottesbeziehung ein<br />

Aspekt von Armut ist. In christlichen Entwicklungsprojekten spielen diese<br />

Ideen eine entscheidende Rolle.<br />

In der politischen Diskussion geht es aber zumeist nach wie vor um Einkommensarmut.<br />

Dabei gilt der als relativ arm, der mit seinen Einkünften unterhalb<br />

einer best<strong>im</strong>mten Prozentzahl des Durchschnittseinkommens liegt. 4<br />

Hier kommt es also auf die Verteilung des Reichtums in einem Land an. Als<br />

absolute Armut wird hingegen ein Zustand bezeichnet, in dem man keinen<br />

Zugang zu lebenswichtigen Gütern besitzt. Die internationale Armutsgrenze<br />

lag über Jahre bei 1 US-Dollar pro Tag, 2008 wurde die Grenze von der Weltbank<br />

auf 1,25 US-Dollar korrigiert. Trotz ihrer Schwächen hat eine solche<br />

Grenze den Vorteil, weltweite Ungleichheit sichtbar zu machen. Deshalb hat<br />

diese Armutsgrenze auch Eingang in die Millenniumsziele gefunden.<br />

In diesem Kurs geht es um Menschen, deren Armut von existenzieller Bedrohung<br />

ist. Damit sind besonders jene Menschen gemeint, die mit weniger als<br />

1,25 US-Dollar pro Tag leben müssen, also unterhalb der internationalen<br />

Armutsgrenze liegen. Allerdings sollte es für uns als Christen das Ziel sein,<br />

Armut ganzheitlich zu begegnen, damit mehr Leute ihre gottgegebene Menschenwürde<br />

erkennen und erfahren dürfen.<br />

Biblische Sicht: 5<br />

Armut ist überall in der Bibel präsent. Es gibt in der Bibel <strong>im</strong> Hebräischen<br />

und Griechischen mehrere Begriffe für Armut. Meistens ist dort materielle<br />

Armut gemeint. Allerdings können die eben genannten ganzheitlichen<br />

Armutsansätze sicherlich auch auf die Situation der Armen in der Bibel übertragen<br />

werden. Für Arme gibt es in der Bibel viele Synonyme: Waisen und<br />

Witwen, Fremde (als weitgehend Chancen- und Rechtlose in der damaligen<br />

Zeit, vgl. 2. Mose 22,20-22; Maleachi 3,5), Schwache (Psalm 12,6), Gebeugte<br />

oder Unterdrückte (Psalm 72; Hiob 24,4) und so weiter. Gerade hinter Klagepsalmen<br />

steht oft schwere materielle Armut (Psalm 22). In einigen Psalmen<br />

oder in der berühmten Stelle Matthäus 5,3 („Selig die geistlich Armen“)<br />

kann Armut allerdings auch eine (Armuts)Haltung gegenüber Gott beschreiben:<br />

Die Armen sind in diesem Kontext die bescheidenen Frommen oder <strong>im</strong><br />

Falle der Psalmen sogar das fromme Gottesvolk. Die Bibelstellen mit diesem<br />

2 UnDP, Bericht über die menschliche Entwicklung, Bonn, 1997.<br />

3 Eigene Übersetzung nach: Myers, Bryant, Walking with the Poor. Principles and Practices<br />

of Transformational Development, World Vision International, new York, 1999.<br />

4 In Deutschland und der Schweiz liegt die relative Armutsgrenze bei 50 Prozent des<br />

Durchschnittseinkommens des jeweiligen Landes.<br />

5 Die genannten Bibelstellen sind lediglich eine kleine Auswahl.<br />

EInFACH ÜBERLESEn? 2: BIBEL<br />

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Just PEoPlE?<br />

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Armutsansatz sind aber klar in der Minderheit.<br />

Materielle Armut wird nur bei der Aussendung der Jünger (Lukas 9,1-6)<br />

explizit als Bedingung genannt. Ansonsten wird in der ganzen Bibel deutlich,<br />

dass materielle Armut ein Übel und daher zu bekämpfen ist. So zieht sich die<br />

Aufforderung zur Armenfürsorge durch die ganze Bibel (5. Mose 24,17-18;<br />

Sprüche 14,31; Jesaja 58,6-8; Matthäus 25,31-46; Lukas 14,12-14; 1. Johannes<br />

3,17-18). Deutlich ist die besondere Zuwendung Gottes zu den Armen (Exodus<br />

3,7; 22,21-23; Lukas 6,20-22; Jakobus 2,5). Gerade die alttestamentlichen<br />

Propheten ergriffen deshalb <strong>im</strong>mer wieder Partei für die Armen (Amos 2,6-8;<br />

Jesaja 61,1-3). „Prototyp“ eines absolut Armen in der Bibel ist beispielsweise<br />

Lazarus in Lukas 16,19-31.<br />

Reichtum<br />

Allgemeine Definition:<br />

Das Wort „Reichtum“ bezieht sich auf die Verfügbarkeit von materiellen oder<br />

<strong>im</strong>materiellen Gütern. Reichtum lässt sich also nicht auf materielle Güter<br />

reduzieren. So kann sich auch ein materiell armer Mensch als reich betrachten,<br />

sofern er glücklich ist. Obwohl in diesem Kurs grundsätzlich der materielle<br />

Reichtum in Form von Geld und Besitz (beziehungsweise Ressourcen)<br />

<strong>im</strong> Vordergrund steht, darf der <strong>im</strong>materielle Reichtum natürlich nicht außer<br />

Acht gelassen werden. Natürlich gibt es unterschiedliche Möglichkeiten,<br />

Reichtum von Armut abzugrenzen. In der Diskussion zum Begriff „Armut“<br />

sind wir näher darauf eingegangen.<br />

Biblische Sicht: 6<br />

Es gibt zwar keine unterschiedlichen Begriffe in der Bibel für Reichtum,<br />

aber wir können aus dem jeweiligen Zusammenhang drei unterschiedliche<br />

Bedeutungen ableiten:<br />

• selten als Ausdruck des Ausmaßes der Gnade und Güte Gottes gegenüber<br />

den Menschen (Römer 2,4; Epheser 1,7),<br />

• selten als „Reich-Sein“ (<strong>im</strong> Glauben) vor Gott (Jakobus 2,5; Lukas<br />

12,21), 7<br />

• oft als Begriff für großen materiellen Besitz. Dabei wird der Reichtum<br />

<strong>im</strong> Alten Testament zunächst als Segen – beziehungsweise gute Gabe<br />

Gottes – betrachtet (Genesis 24,35; Hiob 42,10). Allerdings sind die Reichen<br />

auch regelmäßige Adressaten der Kritik der Propheten, da sie als<br />

Reiche die Armen unterdrücken (Jesaja 5,8; Jeremia 5,27; Hesekiel 45,9;<br />

Amos 3,9-10; Maleachi 3,5). Im Neuen Testament wird der materielle<br />

Reichtum meist negativ bewertet. Die Reichen müssen zuweilen pauschal<br />

Kritik einstecken (Lukas 6,24-26; Jakobus 1,9-11) und werden besonders<br />

herausgefordert (Lukas 12,16-21; 18,18-27). Allerdings sind sie auch<br />

Adressaten der liebevollen Zuwendung Jesu (Lukas 19,1-10) und können<br />

durchaus als Vorbilder genannt werden, sofern sie großzügig abgeben<br />

(Apostelgeschichte 10,2).<br />

6 Und wieder: Die genannten Bibelstellen lediglich eine kleine Auswahl.<br />

7 Wolter, Michael, Der Reichtum Gottes, in: Jahrbuch für Biblische Theologie 21,<br />

neukirchen-Vluyn, 2007, 145-160.<br />

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EInFACH ÜBERLESEn? 2: BIBEL<br />

Angepackt!<br />

Bis zur Kurseinheit 3 nehme ich mir vor:<br />

• Ich überlese nicht, sondern streiche an! Bei der persönlichen<br />

Bibellektüre markiere ich Verse zu Armut und Gerechtigkeit mit<br />

derselben Farbe.<br />

•<br />

•<br />

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Notizen<br />

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KURSEInHEIT 3:<br />

EInFACH PREDIGEn? 3: MISSIon<br />

MIssIoN – EInFACH<br />

PREDIGEn?<br />

Darum geht’s: Mission bezieht in der Bibel alle Aspekte des Lebens ein,<br />

sie ist integral.<br />

Genauer gesagt:<br />

• Mission: Das Herzensanliegen eines Menschen<br />

• Vorstellungen in Gemeinden von ihrer Mission: zwischen Wortverkündigung<br />

und sozialem Engagement<br />

•<br />

Micha-Erklärung: Integrale Mission versucht, allen Aspekten von<br />

Mission gerecht zu werden, also das Evangelium zu predigen und<br />

praktisch umzusetzen.<br />

• Mission <strong>im</strong> christlichen Sinne fragt nach Gottes Mission.<br />

• Biblische Beispiele für integrale Mission: Auszug aus Ägypten, der<br />

Prophet Micha (6,8), die Geschichte vom barmherzigen Samariter<br />

(Lukas 10,25-37) sowie Jesu Tod und Auferstehung<br />

• Integrale Mission als Grundhaltung und Lebensprojekt kann nur als<br />

Gemeinde umfassend gelebt werden!<br />

Fragen, die wir stellen: Wie verstehe ich Mission? Und wie meine Gemeinde?<br />

Warum wird Mission so unterschiedlich definiert? Wie kann ich<br />

von Situation zu Situation zum nächsten werden? Was bedeutet integrale<br />

Mission für die Gemeinde?<br />

So machen wir’s:<br />

• Rollenspiel „Gemeindeleitung“<br />

• Brainstorming zu Mission<br />

• Referat mit Diskussion<br />

• Formulierung des eigenen Missionsverständnisses<br />

• „Kleiner Lebenstest“<br />

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Just PEoPlE?<br />

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Rollenspiel „Gemeindeleitung“<br />

Ausgangssituation: Eine Gemeindeleitung trifft sich zu einer Sitzung<br />

und diskutiert darüber, ob sie einen Just People?-Kurs in der Gemeinde<br />

starten soll oder nicht.<br />

Der Pfarrer/Prediger und „Vermittler“*: Er leitet die Sitzung und ist<br />

selbst am Kurs interessiert, weiß aber nicht so recht, ob er damit in<br />

der Gemeinde ankommt. Dass es in der Bibel viel um (soziale) Gerechtigkeit<br />

geht, ist ihm jedenfalls bewusst. Er ringt selbst mit der Frage,<br />

was dies für sein persönliches Leben, für das Gemeindeleben und für<br />

das politische und gesellschaftliche Engagement zu bedeuten hat. nun<br />

ist er gespannt, was die anderen der Gemeindeleitung über den Just<br />

People?-Kurs denken. Außerdem will er versuchen, bei Meinungsverschiedenheiten<br />

zu vermitteln.<br />

„Der Evangelist“: Er betont die Wortverkündigung. Ihm geht es darum,<br />

dass sich so viele Menschen wie möglich bekehren: Ein Gemeindekurs<br />

bringt nur dann etwas, wenn Menschenseelen gerettet werden.<br />

Alles andere ist zeitverschwendung. Er wurde in einer eher armen<br />

Familie auf dem Land groß und hat selbst hart für seinen Lebensunterhalt<br />

arbeiten müssen. Seine Überzeugung: Wer ehrlich und hart<br />

arbeitet (und natürlich täglich betet), der bekommt auch genug zum<br />

Leben. Das weiß er aus eigener Erfahrung.<br />

„Der Seelsorger“: Er fragt sich, ob momentan der richtige zeitpunkt<br />

für einen solchen Kurs ist, denn viele Gemeindeglieder schlagen sich<br />

mit persönlichen Problemen herum und brauchen deswegen Hilfe.<br />

Daher findet er es wichtiger, den Fokus mehr auf die Seelsorge zu<br />

richten. Die Gemeindeglieder brauchen Ermutigung und ein solcher<br />

Kurs führt wohl eher zu einem schlechten Gewissen.<br />

„Der Soziale“: Er will bedürftigen Menschen helfen so gut er kann.<br />

Die Gemeinde soll ein ort sein, an dem man Solidarität und praktische<br />

nächstenliebe lebt. Er selbst hatte das Privileg, in einem reichen<br />

Umfeld aufzuwachsen und will von seinem Glück etwas zurückgeben.<br />

Es wäre genial, wenn die Gemeinde den Armen mehr praktisch dienen<br />

könnte, aber der politische Aspekt des Kurses macht „dem Sozialen“<br />

Bauchschmerzen. Es ist nicht Aufgabe der Kirche, sich politisch zu engagieren!<br />

Und sowieso: Die Probleme der Welt sind schlicht unlösbar.<br />

„Der Eine-Welt-Aktivist“: Die soziale Ungerechtigkeit in der Welt<br />

macht ihn wütend! Er findet, dass sich viele in der Gemeinde kaum um<br />

die Armutsbekämpfung kümmern. Die Gemeinde ist für ihn eigentlich<br />

ein „Wohlfühl-Club“ von Leuten aus der Mittelschicht. Er selbst zitiert<br />

gerne die provokanten Verse von Amos, Jesus oder Jakobus: Wenn<br />

man schon die Bibel wörtlich nehmen will, dann muss sich das auch in<br />

der Gemeinde zeigen. Dazu gehört einerseits die nächstenliebe, aber<br />

andererseits auch das politische Engagement. Es dürfen nicht nur<br />

Symptome bekämpft werden – die Probleme müssen vielmehr strukturell<br />

von der Wurzel her gelöst werden.<br />

Der Pfarrer/Prediger eröffnet die Sitzung:<br />

„Ich möchte mit euch darüber diskutieren, ob wir Just People? in unserer<br />

Gemeinde durchführen sollen. Was meint ihr?“<br />

* natürlich dürfen sich Frauen und Männer gleichermaßen angesprochen fühlen.<br />

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Referat 3:<br />

Mission – einfach predigen?<br />

Wer hat eigentlich welche Mission?<br />

„Mission“ – dieser Begriff hat eine lange Wirkungsgeschichte. In den Gemeinden<br />

spricht man bis heute davon, „in die Mission zu gehen“. Die Missionare<br />

werden dazu von einer Gemeinde in ein fernes Land ausgesandt.<br />

Das Wort „Mission“ kommt vom lateinischen Verb mittere‚ was mit „entsenden,<br />

schicken“ übersetzt werden kann. Mission bedeutet also <strong>im</strong> ursprünglichen<br />

Wortsinn: Jemand wird mit einem best<strong>im</strong>mten Auftrag „ausgesandt“.<br />

Heute kann allerdings generell gesagt werden: Jeder Mensch hat eine Mission.<br />

Inhalt seiner Mission ist sein Herzensanliegen – also das, was er in seinem<br />

Umfeld bewirken und wie er die Welt verändern will. Im Brainstorming<br />

zu Mission sind die unterschiedlichen Aspekte von Mission und vielfältigen<br />

Missionsverständnisse deutlich hervorgetreten.<br />

Auch jede Gemeinde oder christliche Organisation fragt sich: Was ist<br />

unsere Mission? Vielleicht verwenden nicht alle den Begriff Mission, aber es<br />

ist wichtig, sich über seinen Auftrag klar zu werden. 1<br />

Schauen wir kurz zurück auf das Rollenspiel: In dieser Gemeindeleitung ist<br />

der Konflikt unvermeidbar. Die verschiedenen Mitglieder der Gemeindeleitung<br />

– „der Evangelist“, „der Seelsorger“, „der Soziale“ und „der Eine-Welt-<br />

Aktivist“ – brennen für unterschiedliche Themen und setzen deshalb unterschiedliche<br />

Schwerpunkte innerhalb der Gemeinde-Mission. Der Evangelist<br />

könnte zum Beispiel sagen: „Das Reich Gottes ist nicht von dieser Welt und<br />

wenn wir uns zu sehr sozial engagieren, dann leidet unsere wichtigste Mission:<br />

Menschen zu bekehren.“ 2 Und sofort bricht eine heftige Diskussion los,<br />

die sich letztlich um das Verhältnis von Wortverkündigung und sozialem<br />

Engagement dreht.<br />

Bevor wir uns in diese Diskussion einschalten, hier zunächst ein paar Fragen,<br />

über die jede und jeder für sich kurz nachdenken sollte:<br />

• Wie wird in meiner Gemeinde/unseren Gemeinden über Mission gesprochen?<br />

Gibt es eine Definition oder eine wichtige Bibelstelle für das Missionsverständnis<br />

meiner Gemeinde/unserer Gemeinden?<br />

• Zeigt sich unsere Mission in den Gemeindeprogrammen und -aktivitäten?<br />

• Oder falls kein „offizielles Missionsverständnis“ bekannt ist: Wenn ich<br />

die Gemeindeprogramme und -aktivitäten anschaue: Welches Missionsverständnis<br />

steht unbewusst dahinter?<br />

Warum wird Mission so unterschiedlich definiert? Auch das Rollenspiel hat<br />

eben gezeigt: Da gibt’s völlig unterschiedliche Missionsverständnisse. Eine<br />

1 Von McDonald’s (vgl. McDonalds Mission Statement, http://www.samples-help.<br />

org.uk/mission-statements/mcdonalds-mission-statement.htm, 14.04.2010) bis<br />

Amnesty International (vgl. Amnesty International’s Mission Statement, http://www.<br />

uoregon.edu/~amnesty/mission.html, 14.04.2010) haben heute sogar viele säkulare<br />

Firmen ein Mission Statement.<br />

2 Vgl. die Anleitung zum Untätigsein auf Seite 24.<br />

EInFACH PREDIGEn? 3: MISSIon<br />

Jeder Mensch hat<br />

eine Mission. Inhalt<br />

seiner Mission ist<br />

sein Herzensanliegen<br />

– also das,<br />

was er in seinem<br />

Umfeld bewirken<br />

und wie er die Welt<br />

verändern will.<br />

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Just PEoPlE?<br />

Wozu soll man sich<br />

überhaupt sozial<br />

engagieren? Die<br />

Welt wird ja eh<br />

nicht besser!<br />

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zentrale Frage dabei lautet: In welchem Verhältnis stehen Wortverkündigung<br />

und soziales Engagement? Nicht von ungefähr waren <strong>im</strong> Rollenspiel<br />

die Konflikte zwischen „dem Evangelisten“ und „dem Sozialen“ beziehungsweise<br />

„dem Eine-Welt-Aktivisten“ am stärksten.<br />

Der Text in diesem Kasten bietet einen sehr kurzen historischen Überblick zur<br />

Diskussion um das Verhältnis von Wortverkündigung und sozialem Engagement<br />

<strong>im</strong> 20. Jahrhundert aus Sicht des Theologen John Stott. Er enthält<br />

daher interessante Zusatzinformationen, die man an dieser Stelle einfließen<br />

oder weglassen kann.<br />

Die Diskussion um das Verhältnis von Wortverkündigung<br />

und sozialem Engagement <strong>im</strong> 20. Jahrhundert<br />

Auch theoretisch haben sich Theologen <strong>im</strong>mer wieder damit beschäftigt,<br />

wie Wortverkündigung und soziales Engagement zueinander stehen oder<br />

stehen sollten. Einer dieser Theologen ist der Brite John Stott. Im ersten<br />

Band seiner Buchreihe „Christsein in den Brennpunkten unserer Zeit“<br />

schreibt er, dass in den ersten dreißig Jahren des 20. Jahrhunderts das<br />

soziale Engagement bei den Evangelikalen stark abgenommen habe. 3<br />

Eines vorweg: Natürlich sind die Begriffe „evangelikal“ auf der einen<br />

Seite und „liberal“ auf der anderen Seite problematisch. Dadurch kann<br />

ein gefährliches Schubladendenken entstehen, das dem einzelnen Menschen<br />

und seinem Glauben natürlich nicht gerecht wird. Evangelikal und<br />

liberal zeigen aber Tendenzen auf und können deshalb helfen, Entwicklungen<br />

besser zu verstehen und einzuordnen.<br />

Stott nennt für die Abnahme des sozialen Engagements bei den Evangelikalen<br />

folgende Gründe:<br />

• Die Konzentration auf den Kampf gegen die liberale Theologie:<br />

Die liberale Theologie kritisierte gewisse überlieferte Glaubensgrundlagen<br />

und fragte zum Beispiel, was an der Bibel historisch überhaupt<br />

glaubwürdig sei. Zudem wollten einige liberale Theologen allein durch<br />

soziales Engagement sprichwörtlich den H<strong>im</strong>mel auf Erden errichten:<br />

Sie betrachteten das Reich Gottes als das ideale menschliche Zusammenleben,<br />

das der Mensch hier und jetzt selbst verwirklichen kann.<br />

Die Menschen an sich sind nicht verloren und müssen deshalb auch<br />

nicht errettet werden. Wie reagierten die Evangelikalen darauf? Sie<br />

verteidigten ihre Glaubensüberzeugungen und konzentrierten sich<br />

aufs Predigen und Bekehren von Menschen. Dabei vernachlässigten sie<br />

aber das soziale Engagement.<br />

• Der Pess<strong>im</strong>ismus nach dem 1. Weltkrieg: Der 1. Weltkrieg hatte das<br />

Böse <strong>im</strong> Menschen einmal mehr offenbart. Eine große Ernüchterung<br />

machte sich breit, die auch bei den Evangelikalen zur Ansicht führte<br />

oder diese erst recht verstärkte: Wozu soll man sich überhaupt sozial<br />

engagieren? Die Welt wird ja eh nicht besser!<br />

• Der Einfluss eines best<strong>im</strong>mten Endzeitglaubens: Viele Christen<br />

glaubten und glauben, dass Jesus bald wiederkommt und durch ihn<br />

die Welt dann sowieso neu erschaffen wird. Ist es da nicht sinnlos, sich<br />

„jetzt noch“ für eine bessere Welt einzusetzen? Lieber so viele Men-<br />

3 Vgl. Stott, John, Christsein in den Brennpunkten unserer Zeit. Bd. 1: … in einer nichtchristlichen<br />

Gesellschaft, Marburg, 1987, 17-24.<br />

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schen wie möglich durch Wortverkündigung „aus dem sinkenden<br />

Schiff“ retten!<br />

• Das Aufkommen der Mittelschicht: Das soziale Engagement nahm<br />

auch ab, weil das Christentum <strong>im</strong> 20. Jahrhundert in den westlichen Ländern<br />

zu einer Bewegung der Mittelschicht wurde. Dies sieht man heute<br />

unter anderem anhand der durchschnittlichen Gemeindestruktur: 4<br />

Nur wenig arme Menschen verirren sich in die Kirchen des Westens.<br />

So weit, so gut. Es stellt sich aber die Frage: Ist die Problematik zwischen<br />

Wortverkündigung und sozialem Engagement erst <strong>im</strong> 20. Jahrhundert aufgetreten?<br />

War das vorher gar kein Thema? Sicherlich schon. Man könnte<br />

auch gut und gerne 2.000 Jahre Kirchengeschichte daraufhin untersuchen,<br />

aber die angesprochenen Entwicklungen <strong>im</strong> 20. Jahrhundert sind<br />

für unsere heutige Situation am ehesten aufschlussreich.<br />

Natürlich können Stotts Gründe kritisch hinterfragt werden – schon<br />

deshalb, weil er sehr komplexe Zusammenhänge vereinfacht darstellt.<br />

Unterm Strich hat er aber wohl recht, dass diese Faktoren bis heute in der<br />

evangelikalen Welt nachwirken. Gerade der letzte Punkt mit dem Aufkommen<br />

der Mittelschicht: Könnte dieser nicht unsere „Wohlstandsbrille“<br />

aus dem letzten Referat erklären? Oft ist Armut bei uns vor allem <strong>im</strong> geistlichen<br />

Sinne ein Thema.<br />

Auch auf verschiedenen Weltmissionskongressen <strong>im</strong> 20. Jahrhundert wurde<br />

das Verhältnis von Wortverkündigung und sozialem Engagement <strong>im</strong>mer<br />

wieder diskutiert. Unter anderem rief man dazu auf, Jesus „radikal“ 5 nachzufolgen<br />

und sein ganzes Leben als Mission zu begreifen. Wortverkündigung<br />

und soziales Engagement haben eine gemeinsame Quelle: das eine, ganze<br />

Evangelium. Diese Weltmissionskongresse haben einen Prozess mit nachhaltiger<br />

Wirkung ausgelöst. 6<br />

Wir lesen und behandeln jetzt einen kleinen Ausschnitt aus der Micha-<br />

Erklärung 7 . Sie steht in dieser Tradition von einer evangelikalen 8 Suche nach<br />

Ganzheitlichkeit. In der Erklärung wird ein Begriff eingeführt, der auch für<br />

Just People? grundlegend ist: „integrale Mission“.<br />

Die Micha-Erklärung zur integralen Mission<br />

Im ersten Abschnitt der Micha-Erklärung steht (jede und jeder liest für sich):<br />

Integrale Mission oder ganzheitliche Veränderung ist die Verkündigung<br />

und praktische Umsetzung des Evangeliums. Dies bedeutet nicht einfach,<br />

dass Evangelisation und soziales Engagement parallel erfolgen sollten.<br />

Vielmehr hat unsere Verkündigung bei integraler Mission soziale Kon-<br />

4 Dies allein wäre eine interessante Diskussion: Warum und wie wurde das Christentum<br />

mehrheitlich zu einer „Mittelschichts-Bewegung“?<br />

5 „Radikal“ kommt übrigens vom lateinischen radix, was Wurzel bedeutet. Radikal<br />

nachzufolgen bedeutet demnach, „verwurzelt“ <strong>im</strong> Leben und Wirken Jesu zu sein.<br />

6 Vgl. Hardmeier, Roland, Kirche ist Mission. Auf dem Weg zu einem ganzheitlichen Missionsverständnis,<br />

Schwarzenfeld, 2009, vii.<br />

7 Die Erklärung ist die Grundlage der Kampagne Micah Challenge und von über 300<br />

weiteren christlichen Hilfswerken, die sich <strong>im</strong> weltweiten Micha-netzwerk zusammengeschlossen<br />

haben. Website des netzwerkes: www.micahnetwork.org.<br />

8 natürlich sind die Begriffe „evangelikal“ auf der einen Seite und „liberal“ auf der<br />

anderen Seite problematisch. Dadurch kann ein gefährliches Schubladendenken<br />

entstehen, das dem einzelnen Menschen und seinem Glauben natürlich nicht gerecht<br />

wird. Evangelikal und liberal zeigen aber Tendenzen auf und können deshalb<br />

helfen, Entwicklungen besser zu verstehen und einzuordnen.<br />

EInFACH PREDIGEn? 3: MISSIon<br />

Wortverkündigung<br />

und soziales<br />

Engagement haben<br />

eine gemeinsame<br />

Quelle: das eine,<br />

ganze Evangelium.<br />

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47


48<br />

Just PEoPlE?<br />

Es geht nie um<br />

meine Mission,<br />

sondern <strong>im</strong>mer um<br />

Gottes Mission.<br />

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sequenzen, weil wir Menschen zu Liebe und Umkehr in allen Lebensbereichen<br />

aufrufen. Ebenso hat unser soziales Engagement evangelistische<br />

Konsequenzen, da wir die umwandelnde Gnade Jesu Christi bezeugen.<br />

Die Welt zu ignorieren ist Verrat am Wort Gottes, das uns zum Dienst in<br />

der Welt beauftragt. Wenn wir das Wort Gottes ignorieren, haben wir der<br />

Welt nichts zu geben. Gerechtigkeit und die Rechtfertigung durch den<br />

Glauben, Anbetung und politische Aktion, geistliche und materielle, persönliche<br />

und strukturelle Veränderung gehören zusammen. Wie wir es <strong>im</strong><br />

Leben Jesu sehen können, ist die Verknüpfung von Sein, Tun und Reden<br />

das Herz ganzheitlicher Mission. 9<br />

Die Micha-Erklärung stellt nicht die einzig mögliche Definition von Mission<br />

dar – sie ist nur einer von vielen Versuchen, Mission auf biblischer Basis zu<br />

begründen. Wir müssen <strong>im</strong>mer wieder über Mission nachdenken, denn in<br />

der Bibel steht kein Vers, der alle Missionsaspekte in sich vereint. Es gibt aber<br />

viele verschiedene Verse, die etwas über Mission sagen. 10<br />

Bevor wir jedoch die Bibel öffnen, noch etwas ganz Wichtiges: Wenn wir<br />

über Mission nachdenken, suchen wir nach der „Mission Gottes“, nach Gottes<br />

Anliegen für unsere Welt. Dieser Mission Gottes wollen wir uns anschließen.<br />

Das heißt: Es geht nie um meine Mission, sondern <strong>im</strong>mer um Gottes<br />

Mission.<br />

Wir werden jetzt gleich ein konkretes Missionsprojekt Gottes aus dem<br />

Alten Testament genauer betrachten und uns anschließend mit zwei biblischen<br />

Missionsaufträgen beschäftigen. Gegen Ende kommen wir auf das<br />

„größte Missionsprojekt“ Gottes zu sprechen: Gott hat seinen Sohn Jesus<br />

Christus zu uns „gesandt“ – wieder sind wir be<strong>im</strong> lateinischen Wort mittere,<br />

wovon „Mission“ abgeleitet wird. Und Jesus sagt in Johannes 20,21: „Wie mich<br />

der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Speziell als Jünger Jesu können wir<br />

uns also „Nachahmer der Mission Gottes“ nennen. Wie die erste Gemeinde<br />

dies umgesetzt hat, sehen wir dann am Schluss des Referats.<br />

Ein Beispiel der integralen Mission Gottes: Der Auszug aus<br />

Ägypten<br />

Die Micha-Erklärung sagt: Integrale Mission umfasst Verkündigung und<br />

praktische Umsetzung des Evangeliums. Sie betont weiter, dass geistliche<br />

und materielle Veränderung sowie persönliche und strukturelle zusammengehören.<br />

Ein Beispiel dafür ist der Auszug aus Ägypten. Gott hat das Elend<br />

seines Volkes gesehen und es aus Ägypten herausgeführt (2. Mose 3,7-8). So<br />

fängt Gottes Mission mit seinem Volk an. Und: Gott handelt auf verschiedenen<br />

Ebenen:<br />

Zu allererst ist diese Mission politisch, denn Gott befreite sein Volk aus<br />

politischer Unterdrückung, das heißt: Israel wurde nicht mehr von einem<br />

fremden Volk regiert. Zweitens hat Gottes Mission der Befreiung auch eine<br />

wirtschaftliche D<strong>im</strong>ension: Die Zeiten der Sklavenarbeit und systematischen<br />

Ausbeutung waren vorbei.<br />

Ein dritter Aspekt beleuchtet die soziale Veränderung nach der Befreiung:<br />

Es gab keine Herren und Sklaven mehr. Die schl<strong>im</strong>me soziale Ungerechtigkeit<br />

hatte ein Ende und damit auch das Ermorden der Erstgeborenen.<br />

9 The Micah Declaration on Integral Mission, in: Chester, T<strong>im</strong> (Hg.), Justice, Mercy and<br />

Humility: Integral Mission and the Poor, Carlisle, 2002, 19. Teilweise übersetzt nach<br />

www.micha-initiative.de.<br />

10 Die Micha-Erklärung kannst du in deutscher Fassung unter www.just-people.net<br />

herunterladen.<br />

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Und viertens befreite Gott sein Volk genauso in geistlicher Hinsicht:<br />

Israel musste dem Pharao nicht mehr gehorchen, sondern konnte nur noch<br />

Gott dienen. Und Gottes Mission war es, dass sein Volk jetzt auch anderen<br />

Völkern diente. 11<br />

Welche dieser vier Ebenen ist die wichtigste? Darüber kann man diskutieren.<br />

Auf jeden Fall zeigt diese Analyse, dass Gott „integral“ an seinem Volk<br />

handelte, also ganzheitlich. Gott hat für Gerechtigkeit gesorgt, das heißt für<br />

lebensfreundliche Verhältnisse für sein Volk. Kämpfen wir heute gegen Ungerechtigkeit<br />

auf struktureller Ebene, also in Politik und Wirtschaft, stehen wir<br />

gewissermaßen in der Tradition des Auszugs aus Ägypten. Gott erwählte<br />

und befreite ein armes Sklavenvolk und zeigte damit, dass der Einsatz für<br />

die Armen und Unterdrückten ein besonderes Anliegen Gottes ist. Das Volk<br />

wird daher <strong>im</strong> Gesetz Moses und bei den Propheten <strong>im</strong>mer wieder ermahnt,<br />

sich an seine eigene Befreiung zu erinnern und vor diesem Hintergrund zu<br />

handeln. 12 Einer dieser Propheten war Micha. Ein Vers aus dem Buch Micha<br />

hat der internationalen Micah Challenge 13 , zu der auch Just People? gehört,<br />

ihren Namen gegeben. Dieser Vers enthält einen konkreten biblischen Missionsauftrag<br />

an uns Menschen. Mit dem wollen wir uns jetzt beschäftigen.<br />

Zwei Beispiele von konkreten biblischen Missionsaufträgen<br />

an die Menschen:<br />

Micha 6,8: Die Zusammenfassung der prophetischen<br />

Botschaft<br />

Micha 6,8 ist eine mögliche Zusammenfassung der gesamten prophetischen<br />

Botschaft:<br />

„Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir erwartet:<br />

Nichts anderes als dies: Recht tun, Güte und Treue lieben, in Ehrfurcht<br />

den Weg gehen mit deinem Gott.“<br />

Nur kurz ein paar Kommentare zu dieser dreifachen Aufforderung:<br />

• Recht tun bedeutet <strong>im</strong> Alten Testament, dass man sich an das Gesetz<br />

Moses halten soll. Dass dort unter anderem soziale Gerechtigkeit eingefordert<br />

wird, haben wir schon <strong>im</strong> letzten Referat gesehen.<br />

• Güte und Treue lieben: Hinter der Übersetzung „Güte und Treue“<br />

steht der eine hebräische Begriff chesed, der auch Loyalität, Solidarität,<br />

Freundlichkeit und Barmherzigkeit meint. Chesed drückt also eine<br />

Lebenshaltung aus.<br />

• In Ehrfurcht den Weg gehen mit deinem Gott: Wir gehen „mit“ Gott,<br />

machen uns mit ihm auf den Weg – oder anders gesagt: Wir werden Teil<br />

seiner Mission. Dazu gehört, dass wir Ehrfurcht haben vor der Hoheit<br />

Gottes und unsere eigene Niedrigkeit erkennen. Das hebräische Wort<br />

für „Ehrfurcht“ kann man übrigens auch mit „Demut“ oder „Bescheidenheit“<br />

übersetzen.<br />

11 Hardmeier, Roland, Kirche ist Mission. Auf dem Weg zu einem ganzheitlichen Missionsverständnis,<br />

Schwarzenfeld, 2009, 155-157.<br />

12 Vgl. zum Beispiel 2. Mose 22,20 betreffend Umgang mit Fremden und Micha 6,4 als<br />

Teil der Einleitung für den zentralen Vers Micha 6,8.<br />

13 Vgl. Seite 177.<br />

EInFACH PREDIGEn? 3: MISSIon<br />

Kämpfen wir heute<br />

gegen Ungerechtigkeit<br />

auf struktureller<br />

Ebene, also<br />

in Politik und Wirtschaft,<br />

stehen wir<br />

gewissermaßen in<br />

der Tradition des<br />

Auszugs aus<br />

Ägypten.<br />

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49


50<br />

Just PEoPlE?<br />

nicht „Wer ist mein<br />

nächster?“, sondern<br />

„Wie kann<br />

ich von Situation<br />

zu Situation zum<br />

nächsten werden?“.<br />

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Als Jesus kritisiert, wie die Pharisäer ihren Zehnten geben, scheint er diese<br />

Worte aus Micha 6,8 aufzunehmen. Wir lesen in Matthäus 23,23: „Weh<br />

euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr gebt den Zehnten<br />

von Minze, Dill und Kümmel und lasst das Wichtigste <strong>im</strong> Gesetz außer Acht:<br />

Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue. Man muss das eine tun, ohne das<br />

andere zu lassen.“<br />

lukas 10,25-37: Der barmherzige samariter<br />

Damit sind wir <strong>im</strong> Neuen Testament angelangt. Schauen wir uns hier noch<br />

ein weiteres Beispiel für einen Missionsauftrag an: Ein Gesetzeslehrer fragt<br />

Jesus einmal, was er tun muss, um das ewige Leben zu gewinnen. Jesus lässt<br />

ihn daraufhin das zentrale alttestamentliche Gesetz zitieren:<br />

• „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer<br />

Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken,<br />

• und: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst“ (Lukas 10,27).<br />

Die Liebe zu Gott steht über allem, aber die Nächstenliebe kommt sofort<br />

danach.<br />

So fragt der Gesetzeslehrer: Wer ist denn nun mein Nächster? Jesus antwortet<br />

mit dem berühmten Gleichnis des barmherzigen Samariters: Ein Jude<br />

wird von Räubern überfallen und schwer verletzt. Zwei Leute, von denen<br />

man erwartet hätte, dass sie helfen, gehen einfach an ihm vorbei. Erst ein<br />

Samariter n<strong>im</strong>mt sich des Verletzten an und wird damit zum barmherzigen<br />

Samariter. Über zwei wesentliche Punkte wollen wir kurz sprechen: Erstens<br />

ist dieses Gleichnis ein eindrückliches Beispiel dafür, dass die Nächstenliebe<br />

allen Menschen gelten soll. Der Samariter schaut weder auf die Nationalität<br />

des Verletzten noch auf dessen Glauben. Juden und Samariter waren damals<br />

übrigens verfeindet. Doch der Samariter hilft einfach, weil er einem Menschen<br />

begegnet, der Hilfe braucht – also einfach, weil er Mitleid mit ihm hat<br />

(Lukas 10,33). 14<br />

Liest man zweitens das Gleichnis des barmherzigen Samariters ganz<br />

genau, stellt sich am Schluss nicht mehr die Frage, wer mein Nächster ist,<br />

sondern wie ich zum Nächsten werden kann. Jesus dreht die Frage des<br />

Gesetzeslehrers einfach um:<br />

• Lukas 10,29: „Der Gesetzeslehrer (…) sagte zu Jesus: Und wer ist mein<br />

Nächster?“<br />

• Lukas 10,36-37a: „Was meinst du: Wer (…) hat sich als der Nächste des-<br />

sen erwiesen, der von den Räubern überfallen wurde? Der Gesetzeslehrer<br />

antwortete: Der, der barmherzig an ihm gehandelt hat.“<br />

Also noch einmal: Nicht „Wer ist mein Nächster?“, sondern „Wie kann ich<br />

von Situation zu Situation zum Nächsten werden?“. Es geht also gar nicht<br />

um Kriterien wie Verwandtschaft, Bekanntschaft, geographische Nähe oder<br />

ein best<strong>im</strong>mtes moralisches Verhalten, das jemanden zur oder zum Nächsten<br />

macht. Es geht vielmehr um die Frage, wer mein „Nahe-Sein“ nötig hat,<br />

weil sie oder er meine Hilfe braucht und ich die Möglichkeit habe zu helfen.<br />

Insgesamt enthält Jesu Antwort an den Gesetzeslehrer an dieser Stelle weder<br />

eine Reihe von Projekten, die man ausführen soll, noch eine Reihe von Lehrsätzen,<br />

an die man zu glauben hat. Stattdessen sind wir aufgefordert, Gott<br />

14 Jesus selber zeigte <strong>im</strong>mer wieder Mitleid mit den Menschen, vgl. Matthäus 9,36;<br />

14,14; 15,32; 18,27; 20,34; Markus 1,41; Lukas 7,13.<br />

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zu lieben und zur oder zum Nächsten zu werden – wo und wie auch <strong>im</strong>mer<br />

wir können. Das ist definitiv ein wichtiger Aspekt unserer Mission!<br />

Spätestens hier empfehlen wir eine Pause von zehn Minuten.<br />

Der integrale Missionsauftrag und die Gemeinde<br />

Ein kurzer Rückblick: Das Rollenspiel hat uns gezeigt, wie unterschiedlich<br />

Christen über das Verhältnis von Wortverkündigung und sozialem Engagement<br />

denken. Die Micha-Erklärung ist einer von vielen Versuchen, ein integrales<br />

Missionsverständnis zu formulieren. Dieses bezieht die verschiedenen<br />

D<strong>im</strong>ensionen des Lebens ein. Die ausgewählten Bibelstellen haben aufgezeigt,<br />

dass dieser Ansatz vieles für sich hat:<br />

• Be<strong>im</strong> Auszug aus Ägypten haben wir vier Ebenen unterschieden, auf<br />

denen Israel befreit wurde.<br />

• In Micha 6,8 gibt uns Gott drei Aufträge: Recht tun, Güte und Treue lieben,<br />

in Ehrfurcht den Weg gehen mit unserem Gott.<br />

• Jesus schließlich bezeichnet Gottesliebe und Nächstenliebe als das<br />

größte Gebot für den Menschen (vgl. Markus 12,31), das <strong>im</strong> Gleichnis des<br />

barmherzigen Samariters eindrücklich illustriert wird.<br />

Es ist offensichtlich: Sich von der „verlorenen Welt“ abzuwenden und allein<br />

auf das Seelenheil zu konzentrieren, ist nicht biblisch. Die Micha-Erklärung<br />

formuliert dazu scharf: „Die Welt zu ignorieren ist Verrat am Wort Gottes,<br />

das uns zum Dienst in der Welt beauftragt.“ 15<br />

Betrachten wir als „Nachahmer der Mission Gottes“ das Leben und Wirken<br />

Jesu, wird es sowieso unmöglich, Mission zu reduzieren auf Einzelaspekte<br />

wie Wortverkündigung, Weltmission, Armutsbekämpfung oder soziale<br />

Gerechtigkeit. Nur zusammen fassen sie die Fülle der Mission, zu der wir<br />

berufen sind. In den Worten der Micha-Erklärung: „Wie wir es <strong>im</strong> Leben Jesu<br />

sehen können, ist die Verknüpfung von Sein, Tun und Reden das Herz ganzheitlicher<br />

Mission.“ 16<br />

Wir tun gut daran, auch das Zentrum unseres Glaubens ganzheitlich zu<br />

betrachten: Jesu Tod und Auferstehung. Jesus Christus starb stellvertretend<br />

für unsere Sünden am Kreuz. 17 Das gilt für jeden Einzelnen, aber Jesu Sieg<br />

über Sünde und Tod geht darüber noch hinaus. Das Problem der Sünde ist<br />

nämlich nicht nur etwas Persönliches zwischen Gott und mir, sondern hat<br />

<strong>im</strong>mer auch mit meinen Mitmenschen zu tun: Lüge ich jemanden an, werde<br />

ich an ihm schuldig. Verhalte ich mich unbarmherzig, gilt dasselbe. Das ist<br />

die soziale D<strong>im</strong>ension der Sünde. Die Kreuzigung selbst kann auch in dieser<br />

sozialen Perspektive betrachtet werden. Ehrgeiz, Angst, Unterdrückung<br />

und Ungerechtigkeit der Menschen brachten Jesus ans Kreuz! 18 Jesus wurde<br />

grausam und ungerecht behandelt – genau wie viele Menschen noch heute.<br />

Die Auferstehung schließlich ist die Antwort der Liebe Gottes auf den Hass<br />

der Menschen und die Antwort der Gerechtigkeit Gottes auf die Ungerechtigkeit<br />

der Menschen. Weil Jesus auferstanden ist, dürfen wir heute glauben,<br />

dass das Leben über den Tod gesiegt hat. Das dürfen wir verkündigen und<br />

daraus dürfen wir leben und handeln. Die Auferstehung lehrt uns hoffen,<br />

dass sich schon heute in der Welt Dinge zum Guten verändern können. In der<br />

15 Siehe Kasten „Micha-Erklärung“ auf Seite 47.<br />

16 Siehe Kasten „Micha-Erklärung“ auf Seite 47.<br />

17 Vgl. Römer 5,8; 1. Korinther 15,3.<br />

18 Vgl. Hardmeier 2009, 291.<br />

EInFACH PREDIGEn? 3: MISSIon<br />

„Die Welt zu ignorieren<br />

ist Verrat am<br />

Wort Gottes, das<br />

uns zum Dienst in<br />

der Welt beauftragt.“<br />

Micha-Erklärung<br />

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51


52<br />

Just PEoPlE?<br />

In der Perspektive<br />

der Auferstehung<br />

dürfen wir zu Menschen<br />

werden, die<br />

dem Hass Liebe<br />

entgegensetzen<br />

und der UngerechtigkeitGerechtigkeit<br />

auf allen Ebenen.<br />

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Perspektive der Auferstehung dürfen wir so zu Menschen werden, die dem<br />

Hass Liebe entgegensetzen und der Ungerechtigkeit Gerechtigkeit auf allen<br />

Ebenen.<br />

Das ist integrale Mission: Sie ist sowohl eine innere Grundhaltung als auch<br />

ein umfassendes Lebensprojekt. Was das für mich als einzelne Christin oder<br />

einzelnen Christ bedeutet, besprechen wir in der nächsten Kurseinheit.<br />

Aber was heißt integrale Mission für die Gemeinde? Erinnern wir uns an<br />

das Rollenspiel vom Anfang: Es ist okay, wenn verschiedene Menschen in<br />

der Gemeinde für verschiedene Themen brennen. Logischerweise kann sich<br />

nicht jede und jeder überall engagieren. Wir sind aufeinander angewiesen.<br />

Schauen wir uns doch mal das Brainstorming vom Beginn dieser Kurseinheit<br />

an: Spiegeln sich Wortverkündigung und soziales Engagement darin <strong>im</strong><br />

richtigen Verhältnis wider? Und wenn wir unser Gemeindeleben betrachten:<br />

Leben wir die verschiedene Aspekte von Mission? Unterstützen wir einander<br />

darin oder bekämpfen wir einander? Wir stehen ständig in Gefahr, Gottes<br />

Mission zu reduzieren, damit sie in unsere Gemeindestrukturen und in unser<br />

Umfeld hineinpasst. Hier gilt es, wach zu sein!<br />

In Apostelgeschichte 2 wird das Leben der allerersten Gemeinde beschrieben<br />

(jede/r liest für sich):<br />

„Und alle, die gläubig geworden waren, bildeten eine Gemeinschaft und<br />

hatten alles gemeinsam. Sie verkauften Hab und Gut und gaben davon allen,<br />

jedem so viel, wie er nötig hatte. Tag für Tag verharrten sie einmütig <strong>im</strong> Tempel,<br />

brachen in ihren Häusern das Brot und hielten miteinander Mahl in Freude und<br />

Einfalt des Herzens. Sie lobten Gott und waren be<strong>im</strong> ganzen Volk beliebt. Und<br />

der Herr fügte täglich ihrer Gemeinschaft die hinzu, die gerettet werden sollten“<br />

(Apostelgeschichte 2,44-47).<br />

Diese Gemeinde ermöglicht die Beziehung zu Gott und pflegt sie regelmäßig.<br />

Sie ist als Gemeinschaft füreinander da. Außerdem herrscht eine enorme<br />

Solidarität gegenüber den Armen. 19 Diese Gemeinde lebt den integralen Missionsauftrag<br />

und dies offensichtlich mit großer Ausstrahlung und großem<br />

Erfolg. Das macht sie uns zu einem bleibenden Vorbild. Das Lukasevangelium<br />

und die Apostelgeschichte sind ja vom selben Autor, mehr noch: Die<br />

Apostelgeschichte ist die unmittelbare Fortsetzung des Lukasevangeliums.<br />

So kann das Leben dieser „idealen“ Gemeinde als „ideale“ Antwort auf das<br />

Leben und Wirken Jesu betrachtet werden.<br />

Im Referat 6 werden wir noch einmal auf diesen Text zurückkommen.<br />

Ein Bild zum Schluss: „Pan integral“ ist der spanische Ausdruck für „Vollkornbrot“.<br />

Es ist das Brot, das am gesündesten ist, weil das ganze – das volle –<br />

Getreidekorn verbacken wird. In diesem Sinne lässt auch integrale Mission<br />

nichts aus. Sie umfasst die verschiedensten Aspekte. Diese werden nicht<br />

gegeneinander ausgespielt, sondern ergänzen sich. Noch einmal mit der<br />

Micha-Erklärung gesprochen: Gerechtigkeit und die Rechtfertigung durch<br />

den Glauben, Anbetung und politische Aktion, geistliche und materielle, persönliche<br />

und strukturelle Veränderung gehören zusammen.<br />

Gottes Mission ist ein Unternehmen des ganzen Lebens. Lassen wir uns<br />

19 An dieser Stelle wird zuweilen eingewendet, dass die Armenfürsorge nur innerhalb<br />

der Gemeinde stattfand. Das mag st<strong>im</strong>men. Allerdings wirkte unter anderem<br />

genau das anziehend und die Gemeinde wuchs ständig. Sowieso kann allein<br />

aufgrund von Apostelgeschichte 2 nicht geschlossen werden, dass die Solidarität<br />

gegenüber den Armen an der Gemeindegrenze haltzumachen hat. Andere Bibelstellen<br />

wie zum Beispiel das Gleichnis des barmherzigen Samariters in Lukas<br />

10,25-37 zeigen deutlich, dass Fürsorge universal geleistet werden soll.<br />

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von Gott zu seiner Mission für diese Welt aussenden und begreifen wir <strong>im</strong>mer<br />

wieder neu, wie sehr ihm gerade die Armen bei dieser Mission am Herzen<br />

liegen! 20<br />

Diskussion<br />

Diskussion über die Referatsinhalte und/oder folgende Fragen:<br />

• Was ist Gottes Mission mit dieser Welt? Oder was sind verschiedene<br />

Aspekte von Gottes Mission?<br />

• Gibt es Aspekte unserer Mission, die wichtiger sind als andere?<br />

• Ist das Missionsverständnis unserer Gemeinde(n) integral? Falls nein:<br />

Was fehlt?<br />

• Wenn Jesus Mitglied unserer Gemeinde wäre, in welche Gemeindeprojekte<br />

und -anlässe würde er sich wohl am ehesten investieren? Warum?<br />

20 Vgl. die Betonung der Armenfürsorge <strong>im</strong> Lukasevangelium: Lukas 1,46-55; 4,18-<br />

19; 6,20-38; 10,25-37; 14,12-14; 16,1-31; 18,18-27; 19,1-10; 22,24-27.<br />

EInFACH PREDIGEn? 3: MISSIon<br />

Zum Weiterlesen<br />

• Detlef Blöcher,<br />

Was ist integrale<br />

Mission?, Seite 126<br />

• Werner Hässig, Das Evangelium<br />

<strong>im</strong> Umfeld von Konsum und<br />

Umweltproblemen, Seite 130<br />

• Lawrence Temfwe, Integrale<br />

Mission in der Praxis, Seite 134<br />

• Hardmeier, Roland, Kirche ist<br />

Mission. Auf dem Weg zu einem<br />

ganzheitlichen Missionsverständnis,<br />

Schwarzenfeld, 2009<br />

• Stott, John, Christsein in den<br />

Brennpunkten unserer Zeit. Bd.<br />

1: … in einer nicht-christlichen<br />

Gesellschaft, Marburg, 1987<br />

• Faix, Tobias, Re<strong>im</strong>er, Johannes<br />

und Brecht, Volker (Hg.), Die Welt<br />

verändern – Grundfragen einer<br />

Theologie der Transformation,<br />

Marburg, 2009<br />

zum Weitersurfen lohnt sich ein<br />

Blick in unsere Link-Liste auf<br />

www.just-people.net.<br />

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53


54<br />

Just PEoPlE?<br />

Mein persönliches Missionsverständnis<br />

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EInFACH PREDIGEn? 3: MISSIon<br />

Angepackt!<br />

Bis zur Kurseinheit 4 nehme ich mir vor:<br />

• Ich vertraue mein persönliches Missionsverständnis einer<br />

mir nahestehenden Person an. Längerfristig lasse ich mir<br />

bei der Umsetzung von ihr in die Karten gucken (dies kann<br />

auch ein Austausch sein).<br />

•<br />

•<br />

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56<br />

Just PEoPlE?<br />

Notizen<br />

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KURSEInHEIT 4:<br />

IcH – GERECHTER<br />

LEBEn?<br />

Darum geht’s: Ich kann etwas gegen die Ungerechtigkeit in der Welt<br />

tun!<br />

Genauer gesagt:<br />

• Vor allem als Konsument innerhalb eines globalen Wirtschaftssystems<br />

nutze ich ungerechte Strukturen.<br />

• Das Gebet: Mutmacher und Motivation<br />

• Gegen den Konsum-Strom schw<strong>im</strong>men: Teilen und bescheidener<br />

leben<br />

• Vorschläge für konkrete Schritte in einzelnen Lebensbereichen (Wohnen,<br />

Freizeit, Arbeit usw.)<br />

Fragen, die wir stellen: Was hat die Ungerechtigkeit in der Welt mit<br />

meinem Alltag zu tun? Und die integrale Mission? Brauche ich alles,<br />

was ich kaufe? Sorgen wir Menschen wirklich (genug) für die Schöpfung?<br />

Wo bin ich gefragt, zu teilen und zu verzichten? Ringe ich hier<br />

nach neuen Wegen oder bleibe ich in meinen alten, bequemen Bahnen?<br />

So machen wir’s:<br />

• Auswertung „Kleiner Lebenstest“<br />

• Referat mit Diskussion<br />

• Diskussion als stummer Dialog<br />

• Brief an sich selbst<br />

GERECHTER LEBEn? 4: ICH<br />

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58<br />

Just PEoPlE?<br />

Viele unserer<br />

Gewohnheiten hängen<br />

oft direkt mit<br />

Weltarmut und<br />

Umweltzerstörung<br />

zusammen und<br />

mit der Bedrohung<br />

natürlicher Ressourcen.<br />

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Referat 4:<br />

Ich – gerechter leben?<br />

Was nun?<br />

Erinnern wir uns kurz: Ganz am Anfang haben wir festgestellt, dass viele<br />

Menschen auf dieser Welt ungerecht behandelt werden. In der zweiten Kurseinheit<br />

wurde die Bibel nach Aussagen zu Armut und Reichtum untersucht.<br />

Und be<strong>im</strong> letzten Referat haben wir über integrale Mission geredet, die dem<br />

ganzen Menschen helfen möchte. Heute fragen wir uns: Was nun? Was hat<br />

das alles mit unserem Alltag zu tun? Was kann ich konkret umsetzen? Wie<br />

können wir gerechter leben?<br />

Der Kurstitel Just People? ist doppeldeutig und stellt damit eine Frage, denn<br />

just kann sowohl „nur“ als auch „gerecht“ heißen. Sind wir just people, nur<br />

Menschen, sind also unsere guten Taten lediglich ein Tropfen auf den heißen<br />

Stein, oder sind wir just people, Menschen, die nach Gerechtigkeit streben?<br />

Erinnern wir uns noch einmal an die Welt als globales Dorf und die geschichtlichen<br />

Hintergründe. Dort haben wir festgestellt: Heute sind globale Ungerechtigkeiten<br />

auch mit unserem Alltag vernetzt. Viele unserer Gewohnheiten<br />

hängen oft direkt mit Weltarmut und Umweltzerstörung zusammen und mit<br />

der Bedrohung natürlicher Ressourcen. Dazu schauen wir uns jetzt ein paar<br />

grobe Zusammenhänge an, die an das erste Referat anknüpfen: Wachstum ist<br />

zum Grundprinzip unseres Wirtschaftssystems geworden. Keiner hinterfragt<br />

das mehr. Soll die Wirtschaft wachsen, müssen <strong>im</strong>mer mehr und <strong>im</strong>mer neue<br />

Produkte hergestellt und verkauft werden. Aber wie verkauft man Dinge, die<br />

schon jeder hat und/oder niemand wirklich braucht? Durch Werbung, denn<br />

die gaukelt uns vor, dass Geld ausgeben und shoppen Freude machen. Immer<br />

neue Bedürfnisse werden geweckt. Zum Beispiel gehören Fernseher, Auto,<br />

ein Flug in die Ferien oder regelmäßig ein neues Handy zum Leben vieler<br />

Menschen – obwohl das weit mehr als materielle Grundbedürfnisse sind.<br />

Solche Schein-Bedürfnisse beeinflussen unser Denken und Handeln. Aber<br />

wie weit wollen wir uns davon steuern lassen? Sind nicht andere Dinge <strong>im</strong><br />

Leben auch wichtig oder wichtiger? Interessante Fragen. Mit der geistlichen<br />

Einstellung zu Besitz beschäftigen wir uns später noch genauer.<br />

Wir als Konsumenten wissen heute außerdem gar nicht mehr, wo, wie und<br />

von wem unsere Hosen oder Tiefkühl-Pizzas produziert werden. Als Einzelne<br />

können wir die Massenproduktion und den weltweiten Handel nicht<br />

mehr überblicken. Viele unserer alltäglichen Produkte sind aber nur deswegen<br />

so billig, weil sie unter miserablen Arbeitsbedingungen hergestellt<br />

wurden. Dazu kommen massive Umweltbelastungen: die Weltmeere werden<br />

leer gefischt, Regenwälder abgebrannt und Schadstoffe vergiften unsere<br />

Böden und Gewässer. Die fossilen Energieträger (Öl, Gas, Kohle) werden in<br />

modernen Gesellschaften in großen Mengen verbrannt: zum Beispiel be<strong>im</strong><br />

Autofahren, in Hausheizungen, bei der Stromerzeugung, in unzähligen Herstellungsprozessen<br />

zum Beispiel von Produkten aus Plastik oder in der Nahrungsmittelproduktion.<br />

Das Problem: Dabei wird Kohlendioxid ausgestoßen,<br />

das als Treibhausgas die Temperatur auf der Erde erhöht und das Weltkl<strong>im</strong>a<br />

bedrohlich verändert. Besonders in Trockengebieten verstärken kl<strong>im</strong>atische<br />

Schwankungen die Verwüstung.<br />

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Entwicklungsländer leiden also am meisten unter dem Kl<strong>im</strong>awandel. 1<br />

Sie haben weniger technische Hilfsmittel für Bewässerung und Bebauung<br />

des Bodens und sind deshalb besonders von opt<strong>im</strong>alen kl<strong>im</strong>atischen Bedingungen<br />

für Aussaat und Ernte abhängig. 2 Und dies ist nur ein Beispiel dafür,<br />

wie das Thema Kl<strong>im</strong>awandel längst zu einer Frage der sozialen Gerechtigkeit<br />

geworden ist.<br />

Erinnern wir uns an das zweite Referat: Dort haben wir den ersten Auftrag<br />

Gottes an uns Menschen angeschaut, nämlich die Schöpfung zu bewahren.<br />

Werden wir diesem Auftrag gerecht?<br />

Ausgangspunkt Gebet<br />

Die Schöpfung leidet, die absolute<br />

Armut n<strong>im</strong>mt zu, über eine Milliarde<br />

Menschen sind heute unterernährt: 3<br />

Bei diesen Tatsachen kann sich leicht<br />

das Gefühl von Ohnmacht und Überforderung<br />

breitmachen – vor allem,<br />

wenn wir an die große biblische Herausforderung<br />

für Menschen denken,<br />

die <strong>im</strong> Wohlstand leben. Jetzt ist es<br />

das Einfachste, einfach abzublocken,<br />

sich gar nicht damit zu beschäftigen<br />

oder ohnmächtig und überfordert<br />

den Kopf zu schütteln: Das Leid ist so<br />

riesengroß – Was kann ich denn da<br />

schon als Einzelner machen? Bei Diskussionen<br />

über dieses Thema geben<br />

viele auf. Bei uns soll das Gefühl von<br />

Ohnmacht und Überforderung aber nicht der Endpunkt sein, sondern der<br />

Ausgangspunkt! Es kann es uns zu Gott bringen, wenn wir das Ausmaß der<br />

Katastrophe erkennen. Denn das Eingeständnis der eigenen Schwachheit ist<br />

eine Erfahrung, die uns die Stille und das Gebet suchen lässt.<br />

Natürlich kommt mit einem Gebet die Welt nicht schlagartig in Ordnung.<br />

Die Probleme bleiben riesig und unübersichtlich und wir bleiben Menschen<br />

mit begrenzten Möglichkeiten. Aber das Gebet kann uns Mut und Kraft<br />

geben, unsere kleinen Beiträge zu leisten, das Ausmaß zu sehen und trotzdem<br />

fröhlich anzupacken – eins nach dem anderen und jeder, wie er kann.<br />

Weil Gott mit uns ist.<br />

„Gleicht euch nicht dieser Welt an“<br />

In Römer 12,2 ermahnt uns Paulus: „Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern<br />

wandelt euch und erneuert euer Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt,<br />

was der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist.“<br />

1 Vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche zusammenarbeit und Entwicklung<br />

(BMz), http://www.desertifikation.de/bmz-cd013/BIn/DESERTIFIKATIon_UnD_<br />

KLIMAWAnDEL.HTM, 15.08.2010.<br />

2 Beispielsweise in Afrika sind 46 Prozent der Landfläche von der Wüstenbildung<br />

betroffen. Das hat Auswirkungen auf 485 Millionen Menschen.<br />

Vgl. Deutsche Gesellschaft für technische zusammenarbeit (GTz), http://www.gtz.<br />

de/de/dokumente/de-desertifikation-daten-afrika.pdf, 24.03.2010.<br />

3 „There are 1.02 billion undernourished people in the world today.“, http://www.wfp.<br />

org/hunger, 29.04.2010.<br />

GERECHTER LEBEn? 4: ICH<br />

Bei uns soll das<br />

Gefühl von ohnmacht<br />

und Überforderung<br />

aber<br />

nicht der Endpunkt<br />

sein, sondern der<br />

Ausgangspunkt!<br />

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60<br />

Just PEoPlE?<br />

„Wenn du vollkommen<br />

sein willst,<br />

geh, verkauf deinen<br />

Besitz und gib das<br />

Geld den Armen;<br />

so wirst du einen<br />

bleibenden Schatz<br />

<strong>im</strong> H<strong>im</strong>mel haben;<br />

dann komm und<br />

folge mir nach.“<br />

Jesus (Matthäus 19,21)<br />

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Was heißt das, sich nicht der Welt anzugleichen? Das heißt, ich muss<br />

mich selbst verändern. Wie sollte man auch die Welt verändern, wenn man<br />

nicht bei sich selbst beginnt?<br />

Aber was ist das, was Gott gefällt? Was ist gut und vollkommen? Nicht<br />

die einzige und abschließende Antwort, aber eine verblüffend konkrete findet<br />

sich in Matthäus 19,16-30: Ein junger Mann, der von sich behauptet, dass<br />

er alle Gebote hält, wollte wissen, was ihm zum ewigen Leben noch fehlt.<br />

Jesus antwortete: „Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz<br />

und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz <strong>im</strong> H<strong>im</strong>mel<br />

haben; dann komm und folge mir nach“ (Matthäus 19,21). Und was tat der<br />

junge Mann? Er ging betrübt weg, denn er war sehr reich. Daraufhin wendete<br />

sich Jesus an seine Jünger:<br />

„Amen, das sage ich euch: Ein Reicher wird nur schwer in das H<strong>im</strong>melreich<br />

kommen. Nochmals sage ich euch: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als<br />

dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt. Als die Jünger das hörten, erschraken<br />

sie sehr und sagten: Wer kann dann noch gerettet werden? Jesus sah sie an<br />

und sagte zu ihnen: Für Menschen ist das unmöglich, für Gott aber ist alles möglich“<br />

(Matthäus 19,23-26).<br />

Erschrecken wir bei dieser Geschichte auch noch wie die Jünger? Trifft<br />

sie uns Wohlhabende nicht besonders an einem wunden Punkt?<br />

Einerseits ist nur bei Gott alles möglich, das heißt: Nur seine bedingungslose<br />

Liebe und seine Gnade erretten uns und geben unserem Leben das Fundament.<br />

Durch unsere Taten können wir nicht gerecht werden. Aber legen<br />

wir deshalb die Hände in den Schoß? Hilft dieses Fundament nicht, sich mit<br />

Freude – ohne Angst und ohne Druck – auf den Weg für ein gerechteres Leben<br />

zu machen? Ohne diese Grundlage besteht die Gefahr, in eine Gesetzlichkeit<br />

und Werkgerechtigkeit abzurutschen. Doch auf dieser Grundlage folgt<br />

auch der Anspruch, vollkommener zu werden, mehr zu werden, wie Gott<br />

sich Menschen gedacht hat. Nach dieser Geschichte mit dem jungen Mann<br />

bedeutet das auch Verzicht auf Besitz und Reichtum. Wie ist diese Stelle auf<br />

mein Leben zu übertragen? Wie kann ich dieser Aufforderung gerecht werden,<br />

ohne die Radikalität des Textes abzuschwächen? Besitzt nicht materiell<br />

gesehen jeder von uns viel mehr, als er eigentlich zum Leben braucht? Und<br />

wie beeinflusst mich mein Besitz? Wie bewusst bin ich mir, was und weshalb<br />

ich etwas habe? Wo hindert mich mein Besitz daran, Jesus nachzufolgen?<br />

Darüber könnte man lange diskutieren und dafür werden wir später <strong>im</strong><br />

Kurs auch noch Zeit haben.<br />

Neben Besitz und Reichtum, die in der Geschichte vom reichen Jüngling<br />

thematisiert werden, ist heutzutage auch der Konsum ein wichtiges Thema.<br />

Konsum hat viele verschiedene Facetten und Hintergründe, die sehr individuell<br />

und unterschiedlich sind. Bin ich mir bewusst, was und weshalb ich<br />

etwas konsumiere? Welche Bedürfnisse treiben mich an, Neues zu kaufen?<br />

Wo sind es vielleicht nur Schein-Bedürfnisse? Was heißt es, sich an Jesus zu<br />

orientieren bei dem riesigen Angebot in der westlichen Welt an Esswaren,<br />

Medien oder Reisemöglichkeiten?<br />

Das sind Fragen, auf die es keine einfachen und pauschalen Antworten<br />

gibt. Aber ist das ein Grund, sie nicht zu stellen? Ringe ich hier nach neuen<br />

Wegen oder bleibe ich in meinen alten, bequemen Bahnen?<br />

Shane Claiborne ist jemand, der solche neuen Wege sucht und geht.<br />

Er wohnt in einer Lebensgemeinschaft in Philadelphia und verbindet sein<br />

Christsein phantasievoll mit dem Thema der sozialen Gerechtigkeit. Shane<br />

stellt folgende provokante Frage: „Ist für uns Christen die Komfortzone in der<br />

westlichen Konsumgesellschaft nicht ein gefährlicher Aufenthaltsort?“ 4<br />

4 Claiborne, Shane, Ich muss verrückt sein, so zu leben. Kompromisslose Exper<strong>im</strong>ente in<br />

Sachen Nächstenliebe, Gießen, 2007, 217.<br />

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Kurzer Austausch zu diesen Fragen zu zweit und kurze Diskussion <strong>im</strong> Plenum.<br />

Wie man auch in Europa bescheidener und gerechter leben kann, zeigt das<br />

Beispiel von Hannes Leitlein. Nachlesen kannst du es <strong>im</strong> Vertiefungsartikel<br />

auf Seite 146.<br />

Bescheidenheit und teilen<br />

Wie viel Komfort und Bequemlichkeit kann ich angesichts der Weltlage und<br />

meiner persönlichen Lebenssituation verantworten?<br />

Dies ist eine Frage, mit der wir auf der Suche nach einem gerechteren<br />

Leben ringen sollten.<br />

Was brauchen wir wirklich und was wünschen wir uns bloß? Brauchen<br />

wir den neuen iPod, den neuen Fotoapparat und noch exotischere Ferien?<br />

Nicht getrieben von Einfachheit, aber der Liebe verpflichtet, kann die Suche<br />

nach einem gerechteren Leben mehr Einfachheit verlangen. 5<br />

Viele Bibelstellen thematisieren Geld und Besitz. 6 Paulus äußert sich in<br />

1.T<strong>im</strong>otheus 6,7-9 folgendermaßen dazu: „Denn wir haben nichts in die Welt<br />

mitgebracht, und wir können auch nichts aus ihr mitnehmen. Wenn wir Nahrung<br />

und Kleidung haben, soll uns das genügen. Wer aber reich werden will,<br />

gerät in Versuchungen und Schlingen, er verfällt vielen sinnlosen und schädlichen<br />

Begierden, die den Menschen ins Verderben und in den Untergang stürzen.“<br />

Bescheidener zu leben kann heißen, mehr zum Teilen zu haben. Durch Teilen<br />

können wir unser Mitgefühl für die Armen und die ganze Schöpfung zum<br />

Ausdruck bringen. Und teilen kann man alles, was man hat – nicht nur Geld,<br />

sondern auch Zeit, Energie und Fähigkeiten zum Beispiel. Mahatma Gandhi<br />

sagte dazu: „Live s<strong>im</strong>ply so that others may s<strong>im</strong>ply live.“ – „Lebe einfach,<br />

damit andere überhaupt leben können.“<br />

Wenn wir konsequent bescheiden leben und teilen, schw<strong>im</strong>men wir<br />

gegen den Strom unserer Gesellschaft. Aber heißt Nachfolge Jesu nicht<br />

manchmal, zum „Außenseiter“ zu werden?<br />

Die Micha-Erklärung versteht unter Nachfolge Jesu integrale Mission. Sie<br />

sagt dazu:<br />

Integrale Mission betrifft jeden Christen. Wir wollen die Armen mit den<br />

Augen Jesu sehen, den, als er die Scharen von Menschen sah, tiefes Mitgefühl<br />

ergriff, denn sie waren erschöpft und hilflos wie Schafe, die keinen<br />

Hirten haben. Wir brauchen eine Nachfolge Jesu, die den verantwortlichen<br />

und nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen der Schöpfung und<br />

die Veränderung der moralischen, intellektuellen, ökonomischen, kulturellen<br />

und politischen D<strong>im</strong>ensionen unseres Lebens einbezieht. Für viele<br />

von uns heißt das, die biblische Bedeutung von „Haushalterschaft“ neu zu<br />

entdecken. Der Sabbat-Gedanke erinnert uns daran, dass unser Konsumverhalten<br />

Grenzen braucht. Wohlhabende Christen müssen bereit sein,<br />

ihren Wohlstand <strong>im</strong> Dienst für andere einzusetzen. 7<br />

5 Vgl. Claiborne, Shane, http://www.thes<strong>im</strong>pleway.org/about/foundation/, 15.05.2010.<br />

6 Siehe Auswahl von Bibelstellen zu Armut und Reichtum auf Seite 36.<br />

7 <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong>, Micah-Deklaration zur Ganzheitlichen (Integralen) Mission, http://<br />

www.stoparmut<strong>2015</strong>.ch/fileadmin/user_upload/dateien/Kampagne/Micah_Deklaration.pdf,<br />

4, 25.08.2010.<br />

GERECHTER LEBEn? 4: ICH<br />

Mahatma Gandhi<br />

sagte dazu: „Live<br />

s<strong>im</strong>ply so that<br />

others may s<strong>im</strong>ply<br />

live.“ – „Lebe einfach,<br />

damit andere<br />

überhaupt leben<br />

können.“<br />

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62<br />

Just PEoPlE?<br />

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Nachdem wir nun vor allem Bescheidenheit und Teilen thematisiert haben,<br />

kommen wir noch zu einem letzten Aspekt, der mit unserem Konsum zusammenhängt:<br />

Wenn wir Produkte kaufen, schaffen wir Geld in Firmenkassen.<br />

Wenn diese Firmen Menschen unter miserablen Bedingungen arbeiten lassen,<br />

unterstützen wir also automatisch auch diese Unrechtsstrukturen.<br />

Erinnern wir uns an das Gleichnis des barmherzigen Samariters (in Lukas<br />

10, 25-37): Gerade in einer globalisierten Welt ist es an der Zeit, die Nächstenliebe<br />

auszuweiten. Mein Nächster ist der, der ungerecht behandelt wird.<br />

Dazu ein Beispiel: Der Plantagenarbeiter in Afrika, die Kleidernäherin in<br />

Bangladesch oder der Arbeiter in einer chinesischen Computer-Fabrik wird<br />

in gewisser Weise zu meinem Nächsten, weil ihre oder seine Produkte bis zu<br />

mir gelangen. Wollen wir uns also eine Tafel Schokolade, ein T-Shirt oder<br />

einen PC kaufen, sollten wir dann nicht auch nach Herstellungsbedingungen<br />

und ökologischen Zusammenhängen fragen?<br />

Was heißt das konkret für mich?<br />

Es gibt nicht die eine Anleitung oder ein paar Rezepte, wie man gerechter<br />

leben kann. Jeder hat ein anderes, vielfältiges Leben und niemand hat denselben<br />

Handlungsspielraum.<br />

Die folgenden Fragen sollen einfach zum Nachdenken anregen. Vielleicht<br />

öffnen sie uns die Augen, wo wir zu sehr <strong>im</strong> Mainstream schw<strong>im</strong>men<br />

und nicht das Vollkommene und Gute suchen (Römer 12,2).<br />

Nach den Fragen und Vorschlägen jeweils eine kurze Denkpause einbauen.<br />

Wo ist bei mir mehr Bescheidenheit<br />

gefragt?<br />

Bin ich bereit, meine Ansprüche<br />

zu hinterfragen? zum Beispiel bei<br />

meiner Arbeit: Würde ich eine andere,<br />

vielleicht sinnvollere Arbeit<br />

annehmen, auch wenn ich damit<br />

weniger Geld verdienen würde?<br />

Was mache ich mit meinem<br />

überschüssigen Geld? Bin ich<br />

bereit, meinen Besitz mit anderen<br />

Menschen zu teilen?<br />

Wie wichtig ist mir, dass meine<br />

Lebensmittel umweltverträglich<br />

angebaut und fair gehandelt<br />

wurden? Und wie sieht das bei<br />

Kleidung, Elektronik, Schmuck<br />

und anderen Dingen aus?<br />

Vorschlag: Geld bei einer Bank<br />

anlegen, die ethische Grundsätze<br />

konsequent verfolgt; Projekte<br />

durch Spenden oder zinslose<br />

Darlehen unterstützen, die du<br />

persönlich kennst<br />

Vorschlag: he<strong>im</strong>ische Produkte<br />

nach Saison kaufen und auf<br />

biologischen Anbau achten;<br />

Bananen, zitrusfrüchte, Kaffee,<br />

Schokolade, Baumwollprodukte<br />

usw. biologisch angebaut und fair<br />

gehandelt kaufen; Kleidung aus<br />

Secondhandläden; Computer aus<br />

Recyclingwerkstatt<br />

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Welche Ansprüche habe ich<br />

bezüglich meiner Wohnform und<br />

Einrichtung?<br />

Wie umweltverträglich ist meine<br />

Mobilität?<br />

Wie verbringe ich meinen Sonntag<br />

(Sabbat)? Lasse ich mich und die<br />

Umwelt auch mal verschnaufen?<br />

Übe ich Bescheidenheit? In welchen<br />

Bereichen? Worauf kann ich<br />

eine gewisse zeit oder sogar ganz<br />

verzichten?<br />

Vorschlag: Wohn- bzw. Lebensgemeinschaft;<br />

Garten anlegen; nur<br />

bewohnte Räume heizen; Möbelstücke<br />

aus Secondhandläden<br />

Vorschlag: persönlichen Ressourcenverbrauch<br />

berechnen<br />

lassen zum Beispiel unter www.<br />

gruenerfisch.ch oder www.greenpeace.kl<strong>im</strong>a-aktiv.com;<br />

Fahrrad<br />

fahren; Fahrgemeinschaften;<br />

Ferien <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland<br />

Vorschlag: sonntags nichts<br />

kaufen; Terminkalender mal leer<br />

lassen<br />

Vorschlag: Auto; Süßigkeiten;<br />

Fleisch; exotische Früchte;<br />

best<strong>im</strong>mte Medien (Fernseher,<br />

Internet); Kleiderkauf; Elektronik<br />

Auf www.just-people.net findest du eine Link-Liste mit Websites, die dir<br />

weitere Impulse liefern können für ein gerechteres Leben.<br />

Nennen wir zum Schluss noch einmal kurz die drei Schlagwörter:<br />

Gebet – Bescheidenheit – Teilen.<br />

Damit bezeugen wir ganz praktisch, dass wir zum Gott der Gerechtigkeit<br />

gehören, diesem Gott, der sich um die Armen und Ausgegrenzten kümmert.<br />

GERECHTER LEBEn? 4: ICH<br />

Zum Weiterlesen<br />

• Pia Schmid, Woher kommt die<br />

Kraft zum Engagement?, Seite<br />

138<br />

• Flurina Weidmann Bieri, FairTrade,<br />

Seite 142<br />

• Hannes Leitlein, Mein fairer<br />

Lebensstil: Ein Praxisbericht,<br />

Seite 146<br />

• Claiborne, Shane, Ich muss<br />

verrückt sein so zu leben.<br />

Kompromisslose Exper<strong>im</strong>ente<br />

in Sachen Nächstenliebe, 1.<br />

Auflage, Gießen, 2007<br />

• Faix, Tobias, Würde Jesus bei<br />

IKEA einkaufen? Herausforderungen<br />

zur ganzheitlichen<br />

Nachfolge, 2. Auflage, Schwarzenfeld,<br />

2007<br />

• Benton, John, Gute Gaben, alles<br />

haben? – Christen und der Konsumzwang,<br />

Friedberg, 2001<br />

zum Weitersurfen lohnt sich ein<br />

Blick in unsere Link-Liste auf<br />

www.just-people.net.<br />

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63


64<br />

Just PEoPlE?<br />

Diese Seite darf kopiert werden.<br />

„Kleiner lebenstest“<br />

Im „Kleinen Lebenstest“ geht es um eine grobe Analyse deiner Lebens- und<br />

Konsumgewohnheiten: Du gehst gedanklich zum Beispiel die Klamotten in<br />

deinem Kleiderschrank durch und überlegst, unter welchen Bedingungen sie<br />

hergestellt wurden.<br />

Bitte kreuze – wenn nichts anderes angegeben – jeweils die Antwort an,<br />

die am ehesten zu deinem Lebensstil/deinen Überzeugungen passt.<br />

Dieser Fragebogen kann anschließend von der Kursleitung anonym ausgewertet<br />

werden, damit eine Statistik der ganzen Gruppe entsteht.<br />

A) Ernährung<br />

Ich teile die Lebensmittel in deinem Haushalt in Produkte aus dem Inland und Produkte aus dem Ausland ein.<br />

a<br />

b<br />

c<br />

d<br />

a<br />

b<br />

c<br />

d<br />

Gruppiere nun die Produkte aus dem Ausland nach folgenden Kriterien:<br />

Ich kenne die Bedingungen, unter denen dieses Produkt<br />

hergestellt, gepflückt, weiterverarbeitet etc. wurde.<br />

Ich kenne die oben genannten Bedingungen zwar nicht, doch das Produkt hat ein Gütesiegel, welches<br />

verspricht, dass die Produktionsschritte und Arbeitsbedingungen überprüft/kontrolliert werden.<br />

