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Nr. 48 - epd

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Evangelischer<br />

Pressedienst<br />

30. November 2012<br />

<strong>48</strong><br />

INHALT Vom Volontär zum Generaldirektor<br />

Mit Hall will die BBC ihre Krise schnell überwinden / Von Christiane Link 3<br />

Im Salon des Fernsehens<br />

Das Fernsehfilm-Festival Baden-Baden 2012 / Von Diemut Roether 5<br />

Der letzte Atemzug<br />

Die ARD-Themenwoche „Leben mit dem Tod“ / Von Barbara Sichtermann 9<br />

Inland<br />

Insolvente dapd kündigt 98 Mitarbeitern 13<br />

ARD will Gespräche über Jugendkanal führen 14<br />

Volker Herres bleibt Programmdirektor der ARD 15<br />

Streit um „Tagesschau“-App: Spitzengespräch im Frühjahr 15<br />

Ende im Dezember: „Financial Times Deutschland“ wird eingestellt 16<br />

Weitere Inlandsmeldungen ab Seite 17<br />

Internationales<br />

Tony Hall wird Generaldirektor der BBC 30<br />

ORF darf Facebook-Seiten vorerst weiterbetreiben 30<br />

Europäisches Gericht stärkt Quellenschutz 31<br />

ZDF/ARTE-Film „Musik als Waffe“ mit Emmy ausgezeichnet 31<br />

Neue Regierung verändert georgische Medienlandschaft 32<br />

Weitere internationale Meldungen ab Seite 33<br />

Kritik<br />

„Und dennoch lieben wir“ von Tiefenbacher/Herzfeld/Kluger (ARD/Degeto) 34<br />

„Mit geradem Rücken“ von Florian Froschmayer und Sophia Krapoth (Sat.1) 35<br />

„Marie Brand und das Lied von Tod und Liebe“ von Balthasar/Stauch/Bitar (ZDF) 36<br />

„Die Tote im Moorwald“ von Hans Horn und Annika Tepelmann (ZDF) 37<br />

Weitere Kritiken ab Seite 38<br />

Dokumentation<br />

Die Preise beim Fernsehfilm-Festival Baden-Baden 2012 43


2 <strong>epd</strong> medien ■ <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> · 30.11.2012<br />

„Dein Netz“ versus Baskenmütze. Von Erklär-Videos und Propaganda<br />

<strong>epd</strong> Ende April 2012 wagte sich der Bund Deutscher<br />

Zeitungsverleger (BDZV) endlich in die Höhle<br />

der Löwen. Parallel zur Erstellung eines Twitterkanals<br />

(aktuell 299 Follower) wurde ein Video auf den<br />

eigenen Youtube-Kanal (aktuell 19 Abonnenten) hochgeladen,<br />

das bis heute die mit Abstand meisten Klicks<br />

erntete (aktuell 4.298). Das Video trägt den - für<br />

BDZV-Verhältnisse ziemlich knackigen - Titel „Leistungsschutzrecht<br />

für Verlage“ und widmet sich der<br />

Diskussion mit Lehrbuchbildchen und in erklärbärigem<br />

Tonfall.<br />

„An der einen Front“ (im Bild links): „Verlage, die für<br />

die Produktion der redaktionellen Inhalte sorgen“.<br />

Eine Hand schiebt eine Zeichnung von vier Menschen<br />

ins Bild. Der mit dem Sakko ist, das erfährt man später,<br />

der Verleger. Er trägt einen Vollbart, das passt zu<br />

dem lässig-intellektuellen Stil seiner Angestellten, die<br />

entweder Pulli über dem Hemd (Mann) oder Kostüm<br />

mit Rock (Frauen) tragen; die mit der Baskenmütze ist<br />

vermutlich die Kulturredakteurin.<br />

Dem Bohème-Trüppchen gegenüber stehen drei glatt<br />

gelackte Gestalten in Anzügen, mit Ziegenbärtchen,<br />

Bob oder Föhnlocke, zwei grinsen höhnisch; die<br />

Stimme aus dem Off bezeichnet sie als „gaaanz besondere<br />

Nutzer, die den Content der Verlage einsetzen,<br />

um damit Geld zu verdienen, ohne für diese Verwendung<br />

zu bezahlen“. Ein Stapel Geldscheine wird ins<br />

Bild geschoben, später kommen eine Jacht und ein<br />

Sportwagen sowie Sonnenbrillen auf den Nasen der<br />

gaaanz besonderen Nutzer hinzu.<br />

Plötzlich muss der Erzähler erkennen: „Einer ist in diesem<br />

Streit noch gar nicht um seine Meinung gefragt<br />

worden.“ Ein papiernes Wesen mit einem freundlichen<br />

lächelnden Gesichtchen tritt auf. Es ist: „der redaktionelle<br />

Beitrag“. Der steht dann da herum und wird von<br />

niemandem mehr nach seiner Meinung gefragt.<br />

Und während sich der BDZV noch in einer derart niedlichen,<br />

zumindest aber argumentativ auszutragenden<br />

Auseinandersetzung wähnt, erklären sich jene<br />

„gaaanz besonderen Nutzer“ bereits zum Opfer ei-<br />

IMPRESSUM<br />

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Dr. Thomas Schiller<br />

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Diemut Roether (Verantw. Redakteurin),<br />

Michael Ridder, Henning Engelage<br />

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■ TAGEBUCH ■<br />

nes Angriffskriegs - und ordnen die Mobilmachung<br />

an: „Verteidige Dein Netz“ heißt das Video, das Google<br />

Deutschland nun publiziert hat. Darin kommen<br />

keine Frauchen und Männchen vor, sondern viele,<br />

viele Google-Suchanfragen mit 100-prozentiger Erfolgsquote;<br />

auch geht es nicht um die Erläuterung<br />

der eigenen Position, sondern schlicht und einfach<br />

um Gefühle. Genauer gesagt: um vermeintlich typisch<br />

deutsche Gefühle.<br />

Mit Begriffen wie Millennium-Bug, Euro-Starterkit, Tsunami,<br />

Lehmanns Zettel, Eisbär Knut, Eyja-irgendwas-<br />

Vulkan, Abwrackprämie, BVB, Mars-Mission, Köhler-<br />

Rücktritt, Arabischer Frühling, Stuttgart21, Rente,<br />

Herdprämie und so weiter will die Suchmaschine die<br />

nationale Historie der vergangenen Dekade als von ihr<br />

mitbestimmte vorstellen und sich darin einschreiben:<br />

„Seit über zehn Jahren kannst Du jederzeit finden, was<br />

Dich bewegt.“<br />

Zum Grübeln über den kausalen Zusammenhang von<br />

Finden und Bewegtsein bleibt allerdings keine Zeit,<br />

denn es folgt der finale Befehl: „Verteidige Dein Netz.<br />

Finde weiterhin, was Du suchst.“ Wenn ich finde, was<br />

ich suche, verteidige ich also „mein“ Netz also Google<br />

also mein Netz. . . ? Dass dieser Slogan an die existenzielle<br />

Identifizierung der „Du bist Deutschland“-<br />

Kampagne erinnert, ist freilich kein Zufall.<br />

„Verteidige Dein Netz“ ist tatsächlich noch banaler<br />

populistisch als die BDZV-Anbiederung an den Neid<br />

des Intellektuellen auf den Kapitalisten und dessen<br />

Geld, Jacht und Sportwagen. Google ist immerhin<br />

eines der wichtigsten Medienunternehmen dieser Erde<br />

- fällt denen wirklich nichts Besseres als solch ein<br />

Videolein ein? Im Grunde hat dieser Spot nicht einmal<br />

die Bezeichnung „üble Propaganda“ verdient, die<br />

der BDZV sogleich entrüstet äußerte.<br />

Für so dumm wie von Google möchte<br />

man jedenfalls nicht gehalten und<br />

verkauft werden. Dann fast noch lieber,<br />

traurig genug, die BDZV-Baskenmütze.<br />

Katrin Schuster<br />

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Vom Volontär zum Generaldirektor<br />

■ DEBATTE ■ 30.11.2012 · <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> ■ <strong>epd</strong> medien 3<br />

Mit Hall will die BBC ihre Krise schnell überwinden / Von Christiane Link<br />

<strong>epd</strong> Tony Hall zum Generaldirektor zu ernennen, ist<br />

nicht gerade ein Zeichen für einen Generationenwechsel<br />

bei der BBC: Mit 61 Jahren ist er sechs Jahre älter<br />

als sein Vor-Vorgänger Mark Thompson. Dennoch, die<br />

Ernennung Halls wurde mehrheitlich positiv aufgenommen<br />

(vgl. Meldung in dieser Ausgabe). Hatten manche<br />

Beobachter befürchtet, die Regierung könnte die Gunst<br />

der Stunde nutzen, um einen konservativen regierungsnahen<br />

Manager in die Führungsetage der BBC einziehen<br />

zu lassen, war sowohl in Teilen der Politik als auch in<br />

der Branche schon fast Erleichterung zu verspüren als<br />

der Name Tony Hall fiel.<br />

Einige hatten gar mit Jeremy Hunt, dem jetzigen Gesundheitsminister<br />

gerechnet. Hunt war bis zur Neuordnung<br />

des Kabinetts im September Kulturminister und damit<br />

auch für den Bereich Medien und für die geplante Übernahme<br />

von BSkyB durch Murdochs News International<br />

verantwortlich, die wegen des Abhörskandals in letzter<br />

Minute platzte.<br />

So stellte die neue Kulturministerin, Maria Miller, im<br />

Parlament auch gleich klar, dass Unabhängigkeit für die<br />

BBC das höchste Gut ist: „Die BBC ist eine unabhängige<br />

Institution und ihre Unabhängigkeit ist nicht und<br />

wird niemals in Frage gestellt werden.“ Die einzige<br />

Organisation, die das Vertrauen bei der Bevölkerung<br />

wieder herstellen könne, sei die BBC selbst. Tony Hall gilt,<br />

im Gegensatz zu Jeremy Hunt, als politisch unabhängig.<br />

Seit 2010 sitzt er als so genannter Crossbencher - also<br />

als Parteiloser - im britischen Oberhaus.<br />

Erfolgreicher Kulturmanager<br />

Hall ist zudem ein BBC-erfahrener Mann. Bevor er<br />

Geschäftsführer des Royal Opera Houses wurde, war<br />

Hall fast 30 Jahre lang für die britische Rundfunkanstalt<br />

tätig. Er kam 1973 als Volontär zur BBC, arbeitete an<br />

vielen Radio- und Fernsehprogrammen mit, bis er 1985<br />

leitender Redakteur der „BBC Nine O’Clock News“ wurde.<br />

1990 dann wurde er Direktor der Abteilung „Nachrichten<br />

und Zeitgeschehen“, bis er 2001 die BBC verließ, um<br />

das Opernhaus zu leiten. Unter seiner Führung startete<br />

die BBC Programme wie BBC Radio 5 Live, BBC News<br />

24 und BBC News Online.<br />

Aber Hall war nicht nur bei der BBC erfolgreich. Er<br />

schaffte es als Direktor des Royal Opera House, mit<br />

neuen Konzepten auch junge Leute für klassische Musik<br />

zu begeistern. Er führte ein 10-Pfund-Ticket (etwa<br />

12 Euro) für Studenten ein. Außerdem hatte er die<br />

Idee, Opernaufführungen ins ganze Land übertragen zu<br />

lassen und sie auf Leinwänden zu zeigen, unter anderem<br />

auf dem Trafalgar Square im Herzen Londons. Dass<br />

diese und andere Ideen von Erfolg gekrönt waren, lässt<br />

sich auch in Zahlen messen: Unter Hall steigerte das<br />

Opernhaus seinen Umsatz von 45 Millionen Pfund (etwa<br />

55 Millionen Euro) auf 106 Millionen Pfund (etwa 131<br />

Millionen Euro). So hat er dem Opernhaus finanzielle<br />

Stabilität und Kreativität gebracht.<br />

Hall wird seine neue Stelle bei der BBC allerdings erst<br />

im März antreten. So lange bleibt Tim Davie kommissarischer<br />

Generaldirektor. In einer Ansprache kurz nach<br />

seiner Ernennung machte Hall den BBC-Mitarbeitern<br />

Mut: „Die vergangenen Wochen waren schwierig - aber<br />

zusammen werden wie das durchstehen.“ Er werde<br />

sicherstellen, dass die Nachrichten der BBC die Besten<br />

der Welt sind. „Ich fühle mich verpflichtet, dies zu<br />

einem Ort zu machen, an dem die besten und klügsten<br />

kreativen Menschen arbeiten möchten“, sagte er. Er<br />

wisse aus seinen ersten Tagen als Nachrichten-Volontär,<br />

aus der Zeit als er Nachrichtenchef war, aber auch aus<br />

seiner Zeit beim Royal Opera House, dass er das nicht<br />

alleine schaffen könne. „Die richtigen Teams zusammenarbeiten<br />

zu lassen, die sich gegenseitig motivieren, ist<br />

der Schlüssel.“<br />

Bereits vorher Kandidat gewesen<br />

Hall war bereits vor der Ernennung von Entwistle gefragt<br />

worden, ob er die Nachfolge von Mark Thompson<br />

antreten wolle. Das war vor acht Monaten, als Hall das<br />

hoch gelobte Kulturprojekt der Olympischen Spiele, die<br />

Cultural Olympiad, verantwortete. Er wolle das Projekt<br />

zu Ende bringen, sagte er damals Lord Patten, dem<br />

Vorsitzenden des BBC Trust. Aber die Olympischen Spiele<br />

sind zu Ende und damit auch das Kulturprojekt Cultural<br />

Olympiad. Nachdem die BBC so tief in der Krise steckt,<br />

hat sich Hall bereit erklärt, den Posten nun doch zu<br />

übernehmen.<br />

Wochenlang kam die BBC nach der Ernennung Entwistles<br />

nicht zur Ruhe. Erst erschütterten die Missbrauchsvorwürfe<br />

gegen den verstorbenen BBC-Entertainer<br />

Jimmy Savile die Organisation (<strong>epd</strong> 42, 43/12). Kurz<br />

darauf hatte die Berichterstattung über den angeblichen<br />

sexuellen Missbrauch eines Kindes durch einen<br />

hochrangigen konservativen Politiker aus der Thatcher-<br />

Ära Entwistle den Job gekostet (<strong>epd</strong> 46/12). In der<br />

Flaggschiff-Sendung der BBC, „Newsnight“, hatte ein<br />

Missbrauchsopfer berichtet, wie es als Kind in einem<br />

walisischen Kinderheim vergewaltigt wurde. Der Sender<br />

behauptete, bei dem Täter handele es sich um einen


4 <strong>epd</strong> medien ■ <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> · 30.11.2012<br />

konservativen Politiker, was sich später als falsch erwies.<br />

Bereits nach 54 Tagen im Amt trat Entwistle zurück.<br />

Über seinen Nachfolger entschied das Aufsichtsgremium<br />

der BBC, der BBC Trust, bereits zwei Wochen nach<br />

Entwistles Rücktritt. Mit der schnellen Ernennung Halls<br />

will die BBC ein deutliches Signal senden, dass sie<br />

so schnell wie möglich aus ihrer Krise herauskommen<br />

möchte. „Die BBC ist so wichtig, dass er sich entschieden<br />

hat, den Job doch zu übernehmen“, sagte Lord Patten<br />

vor dem Kultur-, Medien- und Sportausschuss des<br />

Parlaments Anfang dieser Woche. Er hoffe, dass Hall<br />

ein Team um sich herum aufbaue, so dass es künftig<br />

einfacher werde, neue Kandidaten für den Posten des<br />

Generaldirektors zu finden.<br />

Abfindung sorgt für Kritik<br />

Aber auch mit der Ernennung eines neuen Generaldirektors<br />

hat die BBC die Krise noch nicht überwunden.<br />

Noch vor Weihnachten soll der Pollard-Report veröffentlicht<br />

werden, der untersucht, wie es 2011 zu der<br />

redaktionellen Entscheidung kam, das Interview mit<br />

einem Opfer des Entertainers Jimmy Savile nicht zu<br />

senden. Die Untersuchung über die Fälle des sexuellen<br />

Missbrauchs selbst wird noch Monate dauern, sagte<br />

Lord Patten im Parlamentsausschuss.<br />

Nicht zuletzt war dort auch die Abfindungszahlung an<br />

Entwistle ein Thema. Der BBC Trust hatte Entwistle<br />

zugesagt, ihm eine Abfindung von 450.000 Pfund<br />

(rund 557.000 Euro) zu zahlen. Das entspricht einem<br />

Jahresgehalt des Generaldirektors. Seit dies bekannt<br />

wurde, muss Lord Patten sich Kritik, auch von der<br />

Regierung, gefallen lassen. Dem Ausschuss erklärte<br />

Patten, man habe keine arbeitsrechtliche Handhabe<br />

gehabt, Entwistle zu entlassen. Deshalb sei man darauf<br />

angewiesen gewesen, dass Entwistle freiwillig geht.<br />

Entwistle habe sogar eine höhere Summe verlangt, auf<br />

die Hälfte des Geldes habe er sich nicht einlassen wollen.<br />

Ihm seien die Hände gebunden gewesen, sagte Lord<br />

Patten.<br />

■ DEBATTE ■<br />

Nun muss er aufpassen, dass die Affäre nicht auch<br />

noch seinen Kopf kostet. Während der Befragung durch<br />

den Parlamentsausschuss lieferte er sich mit dem<br />

konservativen Abgeordneten Philip Davies einen wenig<br />

herzlichen Austausch. Davies fragte Lord Patten nach<br />

seinen diversen Nebenjobs, mehr als zehn sollen es sein,<br />

und stellte damit infrage, ob Lord Patten seiner Tätigkeit<br />

als Vorstand des BBC Trust genug Aufmerksamkeit<br />

schenkt - erst recht in Zeiten der Krise. Auch ob er<br />

schon mal über einen Rücktritt nachgedacht hätte,<br />

wurde er von einem Abgeordneten gefragt.<br />

Kein Bunga-Bunga<br />

„Ungefähr acht Tage die Woche“ arbeite er derzeit als<br />

Vorsitzender des BBC Trust, sagte Lord Patten sichtlich<br />

verärgert. Ein Blogger hatte eine Informationsanfrage<br />

an den BBC Trust gestellt, aus der hervorging, dass<br />

Lord Patten in den ersten sechs Monaten des Jahres<br />

durchschnittlich nur zwei Tage die Woche im Büro<br />

war. Darauf spielte der Abgeordnete an. Lord Patten<br />

aber sagte, er arbeite mindestens drei oder vier Tage in<br />

der Woche als Vorsitzender und an ein bis zwei Tagen<br />

erledige er andere BBC-Arbeiten.<br />

Aber eines machte Lord Patten deutlich: Die BBC sei in<br />

der Lage, aus der Krise wieder herauszukommen. „Die<br />

Leute bei BBC sind fassungslos darüber, was passiert<br />

ist, aber sie machen ihre Arbeit wie üblich. Die BBC ist<br />

keine Organisation, die dabei ist auseinanderzufallen“,<br />

sagte er. Er warnte davor, die BBC grundsätzlich in<br />

Frage zu stellen. Größtenteils repräsentiere die BBC die<br />

besten Werte des Landes. „Jeder, der die BBC durch<br />

den Dreck zieht, den sollte man dazu zwingen, eine<br />

Woche lang italienisches, französisches, deutsches oder<br />

amerikanisches Fernsehen zu sehen - naja deutsches<br />

Fernsehen vielleicht nicht“, sagte Lord Patten. „Wenn<br />

man italienisches Fernsehen mit Bunga Bunga möchte,<br />

bei dem der Premierminister die Entscheidungen trifft,<br />

dann soll es so sein.“ ■


Im Salon des Fernsehens<br />

■ DEBATTE ■ 30.11.2012 · <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> ■ <strong>epd</strong> medien 5<br />

Das Fernsehfilm-Festival Baden-Baden 2012 / Von Diemut Roether<br />

<strong>epd</strong> Das Leben erzählt die besten Geschichten. Zum<br />

Beispiel die von dem kleinen Mädchen, das eigentlich<br />

schon ertrunken war, aber dann durch eine gewagte<br />

Notoperation im Krankenhaus doch noch gerettet wurde.<br />

Dass das Mädchen keine Schäden zurückbehielt, grenzte<br />

an ein Wunder, und genau das machten die österreichischen<br />

Zeitungen dann auch daraus: Das „Wunder<br />

von Kärnten“. ZDF und ORF haben dieses Wunder in<br />

diesem Jahr auf den Bildschirm gebracht. Als packenden<br />

Operationsfilm. 15 Stunden dauerte die Operation des<br />

kleinen Mädchens in der Wirklichkeit, im Fernsehfilm<br />

sind es 90 spannende Minuten, die den Zuschauer - bei<br />

allem Blut, dass zwischendurch spritzt - in den Bann<br />

ziehen.<br />

„Das Wunder von Kärnten“ war vielleicht der Film beim<br />

Fernsehfilm-Festival Baden-Baden, der dramaturgisch<br />

am heftigsten auf die Tränendrüsen drückte. Der auch<br />

mit einer Überwältigungsdramaturgie arbeitete, um<br />

die Zuschauer am Bildschirm zu halten und der sie<br />

auf diese Weise packt. Dieser fast schon beängstigend<br />

perfekt gemachte Film, befand die Jurorin Doris Metz,<br />

sei „ein Geschenk, weil er von den Wundern erzähle,<br />

“die möglich sind, wenn Menschen kooperieren".<br />

Spröde Protokolle<br />

Das Medizindrama basiert - wie vier weitere Filme<br />

im Festival - auf Originaldokumenten. Den Autoren<br />

Christoph Silber und Thorsten Wettcke lag ein Operationsprotokoll<br />

vor, mit dem sie am Anfang wenig anfangen<br />

konnten. Als sie jedoch den Arzt kennenlernten, der<br />

die Operation gewagt hatte, war ihnen klar, dass sie<br />

dessen Geschichte erzählen wollten. Das Medizindrama<br />

ergänzten sie durch eine erfundene Nebenhandlung mit<br />

einem eitlen, arroganten Abgeordneten, der nicht verstehen<br />

kann, dass seine Bypass-Operation warten muss,<br />

weil erst ein Kind gerettet werden muss. Als das Kind<br />

überlebt, ist er derjenige, der am lautesten das Wunder<br />

von Kärnten und die Überlegenheit der kärntnerischen<br />

Medizin beklatscht. Diese Nebenhandlung ermöglicht<br />

dem Zuschauer zwischendurch die eine oder andere<br />

Verschnaufpause, in der er sich zumindest für einen<br />

Moment zurücklehnen kann.<br />

Dokumente - Vernehmungsprotokolle und Gerichtsakten<br />

- bildeten auch die Grundlage für „Der Fall Jakob<br />

von Metzler“ (ZDF). Der Film spielt die Entführung des<br />

Bankierssohns nach, die Suche nach dem Entführer, die<br />

Verhaftung, die Verhöre, in denen die Polizisten versuchten,<br />

dem jungen Mann den Aufenthaltsort des Jungen<br />

zu entlocken und schließlich die Gerichtsverhandlung, in<br />

der der Vizepräsident der Frankfurter Polizei, Wolfgang<br />

Daschner, sich gegen den Vorwurf verteidigen muss, er<br />

habe dem Entführer Folter androhen lassen.<br />

Leistungsschau des Fernsehfilms<br />

<strong>epd</strong> Vom 20. bis 23. November fand in Baden-<br />

Baden das Fernsehfilm-Festival statt, bei dem<br />

alljährlich die zwölf besten Filme des Jahres<br />

um den Fernsehfilmpreis der Deutschen Akademie<br />

der Darstellenden Künste konkurrieren (vgl.<br />

Meldung in dieser Ausgabe). Den Jury-Vorsitz<br />

hatte in diesem Jahr Michael Schmid-Ospach,<br />

langjähriger Geschäftsführer der Filmstiftung<br />

NRW. Mitglieder der Jury waren Rolf Bolwin,<br />

Geschäftsführender Direktor des Deutschen<br />

Bühnenvereins, die Regisseurin Doris Metz,<br />

Schauspielerin Natalia Wörner, Regisseur<br />

Sönke Wortmann und Diemut Roether.<br />

Die Geschichte dürfte den meisten Zuschauern bekannt<br />

sein. Umso erstaunlicher ist es, wie Regisseur Stephan<br />

Wagner und Autor Jochen Bitzer es schaffen, die<br />

Spannung zu halten und wie sie die spröden Protokolle<br />

zu Leben erwecken. Beim Schreiben habe er sich an das<br />

Prinzip gehalten, nur solche Szenen aufzuschreiben, die<br />

ihm von zwei Zeugen des Geschehens so erzählt worden<br />

seien, sagte Autor Bitzer in Baden-Baden. Das führte<br />

unter anderem dazu, dass das entscheidende Verhör,<br />

in dem Kommissar Ortwin Ennigkeit dem Entführer<br />

Magnus Gäfgen mit „unmittelbarem Zwang“ (vulgo:<br />

Folter) gedroht haben soll, im Film nicht zu sehen ist.<br />

Eine kluge Ellipse, denn außer den beiden Beteiligten<br />

weiß niemand, was damals passiert ist. Gäfgen, der<br />

den Polizisten im Verhör eine Lügengeschichte nach der<br />

anderen auftischte, sagte später, in diesem Verhör habe<br />

Ennigkeit ihm unter anderem angedroht, er werde „mit<br />

zwei großen Negern“ in eine Zelle gesperrt, die sich<br />

sexuell an ihm vergehen würden.<br />

Robert Atzorn spielt den Vizepräsidenten Daschner in<br />

diesem Film mit großer Würde, aber ohne ihn zum<br />

Helden zu verklären. Es wird deutlich, dass Daschner<br />

sich nicht etwa über das Gesetz stellte, als er dem<br />

Entführer drohen ließ, sondern dass er in der tiefen<br />

Überzeugung handelte, er habe das Recht auf seiner<br />

Seite, weil es sich seiner Ansicht nach um einen Fall von<br />

„übergesetzlichen Notstand“ handelte. Auch Johannes<br />

Allmayer überzeugt als scheinbar harmlos wirkender<br />

Magnus Gäfgen. Insgesamt ist hier ein von Regisseur<br />

Stephan Wagner hervorragend geführtes Ensemble zu


6 <strong>epd</strong> medien ■ <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> · 30.11.2012<br />

beobachten, das das Räderwerk professioneller Polizeiarbeit<br />

und auch die anschließende Verhandlung des<br />

Falls vor Gericht bis ins Detail überzeugend darstellt.<br />

Die Jury erkannte Stephan Wagner den Regiepreis<br />

für dieses „intellektuelle Wagestück“ zu, das die Zerbrechlichkeit<br />

des Rechtsstaats zum Thema macht und<br />

einmal mehr beweist, dass nichts erregender ist als die<br />

Wirklichkeit.<br />

Auf einem wahren Fall basiert auch der Film „Das<br />

unsichtbare Mädchen“ (ARTE/ZDF). Friedrich Ani und<br />

Inga Jung haben zum „Fall Peggy“ recherchiert und<br />

das Buch zu diesem Film geschrieben. Aus dem fränkischen<br />

Nordhalben wurde im Film Eisenstein und aus<br />

Peggy Sina. Wie in der Wirklichkeit ist auch im Film<br />

ein Mädchen am helllichten Tag verschwunden und<br />

nie gefunden worden. Es gibt ein leeres Grab und im<br />

Dorf viele Zweifel. Im Film kommen dazu intrigante<br />

Politiker in München, geschändete Dorfschlampen, einsame<br />

Frauen, die vergeblich auf ihre Männer warten.<br />

Regisseur Dominik Graf taucht wieder einmal ein ins<br />

Rotlichtmilieu, diesmal hinter der tschechischen Grenze,<br />

spielt mit den Genres (am Ende wird der Krimi zum<br />

Western) und erzählt ganz nebenbei kleine, erheiternde<br />

Miniaturen etwa zur Tücke der modernen Verpackung.<br />

Wie in der Wirklichkeit wurde auch im Film ein geistig<br />

behinderter junger Mann wegen des Mordes an<br />

dem Mädchen verurteilt, obwohl viele Zeugenaussagen<br />

ihn entlasteten. Im Film war es der skrupellose Kommissar<br />

Wilhelm Michel, der das Geständnis mit seinen<br />

zweifelhaften Verhörmethoden aus dem Verhafteten<br />

rauspresste.<br />

Böser Dorfsheriff<br />

Ulrich Noethen spielt diesen Michel mal subtil bösartig,<br />

mal brachial. Er ist der Ordnungshüter, der für seine<br />

eigene Unordnung sorgt. Ihm geht es nicht um die<br />

Wahrheit oder Gerechtigkeit, sondern um die Macht.<br />

Als der böse Dorfsheriff am Ende erschossen wird, ist<br />

man als Zuschauer geradezu erleichtert. Für die Rolle<br />

erhielt Noethen den Preis für die beste darstellerische<br />

Leistung.<br />

Zwei Filme im Wettbewerb beschäftigten sich mit der<br />

deutschen Geschichte, beide spielen im zweiten Weltkrieg,<br />

beide im besetzten Frankreich. „Das Meer am<br />

Morgen“ (ARTE/BR/NDR/SWR) von Volker Schlöndorff<br />

erzählt von der Erschießung französischer Geiseln in<br />

der Bretagne, eine Vergeltungsmaßnahme, die Hitler im<br />

Oktober 1941 befahl, nachdem ein Offizier in Nantes<br />

erschossen worden war. In „Rommel“ erzählt Niki Stein<br />

von dem Konflikt, in den der Feldmarschall Erwin Rommel<br />

gerät, als er 1944 nach der Invasion der Alliierten<br />

■ DEBATTE ■<br />

in der Normandie allmählich die Ausweglosigkeit der<br />

Lage erkennt und merkt, dass sein geliebter Führer nur<br />

noch Durchhalteparolen von sich gibt.<br />

Die Dramaturgie des Festivals wollte es, dass „Rommel“<br />

(ARD/SWR/Degeto/BR/ORF), der zeitlich wenige Jahre<br />

nach „Das Meer am Morgen“ spielt, zuerst gezeigt wurde.<br />

Die Geschichte des Feldmarschalls Erwin Rommel, der in<br />

der Propaganda des Dritten Reichs zur mythischen Figur<br />

hochgejubelt wurde („wenn Rommel an der Westfront<br />

steht, kann Deutschland ruhig schlafen“) erzählt Stein<br />

als einen Konflikt zwischen dem Militär und der Politik.<br />

Rommel muss erkennen, dass von Hitler immer absurdere<br />

Befehle kommen, dass er mit Argumenten der Vernunft<br />

beim Führer nicht mehr durchdringt. Obwohl die Lage<br />

aussichtslos ist, gibt Hitler den Befehl, „bis zum letzten<br />

Mann“ zu kämpfen. Von seinem Stabschef Speidel wird<br />

Rommel in die Pläne zur Verschwörung gegen Hitler<br />

eingeweiht, kann sich jedoch nicht dazu durchringen,<br />

sich dem Widerstand anzuschließen. Dennoch wird<br />

er nach dem missglückten Attentat vom 20. Juli als<br />

Mitwisser vor die Alternative Freitod oder Schauprozess<br />

gestellt. Rommel nimmt das angebotene Zyankali und<br />

bekommt dafür ein Staatsbegräbnis. Seiner Familie<br />

bleibt die Sippenhaft erspart.<br />

Geschichtsunterricht<br />

Der Film spaltete die Jury wie kein anderer auf diesem<br />

Festival. Während die einen sich „emotional gepackt“<br />

fühlten, und das „Zerbröseln“ Rommels gesehen hatten,<br />

kritisierten andere, die Chance, etwas Neues über Hitler<br />

und seine Generäle zu erzählen, werde vertan. Das liege<br />

zum einen an der Darstellung Hitlers durch Johannes Silberschneider,<br />

in der der Führer zur „Knallcharge“ werde,<br />

zum anderen daran, dass der Aufwand der Inszenierung<br />

mit vielen Militärs in sauber gebürsteten Uniformen<br />

den inneren Konflikt Rommels völlig überdecke.<br />

Regisseur Niki Stein wehrte sich gegen den Vorwurf, er<br />

zeige die „saubere“ Wehrmacht. Er habe vor allem einen<br />

Film über die Person Rommel machen wollen, sagte er,<br />

über den erfolgreichen Feldmarschall, der langsam zu<br />

ahnen beginne, dass er dem „Teufel“ diene.<br />

Einen Tag nach „Rommel“ lief Volker Schlöndorffs Film<br />

„Das Meer am Morgen“, der gewissermaßen eine Vorgeschichte<br />

zu den späteren Ereignissen an der Westfront<br />

erzählt. Wie Stein profitierte auch Schlöndorff von der<br />

Fülle der historischen Dokumente. Im Mittelpunkt von<br />

„Das Meer am Morgen“ stehen die Briefe, die die französischen<br />

Gefangenen in der einen Stunde, die ihnen bis<br />

zur Erschießung bleibt, an ihre Angehörigen schreiben.<br />

Diese Briefe wiederum wurden von Ernst Jünger, der<br />

damals zum Stab des militärischen Oberbefehlshabers<br />

in Paris gehörte, übersetzt und einer Schrift „Zur Geisel-


frage“ angefügt, die er im Auftrag seines Vorgesetzten,<br />

Otto von Stülpnagel, zu Papier brachte.<br />

Ulrich Matthes überzeugte in der Rolle des Ernst Jünger,<br />

der das Geschehen kühl beobachtet und kommentiert.<br />

Kein Sympathieträger, vielmehr ein zynischer Bildungsbürger<br />

in Uniform, der zwischendurch als Salonlöwe<br />

versucht, die Französinnen zu beeindrucken.<br />

Der Brief des 17-jährigen Guy Môquet, der zu den<br />

hingerichteten Geiseln gehörte, wird seit einigen Jahren<br />

auf Anordnung des früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy<br />

