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HIV-Neudiagnosen stagnieren Loftkantine startet 20 ... - Aids-Hilfe

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:info aktuell<br />

„Zwangsouting“ für <strong>HIV</strong>-positive Gefangene<br />

in den NRW-Haftanstalten muss abgeschafft werden!<br />

Im Januar 1988 wurde der Umgang mit <strong>HIV</strong>-infizierten<br />

Gefangenen durch einen Erlass des Justizministers geregelt.<br />

Dieser Erlass, der also aus einer Zeit stammt, in der noch in<br />

Bezug auf Übertragungswege Unsicherheiten bestanden und<br />

eine medikamentöse Behandlung fehlte, hat bis heute Gültigkeit.<br />

Neben vielen durchaus positiven Aspekten dieses Erlasses,<br />

wie die Schaffung von anonymen Zugang zu Kondomen und<br />

Gleitmitteln in den Justizvollzugsanstalten (JVA), wird hier<br />

die Unterbringung <strong>HIV</strong>-positiver Gefangener geregelt:<br />

„Infizierte Gefangene sind grundsätzlich in Einzelhafträumen<br />

unterzubringen. Eine gemeinschaftliche Unterbringung<br />

kommt in Betracht, wenn nach der Persönlichkeit,<br />

dem Verhalten und der Lebensweise des Gefangenen eine<br />

Gefährdung von Mitgefangenen nicht zu besorgen ist und<br />

die Betroffenen zustimmen … Unter den vorgenannten<br />

Vo raussetzungen kann der Gefangene auch am Umschluss<br />

teilnehmen“ (Zur Erläuterung: Umschluss ist die Zeit am<br />

Abend, in der sich Gefangene gegenseitig in ihren Zellen<br />

besuchen können).<br />

Im Alltag sieht das folgendermaßen aus: Bereits in der<br />

Eingangsuntersuchung wird Inhaftierten ein <strong>HIV</strong>-Test angeboten.<br />

Auch bei der Bewerbung um bestimmte Arbeitsplätze<br />

in den Haftanstalten wie Küchenarbeiter oder Hausarbeiter<br />

wird ein <strong>HIV</strong>-Test verlangt, da Positive von diesen Arbeiten<br />

ausgeschlossen werden.<br />

Nicht selten kommt es vor, dass Menschen in Haft eine<br />

<strong>HIV</strong>-Diagnose erhalten.<br />

Ist der oder die Betroffene bislang in einer Gemeinschaftszelle<br />

untergebracht gewesen, kann er oder sie jetzt nicht<br />

einfach dorthin zurück, sondern muss zunächst die Mitgefangenen<br />

in Kenntnis setzen und deren Einverständnis<br />

schriftlich verlangen.<br />

In einer Situation also, in der der Mensch völlig verunsichert<br />

ist, in der sich für ihn Fragen stellen wie: „Wie lange<br />

werde ich leben, muss ich schon Medikamente nehmen,<br />

welche Nebenwirkungen kommen auf mich zu, wie hab ich<br />

mich überhaupt angesteckt, habe ich vielleicht meine<br />

Freundin/meinen Freund angesteckt, wie sag ich das meiner<br />

Familie, wie reagieren Mitgefangene?“ muss sich der Gefangene<br />

outen, um nicht in Einzelhaft zu gelangen. Nun gibt es<br />

immer wieder Gefangene, die zunächst mit sich ins Reine<br />

kommen und den Schock verdauen möchten, bevor sie mit<br />

anderen darüber sprechen wollen. Diesen bleibt nichts<br />

anderes übrig, als von jetzt auf gleich, die Sachen zu packen<br />

und die Zelle zu wechseln.<br />

Da der Mensch sich in einer Ausnahmesituation befindet,<br />

wird er als suizidgefährdet eingestuft und unter ständige<br />

Beobachtung gestellt. Das bedeutet viertelstündliche Überwachung,<br />

nachts mit Licht, was den Gefangenen zusätzlich<br />

verunsichert und belastet.<br />

6 :info #2 <strong>20</strong>11<br />

Besonders hart trifft es Gefangene, deren Zellengenossen<br />

sich weigern, die Einverständniserklärung zu unterschreiben.<br />

Diese erfahren direkt nach der Diagnose das erste Mal, wie<br />

es ist, als Positiver diskriminiert zu werden.<br />

Am 22.06.11 fand im Rechtsausschuss des Landtages auf<br />

Initiative der FDP ein Expertengespräch zu dem Thema statt.<br />

Hier ging es primär darum die Frage zu klären, wiegt die<br />

informationelle Selbstbestimmung des Einzelnen höher als<br />

die Gefährdung Dritter. Zweifellos ist dies nicht der Fall.<br />

Dennoch sind anerkannte Experten der Ansicht, dass sich<br />

Bedienstete und Mitgefangene in eine Scheinsicherheit<br />

begeben, wenn sie davon ausgehen, dass die Ausgrenzung<br />

ausgewiesener <strong>HIV</strong>-Infizierter der Sicherheit dient. Denn<br />

längst nicht alle Positiven werden erfasst, weil sie noch nicht<br />

getestet sind oder weil sie ihre Infektion verschweigen.<br />

Jeder und Jede muss daher als vermeintlich infektiös<br />

gelten und somit sind Präventivmaßnahmen wie Blutkontakt<br />

zu vermeiden und geschützter Sex die Mittel der<br />

Wahl um Neuinfektionen zu verhindern. Dies schien vor<br />

allem bei den Experten des Strafvollzuges noch nicht angekommen<br />

zu sein. Daher scheint es nach wie vor fraglich, ob<br />

die Mitglieder des Rechtsausschusses dem Antrag der FDP<br />

folgen und diese Regelung zugunsten einer stärkeren<br />

Präventionsarbeit in den Haftanstalten abschaffen werden.<br />

Text: Angelika Rhouzzal · Abbildung: AHD-Archiv

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