Ich kenne die oben genannten Bedingungen nicht und das<br />

Produkt hat auch kein Gütesiegel.<br />

Ich gehe davon aus, dass die Produktionsbedingungen nicht übermäßig umweltschonend sind und die<br />

Arbeiter eher schlecht bezahlt werden, habe mich aber trotzdem zum Kauf entschieden.<br />

Gruppiere nun die Produkte aus dem Inland nach folgenden Kriterien:<br />

Das Produkt kommt aus meiner Region und ich kenne die Bedingungen,<br />

unter denen das Produkt hergestellt, gepflückt, weiterverarbeitet etc. wurde.<br />

Ich kenne die oben genannten Bedingungen zwar nicht, doch das Produkt hat ein Gütesiegel, welches<br />

verspricht, dass die Produktionsschritte und Arbeitsbedingungen überprüft/kontrolliert werden.<br />

Ich kenne die oben genannten Bedingungen nicht<br />

und das Produkt hat auch kein Gütesiegel.<br />

Ich gehe davon aus, dass die Produktionsbedingungen nicht übermäßig umweltschonend sind und die<br />

Arbeiter eher schlecht bezahlt werden 1 , habe mich aber trotzdem zum Kauf entschieden.<br />

1<br />

Die größte<br />

Gruppe ist<br />

d etwa einmal pro Tag 2<br />

12<br />

1 Auch in der Schweiz und Deutschland sind es häufig Leute aus osteuropa, die als<br />

Erntehelfer schuften und nur wenig Geld verdienen. Vgl. http://www.sueddeutsche.de/bayern/erdbeerplantage-bauer-haelt-rumaenen-wie-sklaven-1.428946,<br />

30.07.2010.<br />

2 Siehe auch Informationen auf der Link-Liste auf www.just-people.net unter Ernährung.<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Die größte<br />

Gruppe ist<br />

Wie oft esse ich Fleisch? 2 Antwort<br />

a nie, ich bin Vegetarier 9<br />

b weniger als einmal pro Woche 10<br />

c etwa einmal pro Woche 11<br />

e mehr als einmal pro Tag 13<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

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B) Mobilität<br />

Welche „Fortbewegungsmittel“ nutze ich täglich? (mehrere Antworten möglich) Antwort<br />

a meine Füße/mein Fahrrad (ich laufe zum Beispiel zur Arbeit oder bewege mich viel) 14<br />

b Bus/zug 15<br />

b1 bis 50 km 16<br />

b2 50 bis 100 km 17<br />

b3 über 100 km 18<br />

c Auto 19<br />

c1 bis 50 km 20<br />

c2 50 bis 100 km 21<br />

c3 über 100 km 22<br />

Wie oft mache ich eine Ferienreise pro Jahr? (Ausflüge, die länger als 3 Tage dauern) Antwort<br />

Mit welchen Verkehrsmitteln „fahre“ ich meistens in den Urlaub? (mehrere Antworten möglich) Antwort<br />

a mit meinen Füßen/Fahrrad 24<br />

b Bus/zug 25<br />

c Auto 26<br />

d Flugzeug 27<br />

Wie oft bin ich in meinem Leben mit einem Flugzeug gereist? Antwort<br />

C) Kleidung<br />

So viele Kleidungsstücke befinden sich ich in meinem Kleiderschrank: Anzahl (ca.)<br />

Jacken<br />

Schuhe<br />

Hosen<br />

Röcke<br />

Pullis<br />

T-Shirts<br />

GERECHTER LEBEn? 4: ICH<br />

23<br />

28<br />

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65


66<br />

Just PEoPlE?<br />

Hemden<br />

Wie viele Menschen könnten sich etwa damit kleiden<br />

(eine vollständige leichte Bekleidung pro Mensch)?<br />

Ich teile meine Jacken, Schuhe, Hosen, Röcke, Pullis, T-Shirts, Hemden in folgende Gruppen auf:<br />

• Kleidungsstück ist älter als 2 Jahre<br />

• Kleidungsstück ist älter als 1 Jahr<br />

• Kleidungsstück ist 3 Monate bis 1 Jahr alt<br />

• Kleidungsstück ist unter 3 Monaten alt<br />

a<br />

b<br />

c<br />

d<br />

Gruppiere nun die Kleidungsstücke die unter einem Jahr alt sind, nach folgenden Kriterien:<br />

Ich kenne die Bedingungen, unter denen dieses Produkt<br />

hergestellt, gepflückt, weiterverarbeitet usw. wurde.<br />

Ich kenne die oben genannten Bedingungen zwar nicht, doch das Produkt hat ein Gütesiegel, welches<br />

verspricht, dass die Produktionsschritte und Arbeitsbedingungen überprüft/kontrolliert werden.<br />

Ich kenne die oben genannten Bedingungen nicht<br />

und das Produkt hat auch kein Gütesiegel.<br />

Ich gehe davon aus, dass die Produktionsbedingungen nicht übermäßig umweltschonend sind und<br />

die Arbeiter eher schlecht bezahlt werden, habe mich aber trotzdem zum Kauf entschieden.<br />

D) Geld/Ersparnisse<br />

Diese Seite darf kopiert werden.<br />

3<br />

3 energieeffizient: Die Gebäudehülle/Isolation ist in einem guten zustand, der Wärmebedarf<br />

ist dadurch klein. Die elektrischen Geräte sind keine Energieschleudern<br />

und werden sparsam gebraucht.<br />

umweltfreundlich: Der Energiebedarf wird mit Energieträgern gedeckt, die<br />

möglichst aus der Gegend stammen (zum Beispiel Holzheizung, Solaranlage,<br />

Ökostrom).<br />

29<br />

Die größte<br />

Gruppe ist<br />

(mehrere Antworten möglich) Antwort<br />

a Mein Geld liegt bei einer großen Bank. 34<br />

b<br />

c<br />

Ich habe meine Bank in erster Linie nach Service und wirtschaftlichen Kriterien<br />

ausgewählt. Aber ich wusste bislang auch nicht, dass es brauchbare Alternativen gibt.<br />

Alle Banken machen ethisch fragwürdige Geschäfte. Ich versuche, mein Geld deshalb direkt in Projekte<br />

zu investieren, zu denen ich einen Bezug habe (zum Beispiel Darlehen für Sozialprojekte).<br />

d Ich habe mein Geld bei einer Bank angelegt, die konsequent ein ethisches Konzept verfolgt. 37<br />

E) Wohnform<br />

Wie bewerte ich mein Haus/meine Wohnung? Antwort<br />

a energieeffizient/umweltfreundlich 3 38<br />

b teilweise energieeffizient/umweltfreundlich 39<br />

30<br />

31<br />

32<br />

33<br />

35<br />

36<br />

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c<br />

Ich gehe davon aus, dass meine Wohnung nicht übermäßig umweltschonend<br />

geheizt wird und wenig energieeffizient ist.<br />

d Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. 41<br />

F) Arbeit<br />

Trägt meine jetzige Tätigkeit etwas zu mehr sozialer und globaler Gerechtigkeit bei? Antwort<br />

a ja, das ist ein zentraler Punkt bei meiner Tätigkeit 42<br />

b teilweise 43<br />

c nein 44<br />

d Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. 45<br />

Wie wichtig ist mir das? Antwort<br />

a sehr wichtig 46<br />

b ziemlich wichtig 47<br />

c weniger wichtig 48<br />

d nicht wichtig 49<br />

e Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. 50<br />

G) Freizeit<br />

GERECHTER LEBEn? 4: ICH<br />

Verbringe ich meine Freizeit so, dass es mir, dem Nächsten und der Umwelt gut tut? Antwort<br />

a ja 51<br />

b nein 52<br />

c teilweise 53<br />

d Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. 54<br />

40<br />

Diese Seite darf kopiert werden.<br />

67


68<br />

Just PEoPlE?<br />

Angepackt!<br />

Bis zur Kurseinheit 5 nehme ich mir vor:<br />

•<br />

•<br />

•<br />

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KURSEInHEIT 5:<br />

GEsEllscHAFt<br />

– GERECHTER<br />

GESTALTEn?<br />

Darum geht’s: Christen sollten sich als weltweiter Leib Christi in die<br />

weltweite Gesellschaft einbringen – auch politisch!<br />

Genauer gesagt:<br />

• nachhaltige Entwicklungshilfe muss auch an den politischen Strukturen<br />

ansetzen.<br />

• Die Millenniumsziele: Eine historische Chance<br />

• Global denken und handeln: nächstenliebe und Engagement<br />

• Mitmischen: Politik gehört zur Lebenswirklichkeit der Menschen und<br />

ist damit Teil der integralen Mission.<br />

•<br />

Jesus-Revolution: Wie Jesus lebte, hatte auch politische Konse-<br />

quenzen!<br />

• Konkret drauflos: Gesellschaft gerechter mitgestalten<br />

Fragen, die wir stellen: Wo muss man ansetzen, um Armut nachhaltig<br />

zu bekämpfen? Warum sollten wir die Millenniumsziele unterstützen?<br />

Woran liegt es, dass uns das Leid in Entwicklungsländern so wenig<br />

bewegt? Sollten sich Christen aus der Politik raushalten? War Jesus<br />

politisch? Und was können wir diesbezüglich von ihm lernen?<br />

So machen wir’s:<br />

• Vorstellung Micha-Initiative beziehungsweise <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong><br />

• Referat mit Diskussion<br />

• Just People? -Aktion planen<br />

GERECHTER GESTALTEn? 5: GESELLSCHAFT<br />

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69


70<br />

Just PEoPlE?<br />

Um nachhaltig<br />

Menschen aus<br />

Armut zu befreien,<br />

muss man auch an<br />

den politischen und<br />

wirtschaftlichen<br />

Strukturen arbeiten.<br />

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Referat 5:<br />

Gesellschaft – gerechter gestalten?<br />

Weltweite Armut lindern – symptome oder ursachen<br />

bekämpfen?<br />

Weltweit Armut zu lindern ist ein gutes Ziel, für das sich viele gern einsetzen.<br />

Aber wie erreicht man das am besten? Hier gibt es viele verschiedene Meinungen:<br />

Manche halten konkrete Entwicklungsprojekte für den effektivsten<br />

Ansatz und spenden deshalb oder arbeiten selbst für eine gewisse Zeit vor<br />

Ort mit. Andere legen besonderen Wert auf nachhaltigen Konsum, der zu<br />

mehr Gerechtigkeit führt. Und wieder andere versuchen, in der Politik Veränderung<br />

zu erreichen.<br />

Es ist wichtig, diese unterschiedlichen Ansätze nicht gegeneinander auszuspielen.<br />

Oft erreicht man das Ziel eben nur, indem man auf verschiedenen<br />

Ebenen anpackt. Dazu ein Beispiel aus Kamerun: In einem Entwicklungsprojekt<br />

versuchte man, Kleinbauern mit Hilfe von Milchkühen aus der Armut zu<br />

befreien. Man sammelte Geld und kaufte davon für arme Familien Milchkühe.<br />

Die Bauern hatten nun selbst genug Milch und konnten sogar den Überschuss<br />

auf dem lokalen Markt verkaufen und so ihr Einkommen sichern. Das Konzept<br />

nennt man „Hilfe zur Selbsthilfe“. Am Anfang lief alles super. Zur Zeit<br />

ist das Projekt allerdings gefährdet – eine große Molkerei musste bereits wieder<br />

schließen. Der Grund: Milchpulver aus der Europäischen Union, das man<br />

auch in Kamerun kaufen kann. Es ist viel billiger als he<strong>im</strong>ische Frischmilch,<br />

weil die EU ihre Landwirtschaft finanziell enorm unterstützt. Hier wird klar:<br />

Konkrete Projekte vor Ort reichen nicht. Um nachhaltig Menschen aus Armut<br />

zu befreien, muss man auch an den politischen und wirtschaftlichen Strukturen<br />

arbeiten. Daher setzen sich die Entwicklungsorganisationen jetzt auch<br />

dafür ein, dass sich die europäische Subventionspolitik ändert, damit die einhe<strong>im</strong>ischen<br />

Bauern ihre Milch wieder verkaufen können. 1 Entwicklungshilfe,<br />

die nur mit lokalen Projekten das Symptom bekämpft, greift zu kurz. Man<br />

muss auch die politischen und wirtschaftlichen Ursachen erkennen und versuchen,<br />

das Problem an der Wurzel zu packen.<br />

Der britische Theologe John Stott bringt es auf den Punkt:<br />

„Wenn es an einer Kreuzung <strong>im</strong>mer wieder Unfälle gibt, dann brauchen<br />

wir nicht noch mehr Krankenwagen, sondern wir sollten eine Ampel installieren,<br />

die weitere Unfälle vermeidet. Es ist <strong>im</strong>mer gut, den Hungrigen zu essen<br />

zu geben; es ist allerdings noch besser, wenn wir die Ursachen von Hunger<br />

beseitigen können. Wenn wir also unsere Nächsten tatsächlich lieben und<br />

ihnen dienen wollen, dann kann es passieren, dass unser Dienst fordert, uns<br />

politisch für sie einzusetzen.“ 2<br />

1 Vgl. Evangelischer Entwicklungsdienst (EED), Milchdumping in Kamerun. Milchpulver<br />

aus der EU gefährdet die Absatzmärkte und die Existenz von Milchbäuerinnen und<br />

-bauern in Kamerun, http://www.eed.de/milchdumping, 06.07.2010.<br />

2 Eigene Übersetzung nach: Stott, John, Issues Facing Christians Today, http://www.<br />

zondervan.com/media/samples/pdf/0551031727_samptxt.pdf, 15, 14.08.2010.<br />

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Die Millenniumsziele – Warum sollten wir sie unterstützen?<br />

Wenn es aktuell um den politischen Einsatz gegen extreme Armut weltweit<br />

geht, dann spielen die Millenniumsziele eine zentrale Rolle. Deren Umsetzung<br />

wollen auch die Micha-Initiative und <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> unterstützen und<br />

einfordern. Diese Ziele bieten eine historische Chance, etwas zu bewegen:<br />

Eine so breite Zust<strong>im</strong>mung zu so vielen klar definierten Zielen in so vielen<br />

Bereichen gab es vorher noch nie. Nach der Verabschiedung der Millenniumsziele<br />

<strong>im</strong> Jahr 2000 nannte sich eine Kampagne sogar „Make Poverty<br />

History“ – „Mach Armut zur Geschichte“. 3 Aber es ist die Frage, ob wir das<br />

Potential der Millenniumsziele tatsächlich nutzen. In einer Rede vor der UN-<br />

Vollversammlung 2007 sagte der damalige englische Premierminister Gordon<br />

Brown <strong>im</strong> Hinblick auf die Millenniumsziele:<br />

„Frühere Generationen hatten die alte Ausrede:<br />

Ach, wenn wir doch nur das Wissen hätten,<br />

ach, wenn wir doch nur die Technologie hätten,<br />

ach, wenn wir doch nur die Medizin hätten,<br />

ach, wenn wir doch nur die Forschung hätten,<br />

ach, wenn wir doch nur den Wohlstand hätten.<br />

Heute haben wir die Forschung, Technologie, Medizin und den Wohlstand:<br />

Was wir jetzt brauchen, ist die Einigkeit und die feste Entschlossenheit,<br />

unsere Erkenntnisse und Ressourcen einzusetzen – und sie gut einzusetzen<br />

–, damit wir denen helfen können, die sie brauchen.“ 4<br />

Laut Brown ist es vor allem eine Frage des politischen Willens, ob wir Fortschritte<br />

machen oder nicht. Und ihm solle dabei niemand erzählen, „dass<br />

Entwicklungshilfe (…) nichts bringt. Das Einzige, was nicht funktioniert, ist<br />

Nichtstun!“<br />

In der Tat kann man einige beachtliche Verbesserungen feststellen, wenn<br />

man sieht, was zwischen 1990 (dem Ausgangsjahr für die Millenniumsziele)<br />

beziehungsweise 2000 (dem Jahr der Verabschiedung) und 2010 erreicht<br />

wurde: 5<br />

Die folgenden Punkte liest jeder am besten still für sich durch.<br />

• Einkommensarmut: Die Zahl der absolut Armen – also derer mit weniger<br />

als 1,25 US-Dollar pro Tag – ist von 1,8 Milliarden <strong>im</strong> Jahr 1990 auf 1,4<br />

Milliarden <strong>im</strong> Jahr 2008 zurückgegangen.<br />

• Bildung: Die Einschulungsrate bei den Grundschülern wuchs in Subsa-<br />

hara-Afrika seit dem Jahr 2000 auf 74 Prozent – das ist eine Steigerung<br />

um 16 Prozent. In Tansania hat sich die Einschulungsquote nach Abschaffung<br />

der Schulgebühren zwischen 2001 und 2006 sogar verdoppelt und<br />

bei 98 Prozent eingepegelt.<br />

• Gleichstellung: Zwischen 1999 und 2009 stieg der Anteil von Frauen in<br />

3 „Make Poverty History“ kann man auch mit „Lass Armut Geschichte werden“ übersetzen.<br />

Die britische Mutterkampagne „Make Poverty History“ ging 2006 zu Ende,<br />

aber ähnliche Kampagnen haben sich <strong>im</strong> internationalen netzwerk „Global Call<br />

against Poverty“ (GCAP) zusammengeschlossen. Auch hier fordern unterschiedliche<br />

organisationen gemeinsam die Umsetzung der Millenniumsziele ein. Der<br />

deutsche Ableger von GCAP ist „Deine St<strong>im</strong>me gegen Armut“: www.deine-st<strong>im</strong>megegen-armut.de.<br />

4 Eigene Übersetzung nach: number10.gov.uk, Speech to the United Nations (31 Jul<br />

07), http://www.number10.gov.uk/Page12755, 06.07.2010.<br />

5 Vgl. Un, Millennium Development Goals: At a Glance, http://www.un.org/millenniumgoals/pdf/mdgs_glance_factsheet.pdf,<br />

06.07.2010.<br />

GERECHTER GESTALTEn? 5: GESELLSCHAFT<br />

„Das Einzige, was<br />

nicht funktioniert,<br />

ist nichtstun!“<br />

Gordon Brown<br />

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71


72<br />

Just PEoPlE?<br />

Die Bürgerrechtsbewegung<br />

in den USA<br />

Eigentlich steht schon in der<br />

Gründungsurkunde der USA<br />

von 1776, dass „alle Menschen<br />

gleich erschaffen wurden,<br />

dass sie vom Schöpfer<br />

mit gewissen unveräußerlichen<br />

Rechten begabt wurden,<br />

worunter Leben, Freiheit<br />

und das Streben nach Glückseligkeit<br />

sind.“ 1 In der Praxis<br />

galt das allerdings nicht<br />

für die schwarze Bevölkerung:<br />

Es gab beispielsweise<br />

Bänke für Weiße und Schwarze,<br />

Schwarze hatten nicht dieselben<br />

Bildungschancen und<br />

mussten <strong>im</strong> Bus hinten sitzen.<br />

Kein anderer Staat machte<br />

den USA wirkungsvoll Druck<br />

von außen. Aber den Schwarzen<br />

selbst wurde ihre unge-<br />

rechte Behandlung allmählich<br />

zuwider. Also widersetzen<br />

sie sich: Die näherin<br />

Rosa Parks blieb 1955 einfach<br />

sitzen, als sie <strong>im</strong> Bus ihren<br />

Platz für einen Weißen räumen<br />

sollte. Davon ermutigt,<br />

boykottierten die Schwarzen<br />

den öffentlichen nahverkehr<br />

in der Stadt Montgomery<br />

– 50.000 Menschen hielten<br />

zusammen. Ihr Pfarrer Martin<br />

Luther King unterstütze<br />

sie. Die Bürgerrechtsbewegung<br />

erfasste schließlich die<br />

gesamte USA und 1964 wurde<br />

das Bürgerrechtsgesetz verkündet,<br />

das die Rassentrennung<br />

offiziell aufhob.<br />

1 nürnberger, Christian, Mutige<br />

Menschen – für Frieden, Freiheit<br />

und Menschenrechte, Stuttgart/<br />

Wien, 2008, 131.<br />

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Parlamenten weltweit um 6 Prozent auf 19 Prozent.<br />

• Gesundheit von Kindern: Zwischen 1990 und 2010 hat sich in Nordafrika,<br />

Ostafrika, Südostasien, Lateinamerika und der Karibik die Kindersterblichkeit<br />

mehr als halbiert.<br />

• Müttergesundheit: Der Anteil der Geburten in Entwicklungsländern mit<br />

Betreuung von geschultem medizinischen Personal stieg von 53 Prozent<br />

<strong>im</strong> Jahr 1990 auf 61 Prozent <strong>im</strong> Jahr 2007.<br />

• HIV/Aids: Die Zahl der jährlichen HIV-Neuinfektionen ging von 3,5 Millionen<br />

<strong>im</strong> Jahr 1996 auf 2,7 Millionen <strong>im</strong> Jahr 2007 zurück.<br />

• Ökologische Nachhaltigkeit: Schon 2010 erreichte man das Ziel nahezu,<br />

doppelt so vielen Menschen einen dauerhaft gesicherten Zugang zu sauberem<br />

Trinkwasser zu verschaffen.<br />

• Welthandel: Der Anteil von zollfreien Importen aus Entwicklungsländern<br />

in Industrieländer stieg von 54 Prozent <strong>im</strong> Jahr 1996 auf fast 79 Prozent<br />

<strong>im</strong> Jahr 2007.<br />

Um die Fortschritte der Millenniumsziele wirklich „messen“ zu können, muss<br />

man die Entwicklungen zum einen regional untersuchen: Das Afrika südlich<br />

der Sahara hinkt als Region zum Beispiel bei fast allen Zielen hinterher.<br />

Aber eine rein regionale Betrachtung greift zu kurz. Andererseits muss man<br />

die Entwicklungen in den verschiedenen Bereichen untersuchen. Hier liegen<br />

die größten Herausforderungen in der Bekämpfung des Hungers, der<br />

umfassenden Gesundheit von Müttern und Kindern und in der Schonung der<br />

natürlichen Ressourcen. Ohne ein grundlegendes Umsteuern werden diese<br />

Ziele wohl nicht erreicht. 6<br />

Trotzdem zeigen die Teilerfolge in einzelnen Bereichen und Regionen, dass<br />

etwas bewegt werden kann, wenn man sich gezielt dafür einsetzt. Es hilft<br />

enorm, dass die Staaten ihre Wege offenlegen und Rechenschaft ablegen<br />

müssen. Alle drei bis vier Jahre werden die Fortschritte der einzelnen Staaten<br />

dann in einem Bericht zusammengefasst und analysiert. Jährliche Fortschrittsberichte<br />

informieren über den Stand auf der ganzen Welt. So kann<br />

man sehen, wie weit die Ziele schon umgesetzt wurden.<br />

Und was passiert, wenn ein Staat die Ziele nicht einhält? Die Millenniumsziele<br />

sind völkerrechtlich nicht bindend – ihr Nichteinhalten wird also<br />

nicht offiziell bestraft. Aber wie kann man dann Regierungen dazu bewegen,<br />

die Ziele einzuhalten? Die große Chance liegt hier bei der Öffentlichkeit. Sie<br />

muss über die Versprechen und den Stand der Umsetzung aufgeklärt werden.<br />

Nur so kann sie sich dann dafür einsetzen, dass die Versprechen wirklich<br />

hundertprozentig gehalten werden. Denn öffentlicher Druck kann manchmal<br />

wirkungsvoller sein als völkerrechtlich verankerte Sanktionen. Das sieht<br />

man sehr schön an der Bürgerrechtsbewegung in den USA. Hier begann der<br />

Widerstand gegen die Rassentrennung mit den ganz „normalen schwarzen<br />

Leuten“, erst wenigen, die sich mutig und hartnäckig für ihre Rechte einsetzten.<br />

Schließlich erfasste die Bürgerrechtsbewegung die gesamte USA und<br />

1964 wurde die Rassentrennung aufgehoben (siehe Kasten).<br />

Man sieht also: Am Anfang reichen wenige „ganz normale Leute“, die<br />

sich leidenschaftlich für eine Sache einsetzen. Wenn daraus eine Bewegung<br />

wird, dann kann diese Öffentlichkeit einen enormen Druck auf Regierungen<br />

ausüben.<br />

Von Anfang haben die Vereinten Nationen bei den Millenniumszielen daher<br />

um die Mitwirkung der Zivilgesellschaft gebeten. Die Zivilgesellschaft ist der<br />

Teil der Gesellschaft, der sich zwischen dem Privaten, dem Staat und der<br />

6 Am besten aktuelle Daten anschauen: www.mdgmonitor.org.<br />

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Wirtschaft befindet. Dazu zählen auch die Kirchen. Die Frage ist also, ob Kirchen<br />

diese offene Tür für die Mitgestaltung der Gesellschaft nutzen oder<br />

nicht. Die Weltweite Evangelische Allianz hat sich <strong>im</strong> Jahr 2004 mit Micah<br />

Challenge dafür entschieden – nicht<br />

zuletzt, weil sie in den Millenniumszielen<br />

Inhalte sieht, die gut mit christlichen<br />

Werten zusammenpassen. 7<br />

Wir Christen sind also gefragt: Erinnern<br />

wir die Öffentlichkeit, die Medien und<br />

die Politik an die Versprechen aus dem<br />

Jahr 2000! Sagen wir doch, dass uns die<br />

Millenniumsziele wichtig sind! Wir sollten<br />

dafür sorgen, dass die Öffentlichkeit,<br />

die Medien und die Politik unser Anliegen<br />

mitbekommen und sich alle an die<br />

Versprechen aus dem Jahr 2000 und den<br />

Folgejahren erinnern können.<br />

Globale Nächstenliebe und globales Engagement<br />

Allerdings interessiert sich die Öffentlichkeit nicht unbedingt für weltweite<br />

Armut und was dagegen getan werden kann. Verständlich, denn es ist schwer,<br />

globale Entwicklungen als etwas wahrzunehmen, das mit uns persönlich zu<br />

tun hat.<br />

Dazu ein Beispiel: Im August 2008 verhungerte in Deutschland ein Kind. Der<br />

tragische Tod des dreijährigen Mädchens schlug Wellen: Die Medien stellten<br />

die Behörden an den Pranger, denn das Jugendamt wusste, dass die Mutter<br />

ihre Tochter nicht ordentlich versorgte. In völliger Verwahrlosung vegetierte<br />

das Kind dahin, bis sein Körper aufgab. 8<br />

Jedem, der so einen Bericht liest, bricht einfach das Herz: Unvorstellbar!<br />

Wer lässt denn sein eigenes Kind verhungern? Jedes Mal, wenn man von verwahrlosten,<br />

verhungerten, ermordeten und missbrauchten Kinder liest, geht<br />

ein Raunen durch die Gesellschaft. Ein Feuer des Engagements wird in einer<br />

breiten Öffentlichkeit entfacht. Zu Recht verlangt man von Politikern, dass<br />

sie sich einsetzen: So etwas darf doch nie wieder passieren! Wir wollen, dass<br />

die Kleinsten, die am meisten Schutz brauchen, nicht zu Schaden kommen.<br />

7 Im so genannten „Micha-Aufruf“ heißt es: „Wenn Absichtserklärungen von führenden<br />

Politikern etwas von dem anklingen lassen, was den biblischen Propheten ein<br />

Anliegen war und was Jesus über die Armen lehrte, und wenn wir die Mittel haben,<br />

die weltweite Armut wesentlich zu reduzieren, erleben wir einen zeitpunkt der<br />

gegenwärtigen Geschichte mit einem einzigartigen Potential. Wir verpflichten uns<br />

als nachfolger von Jesus Christus, auf eine umfassende Veränderung unserer Umgebung<br />

hinzuarbeiten, nach Gerechtigkeit zu streben, leidenschaftlich Barmherzigkeit<br />

zu praktizieren und demütig vor Gott zu wandeln (Micha 6,8).“ (Micha-Initiative<br />

Deutschland, … einen Zeitpunkt der gegenwärtigen Geschichte mit einem einzigartigen<br />

Potential, http://www.micha-initiative.de/channel.php?channel=80, 09.07.2010,<br />

siehe auch Seite 79.) Damit sollen die Millenniumsziele nicht blind in den H<strong>im</strong>mel<br />

gelobt werden, denn sie haben durchaus auch Schwächen: Die extreme Armut soll<br />

nur halbiert und nicht ganz abgeschafft werden, der gesamte Menschenrechtsansatz<br />

wird ausgeklammert und sie fordern mehr Rechenschaft von den Entwicklungsländern<br />

als von den Industrienationen.<br />

Außerdem sind sie natürlich keine biblische Agenda und erfassen daher auch nicht<br />

alle D<strong>im</strong>ensionen des Reiches Gottes.<br />

8 Vgl. http://www.bild.de/BILD/news/2009/08/16/verhungerte-sarah/die-traurigstebeerdigung-dieses-wochenendes.html,<br />

08.03.2010.<br />

GERECHTER GESTALTEn? 5: GESELLSCHAFT<br />

Woran liegt es,<br />

dass uns die not<br />

anderer unterschiedlich<br />

berührt?<br />

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Just PEoPlE?<br />

Sich nicht einmischen<br />

- das<br />

geht gar nicht!<br />

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Und es ist gut, dass wir so fühlen.<br />

Aber wie ist es mit den Grausamkeiten auf globaler Ebene? Wie sehr n<strong>im</strong>mt<br />

es uns mit, dass alle fünf Sekunden ein Kind an Hunger und damit verbundenen<br />

Krankheiten stirbt – noch bevor es seinen fünften Geburtstag gefeiert<br />

hat? 9<br />

Ganz klar, natürlich fühlt man mit denen mehr mit, die einem irgendwie<br />

näher stehen, mit denen man eine Lebenswirklichkeit oder einen Kulturkreis<br />

teilt. Zum anderen ist da auch einfach die Tatsache, dass uns das Leid dieser<br />

Welt in seiner Größe überwältigt. Wie können wir mit so vielen Menschen<br />

gleichzeitig mitfühlen? Oft hören wir unglaubliche Zahlen, aber uns fehlt ein<br />

Gesicht, eine persönliche Geschichte, ein Name.<br />

Woran liegt es, dass uns die Not anderer unterschiedlich berührt? Schützen<br />

wir uns vielleicht auch einfach, weil uns das millionenfache Leid überfordert?<br />

Oder denken wir, dass wir sowieso nichts dagegen machen können –<br />

und beschäftigen uns deshalb lieber gar nicht damit? Was denkt ihr?<br />

Wie können wir sensibel werden für globale Entwicklungen, also Anteil<br />

nehmen? Und wie die Öffentlichkeit?<br />

Kurze Diskussion zu zweit und die Gedanken eventuell <strong>im</strong> Plenum zusammentragen.<br />

christen: Einmischen und mitmischen, bitte!<br />

Wenn das Leid der Welt plötzlich zu unserem persönlichen Problem wird,<br />

wenn wir uns also berühren lassen, dann wächst in uns auch der Wunsch,<br />

etwas zu verändern. Und wie wir zu Beginn be<strong>im</strong> Beispiel mit den Milchbauern<br />

in Kamerun gesehen haben: Projekte vor Ort können nicht alle D<strong>im</strong>ensionen<br />

der Armutsbekämpfung abdecken, auch an den politischen Strukturen<br />

muss gearbeitet werden. Sollen Christen also in der Politik mitmischen?<br />

Die meisten westlichen Staaten betonen, dass sie für eine strikte Trennung<br />

von Staat und Kirche eintreten. Und sie berufen sich dabei zu Recht auf<br />

die unheilvolle Geschichte Europas, in der die Kirche oft unrühmlich politische<br />

Macht ausübte. Aber nicht nur Kirchenfremde halten die strikte Trennung<br />

von Staat und Kirche für eine gute Entwicklung. Umgedreht meinen<br />

auch viele Christen, dass der Staat sich nicht in religiöse Dinge einmischen<br />

sollte – weil man beispielsweise befürchtet, dass der staatliche Einfluss den<br />

Glauben verwässern oder verweltlichen könnte.<br />

Leider wurde die Trennung von Staat und Kirche oft missverstanden, zum<br />

Beispiel in Zeiten des Sklavenhandels, des Nationalismus oder in Zeiten der<br />

Apartheid. Die Kirche hat damals in großen Teilen Missstände einfach ausgeblendet<br />

und ihre Hände in Unschuld gewaschen: Das ist Politik, das geht<br />

uns nichts an. Dabei sind Christen als Teil der Zivilgesellschaft doch aufgerufen,<br />

mitzugestalten und Grenzen aufzuzeigen! Weil Christen an Gott als die<br />

oberste Instanz glauben, können sie manchmal leichter Entwicklungen kritisieren,<br />

die in der breiten Öffentlichkeit akzeptiert sind. Dietrich Bonhoeffer<br />

hat das <strong>im</strong> „Dritten Reich“ vorbildhaft getan. Politik gehört zur Lebenswirklichkeit<br />

der Menschen und ist damit Teil der integralen Mission. Christen<br />

sind aufgerufen, politisch mit anzupacken, sich – je nachdem – nicht nur<br />

querzustellen, sondern auch um Kompromisse zu ringen.<br />

9 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.), fluter Ernährung, 33/Winter, Bonn/<br />

Berlin, 2009, 5.<br />

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Außerdem geht das gar nicht – sich nicht einmischen! Besonders in einem<br />

demokratischen Land: Selbst wer nicht wählt, beeinflusst das Ergebnis. 10<br />

Die Frage ist also am Ende gar nicht, ob wir politisch handeln, sondern wie<br />

bewusst wir unser politisches Handeln gestalten. Aber schauen wir doch auf<br />

Jesus. Hat er sich rausgehalten?<br />

War Jesus politisch?<br />

Keiner wird behaupten, dass Jesus ein Politiker in unserem heutigen Sinne<br />

war. Er strebte kein politisches Amt an und lehnte sogar die Möglichkeit ab,<br />

die politische Herrschaft zu übernehmen: „All die Macht und Herrlichkeit dieser<br />

Reiche will ich dir geben; denn sie sind mir überlassen und ich gebe sie, wem<br />

ich will“ (Lukas 4,6). Jesus geht nicht darauf ein. Bekannt ist auch seine Aussage:<br />

„Mein Königtum ist nicht von dieser Welt“ (Johannes 18,36). Das sagt er<br />

vor dem Statthalter Pontius Pilatus, der prüfen soll, ob Jesus tatsächlich mit<br />

seinem politischen Einfluss Unruhe ins Römische Reich gebracht hat. Pilatus<br />

hakt aber nach: „Also bist du doch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich<br />

bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich<br />

für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine<br />

St<strong>im</strong>me“ (Johannes 18,37). In der Welt, aber nicht von der Welt – und Jesus als<br />

König mittendrin. Was bedeutet das? Pilatus kann mit diesem Spannungsfeld<br />

nicht umgehen und lässt das Volk entscheiden. Und wir haben auch unsere<br />

Schwierigkeiten damit. Kann man das weltliche und Gottes Reich voneinander<br />

trennen? Sollten sie getrennt werden? Wo überschneiden, beeinflussen<br />

sie sich? Wo baut das eine auf dem anderen auf?<br />

Manche lösen das Spannungsfeld so auf, dass sie die Macht und Herrschaft<br />

Jesu und sein Königreich komplett <strong>im</strong> Jenseits verorten. Aber könnte es nicht<br />

auch sein, dass Jesus schlicht und ergreifend eine ganz neue Idee von Macht<br />

und Leitung verkörpert? Der britische Autor Graham Gordon ist fest davon<br />

überzeugt. Er bezieht sich dabei vor allem auf die Stellen, in denen Jesus<br />

seinen Jüngern erklärt, warum er gekommen ist: „Ihr wisst, dass die, die als<br />

Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über<br />

die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei<br />

euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will,<br />

soll der Sklave aller sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um<br />

sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen“ (Markus 10,42-45). Und dieser<br />

ganz andere Zugang zu Macht bringt Jesus <strong>im</strong>mer wieder in Konflikt mit den<br />

Regierenden und anderen Eliten seiner Zeit. Gordon fasst es so zusammen:<br />

„(...) Jesus war durchaus politisch. Er setzte sich mit der herrschenden Macht<br />

auseinander; er engagierte sich für Entscheidungen, die das Volk betrafen;<br />

er bemühte sich um Gerechtigkeit und sein Handeln brachte ihn in Konflikt<br />

mit den Machthabern – sowohl mit den religiösen als auch mit den politischen.<br />

Sein ‚politisches‘ Handeln in der Auseinandersetzung mit der Macht<br />

10 zum Beispiel <strong>im</strong> deutschen Bundesland Sachsen gab es bei der Wahl zum Landtag<br />

2009 eine Wahlbeteiligung von nur 52,2 Prozent – also hatten sich 47,8 Prozent der<br />

Wahlberechtigten entschieden, für keine Partei zu st<strong>im</strong>men. Gleichzeitig bekam die<br />

rechtsextreme Partei nPD (nationaldemokratische Partei Deutschlands) 5,6 Prozent<br />

der abgegebenen St<strong>im</strong>men (und damit de facto 2,9 Prozent der St<strong>im</strong>men aller<br />

Wahlberechtigten). Bei 5 Prozent liegt die Hürde für eine Partei, um überhaupt in<br />

den Landtag einziehen zu können. Hätten nur ein paar mehr nichtwähler für eine<br />

der anderen Parteien gest<strong>im</strong>mt, würden die Rechtsextremen nicht <strong>im</strong> sächsischen<br />

Landtag sitzen (vgl. sachsen.de, Wahlen, http://www.freistaat.sachsen.de/wahlen.<br />

htm, 09.07.2010).<br />

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Just PEoPlE?<br />

Was können wir<br />

für unser eigenes<br />

politisches Handeln<br />

von Jesus<br />

abgucken?<br />

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der Pharisäer, der Gesetzeslehrer und Sadduzäer und des Pontius Pilatus als<br />

Statthalter des römischen Kaisers brachte ihn schließlich ans Kreuz. Diejenigen,<br />

die sich durch ihn bedroht fühlten und Angst um ihren Einfluss hatten,<br />

beschlossen schließlich, ihn zu beseitigen.“ 11<br />

Wie in allen Bereichen sollten wir als Nachfolger Jesu ihm auch auf seinem<br />

politischen Weg folgen. 12 Und dabei geht es nicht einfach um Widerstand<br />

gegen die Staatsgewalt. Jesus zeigt auch, dass es sich lohnt, Gesetzen zu folgen,<br />

die das Zusammenleben regeln und nicht gegen den Willen Gottes verstoßen.<br />

Als Jesus von einigen Pharisäern gefragt wird, ob man Steuern zahlen<br />

solle, sagt er: „So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott<br />

gehört!“ (Markus 12,17). Christen von heute könnten vielleicht sagen: „Gebt<br />

der Demokratie, was der Demokratie gehört!“ 13 Gestaltet demokratisch mit.<br />

Auch wenn es manchmal schwer ist, überhaupt herauszufinden, was „Gott<br />

gehört“ und was sein Wille ist.<br />

Darum die Frage: Was können wir für unser eigenes politisches Handeln von<br />

Jesus abschauen?<br />

Kurze Diskussion zu zweit.<br />

christen und Parteipolitik<br />

Zum demokratischen Prozess gehören auch Kompromisse. Am Ende sollen<br />

Entscheidungen getroffen werden, die jeder mit sich und seinem Gewissen vor<br />

Gott vereinbaren kann. Es gibt nicht „das“ christliche Parteiprogramm, das<br />

uns die manchmal schwierige und langwierige Meinungsbildung abn<strong>im</strong>mt.<br />

Und nicht selten kommen Christen dabei auch zu unterschiedlichen Auffassungen.<br />

John Stott zeigt, wie verschiedene politische Ideen auf Christen ganz<br />

unterschiedlich wirken können:<br />

Das folgende Zitat liest jeder am besten still für sich durch.<br />

„Die beiden politischen Hauptideologien in westlichen Gesellschaften sprechen<br />

Christen aus ganz unterschiedlichen Gründen an. Der Kapitalismus hat<br />

seinen Reiz, weil er individuelle Initiativen und einen Unternehmergeist fördert,<br />

aber er ist auch abstoßend, weil er sich nicht um die Schwachen zu<br />

kümmern scheint, die anderen <strong>im</strong> harten Wettbewerb unterliegen, den der<br />

Kapitalismus hervorruft. Auf der anderen Seite hat der Sozialismus seinen<br />

Reiz, weil er barmherzig mit den Armen und Schwachen umgeht, aber er ist<br />

auch abstoßend, weil individuelles Handeln durch die starke Kontrolle der<br />

Regierungen erstickt wird, die mit dem Sozialismus einhergeht.“ 14<br />

Bei der Frage nach globaler Gerechtigkeit ergeben sich innerhalb verschiedener<br />

politischer Strömungen ganz unterschiedliche Ansatzpunkte. Sowohl für<br />

Christen, die mit Politikern sprechen, als auch für Christen, die sich selbst in<br />

11 Gordon, Graham, Das habt ihr mir getan. Engagiertes Christsein in einer unfairen Welt,<br />

Basel, 2004, 102.<br />

12 Auch Anhänger anderer Religionen haben sich von Jesu Umgang mit Macht und<br />

Politik beeindrucken lassen. Das prominenteste Beispiel ist wohl Gandhi, der sich<br />

bei seinem gewaltlosen Widerstand an Jesus orientierte.<br />

13 Vgl. Deutsche Evangelische Allianz, „Suchet der Stadt Bestes“. Zur Verantwortung der<br />

Christen in Staat und Gesellschaft. Eine Stellungnahme der Deutschen Evangelischen Allianz,<br />

Bad Blankenburg, 2009, 9.<br />

14 Eigene Übersetzung nach: Stott, John, Issues Facing Christians Today, Grand Rapids,<br />

2006, 42.<br />

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Parteien engagieren. Manche Parteien berufen sich auf ein christliches Menschenbild.<br />

Auf dieser Basis lässt sich gut erklären, warum aus Gottes Liebe,<br />

die Grenzen überschreitet, auch der Einsatz für arme Menschen jenseits<br />

unserer Landesgrenze folgt. In anderen politischen Bewegungen sind Solidarität<br />

oder Nachhaltigkeit zentrale Begriffe. Hier ist der Ansatzpunkt dann<br />

eher die Frage, wie Solidarität in einer globalisierten Gesellschaft gelebt werden<br />

kann. Oder dass Nachhaltigkeit nur international angegangen werden<br />

kann und die Folgen des Kl<strong>im</strong>awandels längst auch Fragen von Armut und<br />

Gerechtigkeit geworden sind.<br />

Konkrete schritte in Politik und Gesellschaft<br />

Wie können wir hier in Europa damit anfangen, Gesellschaft global zu verstehen?<br />

Und was können wir konkret tun, um unsere Welt-Gesellschaft gerechter<br />

zu gestalten?<br />

Die folgenden Punkte liest jeder am besten still für sich durch.<br />

Berichte zu den Millenniumszielen15<br />

1. Sich informieren<br />

zunächst einmal sollten wir wissen,<br />

was auf der Welt los ist und<br />

was versprochen wurde, um Armut<br />

zu bekämpfen. Und wie es mit der<br />

Umsetzung aussieht. Da ist es gut,<br />

wenn man die aktuellen Entwicklungen<br />

verfolgt.<br />

(Standaktionen 16 )17<br />

2. Andere sensibilisieren<br />

Menschen auf die weltweiten<br />

Missstände aufmerksam machen.<br />

Vorschlag:<br />

• Berichte zu den Millenniumszielen15<br />

lesen<br />

• Websites und newsletter von<br />

Hilfswerken und Kampagnen<br />

anschauen<br />

• hochwertige zeitungen und nachrichtenportale<br />

mit viel Auslandsberichterstattung,<br />

Radio- und<br />

Fernsehbeiträge verfolgen<br />

Vorschlag:<br />

• in persönlichen Diskussionen<br />

(zum Beispiel über Medienberichterstattung,Abst<strong>im</strong>mungen/Wahlen,<br />

Mode, Ernährung)<br />

16<br />

• in Leserbriefen<br />

• mit kreativen Aktionen (zum Beispiel<br />

Sammelaktionen, Stand Ups<br />

(Standaktionen) 17 , Benefizkonzerte,<br />

Gebetskonzerte, Bilder malen)<br />

• selbst als Leiterin oder Leiter<br />

einen Just People?-Kurs starten<br />

15 Die MDG-Berichte zu einzelnen Ländern gibt es hier: www.undg.org/index.<br />

cfm?P=87, die deutsche Version des aktuellen globalen jährlichen Berichtes unter<br />

der Adresse: www.dgvn.de/mdg.html, die englische Version hier: unstats.un.org/<br />

unsd/mdg.<br />

16 Ein nicht zu unterschätzendes Instrument, in den Medien Aufmerksamkeit zu<br />

erreichen. Bei den meisten zeitungen ist es sehr einfach, einen Leserbrief zu<br />

schreiben, der auch abgedruckt wird.<br />

17 Für die Aktion der Un alle Infos hier: http://www.un-kampagne.de/fileadmin/<br />

downloads/news3/Broschuere_STAnD_UP_kompakt.pdf, 18.08.2010.<br />

GERECHTER GESTALTEn? 5: GESELLSCHAFT<br />

Abgeordnetengespräche<br />

der Micha-Initiative<br />

Seit 2008 ermutigt die Micha-<br />

Initiative Gemeinden, vor ort<br />

mit ihrer beziehungsweise<br />

ihrem Abgeordneten über<br />

globale Armut und die Millenniumsziele<br />

zu sprechen.<br />

Dadurch soll das Thema wieder<br />

auf die Agenda kommen<br />

und die zusagen Deutschlands<br />

für die Armutsbekämpfung<br />

eingefordert werden.<br />

Aber ist man denn als Laie<br />

überhaupt kompetent genug,<br />

um wirklich etwas Vernünftiges<br />

zu sagen? natürlich<br />

muss man sich gut informieren<br />

und vorbereiten. Aber es<br />

kann durchaus von Vorteil<br />

sein, wenn man eben kein<br />

Lobbyexperte ist, der dafür<br />

bezahlt wird, dass er Politiker<br />

besucht. oft ist es viel<br />

wirkungsvoller, wenn „ganz<br />

normale“ Leute ihre Anliegen<br />

vortragen. Und diese Leute<br />

stehen aus Sicht der Politiker<br />

für eine viel größere zahl von<br />

Wählern, die das Anliegen<br />

teilen, aber selbst nicht den<br />

Weg ins Abgeordnetenbüro<br />

gefunden haben. zudem ist es<br />

beeindruckend, wenn Wähler<br />

nicht ihre eigenen, sondern<br />

die Interessen Dritter vertreten.<br />

Wir dürfen unsere Möglichkeiten<br />

an dieser Stelle<br />

also nicht unterschätzen.<br />

Mehr Informationen auf www.<br />

micha-initiative.de.<br />

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Just PEoPlE?<br />

Petitionen von<br />

<strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> initiiert und<br />

unterstützt zum Beispiel<br />

regelmäßig Petitionen <strong>im</strong><br />

Bereich der Armutsbekämpfung.<br />

Ein Ergebnis: zusammen<br />

mit vielen verschie-<br />

denen Hilfswerken und Kam-<br />

pagnen konnten 2008 über<br />

217.000 Unterschriften für<br />

die Erhöhung der Gelder für<br />

Entwicklungszusammenarbeit<br />

auf 0,7 Prozent des<br />

Bruttonationaleinkommens<br />

gesammelt werden.<br />

Zum Weiterlesen<br />

• Walter Donzé, Gesellschaftliches<br />

Engagement, Seite 150<br />

• T<strong>im</strong>o Plutschinski, Wirtschaft<br />

und Gerechtigkeit, Seite 154<br />

• Alexander Gentsch, Tun, was gut<br />

ist, Seite 158<br />

• Geißler, Heiner, Was würde Jesus<br />

heute sagen?: Die politische<br />

Botschaft des Evangeliums, 14.<br />

Auflage, Berlin, 2003<br />

• nuscheler, Franz, Lern- und Arbeitsbuch<br />

Entwicklungspolitik:<br />

Eine grundlegende Einführung<br />

in die zentralen entwicklungspolitischen<br />

Themenfelder<br />

Globalisierung, Staatsversagen,<br />

Hunger, Bevölkerung, Wirtschaft<br />

und Umwelt, 5. Auflage,<br />

Bonn, 2004<br />

• Wallis, J<strong>im</strong>, Wer, wenn nicht<br />

wir. Streitbare Visionen für eine<br />

gerechte Politik, 1. Auflage,<br />

Moers, 2007<br />

zum Weitersurfen lohnt sich ein<br />

Blick in unsere Link-Liste auf<br />

www.just-people.net.<br />

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3. Sich für andere engagieren<br />

Advocacy – <strong>im</strong> Deutschen oft ein<br />

bisschen ungeschickt mit „Fürsprache“,<br />

„anwaltschaftlicher<br />

Arbeit“ oder „Eintreten für…“<br />

übersetzt. Gemeint ist, dass man<br />

für jemanden spricht, der das in<br />

seiner Situation nicht selbst kann.<br />

So wie es in Sprüche 31,8 steht:<br />

„Öffne deinen Mund für den Stummen,<br />

für das Recht aller Schwachen!“<br />

Die weltweite Micha-Bewegung<br />

bietet gleich Raum für eine zweifache<br />

Advocacy: Einerseits sprechen<br />

die Christen <strong>im</strong> Süden für<br />

ihre armen Mitmenschen in der<br />

nachbarschaft und in ihrem Land.<br />

Innerhalb der Micha-Bewegung<br />

sagen sie uns reicheren Christen,<br />

worunter sie leiden. Und wir können<br />

andererseits unsere Mitmenschen<br />

informieren.<br />

Vorschlag:<br />

• zu aktuellen politischen Themen<br />

Stellung beziehen<br />

• Petitionen, Volksinitiativen unterstützen<br />

und starten18 • mit Politikern über zusagen der<br />

Regierung in Sachen Armutsbekämpfung<br />

reden<br />

• sich selbst in der Parteipolitik<br />

engagieren<br />

(Volks)Initiativen starten18<br />

Auch wenn das Thema hier leider nicht näher behandelt werden kann, so<br />

können auch Unternehmen eine wichtige Rolle be<strong>im</strong> Engagement gegen<br />

Armut spielen. Hierzu empfehlen wir den Vertiefungsartikel „Wirtschaft und<br />

Gerechtigkeit: Die Welt ein kleines Stück WERTEvoller machen“ von T<strong>im</strong>o<br />

Plutschinski, Seite 154.<br />

Gerechter mitprägen? – Jetzt geht’s los!<br />

Als Christen haben wir aber die spannende Aufgabe, Gesellschaft und Politik<br />

nach unseren Möglichkeiten zu prägen – und Gott <strong>im</strong>mer wieder darum zu<br />

bitten, dass er uns klar macht, was ihm dabei auf dem Herzen liegt. Alles <strong>im</strong><br />

Sinne des Gottes, der in jedem Menschen sein Ebenbild sieht.<br />

Darum geht’s jetzt auch los mit der Just People?-Aktion.<br />

18 Ein gutes erstes politisches Engagement kann auch sein, sich über Lexika zu informieren,<br />

was Petitionen und Initiativen eigentlich genau sind und wie man sie für<br />

die Armutsbekämpfung nutzen kann.<br />

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Der Micha-Aufruf<br />

Am 15. Oktober 2004 starteten die Weltweite Evangelische Allianz und<br />

das Micah Network die internationale Kampagne Micah Challenge. Der so<br />

genannte Micah Call (Micha-Aufruf) formuliert die Vision von Micah Challenge<br />

so:<br />

Wenn Absichtserklärungen von führenden Politikern etwas von dem<br />

anklingen lassen, was den biblischen Propheten ein Anliegen war und<br />

was Jesus über die Armen lehrte, und wenn wir die Mittel haben, die weltweite<br />

Armut wesentlich zu reduzieren, erleben wir einen Zeitpunkt der<br />

gegenwärtigen Geschichte mit einem einzigartigen Potential.<br />

Wir verpflichten uns als Nachfolger von Jesus Christus, auf eine umfassende<br />

Veränderung unserer Umgebung hinzuarbeiten, nach Gerechtigkeit<br />

zu streben, leidenschaftlich Barmherzigkeit zu praktizieren und demütig<br />

vor Gott zu wandeln (Micha 6,8).<br />

Wir fordern internationale und nationale Entscheidungsträger (sowohl<br />

der reichen als auch der armen Nationen) auf, ihr öffentliches Versprechen<br />

zur Erreichung der Millenniumentwicklungsziele einzuhalten<br />

und dadurch die Armut bis zum Jahr <strong>2015</strong> zu halbieren.<br />

Wir rufen Christen überall auf der Welt dazu auf, zusammen mit<br />

den Armen Hoffnungsträger <strong>im</strong> Kampf gegen die Armut zu sein. Von<br />

nationalen und internationalen Verantwortungsträgern verlangen wir<br />

Rechenschaft bezüglich ihrer Verpflichtung, sich für eine gerechtere und<br />

barmherzigere Welt einzusetzen. Um dieses Anliegen zu verwirklichen,<br />

arbeiten wir mit anderen gleichgesinnten Menschen zusammen.<br />

Im Micah Network sind 300 christliche Entwicklungshilfeorganisationen<br />

aus 75 Ländern miteinander verbunden. Der größte Teil ist auf der südlichen<br />

Erdhalbkugel behe<strong>im</strong>atet.<br />

Die <strong>im</strong> Jahr 2001 verabschiedete „Erklärung zur integralen Mission“ ist<br />

Grundlage der Zusammenarbeit <strong>im</strong> Micah Network. 1<br />

In vielen Ländern wurden mittlerweile nationale Kampagnen von Micah<br />

Challenge gegründet. Im Augenblick gibt es 40 Kampagnen, wobei 25 aus<br />

dem globalen Süden kommen und die Zahl insgesamt weiter wächst.<br />

In der Schweiz heißt die nationale Kampagne <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> und in<br />

Deutschland Micha-Initiative.<br />

Weitere Infos über das Micah Network, <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> und die Micha-Initiative<br />

entn<strong>im</strong>mst du dem Vertiefungsartikel von Alexander Gentsch „Tun,<br />

was gut ist“ (Seite 158) oder auf www.just-people.net, www.micha-intiative.<br />

de und www.stoparmut<strong>2015</strong>.ch.<br />

1 Die Micha-Erklärung kannst du in deutscher Fassung unter www.just-people.net<br />

herunterladen.<br />

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Just PEoPlE?<br />

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Die Just People?-Aktion<br />

Die Just People?-Aktion ist ein wichtiger Bestandteil des Just People?-Kurses.<br />

Nach zahlreichen Argumentationen und Diskussionen soll sie eine Brücke<br />

zwischen Theorie und Praxis schlagen. Frei nach dem Motto „Reden ist Silber,<br />

Engagement ist Gold“ werden wir gemeinsam einen Schritt zu mehr<br />

Engagement gehen.<br />

Die Just People?-Aktion sollte sich in der Vorbereitung und Umsetzung an<br />

Fragen von Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit orientieren. Nicht nur das Ziel<br />

der Aktion ist entscheidend, sondern auch die Art und Weise, wie es erreicht<br />

wird. Dabei stellt sich zum Beispiel die Frage: Welche Materialien verwenden<br />

wir? So wäre es schon ein bisschen paradox, eine Bewusstseinskampagne<br />

gegen Kinderarbeit zu starten und dafür T-Shirts zu bedrucken, die von<br />

Kindern unter miserablen Bedingungen hergestellt wurden.<br />

Die Just People?-Aktion soll Raum bieten, auszuprobieren und zu entdecken,<br />

wo die Gaben jedes Einzelnen liegen und wie man diese für eine<br />

gerechtere Welt einsetzen kann. Deshalb sieht die Aktion bei jeder Kursgruppe<br />

letztlich anders aus. Sie soll jede/n Teilnehmende/n einbeziehen<br />

und ist idealerweise auch wiederholbar. Best<strong>im</strong>mt Aktionsleitende, welche<br />

die Fäden in der Hand halten. Wichtig ist auch die Außenwirkung der<br />

Aktion. Überlegt, wie ihr mit eurem Engagement nach außen wirken könnt.<br />

Bezieht eventuell auch die Medien mit ein.<br />

Wichtige Hinweise (Just People?-Aktion mit Öffentlichkeitscharakter):<br />

Es ist durchaus der Sinn dieser Aktion, damit in der Öffentlichkeit aufzufallen.<br />

Folgende Punkte sind dabei aber zu beachten:<br />

• Aktionen mit Öffentlichkeitscharakter wie Kundgebungen, Standaktionen<br />

etc. erfordern meist die Erlaubnis der Behörden!<br />

• Die Namen Just People?, Micha-Initiative oder <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> dür-<br />

fen verwendet werden. Bei explizit politischen Aktionen (Petitionen,<br />

Kundgebungen, Standaktionen etc.) muss aber eine Rücksprache mit<br />

den entsprechenden Koordinationsbüros erfolgen (siehe dafür www.<br />

stoparmut<strong>2015</strong>.ch, www.micha-initiative.de).<br />

Ideen für eine Just People?-Aktion:<br />

Just People?-Basar<br />

Organisiert einen Tauschbasar, bei dem Dinge verkauft werden, die man<br />

nicht (mehr) braucht und Dinge ersteht, ohne sie wirklich zu kaufen.<br />

• Die Produkte sind allesamt in gutem Zustand, der Besitzer braucht sie<br />

aber nicht mehr – ein anderer vielleicht schon (zum Beispiel eine noch<br />

gut klingende Gitarre oder ein alter Tisch).<br />

• Die Produkte werden am Anfang von einem Team eingeschätzt und<br />

in ein Punktesystem eingetragen. Zwei Produkte mit ähnlichem Wert<br />

können getauscht werden (zum Beispiel 5 Punkte für die noch passabel<br />

klingende Gitarre und 3 Punkte für den alten Tisch).<br />

Just People?, kostenlose Online-Version © 2010 <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong>, www.stoparmut<strong>2015</strong>.ch<br />

Spendenkonto: Interaction-Genf, IBAN: CH47 0900 0000 8547 5563 7, Vermerk: <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> / Just People


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• Zum Schluss werden die Punkte der Produkte, die man neu erhalten<br />

hat, zusammengezählt und jeder zahlt einen anständigen Preis dafür<br />

(zum Beispiel 10 EUR/CHF für einen Punkt, also 50 EUR/CHF für die<br />

<strong>im</strong>mer noch gut klingende Gitarre und 30 EUR/CHF für den alten<br />

Tisch).<br />

• Das Geld wird dann an ein Hilfsprojekt gespendet (zum Beispiel<br />

Soforthilfe gegen Hungersnot).<br />

Jeder hat somit etwas für sein Geld erhalten und seinen überflüssigen<br />

Kram gleichzeitig indirekt an Menschen in Not gespendet.<br />

Just People?-shoppingberater<br />

Macht eine ausgedehnte Shopping- und Erkundungstour: Findet heraus,<br />

welche Geschichte die Produkte in den Läden eurer Stadt haben.<br />

• Schaut nach, ob beziehungsweise welche Siegel die Produkte in den<br />

Läden tragen (regional, FairTrade, Bio usw.) 1 und fragt die Verkäuferin/den<br />

Verkäufer nach Produktionsbedingungen sowie Transportweg<br />

und -arten der Produkte. Für Gruppenmitglieder wird ein Geschäft erst<br />

zum Einkaufen „freigegeben“, wenn es den Just People?-Shoppingtipp<br />

erhalten hat, was so viel heißt wie: „Hier weiß man, was man kauft.“<br />

• Erstellt einen Shoppingführer für die Stadt und verteilt ihn an alle Mitglieder<br />

der Gruppe.<br />

• Man wird sich einig, nur noch in Läden einzukaufen, die den Just<br />

People?-Shoppingtipp erhalten haben. Und das zeigen wir auch!<br />

• Publiziert die Ergebnisse (zum Beispiel über Internet). Das könnt ihr<br />

dauerhaft und interaktiv mit anderen Gruppen umsetzen.<br />

Weltbankett<br />

Organisiert das Essen für eine Gemeindeveranstaltung.<br />

Jeder Gast wird nach Losentscheid in eine Gruppe eingeteilt:<br />

• 1. Gruppe (circa 10 Prozent der Gäste): reichhaltiges Menu mit Vorspeise<br />

und Dessert<br />

• 2. Gruppe (circa 60 Prozent der Gäste): einfaches Essen in begrenzter<br />

Menge (zum Beispiel Risotto mit einer Zutat)<br />

• 3. Gruppe (circa 30 Prozent der Gäste): ein paar Scheiben trockenes<br />

Brot<br />

Befragt die Leute anschließend über ihre Erfahrungen und Eindrücke<br />

während des Essens und schlagt die Brücke zur allgemeinen Weltlage, die<br />

ja ähnlich ist wie oben beschrieben (vgl. auch Referat 1). Ladet zum Nachdenken<br />

ein und vielleicht sind die Leute so interessiert und neugierig, dass<br />

ihr bald wieder einen Just People?-Kurs starten könnt.<br />

sensibilisierungsaktion zu Kinderarbeit<br />

Für diese Aktion braucht ihr Kinder, die gern mitmachen wollen (eigene<br />

Kinder, Sonntagsschule, Jungschar etc.). Baut einen Stand in der Fußgängerzone<br />

(oder auf irgendeinem öffentlichen Platz) auf (Achtung: Frühzei-<br />

1 zum Thema FairTrade siehe auch den Vertiefungsartikel von Flurina Weidmann<br />

Bieri, Seite 142.<br />

GERECHTER GESTALTEn? 5: GESELLSCHAFT<br />

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82<br />

Just PEoPlE?<br />

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tig die Erlaubnis der Behören einholen!). Ihr als erwachsene Kursteilnehmende<br />

bietet nun den Passantinnen und Passanten an, dass ihnen Kinder<br />

bei diesem Stand kostenlos die Schuhe putzen. Dabei versucht ihr, mit<br />

den „Kunden“ ins Gespräch über Kinderarbeit zu kommen.<br />

Hinweis: Diese Aktion erfordert eine gute Recherche zu aktuellen Fakten<br />

und Zahlen dieser Thematik. Zudem können sicherlich bei verschiedenen<br />

Hilfswerken und Sensibilisierungskampagnen Flyer und Informationsmaterial<br />

zum Thema Kinderarbeit bezogen werden.<br />

Just People?-Gruppenausflug<br />

Unternehmt als Gruppe einen Ausflug, der in jedem Aspekt so nachhaltig<br />

und gerecht wie möglich ist. Das heißt konkret:<br />

• Eure Kleidung stammt aus fairem Handel (praktischerweise setzt man<br />

eine Grenze an, zum Beispiel mindestens ein FairTrade-Kleidungsstück).<br />

• Das Essen besteht ausschließlich aus regionalen und biologisch angebauten<br />

Produkten (ungeachtet dessen, ob sich jeder selbst versorgt<br />

oder für die ganze Gruppe gekocht wird). Sandwiches und Knabberzeugs<br />

werden in umweltfreundlichen Mehrwegverpackungen transportiert,<br />

also zum Beispiel in Plastikboxen, Rucksäcken oder Körben.<br />

• Das Ausflugsziel wird zu Fuß, mit dem Fahrrad oder einem speziellen<br />

kl<strong>im</strong>aneutralen Beförderungsmittel erreicht.<br />

• Das Ausflugsziel bietet Unterhaltung, die nicht nur euch selbst zugutekommt,<br />

sondern auch den globalen Fokus einbezieht. Besucht<br />

zum Beispiel den Grindelwaldgletscher (CH) und studiert seine<br />

Geschichte2 , spielt Fußball mit sozial benachteiligten Menschen,<br />

beteiligt euch an Aktionen zu Just People?-Themen etc.<br />

Weitere Anregungen findet ihr nach dem Referat 5 und 6.<br />

2 Der Grindelwaldgletscher ist (leider) ein sehr illustratives Beispiel für die<br />

Kl<strong>im</strong>aerwärmung.<br />

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Konzept für die Just People?-Aktion<br />

Titel:<br />

ziel:<br />

Aufgabenbereiche und Verantwortliche:<br />

Material:<br />

Finanzen:<br />

Daten:<br />

Werbekonzept:<br />

Genehmigungen:<br />

GERECHTER GESTALTEn? 5: GESELLSCHAFT<br />

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83


84<br />

Just PEoPlE?<br />

Angepackt!<br />

Bis zur Kurseinheit 6 nehme ich mir vor:<br />

•<br />

•<br />

•<br />

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KURSEInHEIT 6:<br />

KIRcHE – GERECHTER<br />

nACHFoLGEn?<br />

Darum geht’s: Gemeinsam ist besser als einsam: nicht nur der Einzelne<br />

sollte den Missionsauftrag integral verstehen, sondern auch die<br />

Gemeinde.<br />

Genauer gesagt:<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

Gut geärgert: Die ersten christlichen Gemeinden fielen Außenstehen-<br />

den durch ihr soziales Engagement auf – genau das kommt heute in<br />

vielen Gemeinden zu kurz.<br />

Verantwortung der Gemeinde(leitung): Dem Einzelnen nichts vorschreiben,<br />

aber positiv anstoßen.<br />

Außenwirkung: Jede christliche Gemeinschaft sollte positiv auf die<br />

Bedürftigen ihrer zeit wirken.<br />

Hände falten und fröhlich anpacken: Soziales Engagement darf und<br />

kann Gebet nicht ersetzen, sondern soll daraus erwachsen und davon<br />

durchdrungen sein.<br />

• Konkrete Impulse: Praktisch loslegen als Gemeinde<br />

Fragen, die wir stellen: Wie wirkt unsere Gemeinde auf Außenstehende?<br />

Integrale Mission – Eine Frage der Gemeinde? Wie lebt man am<br />

besten zusammen als Gemeinde? Welche Rolle spielt Gebet bei uns<br />

heute – und bei unserem Engagement für eine gerechtere Welt?<br />

So machen wir’s:<br />

• Diskussion zur Außenwirkung der Gemeinde<br />

• Referat mit Diskussion<br />

• Just People? -Aktion umsetzen<br />

• Kursabschluss<br />

GERECHTER nACHFoLGEn? 6: KIRCHE<br />

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85


86<br />

Just PEoPlE?<br />

Kaiser Apostata<br />

nervte es, dass<br />

die Christen durch<br />

ihr soziales Engagement<br />

auffielen<br />

und dadurch viele<br />

Außenstehende<br />

anzogen.<br />

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Referat 6:<br />

Kirche – gerechter nachfolgen?<br />

In den Diskussionen in diesem Referat sollten die Diskussionsgruppen wenn<br />

möglich nach Gemeinden geordnet werden, sodass <strong>im</strong>mer Leute aus derselben<br />

Gemeinde gemeinsam diskutieren. Am besten setzt man sich schon in diesen<br />

Gruppen zusammen.<br />

Vorhin haben wir uns eine herausfordernde Frage gestellt: Wie wirkt Kirche<br />

nach außen? Als Christen und als Kirche sind wir Missionare. Nach dem<br />

Ursprung des Wortes „Mission“ (mittere – gesandt, Seite 45) wurden wir in<br />

die Welt gesandt und das wirkt sich deshalb logischerweise auf die Welt aus.<br />

Aber sind diese Auswirkungen <strong>im</strong> Sinne von Gottes Mission? 1 Um an dieser<br />

Stelle weiterzukommen, kann es eben helfen, einen Schritt zurückzutreten<br />

und zu überlegen: Wie wirkt unsere Gemeinde auf Außenstehende?<br />

Die Meinung eines solchen Außenstehenden findet man schon zu den Zeiten<br />

der frühen Christen <strong>im</strong> 4. Jahrhundert. Julian Apostata, damals römischer<br />

Kaiser, hatte nicht besonders viel übrig für die Christen und versuchte,<br />

sie in ein schlechtes Licht zu rücken. Er nannte sie unter anderem „gottlose<br />

Galiläer“ 2 . Besonders aber nervte ihn, dass diese „gottlosen Galiläer“<br />

durch ihr soziales Engagement auffielen und dadurch viele Außenstehende<br />

anzogen: „Es ist eine Schmach, wenn von den Juden nicht ein einziger um<br />

Unterstützung nachsuchen muss, während die gottlosen Galiläer [die Christen]<br />

neben den ihrigen auch noch die unsrigen ernähren, die unsrigen von<br />

unserer Seite aber offenbar Hilfe entbehren müssen. (...) Wir sollten doch<br />

einsehen, dass die Gottlosigkeit [das Christentum] nur deshalb Boden hat<br />

gewinnen können, weil sie sich liebevoll um Fremde gekümmert oder auch<br />

für die Bestattung Friedhöfe besorgt hat, ganz zu schweigen von ihrer strengen<br />

Lebensführung. (…) Sooft die Armen den Eindruck haben, von Priestern<br />

nicht beachtet zu werden, sehen das die gottlosen Galiläer sofort und nutzen<br />

die Gelegenheit zur Wohltätigkeit.“ 3<br />

In diesem Zitat ärgert sich ein Außenstehender über das soziale Engagement<br />

der frühen Kirche!<br />

Worüber ärgern sich die Leute heute, wenn sie das Wort „Kirche“ hören? Was<br />

bringen sie mit Christen in Verbindung? 4 Wie wird unsere Gemeinde vor Ort<br />

wahrgenommen? Wo deckt sich das mit unserer Selbstwahrnehmung?<br />

Diese Fragen können uns helfen zu sehen, ob unsere Prioritäten richtig sind<br />

und wie erfolgreich wir sie umsetzen. Die Meinung von Außenstehenden<br />

kann uns auch motivieren, unsere Gemeindeaktivitäten so zu gestalten, dass<br />

wir mehr wirken, wie wir wirken wollen.<br />

1 Das Spannungsfeld zwischen Gottes und meiner/unserer Mission haben wir schon<br />

einmal behandelt in Referat 3, Seite 45.<br />

2 Die „Gottlosigkeit“ bezieht sich in diesem Fall darauf, dass die Christen nicht die<br />

antiken Götter verehrten.<br />

3 Markschies, Christoph, Das antike Christentum: Frömmigkeit, Lebensformen, Institutionen<br />

(Beck'sche Reihe), München, 2006, 128.<br />

4 Spannend ist hier auch die Frage, wie Evangelikale in der Öffentlichkeit wahrgenommen<br />

werden. Die Kursleitung sollte je nach Gruppe entscheiden, ob dieser<br />

Aspekt wichtig ist oder nicht. (Dazu ein kleines Spielchen für zuhause: Einfach<br />

„evangelikal“ durch die Internet-Suchmaschine schicken.)<br />

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Bei Bedarf noch einmal kurz über die gesammelten Punkte diskutieren zur Frage:<br />

Wie wirkt die Kirche nach außen?<br />

Die Kirche mit Mund, Händen und Füßen<br />

Der christliche Bestseller-Autor Rick Warren („Leben mit Vision“ und „Kirche<br />

mit Vision“) beschäftigte sich mit der Aids-Problematik in Südafrika und<br />

entdeckte dabei die über 2.000 Bibelverse, die von Armut reden. Beschämt<br />

fragte er sich: „Wie konnte es sein, dass ich die überlesen hatte? Ich bin zur<br />

Bibelschule gegangen, habe an zwei Universitäten studiert und habe einen<br />

Doktortitel bekommen. Wie konnte es sein, dass ich an Gottes Herz für<br />

die Armen vorbeigelesen habe? Ich sah nicht die ganze Breite von Gottes<br />

Vision.“ 5<br />

Diese Gedanken von Rick Warren erinnern uns an Kurseinheit 2: Bibel – einfach<br />

überlesen? 6 Dort haben wir versucht, unsere „Wohlstandsbrille“ abzunehmen<br />

und Armut einmal nicht nur als geistliche Armut zu verstehen,<br />

sondern auch als Armut, die hungern lässt und krank macht. Rick Warren<br />

kritisiert die Kirche mit scharfen Worten: „Die Kirche ist der Leib Christi. Die<br />

Hände und Füße wurden amputiert und wir sind nur noch ein großer Mund,<br />

mehr bekannt für das, wogegen wir sind.“ Rick Warren bezieht sich hier auf<br />

Paulus, der <strong>im</strong> ersten Brief an die Korinther die Gemeinde mit einem Leib<br />

vergleicht, der viele Glieder hat: Hände, Füße und so weiter. 7 Wenn Rick<br />

Warren sagt, dass wir nur noch ein großer Mund sind und unsere Hände und<br />

Füße amputiert wurden, spricht er das Problem an, das wir auch schon in<br />

Referat 3 behandelt haben: Soziales Engagement kommt in vielen Gemeinden<br />

gegenüber der Wortverkündigung zu kurz. Wir haben gesagt, dass beide<br />

Aspekte des Missionsauftrages zu ein und demselben Evangelium gehören<br />

und man keins von beidem vernachlässigen sollte.<br />

Auch Rick Warren zielt mit folgendem Gebet in diese Richtung: „Gott,<br />

gebrauche mich, um die Hände und Füße wieder mit dem Leib Christi zu<br />

verbinden, damit die ganze Kirche sich einsetzt für das ganze Evangelium<br />

auf eine ganz neue Weise – durch die lokale Kirche.“ 8 Denn nur so können wir<br />

unser Potential als weltweiter Leib Christi voll ausnutzen.<br />

Erinnern wir uns noch einmal an die Gedankenanstöße und die Diskussion<br />

<strong>im</strong> Referat 3. 9 Wir haben uns dort gefragt, welches Missionsverständnis hinter<br />

den Aktivitäten unserer Gemeinde steht und wo wir unsere Prioritäten<br />

setzen.<br />

Eventuell diese Diskussion kurz auffrischen (nachzulesen auf Seite 45).<br />

Integrale Mission – Eine Frage der Gemeinde?<br />

Im Referat 3 haben wir darüber gesprochen, dass integrale Mission umfassend<br />

nur als Gemeinde gelebt werden kann. Gemeinde besteht ja nun aber<br />

5 Eigene Übersetzung nach: Morgan, T<strong>im</strong>othy C., Purposedriven in Rwanda, in:<br />

Christianity Today, http://www.christianitytoday.com/ct/2005/october/17.32.html,<br />