in Frankreichs Schulen jedes Jahr am 22. Oktober<br />

verlesen. Schlöndorff zeigt in dem Film das Räderwerk<br />

von grausamem Befehl und unbedingtem Gehorsam, das<br />

unerbittlich ineinandergreift. Deutsche Besatzer und<br />

französische Kollaborateure arbeiten perfekt zusammen<br />

und die wenigen, die zunächst Nein sagen, knicken am<br />

Ende doch noch ein. Die aus dem Off zitierten Briefe der<br />

Geiseln wirkten wie ein „Requiem“, sagte Doris Metz.<br />

Der Film sei ein Ereignis, kein Event, urteilte die Jury, die<br />

dem Film am Ende den Fernsehfilmpreis der Deutschen<br />

Akademie der Darstellenden Künste zuerkannte. Er gehe<br />

in die Tiefe und in die Weite menschlicher Abgründe.<br />

Er habe eine „französische Seele“ und wage sich auf<br />

„subtile und intelligente Weise“ in die Kriegs- und<br />

Kollaborationsrealität des Zweiten Weltkriegs hinein.<br />

Weinende Männer<br />

Fast so beeindruckend wie der Film war der Auftritt<br />

des Regisseurs, der während der Diskussion erzählte,<br />

wie schwierig es gewesen sei, das Geld für dieses<br />

Projekt zusammenzubekommen. Ein deutscher Sender<br />

habe ihm geschrieben, es gebe keinen Sendeplatz<br />

für solche Filme. Immerhin, NDR und SWR gaben<br />

100.000 beziehungsweise 50.000 Euro und der BR<br />

stellte Sachleistungen im Wert von 100.000 Euro, so<br />

dass Schlöndorff am Ende den Film mit einem Etat<br />

von 1,8 Millionen (schätzungsweise der Etat für einen<br />

„Tatort“ mit Til Schweiger) stemmte. Und so durften<br />

sich am Freitag neben ARTE auch drei ARD-Sender<br />

über den Preis für das fulminante Fernsehdebüt des<br />

Oscar-Preisträgers freuen.<br />

Bewegend waren viele der Filme, die gezeigt wurden<br />

und es war eine ausgesprochen gute Auswahl, die in<br />

diesem Jahr im Wettbewerb konkurrierte. Zu Tränen<br />

rührte auch „Der letzte schöne Tag“ (ARD/WDR) von<br />

Johannes Fabrick (Regie) und Dorothee Schön (Buch).<br />

Der Film erzählt vom Selbstmord einer jungen Frau und<br />

davon, wie schwer es anschließend für ihre Familie<br />

ist weiterzuleben. Nicht nur das Leben nach dem<br />

Tod, auch das Leben davor sei „nicht mehr o.k.“, sagt<br />

ihr hinterbliebener Mann Lars Langhoff (überzeugend<br />

■ DEBATTE ■ 30.11.2012 · <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> ■ <strong>epd</strong> medien 7<br />

gespielt von Wotan Wilke Möhring). Der Film zeigt die<br />

Trauerphasen von Lars, dem sechsjährigen Sohn Piet<br />

und der zwölfjährigen Tochter Maike. Er zeigt auch, wie<br />

sich Schuldgefühle und Wut auf die Verstorbene in die<br />

Trauer mischen. „Sie hat uns nicht genug geliebt, um<br />

leben zu wollen“, sagt Maike einmal.<br />

Wotan Wilke Möhring ist ergreifend in seiner Trauer -<br />

selten hat man einen Mann im Film so weinen sehen<br />

- und auch die Kinder meistern die schwere Rolle mit<br />

Bravour. Die Jury zeigte sich beeindruckt von der Genauigkeit,<br />

mit der hier erzählt wurde. Dem Film, das<br />

war nicht zu übersehen, liegt ein gut recherchiertes<br />

Drehbuch zugrunde. Auch hier also ein hoher Realitätsgehalt.<br />

Auch das 3sat-Publikum, das wie jedes Jahr über<br />

den Zuschauerpreis abstimmte, zeigte sich von dem<br />

Film überzeugt. „Der letzte schöne Tag“ gewann den<br />

Publikumspreis des Festivals. Mit dieser Entscheidung<br />

gab das Publikum einer Zuschauerin recht, die während<br />

der Diskussion im Baden-Badener Kurhaus gefordert<br />

hatte, das Publikum nicht zu unterschätzen und es mit<br />

guten Filmen mehr zu fordern.<br />

Fragen nach dem Warum<br />

Von einem Familiendrama erzählt auch „Ein Jahr nach<br />

morgen“ (WDR/ARTE), nur ist dieses Familiendrama ganz<br />

anders gelagert. Der Film von Aelrun Goette beginnt ein<br />

Jahr nach einem Amoklauf. Die Jugendliche Luca, die<br />

auf eine Lehrerin und ein weiteres Opfer schoss, steht<br />

vor Gericht und weigert sich, ihre Eltern zu sehen. Diese<br />

sind nach wie vor ratlos, wie es zu der schrecklichen Tat<br />

kommen konnte und müssen zudem damit leben, dass<br />

sie von ihren Nachbarn geächtet werden. „MÖRDER“<br />

steht in großen Buchstaben über der Garageneinfahrt<br />

neben dem Haus. Der Film erzählt von der bleiernen<br />

Trauer, unter der sowohl die Angehörigen der Opfer als<br />

auch die Eltern der Täterin leiden, von Sprachlosigkeit<br />

und Lähmung, von der Suche nach Antworten auf die<br />

Frage nach dem „Warum“, und er tut dies in einer Weise,<br />

die auch die Zuschauer quält. Wenig überzeugend<br />

ist schließlich die Szene, in der ein Schüler seine<br />

Sprachlosigkeit überwindet und eine Rede vor seiner<br />

Klasse hält, die fast nur aus Klischees wie „es kotzt mich<br />

an, dass ich allem und jedem in den Arsch kriechen<br />

muss“ besteht.<br />

Ein weiterer Film, der die Jury spaltete. Während die<br />

einen sich sehr berührt zeigten und die erzählerische<br />

Intelligenz der Regisseurin lobten, kritisierten andere<br />

die Erzählweise als prätentiös. Der Film wolle zu viel,<br />

meinte eine Jurorin, er wolle ihr permanent sagen, wie<br />

sie empfinden solle.<br />

Auch in „Nebelgrind“ (SRF), dem Schweizer Beitrag im<br />

Wettbewerb, steht eine Familie im Mittelpunkt, doch


8 <strong>epd</strong> medien ■ <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> · 30.11.2012<br />

diese Familie ist nicht dysfunktional wie die Familien<br />

in „Ein Jahr nach morgen“. Barbara Kulcsar (Regie) und<br />

Josy Meyer und Eveline Stähelin (Buch) erzählen von der<br />

Tragödie einer Krankheit und wie die Familie lernt, damit<br />

umzugehen. Karli, der Opa wird immer vergesslicher.<br />

Nur seine Schwiegertochter Fränzi merkt, was mit ihm<br />

los ist, denn sie ist diejenige, die nachts aufsteht und ihn<br />

beruhigt, wenn er nicht schlafen kann. Ihr Mann Jürg<br />

will lange nicht wahrhaben, dass sein Vater Alzheimer<br />

hat und herrscht Fränzi an, „das bisschen Pflege“ sei ja<br />

wohl noch zu schaffen.<br />

An „Nebelgrind“ gefiel der Jury, dass der Film sehr<br />

genau von der Krankheit und den Problemen, die die<br />

Angehörigen damit haben, erzählt, dabei aber doch<br />

einen leichten Ton fand.<br />

Schuld ist der, der abdrückt<br />

Zwei Krimis-Reihen waren auch im Wettbewerb vertreten.<br />

„Hannah Mangold & Lucy Palm“ (Sat.1), ein<br />

Pilotfilm zu einer neuen Reihe mit zwei Kommissarinnen,<br />

sowie „Die Gurkenkönigin“ (RBB), eine Ausgabe<br />

des ARD-Klassikers „Polizeiruf 110“, in der sich die<br />

Schauspielerinnen Susanne Lothar und Sophie Rois als<br />

Gegenspielerinnen gegenüberstehen.<br />

„Die Gurkenkönigin“ war eine ganz außergewöhnliche<br />

„Polizeiruf“-Ausgabe. Nicht nur weil Sophie Rois als<br />

Kommissarin hier Maria Simon vertrat, sondern weil<br />

Regisseur Ed Herzog und Autor Wolfgang Stauch mit<br />

Lust mit allen Konventionen des Genres brachen. Der<br />

Krimi wird schnell zur Nebensache, eine Leiche gibt<br />

es erst am Schluss und dann ist der Schuldige auch<br />

nicht weit. Doch hier geht es um die Leichen im Keller<br />

von Luise König, der Besitzerin der Gurkenfabrik. Der<br />

geheimnisvolle Spreewald, eine Landschaft, die man sich<br />

ohne weiteres bevölkert von Elfen, Feen und anderen<br />

Fabelwesen vorstellen kann, spielt in diesem Stück,<br />

durch das Sophie Rois als fideler Kobold geistert, die<br />

heimliche Hauptrolle.<br />

Eine Art „Sommernachtstraum“, ein verzauberter Krimi,<br />

der mit pragmatischen Lebensweisheiten aufwartet:<br />

„Gurkenfabriken machen nicht glücklich“ und „Schuld<br />

ist immer der, der abdrückt“.<br />

Noch einmal konnte man in diesem Film Susanne Lothar<br />

in ihrer energischen Zerbrechlichkeit bewundern, sie<br />

starb wenige Monate nach Ausstrahlung des „Polizeirufs“.<br />

Es gehört zu den Besonderheiten des Festivals in<br />

Baden-Baden, dass man dieser großartigen Schauspielerin<br />

einen Abend widmete, an dem zwei Filmschaffende,<br />

die mit ihr gearbeitet haben, in sehr persönlicher Weise<br />

an sie erinnerten.<br />

■ DEBATTE ■<br />

Auch „Hannah Mangold & Lucy Palm“ erfreute mit<br />

zwei ungewöhnlichen Frauenfiguren. Anja Kling spielt<br />

in diesem Film die Kommissarin Hannah Mangold, die<br />

nach einer Traumatisierung mühsam versucht, wieder<br />

im Alltag der Polizistin Fuß zu fassen. „Die Irre“ -<br />

diesen Spitznamen verpasst sie sich selbst - wird<br />

zusammengespannt mit einer selbstbewussten jungen<br />

Kollegin, die die Chauvisprüche der Kollegen rotzig<br />

pariert.<br />

Der Pilotfilm ist vielversprechend: eine traumatisierte<br />

Kommissarin, die zudem hellsichtig ist, die gewissermaßen<br />

in den Delinquenten liest wie in einem offenen<br />

Buch, lässt auf interessante Wendungen hoffen. Britta<br />

Hammelstein, die Mangolds Partnerin Lucy Palm spielt,<br />

sei ein „kleiner Kracher“, lobte Jurorin Natalia Wörner.<br />

Positiv hervorgehoben wurde das rasante Erzähltempo<br />

des Krimis, bemängelt wurde, dass der Pilotfilm überfrachtet<br />

sei.<br />

Ein Fest für Schauspieler<br />

Regisseur Matti Geschonneck, der 2010 in Baden-Baden<br />

mit dem Hans-Abich-Preis ausgezeichnet wurde, war<br />

in diesem Jahr gleich mit zwei Filmen im Wettbewerb<br />

vertreten. „Das Ende einer Nacht“ ist ein klassisches<br />

Gerichtsdrama, besetzt mit zwei großartigen Schauspielerinnen,<br />

Barbara Auer und Ina Weisse. Auer spielt die<br />

souveräne Richterin, die an das Prinzip der Gerechtigkeit<br />

glaubt, Weisse die mit allen Wassern gewaschene<br />

Anwältin, die nicht an der Wahrheit interessiert ist,<br />

sondern ihren Mandanten raushauen will.<br />

Der ist ein erfolgreicher Manager. Seine Frau beschuldigt<br />

ihn, dass er sie vergewaltigt und „durch das halbe Haus“<br />

geprügelt hat. Jörg Hartmann spielt den Mann, dem<br />

der Zuschauer bald jede Gemeinheit zutraut, der aber<br />

schließlich doch freigesprochen wird, da man ihm nichts<br />

nachweisen kann.<br />

Geschonneck hat diesen Film wie immer elegant inszeniert,<br />

das Duell der beiden erfolgreichen Frauen hat<br />

die Jury durchaus fasziniert. Und, merkte eine Jurorin<br />

an, es sei wohl ein Zeichen der Emanzipation, dass es<br />

endlich auch Kloszenen mit Frauen gebe. Juror Sönke<br />

Wortmann wandte allerdings ein, die Inszenierung sei<br />

zu cool, und der Film insgesamt zu berechenbar. Auch<br />

die wenig glaubhaften Gerichtsszenen wurden kritisiert.<br />

Mehr Gefallen fand die Jury an Geschonnecks zweitem<br />

Film im Wettbewerb, „Liebesjahre“. Ein Ehepaar, das<br />

seit Jahren getrennt lebt, trifft sich, um endlich das<br />

gemeinsame Haus zu verkaufen, aus dem sie beide<br />

vor Jahren ausgezogen sind. Während er am liebsten<br />

jedes Erinnerungsstück mitnehmen möchte, scheint sie<br />

mit der Vergangenheit völlig abgeschlossen zu haben.


Zusätzlichen Zündstoff erhält die Begegnung, dadurch,<br />

dass er seine neue Frau mitgebracht hat, und ihr neuer<br />

Liebhaber - den sie nicht gebeten hatte mitzukommen<br />

- plötzlich auch noch auftaucht.<br />

Liebende des Fernsehens<br />

Iris Berben, Peter Simonischek, Axel Milberg und Nina<br />

Kunzendorf spielen in diesem Fest für vier Schauspieler<br />

bravourös zusammen. Nach all den schweren Filmen im<br />

Wettbewerb, wirkte das Publikum erleichtert, dass es sich<br />

hier auch mal ein bisschen amüsieren durfte. Magnus<br />

Vattrodt (mit dem Geschonneck auch in „Das Ende einer<br />

Nacht“ zusammenarbeitete) schrieb die Dialoge, die in<br />

ihrer Schärfe und ihrem schnellen Witz an Yasmina Reza<br />

erinnern. Er wusste gar nicht, dass deutsche Autoren<br />

solche Dialoge schreiben können, sagte Regisseur Sönke<br />

Wortmann und Mitjuror Rolf Bolwin fragte sich, wann<br />

Der letzte Atemzug<br />

■ DEBATTE ■ 30.11.2012 · <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> ■ <strong>epd</strong> medien 9<br />

dieses wunderbare Kammerspiel auf einer deutschen<br />

Bühne zu sehen sein wird.<br />

Vattrodt erhielt schließlich den Preis für Drehbuch für<br />

diesen Film über Verdrängung, Erinnerung, Nostalgie und<br />

Pragmatismus. Der Film ist Ehedrama und Liebesfilm<br />

zugleich, weil er in 90 Minuten alle Phasen einer<br />

Beziehung erzählt.<br />

Für das Fernsehfilm-Festival, das sich unter der Leitung<br />

von Karl-Otto Saur in den vergangenen 13 Jahren mit<br />

seinen inspirierenden Gesprächen über Filme als Salon<br />

des Fernsehens behauptet hat, steht nun ein Neubeginn<br />

an. Saur hat die Leitung an Klaudia Wick übergeben,<br />

die dem Festival seit Jahren als Juryvorsitzende und in<br />

anderen Funktionen verbunden ist. Dass das Festival<br />

bei ihr in guten Händen ist, daran besteht kein Zweifel.<br />

Denn wie Karl-Otto Saur ist Klaudia Wick eine große<br />

Liebende des Fernsehens. ■<br />

Die ARD-Themenwoche „Leben mit dem Tod“ / Von Barbara Sichtermann<br />

<strong>epd</strong> Ein Ergebnis dieser Themenwoche über „Leben<br />

mit dem Tod“ ist die große Vielfalt, die das Thema<br />

bereithält. Im ersten Moment denkt man ja, wenn man<br />

hört: angesagt ist das Thema Tod, an eine Beerdigung<br />

oder an einen letzten Schnaufer im Krankenhausbett,<br />

an Hinterbliebene, die ihre Tränen trocknen. Aber das ist<br />

nur die Oberfläche, die erstbeste Assoziation. Denkt man<br />

weiter oder schaltete man zur Themenwoche das Erste<br />

oder eines der Dritten aus der ARD ein, so begegneten<br />

einem neben medizinischen Fragen solche des Rechts,<br />

der Moral, der Tradition, der Multikultur, der Philosophie<br />

oder des Bestattungswesens, und das sind noch lange<br />

nicht alle Aspekte.<br />

Die Themenwoche hat sozusagen einen Spiegel am Ende<br />

des Lebens aufgestellt, und siehe da, der reflektiert das<br />

ganze Leben von seinem Ende her, will sagen, wer über<br />

Tod und Sterben redet, streitet, reflektiert, Filme dreht<br />

und Dokumentationen erarbeitet, hat genauso viel Stoff<br />

wie einer, der sich im prallen Leben umtut. Nur haben<br />

all diese dem Lebensende gewidmeten Arbeiten einen<br />

besonderen Index: den der Vergänglichkeit. Sich der<br />

Vergänglichkeit innezuwerden, ist immer schmerzlich,<br />

auch wenn es manchmal was zu lachen gibt. Margot<br />

Käßmann, Patin der Themenwoche neben Reinhold<br />

Beckmann und Dieter Nuhr, sagte es so: „Wir müssen<br />

uns unserer Endlichkeit bewusst sein.“<br />

Die Auftaktsendung mit Jörg Thadeusz im „Berliner<br />

Gespräch“ mit der Autorin Constanze Kleis, dem Gesundheitsminister<br />

Daniel Bahr, dem Krankenkassenvertreter<br />

Gernot Kiefer, dem Arzt Gian Domenico Borasio und der<br />

Palliativmedizinerin Petra Anwar, steckte das Feld ab, in<br />

dem das Sterben politisch wird: Können unsere Ärzte<br />

mit Tod und Sterblichkeit umgehen? Lernen sie Sterbebegleitung?<br />

Autorin Kleis, ihr Buch heißt: „Sterben<br />

Sie nicht im Sommer“, sprach vom harthörigen medizinischen<br />

Komplex, der keineswegs darauf eingestellt<br />

ist, das zu fördern oder überhaupt erst zu ermöglichen,<br />

was sich die meisten Menschen wünschen: zu Hause<br />

zu sterben. Kleis: „Man stirbt nur einmal.“ Und dabei<br />

wird vieles unnötig erschwert.<br />

Schon die Bereitstellung eines Pflegebetts scheitert<br />

an der Defensive der Kassenbürokratie. Dr. Borasio<br />

berichtet von gewohnheitsmäßig den Sterbenden zugeführtem<br />

Tropf und Sauerstoff - beides lindert nicht<br />

und stört beim Sterben. Der Gesundheitsminister ist<br />

sehr einsichtig. Er sieht die Defizite - zum Beispiel<br />

das Entlassungsmanagement. Es funktioniert nicht. Da<br />

werden alte Kranke notdürftig fitgemacht, und niemand<br />

interessiert sich dafür, wo sie bleiben. Umgekehrt traut<br />

man Angehörigen die Pflege nicht zu und steckt Moribunde<br />

ohne Sinn und Verstand in die Klinik. Aber die<br />

Angehörigen wollen pflegen und zwar „aus Liebe“, wie<br />

Frau Anwar betont.


10 <strong>epd</strong> medien ■ <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> · 30.11.2012<br />

Auseinandersetzung anstoßen<br />

<strong>epd</strong> Einmal im Jahr beschäftigt sich die ARD<br />

in einer besonderen Programmanstrengung<br />

mit einem Thema, das sie in zahlreichen Sendungen<br />

in all ihren Fernseh- und Radioprogrammen<br />

beleuchtet. Thema der diesjährigen<br />

siebten Themenwoche war „Leben mit dem<br />

Tod“. Die Federführung hatten RBB und MDR.<br />

Die ARD habe eine Auseinandersetzung in der<br />

Gesellschaft mit dem Tod und Sterben anstoßen<br />

wollen, sagte RBB-Intendantin Dagmar<br />

Reim. Nur wenige seien von diesem Thema<br />

unberührt geblieben. Nach Angaben der ARD<br />

verfolgten insgesamt 30 Millionen Zuschauer<br />

eine der Sendungen zur Themenwoche im Ersten<br />

(vgl. Meldung in dieser Ausgabe). Unsere<br />

Autorin Barbara Sichtermann sah unter anderem<br />

folgende Sendungen:<br />

„Berliner Gespräch“, Phoenix, 15.11. 22.00-<br />

23.00 Uhr<br />

„Tatort: Dinge, die noch zu tun sind“, Regie:<br />

Claudia Garde, Buch: Jörg Tensing, ARD, 18.11.,<br />

20.15-21.45 Uhr<br />

„Günther Jauch“ ARD, 18.11, 21.45-22.45 Uhr<br />

„Sie bringen den Tod. Sterbehelfer in Deutschland“,<br />

Regie und Buch: Sebastian Bösel, Ulrich<br />

Neumann, ARD, 19.11., 20.15-21.00 Uhr im<br />

Ersten<br />

„Hart aber fair“ mit Frank Plasberg, ARD,<br />

19.11., 21.00-22.15 Uhr<br />

„Nuhr am Leben“ mit Dieter Nuhr, ARD, 19.11.,<br />

22.45-23.30 Uhr<br />

„Reisen ins Jenseits - Einmal um die ganze<br />

Welt“, Regie und Buch Barbara Etz, Markus<br />

Lenz, Andreas Voigt, ARD, 19.11., 23.30-0.15<br />

Uhr<br />

„Blaubeerblau“, Regie: Rainer Kaufmann, Buch:<br />

Beate Langmmack, ARD, 21.11., 20.15-21.45<br />

Uhr (vgl. Kritik in <strong>epd</strong> 46/11)<br />

„Seelenvögel“, Regie und Buch: Thomas Riedelsheimer,<br />

ARD, 21.11. 0.00-1.30 Uhr<br />

„Und dennoch lieben wir“, Regie: Matthias<br />

Tiefenbacher, Buch: Maureen Herzfeld, Martin<br />

Kluger, ARD, 23.11., 20.15-21.45 Uhr (vgl.<br />

Kritik in dieser Ausgabe)<br />

Kiefer fordert eine „spezialisierte ambulante Palliativmedizin“,<br />

da sind sich alle einig, aber wann wird<br />

dieser Segen kommen? Dr. Borasio ist ein sehr ruhiger,<br />

freundlicher Zeitgenosse, aber er macht, lächelnden<br />

Gesichts, die bittersten Vorwürfe. „Was sind uns die<br />

hoch betagten Kranken wert, die wir alle mal sein<br />

werden? Der gesamte spirituelle und psychische Bereich<br />

fällt unter die Räder, wird nicht bezahlt.“ Constanze<br />

■ DEBATTE ■<br />

Kleis: „Man braucht kriminelle Energie, um die Pflege zu<br />

bekommen, die man will.“ Herr Kiefer wirft ein, dass die<br />

Mittel nicht unbegrenzt seien. Aber wenn man die teure<br />

Apparatemedizin und den kostspieligen Klinikaufenthalt<br />

weglässt und stattdessen als Arzt etwas heute sehr<br />

Seltenes macht: Zuhören und mit dem Patienten und<br />

seiner Familie sprechen, fragen - dann hat man zugleich<br />

gespart und etwas Gutes getan.<br />

Ein schöner Tod<br />

Borasio spricht vom „liebevollen Unterlassen“. Stattdessen<br />

aber werde, so die Erfahrung des Palliativmediziners,<br />

„mit Menschen am Lebensende Schindluder getrieben“.<br />

Die Stimmung in der Runde ist ganz schön aufgeladen<br />

mit Vorwürfen, Ängsten und Ressentiments. Moderator<br />

Thadeusz muss all die Wärme und Verbindlichkeit seiner<br />

bewährten Jovialität aufbieten, um das Klima zu retten.<br />

Er fragt Bahr, ob „ein schöner Tod als politische Aufgabe“<br />

verstanden werden könne. Der antwortet empfindlich:<br />

„Ich frage mich, warum Sie das fragen“, meint damit<br />

aber wohl Ja.<br />

Das war keineswegs eine von den Quasselrunden, die<br />

von der Kritik so gerne als schiere Programmfüller und<br />

völlig entbehrlich hingestellt werden. Das war Analyse,<br />

Kritik, Aufklärung - auch Polemik und alles ziemlich<br />

emotional, ja gut, aber auch triftig und richtig. Die<br />

alternde Gesellschaft bedarf in ihrem medizinischen<br />

Sektor dringend eines Umdenkens und Umorganisierens,<br />

was Alter und Tod betrifft. Eine Fortbildung der Ärzte<br />

zum Thema „Wie und wo wollen Sie sterben?“, anstelle<br />

der Lebensverlängerung auf Deubel komm raus, wäre<br />

ein Anfang.<br />

Der „Tatort“ am Sonntagabend thematisierte den nahen<br />

Tod als Aufforderung, noch einige Dinge zu erledigen,<br />

wichtige Dinge natürlich - und sei es Mord. Die Berliner<br />

Ermittler Ritter (Dominic Raacke) und Stark (Boris<br />

Aljinovic) schöpfen Verdacht: da ist eine Kollegin, die<br />

ihre Krebserkrankung geheim hält, sogar vor ihren<br />

Kindern, und seltsame Wege geht. Das war ein nicht<br />

durchweg überzeugender Beitrag zu Tod und Geheimnis,<br />

und obwohl die Themenwoche ja gerade dazu gut sein<br />

sollte, Geheimnisse zu lüften und Tabus zu brechen,<br />

ergab es auch Sinn, in einem Spielfilm auszuloten,<br />

zu welchen Akten von Verstellung und Verzweiflung<br />

Todgeweihte fähig sind, die vor ihrem Abgang noch<br />

wichtige Dinge im irdischen Feld zu Ende bringen<br />

müssen. Der Film handelte von Zeitnot im Angesicht<br />

des Todes, von dem dringenden Wunsch, etwas zum<br />

Abschluss zu bringen - und seien Gewalttaten dafür<br />

nötig.<br />

Günther Jauch nach dem „Tatort“ reichte das Thema Tod<br />

an seine Talkgäste weiter. Ein ehemals sportlicher junger


Mann war bei ihm, Sebastian Brauns. Er hat Muskelkrebs;<br />

wie lange er noch zu leben hat, ist offen. Seine Freundin<br />

sitzt bei ihm, das tut sie auch sonst. Wolfgang Bosbach<br />

ist anwesend, er hat Prostata-Krebs und sagt: „Ja, man<br />

hadert. Aber man darf nicht verzweifeln an Dingen, die<br />

man nicht ändern kann.“ Auch der Bestatter Fritz Roth,<br />

der Trauerfeiern unkonventionell locker zu inszenieren<br />

pflegt, ist Gast in dieser Runde. Er hat Leberkrebs,<br />

mag kein Geheimnis daraus machen, gibt sich gelassen.<br />

Auch dabei ist Themenwochen-Schirmherrin Margot<br />

Käßmann, sie spricht das Wort von der Endlichkeit, derer<br />

wir uns bewusst sein müssen, und das klingt hier gar<br />

nicht salbungsvoll, sondern als praktische Ermunterung<br />

an die Zuschauer. Denn die Talkgäste haben es schon<br />

geschafft.<br />

Andere Lebensfreude<br />

Man hört ja immer wieder, dass todkranke Menschen<br />

eine neue andere Lebensfreude entwickeln, wenn sie<br />

sich abgefunden haben und nun für sich überlegen,<br />

was eigentlich wirklich wesentlich sei. Jauch, in dessen<br />

Miene sich so gern eine als ungläubiges Staunen<br />

getarnte Ablehnung malt, war diesmal ganz bei seinen<br />

Gästen. Frage an Bosbach. Fordern Sie mehr Rücksicht<br />

wegen Ihrer Krankheit? Die Antwort war ein klares Nein.<br />

Bosbach will sich erneut als Kandidat aufstellen lassen.<br />

Jauch an Brauns: „Haben Sie, ganz banal gefragt, Angst<br />

vor dem Tod?“ - „Ja schon. Die Diagnose...“ Er möchte<br />

recht bald nach Paris, mit seiner Freundin.<br />

Bestatter Roth zitiert Mascha Kaléko. Er wünscht sich,<br />

dass „die Natürlichkeit des Sterbens“ anerkannt werde.<br />

Ob man Kinder ans Totenbett lassen solle? Aber ja.<br />

Käßmann spricht vom leichten Tod, den es auch gebe,<br />

von einem „Aushauchen“.<br />

Die Sendung mit dem größten Kontroverse-Potenzial<br />

lief am Montag, es war die Reportage über Sterbehelfer:<br />

„Sie bringen den Tod.“ Immerhin hielt da mal<br />

ein wichtiger Beitrag zur Themenwoche den 20.15-<br />

Uhr-Termin besetzt, dieses Glück hatten die Sendungen<br />

der nächsten Tage nicht mehr. Sebastian Bösel und<br />

Ulrich Neumann hatten mit Uwe-Christian Arnold ihren<br />

zentralen Protagonisten gefunden. Arnold ist Sterbehelfer,<br />

das heißt, der Arzt stellt auf Verlangen, aber erst<br />

nach gründlicher, manchmal jahrelanger Vorbereitung,<br />

einen Medikamentencocktail zur Verfügung, der auf<br />

sanfte Art tödlich wirkt, den allerdings der zum Suizid<br />

Entschlossene selber einnehmen muss.<br />

Mit dem Strafrecht kommt der Doktor dadurch nicht<br />

in Konflikt, mit dem Standesrecht aber schon. Die<br />

Mehrheit der Ärzte und Palliativmediziner weigert sich,<br />

bei der Beendigung eines Lebens zu assistieren, sei<br />

es aus Respekt vor dem Standesrecht, sei es ihres<br />

■ DEBATTE ■ 30.11.2012 · <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> ■ <strong>epd</strong> medien 11<br />

hippokratischen Eides wegen. Arnold denkt anders. Er<br />

hält es mit Rilke: O Herr, gib jedem seinen eignen Tod.<br />

Sein bisher schwerster Fall war Henning, den der Film<br />

vorstellt. Der noch junge Mann ist seit einem Unfall vom<br />

Hals abwärts gelähmt. Zehn Jahre hat er versucht, sich<br />

abzufinden. Er hatte die beste Pflege: Eltern, Freunde,<br />

Ärzte, Therapeuten. Aber irgendwann wollte er nicht<br />

mehr. „Ich hasse meinen Körper.“ Er wünschte sich nur<br />

noch eins: dass alles vorbei sei.<br />

Die Grauzone<br />

Die Eltern hatten Verständnis. Es folgten lange Gespräche<br />

mit Arnold. Bis dieser zustimmt und den erlösenden<br />

Cocktail bringt. Es fällt ihm schwer, da Henning noch<br />

jung ist. Die Sterbeszene selbst kann im Film nicht<br />

gezeigt werden, aber die Kamera begleitet Arnold auf<br />

dem Weg zum Lebensmüden und wartet auf ihn nach<br />

vollbrachter Assistenz. Bildliche Metaphern zeigen Vögel<br />

und Wolken. Passenderweise ist Arnold Segelflieger. Das<br />

verhilft zu schönen Sequenzen mit dem Sterbehelfer in<br />

Himmelshöhen.<br />

Arnold ist ein Arzt, der sich outet. Er hat circa 250mal<br />

beim Sterben geholfen. Andere Ärzte machen es heimlich.<br />

Geredet wird nicht so gern über die „Grauzone“ -<br />

in der Schweiz, die da toleranter ist, gibt es allerdings<br />

einen Kongress zum Thema. Arnold ist da, wird angegriffen,<br />

verteidigt sich. Ein religiös erregter Kollege nennt<br />

ihn Mörder. Arnold: „Schönen Gruß ans Mittelalter.“<br />

Am Ende steht die Frage: „Ist Sterbehilfe Teil der ärztlichen<br />

Fürsorge?“ Eindeutig beantwortet werden kann<br />

sie (noch) nicht, aber es ist gut, dass sie gestellt wird.<br />

In „Hart aber fair“ gleich im Anschluss ist Arnold<br />

Gast. Außer ihm ist Henning Scherf (SPD) dabei, ein<br />

entschiedener Gegner der Sterbehilfe, ferner die Palliativmedizinerin<br />

Dr. Schubert, Sterbebegleiterin Beate<br />

Schween und für die Katholiken der gern durch die<br />

Talkshows reisende Bruder Paulus. Die Kernfrage wurde<br />

hier so abgewandelt: „Mut zur Menschlichkeit oder<br />

Mord?“ Dr. Arnold befand sich so ziemlich auf verlorenem<br />

Posten, aber Moderator Frank Plasberg war ja auch<br />

noch da, um für Fairness zu sorgen. Facettenreicher<br />

als in der Reportage konnte der Talk das Thema nicht<br />

entfalten.<br />

Bruder Paulus glaubte an die „Heilkraft der Seele“ und<br />

Frau Schubert fand, man müsse „akzeptieren, dass<br />

Leiden seinen Platz im Leben hat“. Zwischenschnitte<br />

zeigten dazu Arnolds skeptisches Gesicht. Gelitten<br />

wird sicher genug im Leben. Die Frage des Themas<br />

Sterbehilfe geht ja gerade in jene Zone möglicherweise<br />

überflüssigen Leidens, das mit den Mitteln der Medizin<br />

verkürzt oder verhindert werden könnte.