01.08.2010.<br />

6 Vgl. Seite 28.<br />

7 Vgl. 1. Korinther 12.<br />

8 Morgan, T<strong>im</strong>othy C., Purposedriven in Rwanda, in: Christianity Today, http://www.<br />

christianitytoday.com/ct/2005/october/17.32.html, 01.08.2010.<br />

9 Vgl. Seite 45.<br />

GERECHTER nACHFoLGEn? 6: KIRCHE<br />

„Die Kirche ist der<br />

Leib Christi. Die<br />

Hände und Füße<br />

wurden amputiert<br />

und wir sind<br />

nur noch ein großer<br />

Mund, mehr<br />

bekannt für das,<br />

wogegen wir sind.“<br />

Rick Warren<br />

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87


88<br />

Just PEoPlE?<br />

Die Gemeindestrukturen<br />

sollten<br />

den Einzelnen in<br />

seinem Engagement<br />

fördern.<br />

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aus verschiedenen Menschen. Wenn einer Gemeinde grundsätzlich integrale<br />

Mission wichtig ist, darf sie diese Haltung dann auch ihren Mitgliedern<br />

„befehlen“? Ist es Aufgabe der Gemeinde, dem einzelnen Christen so grundsätzlich<br />

in seinen Lebensstil „reinzureden“? Oder sogar einen fairen Lebensstil<br />

aufzudrängen?<br />

Kurze Diskussion zu diesen Fragen in 4er-Gruppen. Am besten ist, wenn Teilnehmende<br />

aus derselben Gemeinde zusammen diskutieren.<br />

Soziales Engagement, das aus einem integralen Missionsverständnis<br />

erwächst, soll kein weiterer Punkt auf einer Liste sein, den man abhaken kann:<br />

Fair gehandelte Bananen gekauft? Dann kann ich ja jetzt hinter „gerechterer<br />

Lebensstil“ einen Haken machen.<br />

Nein, ein integrales Verständnis von Mission kann vielmehr nur als Herzensanliegen<br />

jedes einzelnen Christen wachsen. Wir sind alle auf einem Weg<br />

und jeder und jedem sind andere Aspekte wichtig. Es gilt, das erst einmal<br />

zu akzeptieren und niemanden zu bedrängen. Nur mit einer offenen Haltung<br />

dem anderen gegenüber kann ich ihm wirklich begegnen. Und nur so<br />

kann Austausch möglich werden. Dies ist zunächst die zwischenmenschliche<br />

Ebene. Wenn dann einzelne Christen in der Gemeinde sich für Gerechtigkeit<br />

und gegen Armut engagieren, wird dies auch Einfluss auf andere Mitglieder<br />

der Gemeinde nehmen.<br />

Was ist nun aber die Aufgabe der Gemeinde als Ganzes in diesem Austausch?<br />

Oder der Gemeindeleitung? Sie muss ihre Verantwortung wahrnehmen<br />

und relevante Fragen stellen, den Einzelnen <strong>im</strong>mer wieder herausfordern<br />

und dem Austausch wichtige Impulse geben. Die Gemeindestrukturen<br />

sollten den Einzelnen in seinem Engagement fördern. Sie sollten so ausgerichtet<br />

werden, dass die Gemeinde auch als Organisation alle Aspekte des<br />

Missionsauftrages leben kann.<br />

Manchmal wirft der Austausch innerhalb der Gemeinde auch unangenehme<br />

Fragen auf, die aber den Einzelnen positiv anregen können. Das erst macht<br />

Veränderung möglich. Und durch genau diesen offenen Austausch werden<br />

wir in den Gemeinden auch ermutigt, anders zu leben als die Gesellschaft,<br />

also gegen den Strom zu schw<strong>im</strong>men. Gerade <strong>im</strong> Bereich Konsum kann man<br />

da ein deutliches Zeichen setzen: inner- und außerhalb der Gemeinde.<br />

Global und für alle leib christi sein<br />

Lasst uns noch einmal die Bibelstelle aus Referat 3 genauer unter die Lupe<br />

nehmen.<br />

Das folgende Zitat liest jeder am besten still für sich durch.<br />

„Und alle, die gläubig geworden waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten<br />

alles gemeinsam. Sie verkauften Hab und Gut und gaben davon allen, jedem so<br />

viel, wie er nötig hatte. Tag für Tag verharrten sie einmütig <strong>im</strong> Tempel, brachen<br />

in ihren Häusern das Brot und hielten miteinander Mahl in Freude und Einfalt<br />

des Herzens. Sie lobten Gott und waren be<strong>im</strong> ganzen Volk beliebt. Und der Herr<br />

fügte täglich ihrer Gemeinschaft die hinzu, die gerettet werden sollten“ (Apostelgeschichte<br />

2,44-47).<br />

Wie aber lebt man am besten zusammen als Gemeinde? Die Vorstellung<br />

davon reicht heute vom Gottesdienstbesuch einmal pro Woche bis hin zur<br />

Lebensgemeinschaft, bei der man auch den Alltag teilt. Wir haben hier also<br />

ein breites Spektrum.<br />

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Eine Form der engen Lebensgemeinschaft ist die Gütergemeinschaft.<br />

Dabei teilt man auch seinen Besitz. Wieso lebt man eigentlich in einer solchen<br />

Gütergemeinschaft? Hört bei Geld und Besitz die Freundschaft nicht<br />

auf? Kostet es nicht zusätzlich sehr viel Mühe, sich zum Beispiel <strong>im</strong>mer abzusprechen,<br />

wer wann das Auto nehmen darf? Und sowieso: Wird Großzügigkeit<br />

nicht oft ausgenutzt?<br />

Selbstverständlich ist auch eine Gütergemeinschaft nicht der H<strong>im</strong>mel auf<br />

Erden. Trotzdem sprechen ein paar gute Gründe für eine solch enge Lebensgemeinschaft.<br />

Einer lautet zum Beispiel, dass es einem in Gemeinschaft leichter<br />

fallen kann, Bescheidenheit, Solidarität und Genügsamkeit zu lernen und<br />

zu leben. Allein ist es manchmal schwieriger, seine eigenen Erkenntnisse in<br />

die Tat umzusetzen – gerade was den Konsum betrifft. Schließlich bekommt<br />

man <strong>im</strong> Alltag ständig von allen Seiten eingehämmert, dass man noch mehr<br />

kaufen soll. Gemeinsam kann man leichter gegen den Konsumstrom schw<strong>im</strong>men.<br />

Gemeinsam kann man sich besser motivieren, man kann sich austauschen<br />

und in einer guten Weise den anderen zum Nachdenken bringen. Oder<br />

seinen eigenen Lebensstil hinterfragen lassen.<br />

Übrigens gibt es innerhalb der Gütergemeinschaft natürlich verschiedene<br />

Formen. Man muss nicht gleich alle Bankkonten zusammenlegen. Aber wenn<br />

zum Beispiel nicht jeder das klitzekleinste Detail eines Haushalts besitzt und<br />

man sich dafür Dinge ausleiht und teilt, werden Kapazitäten und Ressourcen<br />

frei – auch für die Armen. Schon eine solche „Light-Version“ der Gütergemeinschaft<br />

kann vieles positiv verändern.<br />

Eine Gemeinde, die das Exper<strong>im</strong>ent der Gütergemeinschaft gewagt hat,<br />

ist die Jerusalemer Urgemeinde. Was tat diese Gemeinde mit ihrem Geld<br />

und ihrem Besitz? Lesen wir noch einmal: „Sie verkauften Hab und Gut und<br />

gaben davon allen, jedem so viel, wie er nötig hatte.“ Immer mehr Menschen,<br />

ob reich oder arm, wollten zur Gemeinde dazugehören. Ein Grund dafür: In<br />

der Gemeinde kümmerte man sich umeinander. Man teilte alles: Zeit, Essen,<br />

Geld. Und wie wir schon zu Beginn des Referats gesehen haben: Die Armenfürsorge<br />

beeindruckte. Christen fielen dadurch in der Gesellschaft auf.<br />

Aber bezieht sich die Bibelstelle in der Apostelgeschichte nicht nur auf<br />

die Armen in der Gemeinde? Das kann sein. Aber die Bibelstelle schließt ein<br />

Engagement für die Armen außerhalb nicht aus. Und dass Armenfürsorge<br />

nicht an der Gemeindegrenze haltmachen soll, sehen wir am Beispiel des<br />

barmherzigen Samariters: Jeder, der bedürftig ist, verdient meine Hilfe –<br />

ganz egal, ob er zu meiner Gemeinde gehört oder nicht! 10<br />

Fragen wir uns doch noch einmal: Wer ist denn heute bedürftig? Sicherlich<br />

gibt es innerhalb der eigenen Gemeinde viele Menschen, die unsere Hilfe<br />

brauchen. Oder in unserem He<strong>im</strong>atort. Aber wie wir <strong>im</strong> Kurs <strong>im</strong>mer wieder<br />

gesehen haben: Unser Blick sollte darüber hinausgehen. Weiter sehen. Bis<br />

nach Afrika, Asien und Lateinamerika. Oder hört unsere Gesellschaft an<br />

der Landesgrenze auf? An der Atlantik- oder Mittelmeerküste? Hat unsere<br />

Gemeinde, unsere Gemeinschaft, in der wir leben, noch Auswirkungen auf<br />

die Bedürftigen heute? Arme sind mehr als nur arm. Sie sind Menschen,<br />

Abbilder Gottes, mit Träumen, Ideen – und sie haben eine Geschichte. Als solche<br />

sollten wir sie sehen (lernen). In vielen Dingen können unsere Geschwister<br />

<strong>im</strong> Süden sogar unsere Vorbilder und Lehrer werden.<br />

Der Leib Christi ist eine weltweite Gemeinschaft. Nur gemeinsam mit<br />

unseren Schwestern und Brüdern <strong>im</strong> Süden können wir den Missionsauftrag<br />

umfassend leben. Sie sind unsere Geschwister auf Augenhöhe. Natürlich<br />

sollten wir sie weiterhin finanziell unterstützen – das ist richtig und wichtig!<br />

Aber es geht noch um viel mehr. Wenn wir nicht nur geben, sondern uns auch<br />

10 Vgl. Referat 3, Seite 50.<br />

GERECHTER nACHFoLGEn? 6: KIRCHE<br />

Gemeinsam kann<br />

man leichter gegen<br />

den Konsumstrom<br />

schw<strong>im</strong>men.<br />

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90<br />

Just PEoPlE?<br />

Arme sind mehr<br />

als nur arm. Sie<br />

sind Menschen,<br />

Abbilder Gottes,<br />

mit Träumen, Ideen<br />

– und sie haben<br />

eine Geschichte.<br />

Als solche sollten<br />

wir sie sehen (lernen).<br />

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von ihnen beschenken lassen, dann begegnen wir uns auf derselben Ebene.<br />

Dann stellt Geld und Besitz den einen nicht über den anderen. Erst dann wird<br />

ein wirklicher Austausch möglich. Und wenn wir das verpassen, sind auch<br />

wir ärmer dran.<br />

Vor allem und in allem: Gott bitten und bitten lassen<br />

Wir haben es eben gelesen und schon einmal <strong>im</strong> Referat 4 darüber geredet:<br />

Die Urgemeinde in Jerusalem betete täglich <strong>im</strong> Tempel zusammen. Aber welche<br />

Rolle spielt Gebet bei uns heute – und bei unserem Engagement für eine<br />

gerechtere Welt? Hand aufs Herz: Reden wir mit Gott über Ungerechtigkeiten,<br />

politische Missstände, über Hungertote und Aidskranke? Bitten wir ihn<br />

darum, einzugreifen? Oder resignieren wir schon, bevor wir die Hände überhaupt<br />

falten? Glauben wir wirklich, dass Gott in unsere Geschichte, in unsere<br />

Welt kam, heute noch da ist und eingreifen kann? Oder sind das alles nur<br />

fromme Floskeln, die uns eben mal schnell von der Zunge rutschen?<br />

Jesus hat sogar den Tod besiegt. Was ist Gott dann noch unmöglich? Und<br />

welchen Grund haben wir dann noch, nicht zu hoffen? Wer auf ein Leben<br />

nach dem Tod hofft, der kann auch mutig seine Hände für eine gerechtere<br />

Welt falten!<br />

Aber das Gebet führt nicht nur von mir zu Gott, das Gebet kennt auch die<br />

Gegenrichtung: Gott spricht mich an. Im Gebet lasse ich zu, dass er mir<br />

die Not der Welt aufs Herz legt. Darf mich Gott aus der Ruhe bringen und<br />

bekenne ich ihm meine manchmal abgestumpfte Gelassenheit? Als jemand,<br />

der ihm nachfolgt und ihn liebt: Sind seine Herzensanliegen auch meine Herzensanliegen?<br />

Im Gebet darf ich Gott als sein Abbild gegenübertreten, ich darf ihm erzählen,<br />

was mich wütend macht und weiß, dass Gott mich versteht. Im Gespräch mit<br />

Gott wird mir klar, dass ich nicht der Weltenretter sein kann und muss, aber<br />

eben auch, dass ich meinen Beitrag leisten kann. Und zwar nicht auf mich<br />

alleingestellt, sondern durch die Hilfe Gottes, aus Liebe und Dankbarkeit zu<br />

ihm und zusammen mit anderen Menschen. Gebet gibt Kraft und den langen<br />

Atem. Soziales Engagement darf und kann Gebet nicht ersetzen, sondern soll<br />

daraus erwachsen und davon durchdrungen sein.<br />

Je nach Situation in der Gruppe kann die Kursleitung an dieser Stelle eine<br />

gemeinsame Gebetszeit einbauen.<br />

Auf geht’s! – Gerechter nachfolgen<br />

Noch einmal zurück zur Gemeinde, die wie ein Leib<br />

mit vielen Gliedern ist: Mit den Gemeinden dieser<br />

Welt haben wir ein riesiges Netzwerk und eine gute<br />

Plattform, Mission integral in der Welt und für die<br />

Welt zu leben. Wenn wir dies in Wort und Tat und<br />

allen D<strong>im</strong>ensionen tun – mit Mund, Händen und<br />

Füßen –, wird die Welt unsere Taten sehen. Millionen<br />

von Christen weltweit haben die Möglichkeit,<br />

gemeinsam Probleme anzugehen, vieles zu verändern<br />

und neue Standards für das Zusammenleben<br />

zu setzen. Lassen wir uns von der Nächstenliebe und<br />

Barmherzigkeit antreiben!<br />

Just People?, kostenlose Online-Version © 2010 <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong>, www.stoparmut<strong>2015</strong>.ch<br />

Spendenkonto: Interaction-Genf, IBAN: CH47 0900 0000 8547 5563 7, Vermerk: <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> / Just People


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Wir wollen jetzt einige praktische Beispiele anschauen und konzentrieren<br />

uns dabei auf:<br />

• das Engagement gegen globale Armut,<br />

• den Einsatz für ökologische Nachhaltigkeit und<br />

• einen verantwortungsvollen Umgang mit Geld und Besitz.<br />

Natürlich ist diese Liste nicht vollständig, best<strong>im</strong>mt kommen euch noch viele<br />

andere gute Ideen!<br />

Diskussion<br />

Ausführliche Diskussion (Gruppen wie eben) über die konkreten Möglichkeiten,<br />

die man jetzt schon in seiner Gemeinde umsetzen kann. Einige Ideen sammeln<br />

und für alle gut sichtbar aufschreiben. Warum nicht diese Ideen, wenn möglich,<br />

auch in die Just People?-Aktion einbauen und auf dem Webportal platzieren?<br />

Man kann auch Erfahrungen über bereits in anderen Gemeinden durchgeführte<br />

Projekte austauschen.<br />

Am Ende soll jede/jeder einen Punkt auswählen, den sie/er dann umsetzt.<br />

11 12<br />

Engagement gegen globale Armut:<br />

Wo kann globale Armut und Gerechtigkeit<br />

bei uns in der Gemeinde<br />

zum Thema werden?<br />

Ist in der Gemeindeleitung Armutsbekämpfung<br />

und soziale<br />

Gerechtigkeit ein Thema?<br />

Vorschlag (in regelmäßigen<br />

Gemeindeveranstaltungen): in<br />

Gottesdiensten; in Lobpreisveranstaltungen;<br />

in Gemeindekreisen,<br />

<strong>im</strong> Kindergottesdienst11 ; in Jugendgruppen<br />

etc.<br />

Vorschlag (Aktionen): Micha- und<br />

<strong>StopArmut</strong>-Sonntag; kleine Übung<br />

in Bescheidenheit: einen Monat<br />

lang kein neues Kleidungsstück<br />

kaufen; Ideen-Wettbewerbe; einen<br />

Monat lang auf Hartz-IV-niveau12 leben etc.<br />

Vorschlag: einen Arbeitszweig<br />

„Soziales/Armutsbekämpfung“<br />

initiieren (Bestehendes wie Weltmissionskreis<br />

etc. ausbauen; an<br />

vorhandene Strukturen anpassen)<br />

11 Kindern dieses Thema nahezubringen, erfordert sehr viel Fingerspitzengefühl. Wir<br />

empfehlen zum Beispiel: olpen, Febe (Hg.), Cool - durch Teilen mehr bekommen... du<br />

kannst ein Segen sein, Gerth Medien, 1. Auflage, Aßlar, 2009.<br />

12 Hartz IV (Arbeitslosengeld II) bezieht in Deutschland ein Arbeitsloser ab dem zweiten<br />

Jahr seiner Arbeitslosigkeit. Der Regelsatz zur Sicherung des Lebensunterhalts<br />

liegt bei 359 Euro <strong>im</strong> Monat (ohne Kosten für Unterkunft und Heizung, Stand:<br />

Juli 2010).<br />

GERECHTER nACHFoLGEn? 6: KIRCHE<br />

Millionen von<br />

Christen weltweit<br />

haben die Möglichkeit,<br />

gemeinsam<br />

Probleme anzugehen,<br />

vieles zu verändern<br />

und neue<br />

Standards für das<br />

zusammenleben zu<br />

setzen.<br />

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Just PEoPlE?<br />

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Engagiert sich die Gemeinde auch<br />

politisch für Gerechtigkeit?<br />

Initiiert die Gemeinde Projekte<br />

für eine gerechtere Welt selbst<br />

und/oder arbeitet sie bei anderen<br />

größeren Projekten mit? Und sind<br />

das sowohl kurzfristige Hilfsprojekte<br />

als auch langfristige?<br />

Sehen wir christliche Gemeinden<br />

<strong>im</strong> Süden als unsere gleichberechtigten<br />

Partner, mit denen wir<br />

unser Leben teilen, mit denen wir<br />

lachen, leiden, gemeinsam auf<br />

dem Weg sind, die uns auch ein<br />

ganzes Stück weiterbringen?<br />

Unterstützt die Gemeinde gerechteren<br />

Konsum? Ist sie da Vorbild<br />

für ihre Gemeindemitglieder und<br />

für ihre Umgebung? Was wird an<br />

gemeinsamen Mahlzeiten (inkl.<br />

Kaffee und Kuchen) serviert?<br />

Ist die Gemeinde auch lokal für<br />

andere da? Ist das Gemeindegebäude<br />

ein ort, an dem sich Leute<br />

auch unter der Woche wohlfühlen<br />

können? Helfen wir als Gemeinde<br />

benachteiligten Bevölkerungsgruppen?<br />

Beten wir regelmäßig für Gerechtigkeit,<br />

Frieden und menschenwürdige<br />

Lebensbedingungen<br />

weltweit? Beten wir um kreative<br />

und innovative Lösungen? Beten<br />

wir um ein größeres Bewusstsein<br />

und stärkeres Engagement für<br />

eine gerechtere Welt in der Bevölkerung?<br />

131415<br />

Vorschlag: Gespräche mit Abgeordneten;<br />

Briefe an Politiker;<br />

Petitionen; Stellungnahmen;<br />

Leserbriefe; Standaktionen; in Regionalgruppen<br />

von <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong><br />

oder der Micha-Initiative mitmachen<br />

(bei Bedarf gründen) 13<br />

Vorschlag: Benefizveranstaltungen;<br />

Sammelaktionen; Einsätze<br />

in armen Ländern; Verknüpfung<br />

verschiedener Gemeinden, die ein<br />

Hilfsprojekt unterstützen<br />

Vorschlag: Kontakte zu Gemeinden<br />

<strong>im</strong> Süden suchen und aufbauen;<br />

regelmäßige Kommunikation;<br />

gemeinsame Themen in Gemeindekreisen<br />

(zum Beispiel das Thema<br />

„zeit“) und Austausch darüber;<br />

gegenseitige Besuche<br />

Vorschlag: bescheidenere Mahlzeiten<br />

mit zum Beispiel regionalen<br />

Produkten; FairTrade-Produkte<br />

verkaufen14 ; online-Plattform aufbauen;<br />

lokalen Einkaufsratgeber<br />

zusammenstellen<br />

Vorschlag: offener Mittagstisch;<br />

Kinderkrippe; Hilfe für Asylbewerber;<br />

Deutschkurse; Haushaltsarbeiten<br />

für Kranke (auch außerhalb<br />

der Gemeinde)<br />

Vorschlag: in Gottesdiensten und<br />

Gebetskreisen Anliegen aus den<br />

nachrichten aufnehmen; einen<br />

eigenen Gebetskreis für globale<br />

Gerechtigkeit gründen; zu den<br />

Gebetstreffen der <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong>-<br />

und Micha-Lokalgruppen einladen;<br />

24-7-Gebet durchführen 15<br />

13 Mögliche Kampagnen: Stand Up-Kampagne (www.standagainstpoverty.org; www.<br />

stell-dich-gegen-armut.de), Kampagne für saubere Kleidung (www.cleanclothes.<br />

ch; www.saubere-kleidung.de), Erlassjahr (www.erlassjahr.de), Aktionsbündnis<br />

gegen Aids (www.aids-kampagne.de), onE Campaign (www.one.org/de). Weitere<br />

Tipps sind auf www.just-people.net zu finden.<br />

14 Gerade an Läden, die faire Kleidung anbieten, mangelt es noch. Hier könnten Gemeinden<br />

eine Vorreiterrolle spielen! Wieso nicht einen solchen Laden eröffnen?<br />

15 Anregungen zum 24-7-Gebet für Gerechtigkeit gibt es auf www.24-7prayer.de.<br />

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Einsatz für ökologische nachhaltigkeit:<br />

Wo können wir noch mehr Energie<br />

sparen?<br />

Kommen mehr Gemeindemitglieder<br />

zu Fuß/mit dem Fahrrad als<br />

mit dem Auto?<br />

Was macht eure Gemeinde sonst<br />

noch, um Ressourcen zu schonen<br />

und Energie zu sparen?<br />

Beten wir regelmäßig für die<br />

Schöpfung und dafür, dass wir<br />

weise und verantwortungsvoll mit<br />

den Ressourcen umgehen? Beten<br />

wir für gute Ideen, damit auch<br />

nachfolgende Generationen gut<br />

auf der Erde leben können?<br />

Verantwortungsvoller Umgang mit Geld und Besitz:<br />

Wie wird Gemeinschaft bei uns in<br />

der Gemeinde gelebt?<br />

Fragen wir uns innerhalb unseres<br />

gemeinschaftlichen Lebens auch,<br />

wie wir gemeinsam verantwortungsvoll<br />

mit Besitz umgehen<br />

können? In welchen Bereichen<br />

könnten wir eine Art von Gütergemeinschaft<br />

leben?<br />

Werden Gemeindemitglieder auch<br />

in ihrer persönlichen Besitzethik<br />

dazu ermutigt, gegen den Mainstream<br />

zu schw<strong>im</strong>men?<br />

GERECHTER nACHFoLGEn? 6: KIRCHE<br />

Vorschlag: Räume nur heizen,<br />

wenn sie benutzt werden; ausreichend<br />

heizen, aber nicht verschwenderisch;<br />

Stromschienen für<br />

Büros; Stand-by-Modus vermeiden<br />

Vorschlag: bei ländlichen Gemeinden<br />

Fahrgemeinschaften; bei<br />

städtischen Gemeinden auf öffentliche<br />

Verkehrsmittel verweisen;<br />

Fahrradparkplätze als Gemeinde<br />

bereitstellen<br />

Vorschlag: umweltfreundliches<br />

Papier; Mülltrennung; Solarzellen;<br />

Isolieren der Gemeinderäume;<br />

Heizsystem mit erneuerbaren<br />

Energien; Regenwasser für<br />

Toilette; Strom aus erneuerbaren<br />

Energien<br />

Vorschlag: gemeinsam feiern; gemeinsame<br />

Ausflüge; gemeinsam<br />

essen; Wohngemeinschaften von<br />

Gemeindemitgliedern; gemeinsame<br />

Urlaube<br />

Vorschlag: Garten; Auto; Ferienwohnung;<br />

nahrungsmittel;<br />

Flohmärkte etc.<br />

Vorschlag: in der Gemeinde Raum<br />

schaffen für Austausch über gerechteren<br />

Lebensstil; zeugnisse<br />

geben; füreinander beten<br />

Zum Weiterlesen<br />

• Rolf zwick, Die Kirche kann auch<br />

Globalisierung, Seite 162<br />

• Martin Bühlmann, Gerechtigkeit,<br />

Seite 166<br />

• Christina Brudereck, Wer in<br />

Gott eintaucht, wird neben den<br />

Armen auftauchen, Seite 170<br />

• Edwards, Joel, Unwiderstehlich.<br />

Kirche, die Jesus verkörpert, 1.<br />

Auflage, Schwarzenfeld, 2010<br />

• Hardmeier, Roland, Kirche ist<br />

Mission. Auf dem Weg zu einem<br />

ganzheitlichen Missionsverständnis,<br />

Schwarzenfeld, 2009<br />

• Gordon, Graham, Das habt ihr<br />

mir getan. Engagiertes Christsein<br />

in einer unfairen Welt,<br />

Basel, 2004<br />

zum Weitersurfen lohnt sich ein<br />

Blick in unsere Link-Liste auf<br />

www.just-people.net.<br />

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Just PEoPlE?<br />

100 tipps für ein gerechteres leben<br />

Zu guter Letzt hier eine Liste mit 100 Tipps für ein gerechteres Leben: Lass<br />

dich anregen, überraschen und irritieren!<br />

Ich kopiere diese 100 Tipps und hänge sie dort auf, wo ich sie jeden Tag lesen kann.<br />

Ich mache mir bewusst, dass ich einem armen Wanderprediger nachfolge.<br />

„Weltverbesserer“ ist kein Sch<strong>im</strong>pfwort.<br />

Unser täglich Brot gib uns heute – selbst wenn es noch von gestern ist.<br />

Ich richte meinen Lebensstil nicht nach meiner Bequemlichkeit.<br />

Weniger ist manchmal mehr.<br />

Ich lese ein Buch über Entwicklungshilfe.<br />

Auch wenn ich hier sehr einfach lebe, ist das <strong>im</strong>mer noch luxuriös <strong>im</strong> Vergleich zum weltweiten Durchschnitt.<br />

Weil ich hier leben darf, setze ich mich für Menschen ein, die nicht so privilegiert geboren wurden.<br />

Ich erweitere die nächstenliebe zur Fernstenliebe.<br />

Den Satz „Wenn jeder kleine Schritte geht...“ finde ich eigentlich gar nicht kitschig.<br />

Ich bin mir bewusst, dass ein fairer Lebensstil Konsequenzen hat.<br />

Ich lasse mich nicht durch mein eigenes Scheitern entmutigen.<br />

Ich weiß, was ein ökologischer Fußabdruck ist.<br />

Ich weiß, was mein ökologischer Fußabdruck ist.<br />

Ich forsche nach den wesentlichen Einflüssen für meinen ökologischen Fußabdruck.<br />

nudeln werden gekocht, Kleider nicht.<br />

... und die Wäsche wird auch ohne Trockner trocken.<br />

Einkaufstaschen kann man mehrmals verwenden.<br />

nicht alles muss verpackt werden.<br />

Es ist nicht alles Abfall, was nicht mehr glänzt (zum Beispiel das ältere Handy).<br />

Kleider machen Leute, Kinder gehen zur Schule.<br />

Come, now is the t<strong>im</strong>e to fairtrade.<br />

Ich investiere zeit und Geld für die Suche nach fairer produzierten Produkten.<br />

Ich gehe nicht erst in einen Secondhandshop, wenn ich mal eine zweite Hand brauche.<br />

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm – und schon gar nicht über den Atlantik.<br />

Ich kaufe Gemüse be<strong>im</strong> Bauern.<br />

Die örtliche Käserei verkauft besseren Käse als der Supermarkt.<br />

Ich habe einen eigenen Garten.<br />

An meinem Kühlschrank hängt die Saisontabelle für Gemüse.<br />

Ich esse weniger Fleisch (oder werde Vegetarier).<br />

Mein Sandwi(s)ch schmeckt auch ohne Thunfisch.<br />

Der Mais gehört in den Mund, nicht in den Tank.<br />

Diamanten sind nicht blutrot, anderer Schmuck auch nicht...<br />

Ich schaue die Filme „We feed the world“ und „Unser täglich Brot“.<br />

Ich mache mir klar, dass Hunger mehr ist als Appetit.<br />

nicht nur fairer konsumieren, sondern auch weniger konsumieren.<br />

Ich übe mich in Verzicht und Bescheidenheit und kann dabei sogar an Lebensqualität gewinnen.<br />

Ich verzichte auf eine eigene große Wohnung (und auf einen Hausneubau).<br />

Ich lebe mit anderen und teile meinen Haushalt, denn:<br />

Teilen hilft heilen.<br />

Mein Haus ist auch für Fremde offen.<br />

Ich freue mich an alternativen Energien und an alternativen Lebensstilen.<br />

Ich heize mit erneuerbaren Energien.<br />

Im Winter lässt es sich auch bei 20 Grad in der Wohnung gut leben.<br />

Ich kaufe mir einen bequemen Pulli für die kalte Jahreszeit.<br />

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Mehrere Menschen in einem Raum heizen auch (die St<strong>im</strong>mung auf).<br />

Bei meiner Duschbrause werde ich kaum nass.<br />

Ich schw<strong>im</strong>me ohne Strom (und bin trotzdem ein lebend'ger Fisch).<br />

... und Fisch esse ich sowieso nicht aus dem ozean.<br />

Mein Kühlschrank macht einen Winterschlaf. Die Kiste auf dem Balkon tut's auch.<br />

Solarkocher sind nicht nur für Afrikaner, Mitteleuropäer dürfen sie auch benutzen.<br />

Ich fahre bei jedem Wetter Fahrrad.<br />

Ich verzichte auf mein Auto.<br />

Wenn schon Autofahrten, dann in Fahrgemeinschaften.<br />

Ich fahre zug und finde das klug.<br />

Wenn Flieger hinter Fliegern fliegen, bleibe ich am Boden.<br />

Richtig abenteuerlich sind Ferien mit dem Fahrrad, zug oder per Anhalter.<br />

Kunstschneefahren ist hart und gefährlich – für die Umwelt.<br />

Ich rechne aus, wie reich ich eigentlich bin.<br />

... und wenn ich mich schon mit anderen vergleiche, dann nicht mit den wenigen Millionären, sondern auf www.globalrichlist.org.<br />

Ich nutze meine Freizeit nicht zum Spekulieren, sondern zum Agieren.<br />

Ich suche mir eine Bank, bei der ich weiß, was sie mit meinem Geld macht.<br />

Ich lasse mein Geld nicht auf der Bank brachliegen.<br />

Ich unterstütze ein Hilfsprojekt.<br />

Ich unterstütze zwei Hilfsprojekte.<br />

Ich unterstütze drei Hilfsprojekte oder mehr.<br />

Man kann den Armen das Wasser reichen.<br />

Ein gerechter Welthandel interessiert mich mehr als meine Internet-Auktionen.<br />

„Weltbank“, „IWF“ und „MDGs“ sind keine Fremdwörter für mich.<br />

Meinen Job mache ich aus Leidenschaft und nicht wegen des Geldes.<br />

Durch meinen Job wird die Welt ein kleines bisschen gerechter.<br />

Mit meinem Leben drehe ich meinen eigenen Film (und hocke daher nicht dauernd vor dem Bildschirm…).<br />

Politik ist für mich kein rotes Tuch.<br />

Ich bewerte „meine“ Politiker hinsichtlich ihrer Programme in der Armutsbekämpfung und dem Umgang mit Ressourcen.<br />

Ich lasse mich gegen das Virus „Engagement“ nicht <strong>im</strong>pfen.<br />

Ich lasse mich vom Virus „Engagement“ anstecken.<br />

Das Virus zeigt seine Symptome in Solidarität, politischen Aktionen usw.<br />

Ich stecke damit vorsätzlich andere an.<br />

Ich versuche, mich <strong>im</strong>mer wieder selbst anzustecken.<br />

nächstenliebe, Mitgefühl und Phantasie bewegen mich zu politischen Aktionen.<br />

Ich unterschreibe Petitionen <strong>im</strong> Bereich Entwicklungshilfe.<br />

Ich unterschreibe Petitionen <strong>im</strong> Bereich Umweltschutz.<br />

Ich schaue auch Katastrophenbildern ins Auge und nicht über sie hinweg.<br />

Das Unrecht auf der Welt bringt mich dazu, einen Klagepsalm zu schreiben.<br />

Ich scheue mich nicht davor, die Gleichgültigkeit in der Gesellschaft zu bekämpfen.<br />

... und ich bekämpfe täglich meine eigene Gleichgültigkeit.<br />

Ich lebe eine längere zeit in einem Entwicklungsland – und reflektiere dabei meinen Lebensstil hierzulande.<br />

Reden ist Silber, Engagement ist Gold.<br />

Ich suche mir Gleichgesinnte und werde mit ihnen aktiv.<br />

Ich weiß, dass die Probleme zu groß sind für einen Menschen und gehe trotzdem fröhlich einen kleinen Schritt nach dem anderen.<br />

Ich frage nicht: „Wer ist mein nächster?“, sondern: „Wie kann ich zum nächsten werden?“.<br />

Ich lese die Bibel auch mal gegen mich.<br />

Ich entledige mich meiner Gesellschaftsbrille be<strong>im</strong> Bibellesen.<br />

Ich fühle mich angesprochen, wenn Jesus von „den Reichen“ spricht.<br />

Ich schneide alle Armutsstellen aus einer alten Bibel aus… und staune.<br />

Ich bin auf den Spuren des Herzens Gottes für die Armen.<br />

Ich will auch das Evangelium den Armen bringen (Lukas 4,18).<br />

Ich integriere das Integrale in mein Missionsverständnis.<br />

Ich schreibe eigene Tipps für ein gerechteres Leben.<br />

AnHAnG<br />

Diese Seite darf kopiert werden.<br />

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literaturnachweis<br />

Für Referat 1:<br />

Alliance Sud, Eine andere Welt ist möglich, Bern, 2005.<br />

Bleisch, Barbara und Schaber, Peter, Weltarmut und Ethik, Paderborn, 2007.<br />

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung<br />

(BMZ), Stärkung der Teilhabe von Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit,<br />

Bonn/Berlin, 2007.<br />

Diamond, Jared, Arm und Reich. Die Schicksale menschlicher Gesellschaften,<br />

7. Auflage, Frankfurt/Main, 2000.<br />

Dinkel, Fredy, Die Tragfähigkeit der Erde, Muttenz, 2007.<br />

Lobina, Emanuele, Problems with Private Water Concessions: A Review of Experiences<br />

and Analysis of Dynamics, in: International Journal of Water Resources<br />

Development, Volume 21, Issue 1, London, 2005.<br />

Nuscheler, Franz, Lern- und Arbeitsbuch Entwicklungspolitik, 5. Auflage,<br />

Bonn, 2004.<br />

Nuscheler, Franz, Sicherheitsinteressen über dem Entwicklungsinteresse. Rückblick<br />

auf ein halbes Jahrhundert Entwicklungspolitik, in: eins Entwicklungspolitik<br />

21/22, Frankfurt/Main, 2007.<br />

UNESCO, International Year to Commemorate the Struggle against Slavery and<br />

its Abolition, 1. Auflage, Paris, 2004.<br />

United Nations, The Millennium Development Goals Report 2009, New York,<br />

2009.<br />

WFP, World Food Programme 2009, Rom, 2009.<br />

Für Referat 2:<br />

Dietrich, Walter, Der rote Faden <strong>im</strong> Alten Testament, in: ders. Theopolitik. Studien<br />

zur Theologie und Ethik des Alten Testaments, Neukirchen-Vluyn, 2002.<br />

Hardmeier, Roland, Kirche ist Mission. Auf dem Weg zu einem ganzheitlichen<br />

Missionsverständnis, Schwarzenfeld, 2009.<br />

Keel, Othmar und Schroer, Silvia, Schöpfung. Biblische Theologien <strong>im</strong> Kontext<br />

altorientalischer Religionen, Göttingen, 2002.<br />

Wallis, J<strong>im</strong>, Die Seele der Politik: Eine Vision zur spirituellen Erneuerung der<br />

Gesellschaft, München, 1995.<br />

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Für Referat 3:<br />

Hardmeier, Roland, Kirche ist Mission. Auf dem Weg zu einem ganzheitlichen<br />

Missionsverständnis, Schwarzenfeld, 2009.<br />

The Micah Declaration on Integral Mission, in: Chester, T<strong>im</strong> (Hg.), Justice,<br />

Mercy and Humility: Integral Mission and the Poor, Carlisle, 2002.<br />

Stott, John, Christsein in den Brennpunkten unserer Zeit. Bd. 1: … in einer<br />

nicht-christlichen Gesellschaft, Marburg, 1987.<br />

Für Referat 4:<br />

Claiborne, Shane, Ich muss verrückt sein, so zu leben. Kompromisslose Exper<strong>im</strong>ente<br />

in Sachen Nächstenliebe, Gießen, 2007.<br />

Für Referat 5:<br />

Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.), fluter Ernährung, 33/Winter,<br />

Bonn/Berlin, 2009.<br />

Deutsche Evangelische Allianz, „Suchet der Stadt Bestes“. Zur Verantwortung<br />

der Christen in Staat und Gesellschaft. Eine Stellungnahme der Deutschen Evangelischen<br />

Allianz, Bad Blankenburg, 2009.<br />

Gordon, Graham, Das habt ihr mir getan. Engagiertes Christsein in einer unfairen<br />

Welt, Basel, 2004.<br />

Nürnberger, Christian, Mutige Menschen – für Frieden, Freiheit und Menschenrechte,<br />

Stuttgart/Wien, 2008.<br />

Stott, John, Issues Facing Christians Today, Grand Rapids, 2006.<br />

Für Referat 6:<br />

Markschies, Christoph, Das antike Christentum: Frömmigkeit, Lebensformen,<br />

Institutionen (Beck’sche Reihe), München, 2006.<br />

Olpen, Febe (Hg.), Cool - durch Teilen mehr bekommen... du kannst ein Segen<br />

sein, Gerth Medien, 1. Auflage, Aßlar, 2009.<br />

AnHAnG<br />

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97


98<br />

Just PEoPlE?<br />

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tIEFER<br />

EINtAucHEN<br />

Im Folgenden sind pro Kurseinheit drei Vertiefungsartikel abgedruckt. Wie<br />

der Name schon sagt, kann man damit je nach Lust und Laune tiefer in ein<br />

Thema eintauchen. Sie können auch völlig unabhängig von einer Kursteilnahme<br />

gelesen werden, da sie nur thematisch (nicht methodisch) mit dem<br />

Kurs verbunden sind.<br />

Mit den Vertiefungsartikeln haben wir 18 verschiedene Personen zu<br />

Wort kommen lassen: Zum einen sind es ebenso viele aus Deutschland wie<br />

aus der Schweiz. Dann haben wir darauf geachtet, dass sie aus verschiedenen<br />

Gemeindekontexten stammen und verschiedenen Berufen nachgehen.<br />

Besonders wichtig war uns aber, wie sehr ihnen eine gerechtere Welt am Herzen<br />

liegt, wie sie sich dafür einsetzten und <strong>im</strong>mer noch einsetzen und welche<br />

Kompetenzen sie dadurch schon erlangt haben. Vielleicht ist auch wichtig<br />

zu sagen, dass es sich keineswegs nur um Insider der Micha-Initiative und<br />

<strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> handelt. Die Autorinnen und Autoren haben natürlich ihre<br />

ganz eigene Perspektive auf die unterschiedlichen Themenfelder und schreiben<br />

ihre persönliche Meinung, die nicht <strong>im</strong>mer eins zu eins mit den Kursinhalten<br />

übereinst<strong>im</strong>men muss. Sie werden manche Aspekte aus den Kurseinheiten<br />

wiederholen oder vertiefen sowie neue Aspekte einbringen, die in den<br />

Referaten gar nicht angesprochen wurden.<br />

Du siehst: Hier wartet ein vielfältiges Lesevergnügen auf dich!<br />

Lass dich beunruhigen, herausfordern und inspirieren! Viel Freude und<br />

Motivation be<strong>im</strong> Lesen!<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL<br />

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99


100<br />

Just PEoPlE?<br />

Die bisherigen<br />

Regeln geben den<br />

Ländern des nordens<br />

zu große<br />

Möglichkeiten, ihre<br />

eigenen Interessen<br />

durchzusetzen<br />

– auch auf Kosten<br />

des Südens. Das ist<br />

nicht fair.<br />

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Markus Meury<br />

Welthandel heute:<br />

Sein Beitrag zur Armut<br />

Siebzig Prozent der Welthandelsströme fließen zwischen Nordamerika, Europa und<br />

den hoch entwickelten ostasiatischen Staaten. Trotzdem üben die Regeln des Welthandels<br />

einen entscheidenden Einfluss auf das Wohlergehen der armen Länder aus.<br />

In diesem Text soll gezeigt werden, welche Auswirkungen die Welthandelsregeln auf<br />

die Armut haben.<br />

Die Regelmacher<br />

Die Regeln des Welthandels wurden in den letzten Jahrzehnten hauptsächlich von<br />

der Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organization) festgelegt. Diese<br />

Struktur geht zurück auf die Weltwirtschaftskrise der Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts.<br />

Die damalige Weltwirtschaftskrise wurde noch verstärkt, weil Staaten mit<br />

hohen Importzöllen ihre eigenen Märkte schützen wollten. Ausländische Waren sollten<br />

mehr kosten als Waren aus dem eigenen Land. Man nennt das Protektionismus.<br />

Diese schl<strong>im</strong>me Krise hat damals auch dem Faschismus Auftrieb gegeben. Damit das<br />

nicht wieder passiert, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg 1947 die zwischenstaatliche<br />

Handelsorganisation GATT gegründet (General Agreement on Tariffs and Trade),<br />

um den Protektionismus abzubauen und die Zölle zu senken. Diese fielen dank zahlreicher<br />

Verhandlungsrunden <strong>im</strong> Durchschnitt von 45 auf 3 Prozent. GATT heißt seit<br />

1995 WTO.<br />

Seit 2001 verhandeln nun die ärmeren Länder des Südens und die reicheren des Nordens<br />

in einer neuen Runde, der so genannten „Doha-Runde“. Doha ist die Hauptstadt<br />

von Katar am Persischen Golf und dort fanden und finden die Verhandlungen statt.<br />

Der Süden verlangt vom Norden, dass er seine Agrarmärkte öffnet und seine Exporte<br />

nicht weiter subventioniert. Das hatte er eigentlich schon längst versprochen. Der<br />

Norden erwartet dafür Zugang zu den Industrie- und Dienstleistungssektoren (inklusive<br />

der öffentlichen Grundversorgung) der Länder des Südens.<br />

Die Resultate der bisherigen Verhandlungsrunden wirkten sich für den Süden dürftig<br />

aus. Die Versprechen von Wachstum durch Handel und Investitionen aus dem Norden<br />

haben sich nicht bewahrheitet. Unterm Strich sank das Wirtschaftswachstum der 50<br />

ärmsten Länder <strong>im</strong> Vergleich zu den Siebzigerjahren. Hauptsächlich der Norden profitierte<br />

von Liberalisierungen wie dem Abbau von Zöllen und Subventionen, die den<br />

Handel eingeschränkt hatten. Auch innerhalb der Länder, <strong>im</strong> Süden und <strong>im</strong> Norden,<br />

profitierten die ärmsten Schichten nicht vom Wachstum, wie Joseph Stiglitz, ehemaliger<br />

Weltbank-Chefökonom, aufzeigt. Die ehemaligen Weltbank-Mitarbeiter Lyn<br />

Squire und Mattias Lundberg haben inzwischen nachgewiesen, dass Wachstum ohne<br />

Umverteilung die Armut nicht reduziert. Joseph Stiglitz hält fest, dass freier Handel<br />

das Potential für Wohlstand für alle hat. Aber es brauche gerechte Rahmenbedingungen.<br />

Folgen der ungerechten Machtverhältnisse<br />

Die bisherigen Regeln geben den Ländern des Nordens zu große Möglichkeiten, ihre<br />

eigenen Interessen durchzusetzen – auch auf Kosten des Südens. Das ist nicht fair.<br />

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Die USA unterstützen zum Beispiel den Export ihrer Baumwolle mit etwa 3,7 Milliarden<br />

US-Dollar. Dies drückt den Preis der Baumwolle auf dem Weltmarkt derart,<br />

dass andere Produzenten kaum mehr mithalten können – obwohl in Mali, Tschad,<br />

Burkina Faso und Benin hunderttausende Menschen von der Baumwollproduktion<br />

leben. Denn die 3,7 Milliarden US-Dollar sind so viel wie das gesamte Bruttonationaleinkommen<br />

von Burkina Faso, das sich natürlich keine Exportsubventionen leisten<br />

kann.<br />

Ein anderes Beispiel sind die Exportsubventionen der EU: Diese verbilligt europäisches<br />

Hühnchenfleisch für den Export so stark, dass es in verschiedenen afrikanischen<br />

Ländern die lokalen Produzenten vom Markt verdrängt. Tausende von bereits<br />

armen Menschen verlieren dadurch ihr Einkommen.<br />

Der Norden erlaubt es sich selbst, sensible Industrien und Landwirtschaft mit<br />

Zöllen und Subventionen zu schützen – mehr als er dem Süden erlaubt. Die Liberalisierung<br />

der Märkte ist zudem auf entwickelte Industrieländer zugeschnitten. In Afrika<br />

zum Beispiel wurde der Markt mit Importen überschwemmt, weil die Hersteller aus<br />

dem Norden mehr profitieren von ihren Exportsubventionen, einer größeren Werbemacht<br />

und auch von technischen Vorteilen. Dies führte zum Zusammenbruch ganzer<br />

junger Industrien in afrikanischen Ländern, zum Beispiel der Textilindustrie an der<br />

Elfenbeinküste. Insgesamt ist dadurch die landwirtschaftliche Produktion in Afrika<br />

zurückgegangen. Durch ihre hohe Verschuldung sind viele ärmere Länder abhängig<br />

von ihrem Hauptgläubiger, dem internationalen Währungsfonds (IWF). Und der hat<br />

die weitere Unterstützung einhe<strong>im</strong>ischer Produzenten und Infrastrukturen in manchen<br />

Ländern verboten, was natürlich die Lage noch verschärfte. Wegen der Privatisierungen<br />

sind ärmere Schichten zudem von Bereichen der öffentlichen Grundversorgung<br />

ausgeschlossen worden. In der Folge hat der Hunger in Afrika zugenommen.<br />

Achtzig Prozent der Hungernden leben auf dem Land, wo sich die Menschen eigentlich<br />

selbst ernähren könnten.<br />

Entwicklungsökonomen schätzen die Verluste des Südens durch die ungerechten<br />

Handelsregeln zwischen drei- und vierzehnmal so groß ein wie die Entwicklungshilfe<br />

aus dem Norden. Peter Niggli weist zudem nach, dass die Netto-Kapitalströme 1 heute<br />

insgesamt vom Süden in den Norden strömen – und nicht umgekehrt.<br />

Das Gegenteil der Geschichte<br />

Die meisten erfolgreichen Volkswirtschaften in europäischen Ländern, Nordamerika<br />

und Ostasien schützten früher ihre jungen Industrien, bis diese auf dem Weltmarkt<br />

konkurrenzfähig waren. Vor allem Ostasien kopierte zunächst viele Produkte aus<br />

dem Westen, bis es selbst Produkte entwickeln konnte. Dies wird heute den südlichen<br />

Ländern durch <strong>im</strong>mer strengeren Patentschutz verboten. Mit anderen Worten: Den<br />

Ländern <strong>im</strong> Süden wird nicht dasselbe erlaubt, was früher und zum Teil noch heute in<br />

europäischen Ländern, Nordamerika und Ostasien üblich war beziehungsweise ist.<br />

Fehlende Demokratie in der Wto<br />

Es ist leider normal, dass jedes Land zuerst seine eigenen Interessen durchsetzen will.<br />

Doch nicht jedes Land ist in gleichem Maße dazu fähig.<br />

1 Der netto-Kapitalstrom umfasst alle Gelder, die zwischen Staaten fließen. In den<br />

Süden strömt zwar Entwicklungshilfe, aber die südlichen Länder müssen auch<br />

Kredite abbezahlen und verlieren Geld durch zölle und Subventionen, die den<br />

norden begünstigen. Der netto-Kapitalstrom macht deutlich, dass mehr Geld vom<br />

Süden in den norden fließt als umgekehrt.<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 1: WELT<br />

Achtzig Prozent der<br />

Hungernden leben<br />

auf dem Land, wo<br />

sich die Menschen<br />

eigentlich selbst<br />

ernähren könnten.<br />

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101


102<br />

Just PEoPlE?<br />

Literaturangaben<br />

• Gerster, Richard, Globalisierung<br />

und Gerechtigkeit, zürich, 2005<br />

• niggli, Peter, Verkehrte Welt:<br />

der Süden finanziert den Norden,<br />

Dokument 14, Alliance Sud,<br />

Bern, 2008<br />

• Squire, Lyn und Lundberg, Matthias,<br />

The s<strong>im</strong>ultaneous evolution<br />

of growth and inequality, in:<br />

The Economic Journal, Vol. 113,<br />

Royal Economic Society, 2003<br />

• Stiglitz, Joseph, Die Schatten der<br />

Globalisierung, Berlin, 2002<br />

• Stiglitz, Joseph, Die Chancen der<br />

Globalisierung, München, 2006<br />

Eigene Interessen<br />

fügen sich meist<br />

in umfassende<br />

ideologische<br />

Gebäude ein, die<br />

sie zum Wohl der<br />

Allgemeinheit<br />

werden lassen.<br />

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Der WTO sind heute 153 Staaten angeschlossen. Im Gegensatz zur Weltbank und dem<br />

Internationalen Währungsfonds hat jedes Land eine St<strong>im</strong>me. Aber die Demokratie ist<br />

nur theoretisch gegeben:<br />

• Die Industrieländer haben in den Verhandlungen große Delegationen und können<br />

es sich leisten, ständig am WTO-Sitz in Genf präsent zu sein. Sie haben somit<br />

einen großen Vorsprung be<strong>im</strong> Einfluss auf WTO-Institutionen und können sich<br />

Grundlagen und Argumente für eigene Interessen leichter erarbeiten. Die armen<br />

Länder hingegen können nicht mithalten und sind durch Lobbygruppen der<br />

Unternehmen und Druck der Industrieländer leichter zu beeinflussen.<br />

• Die Industrieländer haben verschiedene Druckmittel gegenüber den einzelnen<br />

armen Ländern, da der Norden <strong>im</strong> IWF und in der Weltbank als Gläubiger über<br />

das Schicksal der verschuldeten Länder best<strong>im</strong>men kann.<br />

• Auch die multinationalen Unternehmen sind (eigentlich nicht rechtmäßig) ständig<br />

in der WTO vertreten. Sie leisten massive Lobbyarbeit für ihre Interessen.<br />

Ihr Ziel ist es, neue Märkte <strong>im</strong> Süden zu erschließen, wobei es um Milliardengeschäfte<br />

geht.<br />

• Es ist aber auch zu beobachten, dass die Vertreter des Südens oft aus den herrschenden<br />

Schichten stammen und deren Interessen vertreten statt die des eigenen<br />

Volkes.<br />

• Der Norden hält seine Verpflichtungen manchmal gar nicht ein. Arme Länder<br />

aus dem Süden haben nicht die Mittel, um dagegen langwierige Prozesse zu führen.<br />

Umgekehrt vermag der Norden viel eher seine Interessen am WTO-Gericht<br />

durchzusetzen.<br />

• Es ist wichtig festzuhalten, dass die Durchsetzung der eigenen Interessen nur<br />

selten bewusster und purer Egoismus ist. Eigene Interessen fügen sich meist in<br />

umfassende ideologische Gebäude ein, die sie zum Wohl der Allgemeinheit werden<br />

lassen. Das gilt auch für den wirtschaftlichen Liberalismus und den freien<br />

Handel.<br />

Neue Entwicklungen<br />

Anlässlich einer WTO-Verhandlung in Cancún (Mexiko) 2003 haben die Länder des<br />

Südens zum ersten Mal „Nein!“ zu den Forderungen des Nordens gesagt. Sie wollten<br />

keine weiteren Marktöffnungen als Preis für die ihnen zustehende Gerechtigkeit<br />

bezahlen. Weil man sich deshalb nicht einigen konnte, ist diese Verhandlungsrunde<br />

seit Ende 2005 zum Erliegen gekommen. Nun versuchen Industrieländer, Verträge<br />

mit einzelnen Ländern des Südens zu schließen und so deren Marktöffnungen zu<br />

erreichen. Viele ärmere Länder fühlen sich „am kürzeren Hebel“ und geben den Versprechungen<br />

des Nordens nach.<br />

Es geht hier nicht um „bessere Entwicklungshilfe“, wie mancherorts behauptet wird.<br />

Ein Blick zurück in die Geschichte zeigt, dass das Verhalten der Stärkeren nicht neu<br />

ist. Im letzten Jahrhundert wurde China von Großbritannien mit kriegerischen Mitteln<br />

zur Öffnung seines Marktes gezwungen, ja sogar zur Duldung des Opiumhandels<br />

(so genannte Opiumkriege). Japan erlitt ein ähnliches Schicksal durch die USA. Und<br />

Großbritannien verbot seiner indischen Kolonie, ihre Baumwolle selbst zu Stoffen zu<br />

verarbeiten.<br />

Bilaterale Verträge beinhalten nach Wunsch der Industrieländer keine Arbeitsbedingungen<br />

oder Menschenrechte. Dass es auch anders geht, zeigt Norwegen. Die Regierung<br />

hat <strong>im</strong> März 2009 beschlossen, den Vertrag mit Kolumbien nicht zu unterzeichnen,<br />

bis die Menschenrechte respektiert werden. Und auch <strong>im</strong> Vertrag mit Indien will<br />

Norwegen einen multilateralen Vertrag mit stärkerem Patentschutz explizit verhindern.<br />

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Forderungen: Was muss verändert werden?<br />

Entwicklungspolitisch muss der Welthandel neue Prioritäten setzen, das heißt: Die<br />

Nationen müssen Gerechtigkeit üben statt eigene Interessen zu verfolgen. Folgende<br />

Forderungen sind deshalb wichtig:<br />

• Der Norden muss alle Zölle gegenüber den armen Ländern abbauen. Dies gilt<br />

vor allem für Waren, die bereits in einem Entwicklungsland weiterverarbeitet<br />

wurden. Durch Abbau von Zöllen können sich in armen Ländern Industrien entwickeln.<br />

• Umgekehrt muss der Norden die Exportsubventionen für seine Erzeugnisse fallen<br />

lassen. Unseren Bauern, die dadurch in Schwierigkeiten kommen könnten,<br />

ist anderweitig beizustehen.<br />

• Die armen Länder müssen das Recht haben, genau wie die Industrieländer, ihre<br />

jungen Industrien gegen Konkurrenz zu schützen, bis sie konkurrenzfähig sind.<br />

• Arme Länder <strong>im</strong> Süden müssen auch das Recht haben, Industriezweige durch<br />

Kopien von Produkten aus dem Norden aufzubauen.<br />

• Dienstleistungsbereiche wie die Banken <strong>im</strong> Süden müssen sich gegen externe<br />

Schocks und Spekulationen schützen können. Denn Spekulanten aus dem Norden<br />

haben heute mehr Geld zur Verfügung als ganze Länder <strong>im</strong> Süden. Die Tobin<br />

Tax, eine weltweite Steuer auf Finanzspekulationen, kann hier große Wirkung<br />

zeigen.<br />

• Der Norden muss bereit sein, stabile Preise für Produkte aus dem Süden zu zahlen,<br />

damit sich ein Aufbau von Industrien und Landwirtschaft auch lohnt. Ebenso<br />

müssen Produkte der Spekulation entzogen werden.<br />

• Bankgehe<strong>im</strong>nisse müssen auch gegenüber ärmeren Ländern aufgeweicht werden,<br />

denn noch <strong>im</strong>mer fließt mehr Fluchtgeld2 vom Süden in den Norden als Entwicklungshilfe<br />

umgekehrt. Für ärmere Länder ist es aufgrund des Bankgehe<strong>im</strong>nisses,<br />

an dem vor allem die Schweiz gesetzlich festhält, kaum nachvollziehbar,<br />

wo ihr Geld gelandet ist.<br />

• Schulden, die von Diktatoren verursacht worden sind oder die durch überhöhte<br />

Zinsen riesige D<strong>im</strong>ensionen angenommen haben, müssen erlassen werden.<br />

• Der Schwerpunkt des IWF und der WTO auf die Freiheit der Investoren aus dem<br />

Norden muss zugunsten der „Entwicklung von unten“ 3 verschoben werden. Der<br />

Fokus muss gelegt werden auf Bildung, Mikrokredite, Empowerment4 und dem<br />

Zugang zum Gesundheitswesen. Die Entwicklung von kleineren und mittleren<br />

Unternehmen bringt mehr als die Fabriken der multinationalen Unternehmen.<br />

Um die Ernährung der Bevölkerung zu sichern und eine zu starke Landflucht zu<br />

verhindern, muss in die ländlichen Gebiete investiert werden – nicht nur in die<br />

Städte.<br />

• Die Programme von IWF und Weltbank müssen zusammen mit der Zivilgesellschaft<br />

<strong>im</strong> Süden entwickelt und transparent gehalten werden.<br />

• Korruption muss von innen und von außen bekämpft werden: Auch Bestechungsanbieter<br />

müssen zur Rechenschaft gezogen werden.<br />

2 „Fluchtgeld“ nennt man das Geld von Steuerflüchtigen beziehungsweise veruntreutes<br />

Geld, das <strong>im</strong> Ausland geparkt wird.<br />

3 „Entwicklung von unten“ meint, dass ärmere Länder und ihre Bürger selbst ihre<br />

Entwicklung best<strong>im</strong>men können und sie ihnen nicht von anderen vorgeschrieben<br />

wird.<br />

4 „In der Entwicklungszusammenarbeit versteht man unter Empowerment vor allem<br />

einen Prozess, der das Selbstvertrauen benachteiligter Bevölkerungsgruppen<br />

stärkt und sie in die Lage versetzt, ihre Interessen zu artikulieren und sich am<br />

politischen Prozess zu beteiligen. Im Mittelpunkt steht dabei die Stärkung der<br />

vorhandenen Potentiale der Menschen.“ Bundesministerium für wirtschaftliche<br />

zusammenarbeit und Entwicklung (BMz), http://www.bmz.de/de/service/glossar/<br />

empowerment.html, 16.05.2010.<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 1: WELT<br />

noch <strong>im</strong>mer fließt<br />

mehr Fluchtgeld<br />

vom Süden in den<br />

norden als Entwicklungshilfe<br />

umgekehrt.<br />

Foto: Privat<br />

Markus Meury (geboren 1970) ist<br />

Soziologe und zurzeit Leiter eines<br />

Hilfswerkes in Genf.<br />

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104<br />

Just PEoPlE?<br />

Viele der bisherigenEntwicklungsbemühungen<br />

litten<br />

unter einer mangelndenKoordinierung.<br />

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Hermann Sautter<br />

Das Millenniumsprojekt:<br />

Der Plan der Uno zur Verwirklichung<br />

der Millenniumsziele<br />

Die UNO hat nicht nur ehrgeizige Ziele formuliert; <strong>im</strong> ersten Kursreferat sind sie dargestellt<br />

worden. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen hat auch einen Plan ausarbeiten<br />

lassen, wie die Millenniumsziele (MZ) verwirklicht werden können. Dazu<br />

wurde das Millenniums-Projekt auf den Weg gebracht, welches sich als „unabhängiges<br />

Beratungsgremium“ verstand und von dem US-amerikanischen Entwicklungsökonom<br />

Jeffrey Sachs geleitet wurde. Abgeschlossen wurde das Projekt nach drei<br />

Jahren Arbeit 2005 mit dem Bericht „In die Entwicklung investieren. Ein praktischer<br />

Plan zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele“. 1 Während die Millenniumsziele<br />

selbst von nahezu allen Regierungen der Welt unterstützt werden, ist dieser<br />

Plan lediglich als Empfehlung zu verstehen. Die Staaten sind frei, ihre eigenen Strategien<br />

zur Umsetzung der Ziele zu entwickeln. Dennoch lohnt es sich, den aus dem<br />

Millenniums-Projekt hervorgegangenen Plan anzusehen. Er gibt eine Vorstellung<br />

davon, welche Anstrengungen laut UNO unternommen werden müssen, wenn Armut<br />

in ihren vielen Erscheinungsformen verringert werden soll. Hier sollen in einem ersten<br />

Punkt die wichtigsten Inhalte dieses Plans dargestellt werden. In einem zweiten<br />

Punkt soll dieses Programm bewertet werden. Dabei ist auf einige Punkte einzugehen,<br />

die die UNO-Experten nicht erwähnt haben, die aber eine christliche Initiative<br />

nicht ausblenden kann.<br />

1. Was muss nach den Vorstellungen der uNo geschehen?<br />

Viele der bisherigen Entwicklungsbemühungen litten unter einer mangelnden Koordinierung.<br />

Die UNO fordert deshalb eine zusammenhängende Bündelung sektoraler, nationaler<br />

und internationaler Entwicklungsbemühungen zu einer „MZ-basierten<br />

Armutsbekämpfungsstrategie“. Sie soll der Angelpunkt sein, von dem ausgehend<br />

eine großflächige Ausweitung der öffentlichen Investitionen, der Mobilisierung einhe<strong>im</strong>ischer<br />

Ressourcen und der öffentlichen Entwicklungshilfe erfolgt.<br />

Bestandteil dieser Strategie sind erstens Maßnahmen, von denen die Experten des<br />

UNO-Plans schnelle Erfolge erwarten. Zu diesen Sofortmaßnahmen gehören beispielsweise<br />

die Abschaffung von Schul- und Uniformgebühren, damit sichergestellt<br />

ist, dass kein Kind aufgrund seiner Armut am Schulbesuch gehindert wird. Außerdem<br />

gehört die kostenlose Verteilung von strapazierbaren Moskitonetzen an alle Kinder in<br />

Malaria-Gebieten dazu.<br />

Weil in vielen Entwicklungsregionen der Welt die ländliche Armut besonderes krass<br />

ist, fordert die UNO zweitens Maßnahmen zur ländlichen Entwicklung. Im Blick<br />

auf das südliche Afrika wird von der Notwendigkeit einer „Grünen Revolution“<br />

gesprochen: Landwirtschaftliche Berater sollen den Bauern bei der Einführung neuer<br />

1 Millenniums-Projekt, Bericht an den Generalsekretär der Vereinten nationen<br />

(2005): In die Entwicklung investieren. Ein praktischer Plan zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele,http://www.unmillenniumproject.org/documents/germanoverview.pdf,<br />

18.06.2010.<br />

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Sorten und bei der Verbesserung ihrer Produktionstechniken helfen; verarmten Bauern<br />

sollen Stickstoffdünger und andere Bodennährstoffe zu erschwinglichen Preisen<br />

angeboten werden; die Förderung von Biogasanlagen und Solaröfen wird als Beitrag<br />

zu einer nachhaltigen Energieversorgung gesehen.<br />

Drittens wird eine massive Erhöhung der Investitionen in die öffentliche Infrastruktur<br />

gefordert: in die Trinkwasserversorgung, die Abwasserentsorgung, die Elektrifizierung,<br />

in den Ausbau von Häfen, Straßen und Eisenbahnen und in den Aufbau eines<br />

Umweltmanagements. Dabei sollen auch regionale Projekte zum Zuge kommen, die<br />

den Güteraustausch der Entwicklungsländer untereinander erleichtern.<br />

Viertens wird die Förderung wirtschaftlicher Wachstumsprozesse verlangt.<br />

Rechtssicherheit, eine stabilitätsorientierte Geldpolitik und die Etablierung von<br />

Wettbewerbsmärkten für private Güter sind dafür wichtige Voraussetzungen. In diesem<br />

Zusammenhang wird von gewaltigen Fortschritten in der Verringerung der Einkommensarmut<br />

gesprochen, die in Ost- und Südostasien zu verzeichnen war. Diese<br />

Fortschritte sind jedoch weniger das Ergebnis einer bewussten Armutsbekämpfungsstrategie,<br />

sondern eher die Folge hoher wirtschaftlicher Wachstumsraten.<br />

Eine fünfte Forderung zielt auf gute Regierungsführung (good governance). Damit<br />

ist ein Mindestmaß an Transparenz der politischen Entscheidungsprozesse und der<br />

öffentlichen Verwaltung gemeint, eine Eindämmung der Korruption und die rechtliche<br />

Disziplinierung des politischen Handelns.<br />

Alle diese Entwicklungsbemühungen sollen eingebunden sein in eine internationale<br />

Strategie zur Bekämpfung der Weltarmut. Das ist eine sechste Forderung. Die reichen<br />

Staaten werden aufgefordert zu einer deutlichen Erhöhung ihrer Entwicklungshilfe<br />

und zu einer zusammenhängenden Handels-, Umwelt- und Entwicklungspolitik.<br />

Auf der Grundlage einer Bedarfsrechnung einzelner Länder wurde ermittelt, dass zur<br />

Erreichung der Millenniumsziele die öffentliche Entwicklungshilfe der OECD-Staaten<br />

von gegenwärtig etwa 70 Milliarden US-Dollar bis zum Jahre <strong>2015</strong> auf annähernd<br />

200 Milliarden US-Dollar ansteigen müsste, also auf fast das Dreifache. Die reichen<br />

Staaten würden damit ihrer alten Verpflichtung gerecht, 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens<br />

(BNE) für die öffentliche Entwicklungshilfe bereitzustellen.<br />

Die UNO-Experten waren sich offenbar <strong>im</strong> Klaren darüber, dass dies ein sehr ehrgeiziges<br />

Programm ist. Aber weniger ambitioniert vorzugehen, sei angesichts der<br />

drängenden Probleme nicht vertretbar. Die Ziele seien zwar hoch gesteckt, aber – so<br />

heißt es – sie könnten in den meisten, wenn nicht sogar allen Ländern, „noch <strong>im</strong>mer“<br />

bis zum Jahre <strong>2015</strong> erreicht werden (obwohl die bisher erreichten Erfolge nicht sehr<br />

ermutigend sind).<br />

2. Was die uNo voraussetzt und worüber sie schweigt<br />

Im „Praktischen Plan zur Erreichung der Millenniumsziele“, den die UNO vorlegt,<br />

findet man an vielen Stellen Konditionalsätze. Zwei Beispiele: Die Ziele „sind zwar<br />

hoch gesteckt, aber sie können erreicht werden, wenn alle Parteien sich intensiv<br />

darum bemühen.“ – „Jedes der Probleme ist lösbar, wenn von Seiten der Entwicklungspartner<br />

entschlossene, konkrete Maßnahmen ergriffen werden.“ Es werden also<br />

Voraussetzungen genannt, wobei völlig klar ist, dass deren Erfüllung das eigentliche<br />

Problem darstellt. Doch der Plan schweigt sich darüber aus, wie dieses Problem<br />

gelöst werden kann. Wie lässt sich beispielsweise erreichen, dass die Politiker eines<br />

Landes ernsthaft daran arbeiten, die Diskr<strong>im</strong>inierung einzelner Bevölkerungsteile <strong>im</strong><br />

Ausbildungssystem zu überwinden? Die herrschende Schicht muss gleichsam über<br />

ihren eigenen Schatten springen und eine Politik betreiben, die nicht die bestehende<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 1: WELT<br />

Weniger ambitioniert<br />

vorzugehen,<br />

sei angesichts der<br />

drängenden Probleme<br />

nicht vertretbar.<br />

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105


106<br />

Just PEoPlE?<br />

Die Liebe zu Gott<br />

ist es, die zur<br />

nächstenliebe<br />

motiviert.<br />

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Ausschließung gesellschaftlicher Randgruppen weiter vertieft, sondern deren Einbeziehung<br />

zum Ziel hat. Das wird wohl kaum ohne revolutionäre Umbrüche abgehen.<br />

Dieser ganze Bereich politischer Machtverhältnisse wird in dem Plan nicht thematisiert.<br />

2 Noch weniger werden die kulturellen Voraussetzungen einer Armutsbekämpfung<br />

zum Thema gemacht. Die Grenzen eines rein ökonomischen Denkansatzes, der<br />

diesen Plan kennzeichnet, werden hier besonders deutlich. Welche Fehleinschätzungen<br />

dadurch entstehen, illustriert ein Fall, der aus Sambia berichtet wird. 3 Im Norden<br />

des Landes sind viele Kinder chronisch unterernährt. Die Weltbank machte dafür die<br />

Einkommensarmut der Menschen verantwortlich und hatte natürlich entsprechende<br />

Ratschläge zur Bekämpfung dieser Armut parat. Sie kam nicht auf den Gedanken,<br />

dass die Unterernährung der Kinder etwas mit kulturellen Einflüssen zu tun haben<br />

könnte. Ein Sexualverhalten der Eltern, das den stammesüblichen Normen nicht entspricht,<br />

führt <strong>im</strong> Norden Sambias zur Stigmatisierung der Frau, zu einem vorzeitigen<br />

Abstillen der neugeborenen Kinder und damit zu deren Unterernährung, obwohl<br />

das Einkommen der Eltern durchaus für eine ordentliche Ernährung reichen würde.<br />

Solche Zusammenhänge bekommt man nicht in den Blick, wenn man das Armutsproblem<br />

ausschließlich aus einer technisch-ökonomischen Perspektive sieht.<br />

Dies ist ein „blinder Fleck“ in der Armutsbekämpfungsstrategie der UNO. Er verhindert<br />

auch, dass religiöse Einflüsse wahrgenommen werden. Religion kommt in dieser<br />

Strategie nicht vor. Dabei ist überhaupt nicht zu übersehen, dass in allen Gesellschaften,<br />

die noch sehr weit von der Verwirklichung der Millenniumsziele entfernt sind,<br />

religiöse Traditionen eine beherrschende Rolle spielen. Das gilt für das private wie<br />

für das öffentliche Leben. Religiöse Einstellungen sind es auch, die eine Armutsüberwindung<br />

erleichtern können. Wo Menschen durch ihre Spiritualität zu einem disziplinierten<br />

und verantwortlichen Lebensvollzug motiviert werden, bleiben wirtschaftliche<br />

Erfolge in der Regel nicht aus. Dafür gibt es unzählige Beispiele.<br />

Deshalb setzt die Micha-Initiative an der richtigen Stelle an. Sie will nach ihren<br />

eigenen Worten „die Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele einfordern<br />

und unterstützen“. Das wird sie umso eher tun können, je weniger sie sich für diesen<br />

Zweck instrumentalisieren lässt. Es geht hier um die grundsätzliche Frage nach<br />

der humanitären Wirkung des christlichen Glaubens. Man kann sie nur mit einem<br />

Paradox beschreiben: Der christliche Glaube wird der Welt umso eher ein menschliches<br />

Gesicht geben können, je stärker er auf Gott ausgerichtet ist und sich nicht in<br />

erster Linie als eine humanitäre Bewegung versteht. Die Liebe zu Gott ist es, die zur<br />

Nächstenliebe motiviert, vor Resignation bewahrt, einen langen Atem vermittelt und<br />

<strong>im</strong> Mitmenschen das Ebenbild Gottes sehen lässt. Mit der Liebe zu Gott antworten<br />

wir auf Gottes Menschenliebe, die in Jesus Christus Gestalt angenommen hat. Jede<br />

humanitäre Tat eines Christen hat hier ihren Ursprung.<br />

Daraus folgt, dass bei jeder christlichen Aktion zur Überwindung von Armut der<br />

Mensch <strong>im</strong> Mittelpunkt stehen muss, nicht ein Problem. Natürlich <strong>im</strong>pliziert die Hilfe<br />

für Mitmenschen <strong>im</strong>mer auch eine sachgerechte Lösung ihrer Probleme. Aber die<br />

Fokussierung sollte nicht den Problemen gelten, sondern dem Menschen mit allen<br />

D<strong>im</strong>ensionen seines Lebens, den materiellen, seelischen, sozialen und spirituellen.<br />

2 Die verhaltenen Äußerungen des Plans zum Thema Machtverhältnisse ist vor<br />

allem auch deswegen so schade, weil die Millenniumserklärung und einige<br />

offizielle Dokumente zu den Millenniumszielen hier an sich bereits weiter waren.<br />

Gerade die Rolle der zivilgesellschaft wird dabei <strong>im</strong>mer wieder stark hervorgehoben.<br />

Das bedeutet auch, dass Regierungen und Staaten transparenter arbeiten<br />

müssen und Macht abgeben sollen. Vgl. United nations, United Nations Millennium<br />

Declaration, http://www.un.org/millennium/declaration/ares552e.htm, 28.05.2010.<br />

3 Vgl. Badenberg, R., Die unterschlagene religiös-kulturelle D<strong>im</strong>ension der Unterernährung<br />

in Nord-Sambia, in: Kusch, A. (Hg.), Transformierender Glaube, nürnberg, 2007,<br />

128-135.<br />

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Dann wird sich vielleicht zeigen, dass Menschen ihre Probleme ganz anders sehen,<br />

als ihre Helfer dies tun. Das erwähnte Beispiel unterernährter Kinder in Sambia zeigt,<br />

wie wichtig es ist, den Menschen in seiner Ganzheit zu sehen und nicht als einen<br />

Armuts-Problemfall. Eine ganzheitliche Sicht bewahrt möglicherweise vor Lösungen,<br />

die an den wahren Problemen vorbeigehen.<br />

Wie können wir unter diesen Voraussetzungen die Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele<br />

unterstützen?<br />

• Kontakte pflegen auf persönlicher Ebene und auf der Ebene von<br />

Gemeinden<br />

Die Armut in Tansania, Indien oder Peru muss für uns ein menschliches Gesicht<br />

bekommen. Wir müssen Menschen in diesen Ländern kennenlernen. Dann lernen<br />

wir, wie wir ihnen beistehen können und wie sie uns selbst durch ihre Glaubenskraft<br />

bereichern können. Wenn wir Personen vor Augen haben, werden auch unsere<br />

Gebete konkret.<br />

• An der Einheit von Glaubensverkündigung und Lebenshilfe festhalten<br />

So hat sich Mission <strong>im</strong>mer schon verstanden. Sie kann nicht Menschen mit dem<br />

Evangelium von Jesus Christus vertraut machen, ohne ihnen auch praktisch zu einem<br />

menschenwürdigen Leben zu verhelfen.<br />

• Politische Verantwortung wahrnehmen<br />

Das kann zum einen dadurch geschehen, dass wir selbst ein politisches Mandat übernehmen<br />

und auf kommunaler Ebene, <strong>im</strong> Land oder <strong>im</strong> Bund für eine Politik eintreten,<br />

die mit der Verwirklichung der Millenniumsziele kompatibel ist. Politische Verantwortung<br />

wahrnehmen können wir zum anderen auch als Wählerinnen und Wähler,<br />

indem wir unseren Abgeordneten deutlich machen, wie wichtig uns die Verwirklichung<br />

der Millenniumsziele ist.<br />

• Als Wirtschaftsbürger verantwortlich handeln<br />

Mit unserem Kaufverhalten können wir Signale für eine sozial ausgewogene und<br />

umweltgerechte Produktion setzen. Mit unserem Sparverhalten können wir ethisch<br />

vorzugswürdige Projekte fördern.<br />

Wie können die Millenniumsentwicklungsziele erreicht werden? Die technisch-ökonomische<br />

Antwort ist klar. Die Vereinten Nationen haben dazu einen umfangreichen<br />

Plan vorgelegt. Die politische Antwort ist weniger klar. Die Verwirklichung dieser<br />

Ziele setzt in vielen Ländern einen Wandel in den politischen Prioritäten voraus. Als<br />