12 <strong>epd</strong> medien ■ <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> · 30.11.2012<br />

Dieter Nuhr war ja Schirmherr der Themenwoche, und er<br />

bekam auch seine Show: „Nuhr am Leben“ hieß sie, und<br />

der Kabarettist begrüßte sein Publikum so: „Schön, dass<br />

Sie da sind. Wer weiß, wie oft wir uns noch sehen.“ Mit<br />

seinen länglichen Satzgebilden, die er mit ausholender<br />

Stimme irgendwo im Mittelteil abzubrechen pflegt,<br />

und zwar genau an der Stelle, wo die Leute im Saal<br />

begriffen haben, wie es weiter geht und also die Pointe<br />

im Kopf selbst formulieren und dann umso freudiger<br />

lachen, kommt er ja immer an. Dem Thema Tod und<br />

Sterben war er gewachsen, er hielt das Publikum im<br />

Bann, aber er kam nicht über das Wortspiel und den<br />

Kalauer hinaus, ein untergründiger Witz wollte sich<br />

nicht einstellen. Zum Beispiel: der Tod als Vorbild für die<br />

Konsumgesellschaft: „Weg und neu“, je nun, das kann<br />

man bringen, aber es bleibt flach, bestenfalls makaber.<br />

Der Tod als Freund<br />

Die auf Nuhr folgenden „Reisen ins Jenseits - Einmal um<br />

die ganze Welt“ zeigten Sterberituale und Todeskulte<br />

aus fremden Kulturen - die aber gar nicht so fremd sind,<br />

weil sie alle in Berlin stattfinden. 184 Nationen soll es<br />

in der Hauptstadt geben; einige davon beobachteten<br />

die Filmemacher Barbara Etz, Markus Lenz und Andreas<br />

Voigt bei ihrem Umgang mit den Toten. Die Mexikaner<br />

betrachten den Tod als Freund, sie machen sogar Scherze<br />

mit ihm; entsprechend farbenfroh präsentieren sich ihre<br />

Rituale, während unsereiner ja in Schwarz gehen muss.<br />

Die Vietnamesische Gemeinde verehrt ihre Ahnen und<br />

bringt ihnen Opfergaben, denn ihre Geister sind hungrig<br />

und müssen zufriedengestellt werden. Die Ghanaische<br />

Community pflegt ihre Totenkulte mit großer Ruhe und<br />

Selbstverständlichkeit, man hat den Eindruck, dass die<br />

Fremden weit entfernt sind von jener Fehlentwicklung,<br />

die bei uns als Ausgrenzung des Todes aus dem Alltagsleben<br />

bekannt ist und der zu begegnen sich die ARD zu<br />

ihrer Themenwoche entschlossen hat.<br />

„Der letzte Atemzug“ sagt die Vietnamesin Frau Do<br />

vom Sterbehospiz, „ist ganz, ganz wichtig - dafür,<br />

dass Buddha den Menschen abholt.“ Da klingt das<br />

„Aushauchen“ der Frau Käßmann an, die Aufforderung<br />

also, den Augenblick des Von-der-Welt-Gehens als<br />

■ DEBATTE ■<br />

einen besonderen und einmaligen vorzubereiten und<br />

mitzuerleben.<br />

Am Mittwoch lief um Mitternacht der Film „Seelenvögel“;<br />

der Dokumentarist Thomas Riedelsheimer hat<br />

drei leukämiekranke Kinder über drei Jahre begleitet<br />

und ein tief berührendes Dreifach-Porträt geschaffen.<br />

Der poetische Film entwickelt zusätzlich ein Porträt<br />

des Todes als Freund oder Kamerad. Die Lebensfreude<br />

der Kinder, die aus ihrem „Bewusstsein der Endlichkeit“<br />

eine unglaubliche Kraft ziehen, überträgt sich auf den<br />

Zuschauer. „In dem Moment, in dem ich im Meer keinen<br />

Boden unter den Füßen hab, kann das Meer mit mir machen,<br />

was es will“, so fasst Pauline, die Älteste der drei -<br />

sie ist 15 - ihr Lebensgefühl und ihre Zukunftserwartung<br />

zusammen. Die schwangere Mutter des sechsjährigen<br />

Lenni fragt ihren kranken Sohn, ob er eigentlich noch<br />

da sein will, wenn das Baby kommt. Die Antwort ist<br />

ein kraftvolles Ja, das lange nachklingt. Diese Doku ist<br />

meditativ, rührend und erheiternd - ohne Draufdrücker,<br />

ohne Künstlichkeit, die lange Zeit der Beobachtung,<br />

Begleitung und Beachtung hat sich gelohnt, alles, was<br />

Riedelsheimer in den drei Jahren gesammelt hat, ist<br />

ausgereift, hat Form gewonnen.<br />

Zur Geisterstunde<br />

Dem Thema Tod inhärent ist das Thema Zeit. Alle Sendungen<br />

dieser Themenwoche umspielen den zeitlichen<br />

Horizont unseres Daseins in der einen oder anderen<br />

Weise. Es ist sehr seltsam und eigentlich unverzeihlich,<br />

dass sich die Programmmacher der ARD bei der Platzierung<br />

etwa des Films „Seelenvögel“ (aber auch des Films<br />

„Zum Sterben schön. Musik für das Finale“ von Harold<br />

Woetzel am Donnerstag um 1.00 Uhr nachts) nicht dazu<br />

durchringen konnten, einen Programmplatz zu wählen,<br />

an dem die Zuschauer noch wach sind und einschalten.<br />

Die fernsehkritischen Bemerkungen über das „Versenden“<br />

sehenswerter Filme zur Geisterstunde sind schon<br />

so oft wiederholt worden, dass man da nicht mehr<br />

mitsingen mag. Bei einer Themenwoche aber gelten<br />

andere Gesetze. Da gibt es eine Verpflichtung, alle herausragenden<br />

Werke, die so eine Veranstaltung tragen, in<br />

einem Zeitraum zu präsentieren, der ihnen ein Publikum<br />

sichert. ■


■ INLAND<br />

Insolvente dapd kündigt<br />

98 Mitarbeitern<br />

Vereinbarung mit AP zur Weiterbelieferung<br />

bis zur gerichtlichen Klärung<br />

Berlin (<strong>epd</strong>). Die insolvente Nachrichtenagentur dapd<br />

hat am 28. November 98 Mitarbeitern gekündigt.<br />

„Uns ist bewusst, dass dies ein schwerer Tag für<br />

viele Mitarbeiter ist“, teilte der in der Insolvenz<br />

eingesetzte Geschäftsführer Wolf von der Fecht mit.<br />

Die Geschäftsführung habe alles daran gesetzt, den<br />

Personalabbau so gering wie möglich zu halten.<br />

So könnten zwei Drittel der bislang 299 Stellen<br />

erhalten bleiben.<br />

Dapd hatte die Zahl der Entlassungen bereits vor zweieinhalb<br />

Wochen mit dem Sanierungskonzept angekündigt,<br />

dem der Gläubigerausschuss zugestimmt hatte (<strong>epd</strong> 46<br />

/12). Acht Gesellschaften, die das tagsaktuelle dapd-<br />

Geschäft bestritten, hatten Anfang Oktober Insolvenz<br />

angemeldet (<strong>epd</strong> 40/12). In den insolventen Unternehmen<br />

sind 299 der 515 Mitarbeiter der dapd-Gruppe<br />

beschäftigt.<br />

Mit dem Restrukturierungskonzept für die insolventen<br />

Unternehmen sei es gelungen, die dapd-<br />

Nachrichtenagenturgruppe aus eigener Kraft wieder<br />

auf eine solide wirtschaftliche Basis zu stellen, sagte<br />

von der Fecht. Die Nachrichtenagentur wird demnach<br />

das Tagesgeschäft ohne einen Investor weiterführen.<br />

Die Kündigungen wurden zwei Tage vor dem Auslaufen<br />

des Insolvenzgeldes der Bundesagentur für Arbeit<br />

ausgesprochen.<br />

Alle Dienste der Agentur sollen weiter angeboten<br />

werden. Wesentliche Einschnitte werde es aber bei<br />

den Sport- und Videodiensten von dapd geben. Der<br />

Sportdienst werde künftig nur noch mit einem deutlich<br />

verminderten Umfang angeboten.<br />

Weitere Anpassungen werde es bei den Landesdiensten<br />

geben, hieß es. Die derzeit 14 nach Bundesländern<br />

gegliederten Dienste sollen künftig in drei Cluster<br />

zusammengefasst werden. Ein wesentlicher Teil der Einsparungen<br />

gehe auch auf die flachere Organisation der<br />

Führungsstruktur zurück. Der neue Geschäftsleitungskreis<br />

bestehe nun aus der Chefredaktion mit Melanie<br />

Ahlemeier und Dirk von Borstel und Geschäftsführer<br />

von der Fecht. Der vorherige Chefredakteur Cord Dreyer<br />

hatte sich Anfang November von seinem Amt zurückgezogen,<br />

seinen Posten als Geschäftsführer hatte er<br />

bereits Anfang Oktober abgegeben (<strong>epd</strong> 44/12).<br />

■ INLAND ■ 30.11.2012 · <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> ■ <strong>epd</strong> medien 13<br />

Noch in der Schwebe ist, ob dapd weiterhin auf die<br />

Dienste der amerikanischen Agentur Associated Press<br />

(AP) zurückgreifen kann, da noch ein Gerichtsverfahren<br />

zur Kündigung läuft. AP hatte am 15. November überraschend<br />

den langfristigen Vertrag mit dapd beendet und<br />

eine Kooperation mit der Deutschen Presse-Agentur<br />

(dpa) abgeschlossen (<strong>epd</strong> 46/12). AP begründete den<br />

Schritt mit den finanziellen Schwierigkeiten und Zahlungsrückständen<br />

von dapd. Die Kündigung wurde<br />

als schwerer Rückschlag für die Rettungsbemühungen<br />

für die dapd gewertet, da dapd einen Großteil ihrer<br />

Auslandsberichterstattung mit AP-Material bestreitet.<br />

New Yorker Gericht überprüft Kündigung<br />

Gegen die Kündigung hat dapd nun rechtliche Schritte<br />

eingeleitet. Dapd-Geschäftsfüher von der Fecht teilte<br />

am 16. November mit, es sei fraglich, ob der Konkurrent<br />

dpa wie angekündigt ab dem 1. Januar 2013 die Inhalte<br />

von AP in Deutschland anbieten könne, ohne bestehende<br />

Verträge zu verletzen. Er halte die Kündigung sowohl<br />

„aus insolvenzrechtlicher Sicht als auch aufgrund der<br />

konkreten vertraglichen Kündigungsregelungen für unwirksam“,<br />

erklärte von der Fecht. Das habe man AP<br />

mitgeteilt.<br />

Am 26. November hatten sich dapd und AP vor einem<br />

US-Gericht geeinigt, dass die Lieferung der Nachrichten<br />

weitergehe, bis das Gericht über den Antrag der dapd,<br />

eine einstweilige Verfügung (temporary restraining order<br />

and preliminary injunction) zu erlassen, entschieden<br />

habe. Die freiwillige Vereinbarung wurde durch die<br />

gerichtliche Anerkennung rechtsverbindlich (stipulation<br />

and order). Im Gegenzug hat sich dapd verpflichtet,<br />

wöchentlich 65.000 Euro an AP zu zahlen. Am 18. Dezember<br />

wird sich das Gericht erneut mit der Kündigung<br />

des Vertrags beschäftigen.<br />

Dapd hatte am 27. November mitgeteilt, dass AP durch<br />

eine einstweilige Verfügung verpflichtet worden sei, den<br />

Vertrag weiter in vollem Umfang zu erfüllen. Das Gericht<br />

sei der Rechtsauffassung der insolventen Agentur gefolgt.<br />

Der Sprecher der dapd-Geschäftsführung, Michael<br />

Iltschev, sagte dem <strong>epd</strong>, AP sei durch die Entscheidung<br />

verpflichtet, weiterhin zu liefern. Explizit heiße es in dem<br />

Beschluss auch, dass keine Belieferung an Konkurrenten<br />

erfolgen dürfe, während diese Verpflichtung bestehe.<br />

Bis zu einem weiteren Gerichtstermin am 18. Dezember<br />

habe AP nun Zeit, Stellung zu nehmen. Bereits vor<br />

dem Beschluss des Gerichts habe es jedoch zwei Verhandlungstermine<br />

gegeben, bei dem beide Seiten ihre<br />

Rechtspositionen ausgetauscht hätten, sagte Iltschev.<br />

AP widersprach der Darstellung von dapd deutlich. Der<br />

vom US District Court of Southern New York gefasste<br />

Beschluss basiere auf einer freiwilligen Vereinbarung,


14 <strong>epd</strong> medien ■ <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> · 30.11.2012<br />

teilte AP-Sprecher Paul Colford dem <strong>epd</strong> mit. Der Richter<br />

habe nicht einmal Argumente zur Vertragsbindung<br />

gehört. Somit sei er auch nicht der Rechtsauffassung<br />

von dapd gefolgt, dass der Vertrag nicht rechtswirksam<br />

gekündigt worden sei. Bei dem Gerichtsbeschluss habe<br />

es sich nicht um eine Entscheidung über die Kündigung<br />

des Vertrags zwischen AP und dapd gehandelt.<br />

Der deutsche Markt der Nachrichtenagenturen gilt<br />

im internationalen Vergleich als besonders umkämpft.<br />

Neben den großen Anbietern dpa und dapd sind auch<br />

die französische Agence France-Presse (AFP) sowie<br />

der kanadisch-britische Konzern Thomson Reuters mit<br />

deutschsprachigen Diensten vertreten. Hinzu kommen<br />

die zwei kirchliche getragenen Agenturen Evangelischer<br />

Pressedienst (<strong>epd</strong>) und Katholische Nachrichten-Agentur<br />

(KNA) sowie mehrere Spezialdienste für Wirtschaft und<br />

Sport. hse<br />

ARD will Gespräche über<br />

Jugendkanal führen<br />

SWR soll mit ZDF verhandeln - ZDF:<br />

Klare Beauftragung durch Bundesländer<br />

Köln (<strong>epd</strong>). Die ARD unterstützt die Gründung eines<br />

gemeinsamen Jugendkanals von ARD und ZDF. Wie<br />

die ARD-Intendantinnen und -Intendanten nach ihrer<br />

Sitzung in Köln am 28. November mitteilten,<br />

soll der SWR zu diesem Zweck mit dem ZDF Verhandlungen<br />

aufnehmen. Ziel sei es, EinsPlus und<br />

einen ZDF-Digitalkanal zu einem gemeinsamen Jugendkanal<br />

von ARD und ZDF zu fusionieren, sagte<br />

ARD-Programmdirektor Volker Herres: „Wir trauen<br />

uns zu, junge Menschen zu erreichen.“ Der Kanal<br />

solle sich an die 14- bis 29-Jährigen richten.<br />

Das ZDF habe bereits positive Signale ausgesendet,<br />

betonte SWR-Intendant Peter Boudgoust als stellvertretender<br />

ARD-Vorsitzender. Bereits jetzt gebe es eine<br />

Vielzahl von Koproduktionen. Eine zeitliche Prognose für<br />

einen möglichen Start des sogenannten Jugendkanals<br />

sei allerdings schwierig, räumte er ein, da dieser erst<br />

von der Politik beauftragt werden müsse. Er hoffe aber<br />

auf einen Start in einem halben oder Dreivierteljahr.<br />

Die ARD-Vorsitzende und WDR-Intendantin Monika Piel<br />

widersprach dem Eindruck, man habe sich anfangs gegen<br />

die Einführung eines solchen gemeinsamen Vorhabens<br />

für ein junges Publikum ausgesprochen. Es habe nie<br />

eine Uneinigkeit in dieser Frage gegeben. Zunächst habe<br />

aber die Finanzierung seitens der ARD geklärt werden<br />

müssen, unterstrich Piel, die nun den ARD-Vorsitz<br />

turnusgemäß an den NDR abgibt. Im Februar 2011<br />

■ INLAND ■<br />

hatten die ARD-Intendanten noch Abstand von einem<br />

speziellen Jugendkanal genommen. Piel hatte damals<br />

gesagt, ein solcher Kanal wäre „finanziell unmöglich“<br />

(<strong>epd</strong> 6/11).<br />

Nach den Worten von SWR-Intendant Boudgoust wird<br />

die ARD versuchen, „dies aus dem Stand zu stemmen“.<br />

Für EinsPlus wende der SWR derzeit insgesamt zwölf<br />

Millionen Euro auf, sagte er. Piel hatte kürzlich in einem<br />

Interview mit dem „Stern“ gesagt, ein Jugendkanal koste<br />

mindestens 60 Millionen Euro im Jahr. In den vergangenen<br />

Monaten hatten sich mehrere Medienpolitiker für<br />

einen gemeinsamen Jugendkanal von ARD und ZDF und<br />

für eine Reduzierung der Digitalkanäle ausgesprochen<br />

(<strong>epd</strong> 8, 43, 45/12).<br />

Auch Piel hatte sich für eine Verringerung der Digitalkanäle<br />

aus. „Wir sortieren gerade die Digitalkanäle neu“,<br />

sagte sie dem „Stern“. „Es werden weniger“, sagte sie.<br />

Die ARD habe kapiert, dass sie Prioritäten setzen müsse.<br />

Das ZDF teilte am 28. November mit, es sei offen<br />

für Gespräche über einen gemeinsamen Jugendkanal.<br />

Bislang gebe es jedoch noch keine Beauftragung durch<br />

die Bundesländer. Intendant Thomas Bellut hatte im<br />

Oktober gesagt, die ARD müsse sich jetzt klar darüber<br />

werden, wie groß ihr Ehrgeiz sei, sich in einen gemeinsamen<br />

Jugendkanal einzubringen. Ein klarer Wille dazu<br />

und ausreichend Personal müsse da sein, „dann kann<br />

der Sender so erfolgreich sein wie KiKA“ (<strong>epd</strong> 43/12).<br />

Der Digitalkanal Einsfestival solle erhalten bleiben und<br />

sich vor allem an 30- bis 49-jährige Zuschauer richten,<br />

sagte Piel. Der Kanal werde einen neuen Namen erhalten.<br />

Neues Multimedia-Studio in Baden-Baden<br />

Insgesamt setze die ARD beim Thema Verjüngung auf<br />

alle Medien, vor allem auf die jungen Wellen im Radio<br />

und die Online-Angebote, teilte der Senderverbund<br />

mit. Jüngere Zuschauer zu erreichen bleibe eine „programmliche<br />

Querschnittaufgabe“. Daher bündele die<br />

ARD Videos für Jüngere in der ARD-Mediathek. Mit<br />

Hilfe eines neuen „Filters“ innerhalb der Mediathek<br />

sollen Bewegtbildinhalte für junge Zielgruppen leichter<br />

auffindbar gemacht werden. Start des neuen Filters ist<br />

im Mai.<br />

Die Intendanten stimmten einer Verlängerung des Experiments<br />

„TagesWEBschau“ um weitere sechs Monate zu.<br />

Seit Juni berichtet die „TagesWEBschau“ tagesaktuell<br />

über wichtige Nachrichten aus Politik, Wirtschaft und<br />

Gesellschaft aus der Sicht der Netze. Das Angebot ist<br />

über die digitalen Kanäle der ARD und die Online-Seiten<br />

der jungen ARD-Radios zu empfangen. Die Federführung<br />

hat Radio Bremen.


Der SWR eröffnete am 28. November ein neues multimedial<br />

vernetztes HD-Studio in Baden-Baden. Das<br />

„E-Lab“ verbinde Fernsehen, Radio und Internet und<br />

biete so viel Raum für neue, junge TV-Experimente,<br />

teilte der SWR mit. SWR-Fernsehdirektor Christoph<br />

Hauser sagte, EinsPlus habe seit April „in beeindruckender<br />

Weise gezeigt, wie gutes junges Fernsehen<br />

aussieht“. In dem Multimedia-Studio könnten junge<br />

Medienmacher „ihrer Kreativität freien Lauf lassen, um<br />

zu experimentieren und neues Fernsehen zu entwickeln“.<br />

Im „E-Lab“ produzieren junge Mediengestalter<br />

die wöchentlichen EinsPlus-Sendungen „Beatzzz“ und<br />

„DasDing.tv“. Außerdem kann in dem Studio live für das<br />

laufende Programm von SWR3 und DasDing produziert<br />

werden. dir/lwd<br />

Volker Herres bleibt<br />

Programmdirektor der ARD<br />

Verträge mit Miosga, Delling<br />

und Beckmann verlängert<br />

Köln (<strong>epd</strong>). Volker Herres bleibt für weitere fünf<br />

Jahre Programmdirektor der ARD. Wie der Senderverbund<br />

am 28. November mitteilte, wurde der<br />

Vertrag mit Herres bis Oktober 2018 verlängert. Die<br />

ARD-Vorsitzende Monika Piel sagte, mit Herres setze<br />

die ARD weiterhin darauf, das öffentlich-rechtliche<br />

Profil des Ersten zu schärfen. Auch die Verträge mit<br />

„Tagsthemen“-Moderatorin Caren Miosga und den<br />

Moderatoren Gerhard Delling und Reinhold Beckmann<br />

wurde verlängert.<br />

Herres (55) ist seit November 2008 Programmdirektor<br />

Erstes Deutsches Fernsehen. Zuvor war er Fernseh-<br />

Chefredakteur des NDR und Leiter des Programmbereichs<br />

Zeitgeschehen. Im Wechsel mit Jörg Schönenborn<br />

und Sonia Seymour Mikich moderiert er den „Presse-<br />

Club“ im Ersten.<br />

Miosga (43) moderiert seit 2007 die „Tagesthemen“ im<br />

Wechsel mit Tom Buhrow. Zuvor moderierte sie im NDR<br />

Fernsehen unter anderem das „Kulturjournal“ und das<br />

Medienmagazin „Zapp“. Ihr Vertrag läuft bis 2016.<br />

Beckmann und Delling werden auch in den kommenden<br />

zwei Jahren die „Sportschau“ und die „Sportschau“-Live-<br />

Übertragungen im Ersten präsentieren. Die ARD teilte<br />

zudem mit, dass sie ab der kommenden Saison in allen<br />

Dritten Programmen sonntags abends eine „Bundesliga“-<br />

Sportschau ausstrahlen wird. In der 20 Minuten langen<br />

Sendung, die ab 21.45 in allen Dritten Programmen<br />

ausgestrahlt werde, werde über die Sonntagsspiele<br />

der Fußball-Bundesliga berichtet. Präsentiert werde<br />

■ INLAND ■ 30.11.2012 · <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> ■ <strong>epd</strong> medien 15<br />

die Sendung von Reinhold Beckmann, Gerhard Delling<br />

und Matthias Opdenhövel. Die Produktion der Sendung<br />

übernehme der WDR.<br />

Alexander Bommes (36), Moderator der Sonntags-<br />

„Sportschau“ im Ersten, wird künftig den „Sportschau<br />

Club“ präsentieren. Sein Debüt gebe er am 6. Februar<br />

2013 nach dem Länderspiel Frankreich gegen Deutschland<br />

in Paris, teilte die ARD mit. Der „Sportschau Club“<br />

ist die Nachfolgesendung von „Waldis Club“. In der<br />

Sendung werden nach Angaben der ARD die Länderspiele<br />

„über die bereits gesehene sportliche Analyse<br />

hinaus betrachtet“ und Gespräche über „Sport, Kultur<br />

und Lifestyle - Themen rund um den Fußball“ geführt.<br />

Bommes präsentiert beim NDR weiterhin den „Sportclub“,<br />

die „NDR Quizshow“ und das „Hamburg Journal“.<br />

Zudem wird er künftig auch die Boxsendungen im Ersten<br />

moderieren. dir<br />

Streit um „Tagesschau“-App:<br />

Spitzengespräch im Frühjahr<br />

ARD will Angebot fortentwickeln -<br />

Piel hofft auf gemeinsame Vereinbarung<br />

Köln (<strong>epd</strong>). Die ARD-Vorsitzende Monika Piel hofft<br />

weiter auf eine gemeinsame Vereinbarung im Streit<br />

zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern und<br />

den Zeitungsverlagen um die „Tagesschau“-App. Es<br />

gebe einen Termin für ein weiteres Spitzengespräch<br />

im Frühjahr, sagte Piel am 28. November in Köln.<br />

Ein erstes Gespräch fand am 22. November in Köln<br />

statt. Piel nannte es einen Erfolg, „dass wir weiter<br />

miteinander reden“. Dieser Prozess werde weitergehen.<br />

Das Landgericht Köln hatte am 27. September die<br />

„Tagesschau“-App vom 15. Juni 2011 für unzulässig<br />

erklärt (<strong>epd</strong> 40/12). Acht Tageszeitungsverlage hatten<br />

der ARD und insbesondere dem für die „Tagesschau“-<br />

App verantwortlichen NDR vorgeworfen, mit der App<br />

trete die ARD in einen unlauteren Wettbewerb mit<br />

den kostenpflichtig angebotenen Apps der Verlage. Das<br />

Landgericht Köln hatte die App vom 15. Juni 2011<br />

als „presseähnlich“ bewertet, weil sie nach Ansicht der<br />

Richter geeignet ist, „als Ersatz für die Lektüre von<br />

Zeitungen oder Zeitschriften zu dienen“. Gleichzeitig<br />

stellten die Richter in ihrem Urteil klar, dass ein<br />

generelles Verbot der App ausscheide. Der NDR hat<br />

in Absprache mit den anderen ARD-Anstalten beim<br />

Oberlandesgericht Köln Berufung gegen das Urteil des<br />

Landgerichts Köln eingelegt (<strong>epd</strong> 43/12).


16 <strong>epd</strong> medien ■ <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> · 30.11.2012<br />

Die ARD hatte am 22. November mitgeteilt, die<br />

„Tagesschau“-App solle fortentwickelt werden. In dem<br />

Spitzengespräch im Frühjahr soll dies bewertet werden.<br />

ARD, ZDF und die Verleger hatten bereits im vergangenen<br />

Jahr Gespräche über eine gemeinsame Erklärung zu<br />

ihren Aktivitäten im Internet aufgenommen. Die Verleger<br />

hatten sich im April zunächst aus den Gesprächen<br />

zurückgezogen. lwd/rid<br />

Ende im Dezember: „Financial Times<br />

Deutschland“ wird eingestellt<br />

„Capital“ wird in Berlin fortgeführt -<br />

Insgesamt 364 Arbeitsplätze betroffen<br />

Hamburg (<strong>epd</strong>). Das Ende der „Financial Times<br />

Deutschland“ ist besiegelt. Die Zeitung werde am 7.<br />

Dezember letztmalig erscheinen. Auch alle Online-<br />

Aktivitäten werden eingestellt, teilte der Verlag<br />

Gruner + Jahr am 23. November mit. Die FTD sei eines<br />

der ambitioniertesten journalistischen Projekte<br />

der vergangenen Dekade gewesen, sagte Gruner +<br />

Jahr-Vorstand Julia Jäkel. Die Zeitung habe jedoch<br />

seit ihrer Gründung im Jahr 2000 Verluste geschrieben.<br />

Somit sehe der Verlag keinen Weg, die<br />

„Financial Times Deutschland“ weiterzuführen. Von<br />

den vier großen Publikationen der G+J Wirtschaftsmedien<br />

soll nur definitiv das Wirtschaftsmagazin<br />

„Capital“ erhalten bleiben.<br />

Nun sind 364 Arbeitsplätze gefährdet. Neben den 314<br />

Mitarbeitern bei den Wirtschaftsmedien, 258 davon<br />

am Standort Hamburg, seien auch 50 Mitarbeiter bei<br />

angrenzenden Verlagsbereichen unmittelbar oder mittelbar<br />

betroffen, erklärte der Verlag. Gruner + Jahr hatte<br />

vor knapp vier Jahren seine Wirtschaftsmedien neu<br />

geordnet und in einer eigenen Gesellschaft zusammengefasst.<br />

Der Verlag will jetzt mit den Betriebsräten über<br />

einen Sozialplan verhandeln.<br />

In Berlin löste das nahende Ende der FTD bedauern<br />

aus. Regierungssprecher Steffen Seibert twitterte, die<br />

„Financial Times Deutschland“ werde fehlen. Die medienpolitische<br />

Sprecherin der Grünen, Tabea Rößner, erklärte,<br />

Deutschland verliere ein weiteres Stück Medienvielfalt.<br />

Sie wolle eine Diskussion beginnen, ob es alternative<br />

Möglichkeiten zur Förderung von Journalismus gebe,<br />

wie zum Beispiel Stiftungs- oder Genossenschaftsmodelle.<br />

Die Gewerkschaft ver.di nannte die Einstellung der<br />

FTD einen herben Schlag für den Qualitätsjournalismus.<br />

Noch am 22. November hatte Gruner + Jahr erklärt, der<br />

Verlag befinde sich in letzten Verhandlungen über einen<br />

■ INLAND ■<br />

Verkauf der „Financial Times Deutschland“. Diese sind<br />

nun gescheitert. Die Geschichte des deutschen Ablegers<br />

der renommierten „Financial Times“ geht somit zu Ende.<br />

Gruner + Jahr hatte den deutschen Titel im Jahr 2000<br />

gemeinsam mit dem Mutterverlag der „Financial Times“,<br />

der Pearson-Gruppe, auf den Markt gebracht. 2008<br />

hatte Gruner + Jahr den 50-Prozent-Anteil von Pearson<br />

übernommen. 2009 folgte die Zusammenlegung der<br />

Redaktionen von FTD, „Börse Online“, „Impulse“ und<br />

„Capital“ in den G+J Wirtschaftsmedien.<br />

Das Magazin „Capital“ soll am neuen Standort Berlin<br />

neu positioniert werden. „’Capital’ ist eine starke Marke<br />

und seit 50 Jahren Bestandteil unseres publizistischen<br />

Profils“, erklärte Jäkel. Der Chefredakteur der FTD,<br />

Steffen Klusmann, habe sich zur Verfügung gestellt,<br />

„Capital“ noch für eine Übergangsphase zu führen. Auch<br />

das Magazin „Business Punk“ soll ebenso wie die Einheit<br />

„Facts & Figures“ bestehen bleiben.<br />

Über die Zukunft der Wirtschaftsmagazine „Impulse“<br />

und „Börse Online“ sei dagegen noch nicht endgültig<br />

entschieden. Zurzeit werde die Möglichkeit eines<br />

Verkaufs geprüft, teilte der Verlag mit. Auch eine<br />

Übernahme durch das Management („Management-<br />

Buy-Out“) werde erwogen. Finde sich kein Käufer, sei<br />

auch dort eine Einstellung geplant.<br />

Gruner + Jahr hatte 2011 den Konzernumsatz um 27<br />

Millionen Euro auf 2,29 Milliarden Euro gesteigert. Der<br />

Jahresüberschuss lag bei 160 Millionen Euro. Für die<br />

Wirtschaftsmedien musste Gruner + Jahr Medienberichten<br />

zufolge aber einen Verlust von rund 15 Millionen<br />

Euro ausweisen.<br />

Die Einstellung der „Financial Times Deutschland“ markiert<br />

ein weiteres Kapitel in der Krise der Printmedien.<br />

Vor kurzem hatte die renommierte „Frankfurter Rundschau“<br />

Insolvenz angemeldet (<strong>epd</strong> 46/12). Auch die<br />

Nachrichtenagentur dapd ist seit Oktober zahlungsunfähig<br />

(<strong>epd</strong> 40, 41, 44, 46/12). Wie es in den beiden<br />

Redaktionen mittelfristig weitergeht, ist noch unklar.<br />

hse


Sechs Tochter-Gesellschaften<br />

der FR melden Insolvenz an<br />

Geschäftsführer: Anzeigenakquise<br />

und Vertrieb sind gesichert<br />

Frankfurt a.M. (<strong>epd</strong>). Sechs Tochtergesellschaften<br />

der „Frankfurter Rundschau“ haben am 27. November<br />

bei den Amtsgerichten Frankfurt am Main<br />

und Offenbach Insolvenzanträge gestellt. Die Unternehmen<br />

beschäftigten in Frankfurt und Neu-<br />

Isenburg insgesamt 80 Mitarbeiter, teilte das Druckund<br />

Verlagshaus Frankfurt am Main mit. Der Geschäftsbetrieb<br />

bei den Anzeigen- und Vertriebs-<br />

Tochterunternehmen gehe unverändert weiter. Der<br />

Verlag der FR hatte am 13. November Insolvenz<br />

angemeldet (<strong>epd</strong> 46/12).<br />

Anzeigenakquise und Zeitungsdistribution seien für die<br />

nächste Zeit gesichert, sagte Karlheinz Kroke, Geschäftsführer<br />

der Druck- und Verlagshaus Frankfurt am Main<br />

GmbH. Dies sei ein „wichtiger Schritt zur Stabilisierung<br />

des Geschäftsbetriebs von Zeitung und Verlag und<br />

Voraussetzung für den Erfolg des laufenden Investorenprozesses“.<br />

Die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter<br />

seien über das Insolvenzgeld für drei Monate gesichert.<br />

Die sechs Tochterunternehmen, die am 27. November<br />

Insolvenz anmeldeten, sind die FR Publishing GmbH,<br />

die Mediendepot Frankfurt GmbH, die FR Digital Sales<br />

GmbH, die FR Comlog GmbH, die Zeitungs-Vertriebs<br />

GmbH Nord und die Janz & Fritzsche Medienvertriebs<br />

GmbH. Alle Unternehmen gehören zu 100 Prozent der<br />

Druck- und Verlagshaus Frankfurt am Main GmbH.<br />

Als Grund für die Insolvenz hatte der Verlag die massiven<br />

Umsatzverluste im Anzeigen- und Druckgeschäft in<br />

der ersten Hälfte des Jahres genannt. Die „Frankfurter<br />

Rundschau“, deren Mantelteil in einer Redaktionsgemeinschaft<br />

mit der ebenfalls zum Kölner Verlagshaus<br />

M. DuMont Schauberg erscheinenden „Berliner Zeitung“<br />

entsteht, ist trotz zahlreicher Sparrunden seit Jahren<br />

defizitär. Auch die Auflage der Zeitung sinkt: Im dritten<br />

Quartal 2012 verkaufte das Blatt durchschnittlich knapp<br />

118.000 Exemplare pro Tag. Vor zehn Jahren waren es<br />

noch mehr als 180.000.<br />

Die Mitarbeiter der „Berliner Zeitung“ zeigten sich<br />

solidarisch mit den Kollegen der FR. „Wir unterstützen<br />

deren ausdrücklichen Willen und ihr Engagement für den<br />

Erhalt des Blattes, trotz Insolvenzantrag“, schrieb der<br />

Redaktionsausschuss der „Berliner Zeitung“ in einem am<br />

16. November verbreiteten offenen Brief. Darin werden<br />

die Hauptgesellschafter der FR auch aufgefordert, „jeden<br />

Handlungsspielraum und jede Chance zu nutzen, um<br />

die ’Frankfurter Rundschau’ fortzuführen“. dir/lob<br />

■ INLAND ■ 30.11.2012 · <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> ■ <strong>epd</strong> medien<br />