Christen können wir diesen Wandel unterstützen. Wir werden das mit Nachdruck<br />

und zugleich mit Gelassenheit tun können, weil wir wissen, dass nicht wir es sind, die<br />

das Schicksal der Welt in der Hand haben. Es liegt in der Hand des Gottes, an den wir<br />

glauben. Er hat sein eigenes Ziel mit dieser Welt. Je mehr wir uns darauf einst<strong>im</strong>men,<br />

umso besser werden wir denen helfen können, denen die besondere Fürsorge Gottes<br />

gilt.<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 1: WELT<br />

Es ist wichtig, den<br />

Menschen in seiner<br />

Ganzheit zu sehen<br />

und nicht als einen<br />

Armuts-Problemfall.<br />

Foto: Privat<br />

Prof. a. D. Dr. Hermann Sautter<br />

(geboren 1938) studierte Volkswirtschaftslehre,<br />

war Reisesekretär der<br />

SMD (Studentenmission Deutschland),<br />

wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

eines Forschungsinstituts und<br />

schließlich Professor für Volkswirtschaftslehre<br />

mit spezieller Ausrichtung<br />

auf Entwicklungsökonomik in<br />

Frankfurt am Main und Göttingen.<br />

Als Student hatte er den Eindruck,<br />

christlicher Glaube und volkswirtschaftliches<br />

Wissen seien am ehesten<br />

miteinander zu verbinden, wenn<br />

man die weltweite Armutsüberwindung<br />

zu seinem Arbeitsschwerpunkt<br />

macht. Daraus ergab sich<br />

sein weiterer Berufsweg.<br />

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107


108<br />

Just PEoPlE?<br />

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Markus Muntwiler<br />

Die situation und Notwendigkeit der<br />

Entwicklungshilfe<br />

Entstehung und Rechtfertigung der öffentlichen<br />

Entwicklungszusammenarbeit<br />

Die Notwendigkeit, Entwicklungszusammenarbeit zu gewähren, wird in der Schweiz<br />

ebenso wie in anderen Ländern mit historischen, politischen, ökonomischen, ökologischen<br />

und moralischen Argumenten begründet.<br />

Das historische Argument lautet, die koloniale Ausbeutung der Dritten Welt verpflichte<br />

die Industriestaaten zur Wiedergutmachung. Die Schweiz hatte zwar keine<br />

Kolonien, profitierte indirekt aber wirtschaftlich von der Ausbeutung der Kolonien<br />

durch die Nachbarstaaten Frankreich, Deutschland und Italien. Zu den politischen<br />

Motiven zählen vor allem außen- und sicherheitspolitische Interessen. Ökonomische<br />

Motive gewinnen in wirtschaftlichen Krisensituationen an Bedeutung. Hierbei geht<br />

es vor allem um die Sicherung der Rohstoffversorgung. Schließlich wird die Entwicklungshilfe<br />

mit globaler Solidarität gerechtfertigt. Aus dieser moralischen Perspektive<br />

ist eine Welt ethisch nicht hinnehmbar, in der ein großer Teil der Menschen nicht einmal<br />

über Mindestvoraussetzungen einer menschenwürdigen Existenz verfügt, während<br />

ein kleiner Teil ein privilegiertes Leben mit üppigem Konsum führt. Entwicklungszusammenarbeit<br />

wird dabei als internationale Umverteilungs- und Sozialpolitik<br />

(internationale Wohlfahrt) gesehen.<br />

Entwicklung der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit<br />

Wie in den meisten westlichen Ländern setzte die staatliche Entwicklungszusammenarbeit<br />

auch in der Schweiz vorwiegend nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Am Anfang<br />

lagen die wenig koordinierten Aktivitäten in den Händen privater Hilfsorganisationen<br />

und des Bundes.<br />

In den vergangenen 45 Jahren haben sich die finanziellen Aufwendungen der Schweizer<br />

Entwicklungshilfe enorm erhöht.<br />

Jahr Gesamtausgaben<br />

Entwicklungshilfe<br />

in Mio CHF<br />

Ausgaben pro Einwohner<br />

der Schweiz<br />

in CHF<br />

1960 15,1 3 0,04%<br />

2005 2200,8 297 0,44%<br />

Bruttonationaleinkommen<br />

(BnE)<br />

Quelle: Direktion für Entwicklung und zusammenarbeit (DEzA), Freiheit und Eigenverantwortung<br />

statt Abhängigkeit und Korruption, Positionspapier der Schweizerischen Volkspartei zur<br />

Entwicklungshilfe, 2008, 20.<br />

Der Entwicklungsausschuss der OECD 1 , das so genannte Development Assistance<br />

Commitee (DAC), veröffentlicht regelmäßig die wichtigsten Kennzahlen zur Ent-<br />

1 organisation for Economic Cooperation and Development (organisation für<br />

Wirtschaftliche zusammenarbeit und Entwicklung).<br />

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wicklungszusammenarbeit seiner Mitgliedsländer. Als Vergleichsgrundlage dient<br />

der prozentuale Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe am Bruttonationaleinkommen<br />

2 . Die öffentliche Entwicklungshilfe sämtlicher 22 Industrieländer (DAC-Länder)<br />

erreichte 2008 die Rekordsumme von 119,8 Milliarden US-Dollar. Die durchschnittliche<br />

Leistung der DAC-Länder belief sich auf 0,47 Prozent des BNE. Mit 0,41 Prozent<br />

liegt die Schweiz unter den 22 DAC-Ländern auf Rang 12.<br />

Private Entwicklungshilfe aus der schweiz<br />

Die private schweizerische Hilfe an die Entwicklungsländer hat eine lange Tradition.<br />

Sie spielte eine Vorreiterrolle, lange bevor der Bund ab den frühen Sechzigerjahren<br />

die Entwicklungshilfe als staatliche Tätigkeit aufnahm. Wie aus dem neuen Schweizerischen<br />

Jahrbuch für Entwicklungspolitik 2008 des Genfer Institut de Hautes Études<br />

Internationales et du Développement hervorgeht, gaben die Nichtregierungsorganisationen<br />

der Schweiz 2006 insgesamt 507,5 Millionen Franken ihrer Spendeneinnahmen<br />

für Entwicklungshilfe aus. Machte die private Hilfe in den Neunzigerjahren rund<br />

20 Prozent der öffentlichen Entwicklungshilfe aus, so waren es 2006 rund 25 Prozent.<br />

In der Schweiz spielt die private Hilfe traditionell eine große Rolle. Bei den 22<br />

Ländern, die <strong>im</strong> OECD-Entwicklungsausschuss DAC organisiert sind, liegt der durchschnittliche<br />

Anteil der privaten Entwicklungshilfe am BNE bei 0,03 Prozent.<br />

In der Schweiz leisten knapp 340 private Organisationen Entwicklungshilfe. Die 38<br />

größten tragen 83,4 Prozent zur privaten Hilfe bei. Die drei größten privaten Entwicklungshilfsorganisationen<br />

in der Schweiz sind die Caritas, das Schweizerische<br />

Rote Kreuz und Ärzte ohne Grenzen. Aber auch viele oft kleinere schweizerische<br />

Hilfswerke unterstützen meist – unabhängig von den lokalen Regierungen – bilaterale<br />

Projekte von örtlichen Organisationen. In vielen Fällen erreichen die Gelder ihr<br />

Ziel direkt und mit großer Effizienz. Diese Hilfswerke stützen sich auf großzügige<br />

Spenden der Schweizer Bürger.<br />

Nutzen und Wirkung der Entwicklungszusammenarbeit<br />

In den letzten Jahren werden der Nutzen und die Wirkung der öffentlichen und privaten<br />

Entwicklungszusammenarbeit wieder vermehrt diskutiert. Es kommt zu teilweise<br />

heftigen Auseinandersetzungen von Befürwortern und Gegnern dieser Hilfe für die<br />

Länder des Südens. Beide Seiten verfügen über Fallbeispiele, die aufzeigen, wie wirksam<br />

oder zerstörerisch die Entwicklungszusammenarbeit für die Empfänger der Hilfe<br />

sein kann.<br />

Von Befürwortern und Gegnern wird anerkannt, dass Entwicklung ein Prozess sozialer,<br />

politischer und kultureller Auseinandersetzungen ist, der nicht von außen in<br />

Gang gesetzt werden kann. Es gibt keine „Helfer“, welche die Eigeninitiative ersetzen<br />

können. Deshalb spielt Entwicklungszusammenarbeit nur eine zweitrangige Rolle.<br />

Die schwierige Lage vieler Entwicklungsländer wird zu Recht mit der fraglichen Qualität<br />

der Regierungen und politischen Eliten sowie der schlecht oder gar nicht funktionierenden<br />

staatlichen Institutionen in Beziehung gesetzt. Das charakterisiert die Entwicklungsländer<br />

und zeigt, dass viele Fragen des Zusammenlebens ungelöst sind.<br />

2 Das Bruttonationaleinkommen (bis 1999 auch Bruttosozialprodukt) bezeichnet die<br />

gesamte wirtschaftliche Leistung, die ein Land erbracht hat. Es drückt den Wert<br />

aller Waren und Dienstleistungen aus, die in einem Jahr von einer Volkswirtschaft<br />

produziert werden. Quelle: zandonella, Bruno, Pocket Europa. EU-Begriffe und Länderdaten,<br />

Bonn, 2007, 17.<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 1: WELT<br />

Es gibt keine<br />

„Helfer“, welche<br />

die Eigeninitiative<br />

ersetzen können.<br />

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110<br />

Just PEoPlE?<br />

Gemeinsames Lernen<br />

auf gleicher<br />

Augenhöhe – Entwicklungszusammenarbeit<br />

eben.<br />

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Kritik an der Entwicklungszusammenarbeit von kirchlicher<br />

seite<br />

Die Heilsarmee und auch andere Kirchen kritisieren an der öffentlichen Entwicklungshilfe,<br />

dass sie auf rein technisch-materiellen Prinzipien aufbaut. In der öffentlichen<br />

und teilweise auch privaten Entwicklungszusammenarbeit wird Gott nicht nur<br />

ausgelassen, sondern die Menschen werden von Gott abgedrängt. Damit macht man<br />

die so genannte „Dritte Welt“ erst zur Dritten Welt. Es braucht eine ganzheitliche Entwicklung,<br />

die auch die göttliche D<strong>im</strong>ension einbezieht. Grundlage einer nachhaltigen<br />

Entwicklung ist die von Gott bewirkte Veränderung/Wiederherstellung/Bekehrung<br />

des einzelnen Menschen und des wirtschaftlichen, politischen und religiösen Systems.<br />

3<br />

Für eine christlich fundierte Entwicklungspolitik ist entscheidend, von welchem<br />

Menschenbild sie ausgeht: Was ist die Rolle, Aufgabe und Verantwortung von uns<br />

Menschen in der Schöpfung? Wie wir die Ansprüche, Rechte und Pflichten von uns<br />

und anderen sehen, hängt entscheidend vom Menschenbild ab. Das christliche Menschenbild<br />

des 21. Jahrhunderts muss von dem partnerschaftlichen Bild Jesu ausgehen,<br />

der seine Jünger „Freunde, nicht mehr Knechte“ nennt (Johannes 15,15). 4<br />

steward statt Global Player<br />

Die oder der Steward (Haushalter) ist verantwortlich für die ihr oder ihm anvertraute<br />

„Haushaltung“. Stewardship heißt also, das Eigentum von jemand anderem verantwortlich<br />

und kreativ managen, verwalten und gestalten. Die Haushälterin oder der<br />

Haushalter – deutsch sind die Begriffe kaum noch brauchbar und durch Managerin<br />

oder Manager zu ersetzen – sind eben nicht Besitzer, sondern gegenüber dem Besitzer<br />

verantwortlich. Das gilt für den Menschen gegenüber Gott <strong>im</strong> Umgang mit der Schöpfung<br />

und dem ganzen „Haus Erde“. Stewardship ist eng mit dem heutigen Modewort<br />

Accountability verbunden, der transparenten Rechenschaftspflicht gegenüber den<br />

Besitzern und übrigen Beteiligten. Damit kommt ein anderes Menschenbild in den<br />

Blick als jenes vom Global Player, wie es vor allem für internationale Unternehmen<br />

gebraucht wird. Be<strong>im</strong> Global Player ist weniger die Verantwortung entscheidend,<br />

sondern vielmehr der Kampf mit den wenigen globalen Konkurrenten einer Branche<br />

um die Vorherrschaft auf dem Weltmarkt. 5<br />

careholder statt shareholder<br />

Dieselbe Grundhaltung wie be<strong>im</strong> Steward kommt <strong>im</strong> Begriff des Careholders zum<br />

Ausdruck. Während der Shareholder Besitzer von shares (von Anteilen) an etwas ist<br />

und damit vor allem seine Interessen an diesem Besitz verteidigt, ist der Careholder<br />

einer, der sich um das Wohl des ihm Anvertrauten sorgt und kümmert. Er ist wie der<br />

Steward Gärtner, gestaltender Verwalter, Mitinhaber, Chefbeamter, Hausverwalter,<br />

Hotelier, Garant und Fürsorger <strong>im</strong> besten Sinne des Wortes. 6<br />

3 Vgl. Myers, Bryant L., Walking with the Poor. Principles and Practice of Transformational<br />

Development, Maryknoll, new York, 1999.<br />

4 Vgl. Prof. Dr. Stückelberger, Christoph, Grundwerte und Prioritäten globaler Entwicklung,<br />

in: Zeitschrift für Entwicklungspolitik 14/15, 2004, 34-38.<br />

5 Vgl. Ebd.<br />

6 Vgl. Ebd.<br />

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Wirksame kirchliche und private<br />

Entwicklungszusammenarbeit<br />

Ganzheitliche und wirksame Entwicklungszusammenarbeit christlicher Werke und<br />

Kirchen muss vermehrt das Miteinander-unterwegs-Sein in den Vordergrund stellen.<br />

Der Schwerpunkt müsste viel stärker auf kleinen Projekten mit geringem Kapital-<br />

und hohem Personaleinsatz liegen. Es gilt, mit der Bevölkerung vor Ort zusammenzuleben,<br />

auf sie zu hören und gemeinsam mit ihnen Projekte zu entwickeln; echte<br />

Partnerschaft und Teilhabe an Prozessen; gemeinsames Lernen auf gleicher Augen-<br />

höhe – Entwicklungszusammenarbeit eben. Viele Projektleiter klassischer Projekte<br />

sind einhe<strong>im</strong>ische Experten, die zum Bildungsbürgertum gehören, ihre Ausbildung<br />

<strong>im</strong> Westen erhalten haben und jetzt in der Hauptstadt leben. Sie gelten als „einhe<strong>im</strong>ische<br />

Partner“, haben sich jedoch oft von der betroffenen Bevölkerung weit entfernt.<br />

Es kommt darauf an, mit den Betroffenen zusammenzuleben, ihre Sorgen und Nöte<br />

wirklich kennenzulernen, mit den Menschen zu teilen und ihnen auch seelsorgerlich<br />

beizustehen. Aus diesem Grund kommt der Zusammenarbeit mit lokalen Kirchen,<br />

aber auch den Organisationen der Zivilgesellschaften, eine besondere Bedeutung zu.<br />

Einhe<strong>im</strong>ische und ausländische Missionare/Mitarbeiter haben einen unschätzbaren<br />

Einfluss und nachhaltige Wirkung, denn sie leben bei den Menschen.<br />

Wirksame staatliche Entwicklungszusammenarbeit<br />

Eine große Rolle bei innenpolitischen Auseinandersetzungen spielen Regierungen,<br />

die internationale Gemeinschaft oder auch multinationale Unternehmen. Sie können<br />

die Auseinandersetzungen verschärfen oder helfen, dass Machthaber und ihre Kontrahenten<br />

offene Auseinandersetzungen führen und zu allen Kontakte pflegen. Das<br />

opt<strong>im</strong>iert die Bedingungen für innenpolitische Fortschritte. Gute staatliche Entwicklungszusammenarbeit<br />

kann hier wichtige Dienste leisten. 7<br />

Entwicklungskonzepte verstärken heute den Rechtsansatz (rights approach). Damit<br />

verbunden ist die Verpflichtung, bei der Umsetzung der Menschenrechte zu helfen.<br />

Dazu gehört wesentlich ein funktionsfähiges Rechtssystem. Und hier besteht großer<br />

Handlungsbedarf – nicht nur die staatliche, sondern auch die private Entwicklungszusammenarbeit<br />

muss sich noch intensiver für Überwindung von Korruption in<br />

Rechtssystemen einsetzen. 8<br />

Die Globalisierung ist ein zentrales Thema heutiger staatlicher Entwicklungspolitik.<br />

Der Kampf zwischen so genannten Globalisierungsbefürwortern und -kritikern hält<br />

an. Der Basler Professor für systematische Theologie mit Schwerpunkt Ethik, Dr.<br />

Christoph Stückelberger, schlägt eine selektive Globalisierung vor:<br />

„Globalisierung als internationale Vernetzung ist dann und dort zu unterstützen,<br />

wenn damit die Welt als EINE Menschheit und EIN Ökosystem in ihrer wechselseitigen<br />

Abhängigkeit verstanden und gestärkt wird, wenn ein Leben in Würde für alle,<br />

gerechten Zugang zu und die gerechte Verteilung von Ressourcen und Gütern, die<br />

Freiheit zur Partizipation an politischen Entscheidungen, international friedliches<br />

und vertrauensvolles Zusammenleben und die verantwortliche Ausübung von Macht<br />

gestärkt wird.<br />

Globalisierung als internationale Vernetzung ist aber dann und dort zu bekämpfen,<br />

wenn damit die Welt in ihrer Vielfalt auf ein einheitliches Wirtschafts-, Kultur-<br />

und Politikmodell reduziert, die Macht weniger Akteure gestärkt und weniger<br />

7 Alliance Sud (Hg.), Die Entwicklung löst nicht alle Probleme. Argumente zur Kampagne<br />

„0,7% – Gemeinsam gegen die Armut“, Bern, 2006.<br />

8 Vgl. Stückelberger 2004.<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 1: WELT<br />

„Globalisierung<br />

als internationale<br />

Vernetzung ist<br />

dann und dort zu<br />

unterstützen, wenn<br />

damit die Welt als<br />

EInE Menschheit<br />

und EIn Ökosystem<br />

in ihrer wechselseitigenAbhängigkeit<br />

verstanden und<br />

gestärkt wird.“<br />

Prof. Stückelberger<br />

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112<br />

Just PEoPlE?<br />

Jede Träne, die<br />

einem Kind abgewischt<br />

werden<br />

kann, ist ein Stück<br />

„Fortschritt“,<br />

ist theologisch<br />

gesprochen Anwesenheit<br />

Gottes.<br />

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kontrolliert, der Vorrang der Ökonomie vor allen anderen Lebens- und Handlungsbereichen<br />

fortgesetzt, das freie Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht von Völkern und Nationen<br />

wesentlich eingeschränkt und der Friede gefährdet wird.“ 9<br />

Eine der großen entwicklungspolitischen Herausforderungen ist weiterhin die Regulierung<br />

und damit Stabilisierung der internationalen Kapital- und besonders der<br />

Devisenmärkte, also der Märkte, auf denen mit anderen Währungen gehandelt wird.<br />

Diese makroökonomischen Entwicklungen übersteigen oft die Handlungsmöglichkeiten<br />

einzelner Hilfswerke, sind aber von höchster finanzpolitischer Relevanz, wie<br />

die Finanzkrise von 2009/10 zeigt. Die Besteuerung von Devisentransaktionen ist<br />

ebenso relevant wie das weitere Abtragen der Schuldenberge. 10<br />

Verhältnis zwischen privater und öffentlicher<br />

Entwicklungshilfe<br />

Private Projekte, Mikrokredite, Handelserleichterungen, Schaffung von guten Rahmenbedingungen<br />

für Firmengründungen oder professionelle Unterstützung für Systemwechsel<br />

sind in der Regel viel effizienter als staatlich finanzierte Projekte und<br />

Geldzahlungen, die schlussendlich nur die Abhängigkeit der Entwicklungsländer<br />

verstärken. Die Hilfswerke könnten ihre Fachkompetenz in den Dienst des staatlichen<br />

Auftraggebers stellen ohne Gefahr zu laufen, für politische Zwecke missbraucht zu<br />

werden. Der Staat sollte sich um Qualitätssicherung und klare vertragliche Verhältnisse<br />

zwischen Auftraggeber und Ausführenden bemühen.<br />

schlussfolgerung<br />

Neben dem Streit um Statistiken, Ausrichtung, Nutzen und Wirkung der Entwicklungszusammenarbeit<br />

ist gerade aus Sicht christlicher Entwicklungspolitik der Blick<br />

auf das Einzelschicksal wichtig. Vor kurzem besuchte ich Myanmar. Thawng Kuhl<br />

erzählte mir dort von seiner Hoffnung, sein zusätzliches Einkommen, das er durch<br />

den Reisanbau verdient, in die Schulbildung der Kinder und in einen Ochsenkarren<br />

zu investieren. Mit dem will er in Zukunft ein eigenes kleines Geschäft aufziehen.<br />

Thawng wohnt <strong>im</strong> Dorf Myauk Chaw Taw <strong>im</strong> Norden Myanmars. In diesem Dorf gibt<br />

es schon länger eine Gemeinde der Heilsarmee. Vor drei Jahren hat die Heilsarmee<br />

mit angesehenen Personen <strong>im</strong> Dorf einen Fürsorgerat zusammengestellt. Der Fürsorgerat<br />

kauft mit finanzieller Unterstützung aus der Schweiz fünf Hektar Ackerland<br />

von einem Großgrundbesitzer und wählt fünf arme Familien (Tagelöhner, Landlose,<br />

Witwen) <strong>im</strong> Dorf aus, die für drei Jahre einen Hektar Ackerland zum Bebauen erhalten.<br />

Mitglieder des Fürsorgerats übernehmen die Verantwortung, diese Familien<br />

be<strong>im</strong> Bebauen des Ackers zu unterstützen und zu beraten. Jedes Jahr müssen die<br />

begünstigten Familien 10 Prozent des Ertrags an den Fürsorgerat abliefern. Damit soll<br />

mittelfristig weiteres Ackerland <strong>im</strong> Dorf erworben werden. Thawng Kuhl gehört mit<br />

seiner Familie zu einem der Projektbegünstigten. Die Hilfe ist sinnvoll – unabhängig<br />

von statistischen Erhebungen. Jede Träne, die einem Kind abgewischt werden kann,<br />

ist ein Stück „Fortschritt“, ist theologisch gesprochen Anwesenheit Gottes. Damit ist<br />

keineswegs einer individualethischen Verengung der Entwicklungspolitik das Wort<br />

geredet! 11 Vielmehr soll der Demotivierung von Statistiken die Motivationskraft von<br />

9 Stückelberger 2004, 36.<br />

Das Konzept einer neuen, multilateralen, gemeinschaftsbezogenen und nicht<br />

<strong>im</strong>perial von der einzigen Supermacht dominierten ordnung internationaler Beziehungen<br />

entwickelt neulich der amerikanische Soziologe Etzioni: Etzioni, Amitai,<br />

From Empire to Community. A New Approach to International Relations, new York,<br />

2004.<br />

10 Vgl. Stückelberger 2004.<br />

11 Vgl. Ebd.<br />

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Kinderaugen entgegengesetzt werden. Die sehr positiven Echos auf das neueste Büchlein<br />

von <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> „Parole aux pauvres“, das ohne Statistiken schlicht 27 kurze<br />

und konkrete Erfolgsgeschichten der Entwicklungszusammenarbeit erzählt und<br />

bebildert, ist eine Bestätigung dafür.<br />

literaturangaben<br />

Alliance Sud (Hg.), Die Entwicklung löst nicht alle Probleme. Argumente zur<br />

Kampagne „0,7% – Gemeinsam gegen die Armut“, Bern, 2006.<br />

Vgl. Myers, Bryant L., Walking with the Poor. Principles and Practice of Transformational<br />

Development, Maryknoll, New York, 1999.<br />

Vgl. Prof. Dr. Stückelberger, Christoph, Grundwerte und Prioritäten globaler<br />

Entwicklung, in: Zeitschrift für Entwicklungspolitik 14/15, 2004, 34-38.<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 1: WELT<br />

Der Demotivierung<br />

von Statistiken soll<br />

die Motivationskraft<br />

von Kinderaugen<br />

entgegengesetzt<br />

werden.<br />

Foto: Privat<br />

Markus Muntwiler (geboren 1962)<br />

ist Agronom, Sozialarbeiter (HFS)<br />

und hat einen Master in Leadership<br />

and Management. Er lebte zwei<br />

Jahre in Sri Lanka und sieben Jahre<br />

in Papua-neuguniea als Missionar<br />

und Entwicklungsprojektberater.<br />

zurzeit leitet er den Arbeitszweig<br />

„Mission und Entwicklung“ der<br />

Heilsarmee Schweiz. Er ist verheiratet<br />

mit Iris und hat drei Kinder.<br />

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113


114<br />

Just PEoPlE?<br />

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Wolfgang neuser<br />

Armut und Reichtum in der Bibel<br />

1. Gott will das leben <strong>im</strong> Vollsinn<br />

Gott will Reichtum statt Armut. Keine Sorge, jetzt wird kein Wohlstandsevangelium<br />

verkündet. Es handelt sich vielmehr um die zugegebenermaßen etwas provokant formulierte<br />

Grundaussage der Bibel, dass Gott seinen Menschen das Leben <strong>im</strong> Vollsinn<br />

des Wortes schenken will. Jesus sagt beispielsweise in Johannes 10,10: „Ich bin gekommen,<br />

dass sie das Leben und volle Genüge haben sollen.“<br />

Was die Bibel genauer zum globalen, alten und heutigen Problem Armut und<br />

Reichtum sagt und was wir als Christen tun können, will ich <strong>im</strong> Folgenden darlegen.<br />

1.1. Armenfürsorge<br />

Von Anfang an ist die Bibel weniger an der Beschreibung und Analyse von Armut und<br />

Reichtum interessiert, als vielmehr an der Beseitigung von Armut und Ungerechtigkeit.<br />

Viele Best<strong>im</strong>mungen <strong>im</strong> mosaischen Gesetz zeigen Gottes Solidarität mit den<br />

Armen. Israel soll das Recht des Armen nicht beugen (2. Mose 23,6) und dem armen<br />

Tagelöhner nicht den Lohn vorenthalten (5. Mose 24,14); die abgefallenen Beeren <strong>im</strong><br />

Weinberg sollen die Israeliten den Armen lassen (3. Mose 19,10) und bei der Ernte auf<br />

dem Feld nicht alles abschneiden sowie die Nachlese den Armen überlassen (3. Mose<br />

23,22). Der Zehnte wird zwar grundsätzlich an den Tempel entrichtet, aber alle drei<br />

Jahre soll er den Fremden, Witwen und Waisen gegeben werden, damit sie „essen und<br />

sich sättigen“ (5. Mose 14,28-29). Auch das Zinsverbot gehört zu den Schutzmaßnahmen<br />

gegen Armut: „Du sollst von dem Armen keinerlei Zinsen nehmen“ (2. Mose 22,24).<br />

Die Weisungen zum Erlassjahr gipfeln in der Aussage: „Es sollte überhaupt kein Armer<br />

unter euch sein“ (5. Mose 15,4). In Vers 11 heißt es: „Es werden allezeit Arme sein <strong>im</strong><br />

Lande; darum gebiete ich dir und sage, dass du deine Hand auftust deinem Bruder, der<br />

bedrängt und arm ist in deinem Lande.“<br />

Auch die Psalmen reden häufig davon, dass der Herr das Elend der Armen kennt<br />

und ihr Schreien hört (Psalm 9,10 und 19; 10,8; 22,25 usw.); er wird um Recht für die<br />

Armen angerufen (Psalm 72,4; 140,13 usw.).<br />

1.2. Gerechte strukturen<br />

Auch wenn Israel <strong>im</strong> weiteren Verlauf der Geschichte die Armenfürsorge <strong>im</strong>mer wieder<br />

vernachlässigt, bleibt das Thema Armut <strong>im</strong> Blick. Gott beruft Propheten wie<br />

Amos, die heftig die Missstände ihrer Zeit anklagen: Arme werden von Reichen unterdrückt<br />

(2,5-7) und vor Gericht betrogen (5,10-15); die Reichen leben auf Kosten der<br />

Armen und werden <strong>im</strong>mer reicher (6,1-7).<br />

Neben der Armenfürsorge fordert Gott also gerechte Strukturen: „Es ströme das<br />

Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach“ (Amos 5,24). Eine<br />

Rechtsordnung, die es erlaubt, dass Reiche den Armen ihren Acker abnehmen können,<br />

ist eine sündige Struktur (vgl. Amos 2,6-8).<br />

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1.3. teilen<br />

Die Evangelien bezeugen, dass und wie den Armen das Evangelium gepredigt wird<br />

und wie Jesus sich den Armen zuwendet. Er selbst lebt in ärmlichen Verhältnissen<br />

von der Geburt bis zum Kreuz. Er fordert den reichen Mann auf, seinen Besitz den<br />

Armen zu geben (Matthäus 19,16-26) und warnt vor den Gefahren des Reichtums:<br />

„Ihr könnt nicht Gott und dem Mammon dienen“ (Matthäus 6,24). Besonders stark<br />

kommt bei Lukas das soziale Anliegen Jesu zum Ausdruck: Nur hier findet sich die<br />

Geschichte vom reichen Mann und dem armen Lazarus (Lukas 16) sowie vom reichen<br />

Kornbauern (Lukas 12,16-21). Beide haben weder Gott noch den Nächsten in ihrem<br />

Businessplan. Jesus kritisiert nicht ihren Reichtum als solchen, sondern ihre falsche<br />

Lebensrichtung: „So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott“<br />

(Lukas 12,21).<br />

Die Urgemeinde richtet das Amt des Armenpflegers ein, um die Versorgung der<br />

Witwen und Armen zu regeln (Apostelgeschichte 6,1-7). Paulus untern<strong>im</strong>mt erhebliche<br />

Anstrengungen, um in Griechenland und Kleinasien für die arme Gemeinde in<br />

Jerusalem zu sammeln (2. Korinther 9). Und wenn nach 1. Petrus 4,10 jeder mit den<br />

ihm gegebenen Gaben dienen soll, dann sind da sicherlich die materiellen Güter eingeschlossen,<br />

zumal hier mit dem „Haushalter“ (griechisch: oikonomos) der Ökonom<br />

in den Blick kommt.<br />

Massiv klagt Jakobus die Reichen an, die den Armen Gewalt antun (Jakobus 2).<br />

Und schließlich findet sich das Thema auch in der Offenbarung des Johannes: Die<br />

reiche Gemeinde in Laodizea war für die Verfolgung weniger gewappnet (Offenbarung<br />

3,14-22).<br />

1.4. Heilung des ganzen Menschen<br />

Bisher war von Armut und Reichtum in materieller Hinsicht die Rede – in der alttestamentlichen<br />

Gesetzgebung und von den Propheten wird Armut <strong>im</strong>mer <strong>im</strong> sozialökonomischen<br />

Sinne verstanden – aber das ist nicht alles, was die Bibel zu Armut und<br />

Reichtum sagt.<br />

„Selig seid ihr Armen, denn das Reich Gottes ist euer“ (Lukas 6,20). Die Armen<br />

erhalten eine bedingungslose Heilszusage, nach Matthäus 5,3 die geistlich Armen.<br />

Gemeint sind in beiden Fällen dieselben Menschen: die Armen <strong>im</strong> doppelten Sinn der<br />

äußeren Armut und der Armut vor Gott. Jesus wird arm, damit wir reich werden (2.<br />

Korinther 8,10); er nahm die Gestalt eines Sklaven an – bis zum Tod am Kreuz (Philipper<br />

2,7-8). Die Bibel sieht den ganzen Menschen und möchte, dass er ganz heil wird,<br />

alles hat, was er zum Leben braucht. Und das ist mehr als Nahrung, Kleidung und<br />

Geld. Was nützen dem Menschen all seine Schätze, wenn er nicht reich ist bei Gott<br />

(Lukas 12,33)? Shopping befriedigt nicht die tiefste Sehnsucht des menschlichen Herzens<br />

(J<strong>im</strong> Wallis). Menschen können arm und doch reich sein, aber auch reich und<br />

doch arm. Die Reichen bedürfen darum des befreienden Evangeliums mindestens<br />

ebenso wie die Armen, gerade auch die Ausbeuter, die Ungerechten, die Unterdrücker<br />

– wie unfrei sie doch sind!<br />

Diese ganzheitliche Sicht des Menschen wirft ein Licht auch auf die Frage nach<br />

den Ursachen der Armut: Trägheit, Hoffnungslosigkeit, Ausbeutung, Ungerechtigkeit,<br />

Korruption; „Geldgier ist die Wurzel alles Übels“ (1. T<strong>im</strong>otheus 6,10). Das Haben<br />

scheint wichtiger als das Sein. Reiche und Arme sind Sünder – da ist kein Unterschied.<br />

Der Gott entfremdete Mensch ist ein armer Tropf, da kann er materiell noch so reich<br />

sein. Die Selbstmordrate unter den Reichen dürfte nicht geringer sein als unter den<br />

Armen, eher <strong>im</strong> Gegenteil.<br />

Ist es also am Ende besser, arm zu sein, weil einen dann die Gefahren des Reichtums<br />

noch nicht verführt haben? Zefanja 3,12: „Ich will in dir übrig lassen ein armes<br />

und geringes Volk; die werden auf den Namen des Herrn trauen.“ Gibt es einen Segen<br />

der Armut? Der Arme spürt eine größere Abhängigkeit von Gott – das entspricht der<br />

Warnung vor den Gefahren des Reichtums, aber nach Sprüche 30,8 ist die Armut<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 2: BIBEL<br />

Die Bibel sieht<br />

den ganzen<br />

Menschen und<br />

möchte, dass er<br />

ganz heil wird,<br />

alles hat, was<br />

er zum Leben<br />

braucht.<br />

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115


116<br />

Just PEoPlE?<br />

Recht üben heißt<br />

auch helfen, wo<br />

jemand opfer<br />

geworden ist.<br />

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ebenso gefährlich wie der Reichtum: „Armut und Reichtum gib mir nicht“. Armut<br />

kann auch an Gott verzweifeln lassen.<br />

Die Bibel lehnt Eigentum und Reichtum nicht ab. Segen <strong>im</strong> Alten Testament<br />

besteht auch in Viehherden, Fruchtbarkeit des Ackers und zahlreichen Nachkommen.<br />

Abraham etwa „war sehr reich an Vieh, Silber und Gold“ (1. Mose 13,2). Oder man<br />

denke an Hiob. Aufgabe des Christseins ist nicht Armut, sondern Reichtum bei Gott<br />

und Fürsorge für die Armen. Lukas berichtet von der Begegnung Jesu mit dem reichen<br />

Zachäus, der die Hälfte seines Besitzes den Armen gibt (Lukas 19,1-10). An ihm<br />

wird deutlich, dass das Evangelium auch frohe Botschaft für die Reichen ist.<br />

Der biblische Befund zur materiellen und geistlichen Armut lautet also: Gott<br />

will, dass seine Menschen das Leben und volle Genüge haben. Er will, dass alle satt<br />

werden von „den reichen Gütern seines Hauses“ (Psalm 36,9). Der Idealzustand des<br />

Lebens ist nicht nur in der materiellen Kategorie beschreibbar, er besteht weder <strong>im</strong><br />

Arm-Sein noch <strong>im</strong> Reich-Sein, sondern <strong>im</strong> Frieden mit Gott, mit anderen und sich<br />

selbst. Reich ist, wer sagen kann: „Ich habe nichts verpasst, ich habe nie Mangel<br />

gehabt“ (vgl. Lukas 22,35). Dieser Reich-Gottes-Zustand der Erneuerung der Armen,<br />

der Reichen und der Strukturen ist mit dem ersten Kommen Jesu Christi schon angebrochen,<br />

wird aber erst mit seinem Wiederkommen vollendet. Bis dahin gilt es zu<br />

handeln (Lukas 19,13).<br />

2. Was ist zu tun?<br />

2.1. Es ist dir gesagt…<br />

Die erste alttestamentliche Zusammenfassung der Weisungen Gottes lautet: „Es ist<br />

dir gesagt Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort<br />

halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott“ (Micha 6,8). Und das entspricht<br />

schon sehr weitgehend dem Doppelgebot der Liebe, in dem Jesus das ganze<br />

Gesetz und die Propheten zusammengefasst hat. Michas Antwort auf die schreienden<br />

sozialen Missstände sind nicht Brandopfer, sondern Hingabe des ganzen Lebens,<br />

nämlich:<br />

Recht tun (Gottes Wort halten): Recht durchführen heißt, keine falsche Waage,<br />

Lüge, Gewalt gegen die Schwachen oder Rechtsverdrehung; Recht üben heißt auch<br />

helfen, wo jemand Opfer geworden ist. Die Gesetze zum Erlassjahr wollen alle sieben<br />

Jahre Gerechtigkeit wieder herstellen, wo sie abhanden gekommen ist: Grundbesitz<br />

wird zurückgegeben, Schulden erlassen, Sklaven die Freiheit geschenkt; „damit keiner<br />

von euch verarmt“ (5. Mose 15,4-5).<br />

Kernmaßstab ist die Würde und das Lebensrecht eines jeden (!) Menschen als<br />

Geschöpf und Ebenbild Gottes: „Wenn du in deiner Mitte niemand unterjochst und<br />

nicht mit Fingern zeigst und nicht übel redest, sondern den Hungrigen dein Herz finden<br />

lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen und dein<br />

Dunkel wird sein wie der Mittag“ (Jesaja 58,9-10).<br />

Barmherzigkeit/Güte lieben (Liebe üben): Nur von Recht und Ordnung lebt die<br />

menschliche Gemeinschaft nicht. Gottes Gebote gipfeln <strong>im</strong> Liebesgebot. Ohne Liebe<br />

nützte es auch nichts, die ganze Habe den Armen zu geben (1. Korinther 13,3).<br />

Achtsam/wachsam/aufmerksam mitgehen mit deinem Gott (der dir den<br />

Weg bahnt; demütig sein vor deinem Gott): Wie <strong>im</strong> doppelten Liebesgebot gehören<br />

die Beziehungen zu Gott und den Menschen zusammen. Die Gottesbeziehung wird<br />

<strong>im</strong> Alten Testament <strong>im</strong>mer wieder verglichen mit dem Umgang zweier Liebender miteinander.<br />

Lieben heißt kommunizieren und beieinander bleiben.<br />

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2.2. Die uns anvertraute Welt verwalten und gestalten<br />

Das Alte und das Neue Testament relativieren die Frage nach den Grenzen des Reichtums<br />

durch eine grundsätzlich andere Sicht: Wir sind nicht Eigentümer unserer<br />

Güter, sondern nur Besitzer und Verwalter: „Die Erde ist des Herrn und was darinnen<br />

ist“ (Psalm 24,1). Nicht nur der Zehnte gehört Gott, sondern alle 100 Prozent sind<br />

uns zum verantwortlichen Gebrauch anvertraut. Das Neue Testament sieht das nicht<br />

anders: „Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten<br />

Haushalter der mancherlei Gnade Gottes“ (1. Petrus 4,10). Diese andere Sicht auf Geld<br />

und Güter befreit zum verantwortlichem Umgang.<br />

Das Gleichnis von den anvertrauten Talenten/Pfunden (Lukas 19,11-27) zeigt,<br />

wie mit unserem Geld und unseren Gaben zu wirtschaften ist. Mit dem Lob für den<br />

Knecht, der aus einem Pfund zehn gemacht hat, eine pure kapitalistische Profitmax<strong>im</strong>ierung<br />

rechtfertigen zu wollen, ginge völlig fehl. Nicht die Vermehrung des persönlichen<br />

Reichtums ist Jesu Anliegen – das Geld gehört ja nicht dem Knecht –, sondern<br />

der fruchtbringende Einsatz des Anvertrauten.<br />

Diese Frucht (mehr als Erfolg), nämlich die erneuerte Gottesbeziehung Armer<br />

und Reicher, können wir nicht schaffen. Sie wächst <strong>im</strong> Verborgenen: in der Armensiedlung<br />

in L<strong>im</strong>a, <strong>im</strong> Krankenhaus in Hamburg, <strong>im</strong> Gefängnis in Afghanistan, in der<br />

Führungsetage eines Konzerns. Jesus Christus ist in den dunkelsten Bezirken der Welt<br />

und in den Entscheidern, die sich von ihm leiten lassen. Unsere Aufgabe ist es zu säen,<br />

zu hegen und zu ernten; Gott gibt Wachstum und Gedeihen. Das Evangelium bietet<br />

kein Rezept für eine Weltwirtschaftsordnung, sondern heilt das Herz Einzelner und<br />

heiligt ihr Tun. Es setzt die Möglichkeiten frei, die Gott jedem gegeben hat.<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 2: BIBEL<br />

Foto: CVJM<br />

Prof. Dr. Wolfgang Neuser (geboren<br />

1951) ist Rektor der CVJM-<br />

Hochschule in Kassel.<br />

Der heutige Dozent für Religions-<br />

und Gemeindepädagogik sammelte<br />

als gelernter Industriekaufmann,<br />

Pfarrer und zwischen 2005<br />

und 2010 als Generalsekretär des<br />

deutschen CVJM-Gesamtverbandes<br />

Erfahrungen in sehr unterschiedlichen<br />

Bereichen. Immer wieder<br />

beschäftigte ihn dabei besonders<br />

die Verantwortung von Christen in<br />

der Welt. neuser ist verheiratet und<br />

hat zwei erwachsene Töchter.<br />

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118<br />

Just PEoPlE?<br />

Menschen sollten<br />

eine neue Beziehung<br />

zu Gott, dem<br />

nächsten und zur<br />

Gesellschaft entwickeln.<br />

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Andreas Kusch<br />

Der Kampf gegen Armut und für mehr<br />

Gerechtigkeit:<br />

Ein Blick in die Kirchengeschichte zeigt,<br />

wie Christen die Gesellschaft verändert<br />

haben<br />

Mit schöner Regelmäßigkeit wird die Frage diskutiert, inwieweit sich Christen um<br />

soziale, politische und ökonomische Nöte der Welt kümmern sollten. Dahinter steckt<br />

die Sorge, sich nicht mit „zweitrangigen“ Dingen beschäftigen zu wollen und dadurch<br />

vom Ziel abzukommen, unserer Welt Jesus Christus zu bezeugen. Wenn wir in der<br />

Kirchengeschichte zu den Anfängen der evangelikalen Bewegung zurückgehen, werden<br />

wir entdecken, dass es diese künstliche Trennung von Evangelisation und sozialer<br />

Verantwortung damals nicht gab.<br />

Das Leben und Wirken von vielen führenden christlichen Persönlichkeiten war<br />

vielmehr Ausdruck einer tiefen Gottesliebe, das neue Leben durch Jesus Christus in<br />

alle Bereiche des menschlichen Lebens und Zusammenlebens hineinzutragen. Menschen<br />

sollten eine neue Beziehung zu Gott, dem Nächsten und zur Gesellschaft entwickeln.<br />

Ein paar Beispiele gefällig?<br />

spener – Vater des Pietismus mit einem Herz für<br />

gesellschaftliche Nöte<br />

Weithin kennen wir Philipp Jakob Spener (1635-1705), den Vater des Pietismus,<br />

als den Autor der Schrift „Pia desideria“. Sie gilt bis heute als das Manifest des<br />

Pietismus – bis heute eine der wichtigsten geistlichen Erneuerungsbewegungen in<br />

Deutschland. In dieser Schrift fordert er eine Reform des persönlichen geistlichen<br />

Lebens, der Theologie und des kirchlichen Lebens. Sein ureigenster Antrieb war „die<br />

Tat Gottes, die den Menschen zur Durchsetzung seines göttlichen Liebeswillens in der<br />

Welt beruft.“ Dieser Antrieb brachte ihn aber nicht nur dazu, geistliche Missstände zu<br />

benennen, sondern auch ein kommunales Armen-, Waisen- und Arbeitshaus in Frankfurt<br />

zu initiieren, denn Armut war für ihn ein „Schandfleck unseres Christentums“.<br />

Außerdem gründete er eine Hilfsorganisation für Kriegsflüchtlinge, die täglich bis zu<br />

1.000 Personen versorgte. Spener ging aber auch über den Ansatz einer individuellen<br />

Hilfeleistung hinaus, indem er gleichzeitig für gesellschaftlich-strukturelle Veränderungen<br />

eintrat: So entwickelte er eine neue kommunale Armenordnung für die<br />

Städte Berlin und Frankfurt. Sein Plan einer staatlichen Sozialversicherung entstand<br />

schon 200 Jahre vor der Realisierung unter dem Reichskanzler Otto von Bismarck.<br />

oberlin – seelsorger, der das leben eines Dorfes<br />

veränderte<br />

Mit 27 Jahren bewarb sich der junge Johann Friedrich Oberlin (1740-1826) auf eine<br />

unbeliebte Pfarrstelle in Waldersbach, einem armen und isolierten Dorf in den nördlichen<br />

Vogesen. Oberlin, von einer tiefen Jesusliebe geprägt, besuchte viel und gerne<br />

diese Menschen. Er verließ nie die Häuser, ohne mit den Menschen gebetet zu haben.<br />

Auch in seiner persönlichen Fürbitte betete er täglich für seine Leute. In den Begeg-<br />

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nungen mit ihnen bekam er die Sorgen und Nöte aus erster Hand mit. Oberlin erarbeitete<br />

ein Schulsystem, in dem Kinder von 3 bis 16 Jahren unterrichtet wurden. Die<br />

Schule dafür wurde von den Dorfleuten selbst gebaut. Das alles war einmalig zu einer<br />

Zeit, als noch niemand an eine allgemeine Schulpflicht dachte. Um die schlechte<br />

Ernährungssituation zu verbessern, legte Oberlin einen Mustergarten an, der durch<br />

die neuen Methoden der Stalldungnutzung und Kompostierung hohe Erträge abwarf.<br />

Das überzeugte die Bauern mit der Zeit! Oberlin half, Felsen zu sprengen und entwässerte<br />

Wiesen, um neues Ackerland zu gewinnen, organisierte Düngemittel, neues<br />

Saatgut und Zuchtvieh. Um die finanzielle Ausbeutung durch Wucherer zu unterbinden,<br />

schuf er eine Leih- und Kreditanstalt. Und zur besseren Vermarktung der landwirtschaftlichen<br />

Überschüsse baute er mit den Leuten eine Verbindungsstraße zum<br />

bestehenden Verkehrsnetz. Georg Büchner hat in seiner Erzählung „Lenz“ die Lebenshaltung<br />

Oberlins brillant zusammengefasst: „In den Hütten war es lebendig: man<br />

drängte sich um Oberlin, er wies zurecht, gab Rat, tröstete; überall zutrauensvolle<br />

Blicke, Gebet (…) Dann rasch ins praktische Leben: Wege angelegt, Kanäle gegraben,<br />

die Schule besucht.“<br />

Mez – Badischer Erweckter und unternehmer mit<br />

sozialpolitischer Vision<br />

Carl Christian Mez (1808-1877) war eine führende Persönlichkeit der geistlichen<br />

Erneuerung unter Christen in Baden. Seine Überzeugung, die seinem Unternehmertum<br />

und seinem politischen Engagement zugrunde lag, fasste Mez einmal so zusammen:<br />

„Christi Gebot ‚Liebet euch untereinander, denn ihr seid Brüder‘ enthält nach<br />

meiner Ansicht die einzige Politik, welche die Menschheit beglücken kann.“ Deshalb<br />

gab es in seinem Unternehmen mit über 1.200 Arbeitern für seine Zeit bahnbrechende<br />

Einrichtungen wie ein Wohnhe<strong>im</strong> für alleinstehende Frauen, eine Werkskantine, eine<br />

Pflichtkrankenversicherung, eine Betriebssparkasse und Arbeitnehmerbeteiligung<br />

am Unternehmen. Mez verkürzte die Arbeitszeit seiner Beschäftigten und verzichtete<br />

auf die übliche Kinderarbeit. Er versuchte, diesen Innovationen auch auf politischer<br />

Ebene (bis hin zur Mitgliedschaft in der Frankfurter Nationalversammlung) Nachdruck<br />

zu verleihen. Hätten damals mehr christliche Unternehmer und Politiker seine<br />

Ideen aufgegriffen, hätte sich die schon abzeichnende Abkehr der Arbeiterschicht<br />

vom christlichen Glauben und der Kirche vermutlich nicht in dieser Weise vollzogen.<br />

carey – Pionier der Weltmission und gesellschaftlicher<br />

Reformer<br />

William Carey (1761-1834) ist bekannt als der Vater der „modernen Weltmission“. In<br />

ihm brannte der tiefe Wunsch, die Christen seiner Zeit für das Anliegen der Weltmission<br />

zu begeistern. Da er in seinem Umfeld auf Unverständnis und Ablehnung<br />

stieß, gründete er seine eigene Missionsgesellschaft. Carey selbst war in Indien tätig<br />

und wurde dort Professor für Bengali und Sanskrit. Er erlernte ungefähr 40 indische<br />

Sprachen, in die er dann die Bibel oder Bibelteile übersetzte. Mit diesen Tätigkeiten<br />

gingen auch die Gründung einer Schule, einer Universität und eines Krankenhauses<br />

einher. Diese Einrichtungen wurden zu einem Vorbild, das in Indien vielfach nachgeahmt<br />

wurde. Carey scheute keine Auseinandersetzung mit den Mächtigen seiner Zeit.<br />

Politisch war Carey eine sehr einflussreiche Persönlichkeit, die sich in Indien gegen<br />

Witwenverbrennung, Frauenunterdrückung und Kindstötung sowie das diskr<strong>im</strong>inierende<br />

Kastenwesen einsetzte. Auch gründete er eine Gesellschaft für Landwirtschaft,<br />

um die Ernährungssituation des Landes zu verbessern. In einem Artikel forderte<br />

Carey eine Landreform für Indien – ein zu der Zeit revolutionärer Gedanke. In seiner<br />

berühmt gewordenen Mobilisationsschrift für Weltmission rief er außerdem zum<br />

Zuckerboykott auf, weil Zucker damals ausschließlich von Sklaven angebaut und produziert<br />

wurde. Er war überzeugt: Wer Zucker konsumiert, an dessen Händen klebt<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 2: BIBEL<br />

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120<br />

Just PEoPlE?<br />

„Religion, wenn<br />

sie etwas wert ist,<br />

sollte jede Sphäre<br />

des Lebens ausfüllen<br />

und das<br />

Verhalten in allen<br />

Beziehungen<br />

beherrschen.“<br />

Graf Shaftesbury<br />

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das Blut Unschuldiger. Um Unterstützer für seine sozialethischen Ziele zu gewinnen,<br />

gründete er die Zeitschrift „Friends of India“.<br />

Wilberforce – Evangelikaler Kämpfer für Menschenrechte<br />

Eine herausragende Persönlichkeit der englischen Evangelikalen war William Wilberforce<br />

(1759-1833). Er war für sein ausgeprägtes und intensives Gebetsleben bekannt.<br />

So war es nicht unüblich, dass in den Treffen mit seinen Freunden bis zu drei Stunden<br />

gebetet wurde. Sein Name steht ebenfalls für die Abschaffung der Sklaverei in Großbritannien.<br />

Der damalige Welthandel beruhte unter anderem auf der Unterdrückung<br />

und Ausbeutung von Sklaven. Wilberforce, der sich als Berufspolitiker von Gott beauftragt<br />

sah, hat sich mit diesem von vielen als unveränderbar hingenommenen Zustand<br />

nicht abgefunden. Auf dem Fundament des Glaubens und der christlichen Ethik<br />

stellte er das ganze Welthandelssystem in Frage und griff es politisch an: Wilberforce<br />

war überzeugt, dass sich individuelle Sünde, die gesellschaftlich akzeptiert wird, zu<br />

widergöttlichen gesellschaftlichen Strukturen verfestigt. Zwanzig Jahre führte er diesen<br />

zermürbenden und mühsamen Kampf, durfte es aber dann auch kurz vor seinem<br />

Tod noch erleben, dass England die Sklaverei abschaffte. Später wurde diese Nation<br />

sogar Vorreiter <strong>im</strong> Kampf gegen den Sklavenhandel anderer Nationen.<br />

shaftesbury – Missionarischer christ, Politiker und<br />

sozialreformer<br />

Anthony Ashley Cooper, der spätere Graf Shaftesbury (1801-1885), war eine weitere<br />

herausragende Persönlichkeit der englischen evangelikalen Bewegung. Shaftesburys<br />

Lebensmotto lässt sich am besten mit seinen eigenen Worten wiedergeben: „Religion,<br />

wenn sie etwas wert ist, sollte jede Sphäre des Lebens ausfüllen und das Verhalten<br />

in allen Beziehungen beherrschen.“ In diesem Sinne kämpfte er als Abgeordneter<br />

<strong>im</strong> britischen Unterhaus zeitlebens für eine am Wohl des Menschen orientierte Politik.<br />

Engagiert in der frühen britischen Reformbewegung, wirkte er maßgeblich an<br />

der Verabschiedung von Sozialgesetzen mit, zum Beispiel be<strong>im</strong> Gesetz zum Verbot<br />

von Frauen- und Kinderarbeit in Kohleminen (1842), dem Gesetz zur Reform der<br />

Betreuung von Geisteskranken (1845) und bei der Einführung des Zehnstundentages<br />

für Fabrikarbeiter (1847). Shaftesbury förderte zudem den Bau von Wohnungen für<br />

sozial Benachteiligte, startete verschiedenste Initiativen für die Stärkung des öffentlichen<br />

Gesundheitswesens und war der entscheidende Motor für die Errichtung von<br />

über 100 Schulen, der so genannten Ragged Schools (Lumpenschulen) für arme Kinder.<br />

Darüber hinaus war Shaftesbury treibende Kraft in zahlreichen kirchlichen Missionswerken<br />

und war Präsident der britischen Bibelgesellschaft.<br />

Wesley – Erweckungsprediger mit sozialethischer<br />

D<strong>im</strong>ension<br />

John Wesley (1703-1791), einer der „geistlich durchschlagensten“ Evangelisten seines<br />

Jahrhunderts, wurde nicht müde, Menschen auf ihre Erlösungsbedürftigkeit<br />

durch Christus hinzuweisen und zur Bekehrung aufzurufen. Aber in seinen Predigten<br />

reduzierte er die Lebensumkehr nicht auf eine privat-innerliche D<strong>im</strong>ension. Er war<br />

überzeugt: Das Christentum ist eine aufs Soziale bezogene Religion – „eine Religion<br />

des Einzelnen daraus machen zu wollen heißt, das Christentum zu zerstören.“ Für<br />

Wesley war eine Erlösung durch Christus ohne einen Kampf gegen soziale und politische<br />

Missstände absolut undenkbar. Als eine der bekanntesten Persönlichkeiten des<br />

öffentlichen Lebens nahm er selbst klar Stellung gegen Sklavenhandel, Schmuggel,<br />

Arbeitskräfteausbeutung und Korruption. Noch wichtiger aber war, dass er zum theologischen<br />

und geistlichen Vater vieler christlicher Sozialreformer wie Wilberforce,<br />

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Shaftesbury oder Peel wurde. Historiker sind überzeugt, dass durch diese vom Glauben<br />

inspirierten Sozialreformen England eine Revolution, so wie sie in Frankreich<br />

stattgefunden hat, erspart geblieben ist.<br />

Gottes- und Nächstenliebe gehören zusammen<br />

Welche Grundüberzeugung können wir bei all diesen von Gott in besonderer Weise<br />

gebrauchten Persönlichkeiten erkennen? Es war die tiefe Liebe zu Gott, wie sie in<br />

Matthäus 22,37-39 beschrieben wird: „Liebe den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen.<br />

Dies ist das größte und wichtigste Gebot. Aber gleich wichtig ist ein zweites: Liebe deinen<br />

Mitmenschen wie dich selbst.“ Wer von Gottes Liebe angesteckt ist, liebt nicht nur<br />

Gott von ganzem Herzen, sondern auch alle die, die von Gott geschaffen und geliebt<br />

sind. Gottes- und Nächstenliebe sind untrennbar miteinander verwoben. Dabei ist<br />

der Nächste nicht nur der Einzelne, sondern das Liebesgebot wird erweitert auf die<br />

Gesellschaft und Kulturen bis an das Ende der Welt. Diese Persönlichkeiten wollten<br />

Gottes neu schaffendes Leben in alle Bereiche des Menschseins hineintragen. Überall<br />

sollte und soll sichtbar werden, dass Gott durch Jesus Christus neues Leben ermöglicht<br />

– ewiges Leben und auch menschenwürdiges Leben hier auf der Erde. Deshalb<br />

gibt es keine wertende Trennung. Egal, ob wir uns für evangelistische oder soziale<br />

Ziele einsetzen: Was aus der Beziehung der Liebe zu Gott geboren ist, dient seinen<br />

Zielen, seiner Anbetung und der Ausbreitung seines Reiches. Es st<strong>im</strong>mt, was Johann<br />

Christoph Blumhardt (1805-1880) gesagt hat: „Jesus ist der Trotz Gottes gegen Sünde,<br />

Armut und Elend.“<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 2: BIBEL<br />

„Eine Religion des<br />

Einzelnen daraus<br />

machen zu wollen,<br />

heißt das Christentum<br />

zu zerstören.“<br />

John Wesley<br />

Foto: Privat<br />

Dr. Andreas Kusch ist Dozent für<br />

transformative Entwicklungszusammenarbeit<br />

an der Akademie<br />

für Weltmission, Korntal.<br />

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121


122<br />

Just PEoPlE?<br />

Das Reich Gottes<br />

ist das, worum sich<br />

Leben und Lehre<br />

von Jesus drehte.<br />

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Paul Kleiner<br />

Das Reich Gottes<br />

Im Markusevangelium lautet der erste Satz aus dem Mund von Jesus: „Erfüllt ist die<br />

Zeit und nahe gekommen ist das Reich Gottes“ (Markus 1,15). Damit wird die Botschaft<br />

von Jesus, das „Evangelium Gottes“ (Markus 1,14), zusammengefasst. Programmatisch,<br />

mit einem Paukenschlag zum Auftakt der Geschichte von Jesus: Das Reich Gottes<br />

ist nahe gekommen!<br />

Wenn man eine Konkordanz aufschlägt, wird auch zahlenmäßig deutlich, dass das<br />

„Reich Gottes“ zentral ist für Jesus Christus: In den vier Evangelien kommt der Ausdruck<br />

81 Mal vor, in den anderen Büchern des Neuen Testaments noch 16 Mal. 1 Das<br />

Reich Gottes ist das, worum sich Leben und Lehre von Jesus drehte.<br />

Als Jesus von Nazareth um das Jahr 30 auftrat, hat er den Begriff „Reich Gottes“ nicht<br />

erfunden. Vielmehr hat er an eine lange Vorgeschichte <strong>im</strong> Judentum und Alten Testament<br />

angeknüpft. Das griechische Wort <strong>im</strong> Neuen Testament greift auf das hebräische<br />

<strong>im</strong> Alten Testament für „Königsherrschaft“ zurück.<br />

Im Alten Testament wird Gott als König geehrt. Er ist der König seines Volkes Israel<br />

(4. Mose 23,21) und König der ganzen Welt sowie aller Völker (Psalm 47). Als König<br />

hat er die Welt erschaffen; er erhält sie; er herrscht in Gerechtigkeit über sie und richtet<br />

sie (Psalm 96-99). Mit diesen Psalmen hat das alte Israel Gottes Königsherrschaft<br />

besungen. Sie ist erstens seine gegenwärtige Tätigkeit, mit der er in der Welt Gerechtigkeit<br />

erhält beziehungsweise schafft, und zweitens der ganze Bereich, über den Gott<br />

herrscht, also die ganze Welt.<br />

Man könnte sagen: Gott hat die Welt erschaffen, um seine Königsherrschaft aufzurichten.<br />

Um sie in Gerechtigkeit zu erhalten. Um seine Heiligkeit und Liebe mit ihr zu<br />

teilen – und als ein solcher Gott erkannt sowie anerkannt zu werden. Die Schöpfung<br />

sollte sein Reich werden. Das Reich Gottes ist Gottes Absicht mit der ganzen Schöpfung<br />

– und weil er Gott ist, wird er sein Reich aufrichten, seine ungehinderte Herrschaft,<br />

wo niemand und nichts ihn an seiner Gerechtigkeit und Gnade hindert.<br />

Nur: So weit ist es jetzt noch nicht. Das hat das alte Israel auch gewusst, als es die<br />

schönen Psalmen mit Gottes Königsherrschaft sang. Gott herrscht in Gerechtigkeit<br />

und doch ist die Welt nicht <strong>im</strong> Lot, genauso wenig wie das Volk Gottes. Beides war<br />

(und ist!) eben wahr: Gott herrscht als Schöpfer der Welt und erhält sie tagtäglich<br />

in ihrer Ordnung; Gott hat den Menschen seine gerechte Thora offenbart, damit der<br />

Mensch sich daran halte und lebe (5. Mose 16,20). Genau übersetzt heißt Thora „Weisung“<br />

und nicht „Gesetz“: Es geht also um die Orientierung hin zu gerechten, heilvollen<br />

Beziehungen zwischen Menschen und auch zu Gott und nicht um eine abstrakte<br />

Regel-Gerechtigkeit. Allerdings widersetzt sich der Mensch und die ganze Welt Gottes<br />

Herrschaft und macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Kain brachte seinen<br />

Bruder Abel um (1. Mose 4,8). Der Prophet Jesaja beklagt den Rechtsbruch statt des<br />

Rechtsspruchs <strong>im</strong> Volk Israel (Jesaja 5,7). Gottes Urteil über die Welt ist vernichtend:<br />

Die Erde ist verdorben und voller Gewalttat (1. Mose 6,11): Die Gewalt von Tsunamis<br />

und Erdbeben, vom Wolf gegen Schafe, das Gesetz von Fressen und Gefressen-<br />

1 Im Matthäusevangelium steht 31 Mal „Reich der H<strong>im</strong>mel“, was dasselbe bedeutet<br />

wie „Reich Gottes“. In gewissen jüdischen Kreisen war es damals üblich, aus Ehrfurcht<br />

den Gottesnamen nicht auszusprechen und ihn mit dem Begriff „H<strong>im</strong>mel“ zu<br />

ersetzen.<br />

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Werden in der Natur. Und dann die menschliche Gewalt: Strukturell versteckt mit oft<br />

katastrophalen Folgen von Hunger oder Umweltzerstörung, in kriegerischen Auseinandersetzungen,<br />

durch Terroranschläge mit Selbstmord und psychischen Terror in<br />

Beziehungen, häusliche Gewalt, Gewalt in Medien und Computerspielen… Da bleibt<br />

einem der Psalm oder das Lied „Lobet den Herren, der alles so herrlich regieret“ in der<br />

Kehle stecken. Wenn diese Gewaltorgie Reich Gottes sein soll, dann lieber nicht!<br />

Das Alte Testament singt von der gegenwärtigen Herrschaft Gottes – und weiß gleichzeitig,<br />

dass Gott erst in der Zukunft König werden wird. Das ist die ganz große Hoffnung<br />

und Erwartung; das ist das Evangelium bei Jesaja (40,9; 52,7; 61,1): Dass Gott<br />

endlich kommt, König wird und seine gerechte Herrschaft gegen alles Böse und allen<br />

Widerstand durchsetzt.<br />

Für das Judentum zur Zeit von Jesus war das Reich Gottes also ein Begriff! Für die<br />

einen (die Pharisäer) stand Gottes gegenwärtige Herrschaft über sein Volk durch die<br />

Thora <strong>im</strong> Vordergrund; sie nahmen das Joch des Reiches Gottes <strong>im</strong> genauen Gehorsam<br />

allen Geboten gegenüber auf sich. Andere (die Zeloten) wollten die Fremdherrschaft<br />

der verhassten Römer abschütteln, die das Land mit Götzenbildern verunreinigten;<br />

sie kämpften mit Waffengewalt, um Gottes Herrschaft unter dem versprochenen<br />

König auf Davids Thron aufzurichten. Wieder andere (apokalyptische Kreise) warteten<br />

auf das nahende Weltende, wenn Gott die Völker richten und seinem Volk Israel<br />

Heil verschaffen wird.<br />

In dieser Atmosphäre verkündet Jesus von Nazareth: „Das Reich Gottes ist nahe<br />

gekommen.“ Mit seiner Zeit und mit dem Alten Testament redet er von dem zukünftigen<br />

Reich: Um dessen Kommen lehrt er seine Jünger beten (Matthäus 6,10) beziehungsweise<br />

bis zu dessen Kommen sollen sie Abendmahl feiern (Matthäus 26,29; vgl.<br />

auch 13,24-30,36-43; 25,31-46). Aber Jesus legt das Hauptgewicht darauf, dass dieses<br />

Reich Gottes jetzt schon angekommen, angebrochen, gegenwärtig ist. Und zwar nicht<br />

nur allgemein in der Schöpfung oder durch die Offenbarung der Thora durch Mose.<br />

Sondern angekommen und angebrochen in seiner Person! Jesus selbst ist das Reich<br />

Gottes: Mit seinem Auftreten schafft Gott Gerechtigkeit und das Leben von Jesus ist<br />

der Bereich, in dem Gott ungehindert herrscht.<br />

Jesus selbst hat sich und sein Wirken so verstanden. Den Pharisäern hält er entgegen:<br />

„Das Reich Gottes ist mitten unter euch“ (Lukas 17,21) – eben in meiner Person, ihr müsst<br />

nicht nach anderem Ausschau halten. Dies wird insbesondere deutlich durch die Austreibung<br />

von Dämonen (Matthäus 12,28): Gottes Herrschaft bannt die bösen Mächte!<br />

Auch sind die Wunder von Jesus Hinweise auf den Anbruch der messianischen Zeit,<br />

die in Jesaja 35 beschrieben wird und in der Gott zur Rettung kommt (Matthäus 11,2-<br />

6). Die Tischgemeinschaft von Jesus mit seinen Jüngern, mit Freunden, mit „Zöllnern<br />

und Sündern“ (zum Beispiel in Markus 2,15-17) ist die Vorwegnahme des Mahls, das<br />

Gott bei seinem heilvollen Eingreifen für alle Völker zubereiten wird (Jesaja 25,6-9).<br />

Wenn Jesus Sünden vergibt (Markus 2,5), tut er das, was Gott als kommender König<br />

verheißen hat (Jesaja 33,22-24).<br />

Jesus hat den Anbruch dieser heilvollen Herrschaft Gottes in Gerechtigkeit proklamiert<br />

und gelebt: Für alle und mit allen – Arme (Matthäus 5,3; Lukas 6,20), die<br />

vom Gottesdienst ausgeschlossen waren, Frauen, Zöllner (besonders üble Sünder, da<br />

sie mit den verhassten Römern kollaborierten) und Nicht-Juden.<br />

Auch sein Sterben hat Jesus in dieser Perspektive des Reiches Gottes <strong>im</strong> Voraus gedeutet.<br />

In Markus 10,45 und 14,22 greift er auf Jesaja 43 und 53 zurück, um seinen Tod als<br />

Gottes Tat zur Aufrichtung und Durchsetzung der Gerechtigkeit angesichts menschlicher<br />

Abwendung von beziehungsweise Rebellion gegen Gott zu deuten. Seine Jünger<br />

haben dies erst nach der Auferstehung und der Ausgießung des Heiligen Geistes<br />

verstanden. Als es ihnen dann aber klar wurde, haben sie Jesus Christus ins Zentrum<br />

ihrer Botschaft gestellt: Denn Jesus, der vom Reich Gottes geredet hat, ist in Person<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 2: BIBEL<br />

Der innere Seelenfrieden<br />

eines<br />

Einzelnen <strong>im</strong> Blick<br />

auf das Jenseits ist<br />

eine Karikatur von<br />

Gottes Reich.<br />

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123


124<br />

Just PEoPlE?<br />

Die Kirche hat<br />

das Evangelium<br />

vom Reich Gottes<br />

<strong>im</strong>mer wieder<br />

amputiert.<br />

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der Anbruch dieses Reiches. Paulus „verkündigte das Reich Gottes und lehrte über Jesus<br />

Christus, den Herrn“ (Apostelgeschichte 28,30; vgl. 19,8-10; 28,23). Jesus und das<br />

Reich sind dasselbe.<br />

In den neutestamentlichen Briefen verschiebt sich das Gewicht be<strong>im</strong> Gebrauch von<br />

„Reich Gottes“ gegenüber Jesus in den Evangelien: Der Begriff bezieht sich vermehrt<br />

auf die zukünftige Vollendung von Gottes Herrschaft und kommt deswegen relativ<br />

selten vor. Jesus Christus selbst steht <strong>im</strong> Zentrum der Verkündigung, in getreuer Fortsetzung<br />

zu Jesu Botschaft in den Evangelien: Gott ist schon angekommen, um seine<br />

gerechte und heilvolle Herrschaft aufzurichten; das entscheidende Ereignis ist schon<br />

geschehen durch Tod und Auferstehung von Jesus Christus und in der Ausgießung des<br />

Heiligen Geistes, der gewaltigen Gegenwart Gottes <strong>im</strong> Leben seines Volkes. Gleichzeitig<br />

wartet es mit der ganzen Welt noch auf die Vollendung von Gottes Herrschaft und<br />

auf die endgültige Überwindung von allem Bösen.<br />

Entscheidend für das christliche Verständnis des Reiches Gottes ist dreierlei:<br />

1. Jesus Christus ist das Reich Gottes.<br />

Gott schafft Gerechtigkeit und Heil durch Jesus von Nazareth. Diese geschichtliche<br />

Verankerung verbürgt einerseits die Wirklichkeit der Herrschaft Gottes: Er kommt<br />

tatsächlich, erfahrbar, wirksam in unsere Welt, in Raum und Zeit hinein. Andererseits<br />

gibt die historische Person von Jesus dem Reich Gottes ein unverwechselbares<br />

Gesicht, einen eindeutigen profilierten Gehalt.<br />

Die Kirche hat das Reich Gottes manchmal von Jesus Christus getrennt und sich<br />

auf eigenmächtige Weltverbesserung ohne Jesus oder eine individualistische weltflüchtige<br />

Jesus-Beziehung konzentriert; nur: Zum Reich Gottes gehört Jesus Christus<br />

und ihn kann man ohne das Reich nicht haben.<br />

2. Das Reich Gottes ist schon angebrochen und noch nicht vollendet.<br />

Beides gilt gleichzeitig, erscheint zwar als logischer Widerspruch, aber bewahrheitet<br />

sich <strong>im</strong> Leben: Gott herrscht schon jetzt. „Das Reich Gottes ist Gerechtigkeit, Frieden<br />

und Freude <strong>im</strong> Heiligen Geist“ (Römer 14,17). Das ist schon jetzt eine erfahrbare<br />

Realität – und gleichzeitig eine noch angefochtene, zerbrechliche und zerbrechende<br />

Realität. „Im Glauben gehen wir unseren Weg, nicht <strong>im</strong> Schauen“ (2. Korinther 5,7).<br />

Denn noch warten wir darauf: „Der Gott des Friedens wird den Satan in Kürze unter<br />

euren Füßen zermalmen“ (Römer 16,20). „Christus ist unser Friede“ (Epheser 2,14) –<br />

schon jetzt, indem er eine versöhnte Beziehung zu Gott, zu sich selbst und zwischen<br />

Menschen ermöglicht. Gleichzeitig ist der Heilige Geist „nur“ Erstlingsgabe und wir<br />

erwarten die Kindschaft sowie die Erlösung des Leibes (Römer 8,23).<br />

Die Kirche hat manchmal das Fasten und manchmal das Feiern überbetont. Beides<br />

gehört zum Reich Gottes: Die überschwängliche Feier und die sehnsuchtsvolle<br />

Erwartung.<br />

3. Das Reich Gottes war Gottes Absicht bei der Schöpfung der Welt.<br />

Gott will und wird herrschen über H<strong>im</strong>mel und Erde, Mensch und Tier, Materie<br />

und Geist. Der innere Seelenfrieden eines Einzelnen <strong>im</strong> Blick auf das Jenseits ist eine<br />

Karikatur von Gottes Reich. Seine heilvolle Gerechtigkeit erfasst das ganze Leben:<br />

Leib und Seele, Inneres und Beziehungen, den menschlichen Umgang mit Geld,<br />

Zeit und der Schöpfung, überhaupt die ganze Welt mit Lebewesen (vgl. Römer 8,21)<br />

und Lebensräumen (vgl. Jesaja 35). Die Gleichnisse von Jesus sind wegweisend: Das<br />

kleine Senfkorn wächst zu einem großen Baum mit nistenden Vögeln in seinen Zweigen;<br />

ein wenig Sauerteig, verborgen <strong>im</strong> Mehl, durchsäuert den ganzen Teig (Matthäus<br />

13,31-33). So ist das Reich Gottes. Auf eine einzelne Lebensgeschichte bezogen:<br />

Das Reich Gottes kann verborgen beginnen, mit einem stillen Gebet oder einer inneren<br />

Erfahrung. Dann aber wächst es und prägt Denken, Wollen und Fühlen, Verhalten<br />

und Beziehungen, eben das ganze Leben. Oder auf eine Gemeinschaft bezogen:<br />

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Auch eine unscheinbare Person, die treu an Christus glaubt und mit ihm lebt, prägt<br />

durch ihr Da-Sein und So-Sein ihre Welt, „durchsäuert“ ihren größeren oder kleineren<br />

Umkreis.<br />

Die Kirche hat das Evangelium vom Reich Gottes <strong>im</strong>mer wieder amputiert, Leib und<br />

Seele gegeneinander ausgespielt oder Individuum gegen die Gemeinschaft, den H<strong>im</strong>mel<br />

gegen die Erde, punktuelle Erfahrungen gegen kontinuierliche Prozesse, Glauben<br />

gegen Leben, Tat gegen Wort, Zukunft gegen Gegenwart. Aber Gott wird alles<br />

in Christus zusammenfassen (Epheser 1,9) und alles seiner Herrschaft unterwerfen<br />

(1. Korinther 15,25). Christus wird das vollendete Reich Gott, dem Vater, übergeben,<br />

„damit Gott alles in allem sei“ (1. Korinther 15,28).<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 2: BIBEL<br />

Foto: Privat<br />

Pfr. Dr. theol. Paul Kleiner ist Rektor<br />

des Theologisch-Diakonischen<br />

Seminars Aarau, Schweiz.<br />

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126<br />

Just PEoPlE?<br />

Integrale Mission<br />

ist das Verkündigen<br />

und Ausleben des<br />

Evangeliums. Da<br />

stehen nicht Wort<br />

und praktische<br />

Hilfe nebeneinander,<br />

sondern beide<br />

sind integral miteinander<br />

verbunden.<br />

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Detlef Blöcher<br />

Was ist integrale Mission?<br />

Jesus hat sich stets dem ganzen Menschen zugewandt und umfassend geholfen, so<br />

lesen wir in den Evangelien: „Jesus stieg aus (dem <strong>Boot</strong>) und sah die große Menge; und<br />

sie jammerten ihn, denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und er fing eine<br />

lange Predigt an. Als nun der Tag fast vorüber war, traten seine Jünger zu ihm und sprachen:<br />

Es ist öde hier und der Tag ist fast vorüber; lass sie gehen, damit sie in die Höfe und<br />

Dörfer ringsum gehen und sich Brot kaufen. Er aber antwortete und sprach zu ihnen:<br />

Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Markus 6,34-37).<br />

Jesus hat sich um die Seele des Menschen gekümmert, Hungrige gesättigt,<br />

Kranke geheilt, soziale Ausgrenzung überwunden. Er hat einen Menschen stets als<br />

eine Einheit gesehen, der umfassende Hilfe braucht – und letztlich erst durch die Versöhnung<br />

mit seinem Schöpfer heil wird und ewiges Leben erhält.<br />

In gleicher Mission sind auch Jesu Nachfolger unterwegs, gesandt in die Welt<br />

mit demselben Auftrag: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Johannes<br />

20,21). Integrale Mission ist das Verkündigen und Ausleben des Evangeliums. Da<br />

stehen nicht Wort und praktische Hilfe nebeneinander, sondern beide sind integral<br />

miteinander verbunden. Das Verkündigen der frohen Botschaft hat soziale Auswirkungen,<br />

indem wir Menschen einladen, von den alten Wegen umzukehren und sich<br />

Gott anzuvertrauen; und die praktische Hilfe führt zur Verkündigung, indem der Botschafter<br />

von der heilenden Gnade Jesu und neuschaffenden Kraft Gottes berichtet,<br />

die sie/er selbst erfahren hat.<br />

Geschichtliche Entwicklung<br />

Integrale Mission ist nichts Neues. Jesus hat so gelebt und auch die erste christliche<br />