17<br />

Spiegel TV plant Stellenstreichungen<br />

Mindestens 27 Vollzeitstellen werden<br />

abgebaut - Aufforderung zum Gehaltsverzicht<br />

Hamburg (<strong>epd</strong>). Bei Spiegel TV stehen erneut Stellenkürzungen<br />

an. Dabei setze die Produktionsfirma<br />

zunächst auf freiwillige Kündigungen, sagte die<br />

Sprecherin des Verlags, Anja zum Hingst, am 28.<br />

November dem <strong>epd</strong>. So sollen durch die freiwilligen<br />

Kündigungen bis zum Jahresende mindestens 27<br />

Vollzeitstellen abgebaut werden. Gleichzeitig müssten<br />

sich 90 Prozent der Mitarbeiter bereiterklären,<br />

Einbußen von 10 Prozent des Bruttolohns zu akzeptieren.<br />

Sollte diese Variante nicht zustande kommen, müsse ab<br />

Januar 2013 betriebsbedingt gekündigt werden. Dann<br />

würden 40 Vollzeitstellen abgebaut werden müssen.<br />

Bislang sind bei Spiegel TV 187 Mitarbeiter auf 150<br />

Vollzeitstellen beschäftigt. Da im kommenden Jahr Einschnitte<br />

bei Produktionen zu erwarten seien, müsse<br />

auch bei den Stellen gespart werden. So fällt beispielsweise<br />

das Format „Lanz kocht“, das Spiegel TV bislang<br />

produziert hatte weg. Auch VOX werde künftig weniger<br />

Produktionen von Spiegel TV ausstrahlen.<br />

Das Unternehmen hatte bereits jeweils im November<br />

2011 und 2010 Mitarbeiter entlassen (<strong>epd</strong> 88/10, 43, 47<br />

/11). Davor waren noch 261 Mitarbeiter bei der Tochter<br />

des Spiegel-Verlags beschäftigt, die damals noch die<br />

Show „Kerner“ mit Johannes B. Kerner produzierte.<br />

Zur weiteren Unsicherheit kommt nun hinzu, dass es<br />

noch immer keine Sicherheit über die Drittsendezeiten<br />

bei Sat.1 gibt (siehe weitere Meldung in dieser Ausgabe).<br />

Dazu wollte sich von Hingst nicht äußern. Da jedoch<br />

noch nicht abschließend geklärt ist, ob Spiegel TV über<br />

die dctp weiter sein Format „Spiegel TV Reportage“ an<br />

Sat.1 als Drittsendezeitenprogramm liefern wird und<br />

über die Drittsendezeiten bei RTL noch nicht entschieden<br />

ist, wäre auch hier der Verlust von weiteren Produktionsaufträgen<br />

möglich. Für RTL produziert Spiegel TV<br />

über die dctp als Drittsendelizenznehmer das Magazin<br />

„Spiegel TV“. hse


18 <strong>epd</strong> medien ■ <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> · 30.11.2012<br />

Bauer Media Group will Bertelsmann<br />

bei Zeitschriften überholen<br />

Schoo: Gesetz zum Presse-Grosso wird<br />

Europäischem Recht nicht standhalten<br />

Hamburg (<strong>epd</strong>). Die Bauer Media Group wird 2012<br />

ihren Umsatz voraussichtlich um acht Prozent auf<br />

2,175 Milliarden Euro steigern. Sie rechne damit,<br />

dass ihr Konzern im nächsten Jahr Europas größter<br />

Zeitschriftenverlag wird und Bertelsmann in dieser<br />

Sparte überholt, sagte Verlegerin Yvonne Bauer<br />

am 28. November in Hamburg. Trotz zahlreicher<br />

Übernahmen komme das Unternehmen ohne Bankschulden<br />

aus. Mittlerweile würden 62 Prozent der<br />

Umsätze im Ausland erwirtschaftet, vor allem in<br />

Großbritannien, Polen, den USA und Australien.<br />

80 Prozent der Umsätze erarbeitet Bauer laut Geschäftsleiter<br />

Eckart Bollmann durch gedruckte Presseprodukte.<br />

Mit den Zeitschriften „Auf einen Blick“, „Tv14“ und „TV<br />

Movie“ produziere Bauer drei von sieben Zeitschriften<br />

in Deutschland, die eine Auflage von über einer Million<br />

haben.<br />

15 Titel sind nach Aussage von Geschäftsleiter Andreas<br />

Schoo 2012 neu auf dem Markt, darunter das wöchentliche<br />

People-Magazin „Closer“ mit einer Auflage von<br />

175.000. Auch das Monatsmagazin „Meins“ für Frauen<br />

ab 60 habe eine Auflage von 100.000 erreicht. Anfang<br />

des Jahres wurden „Cosmopolitan“, „Joy“ und „Shape“<br />

von der MVG Medien Verlagsgesellschaft übernommen.<br />

„Print lebt“, sagte Verlegerin Bauer. „Man muss sich nur<br />

um seine Produkte kümmern.“<br />

Während 2012 vor allem in Print investiert wurde, soll<br />

der Schwerpunkt 2013 im Digitalen liegen, kündigte<br />

Schoo an. Über 300 digitale Produkte verantworte<br />

Bauer bereits, darunter 70 digitale Magazine. Nicht alle<br />

Produkte schrieben schwarze Zahlen. Ziel sei es, alle<br />

gedruckten Titel auch digital zu vermarkten.<br />

Seit Oktober ist Bauer mit 120 Magazinen und einem<br />

geschätzten Jahresumsatz von 500 Millionen Euro in<br />

Australien und Neuseeland vertreten. Bei den Frauenzeitschriften<br />

und im Modesegment liegt der Marktanteil<br />

laut Bollmann bei rund 60 Prozent. Zum Sortiment<br />

zählten aber auch Spezialzeitschriften wie „Earthmoves<br />

& Excavator“ für Erd-Baumaschinen. 2.000 Mitarbeiter<br />

seien übernommen worden.<br />

Rund 11.000 Mitarbeiter sind weltweit bei Bauer beschäftigt,<br />

rund 2.000 mehr als im Vorjahr. Am Standort<br />

Hamburg arbeiten derzeit 1.602 Beschäftigte, 74 mehr<br />

als im Vorjahr.<br />

■ INLAND ■<br />

Zum Streit um den Vertrieb per Presse-Grosso sagte<br />

Schoo, das neue Gesetz werde den Konflikt nicht lösen.<br />

Er gehe davon aus, dass das Gesetz dem Europäischen<br />

Recht nicht standhalten werde. Mit der im Oktober vom<br />

Bundestag verabschiedeten Novelle des Gesetzes gegen<br />

Wettbewerbsbeschränkungen soll auch der Vertrieb von<br />

Zeitungen und Zeitschriften über das Presse-Grosso<br />

gesichert werden (<strong>epd</strong> 43/12).<br />

Das Landgericht Köln hatte im Februar das Vorgehen des<br />

Presse-Grosso-Verbands als wettbewerbswidrig eingestuft<br />

und damit einer Klage von Bauer stattgegeben. Der<br />

Presse-Grosso-Verband hatte bislang für die einzelnen<br />

Presse-Grossisten mit den Verlagen einheitliche Bedingungen<br />

für den Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften<br />

ausgehandelt. Bauer will jedoch in Einzelverhandlungen<br />

mit den Zeitungshändlern bessere Konditionen für seine<br />

Zeitschriften durchsetzen. Der Bundesverband Presse-<br />

Grosso hat gegen das Urteil Berufung eingelegt (<strong>epd</strong> 7,<br />

10/12). lnh<br />

Landesregierungen sollen Sitze<br />

im SWR-Rundfunkrat verlieren<br />

Entwurf für neuen Staatsvertrag<br />

sieht Redaktionsstatut vor<br />

Mainz/Stuttgart (<strong>epd</strong>). Rheinland-Pfalz und Baden-<br />

Württemberg haben sich auf einen Entwurf für den<br />

geplanten neuen SWR-Staatsvertrag geeinigt. Der<br />

Entwurf, den der rheinland-pfälzische Ministerpräsident<br />

Kurt Beck (SPD) am 20. November in Mainz<br />

vorstellte, sieht unter anderem eine Reform des<br />

SWR-Rundfunkrats vor. Die Vertreter der beiden<br />

Landesregierungen sollen demnach ihre insgesamt<br />

drei Sitze in dem Gremium verlieren. Das soll zu größerer<br />

Staatsferne im Rundfunkrat führen. Auch die<br />

Mitbestimmungsrechte der Personalvertretung sollen<br />

ausgeweitet werden. Die drei SWR-Funkhäuser<br />

in Mainz, Stuttgart und Baden-Baden bleiben erhalten.<br />

Auf die Grundaussagen des neuen Vertrags hatten<br />

sich beide Länder bereits im Juni geeinigt (<strong>epd</strong> 26/<br />

12). Beck kündigte nun eine gemeinsame Anhörung zu<br />

dem Vertragstext an. Anschließend wollen die beiden<br />

Landesregierungen sich auf eine endgültige Fassung<br />

des Vertrags einigen. SWR-Intendant Peter Boudgoust<br />

begrüßte den Textentwurf und kündigte zugleich an,<br />

der SWR werde sich bei der geplanten Anhörung aktiv<br />

einbringen.<br />

Nach dem Willen beider Länder soll die regionale Berichterstattung<br />

aus den beiden Bundesländern auch


künftig Kernaufgabe des SWR bleiben. Das Hörfunkprogramm<br />

soll sich stärker auf jüngere Zuhörer ausrichten.<br />

Die Landesregierungen in Mainz und Stuttgart wollen<br />

in dem neuen Staatsvertrag auch Maßnahmen zur<br />

Gleichstellung von Frauen und Männern festschreiben.<br />

Im Zuge der Reform des Rundfunkrats soll künftig<br />

erstmals ein Vertreter der muslimischen Verbände aus<br />

Baden-Württemberg in das Aufsichtsgremium entsandt<br />

werden. Dass zugleich die christlichen Freikirchen ihren<br />

Sitz verlieren, wurde von kirchlicher Seite heftig kritisiert<br />

(<strong>epd</strong> 41/12). Auch die Vertriebenenorganisationen<br />

verlieren die zwei Sitze, die sie bislang im Landesrundfunkrat<br />

Baden-Württemberg hatten. Die Migranten<br />

sollen künftig zwei statt einen Vertreter in den Landesrundfunkrat<br />

Baden-Württemberg entsenden. Die Zahl<br />

der Vertreter von Natur- und Umweltschutzverbänden<br />

erhöht sich von einem auf zwei. In den Landesrundfunkrat<br />

Rheinland-Pfalz sollen künftig auch die Sinti<br />

und Roma einen Vertreter entsenden. Für die meisten<br />

Organisationen, die mehr als einen Vertreter entsenden,<br />

sieht der Entwurf eine Frauenquote von 50 Prozent<br />

vor. Bisher legte der Staatsvertrag nur fest, dass Frauen<br />

bei der Entsendung der Mitglieder „angemessen zu<br />

berücksichtigen“ seien.<br />

Die Landesregierung Baden-Württemberg war bisher<br />

mit zwei Mitgliedern im Rundfunkrat vertreten, die<br />

von Rheinland-Pfalz mit einem. Insgesamt soll sich<br />

an der Zahl der Mitglieder des Rundfunkrats nichts<br />

ändern: 51 Mitglieder sind aus Baden-Württemberg, 23<br />

aus Rheinland-Pfalz. Der Rundfunkrat des SWR ist der<br />

größte aller ARD-Anstalten.<br />

Auftrag für DasDing und SWRinfo<br />

Die Zahl der Mitglieder des Verwaltungsrats erhöht sich<br />

von 15 auf 18. Neun der Mitglieder wählt der Rundfunkrat,<br />

gewählt werden dürfen laut Gesetzentwurf nur<br />

Personen, die „nicht von den Regierungen der Länder<br />

oder den Landtagen entsandt“ wurden. Drei Mitglieder<br />

entsendet der Landtag von Baden-Württemberg, ein<br />

Mitglied der Landtag von Rheinland-Pfalz. Zwei weitere<br />

Mitglieder entsendet die Landesregierung von Baden-<br />

Württemberg, ein Mitglied die Landesregierung von<br />

Rheinland-Pfalz. Zwei Mitglieder entsendet der Personalrat,<br />

eines aus jedem Land. Der Personalrat war bisher<br />

nicht im Verwaltungsrat vertreten. Die Zahl der vom<br />

Rundfunkrat gewählten Mitglieder erhöht sich von acht<br />

auf neun. Auch hier soll ein „angemessener Geschlechterproporz“<br />

gewahrt werden. Mindestens 40 Prozent der<br />

vom Rundfunkrat gewählten Mitglieder müssen Frauen<br />

sein. Auch die Männer sollen mit mindestens 40 Prozent<br />

vertreten sein.<br />

■ INLAND ■ 30.11.2012 · <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> ■ <strong>epd</strong> medien 19<br />

Um die Gremienarbeit transparenter zu gestalten sollen<br />

die Beschlüsse, die der Rundfunkrat in öffentlichen<br />

Sitzungen gefasst hat, ebenso wie die Beratungsgrundlagen<br />

künftig im Internetauftritt des SWR veröffentlicht<br />

werden. Wie beim WDR-Staatsvertrag ist vorgesehen,<br />

dass Bezüge der Geschäftsleitung künftig veröffentlicht<br />

werden sollen.<br />

Neu ist auch, dass der Staatsvertrag ein Redaktionsstatut<br />

vorsieht. Dieses bedürfe der Zustimmung des<br />

Rundfunkrats, heißt es im Entwurf. Das Redaktionsstatut<br />

solle länderübergreifend die Mitwirkungsrechte der<br />

Programmbeschäftigten in Programmangelegenheiten<br />

regeln. Es soll auch ein „Verfahren zur Beilegung von<br />

Konflikten in Programmfragen zwischen Programmbeschäftigten<br />

und ihren Vorgesetzten“ festlegen.<br />

In den neuen Staatsvertrag ist ein Auftrag für die<br />

Hörfunkprogramme DasDing und SWRinfo integriert.<br />

Zur Stärkung der regionalen Identität wird für das<br />

Fernsehprogramm ein Landesanteil von 30 Prozent<br />

vorgeschrieben.<br />

Auch für die Zusammensetzung der Geschäftsleitung,<br />

die aus Intendant und Direktoren besteht, wird eine<br />

„gleichberechtigte Vertretung der Geschlechter“ zu<br />

mindestens je 40 Prozent angestrebt. dir/lmw<br />

Google startet Kampagne<br />

gegen Leistungsschutzrecht<br />

Max-Planck-Institut warnt vor<br />

„unabsehbaren negativen Folgen“<br />

Hamburg (<strong>epd</strong>). Der Suchmaschinenkonzern Google<br />

hat eine Kampagne gegen das von den Verlegern<br />

geforderte Leistungsschutzrecht gestartet.<br />

„Die meisten Bürger haben noch nie von diesem<br />

Gesetzesvorschlag gehört. Dabei träfe ein solches<br />

Gesetz jeden Internetnutzer in Deutschland“, sagte<br />

der Deutschland-Chef von Google, Stefan Tweraser,<br />

am 27. November in Berlin. Unter dem Motto „Verteidige<br />

Dein Netz - Finde weiterhin, was Du suchst“<br />

informiert Google unter www.google.de/DeinNetz<br />

über seine Sicht auf das geplante Schutzrecht für<br />

Presseverlage. Die Verlegerverbände kritisierten die<br />

Kampagne als „üble Propaganda“.<br />

Das Bundeskabinett hat Ende August einen Gesetzentwurf<br />

beschlossen, mit dem eine unberechtigte gewerbliche<br />

Nutzung von Presseerzeugnissen im Internet<br />

verhindert werden soll (<strong>epd</strong> 35/12). Demnach sollen<br />

Suchmaschinenbetreiber und Anbieter von mit Suchmaschinen<br />

vergleichbaren Diensten künftig zu Zahlungen


20 <strong>epd</strong> medien ■ <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> · 30.11.2012<br />

verpflichtet werden können, wenn sie Presseinhalte<br />

systematisch nutzen. In der Nacht zum 30. November<br />

(nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe) sollte sich der<br />

Bundestag in der Ersten Lesung mit dem Gesetzentwurf<br />

beschäftigen.<br />

Google ist gegen den Entwurf. „Ein Leistungsschutzrecht<br />

bedeutet weniger Informationen für Bürger und höhere<br />

Kosten für Unternehmen“, sagte Tweraser. Deshalb<br />

lehnten nicht nur Google, sondern auch die deutsche<br />

Wirtschaft, Blogger, Journalisten, Wissenschaftler<br />

und Internetexperten aller im Bundestag vertretenen<br />

Parteien dieses Vorhaben ab, teilte das Unternehmen<br />

mit. Das Suchen und Finden, eine Grundfunktion des<br />

Internets, würde durch ein Leistungsschutzrecht gestört.<br />

Die Verlegerverbände BDZV und VDZ bezeichneten es<br />

als „Unding“, dass der Suchmaschinenkonzern „seine<br />

marktbeherrschende Stellung einseitig für die eigenen<br />

Ziele“ nutze. Die Behauptung von Google, das Suchen<br />

und Finden von Informationen im Netz werde durch das<br />

Leistungsschutzrecht erschwert, sei unseriös. Google<br />

arbeite „mit perfiden Methoden, um Angst und Panik zu<br />

verbreiten“. Die Verbände teilten mit, es sei doch „selbstverständlich,<br />

dass jemand, der einen Inhalt gewerblich<br />

nutzt, auch dafür bezahlt“.<br />

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte die<br />

Abgeordneten des Bundestags auf, den Gesetzentwurf<br />

zum Leistungsschutzrecht zugunsten der Urheber nachzubessern.<br />

Es müsse sichergestellt werden, dass die<br />

journalistische Arbeit durch das neue Recht nicht beeinträchtigt<br />

werde, forderte der DJV-Vorsitzende Michael<br />

Konken. Google male „aus sehr durchsichtigen Gründen<br />

schwarz“. Dass Qualitätsjournalismus seinen Preis<br />

habe, müssten auch die Betreiber von Suchmaschinen<br />

akzeptieren.<br />

„Abmahn- und Klagewelle“<br />

Tabea Rößner, medienpolitische Sprecherin der Grünen<br />

und Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der<br />

Fraktion, sprachen sich am 28. November gegen das geplante<br />

Leistungsschutzrecht aus. Sie lehnten das Gesetz<br />

ab, weil sie die „vielfältigen Auswirkungen“ für fatal<br />

hielten, teilten die beiden Grünen-Abgeordneten mit.<br />

Durch das Gesetz würden wenn überhaupt „vor allem die<br />

wenigen großen Verlage Mehreinnahmen“ bekommten.<br />

Das Gesetz sei nicht im Sinne der Medienvielfalt, es<br />

würde den Boulevardjournalismus am meisten befeuern.<br />

Geld gebe es vor allem für das, „was am meisten gesucht<br />

und geklickt wird“. Auch für Journalisten bringe<br />

das Leistungsschutzrecht nichts, da die „angemessene<br />

Vergütung ihrer Arbeit“ viel zu wage definiert sei. Das<br />

Gesetz würde Rechtsunsicherheit schaffen, so sei „eine<br />

weitere Abmahn- und Klagewelle zu befürchten“.<br />

■ INLAND ■<br />

Auch das Max-Planck-Institut für Immaterialgüter und<br />

Wettbewerbsrecht hat sich in einer am 27. November<br />

veröffentlichten Stellungnahme kritisch zu dem<br />

geplanten Leistungsschutzrecht geäußert. Es bestehe<br />

die Gefahr „unabsehbarer negativer Folgen“, schreiben<br />

die Wissenschaftler. Der Regierungsentwurf scheine<br />

„nicht durchdacht“. Die Stellungnahme wird von 16<br />

Unterzeichnern unterstützt.<br />

Die Wissenschaftler warnen davor, dass sich das Leistungsschutzrecht<br />

„zum Nachteil der deutschen Volkswirtschaft“<br />

auswirken könnte. Die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass bei Inkrafttreten des Gesetzes gar nicht mehr auf<br />

deutsche Presseinhalte verlinkt werde, scheine sehr<br />

hoch, dies könne aber „in niemandes Interesse liegen“.<br />

Den Verlagen gehe es in Wahrheit darum, Lizenzeinnahmen<br />

zu erzielen, heißt es in der Stellungnahme. Das<br />

Interesse der Verlage von Suchmaschinen berücksichtigt<br />

zu werden, zeige sich daran, „dass es mit einfachen<br />

technischen Mitteln ohne weiteres möglich wäre, die<br />

heute üblichen Linksetzungen zu unterbinden“. dir/hse<br />

Schmid kritisiert<br />

„Verzweiflungsregulierung“<br />

Doetz will nicht als Vorstandsvorsitzender<br />

des VPRT antreten<br />

Berlin (<strong>epd</strong>). Der Verband Privater Rundfunk und Telemedien<br />

(VPRT) hält die Pläne der Länder für eine Reform<br />

des Medienkonzentrationsrechts für unzureichend.<br />

VPRT-Vizepräsident Tobias Schmid bezeichnete<br />

das Festhalten an der Fernsehzentriertheit, als<br />

„Kokolores“. Er bezog sich damit auf die kürzlich bekanntgewordenen<br />

Eckpunkte der Reformpläne, die<br />

die Länder vorgelegt haben. Statt grundlegende<br />

Änderungen anzugehen, werde Bisheriges einfach<br />

fortgesetzt, kritisierte Schmid am 21. November in<br />

Berlin und sprach von einer „Verzweiflungsregulierung“.<br />

Die Eckpunkte der Reform befassen sich vor allem mit<br />

der Ermittlung der Medienkonzentration bei TV-Sendern.<br />

TV-Unternehmen sollen künftig bis zu acht Bonuspunkte<br />

bei der Konzentrationsrechnung erhalten, wenn sie freiwillig<br />

zusätzliche Drittfensterangebote ins Programm<br />

nehmen und in einen Fonds für die Finanzierung von<br />

Lokalsendern einzahlen. Bisher ist lediglich ein Abzug<br />

von bis zu fünf Prozentpunkten möglich. Diese werden<br />

von dem Zuschaueranteil abgezogen, den ein Unternehmen<br />

mit allen ihm zugerechneten Programmen im<br />

Jahresdurchschnitt erreicht. Wenn ein Anteil von 30<br />

Prozent oder mehr erreicht wird, vermutet der Rundfunk-


staatsvertrag eine „vorherrschende Meinungsmacht“,<br />

die unter anderem weitere Zukäufe unmöglich macht.<br />

Schmid sagte, die Länder griffen zu kurz damit, nur wieder<br />

eine Mediengattung - das Fernsehen - zu regulieren.<br />

Angesichts verschwimmender Grenzen zwischen den<br />

Medien müsse grundsätzlich hinterfragt werden, ob die<br />

bisherigen Gründe für eine Medienregulierung weiter<br />

gültig seien und ob eine Medienart „besonders“ behandelt<br />

werden solle. Hier erwarte er klare Ansagen von der<br />

Politik. „Eine faire Regulierung ist keine einfache Regulierung“,<br />

erklärte Schmid. Sollte diese nicht gelingen,<br />

müsse die Schaffung eines „Level Playing Fields“ vorangetrieben<br />

werden, in dem alle Rundfunkunternehmen<br />

den gleichen Marktzugang hätten.<br />

In einem Anfang November vor der Internet-<br />

Enquetekommission des Bundestages vorgestellten Positionspapier<br />

fordert der VPRT die Abkehr von einem<br />

„Fernsehkonzentrationsrecht“. TV bleibe zwar Leitmedium,<br />

vernetze sich aber immer stärker mit dem deutlich<br />

weniger regulierten Internet, heißt es darin. Daher brauche<br />

es eine Ausrichtung am gesamten Medienmarkt.<br />

Der VPRT schlägt unter anderem vor, bei Rundfunk und<br />

Netz die Inhalte nach der Bedeutung für die Meinungsmacht<br />

zu differenzieren. Zudem sollten Programme und<br />

Zuschauermarktanteile nicht voll zugerechnet werden,<br />

wenn das beteiligte Unternehmen keine oder nur eingeschränkte<br />

Einflussmöglichkeiten auf das Programm<br />

habe.<br />

Kein Präsidentenamt mehr<br />

Schmid könnte in Kürze die Führung des VPRT übernehmen,<br />

da der langjährige Präsident Jürgen Doetz seine<br />

Spitzenposition im Verband abgibt. Mit der Mitgliederversammlung<br />

am 29. November trete eine neue Satzung<br />

in Kraft, die keinen Präsidenten mehr vorsehe, sagte<br />

Doetz. Für den Posten des neuen Vorstandsvorsitzenden<br />

werde er nicht antreten. Schmid erklärte sich bereit,<br />

im Falle seiner Wahl in den Vorstand für den Spitzenposten<br />

zu kandidieren. Der Ausgang der Wahl war bei<br />

Redaktionsschluss noch nicht bekannt.<br />

Den Angaben zufolge will der Vorstand auch darüber<br />

entscheiden, welche Funktion Doetz künftig innerhalb<br />

des Verbandes haben soll. Er werde aber kein „verkappter<br />

Vorsitzender“ sein, sagte Doetz. Insgesamt wolle der<br />

VPRT mit seiner neuen Struktur die Geschäftsführung<br />

stärken und mehr „operative Verantwortung“ an den<br />

künftig aus zwölf Mitgliedern bestehenden Vorstand<br />

übergeben.<br />

Der 68-jährige Doetz ist seit 1996 Präsident des VPRT.<br />

Der Journalist war unter anderem Geschäftsführer bei<br />

Sat.1 sowie Vorstand der ProSiebenSat.1 Media AG.<br />

■ INLAND ■ 30.11.2012 · <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> ■ <strong>epd</strong> medien 21<br />

Der mögliche neue Chef Schmid ist Bereichsleiter für<br />

Medienpolitik bei der Mediengruppe RTL Deutschland.<br />

aks<br />

Seehofer und Scholz gegen Rückzug<br />

von Parteien aus Gremien<br />

Hamburg sieht Vorsitz der<br />

Rundfunkkommission in Rheinland-Pfalz<br />

Berlin (<strong>epd</strong>). Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf<br />

Scholz (SPD) will auch weiterhin Politiker in den<br />

Gremien von ZDF und ARD-Anstalten haben. „Es<br />

geht nicht darum, dass andere Leute in den Gremien<br />

sitzen“, sagte Scholz der „Süddeutschen Zeitung“<br />

(Ausgabe vom 17. November). Es wäre auch falsch,<br />

keine Vertreter des Staates mehr in die Gremien zu<br />

lassen. „Wir wollen keine apolitische Wegwendung<br />

von der Welt und von der Politik“, sagte Scholz.<br />

Vielmehr gehe es um die Relation bei der Besetzung.<br />

Die Medienpolitik müsse für einen öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunk sorgen, der seine Eigenständigkeit und Unabhängigkeit<br />

verteidige und der eine Kultur entfalten<br />

könne, die niemand infrage stelle. Gerüchte, dass Hamburg<br />

mit dem Regierungswechsel in Rheinland-Pfalz<br />

möglicherweise den Vorsitz in der Rundfunkkommission<br />

der Länder anstrebe, wies Scholz zurück. Es gebe eine<br />

lange Tradition, dass sich Rheinland-Pfalz um den Vorsitz<br />

in der Rundfunkländerkommission kümmere. „Es<br />

gibt keinen Grund und keine Pläne, daran etwas zu<br />

ändern“, sagte Scholz.<br />

Scholz lobte den Digitalkanal Tagesschau24. Damit habe<br />

die ARD etwas Großartiges zustande gebracht. „Das<br />

nimmt nicht sehr viele Gebühren in Anspruch und ist<br />

ein Produkt, das die ohnehin erbrachte journalistische<br />

Leistung noch besser verwertet“, sagte Scholz. Er sehe<br />

zurzeit auch keinen dringenden Handlungsbedarf, einen<br />

Digitalkanal abzuschaffen.<br />

CSU-Chef Horst Seehofer forderte eine Offenlegung der<br />

Einkommen von führenden Mitarbeitern der öffentlichrechtlichen<br />

Rundfunksender: „Ich wünsche mir bei den<br />

öffentlich-rechtlichen Sendern die gleiche Transparenz,<br />

wie bei den Politikern! Was ich verdiene, können Sie<br />

im Gesetz nachlesen. Das gilt so für das öffentlichrechtliche<br />

ZDF nicht“, sagte der bayerische Ministerpräsident<br />

in einem Interview der „Bild am Sonntag“<br />

(Ausgabe vom 18. November).<br />

Einen Rückzug der Parteien aus den Rundfunkräten<br />

der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten lehnte<br />

auch Seehofer ab: „Diese Sender finanzieren sich aus


22 <strong>epd</strong> medien ■ <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> · 30.11.2012<br />

Zwangsgebühren aller Privathaushalte und haben einen<br />

öffentlich-rechtlichen Auftrag. Deshalb sind Kontrollen<br />

notwendig.“<br />

Zugleich warf Seehofer dem ZDF vor, die Affäre um<br />

den Anruf des damaligen CSU-Parteisprechers in der<br />

ZDF-„heute“-Redaktion nicht angemessen behandelt<br />

zu haben: „Das ZDF hat den Vorfall überhöht.“ Kein<br />

Politiker sollte sich „die Freiheit nehmen lassen, auch<br />

Journalisten mal zu sagen, wo sie falsch gelegen haben“,<br />

sagte Seehofer. „Es gibt auch die Meinungsfreiheit von<br />

Politikern.“<br />

Damit kritisierte Seehofer den Umgang des ZDF mit<br />

dem Anruf des Parteisprechers Hans Michael Strepp,<br />

der Ende Oktober zurücktrat (<strong>epd</strong> 43/12). Zuvor war<br />

ein Anruf Strepps in der „heute“-Redaktion des ZDF bekanntgeworden,<br />

mit dem der Sprecher nach Darstellung<br />

des Senders eine Berichterstattung über den Parteitag<br />

der bayerischen SPD am 21. Oktober verhindern wollte.<br />

Strepp bestritt die Darstellung des diensthabenden<br />

„heute“-Redakteurs, während ZDF-Intendant Thomas<br />

Bellut erklärte, die Intention des Anrufs sei „eindeutig“<br />

gewesen. jup/hse<br />

TV-Sender Sport1 muss wegen<br />

Irreführung 28.000 Euro zahlen<br />

Verstöße gegen Gewinnspielsatzung in<br />

„Sportquiz“-Sendungen festgestellt<br />

Lübeck (<strong>epd</strong>). Der Privatsender Sport1 muss wegen<br />

Irreführung und Täuschung seiner Zuschauer insgesamt<br />

28.000 Euro zahlen. Die Ordnungswidrigkeiten<br />

seien in sieben Ausgaben der Sendung „Sportquiz“<br />

im Januar 2012 festgestellt worden, teilte die Kommission<br />

für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Landesmedienanstalten<br />

am 22. November mit.<br />

Bußgelder in Höhe von insgesamt 4.000 Euro seien<br />

gegen einen Geschäftsführer, einen Redakteur und<br />

zwei Moderatoren verhängt worden. Zudem müsse<br />

Sport1 insgesamt 24.000 Euro, die mit der unzulässigen<br />

Präsentation der Gewinnspiele eingenommen worden<br />

seien, an die Landesmedienanstalten abführen.<br />

Die irreführenden Angaben betrafen laut Mitteilung<br />

unter anderem den Schwierigkeitsgrad von Spielen und<br />

das Auswahlverfahren für die durchgestellten Anrufer.<br />

Außerdem sei mehrfach gegen die Pflicht zur umfassenden<br />

Information verstoßen worden. So sei beispielsweise<br />

über den Spielmodus und die Teilnahmebedingungen<br />

nicht ausreichend aufgeklärt worden.<br />

■ INLAND ■<br />

Sport1 ist mit seinen Gewinnspielsendungen seit längerem<br />

im Visier der Medienaufsicht. Im Sommer 2011<br />

erzielte der Sender in verschiedenen Streitverfahren<br />

einen Vergleich mit der ZAK und erklärte, er werde die<br />

Auslegung der Gewinnspielsatzung durch die Medienanstalten<br />

künftig anerkennen (<strong>epd</strong> 27/11). Sport1 legte<br />

zudem einen Maßnahmenkatalog vor und verpflichtete<br />

sich, durch Mitarbeiterschulungen und weitere<br />

organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass<br />

die Anforderungen der Gewinnspielsatzung beachtet<br />

werden.<br />

Die 2009 erlassene Gewinnspielsatzung bestimmt für<br />

sogenannte Call-in-Formate, dass die Sendungen nach<br />

klaren Regeln ablaufen müssen, die für die Nutzer<br />

verständlich sind. Irreführung ist untersagt. Die Transparenz<br />

wird unter anderem dadurch erhöht, dass die<br />

Teilnahmebedingungen alle 15 Minuten eingeblendet<br />

werden müssen (<strong>epd</strong> 16/09). rid<br />

Drittsendezeiten: News And<br />

Pictures legt Berufung ein<br />

LMK-Versammlung entscheidet<br />

am 3. Dezember über Rechtsmittel<br />

Frankfurt a.M. (<strong>epd</strong>). Der Fensterprogrammveranstalter<br />

News And Pictures hat Berufung gegen die<br />

Urteile des Verwaltungsgerichts Neustadt zu den<br />

Drittsendezeiten bei Sat.1 eingelegt. Die Produktionsfirma<br />

wolle damit die Rechtslage „auf jeden<br />

Fall“ vom Oberverwaltungsgericht Koblenz klären<br />

lassen, sagte News-And-Pictures-Geschäftsführer<br />

Josef Buchheit dem <strong>epd</strong>. Damit wird immer unwahrscheinlicher,<br />

dass bis zum 1. Juni 2013 rechtskräftige<br />

Lizenzen für Drittsendezeitenanbieter vorliegen.<br />

Hintergrund des Rechtsstreits ist, dass sich Sat.1 und<br />

LMK nicht auf eine einvernehmliche Auswahl bei den<br />

Drittsendezeiten einigen konnten (<strong>epd</strong> 11, 15, 16, 21,<br />

26, 39, 44/12). Gegen den Willen von Sat.1 wählte<br />

die LMK News And Pictures und die dctp aus. Mit<br />

News And Pictures konnte sich Sat.1 anschließend nicht<br />

über die Finanzierung einigen. Daraufhin schrieb die<br />

LMK den im Mai 2013 auslaufenden Vertrag zwischen<br />

Sat.1 und News And Pictures für weitere fünf Jahre<br />

zu gleichen Konditionen fort. Sat.1 wirft News And<br />

Pictures vor, unter dem rundfunkrechtlichen Schutz der<br />

Drittsendezeiten zu hohe Preise zu verlangen. Das Verwaltungsgericht<br />

Neustadt bemängelte Verfahrensfehler<br />

in fast allen Phasen des mehrstufigen Verfahrens und<br />

rügte die Auswahlentscheidung der LMK auch in der<br />

Sache.


Auch die Landeszentrale für Medien und Kommunikation<br />

(LMK) Rheinland-Pfalz und die dctp haben oder wollen<br />

Berufung einlegen - allerdings zunächst nur fristwahrend.<br />

„Wir sind überzeugt, dass man bei den Interessen<br />

und der Gemengelage nur durch Verhandlungen zu<br />

einer Lösung kommen kann“, sagte dctp-Sprecher Paul<br />

Leo Giani dem <strong>epd</strong>. Die LMK-Versammlung plant, am<br />

3. Dezember endgültig zu entscheiden, ob Berufung<br />

gegen die drei Urteile des Verwaltungsgerichts Neustadt<br />

eingelegt werden soll.<br />

Die Versammlung der LMK hatte in der Sitzung am<br />

5. November zunächst beschlossen, dass fristwahrend<br />

Berufung eingelegt werden solle, da zu diesem Zeitpunkt<br />

die schriftlichen Urteilsbegründungen in den Verfahren<br />

LMK vs. N24 und LMK vs. Meta Productions noch gar<br />

nicht vorlagen (<strong>epd</strong> 45/12). In der Sitzung stellten auch<br />

die fünf zugelassenen Bewerber für die Drittsendezeiten<br />

bei Sat.1 ihre Konzepte vor.<br />

Als nächster Schritt wäre im Drittsendezeitenverfahren<br />

laut Rundfunkstaatsvertrag nun ein Erörterungsgespräch<br />

mit Sat.1 erforderlich. Das neuerliche Drittsendezeitenverfahren<br />

findet aber unter der Prämisse statt,<br />

dass es hinfällig werden könnte, sollte das Oberverwaltungsgericht<br />

die Urteile des VG Neustadt kassieren.<br />

hse<br />

Wende im Dresdner<br />

Journalistenprozess<br />

Gericht wertet Artikel als zulässige<br />

Meinungsäußerung<br />

Dresden (<strong>epd</strong>). In der Berufungsverhandlung im<br />

Dresdner Journalistenprozess deutet sich für die beklagten<br />

freien Journalisten Thomas Datt und Arndt<br />

Ginzel ein Freispruch an. In der Verhandlung am 26.<br />

November machte der Vorsitzende Richter Martin<br />

Schultze-Griebler nochmals seine Rechtsauffassung<br />

deutlich, nach der Datt und Ginzel in ihren Artikeln<br />

über den sogenannten Sachsensumpf die Regeln der<br />

Verdachtsberichterstattung eingehalten hätten.<br />

Die Reporter waren im August 2010 nach Artikeln<br />

für „Zeit Online“ und den „Spiegel“ über den Sachsensumpf<br />

sowie Verstrickungen sächsischer Justizbeamter<br />

in Ermittlungen um das Leipziger Minderjährigenbordell<br />

„Jasmin“ wegen übler Nachrede zu Geldstrafen verurteilt<br />

worden. Die beiden Journalisten und die Staatsanwaltschaft<br />

hatten Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt.<br />

Zwar hatte Schultze-Griebler bei Prozessbeginn am 13.<br />

November zunächst eine Ausweitung der Beweisauf-<br />

■ INLAND ■ 30.11.2012 · <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> ■ <strong>epd</strong> medien<br />

23<br />

nahme nicht ausgeschlossen. Doch am 20. November<br />

hatte die 12. Strafkammer des Landgerichts Dresden<br />

nach einer Zwischenprüfung überraschend ihre neue, für<br />

die Angeklagten positive Rechtsauffassung mitgeteilt.<br />

Demnach sieht das Gericht in dem vom Amtsgericht<br />

Dresden im erstinstanzlichen Verfahren 2010 als rufschädigende<br />

Tatsachenbehauptung gewerteten Passus<br />

des am 25. August 2008 bei „Zeit Online“ erschienenen<br />

Artikels „Voreiliger Freispruch“ eine zulässige<br />

Meinungsäußerung. In einer den Beklagten am 21.<br />

November zugegangenen schriftlichen Erläuterung erklärte<br />

die Kammer Datt und Ginzel auch darüber hinaus<br />

in allen Punkten für unschuldig, soweit das laufende<br />

Berufungsverfahren keine neuen Erkenntnisse bringe.<br />

Ursprünglich hatte Schultze-Griebler, der auch stellvertretender<br />

Präsident des Landgerichts Dresden ist, das<br />

Verfahren daher bereits in dieser Woche beenden wollen.<br />

Die Staatsanwaltschaft hielt jedoch an ihrer Anklage<br />

fest und ließ noch weitere Zeugen hören. Auch für den<br />

nächsten Prozesstermin am 3. Dezember ist nochmals<br />

ein Zeuge geladen. Ein Urteil kann laut Schultze-Griebler<br />

frühestens am 10. Dezember fallen.<br />

Ein Befangenheitsantrag der Verteidigung gegen den<br />

Vorsitzenden Richter wegen eines Beitrags in der Mitgliederzeitschrift<br />

des Sächsischen Richtervereins ist<br />

wie erwartet abgelehnt worden (<strong>epd</strong> 46/12). Schultze-<br />

Griebler hatte in dem Artikel massive Medienschelte<br />

geübt und geschrieben, die Berichterstattung über den<br />

Sachsensumpf enthalte „ungeheuerliche Unterstellungen“<br />

gegen „langjährige, verdiente Strafrichter“.<br />

Der sächsische Landesverband des Deutschen Journalistenverbandes<br />

hatte bereits zum Auftakt des Berufungsverfahrens<br />

interne Stellungnahmen aus dem<br />

sächsischen Justizministerium publik gemacht, die zu<br />

einer ähnlichen Bewertung der Vorwürfe gegen Datt<br />

und Ginzel kamen wie jetzt die Kammer. stg<br />

■ KURZMELDUNG<br />

Goslar (<strong>epd</strong>). Die braunschweigische Landeskirche<br />

wird mit Ablauf des Jahres 2013 die Förderung der<br />

„Evangelischen Zeitung“einstellen. Bisher unterstützte<br />

die Kirche die Zeitung mit 65.000 Euro jährlich.<br />

Diese Summe sieht der am Freitagabend auf der<br />

Herbstsynode der Kirche verabschiedete Doppelhaushalt<br />

für das Jahr 2014 nicht mehr vor. In Niedersachen<br />

wird die „Evangelische Zeitung“ bislang von den<br />

Landeskirchen in Braunschweig, Hannover und Oldenburg<br />

getragen. Sie erscheint in den Bundesländern<br />

Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein.


24 <strong>epd</strong> medien ■ <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> · 30.11.2012<br />

ARD zieht Bilanz zur Themenwoche<br />

„Leben mit dem Tod“<br />

Reim: Debatte über den Umgang<br />

mit dem Sterben angestoßen<br />

Köln/Berlin (<strong>epd</strong>). Die ARD wertet ihre Themenwoche<br />

„Leben mit dem Tod“ als Erfolg. Allein im Ersten<br />

hätten insgesamt rund 30 Millionen Zuschauer die<br />

Beiträge verfolgt, teilte die ARD am 28. November<br />

mit. Damit habe die Themenwoche mit mindestens<br />

einem Beitrag 40 Prozent der Deutschen erreicht.<br />

„Wir haben eine Debatte über den Umgang mit dem<br />

Tod und dem Sterben in unserer Gesellschaft anstoßen<br />

können“, sagte die Intendantin des Rundfunks<br />

Berlin-Brandenburg (RBB), Dagmar Reim, dem <strong>epd</strong>.<br />

Der RBB hatte zusammen mit dem Mitteldeutschen<br />

Rundfunk (MDR) die Federführung bei der Themenwoche.<br />

Nur wenige Menschen blieben nach Reims Worten<br />

von dem Thema „Leben mit dem Tod“ unberührt. Das<br />

zeigten die Reaktionen der Zuschauer und Hörer, die<br />

Berichterstattung in anderen Medien und der Zuspruch<br />

etwa von Palliativorganisationen und Hospizdiensten.<br />

„Ich habe in Jahrzehnten noch nie so persönliche<br />

Briefe von Menschen erhalten, die mir ihre Trauer, ihre<br />

Hoffnung ihre Verzweiflung schilderten“, sagte Reim.<br />

Die MDR-Intendantin Karola Wille unterstrich die Multimedialität<br />

des Projekts. „Vor allem unsere Angebote im<br />

Internet haben dazu geführt, dass sich ältere und auch<br />

jüngere Menschen mit dem Thema Tod sehr persönlich<br />

beschäftigt und darüber ausgetauscht haben“, sagte<br />

sie. Zuschauer und Zuhörer führten nach Angaben der<br />

ARD lebhafte Diskussionen auf Facebook, Twitter und<br />

in Blogs. Damit habe der Senderverbund eine Debatte<br />

in der Gesellschaft angestoßen und einen Nutzen für<br />

die Öffentlichkeit geschaffen.<br />

In der Themenwoche „Leben mit dem Tod“ vom 17. bis 23.<br />

November sendeten alle Hörfunk- und Fernsehsender<br />

der ARD Beiträge zum Umgang mit Tod und Sterben.<br />

Neben Margot Käßmann waren der Kabarettist Dieter<br />

Nuhr und ARD-Moderator Reinhold Beckmann Paten<br />

der Themenwoche. ho/pc<br />

■ INLAND ■<br />

Eva Herman muss zugespitztes Zitat<br />

zum NS-Mutterbild hinnehmen<br />

Bundesverfassungsgericht: „Hamburger<br />

Abendblatt“ hat korrekt zitiert<br />

Karlsruhe (<strong>epd</strong>). Die ehemalige Tagesschau-<br />

Sprecherin und Buchautorin Eva Herman muss<br />

eine verkürzte und zugespitzte Zitierung ihres NS-<br />

Mutterbild-Vergleichs hinnehmen. Das Bundesverfassungsgericht<br />

entschied in einem am 27. November<br />

veröffentlichten Beschluss vom 25. Oktober,<br />

dass das „Hamburger Abendblatt“ Hermans Zitat<br />

in zulässiger Weise nur verkürzt und verschärfend<br />

zusammengefasst habe (AZ: 1 BvR 2720/11). Die<br />

Karlsruher Richter bestätigten damit eine Entscheidung<br />

des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 21. Juni<br />

2011 (<strong>epd</strong> 26/11).<br />

Hintergrund des Rechtsstreits war Hermans Vorstellung<br />

ihres Buches „Das Prinzip Arche Noah - Warum wir<br />

die Familie retten müssen“. 2007 hatte sie auf einer<br />

Pressekonferenz geäußert: „Wir müssen vor allem das<br />

Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen,<br />

das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der<br />

darauffolgenden 68er Bewegung abgeschafft wurde.“<br />

Hitler habe das deutsche Volk ins Verderben geführt.<br />

Es habe jedoch auch etwas Gutes gegeben, „das sind<br />

die Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind<br />

Familien, das ist Zusammenhalt“, hatte Herman damals<br />

gesagt.<br />

Das „Hamburger Abendblatt“ monierte daraufhin Hermans<br />

Frauenbild und gab dabei ein verkürztes Zitat der<br />

Ex-Tagesschau-Sprecherin wieder. Herman sah darin<br />

ein Falschzitat und ihr Persönlichkeitsrecht verletzt.<br />

Das Oberlandesgericht Köln gab ihr recht und sprach<br />

ihr eine Entschädigung von 25.000 Euro zu. Der BGH<br />

hob dieses Urteil auf (AZ: VI ZR 262/09). Der Kern der<br />

Aussage zu dem Mutterbild im Nationalsozialismus sei<br />

richtig wiedergegeben worden.<br />

Das Bundesverfassungsgericht bestätigte diese Entscheidung.<br />

Die zitierte Passage sei im Gesamtzusammenhang<br />

zu betrachten und stelle eine Meinungsäußerung dar.<br />

Der Artikel sei mit „Eine Ansichtssache“ überschrieben<br />

gewesen. Der Leser erkenne, dass es sich um eine<br />

verkürzende und verschärfende Zusammenfassung der<br />

Buchvorstellung handele. Herman sei es in ihrem Zitat<br />

nicht gelungen, „sich unmissverständlich auszudrücken“.<br />

Daher müsse sie das Zitat des „Hamburger Abendblattes“<br />

als zum „Meinungskampf“ gehörig hinnehmen. fle


Brautmeier übernimmt 2013<br />

den Vorsitz von DLM und ZAK<br />

Weitere Bündelung der bundesweiten<br />

Aufgaben beschlossen<br />

Lübeck/Düsseldorf (<strong>epd</strong>). Jürgen Brautmeier, Direktor<br />

der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen,<br />

wird zum 1. Januar 2013 oberster Aufseher über<br />

den privaten Rundfunk in Deutschland. Der 58-<br />

Jährige wurde am 21. November in Lübeck zum<br />

neuen Vorsitzenden der Direktorenkonferenz der<br />

Landesmedienanstalten (DLM) und der Kommission<br />

für Zulassung und Aufsicht (ZAK) gewählt, wie die<br />

DLM mitteilte. Der Vorsitz wird jeweils für zwei<br />

Jahre bestimmt. Brautmeier folgt in dem Spitzenamt<br />

auf den Direktor der Medienanstalt Hamburg/<br />

Schleswig-Holstein, Thomas Fuchs.<br />

Cornelia Holsten, Direktorin der Landesmedienanstalt<br />

in Bremen, wurde zur neuen stellvertretenden DLM-<br />

Vorsitzenden gewählt. Jochen Fasco, Direktor der Thüringer<br />

Landesmedienanstalt, wurde in dieser Funktion<br />

bestätigt. Fuchs wird im kommenden Jahr ZAK-<br />

Beauftragter für Programm und Werbung und löst damit<br />

Thomas Langheinrich (Landesanstalt für Kommunikation<br />

Baden-Württemberg) ab, der Europabeauftragter der<br />

DLM wird. Außerdem hat die ZAK mit Wolfgang Thaenert<br />

(LPR Hessen) künftig erstmals einen Beauftragten für<br />

Zulassungsangelegenheiten, wie die Medienanstalten<br />

mitteilten.<br />

Brautmeier ist seit 2010 Direktor der nordrheinwestfälischen<br />

Landesmedienanstalt. Zuvor leitete er<br />

dort die Bereiche Recht, Technik, Aufsicht und Förderung<br />

und war seit 1999 der Stellvertreter des Direktors.<br />

2012 wurde Brautmeier stellvertretender Vorsitzender<br />

von DLM und ZAK sowie Europabeauftragter der DLM.<br />

Zuständig für die Personalentscheidungen war die Gesamtkonferenz<br />

der Medienanstalten. In diesem Gremium<br />

beraten die DLM und die Gremienvorsitzendenkonferenz<br />

der Medienanstalten gemeinsam Fragen der Programmentwicklung<br />

im privaten Hörfunk und Fernsehen.<br />

Die Gesamtkonferenz beschloss am 21. November auch<br />

eine weitere Bündelung der bundesweiten Aufgaben<br />

der Medienanstalten. Alle bundesweiten Belange der<br />

Aufsicht über den privaten Rundfunk - Jugendschutz,<br />

Medienkonzentration, Programm- und Werbeaufsicht,<br />

Plattformregulierung und Auswahlentscheidungen für<br />

digitale Kapazitäten - würden ab September 2013 unter<br />

dem Dach der gemeinsamen Geschäftsstelle in Berlin<br />

betreut, teilte die DLM mit. Die Geschäftsstelle werde<br />

dann 26 Mitarbeiter haben, drei davon würden beim<br />

■ INLAND ■ 30.11.2012 · <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> ■ <strong>epd</strong> medien 25<br />

Vorsitzenden der Kommission für Jugendmedienschutz<br />

(KJM) angesiedelt.<br />

Im Ergebnis solle „die Organisationskompetenz von<br />

KJM-Geschäfts- und Stabsstelle in Berlin gebündelt<br />

werden“, hieß es. Künftig verantworte zudem jedes der<br />

zwölf KJM-Mitglieder einen eigenen Themenschwerpunkt,<br />

etwa Telemedien, Online-Spiele oder Glücksspiel.<br />

Die Entscheidungen in Jugendschutzfragen würden weiterhin<br />

allein in der KJM getroffen. Auch die Aufgaben<br />

und Kompetenzen der Kommission zur Ermittlung der<br />

Konzentration im Medienbereich (KEK) blieben durch<br />

den Beschluss unberührt.<br />

Die gemeinsame Geschäftsstelle der Medienanstalten<br />

existiert seit Mai 2010 und hat ihren Sitz in Berlin.<br />

Sie unterstützt - mit derzeit zehn Mitarbeitern - unter<br />

anderem DLM, ZAK und deren Beauftragte. Die Integration<br />

der Geschäftsstellen von KJM (bisher München und<br />

Erfurt) und KEK (bisher Potsdam) war bereits im März<br />

2012 angekündigt worden (<strong>epd</strong> 13/12). rid<br />

WDR plant mit Fehlbetrag<br />

von 47 Millionen Euro<br />

Drei Millionen Euro für den „Innovationstopf<br />

der Intendantin“ veranschlagt<br />

Köln (<strong>epd</strong>). Der WDR plant für das Jahr 2013 mit<br />

einem Fehlbetrag von rund 47 Millionen Euro. Insgesamt<br />

werde der WDR im kommenden Jahr 1,38<br />

Milliarden Euro aufwenden, teilte der Sender am<br />

23. November mit. Dem stünden Erträge von 1,33<br />

Mrd. Euro entgegen. Der Fehlbetrag werde der Ausgleichsrücklage<br />

entnommen.<br />

Für die Gebührenperiode bis 2014 liegt der Sender<br />

im Plan. „Wir werden die neue Beitragsperiode bis<br />

Ende 2014 dank unserer Sparanstrengungen von rund<br />

50 Mio. Euro pro Jahr wahrscheinlich gerade so mit<br />

einer schwarzen Null abschließen können“, sagte WDR-<br />

Intendantin Monika Piel. Die größte Unsicherheit der<br />

nächsten ein bis zwei Jahre sei die Entwicklung der<br />

Erträge nach der Umstellung auf den Rundfunkbeitrag.<br />

Der WDR gehe jedoch davon aus, dass ein ausgeglichener<br />

Haushalt ab 2015 bei gleichbleibenden Einnahmen nicht<br />

mehr gelingen werde.<br />

Trotz der Unsicherheiten seien im Haushalt zusätzliche<br />

Mittel vorgesehen, um die jüngere Zielgruppe besser<br />

zu erreichen, sagte die Vorsitzende des Rundfunkrats,<br />

Ruth Hieronymi. So sind für den sogenannten Innovationstopf<br />

der Intendantin drei Mio. Euro vorgesehen.<br />

Dies sei ein wichtiges Zeichen, um die Akzeptanz in


26 <strong>epd</strong> medien ■ <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> · 30.11.2012<br />

allen Ziel- und Altersgruppen zu verbessern, sagte die<br />

Rundfunkratsvorsitzende.<br />

Der Programmetat für Fernsehen, Radio und Internet<br />

werde im kommenden Jahr ohne Steigerung fortgeschrieben,<br />

hieß es. So seien insgesamt <strong>48</strong>5 Mio. Euro direkte<br />

Programmmittel eingeplant. Für 2012 mit Fußball-EM<br />

und den Olympischen Sommerspielen waren 532 Mio.<br />

Euro vorgesehen. Da 2013 keine Sportgroßereignisse<br />

stattfinden, sinke der Fernsehetat um 36,5 Mio. Euro<br />

auf 399 Mio. Euro. Der Hörfunketat gehe um vier Mio.<br />

Euro auf 86 Mio. Euro zurück.<br />

Für den Programmbereich Internet sind im Etat 6,5<br />

Millionen Euro eingeplant. Darin enthalten sind neben<br />

den Kosten für wdr.de auch die Kosten für die Erstellung<br />

des Videotextes. In der Planung für 2012 lag der Etat<br />

noch bei 5,7 Millionen Euro. Die zusätzlichen 700.000<br />

Euro resultierten aus der Umschichtung der Mittel für<br />

die barrierefreien Angebote wie Untertitelungen für<br />

Hörgeschädigte aus dem Programmbereich Fernsehen<br />

in den Programmbereich Internet.<br />

Für Personalaufwendungen sind für 2013 insgesamt<br />

349 Mio. Euro eingeplant. Darin enthalten seien auch<br />

Aufwendungen für die Wiedereingliederung der WDR<br />

Gebäudemanagement GmbH mit 242 Planstellen, hieß<br />

es. Dieser Zuwachs werde teilweise kompensiert, da der<br />

WDR 44,5 Planstellen abbaue. In den Jahren 2014 bis<br />

2016 sollen jeweils 25 weitere Planstellen eingespart<br />

werden.<br />

In der mittelfristigen Finanzplanung der Jahre 2012<br />

bis 2016 zeichne sich bis Ende 2016 ein ungedeckter<br />

Fehlbetrag von 162,5 Mio. Euro ab. Ohne Anpassung des<br />

Rundfunkbeitrags könnte dieser Fehlbetrag nur durch<br />

neue Sparmaßnahmen gedeckt werden, hieß es. Die<br />

Sachverständigenkommission KEF hatte in ihrem 18.<br />

Bericht vorgeschlagen, die Rundfunkgebühr von 17,98<br />

Euro nicht anzuheben, da eine verlässliche Prognose<br />

aufgrund der Umstellung zur Haushaltsgebühr nicht<br />

möglich sei. hse<br />

■ INLAND ■<br />

Evangelische Theologin: Ansprüche<br />

an Journalisten steigen<br />

Meister: Vertrauen in „kluge und<br />

verantwortungsvolle Medienschaffende“<br />

Hannover (<strong>epd</strong>). Die Erlanger Theologieprofessorin<br />

Johanna Haberer sieht Journalisten mit steigenden<br />

Ansprüchen konfrontiert. In immer größerer<br />

Geschwindigkeit müssten sie immer mehr Informationen<br />

sichten, sagte die Professorin für christliche<br />

Publizistik am 15. November in Hannover bei<br />

einer medienpolitischen Tagung der Kirchen und<br />

des Landes Niedersachsen. Sie müssten gegenüber<br />

Täuschungsabsichten ebenso aufmerksam sein wie<br />

gegenüber dem Einfluss von Lobbyisten. Zugleich<br />

werde der Beruf aber immer schlechter bezahlt.<br />

„Der Journalismus treibt in prekäre Verhältnisse“, sagte<br />

Haberer. Die Gesellschaft müsse dringend diskutieren,<br />

wie Qualitätsjournalismus in Deutschland erhalten<br />

werden kann: „Für eine Demokratie ist ein qualitativ<br />

hochwertiger Journalismus eine Überlebensfrage.“<br />

Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister berichtete,<br />

er habe mit Journalisten „herausragend gute<br />

Erfahrungen“ gemacht. „Ich vertraue in kluge und verantwortungsvolle<br />

Medienschaffende“, sagte er. Laut<br />

Meister tragen die Medien durch intensive Debatten<br />

unterschiedlicher Standpunkte zur Bildung von Werten<br />

bei. Werte würden heute nicht mehr durch Kirche oder<br />

Obrigkeiten einfach nur gesetzt.<br />

Der evangelische Theologe erneuerte seinen Vorschlag,<br />

dass Medien auch Fehler offen zugeben sollten: „Warum<br />

kann etwa das ZDF nicht um 23 Uhr eine Sendung<br />

bringen nach dem Motto: Das waren unsere Fehler?“<br />

Ihm sei entgegengehalten worden, so etwas schaue<br />

sich niemand an. „Ich behaupte das Gegenteil“, sagte<br />

Meister. lnb<br />

■ KURZMELDUNG<br />

Offenburg (<strong>epd</strong>). Burda und die WAZ Zeitschriften<br />

werden bei der Vermarktung künftig enger zusammenarbeiten<br />

und Kunden ab 2013 eine verlagsübergreifende<br />

Werbemöglichkeit bieten. Die „Deutschland<br />

Super Kombi“ umfasse insgesamt 17 wöchentlich erscheinende<br />

Zeitschriften der beiden Medienhäuser,<br />

die insgesamt 15,24 Mio. Leser erreichen. Vermarktet<br />

werden soll die Super Kombi durch Burda Community<br />

Network.


Priester wird für Kontakte<br />

zu kreuz.net nicht belangt<br />

Bistum: Mitwirkung hat Kirche beschädigt -<br />

Jolie bedauert „unüberlegtes Handeln“<br />

Mainz/Nieder-Ramstadt (<strong>epd</strong>). Die Kontakte des katholischen<br />

Pfarrers Hendrick Jolie zu dem extremistischen<br />

Internetangebot „kreuz.net“ haben keine<br />

dienstrechtlichen Konsequenzen. Der Mainzer Bischof,<br />

Kardinal Karl Lehmann, habe ein Entschuldigungsschreiben<br />

des Priesters in Nieder-Ramstadt<br />

bei Darmstadt akzeptiert, teilte das Bistum am 27.<br />

November mit. Zuvor war es zu einem Gespräch<br />

zwischen leitenden Bistumsvertretern und Jolie gekommen.<br />

Der Pfarrer, Sprecher eines konservativen Priesternetzwerks,<br />

hatte Kontakte zu der bislang anonym gebliebenen<br />

Redaktion zugegeben. Entgegen früheren<br />

Darstellungen räumte er ein, dem Portal auch Texte<br />

zur Veröffentlichung geliefert zu haben. Nach eigenen<br />

Angaben hat er die Redaktion per E-Mail aufgefordert,<br />

von ihm verfasste Texte von der Seite zu löschen.<br />

Vertreter der katholischen Kirche hatten Verbindungen<br />

zwischen hauptamtlichen Mitarbeitern und „kreuz.net“<br />

stets bestritten.<br />

Diese Mitwirkung sei „eines Priesters unwürdig“ und<br />

habe auch die Kirche beschädigt, erklärte das Bistum.<br />

Jolie selbst habe sein „unkluges und unüberlegtes<br />

Handeln“ inzwischen in einem Schreiben bedauert und<br />

angekündigt, sein öffentliches Wirken zu überdenken.<br />

Das Bistum betonte zugleich, Jolies Texte hätten „nach<br />

dem heutigen Kenntnisstand“ kirchenpolitische Themen<br />

zum Inhalt gehabt. Der Pfarrer stehe somit nicht im<br />

Verdacht, Urheber strafbarer und menschenverachtender<br />

Artikel zu sein.<br />

Gegen die anonymen „kreuz.net“-Betreiber ermittelt<br />

die Staatsanwaltschaft Berlin wegen Volksverhetzung,<br />

nachdem auf der Internetseite ein Hetzartikel zum Tod<br />

des schwulen Schauspielers Dirk Bach veröffentlicht<br />

wurde. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft<br />

die seit 2004 aktive Seite als grundgesetzwidrig ein.<br />

„Kreuz.net“ zeichne sich „durch homophobe, muslimfeindliche<br />

und antisemitische Äußerungen“ aus. Etliche<br />

Beiträge seien nicht vom Grundrecht der Meinungsfreiheit<br />

gedeckt und überschritten „die Grenzen zur<br />

Strafbarkeit“. lmw/dir<br />

■ INLAND ■ 30.11.2012 · <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> ■ <strong>epd</strong> medien 27<br />

Katholischer Medienpreis für<br />

Beiträge über Flucht und Migration<br />

Bischof Fürst: „Komplizierte Zusammenhänge<br />

adäquat darstellen“<br />

Bonn (<strong>epd</strong>). Mit dem Katholischen Medienpreis sind<br />

in diesem Jahr journalistische Arbeiten zum Thema<br />

Flucht und Migration ausgezeichnet worden. Der<br />

insgesamt mit 10.000 Euro dotierte Preis wurde am<br />

26. November in Bonn an Carsten Rau und Hauke<br />

Wendler für ihren NDR-Dokumentarfilm „Wadim“<br />

sowie an Wolfgang Bauer für seine Reportage „Endstation<br />

Dadaab“ in der Zeitschrift „NIDO“ verliehen.<br />

Außerdem wurden vier zusätzliche undotierte Auszeichnungen<br />

„journalistisch WERTvoll“ vergeben.<br />

Die beiden preisgekrönten Beiträge höben sich vom<br />

„Medien-Mainstream“ deutlich ab und lenkten den Blick<br />

auf bedrückende Realitäten, sagte der Juryvorsitzende,<br />

Bischof Gebhard Fürst. „Vertreibung und Armutsmigration<br />

gehören zur Wirklichkeit unserer Welt und bleiben<br />

eine Herausforderung und ein Appell an unsere Menschlichkeit.“<br />

In der Berichterstattung über Migration gelte<br />

es, komplizierte Zusammenhänge adäquat darzustellen,<br />

sagte der Vorsitzende der Publizistischen Kommission<br />

der Deutschen Bischofskonferenz.<br />

Der Film „Wadim“, der am 13. Dezember 2011 im<br />

NDR ausgestrahlt wurde, zeichnet die Geschichte einer<br />

Familie auf der Flucht aus Lettland und ihre zermürbende<br />

Suche nach einem Platz in dieser Welt nach. Der<br />

frühere WDR-Intendant Fritz Pleitgen würdigte in<br />

seiner Laudatio, dass sich Rau und Wendler bei ihrem<br />

schwierigen und hoch emotionalen Thema nicht zur<br />

Parteinahme hätten verleiten lassen.<br />

Der Bericht „Endstation Dadaab“ über das größte<br />

Flüchtlingslager der Welt in Kenia war am 7. Dezember<br />

2011 in „NIDO“ erschienen. Uwe Vorkötter, ehemaliger<br />

Chefredakteur von „Berliner Zeitung“ und „Frankfurter<br />

Rundschau“, lobte in seiner Laudatio den Text von<br />

Wolfgang Bauer als menschliches Stück Journalismus.<br />

Die undotierten Preise in der Kategorie Print gingen an<br />

Uta Keseling für ihren Artikel „Was ein Mensch braucht,<br />

um Mensch zu sein“ in der „Berliner Morgenpost“ und an<br />

Paul-Josef Raue für den Text „Konzept zum Papstbesuch<br />

2011“ in der „Thüringer Allgemeinen“. Volker Bernius<br />

erhielt die Auszeichnung für ein Funkkolleg für Kinder<br />

„Was glaubst Du denn?“ auf HR2-Kutur, Max Kronawitter<br />

für seinen Fernsehbeitrag „Ein Sommer für Wenke. Wenn<br />

Kinder zuhause sterben dürfen“ in der ARD-Reihe „Gott<br />

und die Welt“.