Gemeinde. Die frühen Mönche haben Missionsklöster aufgebaut, Kranke versorgt,<br />

Lesen und Schreiben gelehrt, Landwirtschaft unterrichtet, die Frohe Botschaft von<br />

Jesus verkündigt und Nachfolge Jesu vorgelebt. Christen haben schon <strong>im</strong>mer umfassend<br />

geholfen in Gemeinde und Weltmission, wie zahllose Beispiele der Kirchengeschichte<br />

belegen: August Hermann Francke, Christian Friedrich Spittler, John Wesley,<br />

William Wilberforce etc. Der frühe Pietismus war außerordentlich sozial engagiert.<br />

Verkündigung des Evangeliums, sozialdiakonisches Engagement und moderne<br />

Pädagogik waren harmonisch und praxisnah ineinander verwoben. Die Herrnhuter<br />

Missionare haben ab 1732 Jesus in Wort und praktischer Hilfe in fernen Ländern<br />

verkündigt. Sie haben Notleidenden geholfen und wesentlich zu gesellschaftlichen<br />

Veränderungen und zur Gesetzgebung beigetragen: Abschaffung der Sklaverei, allgemeine<br />

Schulbildung, Sozialgesetze – um nur einige Beispiele zu nennen. „Glaube,<br />

der durch die Liebe tätig ist“ (Galater 5,6). William Carey, Pionier der neuzeitlichen<br />

evangelischen Mission, hat sich in Indien entschieden gegen Witwenverbrennung<br />

und Kindstötung und für weitere politische Veränderungen eingesetzt. Christliche<br />

Mission hatte schon <strong>im</strong>mer den Anspruch, in ihrem Kern integral zu sein, denn die<br />

Versöhnung mit Gott hat unweigerlich auch soziale Auswirkungen.<br />

Zentrum des Missionsauftrags<br />

Jesus Christus spricht: „Mir ist gegeben alle Gewalt <strong>im</strong> H<strong>im</strong>mel und auf Erden. Darum<br />

gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des<br />

Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.<br />

Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ (Matthäus 28,19-20). Die<br />

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letzten Verse des Matthäusevangeliums enthalten diese bekannteste Form des Missionsauftrags.<br />

Im Zentrum steht der auferstandene Herr und König Jesus Christus.<br />

Er, dem alle Gewalt <strong>im</strong> H<strong>im</strong>mel und auf Erden gehört und der kraftvoll in der Welt<br />

handelt, er gibt seinen Jüngern den Auftrag: hingehen, Jünger Jesu machen, lehren,<br />

taufen. Im griechischen Grundtext ist jedoch nur einer der genannten Begriffe in der<br />

Befehlsform, der den Kern des Auftrags markiert, während die anderen drei Worte<br />

grammatikalisch Partizipien sind, also Bedingungen beschreiben, wie der Hauptauftrag<br />

erfüllt werden soll. Nach der deutschen Übersetzung würde man erwarten,<br />

dass der erste Begriff „hingehen“ diesen zentralen Auftrag darstellt, doch es ist das<br />

zweite Wort mathaeteusate, „machet zu Jüngern“. Jesus will Herr sein <strong>im</strong> Leben von<br />

Menschen, Ordnung schaffen und in ihren Herzen regieren. Das ist das Zentrum des<br />

Missionsauftrags. Alle anderen Aktivitäten sind Bedingungen, wie dieses Ziel erreicht<br />

werden soll. Wörtlich müssten wir übersetzen: Macht zu Nachfolgern Jesu, indem ihr<br />

hingeht, tauft und lehrt – und vieles andere wäre hier noch anzufügen: evangelisiert,<br />

Traktate verteilt, praktisch helft, Menschen eine Gelegenheit für eine Glaubensentscheidung<br />

gebt, schult, medizinisch helft, Notleidende versorgt, gemeinsam lernt etc.<br />

Jesus will nicht nur Retter und Heiland sein <strong>im</strong> Leben von Menschen, sondern auch<br />

ihr Herr und der König ihres Herzens. Darum müssen alle Lebensbereiche unter das<br />

Neuschaffen Jesu kommen: integrale Mission.<br />

Wo Gottes Herz schlägt<br />

In der Bibel redet Gott und gewährt uns Einblick in sein Herz. Dort heißt es: „Denn ich<br />

bin der Herr, der das Recht liebt und Raub und Unrecht hasst“ (Jesaja 61,8). „Gott hilft<br />

den Elenden auf Erden“ (Psalm 76,10). „Der Herr schafft Gerechtigkeit und Recht allen,<br />

die Unrecht leiden“ (Psalm 103,6).<br />

Als Kinder Gottes muss unser Herz dort schlagen, wo Gottes Herz schlägt. Seine Sorge<br />

wird zu unserer Sorge, sein Anliegen zu unserem Anliegen. Darum können Christen<br />

nicht zu Unrecht und Elend schweigen, sondern werden ihr Möglichstes dagegen<br />

unternehmen. Gott selbst fordert uns auf: „Schaffet Recht dem Armen und der Waise<br />

und helft dem Elenden und Bedrängten zum Recht. Errettet den Geringen und Armen und<br />

erlöst ihn aus der Gewalt der Gottlosen“ (Psalm 82,3-4). „Wer sich des Armen erbarmt,<br />

der leiht dem HERRN, und der wird ihm vergelten, was er Gutes getan hat“ (Sprüche<br />

19,17). „Wer dem Geringen Gewalt tut, lästert dessen Schöpfer; aber wer sich des Armen<br />

erbarmt, der ehrt Gott“ (Sprüche 14,31). „Lernet Gutes zu tun, trachtet nach Recht, helft<br />

den Unterdrückten, schafft den Waisen Recht, führt der Witwen Sache!“ (Jesaja 1,17).<br />

Dies gilt nicht nur für das Volk Israel <strong>im</strong> Alten Testament, sondern Jesus lehrte seine<br />

Jünger das Gleiche: „Seid barmherzig, wie euer Vater (<strong>im</strong> H<strong>im</strong>mel) barmherzig ist“<br />

(Lukas 6,36). „Gib dem, der dich bittet, und wende dich nicht ab von dem, der etwas von<br />

dir borgen will“ (Matthäus 5,42).<br />

Und das Neue Testament lehrt alle Christen: „Wir sind sein Werk, geschaffen in<br />

Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen“<br />

(Epheser 2,10). „Wer nun weiß, Gutes zu tun, und tut’s nicht, dem ist es Sünde“<br />

(Jakobus 4,17). „Wenn jemand dieser Welt Güter hat und sieht seinen Bruder darben<br />

und schließt sein Herz vor ihm zu, wie bleibt die Liebe Gottes in ihm?“ (1. Johannes 3,17).<br />

„Gutes zu tun und mit anderen zu teilen, vergesst nicht; denn solche Opfer gefallen Gott<br />

wohl“ (Hebräer 13,16).<br />

So hat auch die erste Gemeinde in Jerusalem sich ganz selbstverständlich um Notleidende<br />

gekümmert: Die dreitausend Christen in Jerusalem „waren beieinander und<br />

hatten alle Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter<br />

alle, je nachdem es einer nötig hatte“ (Apostelgeschichte 2,44-45). Sie kümmerten sich<br />

in vorbildlicher Weise um Mittellose: „Die (…) Gläubigen aber waren ein Herz und eine<br />

Seele; auch nicht einer sagte von seinen Gütern, dass sie sein wären, sondern es war ihnen<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 3: MISSIon<br />

Als Kinder Gottes<br />

muss unser Herz<br />

dort schlagen,<br />

wo Gottes Herz<br />

schlägt.<br />

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128<br />

Just PEoPlE?<br />

Menschen <strong>im</strong> Elend<br />

fällt es schwer,<br />

die Botschaft von<br />

Jesus zu begreifen,<br />

wenn ihre unmittelbare<br />

not nicht<br />

mit angesprochen<br />

ist.<br />

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alles gemeinsam“ (Apostelgeschichte 4,32) und sie beriefen Mitarbeiter, die sich speziell<br />

um ausländische Witwen kümmerten (Apostelgeschichte 6,1-7).<br />

christen in Not<br />

In vielen Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens herrscht heute extreme Armut<br />

und soziale Ungerechtigkeit. Menschen haben viel lokale Kenntnis, doch sie brauchen<br />

Hilfe, um diese umzusetzen. Zudem enthalten alle Kulturen (wie auch unsere)<br />

einerseits ein Stück von Gottes Glanz und andererseits Zerstörerisches. Menschen <strong>im</strong><br />

Elend fällt es schwer, die Botschaft von Jesus zu begreifen, wenn ihre unmittelbare<br />

Not nicht mit angesprochen ist. Das Evangelium muss dort sichtbar werden.<br />

Wenn wir zum einen Volk Gottes gehören, dann muss das Elend von zahllosen<br />

Christen <strong>im</strong> globalen Süden zu unserer Not werden, ihre Tränen zu unseren. Dann<br />

können wir nicht einfach vorübergehen. Jesus lehrte seine Jünger: „Was ihr getan<br />

habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“ (Matthäus<br />

25,40). Dabei waren sich die Betreffenden gar nicht bewusst, dass sie etwas Besonderes<br />

getan hatten. Sie haben einfach Menschen in Not geholfen: Hungrigen zu essen<br />

gegeben, Fremde aufgenommen, Nackte gekleidet, Kranken geholfen und Gefangene<br />

besucht. Echte Partnerschaft und Teilen sind gefragt: integrale Mission.<br />

Ein beachtlicher Teil evangelikaler Missionare ist heute in medizinischen, sozialen<br />

oder landwirtschaftlichen Projekten sowie in der Ausbildung tätig. Meist geschieht<br />

dies in Partnerschaft mit einhe<strong>im</strong>ischen Kirchen. Gemeinsam helfen sie nachhaltig<br />

und selbstlos, damit Menschen, Gesellschaften und Kulturen durch das Evangelium<br />

neu werden.<br />

Ein Beispiel:<br />

Kleingewerbegründung in Äthiopien: Ganzheitliche Mission<br />

ganz praktisch<br />

Es ist sechs Uhr morgens in einem Dorf <strong>im</strong> Süden Äthiopiens. Die Sonne geht gerade<br />

auf. Im Hintergrund begrüßen einige Vögel den neuen Tag. Tesfaye schaut dankbar<br />

in die ersten Sonnenstrahlen, während er seine Kühe füttert. Vor fast zwei Jahren<br />

besuchte er ein „Training für Kleingewerbegründung“, das von der örtlichen Kirchengemeinde<br />

in Zusammenarbeit mit einer Missionsorganisation durchgeführt wurde.<br />

Nach einer intensiven Schulungswoche konnte Tesfaye einen Geschäftsplan erstellen,<br />

welcher der örtlichen Nachfrage und den wirtschaftlichen Gegebenheiten seines<br />

Umfelds entsprach. Er erhielt einen kleinen zinslosen Kredit, um sich zwei Milchkühe<br />

kaufen zu können. Seitdem hat sich viel getan! Innerhalb von 14 Monaten konnte er<br />

das Darlehen bereits zurückzahlen. Zwischenzeitlich wurde es Tesfaye manchmal<br />

bange und er fürchtete, die Raten nicht fristgemäß zurückzahlen zu können, doch ein<br />

„Kreditmentor“ des Projekts begleitete, ermutigte und unterstützte ihn. Er schaffte<br />

es. Mit dem zurückgezahlten Geld erhielten dann andere die Chance, ihr Leben nachhaltig<br />

zu verändern. Jetzt ist Tesfaye stolzer Eigentümer der Milchkühe. Jeden Morgen<br />

melkt er sie, bevor er seine Arbeit als Evangelist beginnt. Die Kühe geben genug<br />

Milch für seine fünfköpfige Familie. Er kann sogar einige Liter Milch auf dem nahe<br />

gelegenen Markt verkaufen. Mit dem Erlös kann er Lebensmittel, Schulbildung und<br />

Medikamente bezahlen.<br />

Das Projekt möchte Menschen wie Tesfaye unterstützen und ermutigen, aktiv der<br />

Armut entgegenzutreten, ihr Leben ganzheitlich umzugestalten und sie für die Arbeit<br />

am Reich Gottes freizusetzen. Durch die Schulung in Geschäftsgründung, Bereitstellung<br />

von Kleinkrediten und Betreuung während der Gründungs- und Rückzahlungsphase<br />

werden äthiopische Evangelisten unterstützt, ein Kleingewerbe (zum Beispiel<br />

Friseursalon, Bäckerei, Schreinerei, Schneiderei) aufzubauen, um sie unabhängig<br />

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von externer Finanzierung zu machen. Mit dem hier praktizierten Prinzip „Hilfe zur<br />

Selbsthilfe“ trägt Tesfayes Arbeit wiederum dazu bei, dass auch das Leben anderer<br />

Menschen und der Dorfgemeinschaft nachhaltig verändert wird – geistlich wie auch<br />

sozial.<br />

unerreichte Völker<br />

In der Welt gibt es noch <strong>im</strong>mer 6.000 Völker ohne eine einhe<strong>im</strong>ische Gemeinde Jesu.<br />

Ihnen muss unsere besondere Aufmerksamkeit und Zuwendung gelten. Die meisten<br />

leben in musl<strong>im</strong>ischen, buddhistischen und hinduistischen Ländern, die klassischen<br />

Missionaren keinen Zugang gewähren. Doch sie sind an westlichem Know-how und<br />

internationaler Zusammenarbeit interessiert. Darum laden sie gerne westliche Fachkräfte<br />

ein – besonders solche, die Respekt vor ihrer Lebensweise und ihren kulturellen<br />

Werten haben sowie ehrlich und selbstlos leben. Darum schätzen sie christliche<br />

Fachkräfte und nehmen durchaus in Kauf, dass sie Gottes Liebe durch Wort und Tat<br />

verkündigen. Eine besondere Chance für integrale Mission an den Enden der Erde.<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 3: MISSIon<br />

Foto: Privat<br />

Dr. Detlef Blöcher (geboren 1953)<br />

ist gelernter Physiker und war als<br />

Dozent in nordafrika sowie dem<br />

orient tätig. Seit 2000 leitet er als<br />

Direktor die Deutsche Missionsgemeinschaft<br />

(DMG). Schon als Student<br />

hatte er den Drang, für eine<br />

gerechtere und liebevollere Welt<br />

zu kämpfen, entdeckte aber erst in<br />

seiner Begegnung mit Jesus Christus,<br />

dass Gott genau das bewirken<br />

möchte, indem er Herzen verändert.<br />

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129


130<br />

Just PEoPlE?<br />

zur Umkehr gehört<br />

heute zwingend<br />

auch die Abkehr<br />

von einem extremenMaterialismus.<br />

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Werner Hässig<br />

Das Evangelium <strong>im</strong> umfeld von Konsum<br />

und umweltproblemen<br />

Die frohe Botschaft von Jesus Christus muss heute dringend auch auf den materiellen<br />

Lebensstil bezogen werden. Gemeinschaft, einfacher Lebensstil und Liebe<br />

zu Benachteiligten und zur Schöpfung sind Tugenden, welche zu jeder christlichen<br />

Verkündigung gehören. Christen der Wohlstandsgesellschaften haben hier<br />

einen ganz besonderen Handlungsbedarf. Wir leben heute auf Kosten anderer.<br />

Mit einer Bilanzierung des persönlichen Ressourcen-Verbrauchs können wir<br />

erkennen, wo wir besonders viel Potential haben, unsere Schöpfungsverträglichkeit<br />

zu verbessern.<br />

Gerechtigkeit fordern heißt umweltprobleme beseitigen<br />

Jesus forderte seine Jünger auf, das Evangelium zu verkünden, Kranke zu heilen und<br />

Dämonen auszutreiben sowie sich der „Problemfälle“ (Zöllner, Prostituierte etc.)<br />

anzunehmen (nicht die Gesunden bedürfen des Arztes). Welchen Auftrag würde er<br />

seinen Jüngern wohl hier und jetzt erteilen? Die frohe Botschaft der Errettung durch<br />

Jesus Christus würde sicher auch heute <strong>im</strong> Zentrum stehen. Hingegen dürfte der<br />

Kampf gegen Habgier, Ungerechtigkeiten und Egoismus stärker ins Zentrum rücken.<br />

Obwohl – da gibt es eigentlich schon einiges: den reichen Kornbauern in Lukas 12, den<br />

Reichen und den armen Lazarus in Lukas 16 oder Jakobus 4,13 bis 5,6, um nur einige<br />

Stellen zu nennen. Es sind einfach alles Bibelstellen, die wenig beachtet werden…<br />

Angesichts der weltweiten Umwelt- und Armutsprobleme müssen wir uns ehrlich fragen,<br />

wie wir Versöhnung und Gerechtigkeit heute mehr ins Zentrum rücken können.<br />

Gott fordert uns zum Schutz und Bewahren der Schöpfung (1. Mose 1,28) auf. Wir<br />

Menschen sollen die Erde verwalten und pflegen, bis er wiederkommt. Die Schöpfung<br />

ist nicht dazu da, ausgebeutet zu werden! Die Schöpfung leidet auch unter der Sünde<br />

und wartet auf die völlige Wiederherstellung durch Jesus Christus (Römer 8,19-22).<br />

Der aktuell stattfindende Raubbau an der Schöpfung wie auch die schreiende,<br />

weltweite Ungerechtigkeit verlangen von Christen eine Überprüfung des (christlichen)<br />

Lebenswandels und des Missionsauftrages. Eine einseitige Ausrichtung auf<br />

Bekehrung als Geisteshaltung/Glaubensüberzeugung ohne Änderung des persönlichen<br />

Lebensstils ist schlicht nicht glaubwürdig. Zur Umkehr gehört heute zwingend<br />

auch die Abkehr von einem extremen Materialismus. Was führt uns zu dieser<br />

Erkenntnis?<br />

Ankunft in einer Millionenstadt eines Entwicklungslandes<br />

(Erlebnisse in chennai, Indien)<br />

Schockierendes Verkehrschaos raubt uns in mehrfacher Hinsicht den Atem. Das<br />

große Gedränge der vielen, meist schlecht geschützten Verkehrsteilnehmer weckt<br />

Angst vor Unfällen und Verletzungen. Und dies zu Recht, denn der Blutzoll des Verkehrs<br />

ist enorm (in typischen Millionenstädten je drei bis sechs Todesopfer pro Tag).<br />

Hinzu kommen Lärm und Luftverschmutzung in einem Maße, dass schwere Gesundheitsschäden<br />

bei Mensch und Tier unvermeidlich sind.<br />

Daneben fällt die allgegenwärtige Armut auf. In Lumpen gehüllte, teils verkrüppelte<br />

Menschen schleichen mit flehenden Blicken – um eine Gabe bettelnd – um die<br />

an der Ampel wartenden Autos. Die meisten rackern sich mühsam den ganzen Tag ab,<br />

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um gerade so viel zu verdienen, dass sie wenigstens nicht hungern müssen. Manchmal<br />

reicht es auch dazu nicht. Kein Schutz vor dem gefährlichen Verkehr. Angst vor<br />

Kr<strong>im</strong>inalität. Kein Rückzug in eine stillere Umgebung. Keine Ruhe für die Augen<br />

durch Anblick einer schönen Landschaft. Keine Entspannung an einem bequemen<br />

und sicheren Ort.<br />

Wer der stinkenden Großstadt eines Entwicklungslandes nicht schon früher<br />

entflohen ist, wird noch etwas anderes feststellen: Wasser ist eine Mangelware. Und<br />

falls man Wasser ausfindig macht, ist es oft unansehnlich, stinkig und generell nicht<br />

trinkbar. Da ist man nun in einem heißen Land und würde sich besonders gerne mit<br />

Wasser abkühlen, waschen und viel trinken, aber nein: Wassermangel, das heißt Wasser<br />

sparen und auf vieles verzichten! Als westliche Besucher mit viel Geld kann man<br />

sich best<strong>im</strong>mt genügend Wasser in gewünschter Qualität kaufen, aber was macht die<br />

lokale, ärmere Bevölkerung? Es ist keine Kunst sich vorzustellen, wie die schlechte<br />

Wasserverfügbarkeit auch zu vielen gesundheitlichen Problemen führt.<br />

Die Reichen verseuchen, die Armen leiden<br />

In Anbetracht dieser widrigen Umstände machte ich eine nachdenkliche Feststellung.<br />

Arme Menschen in Großstädten werden vor allem von Umweltproblemen drangsaliert.<br />

Lärm, giftige Luft, Gestank, Staub und Rauch, min<strong>im</strong>ale Flora und Fauna, fehlende<br />

Landschaft, mangelndes Wasser – alles Umweltprobleme, die von Menschen<br />

verursacht wurden. Eine große Ungerechtigkeit ist dabei, dass diejenigen, welche<br />

die größte Umweltverschmutzung verursachen, am wenigsten davon betroffen<br />

sind. Wohlhabende Menschen konsumieren viele industrielle Güter, welche in teilweise<br />

sehr schmutzigen Industrien produziert werden, während die Armen in deren<br />

Abwässern ihre Wäsche und sich selbst waschen müssen! Mit dem Erwerb solcher<br />

Güter sind wir also an diesen Nöten mitverantwortlich! Wo bleibt da die Gerechtigkeit?<br />

Eine Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, von welcher die Bibel so oft spricht,<br />

wird <strong>im</strong> Zusammenhang mit den Umweltproblemen von Christen kaum gefordert<br />

noch gelebt! Christen in aller Welt müssten sich vehement für einen Stopp dieser<br />

todbringenden Gewässerverschmutzungen einsetzen. Stellen wir uns das einmal<br />

realistisch vor: Praktisch alle Gewässer sind stark gesundheitsschädlich vergiftet und<br />

dies in Ländern, wo Wasser ohnehin sehr knapp ist und die wirtschaftliche Not vielen<br />

Menschen gar keine Alternative ermöglicht, als dieses ungesunde Wasser zu nutzen.<br />

Seit einigen Jahren ist auch unbestritten, dass das globale Kl<strong>im</strong>a sich ebenfalls zu<br />

Ungunsten vieler (teilweise derselben Menschen) verändert. Diese (<strong>im</strong> historischen<br />

Vergleich) sehr schnelle Kl<strong>im</strong>aerwärmung bringt zusätzliche gewaltige Umweltprobleme<br />

für dieselben Benachteiligten, aber auch direkt für uns. Da wird überdeutlich,<br />

worum es geht. Nicht nur um den Erhalt einiger Tier- und Pflanzenarten. Nein, es<br />

geht um mehr. Wir, die viel konsumierenden Menschen, machen uns via Kl<strong>im</strong>a-,<br />

Boden- und Gewässerverschmutzung am Tod unzähliger Menschen schuldig. Arme<br />

Menschen haben schon genügend mit mangelndem Einkommen und sozialer Not zu<br />

kämpfen. Wieso bürden wir ihnen auch noch den Schmutz der für uns produzierenden<br />

Industrien auf? Sind wir uns bewusst, dass Gott uns heute für diese Verfehlungen<br />

zur Umkehr ruft? Zum Beispiel in Jakobus 4,2 oder 5,1-6: Dort steht wortwörtlich,<br />

dass wir „über Leichen gehen“…<br />

Entwicklungen dürfen nicht einseitig und nicht zu schnell<br />

erfolgen<br />

Kann eine zweckmäßige Entwicklung diese Probleme lösen? Grundsätzlich ist<br />

ernüchternd festzustellen: Eine Entwicklung 1 führt tendenziell zu weniger Nach-<br />

1 Unter „Entwicklung“ versteht man <strong>im</strong> Kontext der Entwicklungszusammenarbeit die<br />

Schaffung von Einkommens-, Bildungs- und Gesundheitserhaltensmöglichkeiten.<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 3: MISSIon<br />

Eine große Ungerechtigkeit<br />

ist<br />

dabei, dass diejenigen,<br />

welche die<br />

größte Umweltverschmutzung<br />

verursachen, am<br />

wenigsten davon<br />

betroffen sind.<br />

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Just PEoPlE?<br />

„Was der Westen<br />

hat, wollen wir<br />

auch.“<br />

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haltigkeit. Denn praktisch <strong>im</strong>mer werden mit komfortableren Produkten auch kom-<br />

plexere Materialien verwendet, die wiederum nur schwerlich in den natürlichen<br />

Kreislauf zurückgeführt werden können. Hierzu ein Beispiel: Jutetaschen werden<br />

durch Plastiktaschen ersetzt; diese Taschen sind zwar leichter, bunter und wasserdicht,<br />

aber auch schwieriger zu recyceln.<br />

Eine zweite Feststellung: Niemand möchte letztlich wirklich auf Entwicklung<br />

verzichten; konsequente Aussteiger gibt es kaum.<br />

Folgerung: Entwicklungen sind unverzichtbar, aber dürfen nicht einseitig (unvernetzt)<br />

und nicht zu schnell erfolgen. Was heißt einseitig? Leider ist das die heute übliche<br />

Form, wie Entwicklungen in liberalen Marktwirtschaften erfolgen. Ein entstehendes<br />

Bedürfnis wird durch findige Unternehmer möglichst rasch und günstig mit<br />

einem Produkt abgedeckt, und falls nur min<strong>im</strong>ale oder schwache Gesetze und Regulierungen<br />

vorhanden sind, ohne Rücksicht auf soziale und ökologische Ansprüche. In<br />

den westlichen Industrieländern ist man bezüglich Regulierungen glücklicherweise<br />

etwas weiter: Beispielsweise versuchten Anbieter von Jet-Ski-Wasserfahrzeugen vor<br />

einigen Jahren, auch die Erlaubnis für Schweizer Seen zu erhalten. Dank griffiger<br />

Gesetze zu Geschwindigkeit und Lärm auf Gewässern und dank vollzugswilliger<br />

Behörden sind diese Fahrzeuge bis heute nicht zugelassen.<br />

In einem Entwicklungsland wie Indien denkt eigentlich noch niemand ernsthaft<br />

an Umweltschutz. Im Gegenteil, zurzeit wird der Bau von 3.000 Kilometern Autobahn<br />

geplant! Wer kann es ihnen verübeln, wir haben das ja auch. Zudem gilt bis hinauf<br />

zu Professoren: Was der Westen hat, wollen wir auch. Das heißt nichts anderes als<br />

schnelle und einseitige Entwicklung. Die Folgen sehen wir voraus: noch mehr Ungerechtigkeit,<br />

noch mehr soziale Not, noch mehr Belästigung durch Umweltverschmutzungen.<br />

Aus meiner Sicht gibt es nur einen Ausweg aus der Sackgasse und diesen<br />

könnten gerade wir Christen konsequent beschreiten.<br />

Die Verfehlungen der Wohlstandsgesellschaft sind endlich zu entlarven und in die<br />

persönliche Umkehr einzuschließen.<br />

1. Verfehlung „Konsum“: Ich bin glücklicher, je mehr ich kaufe/konsumiere.<br />

Weniger Konsum macht uns freier (mehr Zeit wird verfügbar) und kreativer. Sprechen<br />

wir mit unseren Freunden doch mehr darüber, was wir in Gemeinschaft, be<strong>im</strong><br />

Spielen und Werken sowie be<strong>im</strong> Sport und in der Natur erleben, anstelle von unseren<br />

neuesten Anschaffungen und extravaganten Bedürfnisbefriedigungen zu reden. Nehmen<br />

wir doch endlich zur Kenntnis, wie viel Zeit wir für Reparaturen, Entsorgung,<br />

Reklamationen, Verwaltung etc. und für all unsere materiellen Güter opfern!<br />

2. Verfehlung „Mobilität“: Ich bin glücklicher, je mehr Orte ich besuche.<br />

Es gibt so vieles in der Nähe, das spannend, interessant und noch unentdeckt ist.<br />

Das Fortbewegen, schnell und über weite Distanzen, verursacht enorme Probleme<br />

wie Umweltverschmutzung, Ressourcenverbrauch, Leid durch Unfälle, Lärm, Schadstoffe<br />

usw.<br />

3. Verfehlung „Individualismus“: Ich bin glücklicher, je mehr ich meine Zeit<br />

alleine gestalten kann.<br />

Diese Konzentration auf sich selbst zerstört unsere Partnerschaften, Familien<br />

und Gesellschaft. Der Egoismus macht Menschen schlicht krank und führt ebenfalls<br />

zu mehr Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung.<br />

Diese Botschaften von mehr Konsum, mehr Erlebnissen und mehr Individualität sind<br />

tief in uns verankert und werden täglich bei uns genährt. Die besonders beliebte<br />

Masche ist der Preis: Billig, Aktion, drei für zwei kaufen usw. sind die häufigsten Botschaften,<br />

um unsere Habgier zu schüren! Nicht nur durch die böse Werbung – nein,<br />

auch durch unsere eigenen Freunde und Familienmitglieder sowie unsere eigenen<br />

Gedanken pflegen wir die Habgier! Seien wir doch ehrlich und gestehen diese Verfeh-<br />

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lungen ein und lassen wir uns durch Jesus, unseren Retter, auch in diesen Bereichen<br />

verändern. Er tut das. Wir werden bald feststellen, dass wir Genügsamkeit als größten<br />

Reichtum erleben.<br />

unser lebensstil ist quantifizierbar!<br />

Zur Feststellung der Nachhaltigkeit unseres Lebensstils existieren vereinfachte Beurteilungsraster,<br />

mit welchen wir beispielsweise unseren Energie- und CO2-Verbrauch<br />

ermitteln können. Durch das Beantworten zahlreicher Fragen gelangt man zur persönlichen<br />

CO2-Bilanz. Tabelle 1 zeigt die Zahlen für verschiedene Lebensstile. Werte<br />

unter 3.600 Kilogramm gelten als „nachhaltig“. Wo liegt Ihr Lebensstil? Errechnen<br />

Sie zum Beispiel unter www.sea-aku.ch (CO2-Rechner) Ihre Bilanz als grobe Selbsteinschätzung.<br />

Einige interessante Feststellungen: Be<strong>im</strong> Individualverkehr liegt der CO2-Ausstoß<br />

bei jährlich noch 200 Kilogramm statt den 2.900 Kilogramm eines Durchschnittschweizers.<br />

Der markanteste Effekt besteht <strong>im</strong> „Nichtgebrauch“ von Flugzeugen für<br />

Fernreisen. Hier kann man mit einem einzigen Flug zum Beispiel nach Australien<br />

bereits über 8.500 Kilogramm CO2 einsparen!<br />

Lebensbereich<br />

Lebensstil<br />

„bescheiden“<br />

Lebensstil „Durchschnittsbürger“<br />

Wohnen 1.500 2.600 > 4.600<br />

Ernährung 800 1.600 > 2.500<br />

Transport/Verkehr 200 2.900 > 5.000<br />

Flugreisen 0 300 > 8.500<br />

Freizeit/Sport 500 1.800 > 3.600<br />

Öffentl. Einrichtungen 600 600 600<br />

Jahrestotal: [kg CO2] 3.600 9.800 > 24.800<br />

Einen attraktiven, evangeliumsgemäßen lebensstil<br />

entwickeln<br />

Lebensstil<br />

„verantwortungslos“<br />

Tabelle 1: Die Treibhausgas-Emissionen (Co2-Äquivalente) für verschiedene Lebensstile und aufgegliedert<br />

nach Lebensbereichen.<br />

nachhaltig wäre ein Lebensstil mit max<strong>im</strong>al 3.600 Kilogramm Co2 pro Jahr.<br />

Um wirklich weiterzukommen, müssen wir vor allem eine Attraktivität und die richtige<br />

Sprache für diese anderen Werte finden. Denn heute wird das Attraktive gesucht,<br />

nicht der Verzicht. Mit anderen Worten: Ein genügsamer Lebensstil muss Freude<br />

machen! Das Wort „Verzicht“ ist deshalb schlicht fehl am Platz. Wie wäre es, wenn<br />

wir in Familien, Hauskreisen, <strong>im</strong> Freundeskreis und der Nachbarschaft damit beginnen<br />

würden? Spannende Familiennachmittage <strong>im</strong> Wald anbieten, Tiere in einem<br />

Naturschutzgebiet beobachten, baden <strong>im</strong> Moorsee, Mountain-Bike-Touren, wandern<br />

oder klettern mit Freunden oder Nachbarn, gemeinsam etwas herstellen, Gastfreundschaft<br />

üben…<br />

Wo ein Wille ist, ist auch vieles möglich. Entscheidend ist, den materiellen Lebensstil<br />

zu thematisieren!<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 3: MISSIon<br />

Ein genügsamer<br />

Lebensstil muss<br />

Freude machen!<br />

Foto: Privat<br />

Dr. Werner Hässig (geboren 1959)<br />

ist Maschineningenieur und Energieberater.<br />

Er ist Inhaber und<br />

Geschäftsführer von hässig sustech,<br />

Uster (CH).<br />

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134<br />

Just PEoPlE?<br />

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Lawrence Temfwe<br />

Integrale Mission in der Praxis:<br />

Ein Beispiel aus Sambia<br />

Ziel dieses Artikels ist es, Christen Themen wie globale Armut und Gerechtigkeit<br />

näherzubringen. Aber was meinen wir mit „Armut“? Wenn wir in diesem Kurs das<br />

Wort „arm“ benutzen, dann berufen wir uns auf die Definitionen der Weltbank von<br />

1980:<br />

„Absolute Armut“ beschreibt demnach Lebensbedingungen, die so sehr von Unterernährung,<br />

Analphabetismus und Krankheiten gekennzeichnet sind, dass sie unterhalb<br />

jeder akzeptablen Definition von Menschenwürde liegen. „Relative Armut“ hingegen<br />

bezieht die ungleichmäßige Verteilung von Kapital, des Einkommens und von Macht<br />

mit ein. 1<br />

In diesem Artikel möchte ich zeigen, was wir unter integraler Mission verstehen<br />

und die zentrale Rolle der Kirche dabei herausstellen. Bei integraler Mission geht es<br />

darum, dass lokale Kirchen ihre direkte Umgebung erreichen, in der Menschen Christus<br />

als ihren Herrn brauchen und mit Ungerechtigkeit, Unterdrückung, materieller<br />

Armut und Unterentwicklung zu kämpfen haben. Ich möchte gern Strategien vorstellen,<br />

wie die Kirche mitten in all dem eine wichtige Kraft sein kann, die geistliche<br />

Transformation, Barmherzigkeit, Entwicklung und Gerechtigkeit bewirkt.<br />

Vor welchen komplexen Herausforderungen stehen Christen, die sich in Treue gegenüber<br />

der Heiligen Schrift für die „Geringsten unter diesen“ einsetzen wollen? Welche<br />

Alternativen gibt es zu den bisher bekannten Wegen und Möglichkeiten, mit denen<br />

wir den Armen helfen wollten? Wie können Christen armen Menschen dienen, ohne<br />

dabei deren Verlangen nach Beziehungen, die von Wechselseitigkeit und gegenseitiger<br />

Abhängigkeit leben, aus dem Blick zu verlieren? Wie können Christen ganzheitlich<br />

die Liebe Gottes widerspiegeln, indem sie auf menschliche Bedürfnisse eingehen,<br />

aber gleichzeitig nicht der Versuchung erliegen, „einfach nur Gutes zu tun“? Diesen<br />

Fragen wollen wir nachgehen.<br />

Was ist Kirche?<br />

Die Kirche ist eine Gruppe oder Versammlung von Menschen, die zu einem best<strong>im</strong>mten<br />

Zweck zusammengerufen wurde. Das Neue Testament beschreibt die Kirche so:<br />

• alle Gläubigen der Welt (Apostelgeschichte 9,31; Epheser 1,22),<br />

• eine örtliche Gruppe von Gläubigen, die sich in einem Haus trifft, um einen Gottesdienst<br />

zu feiern (1. Korinther 11,18) und<br />

• alle Gläubigen, die an einem Ort wohnen (Apostelgeschichte 8,1).<br />

Das Neue Testament zeigt uns, dass die Urgemeinde sich als eine Gemeinschaft<br />

von Gläubigen verstand, die von Gott durch Jesus Christus als ein neues Volk<br />

berufen und durch den Heiligen Geist bevollmächtigt war, in der Welt sichtbar zu<br />

sein, um das Evangelium in seiner radikalen und bedingungslosen Liebe zu seinen<br />

Geschöpfen zu verkünden (Epheser 2,11-22). Die Kirche ist eine Erfüllung der<br />

1 Christian, Jayakumar, God of the Empty-Handed, Monrovia, 1999, 17.<br />

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Berufung Israels, das „ein Licht für die Heiden“ sein sollte, „dass du das Heil seist bis<br />

an die Enden der Erde“ (Jesaja 49,6; Apostelgeschichte 13,47). Paulus nannte diese<br />

Gemeinschaft der neuen Schöpfung das „Israel Gottes“ (Galater 6,15-16). Hier<br />

wurden die traditionellen Schranken zwischen Rassen, sozialen Schichten und<br />

Geschlechtern, welche Menschen nicht nur trennten, sondern auch in über- und<br />

unterlegene Gruppen einordneten, überwunden. „Da ist weder Jude noch Grieche,<br />

da ist weder Knecht noch Freier, da ist weder Mann noch Frau; denn ihr seid alle<br />

eins in Christus Jesus“ (Galater 3,28). Diese Einheit wird Leib Christi genannt.<br />

Aus diesem Grund ist das Ziel einer Kirche oder einer Gemeinschaft von Gläubigen,<br />

ihr Licht scheinen zu lassen (Matthäus 5,14). Das bedeutet nicht, dass die Gläubigen<br />

selbst die Erlösung herbeiführen können, aber dass sie durch ihren Charakter und<br />

ihre Taten darauf hinweisen sollen, dass es Erlösung gibt. Christen sind durch Jesus<br />

dazu berufen, mit ihrer Lebensweise für andere Christen und für die Welt Licht zu<br />

sein. Sie sollen ihr Licht in der Welt so scheinen lassen, dass man ihre guten Taten<br />

sieht und Gott dafür preist.<br />

Integrale Mission<br />

Unser Auftrag, die geistlichen und materiellen Bedürfnisse armer Menschen zu<br />

erfüllen, also integrale Mission, steht außer Frage. Die Bibel zeigt das klipp und klar<br />

(Jesaja 58; Matthäus 25,31-46). Unsere Herzen werden erfüllt, wenn wir denen in<br />

Not zum Recht verhelfen, denn „dann wirst du Freude finden in dem Herrn...“ (Jesaja<br />

48,14). Aber wie dienen wir den Armen, den Unterdrückten und den Ausgegrenzten,<br />

ohne sie von uns abhängig zu machen? Wenn wir sehen, wie Familien, Volksgruppen<br />

und Ländern (besonders afrikanischen Ländern) jedes Jahr geholfen wird, stellt sich<br />

uns die Frage, ob wir sie tatsächlich dabei unterstützen, ihre Fähigkeiten, Gaben und<br />

verfügbaren Ressourcen zu nutzen, um selbst aus der Armut herauszukommen.<br />

Wenn wir uns auf integrale Mission einlassen, müssen wir schwierige Fragen stellen:<br />

Wie können wir nach Gerechtigkeit streben, Liebe üben und demütig vor unserem<br />

Gott wandeln (Micha 6,8), ohne dabei die Eigeninitiative derjenigen zu zerstören,<br />

denen geholfen werden soll? Viele Christen vermeiden es, sich in diesem Spannungsfeld<br />

zu bewegen und beschränken sich lieber auf die Verkündigung des Wortes. Bei<br />

ganzheitlicher Mission geht es aber darum, unseren Glauben zu verkünden und<br />

ihn so zu leben, dass er in allen Bereichen des Lebens erkennbar ist. Das phänomenale<br />

Wachstum der Kirche in Afrika hat kaum Auswirkungen auf den sozialen und<br />

politischen Bereich, weil die Gegenwart des Reiches Gottes nur wenig spürbar ist,<br />

wenn Christen ihren ganzheitlichen Auftrag nicht verstehen. Seinen Glauben auf<br />

die Bibel zu gründen muss auch dazu führen, dass man ein tieferes Bewusstsein für<br />

Gottes Anliegen für die Armen und Unterdrückten entwickelt (Sprüche 31, 8-9; Jesaja<br />

1,10-17).<br />

Hauptursachen für Armut<br />

„Wer hat gesündigt, dass dieser Mensch blind geboren ist, dieser oder seine Eltern?“<br />

(Johannes 9,2). Wie die Juden damals glauben heute viele afrikanische Christen,<br />

dass jede Form von Leiden oder Armut ein Resultat von individueller Sünde ist. Die<br />

Jünger warfen hier die wichtige Frage auf, wer an den schrecklichen Leiden dieses<br />

blinden Mannes schuld war. Jesus beantwortete ihre Frage nicht so, wie die Jünger<br />

es erwarteten. Er sagte: „Das ist geschehen, damit die Werke Gottes an ihm offenbar<br />

werden“ (Johannes 9,3). Das Leiden selbst ist nicht einfach das Ergebnis einer gestörten<br />

Beziehung zu Gott, es bietet <strong>im</strong> Gegenteil den Raum für Gottes Handeln, das sich<br />

<strong>im</strong>mer auch an einer Wiederherstellung von Beziehungen orientiert.<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 3: MISSIon<br />

Es ist das ziel einer<br />

Kirche oder einer<br />

Gemeinschaft von<br />

Gläubigen, ihr Licht<br />

scheinen zu lassen.<br />

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Just PEoPlE?<br />

Eines ist aber zentral:<br />

Es geht um<br />

Menschen.<br />

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Dennoch dürfen wir nach den Ursachen von Armut fragen, die komplex und vielschichtig<br />

sind. Bryant L. Myers beschreibt die unterschiedlichen Ansätze für die Ursachen<br />

von Armut folgendermaßen:<br />

• Armut entsteht durch das Fehlen von Fähigkeiten, Wissen und Chancen.<br />

• Die Armen rebellieren gegen Gott und ihre Kultur ist der Grund für Armut.<br />

• Den Armen fehlt Liebe.<br />

• Die Armen werden von denen unterdrückt, die nicht arm sind. Armut ist ein<br />

strukturelles Problem.<br />

• Die Armen sind verloren und brauchen Erlösung.<br />

Wir müssen auf alle diese Aspekte eingehen. Eines ist aber zentral: Es geht um Menschen.<br />

Wenn wir dem Beispiel Jesu folgen, werden wir sie persönlich berühren und<br />

erreichen. Nur solche Zuwendung und Liebe reflektiert das Herz Gottes: „Was ihr<br />

einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, dass habt ihr mir getan“ (Matthäus<br />

25,40).<br />

tiefgreifende Veränderung<br />

Kirchen und christliche Initiativen in innerstädtischen Vierteln und informellen<br />

Siedlungen verzweifeln oft angesichts der Nöte und Probleme in diesen Gebieten. Es<br />

scheint oft, als ob nur die Intervention von außen Hoffnung und Veränderung bewirken<br />

könnte. Es ist wichtig zu sehen, dass auch in den ärmsten Wohngebieten noch<br />

Strukturen sind, die zu einem gewissen Grad funktionieren. Zudem ist es wichtig, das<br />

Potential lokaler Leiter zu nutzen. Nur sie kennen die einzigartige Situation in ihrer<br />

Umgebung. Mit unserer Organisation Jubilee Centre versuchen wir daher, gemeinsam<br />

mit armen Menschen in einem konkreten Gebiet weiterzukommen – in Weisheit und<br />

<strong>im</strong> Glauben. Herkömmliche Meinungen über die Hintergründe von Armut und die<br />

Strategien zu ihrer Bekämpfung werden dabei regelmäßig hinterfragt. Wir wollen<br />

nicht einfach Mitleid haben mit den Armen, sondern wir wollen ihnen helfen, ihr spezielles<br />

Wissen und ihr Potential zu entdecken und zu entfalten.<br />

Hier ein paar Beispiele für unsere Arbeit:<br />

1. Mobilisierung der Kirche: Das Jubilee Centre möchte vor allem die Zusammenarbeit<br />

unter Kirchen in armen Vierteln und informellen Siedlungen ermutigen. Mit<br />

Hilfe dieses Programms finden Gemeinden eine Plattform, wo gebetet, reflektiert,<br />

gelernt und geplant wird und wo man zu einer sichtbaren Einheit zusammenwächst,<br />

gemeinsam das Evangelium weitergibt und am Aufbau von Gemeinschaften arbeitet,<br />

die von Gerechtigkeit durchdrungen sind. Im Moment haben wir 72 Kirchen in diesem<br />

Netzwerk, die in vier verschiedenen sambischen Kommunen tätig sind. Dort gibt<br />

es mittlerweile schriftliche Vereinbarungen mit Politikern, in denen die Bedürfnisse<br />

der Menschen be<strong>im</strong> Namen genannt werden und wo auch Erwähnung findet, welche<br />

Reaktionen man von Politikern erwartet.<br />

2. Engagement gegen HIV und Aids: Wir ermutigen Kirchen, ihr Mitgefühl und ihre<br />

Liebe zu Gott und zu denen zum Ausdruck zu bringen, die von Aids infiziert oder<br />

betroffen sind. Ausgehend von diesem Engagement haben Kirchen auch eine Lobbyarbeit<br />

für eine Therapie mit antiretroviralen (ARV) Medikamenten aufgebaut. 2 Mit<br />

Erfolg: Heute werden ARV-Medikamente in allen Krankenhäusern ausgegeben und<br />

sind für die Infizierten gut zugänglich. Ein weiteres Ergebnis der Lobbyarbeit ist die<br />

Anschaffung von Maschinen zur Blutanalyse – in vielen Kliniken hatte diese notwen-<br />

2 Eine Therapie mit antiretroviralen Medikamenten ist der Versuch, die Virusvermehrung<br />

<strong>im</strong> Körper zu verlangsamen.<br />

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dige Technik gefehlt. Durch diese Initiative stieg die Anzahl der Leute, die Bluttests<br />

machen ließen, in einer Stadt auf 80 Prozent und nach einem Monat war die Zahl der<br />

Menschen, die ARV-Medikamente nahmen, um die Hälfte gestiegen.<br />

3. Jugendgruppen: Jubilee Centre hat das „It takes courage!“ 3 -Programm übernommen.<br />

Dieses Programm soll Jugendlichen helfen, eine Vision für ihr Leben zu entwickeln,<br />

gesunde persönliche Beziehungen aufzubauen, HIV und Aids zu bekämpfen<br />

und die wichtigen Rollen zu reflektieren, die sie in ihrer Familie, ihrer Umgebung<br />

und ihrem Land spielen. Über die Arbeit in 40 Schulen und 72 Kirchen erreicht Jubilee<br />

Centre 4.000 Jugendliche und ermutigt sie, in eine Zukunft mit Charakter, Mut und<br />

Hoffnung zu gehen.<br />

4. Kurzzeit-Teams: Jubilee Centre lädt Teams von Freiwilligen aus anderen Ländern<br />

zu Kurzzeiteinsätzen nach Sambia ein, um voneinander zu lernen und um in verschiedenen<br />

Projekten mitzuarbeiten wie in der Kinderbetreuung, in Pflegeeinrichtungen,<br />

medizinischen Projekten oder auch, indem sie kleine Unternehmen unterstützen. So<br />

können die Besucher ganz praktisch etwas über den ganzheitlichen Auftrag lernen.<br />

Jubilee Centre unterhält schon seit Langem eine Partnerschaft mit dem Wheaton College<br />

(USA) und dem Holy Trinity College der Cambridge University (UK). Von beiden<br />

Hochschulen kommen jedes Jahr Studenten, die lernen sollen, wie man denen dient,<br />

die in Armut leben.<br />

5. Lobby- und Kampagnenarbeit: Jubilee Centre ist ein Unterstützer der weltweiten<br />

Kampagne Micah Challenge. Jubilee beherbergt das Koordinationsbüro von Micah<br />

Challenge Zambia – 300 Kirchen beteiligen sich an der sambischen Kampagne, 500<br />

ehrenamtliche Mitarbeiter bringen sich in der laufenden Arbeit ein. Jubilee Centre ist<br />

die führende Organisation, die auf die Millenniumsziele (MDGs) aufmerksam macht<br />

und besonders darauf, an welchem Punkt Sambia bei der Erreichung der MDGs steht.<br />

Jubilee veranstaltet <strong>im</strong> ganzen Land Workshops, die über die MDGs informieren und<br />

erinnert die Regierung mit Presseerklärungen und Briefen an ihre Zusagen bezüglich<br />

der MDGs, wenn Treffen auf höchster Ebene stattfinden.<br />

Fazit<br />

Unser Herr Jesus Christus sagt: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem<br />

Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt (…). Das andere aber ist dem gleich: Du<br />

sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Matthäus 23,37-40). Dieses Doppelgebot,<br />

was alles zusammenfasst, wollen wir be<strong>im</strong> Dienst für die Unterdrückten und Armen<br />

<strong>im</strong> Blick haben.<br />

3 Engl.: It takes courage = Man braucht Mut.<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 3: MISSIon<br />

Foto: Privat<br />

Lawrence Temfwe (geboren 1954)<br />

ist ordinierter Pastor und Experte<br />

für den Beitrag lokaler Kirchen zu<br />

nachhaltiger Armutsbekämpfung.<br />

Am Wheaton College (USA) hat er<br />

zudem einen Master in Intercultural<br />

Studies absolviert. Lawrence koordiniert<br />

die Arbeit der sambischen<br />

Micah Challenge-Kampagne und ist<br />

der Direktor des Jubilee Centres,<br />

welches Kirchen hilft, sich in ihrer<br />

unmittelbaren Umgebung zu engagieren.<br />

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Just PEoPlE?<br />

Foto: Privat<br />

Tod und Leben sind<br />

sich hier so nahe.<br />

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Pia Schmid<br />

Woher kommt die Kraft zum<br />

Engagement?<br />

Gesichter der Armut<br />

Gestern fuhr ich mit Dave Rhoton (Vineyard-Pastor in Spanien) zur Sewa-Gemeinschaft<br />

(Delhi, Indien). Sewa bedeutet auf Hindi „Dienst“ und der Ort versteht sich als<br />

Dienst an den Ultra-Poor, den Outcasts (Ausgestoßene), den Ärmsten und Schwächsten<br />

der Gesellschaft. Zur Sewa-Gemeinschaft gehört ein Krankenhaus, in das<br />

Schwerstkranke eingeliefert werden. Sewa n<strong>im</strong>mt nur Obdach- und Mittellose auf,<br />

die keine Angehörigen oder Freunde mehr haben, die ihnen beistehen könnten. Oft<br />

sind dies TBC- 1 und HIV-Patienten, krank gewordene Straßenkinder, geistig und körperlich<br />

Behinderte, Menschen, die niemanden mehr haben und die niemand haben<br />

will.<br />

Oft überleben es die Menschen trotz allem Kampf des Teams um ihr Leben nicht.<br />

Sie werden dann in ein einfaches weißes Sacktuch gewickelt, <strong>im</strong> kleinen Tempel mit<br />

ein paar gepflückten Blumen aufgebahrt und am nächsten Tag zu einem der riesigen<br />

Verbrennungsöfen von Delhi gebracht. Tod und Leben sind sich hier so nahe. Berührend<br />

wird es, wenn man Patienten näherkommt, ihre Geschichten hört, die oft ganz<br />

alltäglich irgendwo auf dem Land anfingen, dann aber durch Krankheit, Unfall oder<br />

Gier gewissenloser Menschen einen tragischen Verlauf nahmen. Die Menschen, die zu<br />

uns kommen, sind noch schlechter dran als die Leute, die in einem Slum unterkommen.<br />

Sie konnten sich keine Miete mehr leisten und niemand wollte sie mehr anstellen,<br />

nahrhaftes und sauberes Essen wurde unerschwinglich, sie wurden schwach<br />

und schwächer, bis ihr Körper dem allgegenwärtigen Schmutz und der Erniedrigung<br />

durch die Gesellschaft nicht mehr standhielt. Unweigerlich ist Unrecht involviert.<br />

Das Team, das Sewa leitet, macht eine beeindruckende Arbeit. Die Patienten werden<br />

liebevoll behandelt, die Schokolade, die ich mitbringe, wird postwendend mit<br />

ein paar Patienten geteilt. Mit Phutke zum Beispiel, einem jungen Mann, der etwa<br />

23 Jahre alt ist. Bei ihm hatte die Tuberkulose die Wirbelsäule befallen (spinale TBC)<br />

und deshalb ist er nun an beiden Beinen gelähmt. Als ich das letzte Mal hier war,<br />

haben ihm Ratten die Füße angefressen, weil er seine Beine nicht mehr spürt und<br />

deshalb nicht um Hilfe rief. Jetzt schützen wir ihn mit einem Moskitonetz. Trotz der<br />

Bemühungen des Teams (für 90 Patienten gibt es manchmal nur 3 bis 4 ausgebildete<br />

Krankenpfleger) ist Phutke voll tiefer Dekubiti (Wunden vom ständigen Liegen) an<br />

Gesäß, Knien und Füßen und übersät mit Fliegen. Der alte Katheter funktioniert nicht<br />

mehr und er bekam letzte Woche einen anderen direkt in die Blase gesteckt.<br />

Gleich daneben treffen wir Ganga, die das Sewa-Team vor ein paar Tagen aufgelesen<br />

hat. In ihrem Fuß w<strong>im</strong>melte es von Maden, der Vorfuß war blank gefressen.<br />

Maden werden hier mit Terpentin übergossen und die überlebenden mit einer Pinzette<br />

herausgefischt. Das Terpentin ist so stark und schmerzhaft, dass es die Hautoberfläche<br />

verbrennt. Ohne Narkose wird dann das verschmutzte und tote Gewebe mit einem<br />

Messer herausgeschnitten und die Wunde gesäubert. Wenn die Körperteile jedoch<br />

zu stark zerfressen sind, bleibt nichts anderes als die Amputation. Auch bei Ganga<br />

war die Amputation für den nächsten Tag geplant. Die Frau hatte versucht, an einem<br />

Bahnhof zu überleben. Ihr Mann ist Alkoholiker. Wir fragen, ob sie Schmerzen hat,<br />

was sie möchte. An ihrer Reaktion merken wir, dass sie eine tiefe Beziehung zu Jesus<br />

1 Tuberkulose: Durch Bakterien verursachte chronische Infektionskrankheit.<br />

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hat und ihm vertraut. Sie sagt: „Betet, dass ich meinen Fuß behalten kann.“ Ich bin<br />

beschämt. Diese intelligente Frau lag so lange in der Gosse, bis ihr Fuß vielleicht nicht<br />

mehr zu retten ist. Mir kommen die Tränen, während das Gesicht der Frau <strong>im</strong>mer<br />

mehr zu leuchten beginnt. Ein tiefer Friede breitet sich über ihr aus. Sie ist am richtigen<br />

Ort und Gott hat sie nicht vergessen. Tatsächlich brauchte sie am nächsten Tag<br />

keine Amputation und ihr Fuß wurde geheilt, sodass sie einer unserer Ex-Patienten in<br />

ihr Dorf nach Nepal zurückbegleiten konnte.<br />

Als Nächstes ist da Manbahadur, ein kräftiger Patient, der nach einem Unfall<br />

an beiden Beinen gelähmt ist. Auch er hat 20 Zent<strong>im</strong>eter tiefe Dekubiti <strong>im</strong> Gesäß, die<br />

wir jeden Tag mit Desinfektionsmittel spülen und mit einer Mêche stopfen. Er glaubt,<br />

dass er eines Tages wieder gehen wird – trotz seiner lahmen Beine, oft unerträglichen<br />

Krämpfen und völlig steifen Spitzfüßen. Fünf (lange) Jahre lässt Gott ihn nun schon<br />

warten. Aber in all dieser Zeit war er ein Zeugnis und eine Ermutigung für schwerkranke<br />

Patienten in seinem Klinikz<strong>im</strong>mer. Von einem Tonträger spielt er jeden Tag<br />

Hindi-Musik für sie (wie viel dies die Atmosphäre in der Klinik prägt und verändert,<br />

muss man selbst erlebt haben) und kümmert sich rührend um einen zerebral gelähmten<br />

2 Jungen, den er von Herzen liebt.<br />

Rajesh hat bis vor Kurzem noch in einem septischen Schock 3 gelegen (seine<br />

Diagnose: <strong>im</strong> ganzen Körper verstreute Tuberkulose, Aids, Blutvergiftung, Bewusstlosigkeit).<br />

Uwe, der für die Klinik verantwortlich ist, ist entmutigt. Er hatte in der<br />

Nacht mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln um Rajeshs Leben gekämpft<br />

und dabei sämtliche Medikamente eingesetzt: Antibiotika, Glukoseinjektion für den<br />

völlig entgleisten Blutzucker, Noradrenalin. Es schien alles umsonst. Doch plötzlich<br />

öffnet Rajesh die Augen und versteht genug, um sein Herz für ein Gebet zu öffnen.<br />

Wie selbstverständlich n<strong>im</strong>mt er Vergebung an. Unerklärlich, aber er ist auf der Stelle<br />

geheilt und gibt später Zeugnis von dem soeben erfahrenen Wunder.<br />

Und da ist noch mein stiller, feinfühliger Freund Vikram, dessen Vater starb, als<br />

er drei Jahre alt war. Seine Mutter war auf einmal allein mit Vikram und seinen sechs<br />

Geschwistern. Er konnte nicht zur Schule gehen, mit neun Jahren musste er sich ins<br />

Arbeitsleben einreihen. In Delhi zerbrach die Polizei ihm seine kleine mobile Küche<br />

aus Wut darüber, dass er noch nach der erlaubten Zeit etwas zu verkaufen versuchte.<br />

Vikram war gebrochen. Noch mehr, seit er einem Unfall zusehen musste und half, die<br />

toten Körperteile wegzuschaffen. Albträume und Angst wurden seither seine ständigen<br />

Begleiter. Eine nässende Wunde an seiner Hüfte öffnete sich und er konnte sich<br />

nicht mehr zur Arbeit schleppen. Im Sewa zeigte das Röntgenbild die Zerstörung<br />

eines Rückenwirbels wegen Tuberkulose. Vikram braucht jetzt eine gefährliche Operation<br />

und die beidseitige Stabilisation der Wirbelsäule. Sein Herz ist völlig bereit für<br />

Gott, der schon lange gesehen hat, wie er liebevoll für einen alleinstehenden Vater<br />

gearbeitet hat, damit dieser nach seinen vier Kindern schauen konnte. Manchmal<br />

brauchen Menschen nicht nur körperlich Heilung, sie müssen auch den Mut für den<br />

Überlebenskampf wieder finden…<br />

Kr<strong>im</strong>inalisierung der Armen<br />

Der Besitz der Menschen, die in der Sewa-Gemeinschaft aufgenommen werden,<br />

beschränkt sich meist auf eine Decke, mit der sie draußen geschlafen haben, vielleicht<br />

haben sie noch einen Niem-Stengel 4 zum Zähneputzen. Sie müssen ja alles mit<br />

sich tragen, was ihnen nicht gestohlen werden soll. Dass sie in die Sewa-Gemeinschaft<br />

kamen, ist ihr Glück. In Delhi gibt es noch circa 100.000 andere Obdachlose, die unter<br />

2 Durch eine Hirnschädigung hervorgerufene Bewegungsstörung.<br />

3 Durch eine Blutvergiftung stark verringerte oder zum Erliegen gekommene Blutzirkulation,<br />

ein lebensbedrohlicher zustand.<br />

4 Samen und Blätter des neembaums haben entzündungshemmende und<br />

insektizide Wirkung. Stängel werden als zahnbürste gebraucht.<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 4: ICH<br />

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Just PEoPlE?<br />

Foto: Privat<br />

Was für ein Vorrecht:<br />

Wir haben<br />

erlebt, wie „Unberührbare“<br />

von Gottes<br />

Liebe berührt<br />

wurden!<br />

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menschenunwürdigsten Verhältnissen und in unvorstellbarem Dreck leben. 5<br />

Leute, die Wunden haben und damit <strong>im</strong> Straßenstaub sitzen, bekommen meist<br />

keine Hilfe, weil Krankenhäuser nur Leute aufnehmen, die eine Person zur Betreuung<br />

mitbringen und die für sie, wenn nötig, bezahlt. Wie sollten sich diese meist Analphabeten<br />

auch durch den Krankenhausdschungel durchschlagen, bis sie zum richtigen<br />

Arzt kommen? Und wer hat schon Lust, Zeit und Mittel, einem fremden, schmutzigen<br />

Obdachlosen die Wunden zu versorgen, seine Medikamente zu bezahlen und dabei<br />

noch 24 Stunden wartend auf einem schmutzigen Krankenhausboden zu verbringen?<br />

Woher kommt die Kraft zum Engagement?<br />

1983/84 arbeitete ich zwei Jahre in Indien und Pakistan unter afghanischen Flüchtlingen.<br />

Mir ging das Bild der Inderinnen nicht mehr aus dem Sinn, die, kaum bekleidet<br />

mit einem dünnen Sari, mit kleinen Hämmern Steine zerkleinerten und mit Körben<br />

auf dem Kopf Hochhäuser bauten. Es gab so viel Not, dass es mir vorkam, als wäre<br />

alles, was ich tun könnte, nur ein Tropfen auf einen heißen Stein. Und doch wusste<br />

ich, dass ich eines Tages hierher zurückkommen würde. Als mich vor elf Jahren ein<br />

indischer Mitstudent in den USA bat, in seiner Organisation mitzuarbeiten, verstand<br />

ich, dass es jetzt Zeit war, wenigstens das Wenige zu tun, was mir möglich war.<br />

So kam ich nach Delhi, einer Stadt mit über 14 Millionen Einwohnern: Hitze,<br />

Mücken, Schmutz, der in den Augen schmerzt, Luft zum Ersticken, eine der höchsten<br />

Kr<strong>im</strong>inalitätsraten der Welt – aber auch wunderschöne, begabte und fröhliche<br />

Menschen. Ich versuchte, Menschen durch Arbeitsbeschaffung selbstständig werden<br />

zu lassen und gab Lehrern – zusammen mit einem pensionierten Schwerizer Lehrer –<br />

Ideen für kreativen Unterricht in neu gegründeten Slumschulen…<br />

Wenn so viele Menschen auf kleinem Platz überleben wollen, gibt es wenig<br />

Schonraum. In Ausländern sieht man vor allem eine schnelle Geldquelle. Ich wollte<br />

aber bewusst mit den Menschen leben und ihre Welt verstehen lernen. Wenn man<br />

zusammen in übervollen Bussen sitzt, lernt man vieles mit anderen Augen zu sehen.<br />

Die indische Kultur ist alt und komplex, es gelten andere Wertmaßstäbe, und ich bin<br />

<strong>im</strong>mer wieder neu herausgefordert.<br />

Heute kann ich lachen. Ich bin unbesorgter, resistenter und dadurch gelassener<br />

geworden. Dazu war mir Indien ein großes Vorbild mit seiner Fähigkeit, den<br />

Moment zu feiern und Widerwärtigkeiten und Leid standzuhalten. Was möchten<br />

wir <strong>im</strong> Leben anderes als das? Und doch versuchen wir, uns zu drücken, wenn wir<br />

meinen, es könnte unbequem werden oder wenn wir zweifeln, ob Gott uns wirklich<br />

den besten Weg führt. Wenn wir uns ihm aber ganz zur Verfügung stellen, sind wir<br />

herausgefordert zu wachsen. In einer anderen Kultur werden eigene Wertmaßstäbe<br />

durcheinandergeschüttelt und in Extremsituationen lernt man seine Schwächen erst<br />

richtig kennen. Dies macht demütiger und auch abhängiger von Gott. Ich habe diese<br />

Herausforderung nötig und bin von ganzem Herzen dankbar dafür. Immerhin werden<br />

wir unseren Charakter ewig mit uns herumtragen...<br />

Was habe ich mich schon zu beklagen, die solche Sicherheiten hat, wenn es für<br />

andere unmöglich ist, sich zu wehren oder zu einem sauberen Bett oder zu sauberem<br />

Wasser zu kommen? Wie dankbar bin ich für die Lektionen in Sachen Freiwerden<br />

vom Hängen an Materiellem, in Geduld und Vergebung (wie ungeduldig und genervt<br />

reagiere ich unter Druck <strong>im</strong>mer noch!).<br />

Es gibt da auch noch ein Gehe<strong>im</strong>nis, das stärker ist als alles, was uns sonst vielleicht<br />

in einem fremden Land perplex machen könnte: Der schönste und beste Ort<br />

5 „Gemäß der Bombay Prevention of Begging Act aus dem Jahr 1959, die von Delhi<br />

und anderen indischen Gliedstaaten übernommen wurde, können Leute, die<br />

betteln, verhaftet und von einem speziellen Bettler-Gericht zu ein bis zehn Jahren<br />

Verwahrung verurteilt werden…“ neue zürcher zeitung, Delhis Krieg gegen die Bettler,<br />

28.02.2009.<br />

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VERTIEFUnGSARTIKEL<br />

auf dieser Welt ist der, wo Gott wirkt, wo wir ein Stück von seiner Gegenwart schon in<br />

dieser Welt erleben dürfen. Was für ein Vorrecht: Wir haben erlebt, wie „Unberührbare“<br />

von Gottes Liebe berührt wurden.<br />

Und hier noch einige zusätzliche Motivationsfaktoren, die unserem inneren<br />

Motor viel Sprit geben können:<br />

• Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind mir Familie geworden, auf die ich<br />

mich voll verlassen kann. Wir haben in den letzten zehn Jahren vieles zusammen<br />

erlebt und einander kennen, vertrauen und schätzen gelernt. Diese Freundschaften<br />

sind ein riesiger Motivationsfaktor für meine ganze Arbeit. Es ist auch gut<br />

zu wissen, dass jetzt viele Familien, die sonst in akuter Not wären, selbstständig<br />

geworden sind und durch das JayaHo-Nähzentrum6 ein stabiles (wenn auch<br />

<strong>im</strong>mer noch kleines) Einkommen gefunden haben. Sonst hätten einige von ihnen<br />

auch als Obdachlose auf der Straße enden können.<br />

• Ich möchte an einem Haus bauen, das Bestand hat. Nur mit Gott können wir<br />

Dinge bauen, die ewig Wert haben.<br />

• Das Wissen um die Kr<strong>im</strong>inalisierung der Armen müsste uns genügend Ansporn<br />

geben, uns für sie und ihre Rechte einzusetzen. Den Armen geschieht vielfaches<br />

Unrecht. Sie werden zum Beispiel in eine Familie geboren, in der ein Elternteil<br />

früh stirbt, werden schon als Kind ausgenutzt und haben nie die Chance, wie<br />

andere Kinder zur Schule zu gehen. In der Sewa-Gemeinschaft lebt beispielsweise<br />

ein 14-jähriger Junge, der täglich von 9 Uhr morgens bis zum nächsten Morgen<br />

4 Uhr arbeiten musste (also 19 Stunden am Tag). Und dies für einen lächerlich<br />

kleinen Lohn. Die Luft war so schlecht, dass er spinale Tuberkulose bekam und<br />

jetzt sechs Monate liegen muss.<br />

• Wenn wir in unserer Komfortzone bleiben und uns nicht um die Armen kümmern,<br />

sind wir wie die Leute in Jakobus 2,16, die einen Bruder oder eine Schwester<br />

ohne Kleider und ohne Essen sehen und zu ihnen sagen: „Geh, ich wünsche dir<br />

alles Gute, bleib warm und satt.“ Solcher Glaube ist tot.<br />

• Wir haben in der westlichen Welt einen riesigen Vorsprung an Wissen und<br />

finanziellen Ressourcen (Talente, die uns geschenkt wurden), mit denen wir verpflichtet<br />

sind zu arbeiten. Wenn wir sie für uns behalten (vergraben), hat Jesus<br />

von Dunkelheit und Zähneklappern gesprochen (Matthäus 25,14-30). All diese<br />

Talente verpflichten!<br />

• Es steht ein Königreich auf dem Spiel und kostbare Menschen, für die genauso<br />

das Angebot eines Lebens in Fülle gilt.<br />

6 Im JayaHo-nähzentrum produzieren die näherinnen und näher Produkte aus<br />

Seide, die dann fair gehandelt werden und damit den Familien der Beschäftigten<br />

ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Pia Schmid initiierte das Projekt und<br />

ist Geschäftsführerin von JayaHo.<br />

Foto: Privat<br />

Foto: Privat<br />

4: ICH<br />

Pia Schmid (geboren 1955)<br />

lernte Krankenschwester, studierte<br />

Anglistik an der Uni Bern und ist<br />

Geschäftsführerin von JayaHo.<br />

Info: pia@jayaho.ch<br />

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141


142<br />

Just PEoPlE?<br />

Würdest du nicht<br />

auch lieber von<br />

deiner täglichen<br />

Arbeit leben können,<br />

als auf Spenden<br />

angewiesen zu<br />

sein?<br />

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Flurina Weidmann Bieri<br />

Fairtrade<br />

„Aber Gott hat den Schrei der Arbeiter gehört, die ihr um ihren verdienten Lohn betrogen<br />

habt!“ 1<br />

Stell dir vor, du arbeitest jeden Tag von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Es ist<br />

schwere körperliche Arbeit, du bist ein Kaffeebauer in Lateinamerika oder eine<br />

Baumwollpflückerin in Afrika. Dein Rücken schmerzt, die eingesetzten Pestizide<br />

machen dir zu schaffen. Doch du kannst keine Pause machen – das ist nicht erlaubt.<br />

Der Lohn, den du für deine Arbeit erhältst, reicht kaum aus, um deine Familie zu<br />

ernähren, geschweige denn deine Kinder zur Schule zu schicken oder medizinische<br />

Hilfe in Anspruch zu nehmen. Egal, wie viel du arbeitest, du bist und bleibst arm.<br />

Millionen Bauern, Arbeiterinnen und Handwerker in unserer Welt – insbesondere<br />

in den Ländern des Südens – bekommen nicht, was ihr Recht ist: einen gerechten<br />

Lohn und menschenwürdige Arbeitsbedingungen. Und das nur, damit Millionen<br />

Konsumentinnen und Konsumenten in der westlichen Welt Lebensmittel, Unterhaltungselektronik<br />

oder Kleider zu <strong>im</strong>mer tieferen Preisen kaufen können. Ist das fair?<br />

Nein, ist es nicht. Aber es ist eine Realität. Eine Antwort auf diese Ungerechtigkeit gibt<br />

FairTrade, zu Deutsch „gerechter Handel“.<br />

Was ist Fairtrade?<br />

FairTrade ist eine Strategie, um Armut zu bekämpfen und nachhaltige Entwicklung<br />

zu fördern. Er bietet denjenigen Produzierenden, die vom herkömmlichen Welt-<br />

Handelssystem wirtschaftlich benachteiligt werden, eine Chance. Die Grundidee<br />

von FairTrade heißt „trade not aid“ oder „Arbeit statt Almosen“. Allein deswegen ist<br />

FairTrade fair, denn würdest du nicht auch lieber von deiner täglichen Arbeit leben<br />

können, als auf Spenden angewiesen zu sein?<br />

Internationale FairTrade-Dachorganisationen einigten sich <strong>im</strong> Jahr 2001 auf folgende<br />

Definition von FairTrade:<br />

„Fairer Handel ist eine Handelspartnerschaft, die auf Dialog, Transparenz und<br />

Respekt beruht und nach mehr Gerechtigkeit <strong>im</strong> internationalen Handel strebt.<br />

Durch bessere Handelsbedingungen und die Sicherung sozialer Rechte für benachteiligte<br />

Produzenten und Arbeiter – insbesondere in den Ländern des Südens – leistet<br />

der faire Handel einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung.“ 2<br />

Ziele des fairen Handels sind gemäß dieser Definition eine gerechtere Verteilung<br />

der Einnahmen aus dem Welthandel, Verbesserung von Arbeits- und Lebensbedingungen<br />

in wirtschaftlich benachteiligten Regionen des Südens, soziale Gerechtigkeit<br />

und Schutz der Umwelt.<br />

Mindestpreise<br />

Der FairTrade-Gedanke beinhaltet in erster Linie, dass Bäuerinnen und Handwerker<br />

in den Ländern des Südens für ihre Produkte gerechte Preise erhalten, also Preise,<br />

die höher sind als diejenigen, welche auf dem Weltmarkt für diese Produkte bezahlt<br />

werden. Durch die Festlegung von Mindestpreisen unterliegen die Produzierenden<br />

1 Jakobus 5,4.<br />

2 http://de.wikipedia.org/wiki/Fairer_Handel, englischsprachiger originaltext: http://<br />

www.european-fair-trade-association.org/efta/Doc/What.pdf, 20.08.2010.<br />

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nicht den Preisschwankungen des Weltmarktes, die – je nach Angebot und Nachfrage<br />

– zum Teil enorm sein können. Das Einkommen der Produzierenden ist aber nicht nur<br />

höher, sondern auch verlässlicher, weil faire Handelsbeziehungen langfristig angelegt<br />

sind und die Produzierenden über zuverlässige Abnehmer verfügen.<br />

Es stellt sich die Frage, was ein „fairer“ Preis ist. Laut der World Fair Trade Organization<br />

(WFTO) 3 ist das ein Preis, der durch Dialog – unter Berücksichtigung des<br />

regionalen und lokalen Kontextes – festgelegt wurde. Ein solcher Preis deckt nicht<br />

nur die Produktionskosten, sondern ermöglicht eine sozial- und umweltverträgliche<br />

Produktion. Er stellt einen gerechten Lohn für Arbeiterinnen und Arbeiter nach dem<br />

Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ sicher.<br />

Fairtrade-Prämien<br />

Neben festgelegten Mindestpreisen erhalten die Produzentinnen und Produzenten<br />

von fair gehandelten Produkten auch eine so genannte „FairTrade-Prämie“. Diese<br />

Prämie ist für Gemeinschaftsprojekte zur Verbesserung der sozialen, wirtschaftlichen<br />

oder ökologischen Situation der Produzierenden best<strong>im</strong>mt. Die Gemeinschaft entscheidet<br />

selbstständig und demokratisch darüber, welche Projekte sie mit der Prämie<br />

realisieren möchte: Sie kann die Prämie zum Beispiel für den Bau von Trinkwasserbrunnen<br />

oder Schulen, für subventionierte Arztbesuche oder für eine Umstellung auf<br />

biologische Landwirtschaft einsetzen. FairTrade gibt den Produzierenden so die Möglichkeit,<br />

ihre Dörfer und Familien aus eigener Kraft zu stärken und ihre Lebens- und<br />

Arbeitsbedingungen nachhaltig zu verbessern. 4<br />

Gütesiegel<br />

Der faire Handel kann nur funktionieren, wenn sich alle Personen in der Handelskette<br />

daran beteiligen: die Produzenten, die Importeure, die Verkäufer und die Konsumenten.<br />

Die FairTrade Labelling Organizations International (FLO) vergeben ein<br />

Gütesiegel (auch „Label“ genannt), welches garantiert, dass ein Produkt unter fairen<br />

Bedingungen produziert und gehandelt wurde. Dieses Gütesiegel ist auf den fair<br />

gehandelten Produkten gut sichtbar angebracht. FLO ist der internationale Dachverband<br />

der nationalen Labelorganisationen <strong>im</strong> fairen Handel. Sie kontrolliert die Partner<br />

hinsichtlich der Einhaltung der FairTrade-Kriterien und stellt so die Glaubwürdigkeit<br />

des fairen Handels sicher. In der Schweiz vergibt Max Havelaar das FLO-Siegel,<br />

in Deutschland und Österreich ist es TransFair. Zertifizierte Produkte werden heute<br />

von Großverteilern, Bio- und Reformläden, auf FairTrade spezialisierten Geschäften<br />

und sogar <strong>im</strong> Internet angeboten.<br />

Persönliches Engagement: teartrade.ch<br />

„Wir können und müssen etwas verändern – fairer Handel ist eine Möglichkeit dazu!“,<br />

sagen Barbara und Peter Weidmann und kaufen deshalb nicht nur fair gehandelte<br />

Produkte, sondern verkaufen solche auch selber. Zusammen führen sie die Genossenschaft<br />

teartrade.ch, die über den gleichnamigen Webshop „Produkte, die zwe<strong>im</strong>al<br />

Freude machen“ verkauft. Das Angebot reicht von Konfitüren und Gewürzen über<br />

Holzspielsachen und Modeschmuck bis hin zu Haushaltsartikeln und Weihnachtsdekorationen.<br />