28 <strong>epd</strong> medien ■ <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> · 30.11.2012<br />

Der Katholische Medienpreis wurde in diesem Jahr zum<br />

zehnten Mal von der Gesellschaft Katholischer Publizisten<br />

Deutschlands, dem Katholischen Medienverband<br />

und der Bischofskonferenz vergeben. lwd<br />

Volker Schlöndorff gewinnt<br />

Fernsehfilmpreis in Baden-Baden<br />

Doldinger mit Hans-Abich-Preis geehrt -<br />

Publikumspreis für „Der letzte schöne Tag“<br />

Baden-Baden (<strong>epd</strong>). Regisseur Volker Schlöndorff ist<br />

für seinen Film „Das Meer am Morgen“ mit dem<br />

Fernsehfilmpreis der Deutschen Akademie der Darstellenden<br />

Künste ausgezeichnet worden. Weitere<br />

Preise gingen am 23. November in Baden-Baden<br />

an den Schauspieler Ulrich Noethen, Regisseur Stephan<br />

Wagner und Drehbuchautor Magnus Vattrodt.<br />

„Der letzte schöne Tag“ (ARD/WDR) erhält den Zuschauerpreis<br />

von 3sat. Die Preise beim Fernsehfilm-<br />

Festival Baden-Baden sind nicht dotiert.<br />

„Das Meer am Morgen“ (ARTE/BR/NDR/SWR), eine<br />

französisch-deutsche Koproduktion, ist der erste Fernsehfilm<br />

von Altmeister Volker Schlöndorff. Die Jury lobte<br />

den Film, der an die Erschießung von französischen<br />

Geiseln während der deutschen Besatzungszeit in Frankreich<br />

erinnert, als Film „mit einer europäischen Seele“.<br />

Es sei eine „minutiöse und unerbittliche Beobachtung“,<br />

an der der Zuschauer teilnehme.<br />

Ulrich Noethen wurde für seine Darstellung eines<br />

skrupellosen Kommissars in dem Film „Das unsichtbare<br />

Mädchen“ (ARTE/ZDF) ausgezeichnet. Die Jury lobte die<br />

physische Präsenz seines Spiels, dass „zwischen subtiler<br />

Bösartigkeit und brutaler Gewalt“ wechsle.<br />

Regisseur Stephan Wagner erhält den Preis für den Film<br />

„Jakob von Metzler“ (ZDF), eine fast dokumentarisch<br />

wirkende Rekonstruktion der Entführung des Frankfurter<br />

Bankierssohns und der anschließenden Debatte<br />

über die Verhörmethoden der Polizei. Der Kindsmörder<br />

Magnus Gäfgen hatte dreieinhalb Monate nach seiner<br />

Verhaftung den Vorwurf erhoben, man habe ihm während<br />

des Verhörs mit Folter gedroht. Wagner habe aus<br />

der „hoch komplizierten, spröden Abwägung zwischen<br />

unterschiedlichen Rechtsgütern einen packenden Film“<br />

gemacht, lobte die Jury.<br />

Der Preis für das Drehbuch ging an Magnus Vattrodt<br />

für „Liebesjahre“ (ZDF). Die Jury hob die Dialoge dieses<br />

„wunderbaren Kammerspiels für vier Personen“ hervor,<br />

die „intelligent, schnell und witzig, oft scharfsinnig und<br />

zugleich von besonderer Tiefe“ seien.<br />

■ INLAND ■<br />

MFG-Star für „Kaddisch für einen Freund“<br />

Mit dem Hans-Abich-Preis für „besondere Verdienste im<br />

Bereich Fernsehfilm“ wurde der Musiker Klaus Doldinger<br />

ausgezeichnet, der unter anderem die Titelmelodie für<br />

den „Tatort“ und die Musik zu „Das Boot“ schrieb. Mit<br />

seiner „Tatort“-Melodie sei Doldinger fast täglich im<br />

Fernsehen präsent, sagte Laudator Günter Rohrbach.<br />

Der Geehrte nutzte die Preisverleihung zu einem flammenden<br />

Appell für das Urheberrecht. Er rief Musiker,<br />

Textdichter und Journalisten dazu auf, eine Front zu<br />

bilden, um ihre Rechte gemeinsam durchzusetzen.<br />

Der Komponist Daniel Sus erhielt für die Musik zum<br />

Kinofilm „Sommer auf dem Land“ den mit 10.000 Euro<br />

dotierten Rolf-Hans Müller Preis für Filmmusik. Die<br />

Jury lobte das „gelungene Zusammenspiel von Bild,<br />

Rhythmus und Musik, die instrumentale Vielfalt und die<br />

durchgehende Stringenz der musikalischen Farbe“.<br />

Der Nachwuchs-Preis der Medien- und Filmgesellschaft<br />

Baden-Württemberg MFG-Star ging an „Kaddisch für<br />

einen Freund“ von Leo Khasin. Die Jurorin Vivian<br />

Naefe sagte zur Begründung, es sei ein Film über eine<br />

Utopie, die Utopie von Freundschaft unter Feinden.<br />

Khasin erzähle diese Geschichte „nicht bierernst oder<br />

pathetisch, sondern bei aller Ernsthaftigkeit des Themas<br />

auch mit viel Humor“.<br />

Die Studenten der Filmakademie Baden-Württemberg<br />

in Ludwigsburg vergaben ihren Preis ebenfalls an Volker<br />

Schlöndorffs „Das Meer am Morgen“. Der Film belege<br />

eindrucksvoll, dass Fernsehen „großes Kino sein“ könne,<br />

begründeten die Studenten ihre Entscheidung. Das<br />

Resultat deutsch-französischer Zusammenarbeit sei<br />

absolut sehenswert und besonders wertvoll.<br />

Das Fernsehfilm-Festival Baden-Baden wird gemeinsam<br />

von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste<br />

und dem Kultursender 3sat veranstaltet. Für den Wettbewerb<br />

waren insgesamt zwölf Fernsehfilme nominiert.<br />

Die Filme wurden vom 20. bis 22. November in Baden-<br />

Baden öffentlich aufgeführt und diskutiert. Die Filme<br />

im Wettbewerb wurden vom 17. bis 22. November auch<br />

bei 3sat gezeigt. Die Zuschauer konnten im Internet<br />

und per Telefon abstimmen. dir


ARD-Hörspielpreis geht<br />

an Hermann Bohlen<br />

Publikumspreis für „Wann wo oder<br />

Eine gewisse Anzahl Gespräche“<br />

Karlsruhe (<strong>epd</strong>). Das Hörspiel „Alfred C. - Aus dem<br />

Leben eines Getreidehändlers“ von Hermann Bohlen<br />

ist mit dem Deutschen Hörspielpreis der ARD ausgezeichnet<br />

worden. Die Jury lobte die Produktion<br />

von Deutschlandradio Kultur und HR als „herausragendes<br />

Hörspiel von heiterer Hintergründigkeit“.<br />

Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert. Vier weitere<br />

mit insgesamt 8.500 Euro dotierte Preise wurden<br />

am 10. November in Karlsruhe zum Abschluss der<br />

ARD Hörspieltage vergeben.<br />

Das Hörspiel von Bohlen sei „originell und originär, so<br />

abgründig wie humoresk“, lobte die Jury. Es „verspotte<br />

auch das selbstgerechte Ritual der bundesdeutschen<br />

Enthüllungsindustrie“. Es schöpfe die Möglichkeiten des<br />

Genres aus und erweitere sie mit leichter Hand (vgl.<br />

Leitartikel in <strong>epd</strong> 46/12).<br />

Eine lobende Erwähnung der Jury ging an das Hörspiel<br />

„Wann wo oder Eine gewisse Anzahl Gespräche“ (HR/<br />

DLF) von Oliver Sturm nach einem Text von Aleksandr<br />

Vvedenskij. Dieses Hörspiel erhielt zugleich den mit<br />

2.500 Euro dotierten Publikumspreis ARD Online Award,<br />

über den Nutzer im Internet abstimmen.<br />

■ KURZMELDUNGEN<br />

München (<strong>epd</strong>). Das Erste zeigt am<br />

20. Dezember erstmals die Satire-<br />

Sendung „Das Ernste“. Die Sendung,<br />

die von Florian Schroeder im<br />

Nachrichten-Stil moderiert werde,<br />

sei ein sogenannter Pilot, sagte ein<br />

Sprecher der ARD. Der Senderverbund<br />

wolle sehen, wie die Sendung<br />

ankomme und dann möglicherweise<br />

im kommenden Jahr weitere Ausgaben<br />

programmieren. Mitwirken<br />

soll ein Ensemble junger Künstler<br />

wie Thomas Nicolai, Marti Fischer,<br />

Sarah Kelly-Husain und Antonia<br />

von Romatowski. Diese sollen „die<br />

Machtmenschen Deutschlands und<br />

die, die es gern wären“ parodieren,<br />

teilte die ARD mit. Gedreht würden<br />

die Sequenzen im „Tagesthemen“-<br />

■ KURZMELDUNGEN ■ 30.11.2012 · <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> ■ <strong>epd</strong> medien<br />

29<br />

Studio in Hamburg. Der frühere<br />

„Tagesschau“-Sprecher Jo Brauner<br />

präsentiere zwei Nachrichtenblöcke<br />

mit „kuriosen und lustigen Kurzmeldungen“.<br />

Die Redaktion für<br />

„Das Ernste“ haben Heiner Heller<br />

und Gernot Binkle vom Rundfunk<br />

Berlin-Brandenburg. Die Sendung<br />

wird vom RBB gemeinsam mit der<br />

Produktionsfirma Vier Eins GmbH<br />

und den ARD-Sendern BR, HR, NDR,<br />

Radio Bremen, SWR und WDR produziert.<br />

„Das Ernste“ wird am 20.<br />

Dezember um 0 Uhr nach dem<br />

Jahresrückblick mit Dieter Nuhr<br />

gezeigt.<br />

Lübeck (<strong>epd</strong>). Die Landesmedienanstalten<br />

haben ProSiebenSat.1<br />

und die Mediengruppe RTL aufgefordert,<br />

mindestens eine Sendung<br />

Der mit 5.000 Euro dotierte Deutsche Kinderhörspielpreis<br />

ging an das Hörspiel „Anton taucht ab“ (SWR/<br />

WDR) nach dem gleichnamigen Jugendbuch von Milena<br />

Baisch. Die Produktion von SWR und WDR, die vom<br />

Verlag der Autoren für den Wettbewerb eingereicht<br />

wurde, entstand unter der Regie von Maidon Bader. Die<br />

Jury lobte „das fantasie- und mit Musik von Clemens<br />

Haar liebevoll realisierte Hörspiel“. Die Autorin Milena<br />

Baisch beweise viel Gespür für die Sprache heutiger<br />

Kinder, so dass dieses Hörspiel sowohl durch seine<br />

literarischen wie auch seine spielerisch-akustischen<br />

Qualitäten überzeuge.<br />

Den mit 1.000 Euro dotierten Kinderhörspielpreis der<br />

Stadt Karlsruhe vergab eine Kinderjury an das Hörspiel<br />

„Der große Baresi“ (NDR) von Heidi Knetsch und Stefan<br />

Richwien nach dem Buch von Jimmy Docherty.<br />

Das Autorenduo Tristan Vostry und Christian Udo Eichner<br />

erhielt für das Kurzhörspiel „Ins Wasser“ den Preis<br />

„Premiere im Netz“. Der Preis ist mit einer professionellen<br />

Hörspielproduktion in einem ARD-Studio verbunden.<br />

Die ARD Hörspieltage, die in diesem Jahr vom 7. bis<br />

11. November stattfanden, werden von der ARD und<br />

dem Deutschlandradio veranstaltet. Sie verzeichneten<br />

insgesamt 10.500 Besuicher. Die Federführung für die<br />

Organisation hat der SWR. Partner sind die Stadt Karlsruhe,<br />

das Zentrum für Kunst und Medientechnologie<br />

und die Hochschule für Gestaltung. dir<br />

pro Abend mit Untertiteln für Hörgeschädigte<br />

auszustrahlen. Die<br />

Gesamtkonferenz der Medienanstalten<br />

(GK) habe am 21. November<br />

in Lübeck beschlossen, dass die<br />

Ausstrahlung einer barrierefreien<br />

Sendung am Abend eine Mindestanforderung<br />

für die Erfüllung des<br />

öffentlichen Auftrags sei. In einem<br />

nächsten Schritt solle ein weitergehender<br />

Ausbau von barrierefreien<br />

Angeboten mit Anreizen verbunden<br />

werden. Die Medienanstalten<br />

hätten dem Gesetzgeber bereits Vorschläge<br />

für eine Anreizregulierung<br />

gemacht, die Programmqualität<br />

und Barrierefreiheit bei den privaten<br />

Sendern fördern soll, teilten die<br />

Medienanstalten mit.


30 <strong>epd</strong> medien ■ <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> · 30.11.2012<br />

■ INTERNATIONALES<br />

Tony Hall wird Generaldirektor<br />

der BBC<br />

Chef des Royal Opera House tritt im März an -<br />

Entschädigung für McAlpine<br />

London (<strong>epd</strong>). Tony Hall wird neuer Generaldirektor<br />

der BBC. Der BBC Trust habe den bisherigen<br />

Leiter des Royal Opera House zum Nachfolger des<br />

vor zwei Wochen zurückgetretenen George Entwistle<br />

benannt, teilte das Aufsichtsgremium am 22.<br />

November in London mit. Hall werde seinen Job<br />

Anfang März antreten, bis dahin bleibe Tim Davie<br />

kommissarischer Leiter der BBC.<br />

Entwistle war am 10. November wegen eines falschen<br />

Beitrags über Kindesmissbrauch zurückgetreten. In der<br />

TV-Sendung „Newsnight“ hatte ein Missbrauchsopfer<br />

berichtet, wie es als Kind in einem walisischen Kinderheim<br />

vergewaltigt wurde. Der Sender behauptete,<br />

bei dem Täter handele es sich um einen konservativen<br />

Politiker der Thatcher-Ära, was sich später als falsch<br />

erwies. Entwistle stand bereits Wochen vorher wegen<br />

seines Umgangs mit den Missbrauchs-Vorwürfen um<br />

den BBC-Entertainer Jimmy Savile in der Kritik. Ihm<br />

wurde vorgeworfen, zu zögerlich zu handeln und insgesamt<br />

nicht genug Interesse an den Vorgängen zu zeigen<br />

(<strong>epd</strong> 42, 43, 46/12).<br />

Der Vorsitzende des BBC Trust, Lord Chris Patten, sagte,<br />

auch wenn immer noch sehr schwerwiegende Fragen<br />

von den Ermittlungen beantwortet werden müssten,<br />

sei es im Interesse der Gebührenzahler, dass sich die<br />

BBC nun wieder auf ihre Hauptaufgabe konzentriere:<br />

großartiges Programm zu produzieren, das die Zuschauer<br />

und Zuhörer liebten und dem sie vertrauten. Es sei eine<br />

lange und schonungslose Analyse darüber erforderlich,<br />

wie die BBC arbeite und welche Veränderungen nötig<br />

seien. Tony Hall sei ein Insider der BBC gewesen und<br />

sei im Moment ein Outsider.<br />

Hall hatte von 1996 bis 2001 die BBC-Abteilung<br />

Nachrichten und Zeitgeschehen geleitet. Er sei ein<br />

Pionier des Digitalzeitalters gewesen und habe die<br />

Starts von BBC News Online, Radio 5 Live, BBC News 24<br />

und BBC Parliament verantwortet, hieß es. „Ich glaube<br />

mit Leidenschaft an die BBC und darum habe ich Lord<br />

Pattens Angebot, Generaldirektor der BBC zu werden,<br />

angenommen“, sagte Hall.<br />

Der BBC Trust erklärte, Hall sei der einzige Kandidat<br />

gewesen, an den der Trust herangetreten sei. Als der<br />

Posten zuletzt nach dem Rücktritt des vorherigen Generaldirektors<br />

Mark Thompson vakant war, habe sich<br />

■ INTERNATIONALES ■<br />

Hall nicht beworben. Nun sei der Trust direkt auf Hall<br />

zugegangen, ohne einen langwierigen Bewerbungsprozess<br />

in Gang zu setzen. Hall werde als Generaldirektor<br />

450.000 Pfund pro Jahr verdienen.<br />

Einige Tage zuvor war bekanntgeworden, dass der<br />

britische Politiker Alistair McAlpine von der BBC für<br />

die Falschbeschuldigungen in der Sendung „Newsnight“<br />

entschädigt wird. Er bekommt 185.000 Pfund (230.000<br />

Euro) plus Kostenersatz, wie die BBC am 15. November<br />

mitteilte. Im Gegenzug zieht der frühere Schatzmeister<br />

der konservativen Tories seine Verleumdungsklage gegen<br />

den Sender zurück. Die BBC erklärte, der Vergleich<br />

sei weitreichend und reflektiere die „Schwere der<br />

gemachten Anschuldigungen“.<br />

Zwar hatte die BBC den Politiker nicht namentlich<br />

genannt, aber im Internet kursierte schon während<br />

der Ausstrahlung der Name von McAlpine. Das Opfer<br />

sagte nach der Ausstrahlung, es handele sich um eine<br />

Verwechslung. Der Politiker sei nicht der Mann, der die<br />

Vergewaltigung begangen habe.<br />

McAlpines Anwalt erklärte, sein Mandant sei sich der<br />

Tatsache bewusst, dass letzten Endes die britischen<br />

Gebührenzahler für die Entschädigung aufkommen<br />

müssten. Dies sei bei den Verhandlungen berücksichtigt<br />

worden. Der Anwalt kündigte weitere Klagen gegen<br />

Medienunternehmen an, unter anderem gegen den<br />

Privatsender ITV. hse/rid<br />

ORF darf Facebook-Seiten<br />

vorerst weiterbetreiben<br />

Verfassungsgericht setzt Entscheidung des<br />

Verwaltungsgerichtshofs vorläufig außer Kraft<br />

Wien (<strong>epd</strong>). Der Streit über die Facebook-Aktivitäten<br />

des ORF ist auch nach einem Urteil des Österreichischen<br />

Verwaltungsgerichtshof noch nicht beendet.<br />

Nach der geltenden Gesetzeslage seien solche<br />

Online-Angebote aus Wettbewerbsgründen grundsätzlich<br />

anderen Medienunternehmen vorbehalten,<br />

entschied der Gerichtshof in einem am 14. November<br />

veröffentlichten Urteil. Er bestätigte damit<br />

Entscheidungen des Bundeskommunikationssenats<br />

und der Medienbehörde KommAustria. Der Verfassungsgerichtshof<br />

Österreich hob das Verbot jedoch<br />

vorläufig wieder auf.<br />

Der Verwaltungsgerichtshof führte aus, das Verbot<br />

dürfe auch nicht dadurch umgangen werden, dass<br />

- wie im vorliegenden Fall - mit Duldung des ORF<br />

von Auftragsproduzenten oder von ORF-Mitarbeitern


Facebook-Seiten bereitgestellt oder administriert würden,<br />

„die beim Durchschnittsbetrachter den Eindruck<br />

einer eigentlichen ORF-Facebook-Präsenz erwecken“.<br />

Sämtliche der 39 beanstandeten Facebook-Seiten beträfen<br />

Sendungen und Projekte des ORF. Der Sender<br />

hätte daher für die Einhaltung des Verbots Sorge tragen<br />

müssen.<br />

Das ORF-Gesetz liste Online-Angebote auf, die vom<br />

öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht bereitgestellt<br />

werden dürften, so der Verwaltungsgerichtshof. Darunter<br />

fielen auch „soziale Netzwerke sowie Verlinkungen<br />

zu und sonstige Kooperationen mit diesen, ausgenommen<br />

im Zusammenhang mit der eigenen tagesaktuellen<br />

Online-Überblicksberichterstattung“. Unter einer „sonstigen<br />

Kooperation“ mit sozialen Netzwerken sei dabei<br />

„jede Form des Zusammenwirkens des ORF mit diesen“<br />

zu verstehen.<br />

Das Verfassungsgerichtshof Österreich erklärte am 16.<br />

November, der ORF habe beantragt, seiner Beschwerde<br />

gegen das Facebook-Verbot aufschiebende Wirkung zu<br />

gewähren. Diesem Antrag sei stattgegeben worden, weil<br />

anderenfalls ein „unverhältnismäßiger Nachteil“ für den<br />

ORF bestünde. Die Konsequenz sei, dass der ORF seine<br />

Facebook-Auftritte ab sofort wieder betreiben dürfe.<br />

Die aufschiebende Wirkung der vorläufigen Entscheidung<br />

lasse aber keine Rückschlüsse darauf zu, wie die<br />

endgültige Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs<br />

ausfallen werde.<br />

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz hatte das Urteil<br />

des Verwaltungsgerichtshofs kritisiert und angekündigt,<br />

er werde rechtliche Schritte auf europäischer Ebene<br />

prüfen. Parallel werde der ORF Gespräche mit dem<br />

Gesetzgeber führen. rid<br />

Europäisches Gericht<br />

stärkt Quellenschutz<br />

„De Telegraaf“ klagt erfolgreich<br />

gegen niederländischen Staat<br />

Straßburg (<strong>epd</strong>). Der Europäische Gerichtshof für<br />

Menschenrechte hat den Quellenschutz und andere<br />

Aspekte der Pressefreiheit gestärkt. Die Straßburger<br />

Richter verurteilten am 22. November den niederländischen<br />

Staat, nachdem zwei Journalisten der<br />

Tageszeitung „De Telegraaf“ und der Verlag Klage<br />

erhoben hatten.<br />

Die Journalisten waren 2006 in den Besitz von<br />

Geheimdienst-Dokumenten gelangt und hatten über<br />

diese berichtet. Die Polizei und niederländische Gerichte<br />

■ INTERNATIONALES ■ 30.11.2012 · <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> ■ <strong>epd</strong> medien 31<br />

hatten die Herausgabe der Dokumente angeordnet, um<br />

die durchlässige Stelle innerhalb des Geheimdienstes<br />

ausfindig zu machen.<br />

Dagegen protestierte der Verlag: Auf den Papieren könnten<br />

sich Fingerabdrücke finden, die zum Informanten<br />

führten, argumentierte er. Der Gerichtshof für Menschenrechte<br />

gab ihm nun Recht. „Ohne den Schutz<br />

journalistischer Quellen könnte die wichtige Rolle der<br />

Presse als öffentlicher Wächter untergraben werden“,<br />

erklärten die Richter. Zur Wahrung seiner Interessen<br />

hätte der Geheimdienst schlicht prüfen können, welche<br />

Mitarbeiter Zugang zu dem fraglichen Dokument<br />

hatten.<br />

Der Geheimdienst hatte die beiden Journalisten auf der<br />

Suche nach den Informanten auch überwachen lassen,<br />

was der Gerichtshof für Menschenrechte ebenfalls rügte.<br />

Gerade im journalistischen Bereich sei ein Missbrauch<br />

solcher Maßnahmen leicht, unterstrichen die Richter.<br />

Es müsse daher eine Kontrolle durch ein Gericht oder<br />

eine geeignete unabhängige Behörde geben. Im Fall der<br />

Kläger habe dies nicht stattgefunden. Die Niederlande<br />

müssen den Journalisten und dem Verlag insgesamt<br />

60.000 Euro für Gerichtskosten und andere Ausgaben<br />

zahlen. isg<br />

ZDF/ARTE-Film „Musik als Waffe“<br />

mit Emmy ausgezeichnet<br />

BBC erhält Preis für Pratchett-Dokumentation<br />

- Canal+ mit „Braquo“ erfolgreich<br />

New York (<strong>epd</strong>). Die ZDF/ARTE-Produktion „Musik als<br />

Waffe“ ist bei den 40. International Emmy Awards<br />

in der Kategorie „Arts Programming“ ausgezeichnet<br />

worden. Die Dokumentation von Tristan Chytroschek<br />

untersuche den Zusammenhang von Gewalt<br />

und Musik, teilte die International Academy of Television<br />

Arts & Sciences am 19. November in New<br />

York mit. Nach ZDF-Angaben macht der im Juli<br />

2011 erstgesendete Film „in kurzen historischen<br />

Exkursen die Geschichte des Einsatzes von Musik zu<br />

Kriegszwecken deutlich“ (vgl. Kritik in <strong>epd</strong> 29/11).<br />

Zwei Preise gingen nach Großbritannien. Die BBC wurde<br />

für die Dokumentation „Terry Pratchett: Choosing to<br />

Die“ ausgezeichnet, in der der an Alzheimer erkrankte<br />

Autor Terry Pratchett zwei Menschen zum Freitod in<br />

die Schweiz begleitet. Der Sender Channel 4 war in der<br />

Kategorie „TV Movie/Mini-Series“ mit der Produktion<br />

„Black Mirror“ erfolgreich, nach Angaben der Jury eine<br />

„verwickelte Parabel für das Twitter-Zeitalter“.


32 <strong>epd</strong> medien ■ <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> · 30.11.2012<br />

Der französische Bezahlsender Canal+ setzte sich in der<br />

Kategorie „Drama Series“ mit der zweiten Staffel der<br />

Polizeiserie „Braquo“ durch. Die australische Show „The<br />

Amazing Race Australia“ (Channel 7) bekam den Preis<br />

in der Rubrik „Non-Scripted Entertainment“.<br />

Die beiden Schauspieler-Preise gingen erstmals bei<br />

den International Emmy Awards an Darsteller aus<br />

derselben Serie: Dario Grandinetti und Cristina Banegas<br />

wurden für ihre Leistungen in der argentinischen Serie<br />

„Television x la Inclusion“ ausgezeichnet. Ebenfalls<br />

zwei Mal erfolgreich war der brasilianische Sender TV<br />

Globo, der nach Ansicht der Jury die beste Comedy<br />

(„The Invisible Woman“) und die beste Telenovela („The<br />

Illusionist“) produzierte. rid<br />

Neue Regierung verändert<br />

georgische Medienlandschaft<br />

Premier Iwanischwili will eigenen Sender zu<br />

öffentlich-rechtlicher Anstalt umwandeln<br />

Tiflis (<strong>epd</strong>). Im Zuge des Regierungswechsels in Georgien<br />

Anfang Oktober zeichnen sich immer deutlicher<br />

auch Folgen für die Medienlandschaft der Südkaukasusrepublik<br />

ab. Der Wahlsieger und neue Premierminister<br />

Bidsina Iwanischwili hat angekündigt,<br />

eventuell den Sender TV9, der seiner Ehefrau gehört,<br />

in einen öffentlich-rechtlichen Sender umzuwandeln.<br />

„Es gibt keinen Käufer für so einen Sender in<br />

Georgiern. Entweder werden wir ihn schließen oder<br />

in einen öffentlich-rechtlichen Sender umwandeln“,<br />

sagte Iwanischwili in einem Interview in Brüssel. Als<br />

Zeitraum dafür nannte er etwa einen Monat.<br />

Zwar läuft die Amtszeit des langjährigen Präsidenten<br />

Michail Saakaschwili noch etwa ein Jahr. Seine Partei<br />

UNM aber hatte die Parlamentsmehrheit bei der Wahl<br />

am 1. Oktober an das Bündnis Georgischer Traum des<br />

Multi-Milliardärs Iwanischwili verloren. Sein Bündnis<br />

stellt nun die Regierung. Iwanischwilis Familie besitzt<br />

immer noch den Fernsehsender TV9, den Internetsender<br />

info9 und auch Anteile am Kabelbetreiber GlobalTV.<br />

Iwanischwili hatte den Sender im April 2012 gegründet.<br />

Technisch und personell großzügig ausgestattet, spielte<br />

der Sender während des Wahlkampfs eine wichtige<br />

Rolle, auch wenn die damalige Regierung versuchte,<br />

die Ausstrahlungswege zu begrenzen. Zwei Wochen<br />

vor der Parlamentswahl zeigte TV9 Gewalt-Videos aus<br />

georgischen Gefängnissen. Dies trug erheblich dazu<br />

bei, dass sich die Stimmung der Bevölkerung endgültig<br />

gegen die Partei Saakaschwilis drehte.<br />

■ INTERNATIONALES ■<br />

Bei einer Pressekonferenz am 22. November in Tiflis<br />

präzisierte Iwanischwili seine Pläne für TV9: Er fühle<br />

sich sehr unwohl mit der Situation, dass der Sender<br />

seiner Frau Ekaterine Khvedelidze gehöre. Er werde die<br />

Ausrüstung der TV-Station dem öffentlich-rechtlichen<br />

Sender GPB stiften, falls dieser sein Programm am<br />

öffentlichen Interesse ausrichte und nicht mehr im<br />

Sinne der ehemaligen Regierungspartei UNM berichte.<br />

Funktioniere dies nicht, so bestehe eine weitere Option<br />

darin, TV9 unabhängig von GPB in einen öffentlichrechtlichen<br />

Sender umzuwandeln.<br />

Die Anordnung einer Steuerprüfung bei GPB hat Premierminister<br />

Iwanischwili jedoch Kritik von Präsident<br />

Saakaschwili eingebracht. Die dem Finanzministerium<br />

unterstellte Steuerbehörde stellte bei GPB eine Steuerschuld<br />

von 3,8 Millionen Lari (ca. 1,8 Millionen Euro) fest.<br />

Der Medienexperte Mathias Huter von der Organisation<br />

Transparency International nannte die Steuerprüfung<br />

prinzipiell in Ordnung. Allerdings sei dafür eigentlich<br />

eine andere Behörde zuständig. So etwas dürfe auch<br />

nicht auf Zuruf der Regierung geschehen.<br />

Auch an anderer Stelle schwindet Saakaschwilis Medienmacht.<br />

Mitte Oktober war bereits der einst Saakaschwilifreundliche<br />

Sender Imedi an die ursprünglichen Eigentümer<br />

zu einem symbolischen Preis von drei Lari zurückgegeben<br />

worden. Zudem erwägen ehemalige Eigentümer<br />

des Senders Rustavi2, per Gericht die Rückgabe der<br />

Fernsehstation zu erstreiten. Rustavi2 ist derzeit im<br />

Besitz von Nika Gvaramia, der bis Ende 2009 als Minister<br />

der Regierung Saakaschwilis angehörte.<br />

Im politischen Lager Saakaschwilis gibt es derweil<br />

Planungen für einen neuen Fernsehsender, der voraussichtlich<br />

im Januar sein Programm starten soll.<br />

Inhaltlich verantwortlich für das Projekt ist Tamara<br />

Chergoleishvili. Sie ist Herausgeberin des Magazins<br />

Tabula und die Frau von Giga Bokeria. Er ist als Chef des<br />

Nationalen Sicherheitsrates auch weiterhin als Berater<br />

in Sicherheitsfragen für Präsident Saakaschwili tätig.<br />

sst


Niederlande digitalisieren<br />

Millionen alte Zeitungen<br />

Rund 84 Millionen Artikel aus 170<br />

Zeitungstiteln seit 1618 zugänglich<br />

Amsterdam (<strong>epd</strong>). Die Königliche Bibliothek in den<br />

Niederlanden hat ein jahrelanges Projekt zur Digitalisierung<br />

von Tageszeitungen abgeschlossen. Mehr<br />

als 84 Millionen Artikel aus knapp vier Jahrhunderten<br />

wurden nach Angaben der Bibliothek digitalisiert<br />

und sind nun im Internet zugänglich. Am<br />

22. November waren die vorerst letzten von insgesamt<br />

etwa acht Millionen Zeitungsseiten eingescannt<br />

worden.<br />

Auf der Internetseite „kranten.kb.nl“ sind damit nun<br />

rund 170 Zeitungstitel aus den Niederlanden und den<br />

ehemaligen Kolonien gratis zugänglich, darunter auch<br />

die erste niederländische Zeitung von 1618. Etwa acht<br />

Prozent der erschienen Zeitungen zwischen 1618 und<br />

1995 sind auf der Website verfügbar und können durchsucht<br />

werden. Digitalisiert worden sind journalistische<br />

Texte, aber auch Familienanzeigen, Illustrationen und<br />

Werbeanzeigen.<br />

Unter den eingescannten Zeitungen sind Titel wie das<br />

heute noch erscheinende Boulevardblatt „De Telegraaf“,<br />

aber auch Zeitungen wie der „Sumatra-Courant“ und<br />

„Nieuwsblad Uit en Voor Suriname“ aus den früheren<br />

niederländischen Kolonien in Indonesien und der Karibik.<br />

Ein Schwerpunkt des digitalen Archivs liegt laut den<br />

Verantwortlichen des Projekts auf dem Zeitraum 1940<br />

bis 1944, als während der deutschen Besatzung manche<br />

Zeitungen auf Deutsch erschienen waren.<br />

2006 hatte die Königliche Bibliothek der Niederlande mit<br />

der Digitalisierung von Tageszeitungen begonnen. Die<br />

Verantwortlichen planen, die Anzahl der eingescannten<br />

Seiten in Zukunft auf 13 Millionen zu steigern. Die<br />

Kosten für das nun abgeschlossene Projekt liegen laut<br />

Königlicher Bibliothek bei rund 8,5 Millionen Euro und<br />

wurden durch Subventionen gedeckt. Die Website wurde<br />

seit 2010 etwa zwei Millionen Mal besucht. bdr<br />

■ INTERNATIONALES ■ 30.11.2012 · <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> ■ <strong>epd</strong> medien 33<br />

Mexiko: Journalist Silva Moreno<br />

und Ex-Polizist ermordet<br />

Komitee zum Schutz von Journalisten<br />

fordert Aufklärung von Behörden<br />

Mexiko-Stadt (<strong>epd</strong>). In Mexiko ist erneut ein Journalist<br />

getötet worden. Der freie Reporter Adrián Silva<br />

Moreno wurde auf offener Straße erschossen, als er<br />

einen Benzin-Diebstahl aufdeckte, wie das Komitee<br />

zum Schutz von Journalisten (CPJ) am 15. November<br />

in Mexiko mitteilte. Sein Begleiter, ein früherer<br />

Polizist, wurde ebenfalls getötet. Die Täter flohen.<br />

Die Journalistenorganisation forderte eine Aufklärung<br />

des Doppelmordes im südlichen Bundesstaat Puebla. Die<br />

mexikanischen Behörden müssten die Verantwortlichen<br />

vor Gericht bringen, sagte der Amerika-Verantwortliche<br />

der Organisation mit Sitz in den USA, Carlos Lauría. Die<br />

Morde seien ein weiteres Beispiel für die brutalen Bedingungen,<br />

unter denen Journalisten in Mexiko arbeiten<br />

müssten.<br />

Silva Moreno war nach CPJ-Angaben Polizeireporter<br />

für mehrere lokale Zeitungen. Zuletzt deckte er einen<br />

Treibstoff-Diebstahl in großem Stil auf. Kurz vor ihrem<br />

Tod hätten der Journalist und sein Begleiter eine Schießerei<br />

zwischen Soldaten und bewaffneten Kriminellen<br />

beobachtet, hieß es. Danach sei ihr Auto von der Straße<br />

gedrängt worden.<br />

Mexiko gilt als eines der gefährlichsten Länder für<br />

Journalisten. In den vergangen zehn Jahren kamen<br />

laut Reporter ohne Grenzen 85 Medienmitarbeiter und<br />

Blogger ums Leben. ho<br />

■ KURZMELDUNG<br />

Berlin (<strong>epd</strong>). Roger de Weck, Generaldirektor der SRG<br />

SSR, ist neuer Präsident des Prix Europa. De Weck<br />

wurde am 27. Oktober vom Stuerungskomittee des<br />

Europäischen Rundfunkfestivals gewählt. De Weck<br />

werden künftig drei Vizepräsidenten zur Seite stehen:<br />

Doris Pack, Abgeordnete des Europäischen Parlaments,<br />

Frank-Dieter Freiling,Hauptabteilungsleiter<br />

Internationale Angelegenheiten beim ZDF, und Helga<br />

Dunger-Löper, Staatssekretärin der Berliner Senatsverwaltung<br />

für Bauentwicklung.