3 Vgl. www.wfto.com (About FairTrade, 10 Standards of FairTrade).<br />

4 Vgl. http://www.maxhavelaar.ch/de/maxhavelaar/fairer-handel, 20.08.2010.<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 4: ICH<br />

Das Schweizer FLo-Siegel<br />

Max Havelaar<br />

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143


144<br />

Just PEoPlE?<br />

„Die meisten Menschen<br />

wollen ihre<br />

Familie selbst<br />

ernähren können.“<br />

Barbara und Peter Weidmann<br />

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Alles begann mit einem Korb<br />

Die Vision des Ehepaars, Klein-Produzenten in Ländern des Südens durch FairTrade<br />

Hilfe zur Selbsthilfe zu bieten, begann mit einem Korb. Einem Korb, den sie 2003 auf<br />

einer Reise nach Uganda einer Gruppe Frauen abkauften. Dieser Korb zeigte ihnen,<br />

dass mit fairem Handel aktiv etwas gegen die Armut dieser Welt getan werden kann,<br />

dass gerechte Löhne und faire Arbeitsbedingungen das Leben von Menschen nachhaltig<br />

verändern. Wieder zurück in der Schweiz wuchs der Wunsch, sich selbst aktiv<br />

für die Bekämpfung von Armut einzusetzen. Ende 2005 gab Peter Weidmann seine<br />

Stelle als Geschäftsführer eines kleineren und mittleren Unternehmens (KMU) <strong>im</strong><br />

Bereich IT-Security auf, um sich ganz seiner Vision zu widmen. Schon bald war mit<br />

TearFund Schweiz ein passender Partner gefunden und <strong>im</strong> November 2006 gründeten<br />

Barbara und Peter Weidmann zusammen mit fast 30 weiteren Genossenschaftlern<br />

teartrade.ch.<br />

Die Basis ihres Engagements sieht das Ehepaar <strong>im</strong> Lukasevangelium: „Deinen<br />

Mitmenschen sollst du so lieben wie dich selbst“ (Lukas 10,27). Deshalb setzt sich teartrade.ch<br />

dafür ein, dass auch Kleinst-Produzenten eine Chance bekommen und dass<br />

Konsumentinnen und Konsumenten eine positive Haltung gegenüber FairTrade entwickeln.<br />

Der Fokus von teartrade.ch liegt auf dem afrikanischen Kontinent, weil dort<br />

die Not am größten ist. Im Zentrum stehen zudem Klein-Produzentinnen und -Produzenten,<br />

weil diese bei großen Organisationen keine Chance haben. Des Weiteren<br />

liegt das Augenmerk auf Produkten, die in Ländern des Südens eine hohe Wertschöpfung<br />

haben, das heißt wesentlich zum Bruttoinlandsprodukt beitragen.<br />

Im Gespräch<br />

Barbara und Peter Weidmann, warum habt ihr euch entschieden, euch mit<br />

FairTrade gegen die Armut in der Welt zu engagieren?<br />

Wir sehen FairTrade als eine gute Möglichkeit, um Armut zu bekämpfen. Einfach<br />

Geld zu schicken, reicht nicht aus, denn die meisten Menschen wollen ihre Familie<br />

selbst ernähren können. Durch FairTrade wird das Selbstwertgefühl der Menschen<br />

in den Ländern des Südens gestärkt, ihnen wird Achtung und Wertschätzung<br />

entgegengebracht. FairTrade wirkt motivierend, denn die Menschen realisieren,<br />

dass sie etwas erreichen können. Diese Motivation wird an die nächste Generation<br />

weitergegeben und von ihr wiederum an die nächste. Wir sehen FairTrade als<br />

eine gute Ergänzung zu Entwicklungszusammenarbeit und Nothilfe – einer der<br />

Gründe, weshalb wir eine Partnerschaft mit TearFund eingegangen sind.<br />

Bringt FairTrade auch wirklich etwas?<br />

Ja, auf jeden Fall. Menschen, die nach fairen Bedingungen produzieren können,<br />

haben eine echte Verbesserung in ihrem Leben. Sie haben ein höheres Einkommen,<br />

können ihre Kinder zur Schule schicken und sich die nötige medizinische<br />

Versorgung leisten. Als wir in Madagaskar waren, um Produzierende zu besuchen,<br />

hat uns eine Familie erzählt, dass ihr Sohn <strong>im</strong> Teenageralter fast an einer Infektion<br />

gestorben wäre. Da die Familie ihre Produkte zu fairen Bedingungen verkaufen<br />

kann, war genug Geld da, um den Sohn <strong>im</strong> Krankenhaus behandeln zu lassen. Er<br />

ist wieder ganz gesund geworden.<br />

Woher nehmt ihr eure Motivation?<br />

Unsere Motivation sind die Momente, in denen wir realisieren, dass wir etwas<br />

bewirken können, auch wenn es nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Wenn<br />

du mit einem Handwerker auf dem Lehmboden sitzt und er dir erzählt, welchen<br />

Unterschied FairTrade für ihn macht, dann realisierst du, dass die Hilfe wirklich<br />

ankommt. Das ist unsere Motivation.<br />

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Was sind eure Wünsche in Bezug auf FairTrade?<br />

Wir wünschen uns, dass die Menschen in der westlichen Welt für das Thema<br />

FairTrade sensibilisiert werden und vermehrt über die Welthandelsbeziehungen<br />

nachdenken. Auch die öffentliche Hand sollte sich stärker als bisher über diese<br />

Themen Gedanken machen. Es kann doch nicht sein, dass Gemeinden Pflastersteine<br />

und Schulen Fußbälle kaufen, die unter menschenunwürdigen Bedingungen<br />

– und nicht selten mit Kinderarbeit – hergestellt werden! Es ist an der Zeit,<br />

dass sich <strong>im</strong>mer mehr Menschen aktiv am FairTrade-Gedanken beteiligen.<br />

Wie kann ich mich engagieren?<br />

Das Schöne an FairTrade ist, dass sich jede und jeder daran beteiligen kann – und das<br />

ohne großen Aufwand. Es gibt zwei Dinge, die du tun kannst: FairTrade-Produkte<br />

kaufen und dein Umfeld für FairTrade sensibilisieren.<br />

Fairtrade-Produkte kaufen<br />

Mit dem Kauf von FairTrade-Produkten setzt du ein Zeichen für faire Löhne, gerechte<br />

Arbeitsbedingungen und umweltgerechte Produktion – und engagierst dich aktiv<br />

gegen Armut. Es gibt ein breites Angebot an fair gehandelten Produkten, hier ein<br />

paar Beispiele (die Liste ist nicht vollständig):<br />

• Lebensmittel wie Reis, Schokolade, Zucker, Dörrfrüchte, frische exotische<br />

Früchte, Fruchtsäfte, Nüsse, Kaffee, Tee, Honig etc.<br />

• Produkte aus FairTrade-Baumwolle wie Watte und Kleider<br />

• Geschenkartikel, Schmuck, Haushalts- und Dekoartikel, Spielwaren<br />

• Blumen und Pflanzen<br />

Fairtrade bekannt machen<br />

Damit <strong>im</strong>mer mehr Menschen in den Ländern des Südens von den Vorteilen von<br />

FairTrade profitieren können, müssen <strong>im</strong>mer mehr Menschen in der westlichen Welt<br />

FairTrade-Produkte kaufen. Erzähle also deinen Verwandten, Bekannten, Arbeitskollegen,<br />

Freundinnen und Freunden von FairTrade und seinen Vorteilen. Frage in<br />

deinem Lebensmittelgeschäft, <strong>im</strong> Restaurant, in der Kantine etc. nach FairTrade-<br />

Produkten. Je mehr Leute diese Frage stellen, umso größer ist ihr Einfluss. Und wer<br />

weiß, vielleicht hat dein Lieblingscafé plötzlich FairTrade-Kaffee <strong>im</strong> Angebot und ein<br />

Kaffeebauer aus Afrika oder Lateinamerika hat einen neuen Abnehmer gefunden…<br />

Weitere Informationen:<br />

International<br />

www.wfto.com (in Englisch)<br />

www.fairtrade.net (in Englisch)<br />

Schweiz<br />

www.maxhavelaar.ch<br />

www.claro.ch<br />

Deutschland<br />

www.transfair.org<br />

www.gepa.de<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 4: ICH<br />

Foto: Privat<br />

Flurina Weidmann Bieri (geboren<br />

1982) hat Journalismus und organisationskommunikation<br />

studiert<br />

und arbeitet zurzeit als Kommunikationsmanagerin.<br />

Sie findet, dass FairTrade selbstverständlich<br />

sein sollte und unterstützt<br />

deshalb ihre Eltern Barbara<br />

und Peter bei deren Engagement<br />

für teartrade.ch.<br />

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146<br />

Just PEoPlE?<br />

Wenn ich be<strong>im</strong> Einkauf<br />

spare, dann<br />

müssen womöglich<br />

andere den Preis<br />

bezahlen.<br />

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Hannes Leitlein<br />

Mein fairer lebensstil:<br />

Ein Praxisbericht<br />

Vorneweg: In dieser Praxis gibt es kein Wartez<strong>im</strong>mer, keine hustenden und die-Nasehochziehenden<br />

Patienten, die darauf warten, dass eine krächzende, kaum zu verstehende<br />

St<strong>im</strong>me aus einem Lautsprecher ertönt und sagt: „Der Nächste, bitte!“<br />

In dieser Praxis geht man nicht einfach durch eine Tür zum Halbgott in Weiß, der<br />

einem dann gegen 10 Euro Praxisgebühr pro Quartal irgendwelche Tipps gibt, wie<br />

man die unfairen Bakterien aus seinem Körper bekommt.<br />

Vielmehr geht es in diesem Bericht um eine Übung in Sachen fairer Lebensstil.<br />

Dabei ist entscheidend, dass es natürlich kein Mittelchen gibt, das regelmäßig<br />

einzunehmen ist, um täglich etwas bewusster zu konsumieren. Täglich zu lernen, zu<br />

verstehen und mich zu informieren ist auch ohne ein solches Mittelchen möglich.<br />

Und das habe ich beschlossen zu tun.<br />

Begründet ist mein Beschluss darin, dass mir bewusst wurde, wie fremd mir diese<br />

Welt ist.<br />

Mir wurde klar, dass ich Produkte konsumiere, von denen ich nicht weiß, wie sie<br />

entstanden sind. Länger schon war mir klar: Kleider machen Leute. Und dazu kam<br />

jetzt die Erkenntnis, dass es auch Leute geben muss, die diese Kleider machen, also:<br />

Leute machen Kleider.<br />

Und diese Leute kenne ich nicht. Natürlich nicht, könnte man sagen, schließlich<br />

leben sie auf der anderen Seite der Kugel. Und doch wurde mir von einem auf den<br />

anderen Tag bewusst, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen meinem Konsumverhalten<br />

und der Ungerechtigkeit auf dieser Welt.<br />

Wenn ich be<strong>im</strong> Einkauf spare, dann müssen womöglich andere den Preis bezahlen.<br />

Nicht unbedingt mit Geld, aber vielleicht mit der Schulbildung ihrer Kinder. Vielleicht<br />

ist es auch ihre Gesundheit, die zum Zahlungsmittel wird, weil sie ungeschützt und<br />

unwissend Pestizide auf den Feldern einsetzen müssen, um den Ertrag zu steigern.<br />

Letztendlich bekommt die Arbeiterin oder der Arbeiter 1 Euro von einer Jeans, die<br />

für 100 Euro verkauft wird. Die restlichen 99 Prozent gehen für Transport, Steuern,<br />

Zoll, Material und Gewinn der Fabrik <strong>im</strong> Billiglohnland drauf, für den Markennamen,<br />

Verwaltung und Werbung, Einzelhandel und natürlich Mehrwertsteuer. 1<br />

Irgendwer bezahlt also den Preis. Zum einen die Menschen am anderen Ende der<br />

Konsumkette und natürlich auch die Umwelt. Mein Anliegen hat also zwei D<strong>im</strong>ensionen:<br />

eine soziale und eine ökologische.<br />

Mir wurde klar, dass ich nicht weiter Teil dieser Problematik sein will und kann.<br />

Meine Entscheidung war verbunden mit einem Gefühl, das sich zusammensetzt<br />

aus Wut und Hass, Mut und Neugier, Hoffnung und Angst – gemischt mit großem<br />

Willen, etwas an diesen Missständen zu verändern.<br />

1 Vgl. http://www.praxis-umweltbildung.de/dwnl/kleidung/info_jeans.pdf,<br />

21.05.2010.<br />

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Ich habe mich also entschieden. Ab sofort nur noch „ökorrekt“ konsumieren. Einen<br />

fairen Lebensstil entwickeln. Und dabei komme ich wieder auf das Bild vom Anfang<br />

zurück. Ich hatte eine Ahnung davon, dass es nicht so einfach werden würde. Mir<br />

war bewusst, dass das System, in dem ich lebe, krank ist und sich von alleine nicht<br />

regenerieren würde.<br />

Ich wusste, dass ich investieren muss, damit der Körper gesund wird und das<br />

auch auf Dauer bleiben kann. Ich wusste, dass es mich Zeit und Energie kosten<br />

würde. Mein Gefühl sagte mir, dass diese Entscheidung mein Leben, meinen Alltag,<br />

von Grund auf verändern würde.<br />

Das war es mir aber wert.<br />

In diesem Alltag, von dem ich spreche, gestaltet sich meine Entscheidung seither folgendermaßen:<br />

Mit der Zeit habe ich einige Prinzipien festgelegt, an denen ich mich orientiere.<br />

Mein Glück ist, dass ich diese Prinzipien nicht alleine festlegen und durchhalten<br />

muss. Zusammen mit meiner Mitbewohnerin durchdenke ich jede Problematik und<br />

wir überlegen gemeinsam, ob wir einen Ausweg finden. Ist theoretisch ein Ausweg<br />

gefunden, machen wir uns gemeinsam an die Umsetzung. Wir hinterfragen unser<br />

Handeln, unser Verhalten und unsere Prinzipien und sehnen uns dabei nach einer<br />

besseren Welt.<br />

Erstes Prinzip: Wir werden bewusst konsumieren<br />

Uns ist bewusst, dass es einen Zusammenhang zwischen Produktion und Konsum<br />

gibt. Deshalb behalten wir bei jedem Kauf die Produktion <strong>im</strong> Hinterkopf.<br />

Bevor wir etwas kaufen, fragen wir den Verkäufer nach Material, Produktion und<br />

Arbeitsbedingungen. Kann uns dieser nicht weiterhelfen, wenden wir uns per E-Mail<br />

direkt an den Hersteller. Ist etwas nicht mit unseren Prinzipien vereinbar, wird das<br />

Produkt nicht gekauft.<br />

Natürlich haben wir auch nicht alle Lebensmittel verbrannt, nicht alle T-Shirts in<br />

den Altkleidersack gestopft und auch nicht alle Schuhe weggeworfen. Wir haben uns<br />

entschieden, alte Sachen zu behalten und vielleicht sogar wieder aufleben zu lassen.<br />

Gekauft wird also auch gerne in Secondhandläden. So unterstützen wir eine schöne<br />

Kultur der Wiederverwertung und leben gleichzeitig an den großen Konzernen und<br />

Vermarktungsstrategien vorbei.<br />

Zweites Prinzip: Wir werden nicht auf Kosten anderer leben<br />

Gandhi sagte: „Wir dürfen uns nicht abhängig machen von einem System, das uns<br />

unterdrückt.“ Jetzt ist in unserem gemeinsamen Alltag nicht sonderlich viel Unterdrückung<br />

zu spüren. Aber wir wollten auch nicht mehr Teil dieses Systems bleiben,<br />

das andere Menschen ausbeutet, unterdrückt und dabei mutwillig die Umwelt und<br />

damit die Grundlage allen Lebens zerstört.<br />

Wir fingen klein an. Mit Kaffee und Tee aus fairem Handel. Bald schon fiel der Entschluss,<br />

auch alle anderen Lebensmittel fair zu konsumieren. Bei Produkten, die es<br />

nicht aus fairem Handel gibt, kaufen wir Produkte mit dem Bio-Siegel. Das ist natürlich<br />

kein Garant für soziale Gerechtigkeit, aber schon allein der eingeschränkte Einsatz<br />

von Pestiziden und Schädlingsbekämpfungsmitteln ist für die Gesundheit der<br />

Bauern und uns selbst gut – und auch die Umwelt würde sich bedanken. Auch die<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 4: ICH<br />

Bevor wir etwas<br />

kaufen, fragen wir<br />

den Verkäufer nach<br />

Material, Produktion<br />

und Arbeitsbedingungen.<br />

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Just PEoPlE?<br />

Mache ich mich<br />

selbst zum opfer<br />

meiner Entscheidung<br />

– oder besser<br />

jemand anderen?<br />

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weiteren Richtlinien, an die sich Bio-Bauern halten müssen, sind durchaus <strong>im</strong> Sinne<br />

des fairen Handels und werden nach und nach in deren Richtlinien ergänzt.<br />

Bei den anderen kleinen und großen Anschaffungen, bei den Dingen des täglichen<br />

Bedarfs und vor allem bei Kleidung, machen die fehlende Transparenz und das<br />

unübersichtliche Angebot oft eine ökorrekte Entscheidung schwer. Deshalb mussten<br />

wir noch ein ein weiteres Prinzip festlegen.<br />

Drittes Prinzip: Weniger, dafür qualitativ hochwertiger<br />

Die Frage ist, ob ich ein Produkt wirklich brauche. Schon allein diese Frage reicht<br />

meistens aus, um zu unterscheiden, ob ein Produkt seinen Zweck erfüllt oder ob es<br />

mein Ego streichelt. Beides ist erlaubt, wird aber abgewogen.<br />

Dazu kommt, dass wir durchaus auch ab und an mal wieder etwas zurückschicken.<br />

Das zum Beispiel musste ich wirklich lernen. Diesen Vorgang gab es in meinem<br />

Konsumverhalten vorher nicht. Normalerweise ging man in einen Laden, suchte sich<br />

etwas Schönes aus, probierte es an und kaufte es. Fertig.<br />

Da es aber noch nicht sonderlich viele Shops mit ökorrekter Mode in unserer Stadt<br />

gibt, sind wir vor allem auf das Internet und die wachsende Community angewiesen.<br />

Hier entwickelt sich ein kleiner, aber feiner Markt und ein schönes Angebot an stylischen<br />

Produkten für Konsumenten wie wir es sind. Ist etwas dabei, das uns auf den<br />

Bildern gefällt, heißt das natürlich leider noch nicht, dass es uns auch passt. Deshalb<br />

kommt es durchaus vor, dass Teile wieder eingepackt, zur Post gebracht und zurückgeschickt<br />

werden müssen. Inzwischen weiß ich also auch, was mit „strategischem<br />

Konsum“ gemeint ist.<br />

Unnötig ist es in meiner Lebenssituation außerdem, mehr als drei Hosen zu besitzen.<br />

Ähnliches gilt für T-Shirts, Pullover, Jacken usw. Ich habe also meinen Kleiderschrank<br />

ausgemistet und verkleinert. Alles zusammen macht eine Waschmaschine pro Woche<br />

voll.<br />

Das spart Platz und Energie. Außerdem spare ich dadurch Geld, das ich wiederum<br />

für hochwertigere Produkte ausgeben kann. Die kommen dann zum Beispiel aus<br />

fairem Handel, werden in Deutschland hergestellt und garantieren einen sozialen<br />

Standard, den ich mit meinem Gewissen vereinbaren kann. Außerdem wird auf die<br />

Umwelt geachtet und dafür gebe ich gerne etwas mehr aus.<br />

Das sind sie, die Prinzipien. Das ist es, woran wir erinnert werden, wenn wir zum<br />

Beispiel großen Heißhunger auf Burger verspüren. Dann werden wir daran erinnert,<br />

was wir uns vorgenommen haben zu tun und zu lassen.<br />

Daran scheitern wir oft. Wir verzweifeln, sehnen, suchen, verirren, machen Fehler.<br />

Wir sind hoffnungslos, überfordert, wir lieben Burger, sind faul und wir haben<br />

Fragen.<br />

Ist es überhaupt möglich, mit dem netten Budenbesitzer um die Ecke ins Gespräch zu<br />

kommen, wenn wir seine leckeren, türkischen Spezialitäten aus Prinzip nicht essen<br />

und seinen Tee nicht trinken? Oder ist hier die Beziehung zu ihm wichtiger als unsere<br />

Prinzipien?<br />

Was ist, wenn ich nur noch 30 Euro zur Verfügung habe und dringend eine Winterjacke<br />

brauche? Nehme ich in Kauf, dass jemand am anderen Ende der Welt nicht<br />

ordentlich für seine Arbeit bezahlt wird und ich dafür <strong>im</strong> Winter nicht frieren muss?<br />

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Mache ich mich selbst zum Opfer meiner Entscheidung – oder besser jemand anderen?<br />

Das ist ein Dilemma. Hier entsteht eine Lücke, die ich alleine nicht schließen<br />

kann.<br />

An dieser Stelle meiner Überlegungen wird mir bewusst, dass ich mit meinem fairen<br />

Lebensstil nicht die Welt retten werde, dass der faire Handel nicht die Lösung für alle<br />

Missstände auf dieser Welt ist. Mir wird bewusst, dass auch der faire Handel teil des<br />

Kapitalismus ist und auch, dass <strong>im</strong> Eine-Welt-Laden best<strong>im</strong>mte Produkte auf Augenhöhe<br />

platziert werden, damit sie sich besser verkaufen.<br />

Das alles ist mir bewusst und dennoch sehne ich mich nun mal nach dieser besseren<br />

Welt.<br />

Ob mein Konsumverhalten dazu beitragen kann, weiß ich nicht. Vielleicht ist es<br />

auch naiv. Aber ich glaube, es ist ein Anfang. So empfinde ich es.<br />

Und deshalb kommt an dieser Stelle unweigerlich eine dritte D<strong>im</strong>ension zu den<br />

bereits genannten hinzu:<br />

Mein Tun und Handeln, meine Prinzipien, erlebe ich als äußerst lückenhaft. Es<br />

macht mich nicht ruhiger, es beruhigt nicht mein Gewissen, aber meine Sehnsucht<br />

zieht mich, sie treibt mich um und hält mich am Leben. Sie weist mich hin auf Gott,<br />

auf seine Gnade, auf die ich so sehr angewiesen bin.<br />

Die Lücken dieser Welt kann ich eben nicht alleine schließen. Gottes Gnade macht<br />

mich gnädig. Seine Gnade lässt mich das nicht Haltbare aushalten und tröstet mich.<br />

Sie ist es, die mich ruhig macht – nicht meine Prinzipien.<br />

Die Praxis zeigt, mein Lebensstil ist nicht mehr und nicht weniger: Mein Anfang, eine<br />

Utopie ins Leben zu übertragen, von der ich hoffe, dass sie eines Tages Wirklichkeit<br />

wird.<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 4: ICH<br />

Vielleicht ist es<br />

naiv. Aber ich<br />

glaube, es ist ein<br />

Anfang.<br />

Foto: Privat<br />

Hannes Leitlein (geboren 1986)<br />

arbeitet als Grafiker und studiert<br />

evangelische Theologie. Interessiert<br />

an einer nachhaltigen und<br />

engagierten Art des Lebens, sucht<br />

er nach <strong>im</strong>mer neuer Inspiration.<br />

Er liebt und macht Musik, er liest<br />

und schreibt, moderiert und predigt,<br />

fotografiert und bereist liebend<br />

gern die Welt.<br />

Weiter Informationen und <strong>im</strong>mer<br />

neue Arbeiten, Fotos und Beobachtungen<br />

gibt es auf:<br />

www.hannesleitlein.de<br />

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149


150<br />

Just PEoPlE?<br />

Gerechtigkeit ist<br />

eines der göttlichenWesensmerkmale.<br />

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Walter Donzé<br />

Gesellschaftliches Engagement<br />

1. Als christ handeln<br />

Ernsthafte Christen neigen dazu, Gott dadurch zufriedenzustellen, dass sie einen<br />

Katalog von Vorschriften und Verboten aufstellen und diesen erfüllen. So wird Christsein<br />

auch von Außenstehenden als etwas Mühsames wahrgenommen. Das Neue Testament<br />

lehrt uns aber etwas anderes: Wir sind durch Christus befreit und befähigt<br />

worden, aus Liebe in seinem Sinne zu handeln.<br />

Je besser ich weiß, wer Gott ist, wie er denkt und was er vorhat, umso besser kann ich<br />

nach seinem Willen – und schließlich auch in seinem Namen – handeln. Reden und<br />

Handeln sind der Kontrolle des Heiligen Geistes untergeordnet, damit sie zusammenhängen,<br />

kohärent sind. Ich kann versagen und schuldig werden, aber auch Vergebung<br />

und Korrektur erfahren. Ich bleibe lebenslang ein Lernender.<br />

Gerechtigkeit ist eines der göttlichen Wesensmerkmale. Gott will gerechtes Maß,<br />

gerechte Preise, gerechte Löhne, gerechte Urteile… In der säkularen Welt herrscht<br />

aber oft Ungerechtigkeit. Das führt zum Konflikt. Ein anderes Wesensmerkmal Gottes<br />

ist die Liebe. Wie kämpfe ich für Gerechtigkeit, ohne das Liebesgebot zu verletzen?<br />

Die Suche nach Gottes Absichten, Leitung und Korrektur verleiht meinem Wirken<br />

Glaubwürdigkeit, was von meiner Umgebung ausdrücklich geschätzt wird. Ja, mehr<br />

noch: Politisches Handeln bekommt dann so etwas wie eine prophetische D<strong>im</strong>ension.<br />

Vorstöße, die zum Zeitpunkt ihrer Einreichung als „exotisch“ wahrgenommen<br />

wurden, finden ungeahnte Aktualität, weil sie nicht berechnend für das Ansehen der<br />

Partei, sondern aus dem Herzen motiviert sind. Sieben Jahre vor der großen Diskussion<br />

um das Bankkundengehe<strong>im</strong>nis haben wir gefordert, dass die Schweiz die Unterscheidung<br />

zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug aufgeben soll. Sechs<br />

Jahre vor der amerikanischen Immobilienkrise, die sich zur weltweiten Finanzkrise<br />

ausweitete, forderten wir ein Ethikzertifikat für Unternehmen, um gutes Verhalten zu<br />

belohnen und zum Marktvorteil zu machen.<br />

2. christen in der Politik?<br />

Noch <strong>im</strong>mer existieren Vorbehalte gegen ein Engagement von Christen in der Politik.<br />

Sie ist aber nur so weit ein „Drecksgeschäft“, wie sie mit unsauberen Motiven gestaltet<br />

wird. Auch die Politik bedarf des Salzes und des Lichts – und besonders gefällt mir<br />

das Bild vom Sauerteig: Wir können und sollen die Gesellschaft mit der befreienden<br />

Botschaft des Evangeliums beeinflussen, auch wenn wir nicht <strong>im</strong>mer Mehrheiten finden.<br />

Die Bibel gebietet uns nicht nur den Gehorsam gegenüber Behörden und Gesetz<br />

und die Fürbitte für die Regierenden, sondern ebenso, dass wir uns „tatkräftig für<br />

das Gemeinwohl einsetzen“ (Titus 3). Es ist nicht jedermanns Ding und Berufung,<br />

ein politisches Mandat auszuüben, aber die demokratische Staatsform lässt uns Möglichkeiten,<br />

uns in die Gestaltung des Zusammenlebens einzubringen. Das sollen wir<br />

<strong>im</strong> Geiste des Dienens tun.<br />

Als Mitglied der Wirtschaftskommission <strong>im</strong> nationalen Parlament saß ich zwischen<br />

Wirtschaftsvertretern und Gewerkschaftsführern. Beide Seiten warben um meine<br />

Unterstützung. Ich musste mich gründlich mit den Sachgeschäften auseinandersetzen<br />

und konnte nicht selten die Entscheidung zwischen den beiden etwa gleich star-<br />

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ken Lagern herbeiführen. Nicht alle Entscheide waren mit biblischen Aussagen zu<br />

rechtfertigen, aber alle mussten sachlich und mit Anstand vertreten werden.<br />

3. Biblische Aussagen als Eckpfeiler unseres Handelns<br />

Auch wenn unsere Entscheidungen mit Sachverstand zu fällen sind, ist es möglich,<br />

uns an biblischen Beispielen und Grundsätzen zu orientieren. Wir haben dabei den<br />

Vorteil, dass sie <strong>im</strong> besten Sinne „erprobt“ sind. Gott steht zu seiner Zusage: „Wer<br />

Weisheit braucht, der bitte Gott.“<br />

Die Bibel lehrt uns Fleiß (geh zur Ameise, du Fauler), Vorsorge (wer nicht arbeiten<br />

will, soll auch nicht essen), gerechte Entlohnung (der Arbeiter ist seinen Lohn wert),<br />

Großzügigkeit (Weinbauer und Tagelöhner), Solidarität (ein Jeder sehe nicht nur auf<br />

das Seine, sondern auch auf das, was des anderen ist), Nachhaltigkeit (Grundeigentum,<br />

Erlassjahr), Sorgfalt (Verwalter), Planung (das Haus <strong>im</strong> Sturm), Bescheidenheit<br />

(sich genügen lassen), Fürsorge (Menschenrechte in Matthäus 25,34-36).<br />

Die Liste ist nicht vollständig. Die Weisheitsliteratur des Alten Testaments liefert<br />

unerschöpfliche Ansätze mit höchst aktuellen Themen.<br />

4. Welche großen linien bieten sich uns an?<br />

Leben nach göttlichem Maßstab und aus seinen Ressourcen steht zum Teil in krassem<br />

Kontrast zu üblichen Normen und Verhaltensmustern. So bemerkte einmal ein Kollege<br />

in der Gemeindebehörde, er habe beobachtet, dass bei mir das Eigeninteresse<br />

„etwas verkümmert“ sei. Er meinte es als Kompl<strong>im</strong>ent, weil ich nicht meinen eigenen<br />

Vorteil beanspruchte.<br />

Meines Erachtens zählt Zufriedenheit mehr als Reichtum. Teilen macht reich,<br />

Gier ist unersättlich und führt zum grausamen Stress.<br />

Christen können starke Akzente setzen, indem sie<br />

• Lebensqualität vor Reichtum setzen,<br />

• Wettbewerb als Motivation und nicht als Verdrängungskrieg verstehen,<br />

• die Menschenwürde konkret einfordern (Einsatz für die Schwachen),<br />

• nachhaltige Lösungen erarbeiten (Nutzen statt Verbrauchen von Ressourcen),<br />

• nicht Almosen verteilen, sondern Menschen befähigen, sich selbst zu helfen und<br />

• Probleme nicht durch neue Paragrafen lösen, sondern indem sie die bestehenden<br />

einhalten.<br />

Einer der wichtigsten Sozialethiker in der Schweiz, Professor Hans Ruh, nennt vier<br />

grundlegende Ziele für die Zukunft der Menschheit angesichts der aktuellen<br />

Bedrohungen und Gefahren:<br />

• Lebensqualität<br />

• Überlebensfähigkeit<br />

• Ethik<br />

• Nachhaltigkeit<br />

Er ist Mitherausgeber eines Buches mit der Grundthese: „Die Zukunft ist ethisch –<br />

oder gar nicht“. Zukunftsfähigkeit erlangen wir, wenn wir unser Handeln in allen<br />

Lebensbereichen an ethischen Normen ausrichten. 1<br />

1 Gröbly, Thomas und Ruh, Hans, Die Zukunft ist ethisch – oder gar nicht. Wege zu einer<br />

gelingenden Gesellschaft, Frauenfeld, 2006.<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 5: GESELLSCHAFT<br />

Teilen macht reich,<br />

Gier ist unersättlich<br />

und führt zu<br />

Stress.<br />

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152<br />

Just PEoPlE?<br />

„Die zukunft ist<br />

ethisch – oder gar<br />

nicht!“<br />

Prof. Ruh<br />

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Was verstehen wir unter Lebensqualität? Eine groß angelegte OECD-Studie nennt<br />

dafür soziale Anliegen wie Gesundheit, Persönlichkeitsentfaltung durch Erziehung,<br />

Beschäftigung und Qualität des Arbeitslebens, Zeit und Freizeit, Verfügung über<br />

Güter und Dienstleistungen, Umwelt (inklusive Wohnverhältnisse), persönliche<br />

Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit sowie Chancengleichheit und aktive Teilnahme<br />

am Leben der Gesellschaft. Das wird nach Professor Ruh nur erreicht, wenn die folgenden<br />

vier Anliegen dazukommen: gerechte Verteilung, soziale Sicherheit, Sinnorientierung<br />

und Frieden (Gewaltfreiheit).<br />

Unter Überlebensfähigkeit versteht der Sozialethiker die Erhaltung der ökologischen<br />

Lebensgrundlagen in einem Maße, das ausreicht, die erwünschte und ethisch<br />

legit<strong>im</strong>ierte Lebensqualität für alle dauernd zu sichern. Deshalb sollen Entwicklungen<br />

vermieden werden, welche für große Menschengruppen, <strong>im</strong> Extremfall für alle<br />

Menschen, unerträgliche und katastrophale Zerstörungen bringen.<br />

„Ethik“, sagt er, „ist das kritische Nachdenken über die Fragen nach dem guten Leben,<br />

dem gerechten Zusammenleben und dem verantwortungsvollen Handeln. Ethik soll<br />

letztlich dazu verhelfen, unser Handeln oder auch Nichthandeln legit<strong>im</strong>ieren und<br />

begründen zu können.“ Damit bewegt er sich in einem global anwendbaren Sinn auf<br />

dem Boden des biblischen Grundsatzes, wonach unser Handeln dem Wohl aller dienen<br />

soll. Theologie und Philosophie sind der Boden für die Ethik, die auf gesellschaftlich<br />

breit abgestützten Grundwerten basiert.<br />

Nachhaltigkeit meint, dass Lebensqualität und Überlebensfähigkeit auch für<br />

zukünftige Generationen zur Verfügung stehen sollen. Sie erfordert eine Lebens-,<br />

Gesellschafts- und Wirtschaftsform, welche unter den Bedingungen der ökologischen<br />

Grenzen, der ökonomischen Knappheit und der gesellschaftlichen Gültigkeit<br />

der Menschenrechte das Leben so gestaltet, dass unseren Nachkommen die Chance<br />

bleibt, in einer uns vergleichbaren Weise nach Erfüllung des Lebens zu streben. 2<br />

Wenn uns die Bekämpfung der Armut und die Befähigung der Menschen in einem<br />

Land von Bedeutung sind, werden wir uns bemühen um<br />

• ein gerechtes Zusammenleben,<br />

• verantwortliches Handeln,<br />

• Selbstverantwortung und Befähigung,<br />

• Respekt für jede Person als Gottes Geschöpf sowie um<br />

• nachhaltige Lösungen.<br />

5. Globalisierung<br />

Die fortschreitende Globalisierung (Transport, Information, Kommunikation) hat<br />

mit ihrer einseitig technologisch-ökonomischen Ausrichtung eine ethikfeindliche<br />

Dynamik angenommen. Die Wirtschaft hat das Pr<strong>im</strong>at über die Politik eingenommen.<br />

Als Folge sind ein Gefühl von Ohnmacht und ein nicht zu unterschätzendes Gewaltpotential<br />

feststellbar. Globales Handeln ist gefordert. Gültige Normen und Anweisungen<br />

müssen international ausgehandelt, angewendet, überprüft und eingefordert<br />

werden. Regierungen, zunehmend aber auch internationale Organisationen, sind in<br />

der Verantwortung. Nationale Grenzen und Gesetzgebungen machen die Sache nicht<br />

leichter. Die Herausforderungen führen zu neuen Leaderschaften.<br />

Die Wirtschaftskrise führt zu globalen Gewichtsverlagerungen. Neben der OECD<br />

gewinnen die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) an Einfluss. Das<br />

2 Vereinfacht nach Eppler, Erhard, Basler Denkanstöße, http://www.basler.denkanstoesse.ch/pages/02_f.html,<br />

14.06.2010.<br />

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kann zu einer deutlichen Werteverschiebung führen. Die Schweiz ist deshalb daran<br />

interessiert, in den Institutionen, die sich für global gültige Spielregeln einsetzen<br />

(UNO, IWF, Weltbank, OECD, regionale Entwicklungsbanken, Global Environment<br />

Facility (GEF), WTO), vertreten zu sein. Kl<strong>im</strong>awandel, Migration, Energieversorgung<br />

und Wasser gewinnen an Bedeutung. Die Armutsreduktion bleibt trotz diesen neuen<br />

Herausforderungen die weltweit wichtigste Aufgabe.<br />

Trotz aller Kritik: Entwicklungszusammenarbeit ist erfolgreich!<br />

• Innerhalb von 30 Jahren hat sich der Analphabetismus bei Erwachsenen halbiert.<br />

• In den letzten 40 Jahren stieg die Lebenserwartung bei Geburt um 20 Jahre.<br />

• In Vietnam sank die Armutsrate in nur 12 Jahren (1990 bis 2002) von 51 auf 14<br />

Prozent.<br />

• Botswana hat innerhalb von 15 Jahren die Zahl der Pr<strong>im</strong>arschüler verdoppelt.<br />

• Benin und Mali erhöhten Einschulung und Schulabschlüsse markant.<br />

Die Liste kann erweitert werden. Aber die Probleme sind <strong>im</strong>mer noch gravierend.<br />

Als Christen wollen wir unseren ganzen Einfluss geltend machen, um allen Formen<br />

der Ungerechtigkeit entgegenzutreten und Ursachen der Armut zu beseitigen. Möglicherweise<br />

geraten die Millenniumsziele zur Halbierung der weltweiten Armut bis<br />

<strong>2015</strong> wegen der neuen Herausforderungen durch die Weltwirtschaftskrise etwas in<br />

den Hintergrund. Sie bleiben aber als konkrete Ansatzpunkte aktuell. Viel hängt<br />

davon ab, ob ein Land über eine gute Regierung verfügt, demokratische Ordnungen<br />

herrschen und <strong>im</strong> Innern Ruhe und Sicherheit gewährleistet sind.<br />

literaturangaben<br />

• Gordon, Graham, Das habt ihr mir getan. Engagiertes Christsein in einer unfairen<br />

Welt, Gießen, Basel, 2004.<br />

• Gröbly, Thomas und Ruh, Hans, Die Zukunft ist ethisch – oder gar nicht. Wege zu<br />

einer gelingenden Gesellschaft, Frauenfeld, 2006.<br />

• Guidici, Thomas und S<strong>im</strong>son, Wolfgang, Der Preis des Geldes. Wege zur finanziellen<br />

Freiheit, Moers, 2005.<br />

• Weber, Beat, Weisheiten aus der Bibel für ein gelingendes Leben, Gütersloh, 2002.<br />

• Strahm, Rudolf, Warum wir so reich sind – Wirtschaftsbuch Schweiz, Bern, 2010.<br />

• UNDP-Bericht über die menschliche Entwicklung, Barrieren überwinden. Migration<br />

und menschliche Entwicklung, 2009.<br />

• Web-Tipp: www.lebenswerte.ch<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 5: GESELLSCHAFT<br />

Die Wirtschaft hat<br />

das Pr<strong>im</strong>at über die<br />

Politik eingenommen.<br />

Foto: Privat<br />

Walter Donzé (geboren 1946) ging in<br />

Luzern zur Schule, absolvierte eine<br />

Kaufmännische Berufslehre, wurde<br />

nach diversen Weiterbildungen<br />

Geschäftsführer des Missionswerkes<br />

MSD (Medien Schriften Dienste)<br />

und war nationalrat der EVP (Evangelische<br />

Volkspartei Schweiz).<br />

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154<br />

Just PEoPlE?<br />

Aus freiem Handel<br />

muss fairer Handel<br />

werden.<br />

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T<strong>im</strong>o Plutschinski<br />

Wirtschaft und Gerechtigkeit:<br />

Die Welt ein kleines Stück WERTEvoller<br />

machen<br />

Jesus befasste sich bei der Hälfte seiner Predigten mit dem Thema Geld und Besitz.<br />

Viele seiner Gleichnisse handeln von Reichtum, Landwirtschaft, Schuldenerlass und<br />

Management – alles alltägliche Beispiele aus der Geschäftswelt.<br />

Eine der schwierigsten Fragen überhaupt ist, wie man nun den biblischen Anspruch<br />

<strong>im</strong> Blick auf die gesellschaftlichen Bedürfnisse mit dem in der Wirtschaft existentiellen<br />

Streben nach Profit vereinbaren kann. Für viele ist die Vorstellung ungewohnt,<br />

dass ein Unternehmen eine breitere Agenda von Zielen verfolgen muss und nicht nur<br />

zum Wohle der Aktionäre den Profit max<strong>im</strong>ieren darf. Notwendig ist hier eine umfassende<br />

Betrachtungsweise, die gleichzeitig den Profit nicht verteufelt, denn letztlich<br />

können auch nur lukrative und effiziente Firmen den Wertzuwachs weitflächig verteilen.<br />

Eine richtig verstandene Unternehmenskultur muss deshalb kein Hemmschuh für die<br />

Rentabilität eines Betriebes sein, sondern sorgt vielmehr für langfristige Stabilität.<br />

Das gilt auch für die großen Zusammenhänge globaler Wirtschaft. Wenn die größten<br />

Aktiengesellschaften verantwortlich und in guter weltbürgerlicher Absicht handeln,<br />

wird vieles an Reibung in den Beziehungen zwischen den Entwicklungsländern und<br />

den Industrienationen abgemildert. Wenn wir die Vorteile der Globalisierung wirklich<br />

allen zugänglich machen wollen, dann muss jedoch aus freiem Handel fairer<br />

Handel werden. Das Verhalten beispielsweise der Welthandelsorganisation (WTO)<br />

be<strong>im</strong> Umgang mit Fördermitteln, die von Industrienationen für ihre eigenen Exporteure<br />

gezahlt werden, und den Zöllen, die sie den Entwicklungsländern bei der Suche<br />

nach Absatzmärkten in Industrieländern auferlegt, ist dagegen höchst anstößig.<br />

Es geht um die wirtschaftlichen Aspekte der Globalisierung, genauer gesagt um die<br />

wirtschaftliche Ordnung dieser Welt. Nach welchen Spielregeln funktioniert die<br />

Weltwirtschaft? Wer sind Gewinner, wer sind Verlierer? Sind die Spielregeln gerecht<br />

und entsprechen sie einem biblischen Menschenbild oder entsprechen sie nur dem<br />

Recht des Stärkeren?<br />

Angesichts von 30 Millionen Hungertoten <strong>im</strong> Jahr, einer wachsenden Schere zwischen<br />

Arm und Reich und Sozialabbau in den Industrieländern müssen Christen auch<br />

die Systemfrage stellen und die globalen Zusammenhänge analysieren. Sie müssen<br />

Reformvorschläge und Alternativen vorurteilsfrei prüfen, die Bibel befragen und<br />

überlegen, was die Fülle an wirtschaftlichen Regelungen dort (Zinsverbot, Erlassjahr<br />

etc.) für unsere Welt heute bedeutet.<br />

Als Christen sind wir von Gott eingesetzte Hoffnungsträger für diese Welt – auch in<br />

wirtschaftlichen Zusammenhängen. Und das muss konkrete Auswirkungen haben:<br />

• Für wirtschaftlich benachteiligte Produzenten müssen neue Möglichkeiten<br />

eröffnet werden (durch Mikrofinanzierung, Aufbau lokalökonomischer Systeme<br />

etc.).<br />

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• Transparente Handelsbeziehungen und respektvoller Umgang mit Handelspartnern<br />

müssen geschaffen werden.<br />

• Kunden müssen über Unternehmen und deren Produkte – und unter welchen<br />

Bedingungen diese produziert wurden – aufgeklärt werden.<br />

• Werbung und Verkaufsstrategien müssen aufrichtig und wahrhaftig sein.<br />

• Ein fairer Preis wird best<strong>im</strong>mt durch Dialog und Partizipation. Er deckt nicht nur<br />

die Produktionskosten ab, sondern ermöglicht auch eine sozial und ökologisch<br />

verträgliche Produktion. Er macht faire Entlohnung der Produzenten möglich.<br />

Werteorientierte Händler sichern eine pünktliche Bezahlung ihrer Partner und<br />

bieten Produzenten, wenn möglich, eine Vorfinanzierung für Ernte oder Produktion<br />

an.<br />

• Ein christliches Menschenbild gewährleistet, dass die Arbeit von Frauen und<br />

Männern gleichberechtigt gewürdigt und entlohnt wird.<br />

• Ebenso muss garantiert sein, dass Mitarbeiter unter sicheren und gesunden<br />

Bedingungen arbeiten. Die Partizipation von Kindern, wenn überhaupt vorhanden,<br />

darf nicht deren Wohlbefinden, Sicherheit, Bildungspflichten und Spielbedürfnis<br />

einschränken.<br />

• In der Wirtschaft tätige Christen müssen langfristige Beziehungen aufbauen, die<br />

auf Solidarität, Vertrauen und gegenseitigem Respekt basieren und zur Förderung<br />

eines fairen Handels beitragen.<br />

Mit diesen exemplarischen Vorschlägen eines christlich orientierten Wirtschaftens<br />

verbindet sich die Vorstellung, dass Unternehmen mehr sein sollen als ökonomische<br />

Akteure, die Gewinne erzielen, Arbeitsplätze schaffen und Konsumenten mit preiswerten<br />

Gütern und Dienstleistungen versorgen. Die gesellschaftliche Aufgabe von<br />

Unternehmen reduziert sich nicht nur auf Friedmans Max<strong>im</strong>e: „The social responsibility<br />

of business is to increase its profits.“ 1<br />

Aber welchen proaktiven Beitrag können christliche<br />

Unternehmen für eine gerechte Wirtschaft<br />

und Gesellschaft leisten, ja inwieweit und wie<br />

können sie Wirtschaft und Gesellschaft dahingehend<br />

(mit)transformieren?<br />

„The business of business is business.“ – Mit<br />

diesem lapidaren wie eingängigen Aphorismus<br />

begegnete der soeben zitierte US-amerikanische<br />

Wirtschaftsprofessor und Nobelpreisträger<br />

Milton Friedman einst kritischen Fragen über<br />

die Verantwortung eines Unternehmens für<br />

seine Umwelt. Im Klartext heißt das: Für ein<br />

Unternehmen zählt vor allem der Profit. Dass<br />

Unternehmen neben ihren Geschäftspartnern<br />

aber auch auf ihre Mitarbeiter, Umwelt, Politik<br />

und die Öffentlichkeit, also auf die Gesamtheit<br />

ihrer Umgebung angewiesen sind, zeigen oft<br />

erst Skandale. Der Ölkonzern Shell wollte 1995<br />

seine Ölplattform Brent Spar <strong>im</strong> Meer versenken.<br />

Letztlich erlitt aber vor allem das Image<br />

des Ölkonzerns Schiffbruch – mit deutlichen<br />

Einnahmeverlusten als Folge. Heute tut sich der<br />

Ölkonzern beispielsweise in Sachen Umweltschutz<br />

besonders positiv hervor. Aus Schaden<br />

wird man ethisch.<br />

1 „Die soziale Verantwortung eines Unternehmens ist seine Profitsteigerung.“<br />

(Eigene Übersetzung nach: Friedman 1970).<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 5: GESELLSCHAFT<br />

Themenübersicht<br />

Wirtschafts- und<br />

Unternehmensethik<br />

Ebene des<br />

Wirtschaftssystems:<br />

Ordnungsethik<br />

Ebene der<br />

organisation:<br />

Unternehmensethik<br />

Ebene des<br />

einzelnen Menschen:<br />

Individualethik<br />

Quelle (für Just People? angepasst): student network<br />

for ethics in economics and practice, www.sneep.info,<br />

22.05.2010.<br />

Ethische Fragen des Wirtschaftssystems<br />

(Freiheit, Gerechtigkeit, Verteilung etc.)<br />

Geld, zins, Kapital<br />

Staat , Wirtschaft, zivilgesellschaft<br />

Globalisierung und Global Governance<br />

(Sozialökologische) Marktwirtschaft<br />

(nachhaltige) Entwicklung<br />

Begriffe und Modelle des Wohlstands<br />

Korruption, Compliance und<br />

Corporate Governance<br />

Corporate Social Responsibility<br />

und Corporate Citizenship<br />

Stakeholder<br />

Ethische Unternehmensbewertung<br />

Werte, Ethik,<br />

nachhaltigkeitsmanagement<br />

non financial Reporting,<br />

nachhaltigkeitsberichterstattung<br />

Unternehmensethik und Beratung<br />

Konsumethik, Bedürfnisse und Lebensstil<br />

Ethisches Investment - SRI<br />

Integrität und Bestechlichkeit<br />

Ethos und Tugenden von Unternehmen<br />

Führungsethik<br />

Individuelle Verantwortung <strong>im</strong> Betrieb<br />

(von Empowerment bis Whistleblowing)<br />

Wirtschaftssubjekt und Menschenbild<br />

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155


156<br />

Just PEoPlE?<br />

Da braucht es Menschen,<br />

die innerhalb<br />

des Systems<br />

Akzente setzen, die<br />

auf einem christlichen<br />

Menschenbild<br />

beruhen.<br />

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In den USA, Großbritannien und Skandinavien entdeckten Unternehmen schon vor<br />

einigen Jahren die wachsende Bedeutung von Unternehmensethik. Der Mittelstand,<br />

sozial und regional in sein Umfeld eingebunden, kennt das Thema schon lange. In<br />

den Neunzigerjahren galt der Shareholder-Value 2 als wichtiges Unternehmensziel.<br />

Nun erweitern sie den Begriff und sprechen von dem viel ganzheitlicheren Stakeholder-Dialog<br />

3 . Er bezieht alle Interessengruppen rund um ein Unternehmen in das strategische<br />

Denken mit ein und nicht mehr nur eine wichtige Zielgruppe.<br />

Auf der Investitionsseite spricht man mittlerweile schon vom „sozialen Kapital“, das<br />

dem Unternehmenserfolg nützt. Praktische Unternehmensethik ist weder mildtätiges<br />

Sponsoring noch fromme Theorie, sondern eine Managementaufgabe. Unternehmen<br />

tragen heute mehr denn je die Verantwortung für ihre gesamte Wertschöpfungskette<br />

aus Mensch und Umwelt.<br />

Seitdem steigt die Nachfrage nach so genannten „Ethik-Managern“. Ein Berufsstand,<br />

der mit ökologischem und sozialem Verhalten rechnet statt mit Zahlen. Daneben entstanden<br />

auch Agenturen, die viel beachtete Ratings erstellen, die Unternehmen nach<br />

ihrem ethischen Verhalten auflisten.<br />

Im Zuge der Diskussion um christliches Wirtschaften stellt sich – nebenbei gesagt –<br />

aber auch die Frage nach dem Verhalten der Kunden. Moral fordern kann man als<br />

Bürger leicht, auch wenn man sich als Konsument dann doch für das billigste Produkt<br />

entscheidet – ohne sich darüber Gedanken zu machen, auf welche Weise es eigentlich<br />

entstanden ist. Deshalb ist bei der Frage der Unternehmensethik <strong>im</strong>mer auch die<br />

„Kundensouveränität“ gefragt.<br />

Da braucht es Menschen, die innerhalb des Systems Akzente setzen, die auf einem<br />

christlichen Menschenbild beruhen.<br />

Das demokratische System hat die Wirtschaft zu einem mächtigen Organ der Gemeinschaft<br />

gemacht und darum ist es wichtig, dass genau da mit christlichen Werten<br />

eingegriffen wird und die Auswirkungen untersucht werden. Bei Phänomenen wie<br />

Kinderarbeit und Umweltverschmutzung, die ganze Wirtschaftzweige fast vollständig<br />

durchziehen, heißt Christsein in erster Linie, den Schwächsten vor einer gierigen<br />

Übermacht zu schützen. Dies fängt bei einer genauen Untersuchung der Produktionszweige<br />

und den Ressourcen an.<br />

Mit Blick auf Unternehmer besteht für Christen in der Wirtschaft die Aufgabe gerade<br />

darin, vorzuleben, wie nicht nur Aktionäre, sondern auch Kunden, Zulieferer, Mitarbeiter<br />

und letztlich die Gesellschaft, in der das Unternehmen tätig ist, von den Firmenentscheidungen<br />

profitieren.<br />

Somit ist das System Wirtschaft ein Diener, der auf der Schattenseite ohne Zweifel<br />

egoistische Bedürfnisse befriedigen kann, aber darüber hinaus auch zum Wohl der<br />

2 Engl.: shareholder = Aktionär; value = Wert; „Der Shareholder-Value-Ansatz ist ein<br />

betriebswirtschaftliches Konzept zur Steigerung des Wertes des Eigenkapitals.“<br />

http://www.verdi-bub.de/wirtschafts_abc/archiv/shareholder_value, 22.05.2010.<br />

3 Engl.: stakeholder = Interessenvertreter; „Anspruchsgruppen oder Stakeholder<br />

sind einzelne Personen, Gruppen oder Institutionen und ihre Vertreter, die persönliche,<br />

gesellschaftliche, politische Interessen vertreten oder rechtliche Anforderungen<br />

an ein Unternehmen stellen. Sie versuchen deshalb die Handlungen eines<br />

Unternehmens und seiner Manager direkt oder indirekt zu beeinflussen. Sie können<br />

umgekehrt selbst direkt oder indirekt von den Aktivitäten des Unternehmens<br />

beeinflusst sein.“ http://www.business-wissen.de/handbuch/stakeholderanalyse/<br />

das-modell-vom-stakeholder, 22.05.2010.<br />

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Menschen einer Stadt, eines Landes oder weltweit eingesetzt werden kann. Das ist<br />

eine Frage der gelebten Werte.<br />

Werden ausschließlich monetäre Interessen <strong>im</strong> Sinne des Shareholder-Values verfolgt<br />

oder werden auch andere Bedürfnisse in den Blick genommen? Der Wirtschaftswissenschaftler<br />

und Nobelpreisträger Amartya Sen beschreibt seine Grundthese der<br />

Entwicklungsökonomie interessanterweise wie folgt: „Bei der wirtschaftlichen Entwicklung<br />

geht es nicht allein um die bessere materielle Ausstattung von Menschen,<br />

sondern um die Erweiterung realer Freiheiten.“<br />

Das System der Wirtschaft braucht somit mehr als die monetäre Befriedigung. Es<br />

braucht den Blick für Menschen und Werte, die Christen vermitteln können. Schon<br />

allein die Beschäftigung mit den Bedürfnissen der Menschen <strong>im</strong> Unternehmensumfeld<br />

ist ein hervorragendes Zeugnis eines ganzheitlichen Verständnisses von Christsein.<br />

Es wäre ein großer Gewinn, wenn Christen in unserem Land die Vorreiter für<br />

Social Entrepreneurship wären und sich <strong>im</strong> Dienste der Gesellschaft engagieren würden.<br />

Social Entrepreneurship bezeichnet eine best<strong>im</strong>mte Art von Unternehmertum, dessen<br />

Ziele nicht <strong>im</strong> monetären Profit, sondern <strong>im</strong> gesellschaftlichen Nutzen liegen. Es geht<br />

darum, mit innovativen Ansätzen möglichst nachhaltige Lösungen für soziale Probleme<br />

oder Missstände zu finden.<br />

Die Persönlichkeit eines Social Entrepreneurs zeichnet sich dadurch aus, dass er versucht,<br />

mit einer neuen Herangehensweise ein gesellschaftliches Defizit zu beheben.<br />

Der Erfolg des Vorhabens wird dabei an der gesellschaftlichen Veränderung und nicht<br />

am finanziellen Gewinn gemessen. Außerdem zählen für einen solchen Unternehmer<br />

best<strong>im</strong>mte Werte, die sich beispielsweise an der Wahrung der Menschenwürde orientieren.<br />

Zudem ist er in der Lage, aktive Mitstreiter sowie finanzielle und materielle<br />

Unterstützer für seine Initiative zu gewinnen. Letztere können beispielsweise geeignete<br />

Organisationen oder Kapitalgeber sein.<br />

Die Bereiche, in denen sich ein Social Entrepreneur engagiert, sind vielfältig. Die<br />

Bandbreite reicht von Diskr<strong>im</strong>inierung, Rassismus oder Armut über das Gesundheitswesen<br />

bis hin zu Bildung und Kultur. Weiter kann er sich für technischen oder sozialen<br />

Fortschritt einsetzen. Darüber hinaus werden Social Entrepreneurs in den Segmenten<br />

Umwelt- und Naturschutz, Menschenrechte oder wirtschaftliche Entwicklung aktiv.<br />

Auf vielfältige Art und Weise die Welt ein kleines Stück WERTEvoller machen – das ist<br />

das Anliegen von Social Entrepreneurship. Und das kann jeder. Und als Christen sind<br />

wir dazu aufgerufen, zu handeln und für die Bewahrung der Schöpfung, der Entfaltung<br />

von Menschen und der Entwicklung von gerechten Ökonomien zu kämpfen.<br />

Ob Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, ob Mitarbeiter oder Manager, ob Sekretärin oder<br />

Selbständiger – jeder kann in seinem Verantwortungsbereich daran mitarbeiten,<br />

ein ausgeglichenes Wirtschaftssystem voranzubringen und so für mehr Gerechtigkeit<br />

zu sorgen. Ein System, das sich an den christlichen Prinzipien von Solidarität,<br />

sozialer Gerechtigkeit, Gemeinwohl und Nachhaltigkeit ausrichtet und biblische<br />

Werte zurückbringt in die Wirtschaft. Jeder kann auf die wirklich wichtigen Themen<br />

des Lebens aufmerksam machen und dazu beitragen, dass christliche Ethik Gehör<br />

bekommt. Das wäre ein wahrer Gottes-Dienst.<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 5: GESELLSCHAFT<br />

Es wäre ein großer<br />

Gewinn, wenn<br />

Christen in unserem<br />

Land die Vorreiter<br />

für Social<br />

Entrepreneurship<br />

wären.<br />

Foto: Privat<br />

T<strong>im</strong>o Plutschinski (geboren 1976)<br />

lebt in Düsseldorf, ist verheiratet und<br />

Geschäftsführer des christlichen<br />

Wirtschaftsverbandes Christen in<br />

der Wirtschaft e.V. (CiW). Er hat sich<br />

durch seine Tätigkeiten und Rollen<br />

als Theologe, Geschäftsmann und<br />

gesellschaftlicher Visionär schon<br />

viel mit Fragen von Gerechtig-<br />

keit, nachhaltigkeit und Armutsbekämpfung<br />

auseinandergesetzt. Im<br />

Moment bewegt ihn besonders die<br />

Frage, wie (christliche) Unternehmer<br />

zum Wohl der Gesellschaft und<br />

der Umwelt beitragen können. Seit<br />

2007 ist er Mitglied <strong>im</strong> Leitungskreis<br />

der Micha-Initiative Deutschland.<br />

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157


158<br />

Just PEoPlE?<br />

Micah Challenge<br />

war die christliche<br />

Antwort auf die<br />

so genannten<br />

Millenniumsziele.<br />

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Alexander Gentsch<br />

tun, was gut ist:<br />

Wie ein alter Prophet Christen <strong>im</strong> Heute<br />

herausfordert<br />

Ein Bericht über Micah challenge, stopArmut <strong>2015</strong> und die<br />

Micha-Initiative<br />

„Was ist denn eigentlich gerade dran?“ – So lautet die vermutlich häufigste Frage, die<br />

viele Christen mit Inbrunst stellen. Fast genauso häufig hört man Christengespräche,<br />

in denen erörtert wird, ob die eine oder der andere denn für diese oder jene ganz<br />

spezielle Aufgabe eigentlich berufen ist. Oft haben diese Fragen ihre Berechtigung.<br />

Schließlich kann nicht jeder alles machen. Und es kann unhe<strong>im</strong>lich spannend sein,<br />

sich best<strong>im</strong>mte Aufgabenfelder von Gott zeigen zu lassen oder sie mit Gott gemeinsam<br />

zu entdecken. Aber stellt man Fragen dieser Art nicht manchmal auch, obwohl<br />

man eine Menge von dem weiß und ahnt, was für Gott ganz grundsätzlich wichtig<br />

ist, was ihm am Herzen liegt, was er für gut hält (und nur erleichtert auf die befreiende<br />

göttliche Reaktion wartet, an dieser best<strong>im</strong>mten Stelle mal nicht vermeintlich<br />

„typisch christlich“ handeln zu müssen)?<br />

Was ist eigentlich gut?<br />

Gott hat schon viel von sich preisgegeben. Ganz besonders in der Person Jesus. Aber<br />

auch schon durch Propheten, die einige Jahrhunderte eher lebten. Ein Satz des Propheten<br />

Micha fasst zusammen, was Gott ganz grundsätzlich gut findet:<br />

„Es ist dir gesagt Mensch, was gut ist und was der Herr von dir will: Recht zu üben und<br />

Barmherzigkeit zu lieben und demütig zu gehen vor deinem Gott“ (Micha 6,8).<br />

Dieser Satz ist zum Leitvers einer Bewegung geworden, die schon seit vielen Jahren<br />

existiert, aber seit 2004 einen eigenen Namen trägt: Micah Challenge. Denn der Prophet<br />

Micha fordert tatsächlich heraus. Wie können wir denn heute so leben, dass<br />

wir Recht tun, dass wir zu mehr Gerechtigkeit 1 beitragen? Sind wir für unsere Barm-<br />

herzigkeit bekannt? Können wir von uns sagen, dass wir es lieben, barmherzig zu<br />

sein? Und weisen wir mit unserem Handeln eigentlich auf Gott hin?<br />

Was könnten Michas Worte in der heutigen Welt bedeuten?<br />

Die Weltweite Evangelische Allianz war und ist der Überzeugung, dass man diese Fragen<br />

nur angehen kann, wenn man sich den Schmerz und die Probleme dieser Welt zu<br />

eigen macht und die tiefe Sehnsucht der Menschen nach mehr Gerechtigkeit versteht.<br />

So verfolgte man besonders aufmerksam, als sich <strong>im</strong> September 2000 be<strong>im</strong> Millenniumsgipfel<br />

der Vereinten Nationen 189 Staats- und Regierungschefs trafen, um die<br />

größten Herausforderungen der Menschheit zu diskutieren und sich gemeinsame<br />

Ziele zu setzen. Erstmals messbare Ziele. Universelle Ziele. Zeitlich klar abgesteckt.<br />

1 In den meisten anderssprachigen Übersetzungen ist in Micha 6,8 von Gerechtigkeit<br />

die Rede.<br />

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Bis <strong>2015</strong> soll und sollen – ausgehend von 1990 – extreme Armut halbiert werden, alle<br />

Kinder bis zur achten Klasse in die Schule gehen können, Frauen und Mädchen nicht<br />

länger benachteiligt werden, Kinder- und Müttersterblichkeit gesenkt werden, Epidemien<br />

(insbesondere Aids) eingedämmt werden, ökologische Nachhaltigkeit erreicht<br />

werden und die Handelsbeziehungen zwischen Nord und Süd fairer gestaltet werden.<br />

Was will Micah challenge?<br />

Micah Challenge war die christliche Antwort auf diese so genannten Millenniumsziele.<br />

Neben der Evangelischen Allianz war nicht zufällig das Micah Network, ein<br />

internationaler Zusammenschluss von über 300 christlichen Hilfswerken, Mitinitiator<br />

dieser Kampagne. Zwei Dinge nahm man sich vor:<br />

1. Christen zum Engagement gegen Armut und für Gerechtigkeit motivieren.<br />

2. Das Erreichen der Millenniumsziele einfordern und unterstützen.<br />

Das erste Ziel kommt nicht von ungefähr. Besonders in der evangelikalen Bewegung,<br />

zu der sich die Evangelische Allianz zählt, wurde das Thema Gerechtigkeit häufig stiefmütterlich<br />

behandelt. Ein Grund dafür war bei manchen die Befürchtung, dass durch<br />

zu viel soziales Engagement die mündliche Verkündigung des Evangeliums vernachlässigt<br />

werden könnte. Andere begrüßten den diakonischen Dienst an bedürftigen<br />

und armen Menschen, waren aber nicht davon überzeugt, dass sich Christen auch<br />

auf politischem Weg für gerechtere Strukturen einsetzen sollten. Auch heute haben<br />

viele Christen diesbezüglich Fragen. Micah Challenge möchte dazu ermutigen, sich<br />

diesen Fragen zu stellen und will zeigen, dass ein biblisch fundiertes Engagement für<br />

Gerechtigkeit möglich und notwendig ist. Denn Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und<br />

das Hinweisen auf Gott gehören untrennbar zusammen.<br />

Das zweite Ziel, der Einsatz für die Millenniumsziele, soll daher auf verschiedenen<br />

Ebenen angegangen werden: Lokal, national und international. Da spielt der<br />

bewusste persönliche Konsum genauso eine Rolle wie das Unterstützen konkreter<br />

Projekte von Hilfs- und Missionswerken. Aber eben auch die Entscheidungen der großen<br />

Politik. Es gehört sogar ganz ausdrücklich zum Konzept der Millenniumsziele,<br />

dass ihre Umsetzung von der Zivilgesellschaft, zu der Christen zweifelsohne gehören,<br />

kritisch begleitet wird. Immer wieder werden Berichte herausgebracht, die Rechenschaft<br />

darüber ablegen, wie weit man sich den Zielen angenähert hat. Dabei wird die<br />

Kluft zwischen dem deutlich, was man sich vorgenommen hat, und dem, was man<br />

tatsächlich geschafft hat. Es ist wichtig, die Politiker an ihre Versprechen zu erinnern.<br />

Es darf nicht vergessen werden, dass arme Menschen eine höhere Priorität haben als<br />

Banken, Konzerne und der Wohlstand einiger weniger. Es geht darum, die St<strong>im</strong>men<br />

derer hörbar zu machen, die normalerweise nicht politisch einflussreich oder wirtschaftlich<br />

interessant sind. Die Regierungen der armen Länder müssen hier genauso<br />

erinnert werden wie die Regierungen der reichen Länder.<br />

Wo gibt es Micah challenge?<br />

Micah Challenge ist mittlerweile in 40 Ländern aktiv, 25 davon befinden sich <strong>im</strong> globalen<br />

Süden. 2<br />

Seit 2004 gibt es in der Schweiz die Micah Challenge-Kampagne <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong>, welche<br />

<strong>im</strong> französischsprachigen Teil des Landes als StopPauvreté <strong>2015</strong> bekannt ist. Ver-<br />

2 Stand: August 2010.<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 5: GESELLSCHAFT<br />

Es ist wichtig, die<br />

Politiker an ihre<br />

Versprechen zu<br />

erinnern.<br />

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160<br />

Just PEoPlE?<br />

Links zum Thema<br />

www.stoparmut<strong>2015</strong>.ch<br />

www.micha-initiative.de<br />

www.micahchallenge.org<br />

www.fairlangen.org<br />

www.stell-dich-gegenarmut.de<br />

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antwortet wird die Kampagne von der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA)<br />

und dem Netzwerk Interaction, in dem sich zwölf christliche Hilfswerke zusammengeschlossen<br />

haben. 3 Zudem gibt es einen Freundeskreis, dem sich verschiedene<br />

christliche Organisationen und örtliche Gemeinden angeschlossen haben. Auf übergemeindlicher<br />

Ebene existieren außerdem Regionalgruppen.<br />

In Deutschland hat sich 2006 die Micha-Initiative gegründet, die von der Deutschen<br />

Evangelischen Allianz (DEA) verantwortet wird. Getragen wird die Initiative von<br />

einem breiten Unterstützerkreis, der 35 christliche Hilfs- und Missionswerke, Kirchen,<br />

Verbände und Netzwerke umfasst. 4 Auch in Deutschland gibt es Lokalgruppen, die<br />

gemeindeübergreifend arbeiten.<br />

Was machen stopArmut <strong>2015</strong> und Micha-Initiative konkret?<br />

Präsent sein und informieren<br />

<strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> und Micha-Initiative leisten natürlich erst einmal Informationsarbeit.<br />

Sie versuchen, bei verschiedenen christlichen Kongressen (wie Explo oder Christival)<br />

präsent zu sein. Zudem veranstalten die Kampagnen Konferenzen zum Thema integrale<br />

Mission und globale Gerechtigkeit oder unterstützen und vernetzen christliche<br />

Werke bei der Ausrichtung solcher Veranstaltungen. <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> prämiert mit<br />

dem <strong>StopArmut</strong>-Preis beispielsweise Predigten, Aktionen und Projekte, welche zur<br />

Sensibilisierung der Schweizer Bevölkerung für weltweite Armut beitragen.<br />

Einen weltweiten Gottesdienst feiern<br />

Einmal <strong>im</strong> Jahr feiern Gemeinden rund um die Welt einen besonderen Gottesdienst,<br />

in dem Christen die Herausforderungen dieser Welt vor Gott bringen und sich gegenseitig<br />

dazu motivieren, mehr für globale Gerechtigkeit zu tun. Sie bekennen ihr Versagen,<br />

beten, loben Gott, der die Welt nicht aufgibt, und zeigen in Aktionen (zum<br />

Beispiel „Stell dich gegen Armut“), dass sie mit neuer Kraft mithelfen wollen, etwas<br />

zu verändern. Der Micha-Sonntag beziehungsweise <strong>StopArmut</strong>-Sonntag findet jedes<br />

Jahr an dem Sonntag statt, der am nächsten am 17. Oktober liegt, dem Internationalen<br />

Tag für die Beseitigung von Armut.<br />

Gemeinden ermutigen, sich für Gerechtigkeit zu engagieren<br />

Aber natürlich wünschen sich <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> und die Micha-Initiative, dass Gemeinden<br />

das Thema globale Gerechtigkeit dauerhaft auf dem Schirm haben. Der Kurs Just<br />

People? kann hier ein guter Anfang sein und das Gemeindeleben nachhaltig beeinflussen.<br />

Wahrhaftig nachhaltig ist zum Beispiel das Online-Portal Fairlangen.org, das<br />

die Elia-Gemeinschaft Erlangen <strong>im</strong> Zuge des Kurses entwickelt hat und gute Tipps zu<br />

mehr sozialer und ökologischer Gerechtigkeit <strong>im</strong> alltäglichen Leben bietet. Gemeinden,<br />

die das Anliegen der Micha-Kampagnen verstanden haben, bemühen sich aber<br />

auch darum, <strong>im</strong> Gemeindeleben permanent Raum für Fragen zu geben, welche die<br />

gesamte Welt <strong>im</strong> Blick haben. Gott mit den komplexen Fragen (Kinderarbeit, Welthandel,<br />

Aids, Kl<strong>im</strong>akrise etc.) in den Ohren zu liegen und sich mit anderen austauschen<br />

zu können über die ethischen Fragen des Alltags (Herstellungsbedingungen der Produkte,<br />

die ich einkaufe; Wasser- und Energieverbrauch; unser Lebensstil überhaupt).<br />

Dafür muss Raum sein. Ob in Gottesdiensten oder in Gruppen und Veranstaltungen.<br />

3 Stand: August 2010.<br />

4 Stand: August 2010.<br />

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Sich in Lokal- und Regionalgruppen treffen<br />

Außerdem haben sich bereits einige übergemeindliche Lokal- und Regionalgruppen<br />

gebildet, die genau diesen Raum für Information, Austausch und Gebet bieten wollen.<br />

Der Vorteil einer solchen Gruppe ist, dass sie in mehrere Gemeinden gleichzeitig hineinwirken<br />

kann und es einfacher ist, gemeindeübergreifende Veranstaltungen oder<br />

Aktionen – etwa <strong>im</strong> Rahmen der örtlichen Evangelischen Allianz – zu organisieren.<br />

Ob OpenAir-Gottesdienste oder Innenstadt-Aktionen (wie Flashmobs, Infostände),<br />

Kooperationen mit anderen Gruppen (zum Beispiel Eine-Welt-Läden) oder politische<br />

Kampagnen- und Lobbyarbeit – das meiste lässt sich gemeinsam viel effektiver tun<br />

als allein.<br />

Politische Kampagnen- und Lobbyarbeit leisten<br />

Mit Petitionen und Unterschriftenaktionen möchten <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> und Micha-Initiative<br />

gern Einfluss auf politische Entscheidungen zugunsten der Armen nehmen. So<br />

lud <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> beispielsweise dazu ein, sich an einer Unterschriften- und Postkartenaktion<br />

zum Thema Wasser zu beteiligen. Der Schweizerische Bundespräsident<br />

wurde darin gebeten, sich für einen globalen Aktionsrahmen einzusetzen, der eine<br />

effektivere Umsetzung der Millenniumsziele ermöglicht, welche auch den Zugang<br />

zu Wasser und Sanitäranlagen vorsehen. Ein anderes Beispiel: Die Micha-Initiative<br />

ermutigte <strong>im</strong> April 2009 auf einer europaweiten Missionskonferenz 1.700 Jugendliche,<br />

Briefe an die EU-Kommission zu schreiben mit der Bitte, in Zeiten der Finanzkrise<br />

die Millenniumsziele und ganz besonders die Situation von Kindern nicht aus<br />

dem Blick zu verlieren. EU-Kommissar Ján Figel’, zuständig für Jugend und Bildung,<br />

nahm die Briefe persönlich in Empfang und nahm sich Zeit für Gespräche mit der<br />

Micha-Initiative über die Prioritäten der EU-Staaten und die Millenniumsziele.<br />

Neben diesen punktuellen Aktionen sucht die Micha-Initiative kontinuierlich das<br />

Gespräch mit Parlamentsabgeordneten. Dabei werden Christen ermutigt, sich vor<br />

Ort mit dem Abgeordneten ihres Wahlkreises zu treffen, über weltweite Armut ins<br />

Gespräch zu kommen und die Anliegen und Forderungen der Micha-Initiative vorzutragen.<br />

Die politische Arbeit von <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> und Micha-Initiative wächst und<br />

entwickelt sich stetig. Schwerpunkte werden gesetzt, Netzwerke mit anderen Organisationen<br />

und Bewegungen gebildet, verschiedene politische Ebenen miteinander verbunden.<br />

Eines ist aber sehr deutlich geworden in den ersten Jahren der Kampagnen:<br />

Ohne eine aktive Basis kann auch die politische Arbeit nicht geschehen. <strong>StopArmut</strong><br />

<strong>2015</strong> und Micha-Initiative leben von dem Engagement, den Ideen und der Unermüdlichkeit<br />

von Christen, die sich ehrenamtlich einbringen.<br />

Wo ist mein Platz?<br />

Spätestens jetzt ist klar: Gutes tun kann sehr vielfältig sein. Gerade auch bei einem<br />

so breiten Themenfeld wie globale Gerechtigkeit, in dem es zudem manchmal auch<br />

keine einfachen Antworten gibt. Schnell wird einem bewusst, dass das alles nur <strong>im</strong><br />

Gebet und in Demut vor Gott geschehen kann. Und am Ende muss man vielleicht tatsächlich<br />

fragen, was von all dem Guten für einen „jetzt eigentlich dran“ ist – und ob<br />

mein Engagement am Ende das Label <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> oder Micha-Initiative trägt. Da<br />

ist es beruhigend zu wissen, dass Gott der Handelnde ist und uns mit auf eine Reise<br />

n<strong>im</strong>mt, die uns herausfordern, aber nicht überfordern wird.<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 5: GESELLSCHAFT<br />

Foto: Privat<br />

Alexander Gentsch (geboren 1983)<br />

hat bei einem Auslandsjahr in<br />

Kenia seine Leidenschaft für Afrika<br />

und Gerechtigkeit entdeckt und<br />

<strong>im</strong> Anschluss in Bayreuth African<br />

Development Studies studiert. Dem<br />

folgte ein Jahr mit dem Weltbund<br />

der CVJM in Genf und das Master-<br />

Studium Global Studies, was ihn<br />

nach Leipzig, Südafrika und Polen<br />

führte. Seit Mai 2009 koordiniert er<br />

die Micha-Initiative in Deutschland.<br />

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162<br />

Just PEoPlE?<br />

Der Turmbau zu<br />

Babel ist sozusagen<br />

der erste<br />

menschliche Globalisierungsversuch.<br />

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Rolf zwick<br />

Die Kirche kann auch Globalisierung<br />

Die Globalisierung wird als das große Problem und Hindernis in Bezug auf gerechtere<br />

Strukturen in der Welt gesehen. Die Kirchen aber hätten weltweit die besten Voraussetzungen,<br />

eine alternative Globalisierung voranzubringen, die für mehr Gerechtigkeit<br />

sorgen kann.<br />

Allerdings ist auch klar, dass die großen Kirchen in Deutschland auf oft problematische<br />