34 <strong>epd</strong> medien ■ <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> · 30.11.2012<br />

Kritik an israelischen Angriffen<br />

auf Journalisten im Gazastreifen<br />

Reporter ohne Grenzen: Israel<br />

begeht Kriegsverbrechen<br />

Berlin (<strong>epd</strong>). Die Journalistenvereinigung „Reporter<br />

ohne Grenzen“ hat Angriffe der israelischen Armee<br />

auf Journalisten im Gazastreifen kritisiert. So<br />

habe die israelische Luftwaffe gezielt das Fahrzeug<br />

von zwei Kameraleuten, die für den zur Hamas<br />

gehörenden Fernsehsender Al-Aksa-TV arbeiteten,<br />

angegriffen und die Männer dadurch getötet, teilte<br />

die Organisation am 21. November in Berlin mit.<br />

Nach Berichten des Senders sei das Pressefahrzeug<br />

entsprechend gekennzeichnet gewesen.<br />

Ein Sprecher der israelischen Regierung hatte laut<br />

„Reporter ohne Grenzen“ am 18. November gesagt,<br />

die israelische Armee sehe Mitarbeiter von Al-Aksa-<br />

TV - anders als Reporter von BBC oder Al-Dschasira<br />

- nicht als „legitime Journalisten“ an. Die Journalistenorganisation<br />

erklärte dagegen: „Selbst wenn diese<br />

Journalisten die Hamas unterstützen, rechtfertigt das in<br />

■ KRITIK<br />

Flucht ins Klischee<br />

„Und dennoch lieben wir“, Regie: Matthias Tiefenbacher,<br />

Buch: Maureen Herzfeld, Martin Kluger,<br />

Kamera: Holly Fink (ARD/Degeto, 23.11.12, 20.15-<br />

21.45 Uhr)<br />

<strong>epd</strong> In der Rechtsprechung ist, was Ehescheidungen<br />

anbelangt, das Schuldprinzip vom Zerrüttungsprinzip abgelöst<br />

worden. Das Gute am Zerrüttungsprinzip ist, dass<br />

die Schicksalhaftigkeit des Nicht-mehr-miteinander-<br />

Auskommens akzeptiert und die ewige Frage nach dem<br />

Warum, der Verantwortung und der Schuld nicht mehr<br />

gestellt wird. Fernsehdrehbücher sind mit ihren Dialogen<br />

leider noch nicht so weit wie unser Gesetzbuch. Wenn<br />

was schief geht, hat auch einer die Schuld, und mit<br />

der muss er konfrontiert werden. So kommt man zu<br />

dramatischen Szenen. „Das ist alles deine Schuld!“ und<br />

dazu ein Tränenstrom - so was hält die Zuschauer vorm<br />

Schirm. Wirklich?<br />

Die Zuschauer sind schon viel weiter, sie haben das<br />

Zerrüttungsprinzip akzeptiert und fühlen sich - so<br />

darf man annehmen - peinlich berührt, wenn in TV-<br />

Movies nur wegen der angestrebten Dramatik mit<br />

Schuldvorwürfen um sich geschmissen wird. Und das<br />

auch noch im Angesicht des Todes.<br />

■ KRITIK ■<br />

keiner Weise solche Angriffe.“ Nach der Definition der<br />

Genfer Konvention begehe die israelische Armee damit<br />

Kriegsverbrechen.<br />

Seit Beginn der Auseinandersetzungen im Gazastreifen<br />

vor einer Woche wurden nach Angaben von „Reporter<br />

ohne Grenzen“ mindestens elf Journalisten verletzt. In<br />

der Nacht zum Sonntag hatte die israelische Armee<br />

einen Turm in Gaza-Stadt bombardiert, in dem zahlreiche<br />

lokale und internationale Medien sitzen. Zum<br />

Zeitpunkt des Angriffs sollen etwa 15 Journalisten in<br />

mit „TV Press“ gekennzeichneten Schutzwesten auf dem<br />

Dach des Gebäudes über die Bombardements berichtet<br />

haben. Zu den Medien, deren Büros teilweise zerstört<br />

wurden, gehören die ARD, die Nachrichtenagentur Reuters<br />

und Abu Dhabi TV. Sechs Journalisten wurden<br />

verletzt.<br />

Bei einem weiteren Angriff in Gaza seien in derselben<br />

Nacht drei Mitarbeiter von Al-Aksa-TV schwer verletzt<br />

worden, hieß es. Ein Sprecher der israelischen Streitkräfte<br />

habe über Twitter erklärt, die Bombardements<br />

hätten auf ein Kommunikationszentrum der Hamas<br />

gezielt. lob<br />

Der TV-Film „Und dennoch lieben wir“ lief in der<br />

ARD-Themenwoche: „Leben mit dem Tod“; er zeigte<br />

eine Familie in angehender Zerrüttung beim Umgang<br />

mit Untreue und Schicksalsschlag. Die Dramatik verlor<br />

den Boden und lief leer. Das hätte nicht sein müssen,<br />

denn die Geschichte war nicht so schlecht, und die<br />

Schauspieler hatten es wirklich drauf, aber die Dramatik<br />

hob irgendwann ab, wurde zum Selbstzweck und ließ<br />

das Publikum düpiert zurück.<br />

Anne und Peter aus München sind mit Tochter und<br />

Sohn eine sogenannte Vorzeigefamilie: sie Chirurgin, er<br />

Versicherungsexperte, heranwachsende Tochter Tessa,<br />

kleiner Sohn Tommi, schicke Villa, Haushälterin. Anne<br />

(Claudia Michelsen) leidet unter einer gewissen Leere.<br />

Als Gatte Peter (Mark Waschke) am Telefon wissen<br />

will, wie es denn so gehe, sagt sie: „Wie immer“. Und<br />

erschrickt. Denn dieses ‚Wie immer’ ist fürchterlich für<br />

sie. Sie mag es nicht mehr. Sie mag gar nichts mehr,<br />

nicht mal ihre Familie: „Ich mag mich nicht mehr dafür,<br />

dass ich meine Kinder nicht mag...“ Das ist schon starker<br />

Tobak. Diese Frau, denkt der Zuschauer, braucht Hilfe.<br />

Die bekommt sie auch, aber nicht von Profis, sondern<br />

vom Schicksal: Ihr Sohn hat einen neuen Freund, David<br />

(Quirin Oettl), und weil dieser seinen Rucksack bei<br />

Tommi vergessen hat, gibt es ein Hin und Her, und Anne<br />

lernt Davids Mutter kennen, Carolin (Melika Foroutan).<br />

Die lebenslustige Chilenin vertreibt Annes depressive


Stimmung, die beiden werden Freundinnen und haben<br />

ordentlich Spaß miteinander. Aber dann schlägt das<br />

Schicksal böse zu: Es stellt sich heraus, dass Peter und<br />

Carolin einst ein Liebespaar waren, Anne wusste von<br />

nichts und muss jetzt verkraften, dass da ein weiterer<br />

Sohn von Peter rumläuft: der schwarzlockige David.<br />

Carolin ihrerseits, die nicht wusste, wessen Frau Anne<br />

ist, sieht nun den Ex-Lover im Haus ihrer vormals<br />

unbekannten Rivalin: „Dein Mann, deine Kinder, dein<br />

Auto... und ich hab nichts.“ Immerhin hat sie David, den<br />

will sie auch behalten - bitte keinen Kontakt mehr mit<br />

Peter und dessen Familie, zurück nach Chile.<br />

Jetzt geht das Gefühlstheater so richtig los: große<br />

Augen bei der erniedrigten Anne, wütende Blicke bei<br />

der ebenfalls gedemütigten Carolin, und dazwischen<br />

Peter, der überhaupt nicht mehr weiß, was für ein<br />

Gesicht er machen soll. Die Kinder kriegen natürlich<br />

mit, dass da was nicht stimmt und machen sich Sorgen.<br />

Und dann, im letzten Drittel des Films, passiert das,<br />

was die Geschichte zum Bestandteil der Themenwoche<br />

qualifiziert: Carolin, schon öfter mal von Bauchweh<br />

geplagt, bricht zusammen: Klinik, Bauchspeicheldrüsenkrebs.<br />

Viel Zeit hat sie nicht mehr. Anne soll ihr die<br />

Nachricht überbringen, wehrt erst ab, rafft sich dann<br />

aber auf. Um sich von Carolin sagen zu lassen: „Das ist<br />

alles Deine Schuld...“<br />

Es kommt viel zusammen in dieser Situation: das<br />

Angesicht des Todes, die Eifersucht, die Verlustangst,<br />

das schlechte Gewissen, die unerfüllte Liebe, die Angst<br />

um das seelische Gleichgewicht der Kinder. Es ist<br />

wohl einfach zu viel, als dass diese Dramatik noch<br />

Bodenhaftung hätte wahren können. Man überlegt<br />

zwischenzeitlich auch, ob die Häufung solcher Zufälle<br />

wie das Treffen der Geliebten und der Ehefrau sowie der<br />

Halbbrüder noch gekauft werden kann. Aber das ist es<br />

nicht. Es ist die Flucht ins Klischee („deine Schuld“), die<br />

von den Dialogen bis in die Mimik das bringt, was man<br />

erwartet und gewohnt ist, anstatt auf das zu setzen,<br />

wozu Menschen fähig sind, wenn es mal ganz dicke<br />

kommt: einen ungewöhnlichen Ausweg zu suchen und<br />

womöglich zu finden, auch aus dem Irrgarten ihrer<br />

eigenen Gefühle.<br />

In diesem Sinne gelungen ist die Bereitschaft Annes, zu<br />

der Kranken zu gehen und ihr die Todesnachricht selbst<br />

zu bringen. Solche Überwindungen leisten Menschen,<br />

wenn sie vom Schicksal herausgefordert werden. Aber<br />

Carolins Reaktion ist dann wieder das Klischee. Ganz<br />

wie Peters mühselige Liebeserklärung an Anne - jetzt,<br />

wo er die andere ohnehin verliert. Gut der Moment, in<br />

dem David fragt: „Wird Mama sterben?“ Arg klischeehaft<br />

dann aber wieder Peters Versuch, auf Distanz zu<br />

■ KRITIK ■ 30.11.2012 · <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> ■ <strong>epd</strong> medien 35<br />

seiner Affäre zu gehen: „Das mit Carolin“ sei nicht<br />

„programmiert gewesen“ für die Liebe.<br />

Die Personen bleiben Figuren in einem Arrangement,<br />

das mit „äußerste Dramatik“ überschrieben ist, in dem<br />

die Schauspieler zwar ihr Bestes geben, die Konstruktion<br />

und die mit Affekten überladene Szenerie aber keine<br />

feinere Individualisierung zulässt. Gewonnen hätte der<br />

Film außerdem, wenn er auf Musik verzichtet hätte.<br />

Das endlose Geklimper macht die Zuschauer rebellisch,<br />

es hilft nicht beim Sich-Einlassen auf die Geschichte.<br />

Barbara Sichtermann<br />

Kein billiger Appell<br />

„Mit geradem Rücken“, Regie: Florian Froschmayer,<br />

Buch: Sophia Krapoth, Kamera: Patrick-D. Kaethner,<br />

Produktion: Relevant Film Produktionsgesellschaft<br />

(Sat.1, 20.11.12, 20.15-22.15 Uhr)<br />

<strong>epd</strong> Ein Hotel, ein Luxus-Hotel zumal, ist ein Ort der<br />

sozialen Distinktionen, ein Ort, der spiegelnde Oberflächen<br />

inszeniert, ein Ort, an dem kein Staub das Gefühl<br />

trüben soll, hier sei alles in Ordnung. Dem Gast wird das<br />

breiteste Lächeln, eher ein Lachen schon zugeworfen,<br />

jeder soll sich geborgen fühlen, hervorragend bedient<br />

und verwöhnt. Und die dienstbaren Geister tragen die<br />

Masken perfekter Selbstverleugnung, denn hier zählt<br />

der Gast und sein Wohl, alles andere bleibt, bitte schön,<br />

unter dem Teppich.<br />

Das ist das soziale Gemälde, vor dem dieses Drama<br />

spielt. Hella Wiegand (Ann-Kathrin Kramer) ist eine<br />

leitende Hausdame, ihr unterstehen die Zimmermädchen<br />

einer Etage. Sie ist die Mutter der Kompanie, sie ist<br />

fröhlich, packt zu, eine ehrliche Haut. Und sie hat sich<br />

beworben für die obere Etage, wo die Prominenten, die<br />

Superreichen nur unter Pseudonym einchecken. Für die<br />

alleinerziehende Mutter wäre das ein prestigeträchtiger<br />

Aufstieg. Ausgerechnet in diesem Moment macht sie<br />

die Entdeckung, dass eines ihrer Zimmermädchen, die<br />

türkischstämmige Shirin (Pegah Ferydoni), von ihrem<br />

Chef Jakob Braunstein (Kai Wiesinger) sexuell attackiert<br />

wird. Es ist schwer für Hella, der Sache auf den Grund<br />

zu gehen, denn Braunstein leugnet charmant und Shirin<br />

ist verängstigt.<br />

Hella schaltet den Personalchef Rückert (Hans Löw) ein,<br />

der das Gespräch mit Braunstein sucht. Als Rückert Hella<br />

versichert, dass Braunstein glaubhaft seine Unschuld<br />

beteuert und sie selbst ihre langersehnte Beförderung<br />

erhält, scheint die Affäre zu verblassen. Doch der<br />

Verdacht, dass Braunstein hinter der Maske des loyalen<br />

Chefs und liebenswürdigen Charmeurs ein übler Sextäter


36 <strong>epd</strong> medien ■ <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> · 30.11.2012<br />

ist, will nicht verschwinden. Als der Hotelchef schließlich<br />

auch Hella attackiert, weiß die aufrechte Frau, dass sie<br />

es hier mit einem perfiden und selbstbewussten Täter<br />

zu tun hat, der darauf baut, dass die Frauen aus Angst<br />

und Scham schweigen.<br />

Hella erlebt den Alptraum einer missbrauchten Frau,<br />

der niemand glaubt und sie erlebt die Prozesse der<br />

Entsolidarisierung und der Ausgrenzung, das Wegsehen,<br />

das Verleumden und Stigmatisieren. Und sie macht<br />

die Erfahrung, dass auch die Polizei nicht helfen kann,<br />

nicht helfen will und darauf verweist, wie schwer es sei,<br />

sexuelle Belästigung zu verfolgen, wenn es keine Zeugen<br />

und keine Spuren gibt und der Täter ein wohlhabender<br />

Mann mit teuren Rechtsanwälten ist.<br />

Der Film packt von der ersten Minute, denn die überaus<br />

agile Kamera misst in Windeseile das Terrain des Dramas<br />

aus und zeigt uns, wie so ein Hotelbetrieb funktioniert,<br />

wie viele Gesichter ein Hotel hat, dass es verschiedene<br />

Eingänge besitzt, dass es Hierarchien gibt und eiserne<br />

Codes. Dieser visuelle Sog packt und ergänzt sich mit<br />

den dramatischen Stufen auf das Beste.<br />

Ann-Kathrin Kramer, die in Sat.1-Filmen schon so oft<br />

die lebensbejahenden, durch nichts umzuwerfenden<br />

Frauen gespielt hat, zeigt überzeugend, wie die Affäre<br />

an ihren Nerven zehrt und wie sie die sexuelle Attacke<br />

auch körperlich und seelisch aus der Bahn wirft. Für<br />

diese Schwundstufen des Vertrauens und der Zuversicht,<br />

für diese Verwandlung der Heldin in eine gebrochene<br />

Frau findet der Film einen eigenen Rhythmus, der<br />

hervorragende Schnitt (Claudia Klook), sprunghaft und<br />

elliptisch, spiegelt die psychische Destabilisierung der<br />

Heldin wieder.<br />

Der Film schafft es, den Zuschauer am Empathie-<br />

Kragen zu packen und ihn mitzunehmen, mann/frau<br />

empört sich, leidet mit, versucht innerlich, mit guten<br />

Ratschlägen zu helfen. Der Zuschauer versteht auch<br />

die Scham von Shirin, deren Vater ohnehin glaubt,<br />

Zimmermädchen seien Flittchen, weshalb sie zu Hause<br />

erzählt, sie arbeite in der Küche. Alle Figuren wirken<br />

in ihrem Handlungskreis plausibel und jeder hat seinen<br />

Weg, sein Ziel, das er verfolgt.<br />

Regisseur Florian Froschmayer setzt das Buch von<br />

Sofia Krapoth zielstrebig um, die Nebenlinien, etwa<br />

das Privatleben der alleinerziehenden Hella, werden<br />

angemessen mit dem Haupthandlungsstrang verzahnt.<br />

Endlich haben auch die Privaten mal ein Drama erzählt,<br />

in dem die Arbeitswelt nicht nur aus bonbonfarbenen<br />

Bildern und niedlichen Dialogen besteht.<br />

Die Anstrengung und der Verzicht, den diese Arbeitswelt<br />

abverlangt, wird in den Szenen und Motiven über-<br />

■ KRITIK ■<br />

zeugend erzählt und der Zuschauer hat das Gefühl,<br />

tatsächlich in dieses andere Milieu eingetaucht zu<br />

sein, etwas von seinen Regeln, Zwängen und Hürden<br />

miterlebt zu haben. Dass der Film entgegen manch<br />

realistischer Erfahrung ein gutes Ende nimmt und die<br />

Heldin für ihre aufrechte Haltung, für ihren Kampf<br />

gegen die sexuelle Attacke belohnt, stört hier nicht,<br />

denn es hilft einer Emotionalität auf die Sprünge, die<br />

lindert und tröstet.<br />

Dieser Film zeigt, was das private Fernsehen leisten<br />

kann, wenn es sich traut, ein ernstes Thema ernsthaft<br />

anzupacken und seine erzählerischen Mittel beherrscht:<br />

Man kann engagiert und zugleich unterhaltsam erzählen,<br />

man kann Realität abbilden und doch dem Glück auf<br />

die Sprünge helfen, man kann zu Tränen rühren, ohne<br />

in klebrige Pathosformeln zu verfallen, man kann -<br />

auch im Privatfernsehen - sensibel Solidarität und<br />

Mut einfordern, wo diese Tugenden unter dem Druck<br />

der Ökonomie immer häufiger entbehrt werden: In der<br />

Arbeitswelt. Aufrecht gehen! Dass das kein billiger Appell<br />

sein muss, hat dieser Film bewiesen. Torsten Körner<br />

Urkomische Einfälle<br />

„Marie Brand und das Lied von Tod und Liebe“, Regie:<br />

Christiane Balthasar, Buch: Wolfgang Stauch und<br />

Khyana el Bitar, Kamera: Markus Hausen, Produktion:<br />

Eyeworks Germany (ZDF, 15.11.12, 20.15-21.45<br />

Uhr)<br />

<strong>epd</strong> In Köln schreitet ein Indianer in voller Pracht<br />

würdevoll über eine Brücke. Dann steht er, angeseilt, auf<br />

einem Hochhaus und lässt sich von einem Kollegen gesichert<br />

herab. Beide sind Industriekletterer für „Highsky<br />

Cologne“. Ein paar Meter freier Fall, dann strafft sich<br />

das Seil wieder, bis es Sekunden später reißt und der<br />

Mann zu Tode stürzt.<br />

Die Kommissare Marie Brand und Jürgen Simmel sind<br />

auf dem Weg zur Unfallstelle. Sie fährt ein weißes<br />

BMW-Cabrio mit reichlich pinkfarbenen Girlanden.<br />

„Friseusenschleuder“, sagt Simmel dazu. Der aber soll<br />

lieber den Mund halten, verlor er doch gerade erst<br />

seinen Führerschein. Sie motzen sich an, witzeln, alles<br />

wunderbarerweise per „Sie“. Sie fragen sich, wie kam<br />

der Mann zu Tode, und Simmel versucht einen Jux:<br />

„Trunkenheit am Seil“.<br />

Die Autoren Wolfgang Stauch und Khyana el Bitar haben<br />

nicht die Spur Angst vor politisch, moralisch, ethisch<br />

oder ethnologisch unkorrekten Späßen. Niemand ist<br />

vor ihrem Witz sicher, die Personen nicht und nicht die<br />

Situationen. Es gibt hier zwei Männer-Leichen und eine


Beinahe-Leiche, die aber überlebt, wenn auch ansehnlich<br />

verstümmelt. Dazu zwei Witwen und eine folgenreich<br />

Geschiedene. Also gibt es auch vielfachen Grund zur<br />

Trauer. Aber: selten so gelacht! Die Komik kommt<br />

aus dem flotten Gekabbel der Kommissare, sie kommt<br />

direkt aus den irrwitzigen Vorgängen, aus immer neuen<br />

Verwicklungen, aus dem augenzwinkernden Rückgriff<br />

auf bekannte Krimiklischees. Und wird getragen von<br />

Mariele Millowitsch und Hinnerk Schönemann als<br />

Brand und Simmel, die wahre Perfektionisten sind<br />

im Setzen von Pointen, die das exakte Maß kennen<br />

dafür, die immer neue Nuancen an Eigenwilligkeit und<br />

auch Verschrobenheit anbieten, mit einer ansteckenden<br />

Spielfreude und herrlicher Leichtigkeit.<br />

Die Geschichte ist eigentlich einfach, macht aber einige<br />

spannende Umwege, geht auf Abwege und findet<br />

logisch zurück zu den Leichen. Der ermordete Indianer<br />

(Seil manipuliert) heißt Robert Lex-Muller, er hat zwei<br />

indianische Namen. Der eine bedeutet „Der Waghalsige“,<br />

der andere „Großes Hinterteil“ - ist also Ansichtssache.<br />

Seine Frau Anna Lex-Muller (Laura Tonke) lernte ihn<br />

vor drei Jahren in den USA in seinem Reservat kennen,<br />

heiratete ihn und verfrachtete ihn nach Deutschland,<br />

wo er deutscher sein wollte als die Deutschen (Muller<br />

jetzt mit Strichen drüber).<br />

Die zweite Leiche heißt Björn Zeiss (Heiko Pinkowski),<br />

ist Pfarrer und erstickt in der Sauna eines Bordells,<br />

Tür von außen verriegelt. Er kam jeden Monat einmal<br />

und verlangte immer eine Frau aus einem anderen<br />

Land. Belinda, seine Ehefrau, macht die eigentliche<br />

Kirchenarbeit fast allein, auch die Erziehung der fünf<br />

Kinder. In einem einzigen Schwall, fast auf einem Atem<br />

(Hochachtung vor dieser handwerklichen Perfektion!)<br />

schleudert sie wutentbrannt heraus, was sie alles<br />

tut und: „Er fickt im Puff, ich putze...!“ Sagt Marie<br />

begütigend: „Er ist tot.“ Schreit Belinda: „Ja, das kommt<br />

ja noch dazu!“<br />

Der dritte fast Tote ist Claas (Mathias Hermann),<br />

ein Frauenausnutzer großen Stils. Seinetwegen hatte<br />

Caroline (Katja Flint) ihren vermögenden Mann, Schönheitschirurg,<br />

verlassen. Brand und Simmel haben eine<br />

Ahnung: Ein Mord überkreuz? Du tötest meinen, ich<br />

deinen Mann? Dann finden sie heraus, dass alle diese<br />

sehr unterschiedlichen Damen sich kennen, von Basaren<br />

her. Ein Dreierkomplott. Die Damen hatten ihre Gründe.<br />

Von großem Unterhaltungswert sind viele kleine urkomische<br />

oder tragisch-komische Einfälle. Immer wieder<br />

im Bild Belinda und Anna, die eine staubt den Jesus am<br />

Kreuz ab, fluchend, schreiend, die andere zersägt Holz<br />

im Garten, der voller Indianer-Zeugs steht. Sie wird auch<br />

noch die Leiche ihres Mannes „Der Waghalsige/Großes<br />

Hinterteil“ klauen, um ihn nächstens im Garten traditio-<br />

■ KRITIK ■ 30.11.2012 · <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> ■ <strong>epd</strong> medien 37<br />

nell zu verbrennen, in dumpfer Wut. Marie Brand verliebt<br />

sich kleinmädchenhaft in den Hochstapler Claas. Der<br />

Schönheitschirurg Dr. Berg (Rainer Laupichler) erweist<br />

sich, gegen alle Klischees, als grundintegrer Mensch,<br />

wenn er dem inkognito auftretenden Kripochef, dem Dr.<br />

Engler (Thomas Heinze), nicht auf den Leim geht. Doch<br />

das amüsanteste sind die Kommissare Marie Brand und<br />

Jürgen Simmel, die sich (auch nach zehn Folgen), immer<br />

noch siezen, die sich versehentlich mit „Frau Simmel“<br />

oder „Herr Brand“ anreden, damit auf fast eheliche<br />

Verhältnisse hindeutend, auf engste Vertrautheit trotz<br />

der Verschiedenheit.<br />

Inszeniert hat mit Christiane Balthasar eine Regisseurin,<br />

die die Kunst beherrscht, auch mittelmäßige Bücher<br />

so aussehen zu lassen, dass sie um Klassen besser<br />

scheinen. Hier, mit diesem Buch, hat sie die Chance, ihr<br />

besonderes Talent, die Inspiration von Schauspielern,<br />

zu perfektionieren. Was da so leicht und lustig und<br />

komisch daherkommt, ist nur durch präzise Arbeit zu<br />

kriegen. Durch sicheres Gespür für echte Töne, für<br />

Timing, für das richtige Maß. Sie lässt sinnlich erzählen,<br />

charakterisiert die Figuren knapp aber zutreffend, macht<br />

sie außergewöhnlich, macht sie nie albern, gibt sie nie<br />

preis. Jeder Darsteller trifft mit wenigen prägnanten<br />

Mitteln, in kurzen Szenen, das Besondere seiner Figur,<br />

ihr spezielles Leben, früher und jetzt. Es gibt diverse<br />

„Hauptdarsteller“, die das nicht einmal in neunzig<br />

Minuten zustande bringen. Renate Stinn<br />

Der Duft der Frauen<br />

„Die Tote im Moorwald“, Regie: Hans Horn, Buch:<br />

Annika Tepelmann, Kamera: Produktion: Roxy Film<br />

(ZDF, 12.11.12, 20.15-21.45 Uhr)<br />

<strong>epd</strong> Dass der schöne alte Suspense noch lebt, ist die<br />

gute Nachricht. Die nicht ganz so gute ist, dass der<br />

Zuschauer von heute nicht mehr jeden Spannungsbogen<br />

nachvollzieht, wenn die Ausgangslage erkennbar<br />

realitätsfern ist. Zwar war es Hitchcock, der gesagt hat,<br />

er lehne „Wahrscheinlichkeit“ als Kriterium dafür, ob ein<br />

Film gelungen sei, schlankweg ab (er werde in seinen<br />

Filmen nicht erlauben, dass die „Wahrscheinlichkeit ihr<br />

hässliches Haupt erhebt“). Aber der Meister arbeitete<br />

fürs Kino, wo die dramaturgischen Gesetzmäßigkeiten<br />

doch noch ein wenig anders sind als im Fernsehen.<br />

Und außerdem war er als Kommentator seiner eigenen<br />

Werke ein Pointenschmied - Hauptsache, es klingt gut.<br />

Der Suspense in „Die Tote im Moorwald“ ist sofort da<br />

(Buch: Annika Tepelmann), und er ist sehr altmodisch.<br />

Eine junge Frau namens Josefine, Münchner Künstlerin,<br />

gespielt von Maria Simon, hat gerade ihre Mutter


38 <strong>epd</strong> medien ■ <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> · 30.11.2012<br />

verloren. Nun ist auch die Quelle versiegt, von der sie<br />

eventuell hätte erfahren können, wer ihr Vater war. Das<br />

muss sie also selbst herausfinden. Und sie besucht ein<br />

einsames Dorf, mietet sich dort in die Meierei ein, denn<br />

die Mutter hat da mal gearbeitet, und in jenem Gelände<br />

wurde Josefine vermutlich auch gezeugt.<br />

Ein schrulliger alter Nachbar namens Kamrad, gespielt<br />

von Franz Xaver Kroetz, hilft ihr, anzukommen und<br />

sich einzurichten. Die Art, wie er sie ansieht und die<br />

Art, wie sie sich umschaut – Maria Simons Augen sind<br />

größer als normal, auch von daher ist die Schauspielerin<br />

eine Idealbesetzung für diesen Film – sorgt für jenes<br />

angenehm gruselige Gefühl einer unterschwelligen<br />

Bedrohung.<br />

Aber was ist daran altmodisch? Dass es mal wieder ein<br />

zartes, schönes, wild entschlossenes Mädchen ist, das<br />

sich da in Gefahr begibt und es doch nicht hinkriegt,<br />

einen Ofen anzuzünden? Und immer diese riesigen<br />

Augen. Man weiß sofort, dass ihr das Messer an der<br />

Kehle sitzen wird und dass sie es irgendwie schafft,<br />

davonzukommen. Aber wer wird das Messer schwingen?<br />

Das immerhin bleibt spannend fraglich. Der alte Nachbar<br />

gibt sich väterlich. Aber Kroetz macht mit ein paar<br />

kleinen Winken deutlich, dass der Alte nicht ganz sauber<br />

tickt. Wie wunderbar die Frauen gerochen hätten, mit<br />

denen er so zu tun gehabt hat, merkt er mal an. Und<br />

natürlich kennt er Josefines Mutter.<br />

Auf einem Foto, das er an die Wand gepinnt hat, sind<br />

sie alle beisammen: die Mutter, deren beste Freundin<br />

Angelika, die noch lebt und um die Ecke wohnt, der<br />

Nachbar selbst und – ja, auch Josefines Vater. Aber<br />

wer das nun war, kriegt sie erst später raus. Diese<br />

Väter-Suche nach Beisetzung der Mutter – ist das nicht<br />

auch ein wenig altmodisch? Wer unbedingt wissen will,<br />

von wem er abstammt, kriegt das in Zeiten des Internet<br />

auch ohne unheimliche Meierei raus, und welche Mutter<br />

in heutiger Zeit schweigt über ihren „Fehltritt“ bis ins<br />

Grab?<br />

Für den Suspense zuständig ist auch noch die Lage im<br />

Dorf. Es ist nämlich ein Mädchen verschwunden. Die<br />

Polizei sucht sie, die Dörfler sprechen von einem älteren<br />

Fall: damals ist Susanne verschwunden, Angelikas<br />

Tochter. Ja, irgendwo geht er um, der Mädchenkiller.<br />

Josefine besucht Angelika, will ihr ein paar Infos<br />

entlocken, aber die verbitterte Frau verscheucht die<br />

Ärmste. Kamrad lädt sie zu einer Party à deux bei sich<br />

ein. Sie geht hin, unerschrocken, wie sie nun mal (als<br />

Figur) sein soll. Das ist wieder so ein Suspense-Moment.<br />

Es ist wie auf der Kasperlebühne, wenn das Krokodil um<br />

die Ecke schleicht. „Kasper, Kasper“, rufen die Kinder,<br />

„pass auf: das Krokodil!“ Gerade so sind diese Szenen<br />

konstruiert, und man hat dann auch seine kindliche<br />

■ KRITIK ■<br />

Freude dran. Zumal Kroetz und Simon das prima machen.<br />

Josefine will nur aufs Klo und landet in einem Bad voller<br />

Blut.<br />

Wie bei Hitchcock auch, gibt es in „Die Tote im<br />

Moorwald“ eine Gegenwelt, in der die Helligkeit der<br />

Vernunft, aber leider auch die Nötigung, sich mit den<br />

Wechselfällen des Lebens abzufinden, regiert. Josefines<br />

Freund, von ihr bang per Handy herbeizitiert, trifft ein<br />

als Retter - aber er kann nicht bleiben, denn die harte<br />

Realität ruft ihn zurück nach München, und Josefine<br />

ist nun schutzlos den Dämonen der Vergangenheit<br />

ausgeliefert. Die prügeln auch ordentlich auf sie ein.<br />

Aber es geht gerade noch gut. Ein Film wie dieser kann<br />

eine Hauptfigur mit solchen Augen nicht opfern.<br />

Am Ende entpuppt sich das Titel gebende Moor als<br />

der Mörder. Und da bricht die Konstruktion final ein.<br />

Denn der Film spielt ja heute. Welche Dorfgemeinde<br />

in unserer sicherheitsfanatischen Zeit würde wenige<br />

Schritte von bewohnten Häusern entfernt ein Moor vor<br />

sich hin gluckern lassen, das harmlos aussieht und doch<br />

den Unglücklichen, der es betritt, binnen Minuten in<br />

den feuchten Tod zieht? Also bitte! Das kann man nicht<br />

kaufen.<br />

Zeitweilig hat man beim Zuschauen den Eindruck,<br />

die Regie (Hans Horn) und die Schauspieler hätten<br />

sich eine Hauptspaß daraus gemacht, die Techniken<br />

des Suspense durchzubuchstabieren, einfach so, ohne<br />

einen anderen Sinn als die Freude am Zitat aus der<br />

Filmgeschichte. Diese Art Nostalgie ist gewiss reizvoll<br />

für die Macher, aber nicht genug für das Publikum.<br />

Barbara Sichtermann<br />

Ineffizienter Apparat<br />

„Das Terror-Trio - Warum die Behörden versagten“,<br />

Regie und Buch: Inga Klees, Marcus Weller, Kamera:<br />

Björn Kowalewsky, Jens Bungies, Harry Carius (ARTE<br />

/MDR, 13.11.12, 22.00-22.30 Uhr)<br />

<strong>epd</strong> „Es geht um die Frage, ob unsere Demokratie funktioniert“,<br />

sagt Sebastian Edathy (SPD), Vorsitzender des<br />

NSU-Untersuchungsausschusses. Die Geheimdienste jedenfalls<br />

haben im Kampf gegen Rechtsterrorismus nicht<br />

funktioniert, soviel lässt sich schon jetzt mit Gewissheit<br />

sagen. Inga Klees und Marcus Weller sprechen zu Beginn<br />

ihres Films über den Nationalsozialistischen Untergrund<br />

von einer „Staatsaffäre“ und dem „vollständigen Versagen<br />

deutscher Sicherheitsbehörden“, eine Wortwahl,<br />

die als nicht übertrieben gelten darf. Wahrscheinlich<br />

ist es auch eine „Geschichte von Verschleierung, Lüge,<br />

Betrug“, aber überzeugender wäre es, diese Geschichte


erst zu erzählen, statt das Publikum mit einer Reihe von<br />

kernigen, aufheizenden Kommentaren zu überfallen.<br />

Wer die Berichterstattung in den vergangenen Wochen<br />

verfolgt hat, erfährt hier zwar wenig Neues. Klees und<br />

Weller tragen jedoch in dichter und komprimierter<br />

Form das Wesentliche zusammen - eine erschütternde<br />

Kette von Ermittlungspannen, strukturellen Fehlern,<br />

mangelnder Koordination und Ignoranz. Angefangen<br />

1994 bei der Bundeswehr, als Panzergrenadier Uwe<br />

Mundlos als rechtsextrem auffiel, dennoch befördert<br />

und an Waffen ausgebildet wurde. Die Polizei fuhr mit<br />

Uwe Böhnhardt im Januar 1998 in Jena zu einer Garage,<br />

in der sich ein Waffenarsenal verbarg, doch während<br />

die Beamten noch am Schloss hantierten, setzte sich<br />

Böhnhardt ab.<br />

Hinweise auf Unterstützer und Aufenthaltsort des untergetauchten<br />

Trios Mundlos, Böhnhardt und Beate<br />

Zschäpe wurden übersehen, falsch gedeutet, nicht weitergegeben.<br />

Das Netz aus V-Leuten erwies sich als<br />

wirkungslos. Absurd zum Beispiel, dass 40 von 140 Mitgliedern<br />

des rechtsextremen Thüringer Heimatschutzes<br />

Verbindungsleute zu Geheimdiensten waren.<br />

Klees und Weller lassen Roland Eckert zu Wort kommen,<br />

einem emeritierten Soziologie-Professor aus Trier, der<br />

nicht nur den Unterschied zwischen V-Leuten und<br />

verdeckt ermittelnden Beamten anschaulich erklären<br />

kann, sondern auch das Versagen der Behörden pointiert<br />

zu kommentieren versteht. Die Geheimdienste seien „ein<br />

Staat im Staate geworden“, sagt er, ein „unglaublich<br />

großer Apparat“, ineffizient und daran gewöhnt, der<br />

rechtlichen Kontrolle weitgehend enthoben zu sein. Man<br />

müsse fragen, ob der von ihnen angerichtete Schaden<br />

nicht größer sei als der Nutzen.<br />

Die Bild-Kulisse hinter Eckert zeigt unscharfe Fotos aus<br />

der von Beate Zschäpe in die Luft gesprengten Zwickauer<br />

Wohnung. Warum? Weil zu Eckerts scharfer Kritik am<br />

besten eine Trümmerlandschaft passt? Den ebenfalls<br />

interviewten Abgeordneten Sebastian Edathy, Clemens<br />

Binninger (CDU/CSU-Obmann im Untersuchungsausschuss),<br />

Martina Renner (Die Linke Thüringen) und<br />

Opferanwalt Yavuz Narin bleibt diese unnötig reißerische<br />

Form der Illustrierung erspart. Auf nachgestellte<br />

Spielszenen und „menschelnde“ Interviews, etwa mit<br />

Angehörigen von Opfern und Tätern, verzichtet der<br />

Film erfreulicherweise und bleibt damit konsequent bei<br />

seiner analytisch-politischen Perspektive.<br />

Das Steinchen für Steinchen zusammengesetzte, aber<br />

wohl noch unvollständige Mosaik des Behörden-<br />

Versagens wirft die Frage auf, wie verbreitet rechtsextremes,<br />

oder zumindest ausländerfeindliches Gedankengut<br />

in den Diensten selbst ist. Denn die Möglichkeit, dass<br />

■ KRITIK ■ 30.11.2012 · <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> ■ <strong>epd</strong> medien 39<br />

die im Jahr 2000 beginnende Mordserie auf das Konto<br />

von Rechtsextremen gehen könnte, wurde lange Zeit<br />

hartnäckig geleugnet. Dies ließe sich nur damit erklären,<br />

sagt Eckert etwas umständlich, „dass die generalisierten<br />

Gefährdungs-Erwartungen - die Ausländer sind’s, die<br />

die Probleme machen - dazu so massiv waren, dass jede<br />

widersprechende Einzelinformation einfach neutralisiert<br />

wurde, abgebügelt wurde“.<br />

Ein Muster, das sich auch nach dem Mord im April<br />

2007 an der Polizistin in Heilbronn wiederfindet, wo<br />

ausdauernd vor allem gegen Roma ermittelt wurde, die<br />

in der Nähe des Tatorts lebten. Das Motiv dieses mutmaßlichen<br />

NSU-Verbrechens ist noch unklar, deshalb<br />

bleibt der Film hier notgedrungen spekulativ. Klar ist<br />

jedenfalls: Die Hintergründe dieser „Staatsaffäre“ sind<br />

noch lange nicht aufgeklärt. Thomas Gehringer<br />

Die ersten ihrer Art<br />

„Vatertage“, Buch und Regie: Anni Seitz, Kamera:<br />

Jan Raiber, Produktion: Eikon Südwest, Filmakademie<br />

Baden Württemberg (SWR, 12.11.12, 23:30-0:45<br />

Uhr)<br />

<strong>epd</strong> Wer alt genug ist, erinnert sich noch an Fernsehreportagen<br />