Weise in die weltweiten Finanzstrukturen verwoben sind. So konnte die Oldenburgische<br />

Landeskirche 2008 4,5 Millionen Euro in den Wind schreiben, die sie bei<br />

der insolvent gegangenen Investmentbank Lehman Brothers angelegt hatte. Das Erzbistum<br />

Köln hofft, seine Schuldverschreibungen in Höhe von 5 Millionen bei Lehman<br />

Brothers wiederzubekommen, weil sie bei der deutschen Niederlassung gebucht wurden<br />

und so vom Einlagensicherungsfond gedeckt sind.<br />

Die Kirchen gehören dazu – eingewoben in das weltweite Finanznetzwerk. Und so<br />

wie jetzt einige Verluste offenbar werden, gehen wir davon aus, dass die deutschen<br />

Kirchen in der Vergangenheit auch <strong>im</strong>mer gut von diesem System profitiert haben –<br />

auch, damit wir Christen in Deutschland zu den Profiteuren der Globalisierung gehören.<br />

Die Gefahren und die Chancen der christlichen Gemeinde möchte ich zwischen den<br />

beiden Polen Babylon und Jerusalem betrachten. Dabei geht es mir um den Turmbau<br />

in Babylon aus dem Buch Genesis <strong>im</strong> Gegensatz zum Pfingsterlebnis der ersten Christen<br />

in Jerusalem.<br />

Der Turmbau zu Babel ist sozusagen der erste menschliche Globalisierungsversuch.<br />

Er widerspricht sehr deutlich der gottgegebenen Version von Freiheit und<br />

Gerechtigkeit.<br />

Die Menschen wollen eine sprachliche und kulturelle Einheit herstellen und göttliche<br />

Macht erringen. Aus Acker- und Weinbauern sind jetzt Stadtbewohner geworden.<br />

Sie beherrschen die Technologie des Ziegelbrennens und wollen als Zeichen<br />

ihrer technologischen Errungenschaften einen Turm bauen, der bis in den H<strong>im</strong>mel<br />

reicht. Gott sieht darin das zerstörerische Machtstreben der Menschen, die durch Vereinheitlichung<br />

von Kultur und Sprache meinen, alles erreichen zu können und sich<br />

nicht mehr an Gottes Weisungen halten zu müssen. Es ist der Versuch, eine Einheitskultur<br />

zu schaffen, die dann die Herrschaft über alle Menschen ermöglicht. Entdeckt<br />

ihr Parallelen?<br />

Gott selbst verhindert das größenwahnsinnige Projekt der Menschen gewaltlos,<br />

indem er ihre Sprachen verwirrt und sie in alle Länder zerstreut.<br />

Bereits zu Beginn also widerspricht das menschliche Streben, Machtverhältnisse zu<br />

eigenen Gunsten zu ordnen, dem Willen Gottes. Globalisierung nach Art des Menschen<br />

ist eine Sache. Gott hat da ganz andere Pläne. Immer wieder in der Geschichte<br />

Gottes mit seinem Volk prallen diese unterschiedlichen Sichtweisen aufeinander. Und<br />

das ist bis heute so.<br />

Wir machen, biblisch gesehen, einen großen Sprung. Zu Pfingsten wird die Sprachenvielfalt<br />

in ganz neuer Weise zu einem Zeichen Gottes: Es ist der Gegenentwurf zum<br />

Turmbau zu Babel. Die unterschiedlichsten Menschen werden Zeuge für das Wirken<br />

des Geistes Gottes. Die Menschen verstehen sich und empfinden Einheit durch den<br />

Heiligen Geist.<br />

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Eine ganz andere Globalisierung n<strong>im</strong>mt hier ihren Lauf. Petrus interpretiert dann<br />

in seiner Pfingstpredigt (nach Apostelgeschichte 2,14-21), dass es um eine grundsätzliche<br />

Erneuerung geht. Dazu zitiert er den Propheten Joel (3,1-5):<br />

„Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine St<strong>im</strong>me und redete zu ihnen: Ihr Juden, liebe<br />

Männer, und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, und lasst meine<br />

Worte zu euren Ohren eingehen! Denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es<br />

doch erst die dritte Stunde am Tage; sondern das ist’s, was durch den Propheten Joel<br />

gesagt worden ist: [Joel 3,1-5] ‚Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da<br />

will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter<br />

sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume<br />

haben; und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem<br />

Geist ausgießen, und sie sollen weissagen. Und ich will Wunder tun oben am H<strong>im</strong>mel und<br />

Zeichen unten auf Erden, Blut und Feuer und Rauchdampf; die Sonne soll in Finsternis<br />

und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe der große Tag der Offenbarung des Herrn<br />

kommt. Und es soll geschehen: wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll gerettet<br />

werden.‘“<br />

Es ist eine Umkehrung der Machtverhältnisse. Die, die sonst nichts zu sagen haben,<br />

die Jungen, die Alten, die Frauen, Mägde und Knechte, sie sagen die neue Zeit an.<br />

Durch den Geist Gottes entsteht die neue Sozialstruktur, die dann in den folgenden<br />

Kapiteln der Apostelgeschichte in ihren Auswirkungen auf die erste Gemeinde<br />

beschrieben wird.<br />

Hier geht es um gerechte Strukturen, in denen jede und jeder zu seinem Recht<br />

kommt. In vielen Texten des Neuen Testaments ist diese Umkehrung der Machtverhältnisse<br />

Thema. Jesus predigt diese Umkehrung durch seine Gleichnisse und Bildworte,<br />

aber auch in direkter Rede an die Frommen der Zeit. Er unterstreicht diese<br />

Vision vom Reich Gottes durch seine Zeichen und Wunder, die an unterschiedlichen<br />

Stellen das Machtgefüge damals hinterfragen.<br />

Es ist spannend, gerade die so gestellte Machtfrage auf die heutige Diskussion um<br />

weltweite gerechte Strukturen zu übertragen. Denn gerade wenn es um kooperative<br />

Regeln für den Welthandel geht, werden die bestehenden Machtverhältnisse nicht<br />

weiter hinterfragt. Wie können sich denn die Länder der Zweidrittel-Welt bei IWF<br />

(Internationaler Weltwährungsfonds) und Weltbank Gehör verschaffen, wenn die<br />

Industrieländer dort die Macht in Händen halten?<br />

Bei den Verhandlungen über die Neuordnung der Weltwirtschaft müsste eine Bevorzugung<br />

der armen Teilnehmer am Verhandlungstisch stattfinden. Es müsste, so wie<br />

bei Jesus, eine Priorität für die Armen geben. Tatsächlich ist es <strong>im</strong>mer noch umgekehrt.<br />

Das gilt auch für viele Beziehungen zwischen reichen und armen Kirchen weltweit.<br />

Der Wirtschaftswissenschaftler Klaus Lefringhausen hat das mal so ausgedrückt (und<br />

der Evangelist Ulrich Parzany zitiert ihn gern): „Die Vereinbarung zwischen Arm und<br />

Reich zum freien Welthandel ist in etwa wie die Vereinbarung zwischen Frosch und<br />

Storch über die Freiheit bei der Nahrungsmittelsuche.“<br />

Von Babylon bis Pfingsten lässt Gottes Wort keinen Zweifel daran, dass er kulturelle<br />

Vielfalt will, in der nicht eine Kultur über die andere herrscht. Vielmehr sollen diejenigen,<br />

die Macht haben, sie abgeben zugunsten derjenigen, die Unterdrückung erleiden.<br />

Das gilt in der Bibel von Anfang an. Und es gibt keinen Grund, dieses Gebot<br />

Gottes außer Kraft zu setzen, wenn wir über die eine neue Weltwirtschaftsordnung<br />

reden.<br />

Gott ist kein Globalisierungsgegner und Christen müssen es auch nicht sein. Aber sie<br />

sollten Globalisierungskritiker sein.<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 6: KIRCHE<br />

„Die Vereinbarung<br />

zwischen Arm und<br />

Reich zum freien<br />

Welthandel ist in<br />

etwa wie die Vereinbarungzwischen<br />

Frosch und<br />

Storch über die<br />

Freiheit bei der<br />

nahrungsmittelsuche.“<br />

Klaus Lefringhausen<br />

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164<br />

Just PEoPlE?<br />

In zeiten von weltweitenwirtschaftlichen<br />

Umbrüchen<br />

geht es um die<br />

Gerechtigkeit, wie<br />

sie dem Reich Gottes<br />

entspricht.<br />

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Sie sollten sich dafür stark machen, dass sich die globalen Machtverhältnisse in biblischem<br />

Sinne entwickeln. Und das bedeutet dann auf jeden Fall bessere Voraussetzungen<br />

für die Armen zu schaffen – weltweit und bei uns. Christen können deshalb ganz<br />

neue globale Netzwerke schaffen, ob das <strong>im</strong> Bereich der Kirchenverbünde und der<br />

weltweit vernetzten Vereine passiert oder speziell zu Fragen der Gerechtigkeit zum<br />

Beispiel mit der Micha-Initiative. Zeichenhaft kann diese Gemeinschaft auch vor Ort<br />

mit Menschen aller Nationen entstehen, die in unserer Nachbarschaft wohnen.<br />

Nun sind natürlich ganz schnell diejenigen auf dem Plan, die eine Politisierung des<br />

Evangeliums befürchten und gerne eine Priorität für die Verkündigung gegen das<br />

Engagement für Gerechtigkeit ausspielen wollen.<br />

Aber Jesus selbst fordert uns dazu auf, in alle Welt zu gehen und sein Evangelium zu<br />

verkündigen. Der Missionsbefehl aus Matthäus 28 („Gehet hin in alle Welt“) beinhaltet<br />

eben auch alles, was Jesus gelehrt hat. Und so gab es seit der Auferstehung Jesu eine<br />

globale Bewegung für das Reich Gottes. Und die Kirche darf man getrost als erste multi-<br />

nationale Organisation in der Geschichte bezeichnen. Denn sie reichte auch weiter<br />

als das scheinbar allmächtige Römische Reich.<br />

Bis heute werden <strong>im</strong>mer die neuesten technischen Errungenschaften genutzt, um das<br />

Evangelium in den letzten Winkeln der Erde zu verkündigen. Das war schon <strong>im</strong>mer<br />

so, ob in der Reformation mit dem Buchdruck oder heute durch das Internet.<br />

Natürlich dürfen wir nicht verdrängen, dass auch kirchliche Strukturen und die<br />

Mission für machtpolitische Zwecke missbraucht worden sind. Aber die Verkündigung<br />

des Evangeliums darf vom Inhalt her nie bestehende Ungerechtigkeiten unterstützen<br />

oder ignorieren, sondern muss versöhnend und verändernd wirken.<br />

In der weltweiten Lausanner Bewegung und der Weltweiten Evangelischen Allianz<br />

(WEA) zum Beispiel wird die verändernde Wirkung des Evangeliums mit dem Begriff<br />

„Transformation“ beschrieben. Auf einer WEA-Konferenz <strong>im</strong> Jahr 1983 hieß es: 1<br />

„Gemäß der biblischen Sicht des menschlichen Lebens ist Transformation der Wechsel<br />

von einer Existenz gegen Gottes Willen zu einem Leben, das die Fülle des Lebens in<br />

Einklang mit Gott selbst bedeutet (Johannes 10,10; Kolosser 3,8-15; Epheser 4,13).“<br />

Seit dieser Zeit ist Transformation <strong>im</strong> Sinne einer ganzheitlichen Sendung als Begriff<br />

gebraucht worden, der die Integration von Evangelisation und sozialem Engagement<br />

beschreibt. Dabei wird dieser Begriff sowohl für die Veränderung der Menschen als<br />

auch die Veränderung ganzer Gemeinschaften, Stadtteile, Dörfer oder Städte und<br />

eben auch der weltweiten Wirtschaftsbeziehungen gebraucht.<br />

Es gibt keinen Lebensbereich, der für die Mission Priorität hat, weil die Herrschaft<br />

Jesu Christi für alle wirtschaftlichen, religiösen, persönlichen und politischen Aspekte<br />

des Lebens gleichermaßen gilt. Es kommt auf den jeweiligen Kontext an. In den Zeiten<br />

der Apartheid war das Zeugnis von der Gleichheit aller Menschen vor Gott entscheidend,<br />

in Zeiten des Krieges und der Kriegstreiberei das Zeugnis vom biblischen<br />

Shalom. In Zeiten der Ausländerfeindlichkeit ist die verändernde Botschaft die von<br />

der Gastfreundschaft und Liebe Gottes. In Zeiten von weltweiten wirtschaftlichen<br />

Umbrüchen geht es um die Gerechtigkeit, wie sie dem Reich Gottes entspricht.<br />

Die Transformation, sowohl <strong>im</strong> persönlichen als auch <strong>im</strong> politischen Bereich, beginnt<br />

hier und heute, wird aber erst in der Ewigkeit vollendet. Die Zukunft hinterlässt ihre<br />

Spuren in der Gegenwart:<br />

1 Vgl. Samuel, Vinay und Sugden, Christopher (Hg.), The Church in Response to Human<br />

Need, Eugene/oregon, 2003.<br />

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„Wir alle sehen mit unverhülltem Gesicht die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel.<br />

Dabei werden wir selbst in sein Bild verwandelt [transformiert] und bekommen mehr<br />

und mehr Anteil an seiner Herrlichkeit“ (2. Korinther 3,18).<br />

Die Best<strong>im</strong>mung des Verhältnisses von Evangelisation und sozialer Verantwortung<br />

durch den Begriff Transformation macht die Diskussion darüber überflüssig, ob nicht<br />

die Verkündigung <strong>im</strong>mer Priorität vor allem anderen haben müsse. Es geht hier um<br />

integrale Mission, um die Veränderung, die nicht auf einzelne Bereiche des Individuums<br />

beschränkt werden darf. Der Begriff integrale Mission ist vor allem in der theologischen<br />

Grundlegung für die Micha-Initiative das Leitmotiv.<br />

Gerade in Missionsgesellschaften, insbesondere evangelikaler Prägung, wird <strong>im</strong>mer<br />

wieder die Priorität der Verkündigung betont. Gleichzeitig aber belegen Untersuchungen,<br />

dass in missionarischen Projekten weltweit nur etwa 10 Prozent der Zeit auf<br />

die Evangelisation verwandt wurde und 90 Prozent darauf, die Lebensumstände der<br />

Menschen zu verändern. 2<br />

Wenn Kirchen und Gemeinden Mission als Transformation verstehen, sich weltweit<br />

mit anderen Kirchen und Gemeinden vernetzen und diese Perspektive des Reiches<br />

Gottes in die Tat umsetzen, wird es große Fortschritte in Richtung einer gerechteren<br />

Welt <strong>im</strong> Sinne des biblischen Zeugnisses geben.<br />

Als Micha-Initiative verstehen wir uns als Teil dieser Reich-Gottes-Bewegung, die<br />

auch für eine andere Globalisierung steht.<br />

2 Vgl. Samuel, Vinay und Sugden, Chris, Mission as Transformation: A Theology of the<br />

Whole Gospel, oxford, 1999.<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 6: KIRCHE<br />

Foto: Privat<br />

Rolf Zwick (geboren 1956) ist<br />

Jugendpfarrer des Weigle-Hauses<br />

in Essen, eines evangelischen<br />

Jugendhauses, das schon seit<br />

Jahrzehnten versucht, <strong>im</strong>mer wieder<br />

auf die sich wandelnden sozialen<br />

und geistlichen Bedürfnisse von<br />

Jugendlichen einzugehen.<br />

Dass Gerechtigkeit ein großes<br />

Thema für Kirchen und Christen ist,<br />

hat er vor allem während der Apartheid<br />

in Südafrika und bei Begegnungen<br />

mit Christen aus dem globalen<br />

Süden gemerkt. Rolf zwick<br />

ist Vorsitzender des Arbeitskreises<br />

Micha-Initiative.<br />

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166<br />

Just PEoPlE?<br />

Wenn wir bereit<br />

sind zum Geben,<br />

wird Gott durch uns<br />

und unsere Gaben<br />

wirken.<br />

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Martin Bühlmann<br />

Gerechtigkeit<br />

Als Jesus von einem Schriftgelehrten gefragt wurde, welches von den vielen Geboten<br />

der Bibel eigentlich das wichtigste sei, antwortete Jesus mit dem berühmten „Du<br />

sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit<br />

all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das<br />

zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ 1 Ich habe mich mit der<br />

Frage befasst, wer mein Nächster sein könnte und wie diese Nächstenliebe, zu der ich<br />

als Christ aufgefordert bin, aussehen könnte. Als meine Nächsten sind sicher zuerst<br />

einmal die Menschen zu nennen, die sich in meinem unmittelbaren Umfeld befinden.<br />

Ich denke da etwa an Ehepartner, Familie, Freundinnen und Freunde. Im Zusammenhang<br />

dieses Artikels über Gerechtigkeit sehe ich aber pr<strong>im</strong>är und allgemein Menschen<br />

in Not als meine Nächsten.<br />

Wir lesen in der Bibel <strong>im</strong>mer wieder, wie Gott sich den Armen und Ausgegrenzten,<br />

den Menschen in Not, zugewandt hat. Jesu Nächste waren nicht bloß seine Jünger<br />

– auch dem Bettler am Tor zum Tempel oder den fünftausend hungrigen Menschen<br />

wandte er sich helfend zu, also allen Menschen, denen er begegnete und die<br />

Hilfe brauchten – unabhängig davon, ob sie ihn kannten, und unabhängig von den<br />

Gründen, warum diese Nächsten in einer Notlage steckten. Wenn wir den helfenden,<br />

den eingreifenden Jesus betrachten, sehen wir, dass es um mehr geht als menschlich<br />

oder weltlich zu helfen. Vielmehr geht es darum, Gottes Gerechtigkeit und Liebe weiterzutragen<br />

„wie <strong>im</strong> H<strong>im</strong>mel so auf Erden“: In der Geschichte der 5.000 Menschen,<br />

die Essen bekamen, brauchte Jesus die Bereitschaft eines Jungen, helfen zu wollen.<br />

Dieser Junge gab, was er hatte, und stellte es Jesus zur Verfügung, sodass es auf<br />

h<strong>im</strong>mlische Art und Weise vervielfacht wurde. Das bescheidene Geben dieses Jungen<br />

zeigt uns, dass wir uns nicht aus der Verantwortung ziehen können. Wir sollen geben!<br />

Wenn wir bereit sind zum Geben, wird Gott durch uns und unsere Gaben wirken. Für<br />

dich und mich geht es darum, dass wir uns an Gottes Herz orientieren: Wie fühlt Gott<br />

sich wohl bei dieser und jener Situation? Was möchte er, dass ich in dieser Situation<br />

tue? Wir als Töchter und Söhne Gottes haben die unglaubliche Möglichkeit, unser<br />

Herz mit seinem abzugleichen und unsere Sicht korrigieren zu lassen, unsere Augen<br />

und Herzen aufgehen zu lassen.<br />

Im Lukasevangelium folgt auf das wichtigste Gebot die Antwort auf die Frage, wer<br />

denn als unsere Nächste, als unser Nächster anzusehen ist. Im Gleichnis des barmherzigen<br />

Samariters zeigt Jesus auf, dass jeder, der in Not ist, der uns begegnet, als unser<br />

Nächster zu verstehen ist. Wenn wir also um die Not eines Menschen wissen und nicht<br />

handeln, sind wir wie der Priester, der am überfallenen, verletzten Mann vorübergeht.<br />

Wenn uns, um ein Beispiel zu nennen, ein drogensüchtiger Mann am Bahnhof<br />

um Kleingeld anbettelt, so haben wir meist alle unsere Prinzipien, wie wir auf so eine<br />

Situation reagieren: „Ich gebe prinzipiell nie“ oder „Ich gebe <strong>im</strong>mer“ oder „Ich gebe<br />

einmal pro Woche“. Be<strong>im</strong> Streben nach Gerechtigkeit geht es nun nicht darum herauszufinden,<br />

ob Christen prinzipiell <strong>im</strong>mer so oder anders handeln sollen. Wir müssen<br />

unsere Herzenshaltung überprüfen: Lasse ich mich von Gott gebrauchen? Dies<br />

können wir üben, indem wir auf Gottes St<strong>im</strong>me zu hören versuchen, wenn wir zum<br />

Beispiel jemanden sehen, die oder der uns gleich anbetteln wird. Dann werden wir<br />

vielleicht der Person kurz zuhören, ihr etwas Ermutigendes sagen, ihr etwas kaufen<br />

oder Geld geben. Vor allem aber sollen wir von unserer selbstgerechten Haltung wegkommen.<br />

Wenn ich denke, ich arbeite ja auch für mein Geld, dann ist das absolut<br />

1 Matthäus 22,37-39.<br />

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richtig! Aber Jesus liebt gerade die, die es nicht schaffen, die versagen und die nicht<br />

mehr aus ihrer Lage herauskommen. Unsere menschlichen Reaktionen mögen richtig<br />

sein – natürlich haben wir recht! Doch wollen wir nicht lieber über-natürlich leben?<br />

Wir wollen als lokale Gemeinde so leben, dass unser Glaube einen Unterschied macht.<br />

Also wollen wir uns mit der Gesellschaft, in der wir leben, und speziell mit ihrer Not<br />

auseinandersetzen und Wege finden, wie wir dieser Not begegnen können.<br />

Um die Not der Gesellschaft, in der die meisten von uns leben, zu veranschaulichen:<br />

Im Jahr 2005 befanden sich 13,2 Prozent der deutschen Bevölkerung – das sind 10,6<br />

Millionen Menschen – in Armut und insgesamt 34,4 Prozent der Menschen waren <strong>im</strong><br />

Niedrigeinkommensbereich tätig. 2 In der Schweiz waren <strong>im</strong> selben Jahr 360.000 Personen<br />

(8,5 Prozent) <strong>im</strong> Alter von 20 bis 59 Jahren von Armut betroffen; davon fielen<br />

12.000 in die Kategorie der Workingpoor. Das sind Menschen, die in einem Haushalt<br />

leben, in dem die Summe der geleisteten Arbeitsstunden aller Bewohner mindestens<br />

36 Stunden beträgt, aber dennoch nicht genügend Geld zusammenkommt, um über<br />

der Armutsgrenze zu sein. 3 Solche Zahlen st<strong>im</strong>men mich nachdenklich. Offensichtlich<br />

ist Armut für viele Menschen in unserem lokalen Umfeld eine Realität. Wie können<br />

wir dieser Not begegnen?<br />

Um eine Hilfe zu sein, um Gerechtigkeit zu schaffen, gibt es verschiedene Möglichkeiten.<br />

Wir können zum Beispiel Organisationen unterstützen, die sich um arme<br />

Menschen kümmern, oder können in unserer lokalen Gemeinde einen Barmherzigkeitsdienst<br />

anfangen. Solche praktischen Hilfeleistungen sind notwendig, aber als<br />

Christinnen und Christen sind wir herausgefordert, nicht dabei stehenzubleiben. Lieben<br />

erschöpft sich nicht <strong>im</strong> Geben. Es stellt sich nämlich darüber hinaus die Frage,<br />

ob wir bereit sind, den Menschen in Not zu begegnen, uns berührbar zu machen und<br />

zuzuhören. Oft liegt nämlich die Not nicht nur <strong>im</strong> finanziellen Bereich. So braucht<br />

zum Beispiel eine alleinerziehende Mutter nicht bloß Unterstützung in Form von<br />

Geld, sondern auch jemanden, der sich um ihre Kinder kümmert, ihr zuhört und ein<br />

offenes Herz für sie hat. Noch viel deutlicher wird dieser Punkt an einem anderen Beispiel:<br />

In unserer Gemeinde kommt regelmäßig nach den Gottesdiensten eine drogenabhängige<br />

Frau zu mir, will mit mir sprechen und für sich beten lassen. Was also ist<br />

es, das diese Frau sucht und braucht, ist es Hilfe in Form von Geld? Sicherlich nicht,<br />

denn was sie sucht, ist Zuwendung, Menschen, die ihr zuhören und sie annehmen<br />

so wie sie ist, die sie in ihren Herausforderungen ernst nehmen und sie begleiten. So<br />

wende ich mich ihr zu, nehme sie in meine Arme und bete für sie. Auch wenn Formen<br />

der organisierten Hilfe unabdingbar sind, lässt sich die Verantwortung, die wir als<br />

Christen gegenüber Menschen in Not haben, nicht an Organisationen und Institutionen<br />

delegieren. Schließlich gilt das Liebesgebot allen. Ich bin als Einzelner herausgefordert,<br />

mich in meiner Umgebung umzusehen und auf die Not, die mir begegnet,<br />

zu reagieren. Vielleicht wohnt ja nebenan so eine alleinerziehende Mutter, die froh<br />

wäre, wenn ich ihre Kinder hüten würde. Wir sehen also, dass es darum geht, die<br />

Augen offen zu halten und berührbar zu bleiben. So kann die Liebe, die wir aufgefordert<br />

sind zu leben, bis zu meinem Nächsten durchdringen.<br />

Wir können gut <strong>im</strong> Kleinen anfangen, berührbar zu sein, auf Gott zu hören und seine<br />

Liebe und Gerechtigkeit zu leben. Denn Gründe, weshalb wir jemandem nicht dienen<br />

können, wird es <strong>im</strong>mer geben: keine Zeit, kein Geld, keine Sprachkenntnisse, keine<br />

richtigen Worte, keinen Mut und vieles mehr. Doch wir sind Kinder des mächtigen<br />

Gottes, der in unserer Schwachheit stark ist! In der Bibel finden wir als ein Beispiel<br />

2 http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Publikationen/Querschnittsveroeffentlichungen/Datenreport/Downloads/<br />

DEinkommen,property=file.pdf, 09.02.2009.<br />

3 http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/news/publikationen.Document.89824.<br />

pdf, 09.02.2009.<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 6: KIRCHE<br />

Unsere menschlichen<br />

Reaktionen<br />

mögen richtig sein<br />

– natürlich haben<br />

wir recht! Doch<br />

wollen wir nicht<br />

lieber über-<br />

natürlich leben?<br />

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Just PEoPlE?<br />

Es ist zum Beispiel<br />

absurd, eine<br />

Asyl- und Migrationsdebatte<br />

ohne<br />

Einbezug von wirtschaftlicherPerspektivlosigkeit<br />

in<br />

Auswanderungsländern<br />

zu führen.<br />

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dafür die Witwe, die keinen Geldbetrag spenden konnte, der wirklich weiterhilft, sondern<br />

nur ein wenig Kleingeld. Jedoch stellte sie das Geld Gott zur Verfügung und hat<br />

Gott nicht die Macht, das, was wir geben, zu vervielfachen? Der Geldbetrag spielt<br />

keine pr<strong>im</strong>äre Rolle be<strong>im</strong> Investieren in Gottes Reich, be<strong>im</strong> Herstellen von Gerechtigkeit.<br />

Wichtig sind unser Herz und unsere Beziehung zu Gott. Erst so kann die Entscheidung<br />

fallen: Doch, ich gebe! Auch wenn unzählige menschliche Gründe dagegen-<br />

sprechen. Noch einmal: Unsere weltliche Hilfe ist gut und unsere Beziehung mit Gott<br />

<strong>im</strong>mer wichtig – wenn diese zwei Bereiche verschmelzen, wenn wir Gott in unser Tun<br />

lassen und unser Tun von Gott leiten lassen, dann werden seine Kraft und Liebe durch<br />

uns fließen können!<br />

Neben praktischer Hilfe und persönlicher Zuwendung gibt es noch andere Möglichkeiten,<br />

wie wir Menschen in Not, die in unserem Umfeld leben, helfen können,<br />

nämlich indem wir uns auch politisch für die Rechte der Ausgegrenzten, der Armen<br />

und Bedürftigen einsetzen. Hierbei geht es mir weniger um Ideologien oder politische<br />

Ansichten, sondern vielmehr um die Frage, welches unsere politische Verantwortung<br />

den Armen gegenüber ist. Dass göttlich verstandene Gerechtigkeit nämlich <strong>im</strong>mer<br />

auch eine politische D<strong>im</strong>ension hat, sehen wir häufig <strong>im</strong> Alten Testament. So lesen<br />

wir in Jesaja 10,1-2: „Weh denen, die unheilvolle Gesetze erlassen und unerträgliche Vorschriften<br />

machen, um die Schwachen vom Gericht fern zu halten und den Armen meines<br />

Volkes ihr Recht zu rauben, um die Witwen auszubeuten und die Waisen auszuplündern.“<br />

Das Recht der am Rande Stehenden scheint Gott sehr wichtig zu sein – so wichtig,<br />

dass er jenen droht, die den Schwachen ihr Recht verwehren. Könnten wir dieses<br />

Anliegen Gottes sogar so verstehen, dass die politischen Rechte der Schwächeren mir<br />

wichtiger sein sollen als meine eigenen beziehungsweise mein eigener Vorteil? So<br />

oder so kommen wir nicht darum herum, unsere politischen Überzeugungen daraufhin<br />

zu prüfen, wessen Anliegen wir dabei ins Zentrum stellen. Setzen wir uns für die<br />

Menschen ein, die benachteiligt sind, die selber keine St<strong>im</strong>me haben? Informiere ich<br />

mich über Themen, die solche Menschen betreffen? Und lasse ich mich in meinen<br />

politischen Ansichten davon herausfordern?<br />

Komischerweise begegnet uns die Not in unserem Umfeld oft weniger stark als die Not<br />

in Entwicklungsländern. Dies mag an den Massenmedien liegen, sicher aber daran,<br />

dass in vielen Drittweltländern die Armut erdrückend groß ist. Da sie mir durch Werbung<br />

einer Hilfsorganisation, durch die Nachrichten oder durch Immigranten <strong>im</strong>mer<br />

wieder begegnet, komme ich nicht darum herum, auf sie zu reagieren. Ich kann nicht<br />

weitergehen mit der Einstellung, es solle sich jemand anderes darum kümmern, denn<br />

auch hier bin ich gefordert, mich mit der Not auseinanderzusetzen, um ihr entgegenwirken<br />

zu können.<br />

Im Jahr 2005 belief sich die öffentliche Entwicklungshilfe aller Industriestaaten<br />

des Nordens an die 122 Länder der Dritten Welt auf 58 Milliarden US-Dollar. In demselben<br />

Jahr überwiesen diese Länder der Dritten Welt 482 (!) Milliarden US-Dollar<br />

Schuldendienst an die Banken des Nordens. Es leben heute etwa 1,8 Milliarden Menschen<br />

in äußerstem Elend mit weniger als einem Dollar pro Tag; gleichzeitig verdienen<br />

1 Prozent der Weltbevölkerung so viel wie 57 Prozent der Ärmsten dieser Erde. 4<br />

Dass wir als Bürgerinnen und Bürger eines dieser Länder des Nordens eine globale<br />

Verantwortung haben, lässt sich angesichts dieser Zahlen nicht abstreiten – zumal<br />

wir <strong>im</strong> deutschsprachigen Raum zu den reichsten 5 Prozent der Menschheit gehören.<br />

In unserem globalen Zeitalter sind die Zusammenhänge so komplex, dass sich eine<br />

Thematik oft nicht isoliert von anderen erklären lässt. Es ist zum Beispiel absurd, eine<br />

Asyl- und Migrationsdebatte ohne Einbezug von wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit<br />

in Auswanderungsländern zu führen. Diese hängt nicht nur mit Korruption, sondern<br />

auch mit mangelnder Bildung, mangelnder Gesundheit und schließlich auch mit der<br />

Verschuldung zusammen. Wir wissen, dass achtmal mehr Geld durch Schuldendienst<br />

in westliche Länder zurückfließt, als Drittweltländer an Entwicklungshilfe erhalten.<br />

4 ziegler, Jean, Das Imperium der Schande, München, 2005.<br />

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Können wir, wenn wir solche Fakten kennen, noch von einer „gerechten Ordnung“<br />

sprechen? Könnte eine Haltung, die nichts dagegen unternehmen will, nicht sogar<br />

unterlassene Hilfeleistung sein? Wenn wir aber mit dem Ausmaß der Not konfrontiert<br />

werden, fragen wir uns schnell einmal, ob Veränderung wirklich möglich ist. Dabei<br />

sollte nicht diese Frage ins Zentrum gestellt werden und unser Handeln best<strong>im</strong>men<br />

– dass die Lage aussichtslos scheint, ist klar. Vielmehr geht es um unsere Verantwortung<br />

für Gottes Schöpfung, für die von ihm gemachten und geliebten Menschen. Als<br />

Christen und somit auch als Gemeinde haben wir die Verantwortung, ein Spiegel Gottes<br />

zu sein – in allen Bereichen. Wir haben einen klaren Auftrag – Gott, unseren Vater,<br />

von ganzem Herzen zu lieben und unsere Nächsten wie uns selbst – und es geht nicht<br />

um unsere Möglichkeiten, sondern um unsere Bereitschaft, in seinen Möglichkeiten<br />

zu leben, uns <strong>im</strong> Großen wie <strong>im</strong> Kleinen dem allmächtigen Gott zur Verfügung zu<br />

stellen. Nachdem wir einen Blick auf unsere globale Verantwortung geworfen haben,<br />

was also können wir konkret tun?<br />

Zusätzlich dazu, dass wir uns überhaupt über die globalen D<strong>im</strong>ensionen der Armut<br />

informieren und dieses Thema in unseren Gemeinden ansprechen, können wir Initiativen<br />

wie die Micha-Initiative und <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> unterstützen, welche sich für die<br />

Sache der Ärmsten einsetzen. Auch in unserem Alltag gibt es Gelegenheiten, sich für<br />

mehr Gerechtigkeit einzusetzen, zum Beispiel bei den anfallenden Einkäufen: Ist es<br />

mir wichtig, dass Arbeiterinnen und Arbeiter, die an der Produktion eines Konsumguts<br />

beteiligt waren, auch richtig entlohnt werden? FairTrade ist nicht einfach ein<br />

nettes Etikett, sondern die Garantie, dass jede beteiligte Arbeiterin und jeder beteiligte<br />

Arbeiter angemessen entlohnt wird. Diese Sicherheit haben wir bei anderen Produkten<br />

nicht. Indem ich also einen für mich kleinen Aufpreis für FairTrade-Produkte<br />

zahle, kann ich schon sicherstellen, dass mehr und mehr Produzenten von meinen<br />

Konsumgütern angemessen entlohnt werden, dass ihre Kinder zur Schule gehen können.<br />

Ich schenke mit meinem Einkauf Perspektive!<br />

Weiter kann ich mich fragen, warum meistens einhe<strong>im</strong>isches Gemüse teurer ist als<br />

<strong>im</strong>portiertes. Neben Tiefstlöhnen und billiger, umweltschädlicher Produktion spielen<br />

auch staatliche Subventionen eine wichtige Rolle auf dem internationalen Agrarmarkt.<br />

So verlangen die meisten westlichen reichen Länder als Gegenleistung für Entwicklungshilfe<br />

oder Kredite, dass die kreditbeantragenden Länder Zollgebühren für<br />

Gemüse aus den reichen Ländern massiv senken oder ganz weglassen. Dadurch ist<br />

Gemüse aus Europa auf afrikanischen Märkten billiger als einhe<strong>im</strong>ische Produkte. In<br />

weiten Teilen Afrikas wird so die Landwirtschaft und somit ein wichtiges Standbein<br />

der jeweiligen Länder ruiniert. Wollen wir dies durch Käufe solcher subventionierter<br />

Produkte unterstützen?<br />

Als Gemeinde bieten sich uns <strong>im</strong>mer wieder Gelegenheiten, Armut zum Thema zu<br />

machen – sei es innerhalb von Gottesdiensten oder in speziellen Veranstaltungen. Wir<br />

können uns auch nach Gottes Perspektive ausstrecken, indem wir Gebetskreise gründen,<br />

in denen spezifisch für diese Thematik gebetet wird. In der Vineyard Bern haben<br />

wir eine Gruppe von Menschen, die sich für Mikrokredite für Menschen in Togo einsetzen.<br />

So haben wir viele unterschiedliche, wunderbare Möglichkeiten, uns lokal<br />

oder global nach Gottes Gerechtigkeit auszustrecken und seine Liebe zu leben.<br />

Wir als Christen sind aufgefordert, unseren Nächsten zu lieben. Unser Nächster ist<br />

der, der mir begegnet – wie mein Nachbar oder die hungerleidende Frau auf der Broschüre<br />

einer Hilfsorganisation. Das Wissen um die Not meiner Nächsten bringt Verantwortung<br />

mit sich. Ich bin nämlich herausgefordert, mich mit dieser Not auseinanderzusetzen<br />

und nach bestem Wissen und Gewissen diese meine Nächsten zu lieben<br />

– mit all meinen Möglichkeiten!<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 6: KIRCHE<br />

Foto: fortiss<strong>im</strong>o<br />

Martin Bühlmann (geboren 1955)<br />

ist Gründer und Leiter von Vineyard<br />

Bern, Leiter von Vineyard Berlin<br />

und von Vineyard D.A.CH.<br />

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170<br />

Just PEoPlE?<br />

Du kannst nicht<br />

Lobpreislieder singen<br />

und vorbeigehen,<br />

wenn andere<br />

verwundet sind.<br />

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Christina Brudereck<br />

Wer in Gott eintaucht, wird neben den<br />

Armen auftauchen<br />

Jesus war unterwegs. Er hatte in dieser Welt kein Zuhause. Keine feste Adresse. Kein<br />

eigenes Z<strong>im</strong>mer und kein eigenes Bett. Keine Lieblingstasse <strong>im</strong> Schrank. Er war darauf<br />

angewiesen, dass andere ihr Zuhause mit ihm teilten. Ihm ein Bett für die Nacht<br />

gaben. In ihrer Küche etwas zu essen kochten. Da heißt es, dass er oft in Bethanien<br />

war. Im Haus von drei Geschwistern: Maria, Martha und Lazarus.<br />

Eines Tages ist Jesus hier wieder zu Gast. Maria sitzt ihm zu Füßen und Martha arbeitet.<br />

Das hätte ruhig so weitergehen können; vielleicht war die Rollenverteilung klar.<br />

Aber dieses Mal beschwert sich Martha. So wurde mir die Geschichte <strong>im</strong>mer erzählt.<br />

Da gab es eine hübsche Maria, die alles richtig machte, und eine ältere Schwester<br />

Martha, die zwar sehr viel schuftete, aber am Ende das Wesentliche verpasste.<br />

Ich mochte diese Geschichte nicht. Denn ich mochte zwar Maria. Oh ja. Sehr sogar.<br />

Maria aus Bethanien. An anderer Stelle salbt sie Jesus die Füße. Sie muss weinen, so<br />

überwältigt ist sie von ihren Gefühlen ihm gegenüber. Sie verdankt ihm alles. Sie liebt<br />

viel, weil ihr viel vergeben wurde. Ich mochte, dass sie sich Zeit n<strong>im</strong>mt für Jesus. Ihm<br />

zuhört. Genau nachfragt. Wie in einer Bibelschule nur für sie alleine. Eine wunderschöne<br />

Vorstellung für mich. Aber es blieb ein blödes Gefühl, weil Martha so abgekanzelt<br />

worden war. Man sah sie vor sich: in der Küche, am Feuer, sie schwitzte und<br />

mühte sich, sie war <strong>im</strong> Stress.<br />

Könnte mal einer helfen? Mit anpacken?<br />

Was war so schlecht an der Idee, sie würden alle drei Kartoffeln schälen und dabei<br />

weiterreden? Schließlich muss die Arbeit getan werden. Ich mochte Maria. Martha<br />

tat mir leid.<br />

Lukas, der diese Geschichte aufschrieb, brachte das Ganze für mich in Balance. Denn<br />

die Geschichte der beiden Schwestern ist eingerahmt. Sie steht nicht für sich. Sie ist<br />

eingewoben in andere Dinge, die Jesus getan und gesagt hat. Dieser strenge Satz<br />

„Maria hat das gute Teil erwählt“ ist eingehüllt in mehr. Interessant, was da vorher<br />

und anschließend steht. Das „Vater Unser“ und „Das Gleichnis vom barmherzigen<br />

Samariter“.<br />

Hier entdecken wir: Jesus bringt uns ins Gleichgewicht. Er betont, wie wichtig<br />

das Beten ist. Das Hören. Die Beziehung zu Gott. Und das andere ist dem gleich und<br />

genauso wichtig: Die Beziehung zum Nächsten. Beten oder helfen, das sind keine<br />

Alternativen. Nur beide Schwestern gemeinsam beherbergen Jesus. Er war nicht<br />

alleine bei Maria zu Gast. Er besuchte sie beide.<br />

„Vater unser“ und „Barmherziger samariter“<br />

„Vater Unser“ und „Barmherziger Samariter“. Du kannst nicht beten, aber dich raushalten,<br />

wenn jemand auf der Straße liegt. Das ist die Botschaft an die Maria in uns.<br />

Und die Botschaft an die Martha in uns: Neben deiner Liebe zu den Armen brauchst<br />

du eine Quelle, die dir Kraft gibt, durchzuhalten; das ist Gott selbst.<br />

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Ein Priester und ein Oberpriester gehen an dem Verletzten vorbei. Sie, die genau<br />

wissen, was die Gebote sagen, die die Bibel kennen, kriegen die Liebe nicht von der<br />

Theorie in die Praxis, vom Kopf ins Herz und in die Hände, ins Portemonnaie. Du<br />

kannst nicht Lobpreislieder singen und vorbeigehen, wenn andere verwundet sind.<br />

Von einer Schlägerei zwischen zwei Jugendbanden. Oder verletzt von einer Bombe.<br />

In einem der vielen Kriege. Es lässt die Martha in dir nicht ruhig schlafen. Und sie hat<br />

recht.<br />

Ein Samariter, ein Außenseiter, hilft und wird zum Vorbild. Ihm sagt Jesus: Wenn<br />

du dich kümmerst, weil das Leid, das du siehst, dich in Aktion bringt, du Wunden<br />

heilst, zuhörst, dein Geld teilst, engagiert bist, für Kinder, Teens, deinen Stadtteil, für<br />

Gerechtigkeit, für Frieden, für alte Menschen, Asylbewerber, Aidswaisen, Arbeitslose<br />

– dann gibt es eine große Einladung: Mach es nicht aus eigener Kraft. Du bist nicht<br />

alleine. Du kannst beten, alles mit Gott besprechen. Dich an ihn anlehnen, bei ihm<br />

ausruhen und auftanken.<br />

Evangelikal oder sozial?<br />

Evangelikal oder sozial? Das sind keine Alternativen. Das gehört zusammen. Wie zwei<br />

Schwestern. Einseitigkeit zerstört die Balance von Jesus. Wer in Gott eintaucht, wird<br />

neben den Armen auftauchen. Das ist die jesuanische Bewegung. Sein Grundmotiv.<br />

Immer wieder nah am Herzen Gottes sein und dann Liebe weiterschenken.<br />

Jesus sprach vom Brot des Lebens und hat den Zuhörenden zu essen gegeben. Brot<br />

des Lebens: Maria war glücklich und verstand sofort. Aber hungrig kann man so<br />

schlecht zuhören. Martha kümmerte sich um die leiblichen Sorgen.<br />

Jesus hat sich in die Stille zurückgezogen, auf einen Berg, in einen Garten, am frühen<br />

Morgen Zeit mit Gott verbracht, weit weg von den Massen; dann ist er <strong>im</strong>mer wieder<br />

zurückgekommen; zu den Menschen, die ihn brauchten; Kinder, Frauen, Outcasts,<br />

suchende Gelehrte, Kranke, Arme. Er hat in Balance gelebt.<br />

War er evangelikal? Nun – das Evangelium war das Wichtigste für ihn, die gute Nachricht<br />

von der Liebe Gottes. War er evangelikal? Er war Evangelium; selber eine gute<br />

Nachricht.<br />

War er sozial? Er hat nicht für sich gelebt, sondern geteilt, was er liebt. Er war<br />

zugänglich, für alle, ohne Bedingung. Er hat in Gemeinschaft gelebt, ein großer<br />

Schenker und Ermöglicher. Er war ein Mensch in Balance. Ein Liebender. Die vier<br />

Weisen der Liebe hat er alle vollkommen gelebt: Gottesliebe, Nächstenliebe, Selbstliebe,<br />

Entfeindungsliebe. Gott ganz zugeneigt. Für den Nächsten da. Seiner selbst<br />

gewiss. Und hat seine Feinde geliebt, diese Welt versöhnt, als alles dunkel war, weitergeliebt.<br />

Als ich in Südafrika lebte, habe ich einen Prediger kennengelernt, der hatte in seiner<br />

Bibel alle Stellen markiert, in denen es um Gerechtigkeit geht. Um die Armen.<br />

Zum Beispiel um die Versorgung der Witwen. Um die Waisen. Die vielen Kinder ohne<br />

Eltern. Um Ausgleich. Um Entschuldung. Ums Teilen. Um die Gefahr des Reichtums.<br />

Um die Macht des Mammons, des Geldes. Um Frieden, um Gewalt. Dann hatte er<br />

diese Stellen ausgeschnitten. Die Bibel dieses Predigers war eine Bibel voller Löcher.<br />

Total zerfleddert. Er war selber weiß und gut ausgebildet. Und sagte zu den weißen,<br />

reichen, frommen Christen Südafrikas: Das ist die Bibel, die ihr lest. Sie hat lauter<br />

Löcher. Ihr habt sie mit eurem Verhalten kaputt gemacht. Wenn ihr betet: „Vater Unser<br />

<strong>im</strong> H<strong>im</strong>mel…“, dann ist es auch der Vater der schwarzen Kinder <strong>im</strong> Slum nebenan.<br />

Aber sie werden euch nur glauben, wenn ihr von Gott, dem Vater redet, wenn ihr wei-<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 6: KIRCHE<br />

War Jesus evangelikal?<br />

– Er war<br />

Evangelium; selber<br />

eine gute nachricht.<br />

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172<br />

Just PEoPlE?<br />

Gebet und Aktion<br />

brauchen sich<br />

gegenseitig. Sie<br />

gehören zu einer<br />

Familie. Wer in<br />

Gott eintaucht, wird<br />

bei Menschen auftauchen.<br />

Immer,<br />

<strong>im</strong>mer wieder.<br />

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terbetet: „Unser! tägliches Brot gib uns heute…“ Wenn ihr nicht nur an euer eigenes<br />

Brot denkt, sondern an Brot für alle. Sonst seid ihr unglaubwürdig. Entweder teilen<br />

wir oder wir sind Diebe.<br />

so eng wie zwei schwestern<br />

Das Gebet und die Aktion gehören zusammen. So eng wie zwei Schwestern. Lobpreis,<br />

singen, Jesus sagen, dass wir ihn lieben und ehren und politisches Interesse, wählen<br />

gehen, seine St<strong>im</strong>me nutzen. Evangelisation und Entwicklungshilfe. Bibel lesen<br />

und Zeitung lesen. Wasser des Lebens und Brunnenprojekte mit Trinkwasser. Gottesdienst<br />

und Politik. Schweigezeiten, Meditation, Stille und demonstrieren gehen.<br />

Sich segnen lassen und sich einmischen, mitdiskutieren. Sich Frieden zusprechen<br />

und Friedensdienst.<br />

Denn der Durst der Seele und der Durst nach frischem Wasser strecken sich in dieselbe<br />

Richtung; eben zu Gott. Ich meine, wir leben in einer Zeit, in der wir diese Balance<br />

dringend brauchen. Menschen in Balance wie Jesus. Mit Liebe zu Gott, dem Größten,<br />

was wir sagen können, unabhängige Autorität. Mit Liebe zur Familie Mensch. Verwoben<br />

mit allen, egal wo sie leben, was sie glauben, wie sie beten, welche Hautfarbe,<br />

welche Sprache. Mit Liebe zu sich selbst. Die eigene Würde, die eigene Lebensberufung.<br />

Und Liebe auch noch dann, wenn andere, du selbst, Gott dir feindlich, fremd<br />

sind.<br />

Arundhati Roy, die indische Aktivistin, Schriftstellerin, sagt es so:<br />

Liebe.<br />

Und lass dich lieben.<br />

Vergiss niemals deine eigene Bedeutung.<br />

Gewöhn dich nie an die unsagbare Gewalt,<br />

die Gemeinheit und Verzweiflung um dich herum.<br />

Such Freude und Schönheit noch in den dunkelsten Orten.<br />

Vereinfache nicht, was komplex ist,<br />

und verkompliziere nicht, was einfach ist.<br />

Respektiere Stärke, aber nicht bloße Macht.<br />

Beobachte.<br />

Und versuche, zu verstehen.<br />

Guck nicht weg.<br />

Eine andere Welt ist möglich.<br />

Sie ist auf dem Weg.<br />

An einem stillen Tag kann ich sie atmen hören.<br />

Das bedeutet konkret:<br />

Ich denke zum Beispiel an ein Abendessen vor 20 Jahren, das sehr wichtig für mich<br />

war. Um den Tisch saßen sieben Erwachsene, zwei Kinder und ich als Gast. Sie lebten<br />

in einer christlichen Kommunität. Einer davon Pfarrer, eine Diakonieschwester. Die<br />

beiden sind den ganzen Tag lang in der Gemeinde unterwegs gewesen. Wenn sie am<br />

Ende des Monats ihre Gehaltsabrechnung bekommen, sehen sie deutlich, dass die<br />

Arbeit des einen wesentlich besser bezahlt wird. Die sieben meinten irgendwann: In<br />

der ersten Gemeinde, bei Petrus und Stephanus, war das sicher nicht so und der Prediger<br />

bekam nicht mehr als der Diakon.<br />

Also beschlossen sie, zu teilen. Ein Haus, zwei Autos, ihren Glauben, Arbeit,<br />

Gemeinde, Zeit und ihr Geld. Das hat mich sehr berührt und sehr überzeugt. Ich fand<br />

einfach: Die machen das irgendwie richtig.<br />

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Ein anderes Erlebnis: Da gab es ein kleines Z<strong>im</strong>mer <strong>im</strong> selben Haus, oben unterm<br />

Dach. Jemand saß da und las Bibel. Und erzählt mir von einer Entdeckung: „Heiligt<br />

das fünfzigste Jahr und verkündet Freiheit für alle Bewohner. Ein Erlassjahr soll es für<br />

euch sein“ (3. Mose/Levitikus 25,10). Aus der Entdeckung wurde eine Kampagne:<br />

„Erlassjahr 2000“.<br />

Eine Initiative, die sich für einen weit reichenden Schuldenerlass für die armen<br />

Länder der Erde stark macht.<br />

Ein weiteres Erlebnis: 10. Mai 1994, Pretoria, Südafrika. Nelson Mandela war als klarer<br />

Sieger aus den ersten freien Wahlen hervorgegangen und wurde als Präsident vereidigt.<br />

Ein schwarzer Pastor erzählt, wie er aus einer Gemeinde rausgeworfen wurde,<br />

weil er für Mandela gebetet hatte. Andere erzählen, wie sie teilweise unter Lebensgefahr<br />

für Gerechtigkeit und Freiheit gekämpft haben. Ich hörte nur zu und staunte.<br />

Dann kam Bischof Tutu strahlend auf die Bühne und las aus dem Buch des Propheten<br />

Jesaja vor: „Es sollen keine Kinder mehr da sein, die nur einige Tage leben. Sie werden<br />

nicht mehr Häuser bauen, die ein anderer bewohnt. Wolf und Schaf sollen beieinander<br />

weiden“ (aus Jesaja 65,20-25).<br />

Ich habe damals eine ganze Woche lang geweint.<br />

Die News der Zeitung und der Fernsehnachrichten veränderten meine Gebete. Meine<br />

Reisen nach Indien und Afrika veränderten meine Gebete. Und nur deshalb kann ich<br />

glauben, ist auch das Umgekehrte wahr: Unsere Gebete verändern diese Welt und ihre<br />

Nachrichten. Unsere Gebete verändern meine Reisen, verändern Indien und Afrika.<br />

Gebet und Aktion brauchen sich gegenseitig. Sie gehören zu einer Familie. Wer in<br />

Gott eintaucht, wird bei Menschen auftauchen. Immer, <strong>im</strong>mer wieder.<br />

Es gibt so viele beeindruckende Geschichten. George Williams, der in der Zeit der<br />

Industrialisierung den YMCA gründete und so in London und von dort aus weltweit<br />

in den Großstädten ein Zuhause für junge Menschen schuf. Oder Mutter Teresa, die<br />

uns auffordert: Finde dein Kalkutta! Oder Bono. Er nutzt seine St<strong>im</strong>me, seine Band<br />

U2, Musik, Texte, Engagement. Oder Neela Marikkar, Christin, Friedensaktivistin aus<br />

Sri Lanka.<br />

Oder zu Hause bei mir:<br />

In meiner Gemeinde engagieren sich circa zehn junge Erwachsene bei Kapito!, einer<br />

Hausaufgabenhilfe für Kinder <strong>im</strong> sozialen Brennpunkt. Oder: Becci möchte nur noch<br />

faire Klamotten tragen. Ohne Kinderarbeit hergestellt. Konsequent schreibt sie Firmen<br />

an: Wo werden diese Turnschuhe hergestellt?<br />

Beispiele, wie Gebet und Aktion, Mission und Barmherzigkeit zusammenkommen.<br />

Eben auch diese: Vom Propheten Micha herausgefordert, entstand die Micha-<br />

Initiative. Micah Challenge ist ein weltweites Bündnis evangelikaler Gruppen. Es<br />

drängt auf die Erfüllung des Versprechens der Weltgemeinschaft, bis <strong>2015</strong> die extreme<br />

Armut weltweit zu halbieren. Denn die jungen wilden Michas haben entdeckt,<br />

dass es tatsächlich st<strong>im</strong>mt: Wer einmal in Gott eingetaucht ist, wird <strong>im</strong>mer wieder bei<br />

den Armen auftauchen.<br />

VERTIEFUnGSARTIKEL 6: KIRCHE<br />

Foto: Privat<br />

Christina Brudereck (geboren<br />

1969) ist Theologin, Schriftstellerin<br />

und viel gefragte Rednerin.<br />

Ihre Leidenschaft für eine Kirche,<br />

die sich weltweit für andere stark<br />

macht, hat sie durch zahlreiche Aufenthalte<br />

in Südostasien und Südafrika<br />

entwickelt. Sie liebt U2, Lyrik,<br />

Blumen, indisches Essen und das<br />

Ruhrgebiet, wo sie in einer christlichen<br />

Hausgemeinschaft lebt.<br />

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Just PEoPlE?<br />

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JUST PEoPLE? –<br />

so GEHt’s<br />

„Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir erwartet:<br />

Nichts anderes als dies: Recht tun, Güte und Treue lieben, in Ehrfurcht den Weg<br />

gehen mit deinem Gott.“<br />

(Micha 6,8)<br />

liebe Kursleitung,<br />

dieser ganze Buchteil ist vor allem für dich. Hier kannst du alle notwendigen<br />

Hintergrundinfos nachlesen, damit der Kurs ein Erfolg wird.<br />

Super, dass du mitmachst und dich engagierst! (Mehr dazu <strong>im</strong> letzten<br />

Kapitel dieser Kursanleitung: Freu dich schon mal drauf!)<br />

Also dann: Lern den Kurs kennen!<br />

Lieben Gruß,<br />

Micha-Initiative Deutschland und <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> Schweiz<br />

KURSAnLEITUnG<br />

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Just PEoPlE?<br />

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Inhaltsverzeichnis<br />

1. Zuvor ..................................................................................................................177<br />

1.1. Warum dieser Kurs Just People? heißt ..............................................177<br />

1.2. Fürs Erste: Kurzer Überblick ..............................................................177<br />

2. Wozu eigentlich Just People? ..........................................................................178<br />

2.1. Dahin! – Das wollen wir .......................................................................178<br />

2.2. Die große Idee: Integrale Mission .......................................................178<br />

2.3. Von dort kommen wir: Die Just People?-Thesen ...............................179<br />

2.4. nein! – Was der Kurs nicht ist und nicht will ......................................180<br />

3. Wortwahl: Erklärung wichtiger Begriffe ........................................................181<br />

4. Die Kurseinheiten .............................................................................................183<br />

4.1. Hier entlang! – Ablauf einer Kurseinheit ............................................183<br />

4.2. Bedien dich! – Unsere Methodenkiste ................................................184<br />

4.3. Guten Appetit! – Gemeinsam essen und trinken ................................185<br />

5. Selber machen: Die Just People?-Aktion .......................................................185<br />

5.1. Auf die Plätze! – Planung vor und <strong>im</strong> Kurs .........................................185<br />

5.2. Keine Ein-Frau/Mann-Show: Deine Rolle bei der Just People?-<br />

Aktion ..........................................................................................................185<br />

6. So klappt’s: Rahmenbedingungen des Kurses ...............................................186<br />

6.1. Generell: Wer kann teilnehmen? ........................................................186<br />

6.2. Gruppen: Wer kann mitmachen? ........................................................186<br />

6.3. Wie groß sollte die Kursgruppe sein? .................................................187<br />

6.4. Wie lang dauert Just People?..............................................................187<br />

6.5. Wohin mit Just People? .......................................................................188<br />

6.6. Welches Material braucht Just People? .............................................188<br />

7. To-do-Liste für die Kursleitung .......................................................................188<br />

7.1. Vor allem: Du selbst! ...........................................................................188<br />

7.2. Für Just People? gewinnen – Werbung und Anmeldung ...................189<br />

7.3. Da fängt’s schon an – Was vor den Kurseinheiten zu tun ist ..............189<br />

7.4. Aber <strong>im</strong>mer doch! – offen, respektvoll und ehrlich ...........................189<br />

7.5. Immer mit der Ruhe – Hilfe zum Besinnen ........................................189<br />

7.6. Dein großer Auftritt: Referate vorbereiten und halten .......................190<br />

7.7. Und jetzt? – Wie weiter nach dem Kurs? ............................................190<br />

7.8. Hilfreiche Feedbacks: Dein Geschenk an uns ....................................191<br />

8. Frag uns! ...........................................................................................................191<br />

9. Dank dir! ............................................................................................................191<br />

Das Perlenspiel .....................................................................................................192<br />

Übersichten zu den Kurseinheiten ......................................................................195<br />

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1. Zuvor<br />

1.1. Warum dieser Kurs Just People? heißt<br />

Just People? heißt der englischsprachige Kurs von Micah Challenge UK, auf<br />

dem dieser deutschsprachige Kurs basiert. Für diesen sind <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong><br />

Schweiz und die Micha-Initiative Deutschland verantwortlich. Die beiden<br />

Kampagnen gehören zur weltweiten Micah Challenge-Kampagne, welche<br />

weltweit Regierungen an ihr Versprechen erinnern will, bis <strong>2015</strong> die extreme<br />

Armut zu halbieren. Dieses Versprechen haben <strong>im</strong> Jahr 2000 nahezu alle<br />

Regierungen der Welt <strong>im</strong> Rahmen der UN-Millenniumsziele gegeben. Weiter<br />

will Micah Challenge Christen dazu ermutigen, sich selbst mehr für die<br />

Armen dieser Welt einzusetzen. Der Bibelvers Micha 6,8 hat dieser Kampagne<br />

den Namen gegeben. 1<br />

Der Kurstitel Just People? ist doppeldeutig und stellt damit eine Frage, denn<br />

just kann sowohl „nur“ als auch „gerecht“ heißen. Sind wir just people, nur<br />

Menschen, sind also unsere guten Taten lediglich ein Tropfen auf den heißen<br />

Stein, oder sind wir just people, Menschen, die nach Gerechtigkeit streben?<br />

1.2. Fürs Erste: Kurzer Überblick<br />

Just People? besteht aus sechs Kurseinheiten und einer Aktion. Im Zentrum<br />

der Kurseinheiten steht das Referat mit Diskussionsteilen, das von anderen<br />

abwechslungsreichen Elementen ergänzt und umrahmt wird. In den ersten<br />

drei Kurseinheiten wird die Armutsproblematik aus zwei Blickwinkeln<br />

beleuchtet, nämlich von der gesamtgesellschaftlichen einerseits und von<br />

der biblisch-theologischen andererseits. Dabei führen wir ein ganzheitliches<br />

Missionsverständnis ein, das wir „integrale Mission“ nennen. Die Titel und<br />

Slogans der ersten drei Kurseinheiten lauten:<br />

1: Welt – einfach wegschauen?<br />

2: Bibel – einfach überlesen?<br />

3: Mission – einfach predigen?<br />

In den letzten drei Kurseinheiten setzen sich die Kursteilnehmerinnen und<br />

Kursteilnehmer (<strong>im</strong> Folgenden: TN) damit auseinander, wie sie ihren persönlichen<br />

Lebensstil und ihr gesellschaftliches Auftreten gerechter gestalten<br />

können. Dabei geht es auch um die Bedeutung von Kirche, da integrale Mission<br />

umfassend nur als Gemeinschaft gelebt werden kann. Die Titel und Slogans<br />

der letzten drei Kurseinheiten lauten:<br />

4: Ich – gerechter leben?<br />

5: Gesellschaft – gerechter gestalten?<br />

6: Kirche – gerechter nachfolgen?<br />

Fester Bestandteil des Kurses ist ein konkretes Projekt, die Just People?-<br />

Aktion. Während der letzten beiden Kurseinheiten wird diese Aktion geplant<br />

und anschließend durchgeführt. Dabei soll Gelerntes kreativ umgesetzt und<br />

die Erfahrung gemacht werden, wie es ist, sich für benachteiligte Menschen<br />

in anderen Teilen der Welt einzusetzen.<br />

1 Dieser Vers wird <strong>im</strong> Referat 3 auf Seite 49 behandelt.<br />

KURSAnLEITUnG So GEHT’S<br />

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Just PEoPlE?<br />

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2. Wozu eigentlich Just People?<br />

2.1. Dahin! – Das wollen wir<br />

Just People? will die TN auf vier verschiedenen Ebenen für Armut und<br />

Gerechtigkeit sensibilisieren:<br />

• Information: Die TN werden <strong>im</strong> Kurs über die Situation auf der Welt<br />

bezüglich Armut und Gerechtigkeit informiert und lernen die biblischtheologischen<br />

Hintergründe zu diesem Thema kennen.<br />

• Reflexion: Die Kursinhalte fordern zur Reflexion des eigenen Missionsverständnisses<br />

und Lebensstils heraus.<br />

• Aktion: Im Rahmen des Kurses wird ein konkretes Projekt zum Thema<br />

ausgearbeitet und realisiert.<br />

• Multiplikation: Durch das multifunktionale Kursbuch sind alle TN<br />

grundsätzlich <strong>im</strong>stande, später selbst einen Just People?-Kurs zu starten.<br />

2.2. Die große Idee: Integrale Mission<br />

In Kurseinheit 3 wird folgender Abschnitt aus der „Micha-Erklärung zur integralen<br />

Mission“ 2 behandelt:<br />

Integrale Mission oder ganzheitliche Veränderung ist die Verkündigung<br />

und praktische Umsetzung des Evangeliums. Dies bedeutet nicht einfach,<br />

dass Evangelisation und soziales Engagement parallel erfolgen sollten.<br />

Vielmehr hat unsere Verkündigung bei integraler Mission soziale Konsequenzen,<br />

weil wir Menschen zu Liebe und Umkehr in allen Lebensbereichen<br />

aufrufen. Ebenso hat unser soziales Engagement evangelistische<br />

Konsequenzen, da wir die umwandelnde Gnade Jesu Christi bezeugen.<br />

Die Welt zu ignorieren ist Verrat am Wort Gottes, das uns zum Dienst in<br />

der Welt beauftragt. Wenn wir das Wort Gottes ignorieren, haben wir der<br />

Welt nichts zu geben. Gerechtigkeit und die Rechtfertigung durch den<br />

Glauben, Anbetung und politische Aktion, geistliche und materielle, persönliche<br />

und strukturelle Veränderung gehören zusammen. Wie wir es <strong>im</strong><br />

Leben Jesu sehen können, ist die Verknüpfung von Sein, Tun und Reden<br />

das Herz ganzheitlicher Mission. 3<br />

In vielen Gemeinden wird diskutiert, wie sich die Verkündigung des Evangeliums<br />

und dessen praktische Umsetzung, gerade in Form von sozialem und<br />

politischem Engagement beziehungsweise Armutsbekämpfung, zueinander<br />

verhalten sollten. Im Sinne der Micha-Erklärung hoffen wir, dass sich durch<br />

die verschiedensten Gemeinden hindurch die Bereitschaft (weiter)entwickeln<br />

kann, einen integralen Zugang zu Mission zu finden.<br />

2 Die Micha-Erklärung kannst du in deutscher Fassung unter www.just-people.net<br />

herunterladen.<br />

3 The Micah Declaration on Integral Mission, in: Chester, T<strong>im</strong> (Hg.), Justice, Mercy and<br />

Humility: Integral Mission and the Poor, Carlisle, 2002, 19. Teilweise übersetzt nach:<br />

www.micha-initiative.de.<br />

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2.3. Von dort kommen wir: Die Just People?-thesen<br />

Just People? geht von ein paar Grundannahmen aus, die den Inhalt und das<br />

Ziel des Kurses prägen und an dieser Stelle thesenartig formuliert sind. Im<br />

Kurs selbst tauchen sie zwar nur indirekt auf, es kann aber je nach Kursgruppe<br />

und zeitlichem Rahmen auch sinnvoll sein, dass die TN die Thesen<br />

lesen und dazu Stellung beziehen.<br />

Geht hin! – Gesunde Gemeinden wirken nach außen.<br />

Just People? versteht missionarisches Engagement als einen Schlüssel für<br />

eine gesunde Gemeinde. Die Gemeinde ist dann gesund, wenn sie auch nach<br />

außen schaut – mit einer Sehnsucht, das Evangelium von Jesus Christus zu<br />

verkündigen und zu verkörpern. In Dietrich Bonhoeffers Worten: „Die Kirche<br />

ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist.“ 4 Dieser Fokus nach außen muss<br />

<strong>im</strong>mer wieder erneuert werden, weil man eher dazu neigt, nur das eigene<br />

Gärtchen zu pflegen. Vielleicht darf man in dieser Hinsicht sogar sagen: Gott<br />

hat keine Mission für seine Kirche, sondern eine Kirche für seine Mission.<br />

Zu kurz gekommen – Gerechtigkeit spielt in vielen Gemeinden nur eine<br />

nebenrolle.<br />

Wir glauben, dass Gerechtigkeit – und dazu gehört zwingend auch die soziale<br />

Gerechtigkeit 5 – in vielen Gemeinden stärker betont werden muss. Das<br />

betrifft sowohl die Theorie, also die Lehre und theologische Ausrichtung, aber<br />

auch die Praxis, also das Engagement und die gemeinsamen Aktionen. Zu oft<br />

spielen Christen, die sich für Gerechtigkeit engagieren, in ihren Gemeinden<br />

nur eine untergeordnete Rolle, was <strong>im</strong> krassen Widerspruch zur biblischen<br />

Überlieferung steht, in der Gerechtigkeit eines der Schlüsselthemen ist.<br />

Der Grund, zu dem ich stehe – Wer als Christ für Gerechtigkeit kämpft,<br />

steht auf einer breiten biblisch-theologischen Basis.<br />

Es ist ein wichtiges Ziel des Kurses zu verstehen, wie stark das Engagement<br />

für Gerechtigkeit – gerade zugunsten der Armen – in der Bibel zum Ausdruck<br />

kommt. Der Kurs baut auf unterschiedliche Bibeltexte des Alten und Neuen<br />

Testaments auf. Auf dieser Grundlage machen wir uns anschließend Gedanken<br />

zur konkreten Umsetzung.<br />

Komm und folge mir nach – Jesus hinterfragt unseren Lebensstil.<br />

Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass Jesu Aufforderungen zu<br />

Umgang mit Geld und Besitz 6 speziell für uns materiell reiche Menschen<br />

unbequem sind. Buße und Umkehr – so altbacken und überholt sich diese<br />

Begriffe auch <strong>im</strong>mer anhören mögen – dürfen <strong>im</strong> Kurs Platz haben. Allerdings<br />

geht es uns nicht einfach darum, Schuldgefühle zu wecken und die<br />

TN dann allein zu lassen. Wir wollen uns ehrlich und offen damit auseinandersetzen,<br />

was die Botschaft Jesu <strong>im</strong> Hier und Jetzt bedeutet. Dies kann<br />

4 Bonhoeffer, Dietrich, Widerstand und Ergebung, 3. Auflage, München, 1985, 415.<br />

5 Siehe Erklärung zum Gerechtigkeitsbegriff in dieser Kursanleitung auf Seite 181.<br />

6 Vgl. zum Beispiel die Liste von Bibelstellen auf Seite 36 und die intensive Auseinandersetzung<br />

mit Lukas 6,20-26 in Kurseinheit 2 auf Seite 33.<br />

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Prozesse in Gang setzen und Veränderungen ermöglichen.<br />

Selber machen! – Wer handelt, lernt mehr.<br />

Referate, Bibelstudien und Diskussionen sind <strong>im</strong> Kurs die entscheidenden<br />

Grundlagen. Allerdings lernt man dennoch vieles erst mit Händen und<br />

Füßen: Die konkrete Umsetzung von Ideen des Kurses bleibt am besten in<br />

Erinnerung und kann nachhaltig prägen. Daher ist auch die Just People?-<br />

Aktion elementarer Bestandteil des Kurses und kein freiwilliges Extra.<br />

Step by Step – Mit kleinen Schritten zu großen Veränderungen.<br />

In vielen Gemeinden werden wir herausgefordert, unseren Glauben <strong>im</strong> Alltag<br />

zu leben und dafür auch etwas zu riskieren. Dieser Kurs wirbt auch für<br />

einen ganzheitlich gelebten Glauben. Allerdings sind wir uns bewusst, dass<br />

man diesen Weg nur in kleinen Schritten gehen kann. Integrale Mission ist<br />

ein Lebensprojekt von ganz gewöhnlichen Nachfolgern Jesu. Wir hoffen<br />

daher, dass die Kursunterlagen herausfordern und ermutigen – aber nicht<br />

überfordern.<br />

Da geht mehr! – Gerade mit einem gerechteren Lebensstil können wir in<br />

der Gesellschaft zeichen setzen.<br />

Die Gesellschaft soll an uns einen Lebensstil erkennen können, der von Gottes<br />

Werten und Anliegen geprägt ist und nicht <strong>im</strong> Strom von Egoismus und<br />

Konsum mitschw<strong>im</strong>mt. Gerade eine Leidenschaft für Gerechtigkeit kann das<br />

Interesse von Kirchenfremden wecken, wenn sie sehen, dass Christen Herausforderungen<br />

diesbezüglich anpacken.<br />

2.4. Nein! – Was der Kurs nicht ist und nicht will<br />

Just People? ist kein Glaubensgrundkurs.<br />

Just People? ist kein Glaubensgrundkurs, bedient also nicht die ganze Palette<br />

christlicher Themen, sondern konzentriert sich bewusst „nur“ auf Armut und<br />

(vor allem soziale) Gerechtigkeit. Sechs Kurseinheiten reichen schon hierfür<br />

kaum aus. Daher: Wer nur die Inhalte von Just People? zum Glaubensfundament<br />

machen will, dem fehlen wichtige Aspekte.<br />

Just People? predigt keine eine eigene Form von Gesetzlichkeit.<br />

Wie schon <strong>im</strong> Kapitel 2.2 (Seite 178) angesprochen, versucht integrale Mission<br />

Wortverkündigung und soziales Engagement zu verbinden. Da der<br />

Aspekt der Wortverkündigung in anderen Kursen und vielen Gemeindeaktivitäten<br />

<strong>im</strong> Zentrum steht, fokussieren wir in diesem Kurs auf das soziale und<br />

politische Engagement für Gerechtigkeit.<br />

Wir wollen damit keine neue christliche To-do-Liste erstellen, was denn<br />

nun ein „richtiger“ Christ zu tun oder zu lassen hat. Soziales Engagement ist<br />

auch kein Weg, sich mit guten Werken den H<strong>im</strong>mel zu verdienen. Nein, der<br />

H<strong>im</strong>mel ist unser Ausgangspunkt! Dass Gott uns liebt und uns bedingungslos<br />

vergeben hat, bildet unseren Lebens- und Handlungsgrund. Aus Dankbarkeit<br />

darüber werden wir aktiv. Das ist die eine Motivation. Die andere ist Nächs-<br />

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tenliebe und Barmherzigkeit. Das Leid unserer Mitmenschen geht uns an die<br />

Nieren und bringt uns auf die Beine.<br />

In der Bibel begegnen wir einem Gott, der <strong>im</strong>mer wieder Armut und<br />

Ungerechtigkeit anprangert und bekämpft. Just People? glaubt, dass er diese<br />

gebrochene Welt mit Hilfe von ebenso gebrochenen Menschen wie uns verändern<br />

will. Und gerade als Christen sollten Gottes Herzensanliegen auch<br />

unsere sein. Wir möchten dabei ganz bewusst herausfordern und zum Handeln<br />

an<strong>im</strong>ieren, denn es ist eine Tatsache: Wer nicht handelt, handelt trotzdem.<br />

Wer nichts sagt, st<strong>im</strong>mt zu. Es gibt keinen neutralen Rückzugsraum,<br />

kein Egal. Weil die Strukturen in unserer globalen Welt ungerecht sind,<br />

wirkt sich unser Nicht-Handeln automatisch negativ auf Menschen in Entwicklungsländern<br />

aus.<br />

Natürlich bringen uns der Wunsch nach einer gerechteren Welt einerseits<br />

und unsere beschränkten Möglichkeiten andererseits <strong>im</strong> Alltag <strong>im</strong>mer<br />

wieder in innere Konflikte und wir kommen um Kompromisse nicht herum.<br />

Bei alledem wollen wir folgendes Fundament nicht aus den Augen verlieren<br />

– in den Worten der Micha-Erklärung:<br />

Jesus Christus ist die Mitte, darauf verpflichten wir uns gegenseitig neu.<br />

Sein opferbereiter Dienst ist das Muster einer jeden christlichen Nachfolge.<br />

Durch sein Leben und durch seinen Tod gab Jesus uns ein Beispiel<br />

der Identifizierung mit den Armen und der Achtsamkeit gegenüber anderen.<br />

Am Kreuz zeigt uns Gott, wie ernst er Gerechtigkeit n<strong>im</strong>mt, denn er<br />

versöhnte beide mit sich, Reiche und Arme, indem er selbst die Forderungen<br />

seiner Gerechtigkeit erfüllte. Unser Dienst an den Armen geschieht in<br />

der Kraft dieses auferstandenen Herrn durch den Heiligen Geist. Unsere<br />

Hoffnung gründet sich darin, dass wir Christus und seinem endgültigen<br />

Sieg über das Böse alles unterstellen. Wir bekennen, dass wir allzu oft<br />

versagt haben, ein Leben gemäß dieser frohen Botschaft zu führen. 7<br />

3. Wortwahl: Erklärung wichtiger<br />

Begriffe<br />

In diesem Kurs verwenden wir eine Reihe von Begriffen, die in der Alltagssprache,<br />

den Medien, der Theologie oder den wissenschaftlichen Debatten<br />

vorkommen, die teilweise sehr unterschiedliche Bedeutungen haben und je<br />

nach Kontext unterschiedliche Akzente setzen. Daher ist es wichtig, dass wir<br />

an dieser Stelle klären, warum wir wann welchen Begriff gebrauchen und<br />

was wir damit meinen, um Missverständnissen vorzubeugen.<br />

Gerechtigkeit<br />

Im Kurs definieren wir Gerechtigkeit als „Wahrung oder Wiederherstellung<br />

ausgeglichener, wohltuend geordneter, lebensfreundlicher Verhältnisse – <strong>im</strong><br />

7 The Micah Declaration on Integral Mission, in: Chester, T<strong>im</strong> (Hg.), Justice, Mercy and<br />

Humility: Integral Mission and the Poor, Carlisle, 2002, 19. Teilweise übersetzt nach<br />

www.micha-initiative.de.<br />

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menschlichen Zusammenleben wie in der Gottesbeziehung“. 8 Darin haben<br />

auch Kreuz und Auferstehung und damit der Aspekt der Versöhnung Gottes<br />

mit den Menschen ihren Platz. Ausführlich wird das in Referat 3 behandelt. 9<br />