über „Die erste Frau bei der Feuerwehr“ oder<br />

„Frauen bei der Polizei“ und, vor noch gar nicht allzu<br />

langer Zeit „Frauen bei der Bundeswehr“. Ausnahmeerscheinungen,<br />

Exotinnen beinahe, aber auch Vorbilder<br />

wurden da präsentiert. Heute, fast vierzig Jahre nach<br />

diesen Pionierinnen in der Männerwelt, nun also eine<br />

Dokumentation über drei Männer, die mehr als drei<br />

Monate Elternzeit genommen haben. Während ihre<br />

Frauen arbeiten gehen, kümmern sie sich gewissermaßen<br />

hauptamtlich um ihre kleinen Kinder. Exoten auch<br />

sie, immer noch.<br />

So unterschiedlich die drei Männer, Sandro, Bernd und<br />

Oliver sind: alle drei lassen sich mehr als bereitwillig<br />

beim Vatersein zugucken. In vielen Momenten scheinen<br />

sie es sogar zu genießen, über ihre Erlebnisse, Erfahrungen<br />

und Probleme zu berichten. Selbst in stressigen<br />

Situationen, wenn die Kinder quengeln oder Konflikte<br />

mit der Frau in der Luft liegen, ist wenig zu spüren von<br />

der Versagensangst, dem Gefühl nicht gut genug zu sein,<br />

die Mütter oft ein Leben lang begleitet. Kaschieren diese<br />

Väter solche Ängste besser, oder sind sie als „Pioniere“<br />

einfach noch keinem Erwartungsdruck ausgesetzt?<br />

Anni Seitz beantwortet diese Frage nicht direkt, sondern<br />

beschränkt sich auf gründliche, beinahe ethnographische<br />

Beobachtung ihrer Protagonisten in Schlüsselsituationen<br />

des Alltags mit Kindern: Väter beim zu Bett


40 <strong>epd</strong> medien ■ <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> · 30.11.2012<br />

bringen, beim Tränen trocknen, auf dem Spielplatz, im<br />

Haushalt, und natürlich beim Verabschieden und wieder<br />

in Empfang nehmen der arbeitenden Ehefrau.<br />

All diese unspektakulären, vertrauten, ja geradezu<br />

banalen Szenen fügen sich nach und nach zu ziemlich<br />

komplexen Porträts der jeweiligen Väter. Da ist einmal<br />

Sandro, der Friseur: Er, der früh angefangen hat zu<br />

arbeiten und selbst schon als Kind im Fuhrunternehmen<br />

seines italienischen Vaters mithalf, genießt die Zeit mit<br />

Tochter Ada Louise als Freizeit. Er macht Ausflüge mit<br />

ihr, verwöhnt sie und beruhigt nebenbei das schlechte<br />

Gewissen, für den älteren Sohn aus einer früheren<br />

Beziehung kaum dagewesen zu sein. Die Lässigkeit, mit<br />

der er dabei den Haushalt ignoriert, macht seiner Frau<br />

zu schaffen: „Wenn ich frei habe, versuche ich mit Ada<br />

Luisa zusammen ganz viel zu erledigen, und vergesse<br />

manchmal, dass ich lieber was mit ihr machen sollte.<br />

Sandro läßt alles stehen und liegen und geht mit ihr<br />

raus.“<br />

Oliver weiß als Gymnasiallehrer ebenfalls, dass ihm sein<br />

Beruf nicht davonläuft. Er sagt von sich, er sei schon wegen<br />

seiner vielen Kolleginnen Frauen-Versteher. Dass er<br />

nun für ein Jahr für Kleinkind und Haushalt verantwortlich<br />

ist, während seine Frau sich um die Bankkarriere<br />

kümmert, nimmt er als sportliche Herausforderung. Und<br />

er ist es offenbar gewohnt zu gewinnen, egal in welcher<br />

Disziplin, und dabei immer noch cool und hip zu wirken<br />

- jedenfalls wenn die Kamera läuft.<br />

Der einzige, der Unsicherheiten in der Fulltime-Vaterrolle<br />

offen zugibt, ist Bernd. Das, so legen die Filmszenen<br />

nahe, liegt vielleicht auch daran, dass er mit 43 noch<br />

nicht einmal Spaghetti kochen kann, zum anderen<br />

daran, dass er in seinem gelernten Beruf keine Arbeit<br />

mehr findet und sich nun noch zum Kindergärtner<br />

umorientieren will. Vor allem aber hat er seinen eigenen<br />

Vater als extrem streng und kalt empfunden und will<br />

es unbedingt ganz anders und besser machen.<br />

Indem sie die Frage nach den Vätern der Protagonisten<br />

stellt, und man auch alle drei Herren kennenlernt, bewahrt<br />

Anni Seitz ihren Film sowohl vor dem Abgleiten<br />

ins Banale als auch vor allzu viel Selbstdarstellung der<br />

Protagonisten. Stattdessen vermisst sie gewissermaßen<br />

das Gelände, auf dem die drei jungen Väter unterwegs<br />

sind - und das ist erschreckend konservativ. Während<br />

Bernds Vater unverblümt die Ohrfeige als Erziehungsmittel<br />

verteidigt, sagt Sandros Vater, dass er seinen Sohn<br />

einfach nur zu einem guten Menschen erziehen wollte<br />

- Zeit hat er mit ihm vor allem dann verbracht, wenn<br />

er ihn auf seine LKW-Touren mitnahm. Olivers Vater<br />

dagegen erklärt in schönster Offenheit, dass er zwar<br />

theoretisch immer für Gleichberechtigung gewesen sei,<br />

■ KRITIK ■<br />

im wirklichen Leben aber ein „echter Macho“, der Kinder<br />

und Haushalt gerne seiner Frau überlassen hat.<br />

Eine Rollenverteilung, die Sandros Frau interessanterweise<br />

als „immerhin berechenbar und klar“ bezeichnet.<br />

Sie ist, auch das arbeitet der Film in seinem Verlauf gut<br />

heraus, sichtlich gestresst davon, ständig diskutieren<br />

zu müssen, wer denn nun für was zuständig ist, wer<br />

mehr Anspruch auf Zeit für sich selbst hat und wessen<br />

berufliche Pläne eigentlich wichtiger sind. „Jeder<br />

murkst sich halt so sein Ding zusammen“ ist ihr Gefühl,<br />

„und man hat auch keine Zeit, sich darüber wirklich<br />

auszutauschen wie es die anderen machen, weil man<br />

ja den Kontakt zu den anderen völlig verliert in dem<br />

ganzen Gemurkse“.<br />

Aber ist diese „Gemurkse“ wirklich so schlimm wie<br />

es ihr scheint, oder sind einfach die Erwartungen an<br />

sich selbst als Eltern viel zu hoch ? „Vatertage“ lässt<br />

auch diese Frage offen. Wer mag, kann vielleicht eine<br />

Antwort finden in den Beobachtungen der Kinder, die<br />

den Reden der Eltern immer wieder gegenübergestellt<br />

werden. Poetische aber nie klischeehafte oder kitschige<br />

Kamerastudien von Momenten, in denen die sich weder<br />

Mama noch Papa um die Kinder kümmert. Ganz in ihrer<br />

eigenen Welt, wirken sie eigentlich ziemlich zufrieden.<br />

Sigrun Matthiesen<br />

Stationendramaturgie<br />

„Donauspital - Alltag im Tempel der Spitzenmedizin“,<br />

Buch, Kamera und Regie: Nikolaus Geyrhalter (Arte,<br />

7.11.12, 20.15 - 21.30 Uhr)<br />

<strong>epd</strong> „Achtung, automatischer Transport“: Die krächzende<br />

Stimme führt als Leitmotiv durch diesen Film. Im<br />

Untergeschoss des Krankenhauses kurven unermüdlich<br />

Transportroboter hin und her, elegant, fast lautlos, ferngesteuerte<br />

Wägelchen auf Magnetspuren. Auf ihnen<br />

wird alles möglich befördert, schmutzige und saubere<br />

Wäsche, Müllcontainer, Medikamente. Ab und zu laufen<br />

Menschen dazwischen herum, sie müssen gewarnt<br />

werden: „Achtung, automatischer Transport“.<br />

Transportkollektorgang heißt der breite unterirdische<br />

Gang, auf dem sie herumfahren und er gehört zu einem<br />

der größten Krankenhäuser Europas, dem „Sozialmedizinischen<br />

Zentrum Ost“, kurz Donauspital SMZ genannt,<br />

dem zweitgrößten Krankenhaus Wiens. Nikolaus Geyrhalter<br />

zeigt in seinem Dokumentarfilm den Alltag in<br />

dieser Institution. Keine Dramatik im Operationsraum,<br />

keine hektischen Sanitäter in der Notaufnahme, keine<br />

weinenden oder ratlosen Patienten und Besucher, keine<br />

Flirts zwischen Ärzten und Schwestern. Nichts, was


man so aus dem Fernsehen als Krankenhaus zu kennen<br />

meint. Vielmehr ein kühler und nüchterner Blick<br />

auf einen sehr großen Apparat, auf ein System mit<br />

seinen verschiedenen Funktionsebenen. Der Autor geht<br />

akribisch und unhierarchisch vor, kommt von der Intensivstation<br />

bis zur Müllverbrennung, von der Desinfektion<br />

bis zur Pathologie, von der Ärztebesprechung bis zur<br />

Arbeitssitzung der technischen Dienste.<br />

Die Szenerien sind ordentlich beschriftet, der Zuschauer<br />

weiß immer, wo er sich grade befindet in der riesigen<br />

Klinik. Operationen zeigt der Film auch. Nach einer<br />

minimalinvasiven Magenoperation, bei der die Vorgänge<br />

im Körperinnern auf Bildschirm übertragen werden,<br />

werden routiniert Wunden im Innenbauch vernäht, die<br />

Ärzte unterhalten sich dabei übers Wetter. Griffsicher<br />

holt in der Pathologie der Arzt das Hirn eines Toten<br />

aus der Hirnschale, danach wird es in dünne Scheiben<br />

zerschnitten. Geyrhalters Kamera zeigt, macht aber keine<br />

Sensation draus und spielt nicht mit Ängsten. Andere<br />

Szenen wiederum wirken skurril und komisch. Die Räume<br />

der Seelsorge liegen mitten im Krankenhaus, Kerzen<br />

dürfen aus Sicherheitsgründen hier nicht brennen.<br />

Die Seelsorger basteln daher, wie im Kindergarten, für<br />

Patienten und Angehörige Kerzen aus Pappe und nennen<br />

das auch noch „virtuelle Kerzen“. In einer Szene muss<br />

eine alte Patientin, die kaum noch sitzen kann, sich<br />

eine lange religiöse Krankensalbung gefallen lassen -<br />

die Szene wurde allerdings nachgestellt.<br />

Technik selbst kommt nicht nur in Bildern, sondern auch<br />

in Geschichten vor. Haustechniker debattieren über<br />

einen Vorfall, in dem eine automatische Tür sich nicht<br />

öffnete. Drinnen ein Patient mit akuter Herzattacke, die<br />

Ärzte vor der verschlossenen Tür - und mittendrin die<br />

Krankenschwester vor dem Dilemma, entweder sofort<br />

reanimieren oder erst die Tür öffnen zu müssen. Eine<br />

Schrecksekunde im strukturierten Ablauf.<br />

Mit den Transportrobotern zieht Nikolaus Geyrhalter<br />

seinen roten Faden durch die Stationendramaturgie.<br />

Nicht einzelne Personen und ihr Schicksal interessieren<br />

ihn, sondern das System in seinem Funktionieren. Das<br />

Krankenhaus als nicht immer reibungslos arbeitende<br />

Institution, in der intensive Kooperation und Kommunikation<br />

notwendig ist. Die Fachsprache von Ärzten<br />

und Schwestern gibt einem mehr als einmal Rätsel auf.<br />

In all dem ist Geyrhalter ein beobachtender Regisseur,<br />

der genau hinsieht, seine Funde zeigt und sich dabei<br />

der Interpretation enthält. Die findet man allerdings im<br />

Schnitt. Sehr geschickt und fast unmerklich montiert<br />

der Autor auch nach Beziehungen in den Abläufen und<br />

den Szenerien, schafft so Binnenspannung und fügt die<br />

Mosaik zu einem Ganzen. Es zeigt sich deutlich, dass<br />

der Film als Ganzes weit mehr ist als die Summe seiner<br />

einzelnen Teile.<br />

■ KRITIK ■ 30.11.2012 · <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> ■ <strong>epd</strong> medien 41<br />

Dabei arbeitet Nikolaus Geyrhalter mit der gleichen<br />

Methode wie in seinem mehrfach preisgekrönten Film<br />

„Unser täglich Brot“: strenge Kadrierung, kein Kommentar,<br />

keine Musik, keine Interviews oder gar Expertenstatements.<br />

Einordnung und Bewertung der Bilder<br />

obliegen dem Zuschauer. Geyrhalter hatte überall im<br />

Krankenhaus drehen dürfen, musste aber natürlich die<br />

Patientenrechte achten. So wurden die Namen verändert<br />

und Gesichter von Patienten mit Hilfe von Computertechnik<br />

ausgetauscht - so hatte der Autor es auch schon<br />

in seinem letzten Film „Abendland“ gehalten.<br />

Dennoch entfaltet „Donauspital“ nicht die gleiche<br />

Faszination wie seinerzeit „Unser täglich Brot“. Wahrscheinlich<br />

weil wir hier zwar angstbesetztes Terrain<br />

betreten, aber dabei nicht noch unser schlechtes Gewissen<br />

mobilisieren müssen, wie bei industrieller Nahrungsmittelproduktion<br />

und Tierhaltung geläufig. Hier<br />

haben wir es mit der Maschine Krankenhaus zu tun.<br />

Das kann zwar auch anknüpfen an eine Abwehrhaltung<br />

zu technisch dominierter Medizin und spielen mit dem<br />

latenten Verdacht ihrer Menschenfeindlichkeit. Aber:<br />

Wenn es sich auch um eine Maschine handelt, in der<br />

alle Rädchen funktionieren müssen und in die man sich<br />

auch als Patient eingliedern muss - am Ende sind wir<br />

doch dankbar für deren technische Errungenschaften,<br />

spätestens im Notfall.<br />

Neben seiner Baukastendramaturgie zieht Geyrhalter<br />

auch noch einen erzählerischen Bogen von der Frühchen-<br />

Station bis zur Kühlkammer mit den Verstorbenen: Der<br />

Kreislauf von Leben und Tod, der dem Krankenhaus eingeschrieben<br />

ist. Der Film endet mit der Fahrt eines Toten<br />

im Sarg durch den Transportkollektorgang. Der Wagen<br />

mit dem Sarg wird von Menschen geschoben, nicht<br />

von den herumkurvenden Transportrobotern und nicht<br />

unter dem Klang der Stimme „Achtung, automatischer<br />

Transport“. Soviel Pietät muss sein. Fritz Wolf<br />

Knotenpunkte deutscher Geschichte<br />

„Und dann“, Regie: Cordula Dickmeiß, Buch: Wolfram<br />

Höll (Deutschlandradio Kultur, 14.11.12, 21.33-<br />

22.13 Uhr)<br />

<strong>epd</strong> Manchmal bedarf es nur weniger Worte, um eine<br />

Situation an einen Ort zu binden und zugleich weite<br />

Assoziationshorizonte zu öffnen. „Panzerparadenlangenstraße“<br />

ist so ein Wort, „Würfelmittausendstimmendrinnen“<br />

ist ein anderes und „Verlierling“ ein drittes.<br />

Was den Menschen ein Findling, ist dem Gletscher ein<br />

Verlierling, den er auf seinem Weg vergessen hat. Und<br />

dann hat der Mensch um drei Verlierlinge vier Platten


42 <strong>epd</strong> medien ■ <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> · 30.11.2012<br />

gebaut. Keine besonders hohen, aber dafür sehr lange<br />

Häuser.<br />

Die drei Figuren, zwei Söhne und ihr Vater, in dem<br />

Theatertext „Und dann“ des jungen Autors Wolfram<br />

Höll, geboren 1986 in Leipzig, wohnen in einem „dieganzestraßelangistes<br />

Haus“. Selbst wenn man in dem<br />

Hörspiel die typographischen Wortverkettungen nicht<br />

direkt hören kann, so teilen sie sich doch unterschwellig<br />

mit. Nicht weil Fabian Busch und Florian Lukas sie<br />

so pausen- und zwischenraumlos sprechen würden,<br />

sondern weil die Schauspieler sich in die Weltwahrnehmung<br />

eingefühlt haben, aus der die Wörter entsprungen<br />

sind. Denn es sind Kinder, die ihre Welt zwischen den<br />

Plattenbauten so beschreiben.<br />

Die Zeit, die sie erleben, ist eine transitorische, die<br />

zwischen dem Ende der DDR und dem Beginn des wiedervereinigten<br />

Deutschlands. Eben noch haben sie mit<br />

ihrem Vater (Michael Hanemann) an der „Panzerparadenlangenstraße“<br />

die „Panzerparadenlangenstraßenparade“<br />

angesehen, schon ist aus ihr eine „Jedentagwagenparadestraße“<br />

geworden, auf der „Altwestwagen“ nach<br />

Osten fahren und wieder zurück.<br />

Der Vater, der eben noch in einem, bei der Bevölkerung<br />

ziemlich unbeliebten Riesenhaus oder einem „Hausriesen“<br />

(der Stasi oder der Partei?) gearbeitet hat, bastelt<br />

jetzt nur noch an einem Projektor herum, mit dem er<br />

Filmbilder seiner Frau und seiner Kinder an die gegenüberliegende<br />

Häuserwand wirft. Falls er nicht mit seinem<br />

Funkgerät (eben jenem „Würfelmittausendstimmendrinnen“)<br />

in den Äther lauscht, um die Stimme seiner Frau<br />

zu finden, die ihm ebenso abhandengekommen ist wie<br />

den Gletschern ihre Verlierlinge.<br />

Wolfram Höll soll den Text zu „Und dann“ auf einer<br />

Schreibmaschine verfasst haben, einem Werkzeug, das<br />

■ KRITIK ■<br />

die Wörter unmittelbar fixiert, ohne die Möglichkeit<br />

des schnellen Löschens und Überschreibens. Die daraus<br />

resultierende notwendige Genauigkeit scheint man dem<br />

Text anzumerken, ebenso wie den Weißraum, durch den<br />

sich die Geraden der Schrift ziehen und der dem Hörer<br />

eigene Räume der Zuhörkunst eröffnet.<br />

Bestimmte literarische Motive tauchen im Text immer<br />

wieder auf wie Findlinge in der kargen Gleichförmigkeit<br />

einer plan geschliffenen Landschaft. Das Motiv des<br />

Plattenbaus als wörtlich genommene Projektionsfläche<br />

gehört dazu, ebenso das der russlanddeutschen Spätaussiedler,<br />

die als Vater, Mutter, Kind immer zu dritt als<br />

eine Art Heilige Familie ein Bild vor sich hertragend<br />

prozessionsartig durch die Plattenbausiedlung streifen.<br />

Regisseurin Cordula Dickmeiß hat den Text, den Deutschlandradio<br />

Kultur beim „Stückemarkt“ des Berliner Theatertreffens<br />

2012 zum besten „Theatertext als Hörspiel“<br />

gewählt hat, so überzeugend inszeniert, dass man ihn<br />

sich kaum mehr auf der Theaterbühne vorstellen kann.<br />

Sie hat den Text in seiner Motivstruktur ernst genommen<br />

und in ihrer Schauspielerführung auf jeden kindlichen<br />

Naturalismus verzichtet. Die so nur im Radio mögliche,<br />

sehr transparente Schichtung von Texten und Stimmen<br />

zum Höhepunkt des knapp 40-minütigen Hörspiels erzeugt<br />

zusammen mit dem suggestiven Sounddesign des<br />

Komponisten Tilman Ehrhorn ein dichtes und zugleich<br />

luftiges Textgewebe, an dessen Knotenpunkten sich<br />

deutsche Geschichte abgelagert hat.<br />

„Und dann“ ist der Schluss- und Höhepunkt der Hörspielreihe<br />

„Transitraum“, mit der sich Deutschlandradio<br />

Kultur an die historischen Umbrüche der Jahre 1989/<br />

90 erinnert hat, und es ist eines der besten Hörspiele<br />

des Jahres 2012. Jochen Meißner


■ DOKUMENTATION<br />

Jury-Begründungen<br />

Die Preise beim Fernsehfilm-Festival Baden-Baden 2012<br />

<strong>epd</strong> Beim Fernsehfilm-Festival Baden-Baden sind<br />

am 23. November die Preise verliehen worden. Wie<br />

jedes Jahr waren zwölf Filme im Wettbewerb um<br />

den Fernsehfilmpreis der Deutschen Akademie der<br />

Darstellenden Künste. Die Filme wurden vom 20.<br />

bis 22. November öffentlich vorgeführt und diskutiert.<br />

Der Jury gehörten an: Michael Schmid-Ospach<br />

(Vorsitzender der Jury, langjähriger Geschäftsführer<br />

der Filmstiftung NRW), Rolf Bolwin (Geschäftsführender<br />

Direktor des Deutschen Bühnenvereins),<br />

Doris Metz (Regisseurin), Diemut Roether (Verantwortliche<br />

Redakteurin <strong>epd</strong> medien). Natalia Wörner<br />

(Schauspielerin) und Sönke Wortmann (Regisseur).<br />

Bei der Gala wurden auch der Hans-Abich-Preis und<br />

der Rolf Hans-Müller-Preis für Filmmusik verliehen.<br />

Der Fernsehfilmpreis der Deutschen Akademie der Darstellenden<br />

Künste geht an<br />

Volker Schlöndorff (Buch und Regie) für „Das Meer<br />

am Morgen“ (ARTE/ARD/BR/NDR/SWR)<br />

Begründung<br />

„Das Meer am Morgen“, so der Titel des Films, hält,<br />

was er verspricht. Es geht in die Tiefe und in die Weite<br />

menschlicher Abgründe. Es ist eine Reise, aus der es kein<br />

Entrinnen gibt. Der Film hat eine europäische Seele.Er<br />

wagt sich auf subtile und intelligente Weise in die<br />

komplexe deutsch-französische Kriegs- und Kollaborationsrealität<br />

des Zweiten Weltkriegs hinein. Es ist die<br />

minutiöse und unerbittliche Beobachtung einer Massenhinrichtung,<br />

an der der Zuschauer teilnimmt. Und dabei<br />

werden wir als Betrachter Teil eines scheinbar logischen<br />

und unmenschlichen Räderwerks. Der Kinomann Schlöndorff<br />

inszeniert zum ersten Mal einen Fernsehfilm. Er<br />

durchdringt das Medium Fernsehen und führt es an die<br />

Grenzen seiner inhaltlichen wie formalen Möglichkeiten.<br />

Er berührt, verzaubert und bringt unseren Atem zum<br />

Stocken.Der Film ist kein Event - er ist ein Ereignis.<br />

Der Preis für eine herausragende darstellerische Leistung<br />

geht an<br />

Ulrich Noethen für seine Leistung in „Das unsichtbare<br />

Mädchen“ (ZDF/ARTE)<br />

Ulrich Noethen spielt in „Das unsichtbare Mädchen“<br />

den skrupellosen Polizeikommissar Michel, der in der<br />

fränkischen Provinz auf brutale Weise seinen Machtbe-<br />

■ DOKUMENTATION ■ 30.11.2012 · <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> ■ <strong>epd</strong> medien 43<br />

reich sichert. Er ist der Ordnungshüter, der seine eigene<br />

Unordnung schafft. In seinem Spiel wechselt Noethen<br />

zwischen subtiler Bösartigkeit und brutaler Gewalt. Ulrich<br />

Noethen, der kein gebürtiger Franke ist, beherrscht<br />

als Kommissar Michel alle Nuancen des Fränkischen,<br />

als habe er sein Leben tatsächlich dort verbracht. Hinzu<br />

kommt die grandiose physische Präsenz dieser Figur,<br />

der man jederzeit einen Wutausbruch zutraut. Am Ende<br />

wird der böse Dorfsheriff erschossen. Selten war man<br />

als Zuschauer so erleichtert.<br />

Der Preis für Regie geht an<br />

Stephan Wagner für „Der Fall Jakob von Metzler“<br />

(ZDF)<br />

Darf die Androhung von Folter das letzte Mittel sein,<br />

um das Leben eines Kindes zu retten? Diese Frage<br />

steht im Mittelpunkt des Films „Der Fall Jakob von<br />

Metzler“. Regisseur Stephan Wagner erzählt in diesem<br />

schnörkellosen, dokumentarisch wirkenden Film eine<br />

Geschichte, deren tragischer Ausgang den meisten Zuschauern<br />

bekannt sein dürfte. Er hält sich an vorliegende<br />

Protokolle und Gerichtsakten, erzählt das Geschehen<br />

unaufgeregt und detailgetreu nach und macht aus<br />

der hoch komplizierten, spröden Abwägung zwischen<br />

unterschiedlichen Rechtsgütern einen packenden Film.<br />

Nicht zuletzt liegt das an einem vom Regisseur hervorragend<br />

geführten Ensemble, das das Räderwerk<br />

professioneller Polizeiarbeit und auch die anschließende<br />

Verhandlung des Falls vor Gericht überzeugend darstellt.<br />

Der Vizepräsident der Frankfurter Polizei, Wolfgang<br />

Daschner, wird in diesem Film zum tragischen Helden,<br />

ein pflichtbewusster Beamter, der meint, im Recht zu<br />

sein, als er die Anweisung gibt, dem Entführer „unmittelbaren<br />

Zwang“ anzudrohen. Der Rechtsstaat, das macht<br />

dieses gelungene intellektuelle Wagestück deutlich, ist<br />

ein komplexes und fragiles Gebilde.<br />

Der Preis für Drehbuch geht an<br />

Magnus Vattrodt für „Liebesjahre“ (ZDF)<br />

Die Räumung und den Verkauf des gemeinsamen Hauses<br />

eines seit Jahren geschiedenen Ehepaars macht Magnus<br />

Vattrodt mit seinem Drehbuch zu einem wunderbaren<br />

Kammerspiel für vier Personen. Die Dialoge sind intelligent,<br />

schnell und witzig, ja, oft scharfsinnig und<br />

zugleich von besonderer Tiefe. Diese entspringt dem


<strong>epd</strong> medien Postvertriebsstück / Entgelt bezahlt GEP Postfach 50 05 50 60394 Frankfurt am Main 20109<br />

Wissen von der Vergänglichkeit des Lebens, das sich<br />

mal in die wahren Gefühle schützender Kälte, mal in<br />

Panikattacken, mal in einem fast melancholischen Pragmatismus<br />

äußert. So entwickelt sich ein Spiel zwischen<br />

Festhalten und Loslassen, zwischen Verdrängung und<br />

Realität. Doch am Ende finden alle zu ihrer eigenen<br />

Wahrheit und spüren, dass die Liebe alles ist und bleibt,<br />

auch wenn es zuweilen an den Fähigkeiten mangelt, sie<br />

zu leben.<br />

Der Autor kennt sich wirklich aus mit seinen Personen<br />

und so wird „Liebesjahre“ zu einem kleinen filmischen<br />

Meisterwerk mit vier großartigen Schauspielern.<br />

Der Hans-Abich-Preis für herausragende Verdienste im<br />

Bereich Fernsehfilm geht an<br />

Klaus Doldinger<br />

Der Jazz ist seine Passion, das Saxophon seine Liebe:<br />

Seit über 55 Jahren steht Klaus Doldinger auf der Bühne.<br />

Doch genauso ist das Studio sein Arbeitsplatz. 1967<br />

ertönte die erste Melodie, die er für das Fernsehen<br />

schrieb. Es war der Trailer zur Einführung des Farb-<br />

■ NOTIERT<br />

■ „Die Tageszeitung müsste also,<br />

so folgerten viele, künftig anderes<br />

leisten: analysieren, einordnen,<br />

Hintergründe liefern, Haltungen<br />

und Meinungen vertreten. Dagegen<br />

gibt es zunächst schon deshalb<br />

nichts einzuwenden, weil es zu<br />

dieser Idee gar keine Alternative<br />

gibt. Das Problem für die meisten<br />

Tageszeitungen wird nur sein, dass<br />

genau dieses Geschäft schon von<br />

vielen anderen ausgesprochen gut<br />

und erfolgreich betrieben wird, man<br />

nennt sowas auch Wochenzeitung.<br />

Die Idee also, die Tageszeitung zu<br />

einer Art täglichen Wochenzeitung<br />

zu machen, ist schon ganz hübsch,<br />

die Frage ist nur, ob es für diese<br />

inhaltliche Kehrtwende bei vielen<br />

nicht schlichtweg zu spät ist. Selbst<br />

da muss die FR leider als Beispiel<br />

herhalten: Es wäre ja nicht so, dass<br />

das Blatt blind in Richtung Abgrund<br />

gelaufen wäre. Man hat ja durchaus<br />

einiges versucht und am Ende<br />

sogar eine durchaus vorbildliche<br />

fernsehens. Kurz darauf folgte die Titelmelodie für den<br />

ersten „Tatort“, die bis heute beibehalten wurde. Sein<br />

größter Erfolg im Film und Fernsehen ist die Musik<br />

zu „Das Boot“. Zahlreiche Fernsehserien wurden mit<br />

seiner Musik untermalt. In den letzten Jahren hat er für<br />

die Filme des Meisterregisseurs Oliver Storz die Musik<br />

komponiert.<br />

Der Rolf-Hans-Müller-Preis für Filmmusik geht an<br />

Daniel Sus für die Musik zu dem Film „Sommer<br />

auf dem Land“ (Polen/Deutschland/Finnland 2011,<br />

Regie: Radek Wegrzyn)<br />

Begründung<br />

Tablet-App produziert. Die Abwärts-<br />

Spirale war trotzdem nicht mehr<br />

aufzuhalten.“ - Christian Jakubetz<br />

in „JakBlog“.<br />

■ „Das Fernsehen der Zukunft<br />

muss spontan und simultan sein<br />

oder es wird nicht mehr sein. Dieses<br />

lineare Greisentum, diese beamtenhafte<br />

Verwaltung von sensationellen<br />

Augenblicken, das ist das Elende.<br />

Mit Augenblicken dieser Aura, mit<br />

Momenten, die das Herz stillstehen<br />

lassen, geht man nicht so fahrlässig<br />

um. Das Fernsehen ist doch stets<br />

auf der Suche nach Authentizität<br />

(...). Die ARD hätte in diesem transzendentalen<br />

Traumtor-Moment<br />

ihre nationale Brille abnehmen<br />

und den Blick des globalen Trüffelschweins<br />

sich zu eigen machen<br />

müssen, denn das ist der Blick, mit<br />

dem junge Leute heute das Netz bereisen.<br />

Wacht auf! Werdet lebendig!<br />

Danke, Zlatan!“ - Torsten Körner in<br />

der „Funkkorrespondenz“.<br />

Für die Vertonung von „Sommer auf dem Land“ komponierte<br />

Daniel Sus eine sehr einfühlsame und sehr<br />

wandlungsfähige Musik, die auf der Basis von osteuropäisch<br />

geprägten Musikfarben komödiantische und<br />

dramatische Züge vereint und zugleich auf sensible<br />

Weise die Charaktere der Hauptdarsteller widerspiegelt.<br />

■ „Journalisten fühlen sich - vielleicht<br />

und hoffentlich - einer gewissen<br />

Wahrhaftigkeit und Redlichkeit<br />

verpflichtet, aber sie haben nicht<br />

,die Aufgabe’, irgendeine ,Wahrheit’<br />

zu verbreiten, und schon gar nicht<br />

die ,Wahrheit’ der Politiker und der<br />

politischen Aktivisten. Jenseits der<br />

staatlichen Institutionen und der<br />

Einrichtungen, die auf der Basis des<br />

Grundgesetzes staatlicher Kontrolle<br />

unterstehen, gibt es überhaupt<br />

keine Funktionen oder Aufgaben<br />

in einer freiheitlichen Gesellschaft.<br />

Man kann zwar moralisch appellieren,<br />

dass ein jeder Bürger und eine<br />

jede Journalistin die Aufgaben, die<br />

sie sich selbst gesucht und gestellt<br />

haben, redlich und gewissenhaft<br />

ausführt, man kann juristisch durchsetzen,<br />

dass sie sich dabei an die<br />

geltenden Gesetze halten, aber niemand<br />

hat das Recht, über Aufgaben<br />

einer Zeitung oder irgendeines Unternehmens<br />

zu befinden, die diesen<br />

,von der Gesellschaft’ zugewiesen<br />

werden könnten.“ - Jörg Friedrich in<br />

„Telepolis“.<br />

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