Gerade aus neutestamentlicher Sicht stellt sich natürlich die Frage, wie<br />

ein Mensch gerecht werden kann. „Der aus Glauben Gerechte wird leben“,<br />

zitiert Paulus in Römer 1,17 aus Habakuk 2,4. Diese D<strong>im</strong>ension der Gerechtigkeit<br />

als Rechtfertigung allein aus der bedingungslosen Gnade Gottes<br />

darf natürlich nicht außer Acht gelassen werden. Die eine D<strong>im</strong>ension von<br />

Gerechtigkeit soll in diesem Kurs nicht gegen die andere ausgespielt werden.<br />

Allerdings liegt unser Fokus hier auf dem gerechten Handeln (gegenüber den<br />

Armen).<br />

Im Kurs sprechen wir außerdem auch oft von „sozialer Gerechtigkeit“.<br />

Dieser Begriff wird sehr unterschiedlich definiert, deshalb wollen wir uns<br />

hier auch nicht auf eine Definition festlegen. Durch den Kurs möchten wir<br />

aber Anstöße geben, wie soziale Gerechtigkeit aussehen kann und sollte. 10<br />

Für dich als Kursleitung ist es vielleicht hilfreich, wenn du dir selbst ein Bild<br />

über die Bandbreite des Begriffs machst, indem du zum Beispiel in ein Lexikon<br />

schaust oder <strong>im</strong> Internet forschst.<br />

Armut und Reichtum<br />

In Kurseinheit 2 auf Seite 38 gibt es eine eingehende Auseinandersetzung mit<br />

den Begriffen Armut und Reichtum.<br />

Entwicklungsländer und der globale Süden<br />

Abgesehen von Japan, Kanada, den USA, Australien, Neuseeland und den<br />

europäischen Ländern zählen die Vereinten Nationen alle Staaten zu den<br />

Entwicklungsländern. 11 Das ist eine starke Vereinfachung, die davon ausgeht,<br />

dass es sich um eine Gruppe von Ländern handelt, „deren (wirtschaftlich-technischer)<br />

Entwicklungsstand und der damit verbundene (soziale)<br />

Lebensstandard (sehr) niedrig ist.“ 12 Wir sind uns bewusst, dass solche<br />

Begriffe wie „Entwicklungsland“ eine Sicht der Industrienationen darstellen,<br />

dass sie (be)werten und in der Vergangenheit auch negativ ideologisch<br />

aufgeladen wurden. Im Just People?-Kurs wollen wir dennoch mit diesen groben<br />

Kategorien arbeiten, weil sich in der Alltagssprache keine Alternativen<br />

durchgesetzt haben.<br />

Zu den Entwicklungsländern zählen auch die Staaten, die aufgrund ihrer<br />

wachsenden Wirtschaftsmacht häufig als „Schwellenländer“ bezeichnet werden.<br />

Auch in den meisten dieser Staaten (beispielsweise Brasilien, Südafrika<br />

und China) leben große Teile der Bevölkerung in extremer Armut.<br />

Entwicklungsländer sind auch gemeint, wenn wir vom „(globalen)<br />

Süden“ reden. Dem steht der „(globale) Norden“ (Industrienationen) gegenüber.<br />

8 Vgl. Referat 2 auf Seite 31.<br />

9 Vgl. Referat 3 auf Seite 45.<br />

10 Im zusammenhang mit globaler Armut hört man auch <strong>im</strong>mer wieder von globaler<br />

Gerechtigkeit. Dieser Begriff betont die globale D<strong>im</strong>ension der Gerechtigkeit.<br />

11 Vgl. United nations Statistics Division, Composition of macro geographical (continental)<br />

regions, geographical sub-regions, and selected economic and other groupings,<br />

http://unstats.un.org/unsd/methods/m49/m49regin.htm, 20.05.2010.<br />

12 Schubert, Klaus und Klein, Martina, Das Politiklexikon, 4. Auflage, Bonn, 2006.<br />

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Entwicklungshilfe und Nothilfe<br />

Unter Entwicklungshilfe verstehen wir in diesem Kurs alle Leistungen,<br />

mit denen Entwicklungsländer von privater und staatlicher Seite sowie von<br />

internationalen Organisationen unterstützt und gefördert werden. Diese<br />

Unterstützung kann unterschiedliche Formen haben: Technische Hilfe und<br />

Zusammenarbeit (zum Beispiel Beratung und Bildung), Güterhilfe (beispielsweise<br />

Nahrung), Kapitalhilfe (wie Kredite) und auch Handelspolitik (etwa<br />

der Abbau von Zöllen). 13 Obwohl <strong>im</strong> politischen Bereich meist von „Entwicklungszusammenarbeit“<br />

gesprochen wird, hat sich in der Alltagssprache und<br />

den Medien der Begriff der „Entwicklungshilfe“ durchgesetzt. 14<br />

Bei Nothilfe wiederum handelt es sich um eine kurzfristige Form der Entwicklungshilfe.<br />

Sie wird in Notsituationen geleistet, die durch Naturkatastrophen<br />

oder Konflikte entstanden sind. Zentral ist hierbei die Nahrungsmittelhilfe<br />

bei Hungerkatastrophen. Nothilfeleistungen schließen häufig aber auch<br />

Wiederaufbaumaßnahmen mit ein. 15<br />

4. Die Kurseinheiten<br />

4.1. Hier entlang! – Ablauf einer Kurseinheit<br />

Wir empfehlen, einen Abend folgendermaßen zu strukturieren:<br />

• Gemeinsames Essen oder kleiner Imbiss<br />

• Besinnlicher Einstieg in die Kurseinheit<br />

• Eine interaktive Heranführung an das Thema der Kurseinheit<br />

• Eine Erarbeitungsphase mit Referat und Diskussion<br />

• Eine Vertiefungsphase für die persönliche Umsetzung und einen Ausblick<br />

auf die nächste Kurseinheit<br />

• Besinnlicher Schluss<br />

Für die Orientierung der TN empfehlen wir dir, dass du zu Beginn jeder Kurseinheit<br />

eine Folie mit dem Ablauf der jeweiligen Kurseinheit zeigst oder die<br />

TN kurz die jeweilige Übersicht (ab Seite 196) aufschlagen lässt.<br />

13 Ebd.<br />

14 Die so genannte „Öffentliche Entwicklungshilfe“ (oDA, engl.: official Development<br />

Assistance) umfasst die Bereitstellung finanzieller, technischer und personeller<br />

Leistungen nach Definition der organisation für wirtschaftliche zusammenarbeit<br />

und Entwicklung (oECD, engl.: organisation for Economic Co-operation and Development).<br />

Vgl. oECD, Glossary of Statistical Terms, Official Development Assistance<br />

(ODA), http://stats.oecd.org/glossary/detail.asp?ID=6043, 20.05.2010.<br />

15 Vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche zusammenarbeit und Entwicklung<br />

(BMz), Entwicklungsorientierte Not- und Übergangshilfe, http://www.bmz.<br />

de/de/themen/umwelt/naturkatastrophen/hilfe_bei_katastrophen/index.<br />

html?follow=adword, 21.05.2010.<br />

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4.2. Bedien dich! – unsere Methodenkiste<br />

Menschen lernen auf verschiedene Weise. Just People? will den TN mit ihren<br />

verschiedenen Lernpräferenzen helfen, sich aktiv zu beteiligen. Daher achten<br />

wir auf Methodenvielfalt:<br />

• Besinnung: Die Kurseinheiten beginnen und enden jeweils mit einer<br />

kurzen Besinnung. Andacht und Gebet sind ein wichtiger Teil des Kurses.<br />

Siehe dazu mehr <strong>im</strong> Kapitel 7.5 (Seite 189).<br />

• Referate: Zur Erarbeitungsphase gehört jeweils ein Referat, das zwischen<br />

25 und 40 Minuten dauert (reine Sprechzeit). Teilweise gibt es<br />

auch während der Referate kurze Diskussionsteile. Siehe dazu mehr <strong>im</strong><br />

Kapitel 7.6 (Seite 190). Achte darauf, dass du die Diskussionen möglichst<br />

kurz hältst, damit du nicht in Zeitnot gerätst (Richtwert: circa 5 Minuten<br />

pro Diskussion).<br />

• Diskussionen: Die Themen der Referate werden durch Fragerunden<br />

und Diskussionen in verschieden großen Gruppen (von 2er-Gruppen bis<br />

Plenumsdiskussionen) vertieft. Je nach Gruppengröße kann es sinnvoll<br />

sein, wenn du Diskussionsleitende einsetzt und die Diskussionen in verschiedene<br />

Räume verlegst. Dann bereitest du am besten vor der Kurseinheit<br />

mit den Diskussionsleitenden kurz die Diskussion vor. Achte darauf,<br />

dass du die vorgegebenen Zeiten für die Diskussionen in etwa einhältst.<br />

• Spielerische und kreative Elemente: Verschiedene Brainstorming-<br />

Methoden, ein Rollenspiel, das Perlenspiel zu Beginn – um nur einige<br />

Beispiele zu nennen – machen den Kurs lebhaft, spannend und erlebnisreich.<br />

• Angepackt!: Für die persönliche Nachbearbeitung der ersten drei Kurseinheiten<br />

gibt’s kurze Handlungs<strong>im</strong>pulse für kleine, konkrete Schritte bis<br />

zum nächsten Treffen: Angepackt! Bei den Einheiten vier bis fünf stecken<br />

die Handlungs<strong>im</strong>pulse schon <strong>im</strong> Referat. Dort können sich die TN dann<br />

selbst aussuchen, was sie bis zum nächsten Mal umsetzen wollen. Mach<br />

den TN Mut, anzupacken! Vielleicht könnt ihr euch dann be<strong>im</strong> nächsten<br />

Treffen auch kurz über eure Erfahrungen austauschen? Allerdings solltest<br />

du nicht erwarten, dass die TN noch nach dem Kurs Zeit investieren<br />

und alle Tipps hundertprozentig umsetzen.<br />

• Persönliche Vertiefung: Viele Kursunterlagen sind auf die persönliche<br />

Vertiefung zu Hause ausgerichtet. So gibt es zu jeder Kurseinheit drei<br />

Vertiefungsartikel, die nicht direkter Bestandteil des Kurses sind und je<br />

nach Interesse gelesen werden können. Am Schluss jeder Kurseinheit<br />

findest unter „Zum Weiterlesen“ Literaturtipps und auf Seite 96/97 eine<br />

umfassende Literaturliste. Die Link-Liste auf www.just-people.net verweist<br />

außerdem auf viele hilfreiche und praktische Websites.<br />

4.3. Guten Appetit! – Gemeinsam essen und trinken<br />

Wir empfehlen dir, die Kurseinheiten jeweils mit einem gemeinsamen Essen<br />

zu beginnen. Das schafft eine gute Atmosphäre und bietet die Gelegenheit,<br />

über die letzte Kurseinheit zu sprechen. Zum Kursthema passt ein einfaches<br />

Essen (wie Suppe und Brot) mit FairTrade-Artikeln und/oder biologischen,<br />

saisonalen und regionalen Produkten. Wenn Zeit und Geld für ein solches<br />

Essen nicht reichen, dann kannst du auch bloß Getränke und Snacks anbieten<br />

(wenn möglich auch FairTrade).<br />

Beachte: Bei Kurseinheit 1 gehört ein gemeinsames Essen (oder ein kleiner<br />

Imbiss) zum Programm.<br />

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5. selber machen: Die Just People?-<br />

Aktion<br />

5.1. Auf die Plätze! – Planung vor und <strong>im</strong> Kurs<br />

Die Just People?-Aktion ist einer der wichtigsten Bestandteile des Kurses. Sie<br />

schlägt eine Brücke zwischen Theorie und Praxis. Die Aktion soll von den TN<br />

weitgehend selbstständig geplant und durchgeführt werden. Damit das auch<br />

funktioniert, haben wir in die Unterlagen zur Kurseinheit 5 auf Seite 80 eine<br />

ausführliche Anleitung geschrieben. Bitte lies dieses Dokument aufmerksam<br />

durch, bevor du hier weiterliest.<br />

Bei der Ankündigung und Werbung für Just People? solltest du erwähnen,<br />

dass neben den Kurseinheiten auch die Just People?-Aktion zum Kurs gehört.<br />

Falls du schon vorher eine Idee hast, in welche Richtung die Aktion deiner<br />

Kursgruppe gehen könnte, ist es für die Kursplanung einfacher, einen festen<br />

Termin der Aktion schon vor Kursbeginn zu vereinbaren und bekannt<br />

zu geben. Bitte beachte aber, dass die Aktion von den TN organisiert wird<br />

und daher nicht zu deinem vorher festgelegten Termin passen könnte beziehungsweise<br />

vielleicht gar nicht an best<strong>im</strong>mte Termine gebunden ist.<br />

Die Aktion selbst wird in den letzten beiden Kurseinheiten vorbereitet. Um<br />

gut planen zu können, brauchst du ein Flipchart, einen Computer oder ähnliches.<br />

Die einzelnen Gruppen planen dann am besten in verschiedenen Räumen.<br />

Je nach Aktion ist es möglich, dass die gemeinsame Vorbereitung in den<br />

Kurseinheiten 5 und 6 kürzer oder länger dauert, als wir in den Übersichten<br />

(ab Seite 206) vorgesehen haben. Achtung: Damit würde sich dann auch<br />

die Gesamtdauer dieser beiden Kurseinheiten ändern! Vielleicht müsst ihr je<br />

nach Aktion zu Hause oder anderswo auch noch zusätzlich etwas vorbereiten.<br />

Wichtig: Die Aktion sollte möglichst <strong>im</strong> Anschluss an Kurseinheit 6 stattfinden,<br />

spätestens aber zwei Monate danach. Je länger ihr wartet, desto eher<br />

riskiert ihr, dass die Aktion ins Wasser fällt. Das wäre schade, denn sie ist<br />

keine Ergänzung, sondern ein Grundpfeiler des Kurses. Außerdem schweißt<br />

eine solche Aktion die Gruppe noch einmal ganz neu zusammen, dient einem<br />

guten Zweck und macht hoffentlich auch etwas Spaß.<br />

5.2. Keine Ein-Frau/Mann-show: Deine Rolle bei der Just<br />

People?-Aktion<br />

Am besten erzählst du schon zu Beginn des Kurses den TN von der Just<br />

People?-Aktion, damit sie Ideen sammeln können. Wenn ihr in Kurseinheit 5<br />

die Aktion plant, dann solltest du das Brainstorming leiten und vielleicht ein<br />

paar Anregungen geben. Falls dir selbst keine Ideen kommen, schau auf Seite<br />

80 nach und denke von dort weiter.<br />

Du legst also den Grundstein für die Aktion. Danach fungierst du nur<br />

noch als Mentorin oder Mentor. Es ist aber sehr wichtig, dass die Aktion<br />

„einen Kopf“ hat: Best<strong>im</strong>mt als Kurs also Aktionsleitende. Achtung: In Kurseinheit<br />

5 könnte das schon zu spät sein. Daher empfehlen wir dir, bereits vor<br />

dem Kurs oder in den ersten drei Kurseinheiten TN dafür anzufragen.<br />

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Trau dich, viel Eigendynamik zuzulassen, denn wer etwas von Grund auf<br />

selbst macht, lernt am meisten. Wenn die Aktionsplanung angelaufen ist,<br />

lege zusammen mit den Aktionsleitenden dein Augenmerk auf folgende Kriterien:<br />

• Ist die Aktion durchdacht?<br />

• Werden alle TN einbezogen?<br />

• Kann man die Aktion wiederholen oder erstreckt sie sich sogar über<br />

einen längeren Zeitraum?<br />

• Ist sie öffentlichkeitswirksam?<br />

• Können wir sie finanzieren?<br />

•<br />

Wo können wir auch bei den für die Aktion benötigten Ressourcen und<br />

Materialien ein Zeichen für Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit setzen (zum<br />

Beispiel Verpflegung durch FairTrade-Produkte, Drucken auf Recycling-<br />

papier usw.)?<br />

6. so klappt’s: Rahmenbedingungen des<br />

Kurses<br />

6.1. Generell: Wer kann teilnehmen?<br />

Grundsätzlich steht Just People? allen Leuten offen. Als Haupt-Zielpersonen<br />

haben wir Christen vor Augen, die sich für das Thema Armut und Gerechtigkeit<br />

interessieren, aber bisher in dieser Richtung kaum aktiv geworden sind.<br />

Der Kurs möchte also Basics vermitteln, ins Thema einzusteigen. Menschen,<br />

die sich für Armut und Gerechtigkeit schon lange interessieren und engagieren,<br />

sind natürlich auch herzlich willkommen. Sie können viele gute Impulse<br />

einbringen.<br />

Just People? kann auch für nicht kirchlich sozialisierte Personen ein<br />

Gewinn sein. Allerdings stehen Referate und Diskussionen <strong>im</strong> Kontext des<br />

christlichen Glaubens und Gemeindelebens. Inhalte sind für Außenstehende<br />

daher vielleicht interessant, machen es diesen TN aber vielleicht schwerer,<br />

mitzudiskutieren.<br />

6.2. Gruppen: Wer kann mitmachen?<br />

• Gemeinden: Wir freuen uns, wenn die gesamte Gemeinde bei Just<br />

People? mitmacht. Für die Umsetzung der verschiedenen Methoden und<br />

für die Gruppendiskussionen schlagen wir vor, dass circa pro 15 Personen<br />

eine Kursleiterin oder ein Kursleiter eingesetzt wird.<br />

• Hauskreise: Just People? ist wegen seiner ausformulierten Referate und<br />

der Vertiefungsartikel wunderbar für Hauskreise geeignet. Vielleicht<br />

kann man in diesem Rahmen die Referate sogar von den Leuten <strong>im</strong> Vorfeld<br />

lesen lassen und die Themen dann ausführlich <strong>im</strong> Hauskreis diskutieren<br />

– also viel länger, als wir in den Übersichten zu den Kurseinheiten<br />

eingeplant haben.<br />

• Teenager- und Jugendgruppen: Wir empfehlen Just People? (in der vor-<br />

liegenden Form) für Personen ab circa 16 Jahren. Für Teenager müssen<br />

wohl einige Kursinhalte angepasst werden.<br />

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• Christliche Gruppen und Organisationen: Obwohl Just People? den<br />

Bezug des integralen Missionsauftrags zur Gemeinde stark thematisiert,<br />

kann der Kurs dennoch auch von anderen christlichen Gruppen und<br />

Organisationen durchgeführt werden. Trotzdem ist es sinnvoll, wenn<br />

<strong>im</strong> Kurs gefragt wird, welche Rolle die Gemeinde in Bezug auf Armut<br />

und Gerechtigkeit spielt. Sollten die TN aus verschiedenen Konfessionen<br />

stammen, kann dies sogar sehr bereichernd sein.<br />

• Einzelpersonen: Da zu jeder Kurseinheit das ausformulierte Referat<br />

und drei Vertiefungsartikel gehören, kann man sich auch als Einzelperson<br />

einen umfassenden Überblick zu den verschiedenen Kursthemen<br />

verschaffen. Auch manche Arbeitsblätter der einzelnen Kurseinheiten<br />

eignen sich für das Selbststudium. Und wer will, kann unsere Links verfolgen<br />

oder in den Literaturtipps schauen, ob ihn ein Titel interessiert.<br />

6.3. Wie groß sollte die Kursgruppe sein?<br />

Zehn bis zwanzig Personen sind für die Kursdurchführung mit einer Kursleiterin<br />

oder einem Kursleiter opt<strong>im</strong>al. Allerdings ist der Aufwand relativ groß,<br />

wenn du den Kurs als Einzelperson leitest. Wir schlagen vor, dass mindestens<br />

zwei Leute den Kurs leiten. So hat jeder der Leitenden weniger vorzubereiten<br />

und der Kurs wird gleichzeitig abwechslungsreicher und vielseitig. Für größere<br />

Gruppen empfehlen wir, den Kurs als Team zu leiten.<br />

6.4. Wie lang dauert Just People?<br />

Wir schlagen einen Zwei-Wochen-Rhythmus vor. Damit würde der Kurs circa<br />

drei Monate dauern (ohne Just People?-Aktion). Dies ermöglicht eine längerfristige<br />

Auseinandersetzung mit den Kursthemen und bietet genügend Zeit<br />

zur Verarbeitung. Mehr als zwei Wochen Pause zwischen den Kurseinheiten<br />

ist jedoch nicht empfehlenswert, da in der Zwischenzeit vieles vergessen<br />

wird. Natürlich kann der Kurs auch wöchentlich angeboten werden. Weitere<br />

Möglichkeiten sind Wochenenden (mit mehreren Kurseinheiten pro Tag)<br />

oder Gemeindefreizeiten.<br />

Anhand der zeitlichen Vorgabe in den detaillierten Übersichten (ab Seite<br />

196) dauert jede Kurseinheit in etwa zwei Stunden (inklusive kurzer Pause,<br />

aber ohne gemeinsames Essen oder Imbiss). Allerdings ist die Zeit knapp<br />

bemessen. Deshalb kannst du <strong>im</strong> vorgegebenen Zeitrahmen kaum eigene<br />

inhaltliche Aspekte unterbringen.<br />

Vor allem Diskussionsrunden können je nach Engagement der TN den<br />

zeitlichen Rahmen sprengen. Du wirst wahrscheinlich manche Diskussionen<br />

abbrechen müssen. Es ist schlicht unmöglich, alle Fragen zu klären und<br />

die vielen verschiedenen Themenaspekte abschließend zu behandeln. Denk<br />

dran: Wir sind gemeinsam auf dem Weg. Gute Fragen sind auch viel wert!<br />

Falls manche Programmpunkte mehr Zeit in Anspruch nehmen als vorgesehen,<br />

ist es manchmal besser, andere Programmpunkte wegzulassen. Weil<br />

du diese Entscheidungen spontan treffen musst, solltest du die Kursinhalte<br />

der nächsten Kurseinheiten unbedingt kennen, damit du einschätzen kannst,<br />

was man am ehesten weglassen kann. Bitte streiche aber nicht die Besinnung<br />

am Ende der Kurseinheit. Es ist sehr wichtig, dass ihr am Schluss noch einmal<br />

das Gehörte in eurem Herzen bewegt und zusammen betet.<br />

KURSAnLEITUnG So GEHT’S<br />

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187


188<br />

Just PEoPlE?<br />

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6.5. Wohin mit Just People?<br />

Mit zehn bis zwanzig TN kann Just People? gut in einem einzigen Raum<br />

durchgeführt werden. Entscheide selbst, ob du die TN nur auf Stühlen oder<br />

auch an Tischen sitzen lassen willst. Einerseits könnte ein Stuhlkreis für Diskussionen<br />

angenehmer sein, andererseits wird <strong>im</strong> Kurs auch <strong>im</strong>mer wieder<br />

etwas geschrieben, was für Tische spricht.<br />

Sind es mehr als zwanzig TN, solltest du wegen der Gruppendiskussionen<br />

und -arbeiten möglichst mehrere Räume zur Verfügung haben.<br />

6.6. Welches Material braucht Just People?<br />

Die detaillierten Materialangaben findest du in einer Spalte der Übersichten<br />

zu den Kurseinheiten. Grundsätzlich benötigst du für eine Kursdurchführung<br />

folgendes Material:<br />

• einen Beamer für PowerPoints (diese findest du auf www.just-people.<br />

net)<br />

• ein Flipchart mit genügend Flipchart-Blättern<br />

• Musikinstrumente und allenfalls Liederblätter für die Besinnungen<br />

Die TN brauchen:<br />

• Kursbuch<br />

• Schreibzeug<br />

• Bibel: Die Auseinandersetzung mit biblischen Texten steht <strong>im</strong> Zentrum<br />

des Kurses. Im Kursbuch zitieren wir aus der Einheitsübersetzung der<br />

Heiligen Schrift16 .<br />

7. to-do-liste für die Kursleitung<br />

7.1. Vor allem: Du selbst!<br />

Wir empfehlen dir, dass du dich schon vor dem Kursstart persönlich mit den<br />

Kursthemen befasst. So lohnt es sich, wenn du den Kurs schon einmal für<br />

dich durchgehst und die Vertiefungsartikel liest.<br />

Du musst keine Expertin/kein Experte für Armut und Gerechtigkeit sein,<br />

sondern darfst dich vielmehr als Person „outen“, die selbst unterwegs ist und<br />

nach der Mission Gottes fragt. In diesem Sinne können bei den Referaten<br />

und Diskussionen Fragen auftauchen, welche du selber nicht beantworten<br />

kannst. Deshalb stellst du am besten gleich zu Kursbeginn klar: Antworten<br />

sollen innerhalb der Kursgruppe gesucht und gefunden werden, manche Fragen<br />

dürfen allerdings offengelassen werden. Vielleicht kannst du bei einer<br />

besonders wichtigen Frage auch versuchen, bis zum nächsten Mal eine Antwort<br />

zu finden.<br />

16 Katholische Bibelanstalt, Stuttgart, 1980.<br />

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7.2. Für Just People? gewinnen – Werbung und Anmeldung<br />

Achte darauf, dass du rechtzeitig für den Kurs wirbst. Falls du den Kurs an<br />

sechs verschiedenen Tagen durchführst, sollten die Daten am besten einige<br />

Monate vorher bekannt sein. Sehr hilfreich ist natürlich, wenn du eine Organisation<br />

hinter dir hast, die dich unterstützt (zum Beispiel die Gemeinde).<br />

Am besten kündigst du den Kurs in Gottesdiensten und auf verschiedenen<br />

Werbeplattformen an. Dafür eigenen sich vor allem Auszüge aus der „Anleitung<br />

zum Untätigsein“ (Kurseinheit 1) oder die Sätze, die wir am Rand der<br />

Referate hervorgehoben haben.<br />

Wir empfehlen dir, dass sich die Leute verbindlich für die Kursteilnahme<br />

(alle sechs Kurseinheiten und die Just People?-Aktion) anmelden müssen.<br />

Weil die Kurseinheiten aufeinander aufbauen, sollten die TN möglichst an<br />

allen Terminen dabei sein. Wer einmal fehlen muss, kann die Einheit aber <strong>im</strong><br />

Kursbuch nachlesen.<br />

7.3. Da fängt’s schon an – Was vor den Kurseinheiten zu tun<br />

ist<br />

Für jede Kurseinheit musst du verschiedene Verantwortlichkeiten (Leitung,<br />

Referat, Diskussionsführung, Material, Verpflegung usw.) klären. In den<br />

Übersichten zu den jeweiligen Kurseinheiten kannst du das alles nachlesen.<br />

Es ist auf jeden Fall sinnvoll, wenn du stets mindestens die aktuelle und die<br />

darauffolgende Kurseinheit vorbereitet hast. So kannst du die aktuelle <strong>im</strong><br />

Blick auf die jeweils nächste durchführen.<br />

Es ist sicher von Vorteil, wenn du vor den jeweiligen Kurseinheiten die<br />

empfohlenen Websites besuchst (siehe auch die Link-Liste unter www.justpeople.net)<br />

und nach Möglichkeit in das eine oder andere vorgeschlagene<br />

Buch schaust (siehe jeweils „Zum Weiterlesen“ am Ende jeder Kurseinheit).<br />

So kannst du den TN gewisse Empfehlungen geben und bei Fragen konkret<br />

weiterhelfen.<br />

7.4. Aber <strong>im</strong>mer doch! – offen, respektvoll und ehrlich<br />

Just People? verfolgt eine best<strong>im</strong>mte Absicht und gibt viele Handlungs<strong>im</strong>pulse,<br />

dennoch sind die konkreten Schlussfolgerungen letztlich nicht vorgeschrieben.<br />

Es ist wichtig, dass du zu einer offenen, ehrlichen und respektvollen<br />

Auseinandersetzung mit den Herausforderungen bezüglich Armut<br />

und Gerechtigkeit in dieser Welt ermutigst. In vielen Fragen darf man dabei<br />

durchaus geteilter Meinung sein! Mit anderen Worten: Jede Kurseinheit soll<br />

einen Raum für Menschen öffnen, ihre eigenen Erfahrungen mitzuteilen und<br />

Fragen loszuwerden.<br />

In den Diskussionen darfst du die TN aber auch gern etwas herausfordern,<br />

ihnen den Spiegel vorhalten: Mit welchen Motiven wird argumentiert? Wo<br />

verstecken sich in Argumentationen vielleicht Rechtfertigungen, um alles<br />

„be<strong>im</strong> Alten“ zu lassen? Wo stecken Leute wirklich in der Zwickmühle?<br />

7.5. Immer mit der Ruhe – Hilfe zum Besinnen<br />

Zu Beginn und am Ende der Kurseinheiten stehen jeweils ein paar besinnliche<br />

Minuten (vgl. Seiten 8-10). Du brauchst die TN dabei nicht selbst anzuleiten,<br />

sondern kannst diese Aufgabe auch abgeben.<br />

Am besten wählst du allgemein bekannte Lieder für die Kursgruppe aus.<br />

KURSAnLEITUnG So GEHT’S<br />

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189


190<br />

Just PEoPlE?<br />

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Falls die Lieder textlich einen Bezug zum Kursthema herstellen, ist das natürlich<br />

opt<strong>im</strong>al.<br />

Für das Bekenntnis und das Schlussgebet stehen jeweils zwei Varianten<br />

zur Verfügung, damit es etwas Abwechslung gibt. Nicht jede und jeder muss<br />

bei allen liturgischen Elementen wie zum Beispiel dem Accra-Bekenntnis<br />

mitsprechen, wenn ihr oder ihm nicht danach ist. Diese Freiheit sollte klar<br />

kommuniziert werden.<br />

7.6. Dein großer Auftritt: Referate vorbereiten und halten<br />

Wir raten dir, die Referate für dich allein schon einmal (laut) durchzusprechen,<br />

bevor du sie <strong>im</strong> Kurs hältst. Natürlich darfst du Referatsinhalte in eigenen<br />

Sätzen formulieren. Außerdem kannst du natürlich auch eigene Gedanken<br />

einflechten. In diesem Fall musst du wahrscheinlich andere Aspekte<br />

kürzen, weil die Referate sonst zu lang werden. Achte dabei darauf, dass du<br />

den roten Faden der Referate beibehältst.<br />

Dass die TN die Referate auch <strong>im</strong> Kursbuch selbst gedruckt vor sich haben<br />

und mitlesen können, ist für dich als Referentin beziehungsweise Referent<br />

vielleicht unangenehm. Dennoch empfehlen wir dir, das Referat wirklich<br />

vorzutragen und nicht nur lesen zu lassen. Dies gibt den Referatsinhalten<br />

nämlich ein stärkeres Gewicht und den TN mehr Zeit, sich damit auseinanderzusetzen.<br />

Einige Referate enthalten kurze Diskussionen. Dadurch können sich die<br />

TN regelmäßig selbst aktiv einbringen. Allerdings kann sich die Diskussion<br />

in eine Richtung bewegen, die thematisch in den folgenden Referatsteilen<br />

nicht aufgegriffen wird. Vielleicht notierst du dir wichtige Fragen, die ihr am<br />

Ende noch einmal besprechen könnt. Wichtig ist jedenfalls, dass du mit dem<br />

Referat an der entsprechenden Stelle weitermachst. Wenn ihr dann wieder<br />

einsteigt, können die Aussagen <strong>im</strong> Referat natürlich nicht auf alle eure offenen<br />

Fragen antworten. Du solltest den TN vermitteln, dass auch die Referatsinhalte<br />

nur weitere Gedanken oder Diskussionsanstöße zu einem spezifischen<br />

Thema liefern. Achte darauf, dass du die Diskussionen möglichst<br />

kurz hältst, damit du nicht in Zeitnot gerätst (Richtwert: circa 5 Minuten pro<br />

Diskussion).<br />

Für die Referate stehen auf der Kurs-Website (www.just-people.net)<br />

PowerPoint-Präsentationen zur Verfügung. Diese machen die Referate lebendiger<br />

und anschaulicher.<br />

7.7. und jetzt? – Wie weiter nach dem Kurs?<br />

Mit der Just People?-Aktion endet der Kurs offiziell. Deine letzte Aufgabe ist<br />

es, ein paar Monate nach Kursende die Briefe zu verschicken, welche sich die<br />

TN selbst geschrieben haben (vgl. Kurseinheit 4).<br />

Wir freuen uns natürlich, wenn es in deiner Gemeinde oder christlichen<br />

Organisation nicht „nur“ bei dieser einen Kursdurchführung bleibt. Du darfst<br />

den Kurs gern als eine Geschichte mit offenem Ende sehen! Sicherlich sind<br />

während der vielen Diskussionen Ideen entstanden und Gedanken kursiert,<br />

welche in weitere Aktionen oder sogar in eine grundsätzliche Veränderung<br />

eurer Gemeinde oder Gruppe münden können. Wir ermutigen dich also,<br />

dranzubleiben!<br />

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7.8. Hilfreiche Feedbacks: Dein Geschenk an uns<br />

Wir sind <strong>im</strong>mer dabei, den Kurs weiter zu verbessern was Kreativität, Kursinhalte<br />

und Methoden betrifft. Außerdem freuen wir uns über Literaturtipps<br />

und interessante Links. Und wir warten gespannt auf eine Nachricht von dir,<br />

wie deine Just People?-Aktion gelaufen ist. Wir sind also an einem Austausch<br />

mit dir interessiert. Bitte n<strong>im</strong>m mit uns Kontakt auf.<br />

8. Frag uns!<br />

Wenn du weitere Fragen hast, kannst du dich gern an uns wenden!<br />

Dieser Kurs ist außerdem nicht die einzige Aktion von <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong><br />

Schweiz und der Micha-Initiative Deutschland. Wenn du mehr über unsere<br />

Kampagnen erfahren willst, schicken wir dir gern Material zu.<br />

Hier die Homepages (dort findest du dann die aktuellen Postadressen):<br />

Micha-Initiative Deutschland: www.micha-initiative.de<br />

<strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> Schweiz: www.stoparmut<strong>2015</strong>.ch<br />

9. Dank dir!<br />

Wir danken dir, dass du Menschen dazu ermutigst, Gottes Mission integral<br />

zu verstehen und zu leben. Damit leistest du einen wichtigen Beitrag für eine<br />

gerechtere Welt! Wir wünschen dir, dass der Kurs ein Erfolg wird und die<br />

TN ihr Missionsverständnis und ihren Lebensstil neu hinterfragen und, wo<br />

es angebracht ist, verändern. Wir wünschen dir aber auch, dass du in den<br />

Kurs nicht nur investierst, sondern dass du selbst überrascht und beschenkt<br />

wirst.<br />

Dank dir und los geht’s!<br />

KURSAnLEITUnG So GEHT’S<br />

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191


192<br />

Just PEoPlE?<br />

Farbe Punkte<br />

gelb 50<br />

blau 30<br />

rot 10<br />

grün 5<br />

weiß 1<br />

zusatz<br />

5 Perlen gleicher<br />

Farbe<br />

4 Perlen gleicher<br />

Farbe<br />

3 Perlen gleicher<br />

Farbe<br />

30<br />

10<br />

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5<br />

Das Perlenspiel<br />

• Anzahl Teilnehmer: mindestens 9<br />

• Bei mehr als 20 Teilnehmern empfiehlt es sich, zwei Gruppen zu bilden<br />

und das Spiel in zwei Räumen zu spielen.<br />

Idee<br />

Nach dem Zufallsprinzip werden Perlen/Murmeln (oder irgendeine andere<br />

Form von Wertmarken) verteilt. Die nun verschieden reichen Spieler versuchen<br />

durch Tauschen, ihre Situation zu verbessern. Im Verlauf des Spiels<br />

können die Reichen die Spielregeln zu ihren Gunsten ändern.<br />

Dieses Spiel regt Gespräche über Sachverhalte an, die be<strong>im</strong> Spielen<br />

erlebt werden: Benachteiligung, Unterdrückung, Befreiung, Macht etc. Das<br />

Spiel hat eine hohe Erlebnisintensität, die bei besonders lebhaften Gruppen<br />

zu starken Emotionen führen kann. Ein Auswertungsgespräch ist unerlässlich<br />

und sollte sowohl die gruppendynamischen Aspekte als auch den Realitätsbezug<br />

des Spiels untersuchen. Bunt zusammengewürfelten Gruppen<br />

bietet es auch noch Gelegenheit, sich während des Spiels kennenzulernen.<br />

Material<br />

• „Perlen“ (Murmeln, farbige Kartonstücke, gefärbte Kaffeebohnen usw.)<br />

10 gelbe, 10 blaue, 40 rote, 40 grüne, 40 weiße<br />

• Ein Gruppenzeichen pro Person. Es gibt 3 Gruppen: Quadrate, Dreiecke<br />

und Kreise (zum Beispiel Kartonstücke mit Halsband oder Sicherheitsnadel<br />

zum Befestigen)<br />

• 1 oder 3 Tafeln/Plakate zur Aufzeichnung der Gruppenergebnisse<br />

• 1 Tafel/Plakat, auf der/dem vor Spielbeginn die Punktwerte der einzelnen<br />

Perlen nach Farbe geordnet aufgezeichnet werden (siehe Tabelle<br />

links)<br />

• Filzstifte, Stoppuhr, 2 Behälter für die Perlen, 2 Servietten zum Zudecken<br />

dieser Behälter<br />

• 3 Tische mit unterschiedlichen Snacks (siehe Ende Spielablauf)<br />

Ablauf<br />

• Das Spiel benötigt zwei Spielleiter. Nach jeder Spielrunde ist der eine<br />

für die Ermittlung der erzielten Punktzahlen verantwortlich, während<br />

der andere möglichst unauffällig die Perlenschachteln vorbereitet.<br />

• Ein Spielleiter bereitet die zwei Schachteln vor. Er sorgt dafür, dass in<br />

der einen Schachtel überwiegend höherwertige Perlen liegen, also vor<br />

allem gelbe und blaue. Dann deckt er die Schachteln ab.<br />

• Alle Spieler nehmen sich nun je 5 Perlen aus einer der beiden Schachteln<br />

heraus.<br />

• Eine erste Tauschrunde findet statt (Tauschregeln siehe unten).<br />

• Die Tauschrunde dauert so lange, bis alle mit ihren Perlen zufrieden<br />

sind, max<strong>im</strong>al jedoch 5 Minuten. Die Spieler zählen ihre Punktzahl und<br />

legen die Perlen wieder zurück in die Schachteln.<br />

• Ein Spielleiter erfasst nun die Namen der Spieler und ihre Punktzahlen<br />

und beginnt be<strong>im</strong> Spieler mit der größten Punktzahl. Das Auszählen<br />

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geht am leichtesten, wenn sich die Spieler nach erzielter Punktzahl<br />

nebeneinander aufstellen. Anschließend werden die Gruppen eingeteilt:<br />

Das reichste Drittel bildet eine Gruppe und erhält ein Quadrat<br />

als Gruppenzeichen. Das mittlere Drittel erhält ein Dreieck und das<br />

ärmste einen Kreis.<br />

• Während der Gruppenzusammenstellung bereitet der andere Spielleiter<br />

die zweite Spielrunde vor. Wieder verteilt er die Perlen sehr ungleich<br />

in den beiden Schachteln.<br />

• Ein Spielleiter geht mit der Schachtel mit den wertvolleren Perlen zur<br />

Quadrat-Gruppe, der andere mit der zweiten Schachtel zur Dreiecksund<br />

Kreis-Gruppe. Die Spieler nehmen sich wieder 5 Perlen aus den<br />

Schachteln heraus.<br />

• Vor der zweiten Tauschrunde erhält die Quadrat-Gruppe das Recht,<br />

zwei neue Spielregeln für die nächste Runde zu best<strong>im</strong>men. Dieses<br />

Recht gilt für alle weiteren Tauschrunden. (Die übrigen Gruppen dürfen<br />

Vorschläge machen.) Neue Regeln müssen laut verkündet werden.<br />

• Die zweite Tauschrunde findet statt – wieder mit den zuvor ungleich<br />

verteilten Perlen.<br />

• Anschließend werden die erzielten Tauschwerte erneut errechnet und<br />

bei jedem Spieler zum vorhergehenden Resultat addiert und an die<br />

Tafel geschrieben.<br />

• Vor der dritten (und jeder weiteren) Tauschrunde wird festgestellt, ob<br />

ein Spieler der Dreiecks-Gruppe eine höhere Punktzahl hat als einer<br />

aus der Quadrat-Gruppe. Ist dies der Fall, tauschen die beiden die<br />

Gruppe inkl. Zeichen. Analog erfolgt das Prozedere zwischen Dreieckund<br />

Kreis-Gruppe. (Daher empfiehlt sich nach Möglichkeit eine Tafel,<br />

weil man die Gruppeneinteilung korrigieren kann.)<br />

• Vor der dritten und letzten Tauschrunde können die Perlen ungefähr<br />

gleichwertig in den Schachteln verteilt werden. (Weil die Quadrat-<br />

Gruppe zu diesem Zeitpunkt schon vier Regeln einführen konnte, wird<br />

es trotzdem eine Ungleichverteilung geben.)<br />

• Anmerkung: Natürlich kann man das Perlenspiel auch länger spielen,<br />

zum Beispiel mit fünf Runden. Für diesen Kurs reichen aber drei Runden<br />

aus.<br />

• Während des Spiels (sofort nach der Gruppeneinteilung) darf sich die<br />

Quadrat-Gruppe an einem Tisch mit leckeren Snacks und Getränken<br />

bedienen. Die Dreiecks-Gruppe hat nur Zugang zu einem Tisch mit<br />

Brot und Wasser, die Kreis-Gruppe schließlich nur zu einem Tisch mit<br />

Wasser.<br />

tauschregeln<br />

• Pro Runde hat man max<strong>im</strong>al 5 Minuten Zeit, um seine Punkte durch<br />

Tausch mit anderen zu vermehren.<br />

• Die Perlen sind in der Hand versteckt zu halten.<br />

• Ein Tausch beginnt <strong>im</strong>mer mit dem Handschlag. (Bei bunt zusammengewürfelten<br />

Gruppen ist dies die Gelegenheit, sich einander vorzustellen!)<br />

Während des Deals spricht man über die Perlen, die man tauschen kann,<br />

hält sie aber in der Hand versteckt. Erst wenn der Handel besiegelt ist,<br />

werden die Perlen sichtbar ausgetauscht.<br />

• Hat man sich einmal die Hand gegeben, muss ein Tausch stattfinden.<br />

• Nach einem Tausch muss ein neuer Tauschpartner aufgesucht werden.<br />

KURSAnLEITUnG DAS PERLEnSPIEL<br />

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193


194<br />

Just PEoPlE?<br />

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• Gleichwertige Perlen dürfen nicht getauscht werden. Das Verhältnis<br />

getauschter Perlen ist jedoch egal (zum Beispiel 1 gelbe gegen 3 rote).<br />

• Wer nicht (mehr) handeln will, verschränkt die Arme und darf nicht<br />

mehr angesprochen werden.<br />

• Sprechen darf man nur mit dem jeweiligen Tauschpartner oder dem<br />

Spielleiter.<br />

Das Auswertungsgespräch<br />

Zuerst wird erklärt, dass die Perlen in den Schachteln am Anfang ungleich<br />

verteilt waren.<br />

Darauf folgt das Gespräch in drei Teilen:<br />

1. Der Spielleiter stellt Fragen zu persönlichen Erlebnissen während des<br />

Spiels: Denkt ihr, dass die Chancen gleich verteilt waren? (Wieso/nicht?) Wer<br />

hat mit wem gehandelt, wer den Handel verweigert und warum? Wie habt<br />

ihr euch gefühlt, wenn ihr Punkte gewonnen oder verloren habt? (usw.)<br />

2. Dann kommen Fragen zum Verhalten der einzelnen Gruppen:<br />

Hat sich euer Verhalten gegenüber den Verlierern/Gewinnern verändert?<br />

• Zur Quadrat-Gruppe: Habt ihr gern eure Snacks gegessen oder war<br />

euch das gegenüber der Kreis- und Dreiecks-Gruppe peinlich? Worauf<br />

habt ihr bei euren neuen Regeln geachtet?<br />

• Zur Dreiecks-/Kreis-Gruppe: Habt ihr Appetit bekommen? Wie habt<br />

ihr die neuen Regeln der Quadrat-Gruppe empfunden?<br />

• Zu Auf-/Absteigern: In welcher Gruppe habt ihr euch wohler gefühlt?<br />

Warum?<br />

3. Zum Schluss kommt noch die Diskussion zum Realitätsbezug, also zu den<br />

gesellschaftlichen und politischen Aspekten:<br />

Wem/Was könnte die Quadrat-Gruppe in der Realität entsprechen? Und<br />

die anderen Gruppen? Zu welcher Gruppe gehört ihr eurer Meinung nach?<br />

Warum?<br />

Was ist <strong>im</strong> Spiel anders als in „der Realität“? Warum?<br />

Erkenntnisse der Diskussion können eventuell in Stichworten auf der Tafel/<br />

dem Plakat festgehalten werden.<br />

Zuerst sollten persönliche Erfahrungen diskutiert werden und danach das<br />

Gruppenverhalten.<br />

Quelle (für Just People? angepasst): „Brot für alle“ Schweiz.<br />

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ÜBERsIcHtEN<br />

zU DEn<br />

KURSEInHEITEn<br />

ÜBERSICHTEn<br />

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195


196<br />

Übersicht Kurseinheit 1: Welt – einfach wegschauen?<br />

Just PEoPlE?<br />

Was Inhalt ziel Sozialform Material Alternative (A) oder<br />

Hinweis (H)<br />

Dauer<br />

(Min.)<br />

Diese Seite darf kopiert werden.<br />

Einstieg<br />

offen offen H: Methode sollte<br />

abhängig von Alter,<br />

zusammensetzung und<br />

Vertrautheit der Gruppe<br />

vom KL gewählt werden.<br />

eine vertrauensvolle<br />

Atmosphäre schaffen<br />

10 Vorstellungsrunde gegenseitiges Vorstellen der<br />

Tn und ihrer Erwartungen an<br />

den Kurs<br />

H: Die Vorstellungsrunde<br />

und der Kursüberblick<br />

können vertauscht werden.<br />

Plenum Kursanleitung:<br />

Seite 177<br />

strukturelle und inhaltliche<br />

orientierung der Tn<br />

5 Kursüberblick kurzer Überblick anhand der<br />

Kursanleitung/Editorial<br />

Editorial: Seite 3<br />

Erarbeitung und Vertiefung<br />

H: Bei einer Gruppengröße<br />

von über 20 Personen<br />

empfiehlt es sich,<br />

die Gruppe zu teilen und<br />

das Spiel in 2 Räume zu<br />

verlegen.<br />

Anleitung: Seite 192<br />

Murmeln, Schilder,<br />

Getränke, Snacks<br />

Spiel in 3<br />

Gruppen<br />

wirtschaftliche Mechanismen<br />

und Ungerechtigkeiten am<br />

eigenen Leib erfahren<br />

40 Perlenspiel spielerische Auseinandersetzung<br />

mit ungerechten globalen<br />

Strukturen<br />

Anleitung: Seite 194<br />

Diskussion/<br />

Plenum<br />

über persönliche Erlebnisse<br />

der Tn einen Bezug zur Realität<br />

herstellen<br />

10 Auswertung Auswertungsgespräch des<br />

Perlenspiels in 3 Teilen:<br />

• persönliche Erlebnisse<br />

• Überlegungen der einzelnen<br />

Gruppen<br />

• gesellschaftliche und politische<br />

Aspekte<br />

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Was Inhalt ziel Sozialform Material Alternative (A) oder<br />

Hinweis (H)<br />

Dauer<br />

(Min.)<br />

10 Pause Getränke, Snacks<br />

vom Perlenspiel<br />

A: Vor Erwähnung der<br />

MDGs kann man eine<br />

Fragerunde einbauen<br />

oder zeit für persönliche<br />

notizen der Tn lassen.<br />

Plenum Referat 1: Seite 14<br />

Millenniumsziele:<br />

Seite 22<br />

gemeinsame Informationsbasis<br />

zu weltweiter Ungerechtigkeit<br />

und Armut schaffen<br />

Millenniumsziele (MDGs) vorstellen<br />

30 Referat Referat 1: Welt – einfach wegschauen?<br />

schluss<br />

Anleitung zum Untätigsein:<br />

Seite 24<br />

Plenum und<br />

Einzelarbeit<br />

Instrument für die Tn schaffen,<br />

um die eigene Entwicklung und<br />

Meinung während des fortlaufenden<br />

Kurses zu dokumentieren<br />

und zu bedenken<br />

Lesen der Anleitung zum<br />

Untätigsein<br />

10 Anleitung zum<br />

Untätigsein<br />

ÜBERSICHTEn KURSEInHEIT 1<br />

H: Angepackt! nicht<br />

vergessen!<br />

Plenum Besinnlicher<br />

Schluss: Seite 10<br />

5 Besinnlicher<br />

Schluss<br />

Total: 120 Minuten<br />

Tn: Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />

KL: Kursleiterinnen und Kursleiter<br />

Diese Seite darf kopiert werden.<br />

197


198<br />

Übersicht Kurseinheit 2: Bibel – einfach überlesen?<br />

Just PEoPlE?<br />

Was Inhalt ziel Sozialform Material Alternative (A) oder<br />

Hinweis (H)<br />

Dauer<br />

(Min.)<br />

Diese Seite darf kopiert werden.<br />

Einstieg<br />

Plenum Besinnlicher<br />

Anfang: Seite 8<br />

5 Besinnlicher<br />

Anfang<br />

A1: KL stellt provokante<br />

These auf und lässt sie<br />

diskutieren, z. B. aus der<br />

Anleitung zum Untätigsein.<br />

Definitionen von<br />

Armut und Reichtum:<br />

Seite 38<br />

eigene Beziehung zu Armut<br />

und Reichtum erforschen<br />

Vielfältigkeit der Definitionen<br />

wahrnehmen<br />

verschiedene Ebenen der Begriffe<br />

unterscheiden können<br />

•<br />

Brainstorming: Tn schreiben<br />

mögliche Definitionen von<br />

Armut und Reichtum auf<br />

Plakate<br />

Präsentation der Plakate,<br />

Möglichkeit für nachfragen<br />

Hinweis auf die Definitionen<br />

von Armut und Reichtum <strong>im</strong><br />

Kursbuch<br />

persönliche notizen ins<br />

Kursbuch<br />

•<br />

•<br />

20 Definitionen von<br />

Armut und<br />

Reichtum<br />

Plakate oder<br />

Flipchart<br />

Brainstorming<br />

und<br />

Diskussion/<br />

Plenum und<br />

Einzelarbeit<br />

•<br />

•<br />

A2: Kurzer Rückblick auf<br />

den ersten Kursteil: Wie<br />

wurden dort Armut und<br />

Reichtum definiert?<br />

•<br />

•<br />

Erarbeitung und Vertiefung<br />

Referat 2: Seite 28 H: Bei zeitnot können die<br />

Diskussionsteile gekürzt<br />

oder weggelassen<br />

werden.<br />

Plenum bzw.<br />

2er-Gruppen<br />

Überblick über Armut und<br />

Reichtum aus biblischer Sicht<br />

Referat 2: Bibel – einfach überlesen?<br />

Referat inkl.<br />

Diskussion<br />

50<br />

+<br />

10<br />

Pause<br />

unterbrochen durch kurze<br />

Diskussionsteile<br />

während des Referats 10 Min.<br />

Pause einschalten<br />

Diskussion: Seite 35<br />

2er-Gruppen<br />

und<br />

Plenum<br />

persönliche Erkenntnisse<br />

formulieren<br />

Austausch zu den Fragen auf<br />

Seite 35 und Diskussionergebnisse<br />

<strong>im</strong> Plenum zusammentragen<br />

20 abschließende<br />

Diskussion zum<br />

Referat<br />

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Was Inhalt ziel Sozialform Material Alternative (A) oder<br />

Hinweis (H)<br />

Dauer<br />

(Min.)<br />

schluss<br />

H: Kann bei zeitnot<br />

weggelassen werden.<br />

Einzelarbeit Bibelstellen zu<br />

Armut und Reichtum:<br />

Seite 36<br />

sich der großen Anzahl der<br />

Bibelstellen zu Armut und<br />

Reichtum bewusst werden<br />

10 Bibelstellen Auswahl an Bibelstellen überblicken<br />

und je nach Interesse<br />

lesen<br />

H: Angepackt! nicht<br />

vergessen!<br />

Plenum Besinnlicher<br />

Schluss: Seite 10<br />

5 Besinnlicher<br />

Schluss<br />

Total: 120 Minuten<br />

ÜBERSICHTEn KURSEInHEIT 2<br />

Diese Seite darf kopiert werden.<br />

199


200<br />

Übersicht Kurseinheit 3: Mission – einfach predigen?<br />

Just PEoPlE?<br />

Was Inhalt ziel Sozialform Material Alternative (A) oder<br />

Hinweis (H)<br />

Dauer<br />

(Min.)<br />

Diese Seite darf kopiert werden.<br />

Einstieg<br />

Rollenspiel: Seite 44<br />

vor Beginn 5 Freiwillige für das<br />

Rollenspiel „Gemeindeleitung“<br />

suchen, sie ihre Rolle lesen<br />

lassen<br />

Plenum Besinnlicher<br />

Anfang: Seite 8<br />

5 Besinnlicher<br />

Anfang<br />

Plenum Rollenspiel: Seite 44 A: Das Rollenspiel ist<br />

auch in Kleingruppen<br />

möglich.<br />

Kennenlernen von und<br />

Identifikation mit verschiedenen<br />

„Missionstypen“<br />

5 Freiwillige spielen das<br />

Rollenspiel<br />

10 Rollenspiel<br />

„Gemeindeleitung“<br />

H: KL sollte Rollenspiel<br />

rechtzeitig abbrechen.<br />

Plenum A: KL kann Ergebnisse<br />

sichtbar festhalten (z.B.<br />

Klebepunkte auf Flipchart)<br />

und die Tn geben<br />

den „Missionstypen“<br />

Prioritäten-Punkte.<br />

die verschiedenen Positionen<br />

des Rollenspiels mit eigenen<br />

Meinungen ergänzen<br />

Brainstorming zu:<br />

• Was ist Mission?<br />

• Welche „Missionstypen“<br />

gibt es – <strong>im</strong> Rollenspiel und<br />

generell?<br />

10 Brainstorming zu<br />

Mission<br />

H: KL sollte abschließend<br />

darauf<br />

hinweisen, dass die Tn<br />

gegen Ende ihr eigenes<br />

Missionsverständnis aufschreiben.<br />

So können sie<br />

sich schon während des<br />

Referats dazu Gedenken<br />

machen.<br />

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Was Inhalt ziel Sozialform Material Alternative (A) oder<br />

Hinweis (H)<br />

Dauer<br />

(Min.)<br />

Erarbeitung und Vertiefung<br />

Plenum Referat 3: Seite 45 H: Je nach Konsentrationsfähigkeit<br />

der Tn kann<br />

die Pause früher oder<br />

später eingeschoben<br />

werden.<br />

einen Ansatz des integralen<br />

Missionsauftrags kennenlernen<br />

Anregungen zur Definition des<br />

eigenen Missionsverständnisses<br />

bekommen<br />

über die Rolle der Gemeinde<br />

für den integralen Missionsauftrag<br />

nachdenken<br />

•<br />

Referat Referat 3: Mission – einfach<br />

predigen?<br />

•<br />

30<br />

+<br />

10<br />

Pause<br />

A: Im Referat gibt es<br />

einen Kasten, den man<br />

einfließen oder weglassen<br />

kann. Mit Kasten<br />

dauert das Referat ca. 35<br />

Min., ohne ca. 30 Min.<br />

•<br />

Diskussion: Seite 53 H: KL muss je nach<br />

Gruppe die Diskussion<br />

mittendrin abbrechen.<br />

Die Diskussion ist bewusst<br />

offen gehalten und<br />

muss keine definitiven<br />

Ergebnisse liefern.<br />

Kleingruppen<br />

und<br />

Plenum<br />

Vertiefung des eigenen<br />

Missionsverständnisses<br />

Diskussion über die Referats<br />

inhalte und/oder über die<br />

Fragen auf Seite 53<br />

25 abschließende<br />

Diskussion zum<br />

Referat<br />

ÜBERSICHTEn KURSEInHEIT 3<br />

Diskussionsergebnisse <strong>im</strong><br />

Plenum zusammentragen<br />

(ca. 5 Min.)<br />

A1: Falls noch zeit ist,<br />

können die Definitionen<br />

innerhalb der Kleingruppen<br />

diskutiert werden,<br />

wenn von den Tn gewünscht.<br />

Einzelarbeit Mein persönliches<br />

Missionsverständnis:<br />

Seite 54<br />

Festhalten des aktuellen eigenen<br />

Missionsverständnisses<br />

Tn schreiben ihre eigene<br />

Definition von Mission<br />

auf Seite 54<br />

5 eigenes Missionsverständnis<br />

A2: Die Tn können die<br />

Definitionen auf A6-<br />

Karten schreiben und zu<br />

Hause sichtbar platzieren.<br />

Diese Seite darf kopiert werden.<br />

201


202<br />

(Fortsetzung Übersicht Kurseinheit 3)<br />

Just PEoPlE?<br />

Was Inhalt ziel Sozialform Material Alternative (A) oder Hinweis<br />

(H)<br />

Dauer<br />

(Min.)<br />

Diese Seite darf kopiert werden.<br />

schluss<br />

inhaltliche Standortbest<strong>im</strong>mung Plenum Editorial: Seite 3 H: Für den Rückblick/<br />

Ausblick liegt kein konkreter<br />

Text vor. KL sollte<br />

ihn aus ihrer/seiner<br />

Sicht und passend zur<br />

Kursgruppe geben.<br />

5 Rückblick/Ausblick • die ersten 3 Kurseinheiten<br />

kurz zusammenfassen<br />

• kurzen Ausblick auf die<br />

nächsten 3 Kurseinheiten<br />

geben<br />

• Tn motivieren, sich zu Hause<br />

mit den Kursinhalten zu beschäftigen<br />

(z.B. Bibelstellen<br />

nachlesen)<br />

A: Der „Kleine Lebenstest“<br />

kann auch von<br />

jedem Tn nur <strong>im</strong> Buch<br />

ausgefüllt werden. Die<br />

Statistik entfällt in diesem<br />

Fall.<br />

Einzelarbeit „Kleiner Lebenstest“:<br />

Seite 64<br />

Tn reflektieren ihren eigenen<br />

Lebensstil<br />

„Kleiner Lebenstest“ austeilen<br />

und/oder kurz erklären<br />

anschließend anonym ausfüllen<br />

lassen, einsammeln<br />

•<br />

15 „Kleiner<br />

Lebenstest“<br />

•<br />

Kopien davon<br />

H: Angepackt! nicht<br />

vergessen!<br />

Plenum Besinnlicher<br />

Schluss: Seite 10<br />

5 Besinnlicher<br />

Schluss<br />

Total: 120 Minuten<br />

Kleingruppe: Gruppe aus 3 bis 6 Leuten<br />

Anmerkung zu „Kleiner Lebenstest“: Der „Kleine Lebenstest“ ist schon für jeden einzelnen Tn pädagogisch wertvoll. Die Ergebnisse der ganzen Gruppe können jedoch<br />

auch von der/vom KL statistisch ausgewertet und grafisch aufbereitet werden. Dazu muss der „Kleine Lebenstest“ kopiert und an die Tn verteilt werden. Ausnahmsweise<br />

ist darum das Kopieren der Seiten 64-67 erlaubt. Eine vorbereitete Excel-Tabelle zur Auswertung gibt’s auf der Homepage www.just-people.net.<br />

Bitte auf Anonymität achten (zum Beispiel nummern statt namen verwenden)!<br />

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ÜBERSICHTEn KURSEInHEIT 3<br />

Diese Seite darf kopiert werden.<br />

203


204<br />

Übersicht Kurseinheit 4: Ich – gerechter leben?<br />

Just PEoPlE?<br />

Was Inhalt ziel Sozialform Material Alternative (A) oder<br />

Hinweis (H)<br />

Dauer<br />

(Min.)<br />

Diese Seite darf kopiert werden.<br />

Einstieg<br />

Plenum Besinnlicher<br />

Anfang: Seite 8<br />

5 Besinnlicher<br />

Anfang<br />

erste Kurshälfte auffrischen Plenum H1: Bei großer Gruppe<br />

kann dies auch in<br />

Kleingruppen gemacht<br />

werden.<br />

5 Rückblick Kurzer Rückblick auf die<br />

ersten 3 Kurseinheiten:<br />

• Was ist hängen geblieben?<br />

• Was ist mir wichtig geworden?<br />

H: Wenn sich die Tn gut<br />

kennen, könnte man darüber<br />

reden, wieso man<br />

in einzelnen Punkten<br />

des Tests vom Gruppendurchschnitt<br />

abweicht.<br />

„Kleiner Lebenstest“:<br />

Seite 64<br />

Plenum und<br />

Kleingruppen<br />

Hinterfragen des eigenen<br />

Lebensstils in verschiedenen<br />

Bereichen<br />

Tn vergleichen sich mit der<br />

Gruppe<br />

•<br />

Testergebnisse präsentieren<br />

in Kleingruppen darüber<br />

diskutieren mit Fragen wie:<br />

- Was zeigen die Ergebnisse?<br />

- Gibt es Überraschendes?<br />

•<br />

•<br />

20 Auswertung<br />

„Kleiner Lebenstest“<br />

ausgefüllte Kopien<br />

vom letzten Mal<br />

•<br />

evt. Excel-Tabelle<br />

(Grafiken)<br />

A: Wenn keine Statistik<br />

gemacht wurde, kann<br />

man einfach nur über<br />

den Lebenstest und<br />

seine Fragen reden.<br />

Erarbeitung und Vertiefung<br />

Plenum Referat 4: Seite 58<br />

kurzer Blick auf die Konsumgesellschaft<br />

Ansätze für ein gerechteres<br />

Leben thematisieren: Gebet,<br />

Bescheidenheit, Teilen<br />

•<br />

Referat 4: Ich – gerechter<br />

leben?<br />

30 Referat inkl.<br />

Diskussion<br />

•<br />

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Was Inhalt ziel Sozialform Material Alternative (A) oder<br />

Hinweis (H)<br />

Dauer<br />

(Min.)<br />

10 Pause<br />

H: Am Ende können die<br />

Tn die stummen Dialoge<br />

der anderen Gruppen<br />

lesen.<br />

Plakate oder kleine<br />

zettel (z.B. Post-its),<br />

Stifte<br />

Kleingruppen<br />

Vertiefung und persönliche<br />

Auseinandersetzung mit dem<br />

Thema<br />

auch eher wortkarge oder<br />

scheue Tn können zum zug<br />

kommen<br />

•<br />

stummer Dialog über die<br />

Referatsinhalte<br />

Ausgangspunkt: „Gleicht<br />

euch nicht dieser Welt an…“<br />

(Römer 12,2)<br />

•<br />

•<br />

30 abschließende<br />

Diskussion als<br />

stummer Dialog<br />

•<br />

schluss<br />

H: Die Punkte für einen<br />

gerechteren Lebensstil<br />

sollten smart gewählt<br />

werden:<br />

spezifisch, messbar,<br />

angemessen, realistisch,<br />

terminiert.<br />

Einzelarbeit Papier,<br />

Briefumschläge<br />

Selbstverpflichtung der Tn;<br />

fördert nachhaltige Veränderung<br />

nach dem Kurs (Erinnerung)<br />

15 Brief an sich selbst • jede/r schreibt mindestens 3<br />

konkrete, schnell umsetzbare<br />

Punkte für einen gerechteren<br />

Lebensstil in einen<br />

Brief an sich selbst<br />

• KL sammelt Briefe ein<br />

ÜBERSICHTEn KURSEInHEIT 4<br />

KL schickt 2 Monate nach<br />

•<br />

Kursende den Tn ihren Brief<br />

zu<br />

H: Angepackt! nicht<br />

vergessen!<br />

Plenum Besinnlicher<br />

Schluss: Seite 10<br />

5 Besinnlicher<br />

Schluss<br />

Total: 120 Minuten<br />

Anmerkung zum stummen Dialog: Die Tn erhalten kleine zettel (zum Beispiel Post-its) und sitzen in kleinen Gruppen in einem Kreis. In der Mitte liegt ein zettel mit<br />

„Gleicht euch nicht dieser Welt an…“ (Römer 12,2). nun darf schriftlich diskutiert werden: Jemand schreibt etwas auf einen zettel und legt ihn an den ersten zettel an.<br />

Andere können nun auf den zweiten zettel reagieren oder direkt auf den ersten. So entstehen nach und nach verschiedene Diskussionsstränge.<br />

Wichtig: Es darf nicht gesprochen werden, sondern alles läuft schriftlich. Es sollte ausreichend Platz vorhanden sein, damit die verschiedenen Diskussionsstränge<br />

sich gut „verästeln“ können.<br />

Diese Seite darf kopiert werden.<br />

205


206<br />

Übersicht Kurseinheit 5: Gesellschaft – gerechter gestalten?<br />

Just PEoPlE?<br />

Was Inhalt ziel Sozialform Material Alternative (A) oder<br />

Hinweis (H)<br />

Dauer<br />

(Min.)<br />

Diese Seite darf kopiert werden.<br />

Einstieg<br />

Plenum Besinnlicher<br />

Anfang: Seite 8<br />

5 Besinnlicher<br />

Anfang<br />

Anleitung zum<br />

Untätigsein:<br />

Seite 24<br />

Kleingruppen<br />

über eventuelle Veränderungen<br />

der eigenen Meinung<br />

nachdenken<br />

Argumente für oder gegen<br />

einzelne Punkte der Anleitung<br />

zum Untätigsein hinterfragen<br />

•<br />

die einzelnen Punkte der<br />

Anleitung zum Untätigsein<br />

noch einmal diskutieren<br />

(notizen!)<br />

10 Rückblick und<br />

Diskussion<br />

•<br />

H: Eine gute Möglichkeit<br />

mit <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> oder<br />

der Micha-Initiative in<br />

Kontakt zu bleiben, sind<br />

die newsletter, die man<br />

online abonnieren kann.<br />

Plenum Micha-Aufruf:<br />

Seite 79<br />

<strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> und Micha-<br />

Initiative kennenlernen<br />

Tn wissen, dass man mitmachen<br />

kann, wenn man will<br />

•<br />

landesspezifische Kampagne<br />

vorstellen<br />

•<br />

10 Vorstellung Micha-<br />

Inititiave,<br />

<strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong><br />

Vertiefungsartikel:<br />

Seite 158<br />

Homepages s.u.<br />

Erarbeitung und Vertiefung<br />

Plenum Referat 5: Seite 70<br />

zusammenhang zwischen<br />

Politik und Engagement<br />

gegen Armut sehen<br />

Handlungsspielraum in Politik<br />

und Gesellschaft erkennen<br />

•<br />

Referat 5: Gesellschaft –<br />

gerechter gestalten?<br />

50 Referat inkl.<br />

Diskussion<br />

•<br />

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Was Inhalt ziel Sozialform Material Alternative (A) oder<br />

Hinweis (H)<br />

Dauer<br />

(Min.)<br />

10 Pause<br />

Aktion<br />

H1: Punkte aus der<br />

Diskussion können nach<br />

dem Referat praktisch<br />

umgesetzt/eingebaut<br />

werden.<br />

Just People?-<br />

Aktion: Seite 80<br />

Plenum/<br />

Kleingruppen<br />

ein fertiges Konzept (jeder<br />

kennt seine Aufgaben)<br />

es ist klar, was in Kurseinheit<br />

6 be<strong>im</strong> Programmpunkt „Just<br />

People?-Aktion“ zu tun ist<br />

•<br />

Startschuss für die Just<br />

People?-Aktion<br />

• Brainstorming<br />

• Konzept<br />

• Aufgabenverteilung<br />

• Vorbereitung des Programmpunktes<br />

„Just People?-Aktion“ in<br />

Kurseinheit 6<br />

30 Just People?-<br />

Aktion<br />

•<br />

zusätzlich für<br />

KL: Just People?-<br />

Aktion: Seite 185<br />

H2: zwischen Kurseinheit<br />

5 und 6 sollte schon<br />

ein Teil des Materials<br />

beschafft werden, um<br />

in Kurseinheit 6 besser<br />

arbeiten zu können.<br />

ÜBERSICHTEn KURSEInHEIT 5<br />

schluss<br />

H: Angepackt! nicht<br />

vergessen!<br />

Plenum Besinnlicher<br />

Schluss: Seite 10<br />

5 Besinnlicher<br />

Schluss<br />

Total: 120 Minuten<br />

Hinweis zur Vorstellung von <strong>StopArmut</strong> <strong>2015</strong> und Micha-Initiative: Just People? ist <strong>im</strong> Rahmen von Micah Challenge von den beiden nationalen Kampagnen <strong>StopArmut</strong><br />

<strong>2015</strong> und Micha-Initiative Deutschland ausgearbeitet worden. Wir bitten dich, unsere Kampagnenarbeit kurz vorzustellen. Du findest alle nötigen Informationen auf<br />

unseren Homepages. Dort kannst du auch Material bestellen: www.stoparmut<strong>2015</strong>.ch, www.micha-initiative.de.<br />

Diese Seite darf kopiert werden.<br />

207


208<br />

Übersicht Kurseinheit 6: Kirche – gerechter nachfolgen?<br />

Just PEoPlE?<br />

Was Inhalt ziel Sozialform Material Alternative (A) oder<br />

Hinweis (H)<br />

Dauer<br />

(Min.)<br />

Diese Seite darf kopiert werden.<br />

Einstieg<br />

Plenum Besinnlicher<br />

Anfang: Seite 8<br />

5 Besinnlicher<br />

Anfang<br />

Plenum Flipchart H: Die gesammelten<br />

Punkte bleiben während<br />

des Referats sichtbar.<br />

Einst<strong>im</strong>mung auf das Referat<br />

die Kirche „mal anders“<br />

sehen<br />

•<br />

•<br />

5 Diskussion Den Tn wird folgende Frage<br />

gestellt:<br />

• Wie wirkt die Kirche nach<br />

außen?<br />

oder:<br />

• Wie reden die Leute in eurem<br />

Umfeld über die Kirche<br />

(positiv und negativ)?<br />

Antworten aufschreiben<br />

Erarbeitung und Vertiefung<br />

Referat 6: Seite 86 H1: Auf die vorher genannten<br />

Punkte eingehen, wenn<br />

sie zum Referat passen.<br />

Plenum und<br />

Kleingruppen<br />

Wirkung der Kirche und<br />

einzelnen Gemeinden kritisch<br />

hinterfragen<br />

das Potential des Gebets und<br />

der weltweiten Kirche erkennen<br />

•<br />

Referat 6: Kirche – gerechter<br />

nachfolgen?<br />

Referat inkl.<br />

Diskussion<br />

•<br />

30<br />

+ evtl.<br />

zeit<br />

für<br />

Gebet<br />

H2: KL kann <strong>im</strong> Referat<br />

Raum für Gebet geben.<br />

Dann bitte mehr zeit einplanen!<br />

H3: Einen fließenden<br />

Übergang zum nächsten<br />

Programmpunkt schaffen:<br />

Was könnte man in der Just<br />

People?-Aktion umsetzen?<br />

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Was Inhalt ziel Sozialform Material Alternative (A) oder<br />

Hinweis (H)<br />

Dauer<br />

(Min.)<br />

Diskussion: Seite 91<br />

Kleingruppen<br />

(wenn<br />

möglich aus<br />

gleichen<br />

Gemeinden)<br />

über Möglichkeiten nachdenken<br />

konkrete Schritte planen<br />

•<br />

•<br />

Austausch zu den Fragen und<br />

Handlungs<strong>im</strong>pulsen auf<br />

Seite 91<br />

15 abschließende<br />

Diskussion zum<br />

Referat<br />

10 Pause<br />

Aktion<br />

H: KL und Tn prüfen, ob<br />

alles klar ist bzgl. Just<br />

People?-Aktion.<br />

Just People?-<br />

Aktion: Seite 80<br />

Plenum/<br />

Kleingruppen<br />

möglichst viel schon <strong>im</strong> Kurs<br />

selbst vorbereiten<br />

zeitplan fertigstellen<br />

•<br />

Ideen von Kurseinheit 5 umsetzen<br />

und (wenn möglich)<br />

konkrete Arbeiten erledigen<br />

Terminplanung für Arbeiten<br />

außerhalb der Kurseinheiten<br />

•<br />

40 Just People?-<br />

Aktion<br />

•<br />

•<br />

ÜBERSICHTEn KURSEInHEIT 6<br />

schluss<br />

Plenum H: Eine kreative Tätigkeit<br />

kann unter Umständen<br />

länger dauern.<br />

Abrundung der Inhalte<br />

Motivation, Gelerntes<br />

umzusetzen<br />

•<br />

•<br />

10 Kursabschluss individuell nach Kursgruppe:<br />

• erneuter Kursüberblick<br />

• Schlussdiskussion<br />

• Rückmeldungen (Fragebogen<br />

auf www.just-people.<br />

net)<br />

• Erinnerung basteln, malen<br />

• Schlusswort<br />

• etc.<br />

Plenum Besinnlicher<br />

Schluss: Seite 10<br />

5 Besinnlicher<br />

Schluss<br />

Total: 120 Minuten<br />

Diese Seite darf kopiert werden.<br />

209


JuSt people?:<br />

Nur MeNscheN oDer gerechte MeNscheN?<br />

Eine Welt, in der weniger Menschen verhungern, in der<br />

jede und jeder wenigstens die Grundschule besuchen<br />

darf, in der Kranke einen Arzt in Reichweite haben, in<br />

der Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Eine Welt,<br />

in der Aids und Malaria bekämpft werden, in der Menschen<br />

die Schöpfung achten und bewahren, in der für<br />

Produkte ein fairer Preis bezahlt wird, damit alle leben<br />

können. Eine Welt, in der Menschen gemeinsam auf dem<br />

Weg sind, einander helfen und ihr Leben teilen…<br />

Ist das mehr als ein Traum? Ist solch eine gerechtere<br />

Welt sogar Gottes Herzensanliegen? Und wenn ja,<br />

sollten wir uns dann nicht als Christen gegen globale<br />

Armut engagieren? Für das Evangelium in Wort und<br />

Tat? Immerhin: Laut einer Umfrage von 2009 interessieren<br />

sich 80,4 Prozent der Christen in Deutschland<br />

für globale Armut, aber bei nur 26,7 Prozent spielt dieses<br />

Thema in der Gemeinde eine große Rolle und nur<br />

17,6 Prozent finden, dass Christen ihre Verantwortung<br />

in Bezug auf globale Armut ausreichend wahrnehmen.<br />

Hier setzt Just People? an.<br />

Dies ist nicht nur ein Buch, sondern ein Wegbegleiter – für<br />

Gemeinden, Hauskreise, Jugendgruppen oder einzelne<br />

Personen. In sechs spannenden und herausfordernden<br />

Kurseinheiten zu je 120 Minuten wird das Thema Armut<br />

und Gerechtigkeit aufgerollt: Den Kern jeder Kursein-<br />

heit bildet ein Referat, ergänzt von vielen kreativen und<br />

abwechslungsreichen Elementen. Der Kurs stellt Fragen<br />

und schafft Raum für Diskussionen und Austausch. Fester<br />

Bestandteil ist die Just People?-Aktion, die alle Teilnehmenden<br />

zusammen auf die Beine stellen und durchführen.<br />

Achtzehn Vertiefungsartikel bieten zusätzliche Informationen<br />

und Anregungen.<br />

Immer wieder geht es um die Frage, was der Einzelne<br />

und die christliche Gemeinde für eine gerechtere Welt<br />

tun kann:<br />

Kurseinheit 1: Welt – einfach wegschauen?<br />

Kurseinheit 2: Bibel – einfach überlesen?<br />

Kurseinheit 3: mission – einfach predigen?<br />

Kurseinheit 4: Ich – gerechter leben?<br />

Kurseinheit 5: Gesellschaft – gerechter gestalten?<br />

Kurseinheit 6: Kirche – gerechter nachfolgen?<br />

Die Frage ist: Sind wir just people, „nur Menschen“, deren<br />

Taten sowieso nichts bringen, oder sind wir just people,<br />

„gerechte Menschen“, die sich für eine bessere Welt einsetzen?<br />

Von der Antwort auf diese Frage hängt nicht<br />

weniger ab als unsere Zukunft. Weil wir zusammen auf<br />

einer Welt leben. Als Gemeinschaft.<br />

Na dann, los geht’s!<br />

stopArmut <strong>2015</strong> ist eine durch den Verband Interaction verantwortete Kampagne der schweizerischen evangelischen Allianz.<br />

In Zusammenarbeit mit<br />

sponsoren<br />

WWW.JuSt-people.net<br />

hauptsponsor

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