Praktischer Teil - CNLPA
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Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing<br />
Ein Seminarkonzept<br />
Mario Giesel<br />
NLP Master-Arbeit<br />
an der<br />
bei Klaus Grochowiak<br />
in Taunusstein / Hahn<br />
April 2008<br />
1
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Einleitung...............................................................................................................................3<br />
1 Theoretischer <strong>Teil</strong> ..........................................................................................................4<br />
1.1 Relevanz von Reframings......................................................................................4<br />
1.2 Inhalts-Reframing (content reframing) bei Bandler & Grinder.............................4<br />
1.2.1 Reframing als Zusammenhangsstiftung.........................................................4<br />
1.2.2 Rollen im Reframing-Prozess........................................................................7<br />
1.2.3 Frame als Kontext..........................................................................................8<br />
1.2.4 Ereignis, Kontext, Konstellation....................................................................8<br />
1.2.5 Frame als innerer Kontext............................................................................10<br />
1.2.6 Reframing in der Umgangssprache..............................................................10<br />
1.2.7 Reframe als Antithese des Frame ................................................................11<br />
1.2.8 Reframing-Modelle......................................................................................11<br />
1.2.9 Bedeutungs-Reframing (meaning reframing): Abdrücke auf dem Teppich 11<br />
1.2.10 Manöver beim Bedeutungs-Reframing........................................................12<br />
1.2.11 Kontext-Reframing (context reframing): Die sture Tochter........................13<br />
1.2.12 Kontextsuche ...............................................................................................13<br />
1.2.13 Vergleich zwischen Bedeutungs- und Inhalts-Reframing ...........................14<br />
1.2.14 Weitere Beispiele Bandler & Grinders zum Inhaltlichen Reframing ..........15<br />
1.2.15 Pacing, Leading, Kongruenz........................................................................15<br />
1.2.16 Erfolgsindikatoren .......................................................................................16<br />
1.2.17 Übung Kontext- und Bedeutungs-Reframing..............................................16<br />
1.2.18 Wohlgeformtheit..........................................................................................17<br />
1.2.19 Modell der Welt...........................................................................................17<br />
1.2.20 Richtung des Reframing ..............................................................................18<br />
1.2.21 Parallele zum Meta-Modell .........................................................................19<br />
1.2.22 Funktion der Verwirrung .............................................................................19<br />
1.2.23 Ökologie.......................................................................................................19<br />
1.3 Inhaltliches Reframing bei Robert Dilts ..............................................................19<br />
1.3.1 Frame ...........................................................................................................20<br />
1.3.2 Strategie beim Reframing ............................................................................21<br />
1.3.3 Die Definition von Reframing bei Dilts ......................................................22<br />
1.3.4 Kontext-Reframing bei Dilts .......................................................................22<br />
1.3.5 Bedeutungs-Reframing bei Dilts .................................................................23<br />
1.3.6 Fünf Sleight-of-Mouth-Muster des Inhaltlichen Reframings ......................24<br />
1.4 Ergänzungen und Präzisierungen.........................................................................25<br />
1.4.1 Über den Bedeutungsbegriff bei Bandler und Grinder................................25<br />
1.4.2 Komplexe Äquivalenz .................................................................................26<br />
1.4.3 Kontext- vs. Bedeutungs-Reframing ...........................................................30<br />
1.4.4 Ereignisse.....................................................................................................31<br />
1.4.5 Nonverbales Reframing ...............................................................................31<br />
1.5 Systematik des Inhalts-Reframing.......................................................................31<br />
2 <strong>Praktischer</strong> <strong>Teil</strong> ............................................................................................................35<br />
2.1 Seminarinhalte .....................................................................................................35<br />
2.2 Unterweisungsmethoden......................................................................................45<br />
2.3 Unterweisungsmittel ............................................................................................48<br />
Abbildungen.........................................................................................................................49<br />
Zitate ....................................................................................................................................49<br />
Literatur ...............................................................................................................................50<br />
Kontakt.................................................................................................................................50<br />
2
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Einleitung<br />
Bandler & Grinder (1982) geben ein mögliches Modell vor, wie das Inhaltliche Reframing<br />
im Seminarkontext vermittelt werden kann. Dem Leser offenbart sich ein plaudernder Seminarleiter,<br />
der auf Basis seines reichhaltigen Erfahrungsschatzes, einer zupackenden Persönlichkeit<br />
sowie allerlei rhetorischer Stilmittel (z.B. Überzeichnung, Polemisierung, Provokation,<br />
Geschichten einflechten, plötzliche Themenwechsel) seine Zuhörer in den Bann<br />
schlägt und bei Laune hält. Gelegentlich mag man sich fragen: Ist es möglich, die Person<br />
des Seminarleiters ein Stück weit in den Hintergrund treten zu lassen – zugunsten einer<br />
stärkeren Fokussierung auf die Systematik der Lerninhalte? Dies würde entlastend auf den<br />
Trainer wirken und die Aufmerksamkeit der <strong>Teil</strong>nehmer auf das eigentliche inhaltliche<br />
Thema bündeln helfen. Das Programm in Kurzform sieht in etwa so aus:<br />
Jemand framt ein Ereignis, eine Empfindung. Der im benutzten Frame sich entfaltende<br />
Sinnzusammenhang missfällt ihm und veranlasst ihn zu einer Klage bzw. Beschwerde.<br />
Diese enthält zumindest eine Behauptung. Wir ermitteln die relevante(n) Behauptung(en)<br />
der Klage. Wir ermitteln ferner, ob die Klage dem Verlangen entspringt, ein Leiden zum<br />
Ausdruck zu bringen, das der Klagende lieber nicht hätte. Wir schließen also etwa das kokettierende<br />
oder ironische Klagen als nicht interventionsbedürftig aus. Die kritische Behauptung<br />
wird nun nach gebotener Pacing-Sequenz nicht frontal auf die Hörner genommen<br />
("Das stimmt doch nicht"). Stattdessen wird sie entweder mittels kreativem Austausch des<br />
Inhalts einem Sinnwechsel zugeführt bzw. umgedeutet ("Das bedeutet …" - Bedeutungs-<br />
Reframing) oder in einen Kontext verlegt, der die (neue) Implikation der Behauptung<br />
nunmehr als erstrebenswert oder zumindest angemessen erscheinen lassen (Kontext-<br />
Reframing). Die ursprüngliche "negative" Implikation der Behauptung wird damit in beiden<br />
Fällen entkräftet, indem eine alternative Implikation angeboten wird, die a) mindestens<br />
ebenso überzeugend ist und b) bisher übersehen wurde: Das Leiden erlischt, die Klage verstummt.<br />
Die vorliegende Arbeit soll sich der Frage widmen, wie das Inhaltliche Reframing im<br />
Rahmen eines ein- bis zweitägigen Seminars auf systematische Weise gelehrt und gelernt<br />
werden kann. Im ersten <strong>Teil</strong> der Arbeit wird zunächst der wesentliche theoretische Hintergrund<br />
aufgerollt, wie er sich bei Bandler und Grinder (1982) und Dilts (2001) darstellt. Wo<br />
begriffliche Präzisierungen erforderlich erscheinen oder weiterführende Überlegungen u.<br />
E. interessant und wichtig genug sind, sollen ergänzende Erörterungen angeboten werden.<br />
Als Synthese soll sich eine Auflistung und pointierte Erklärung der wesentlichen Elemente<br />
eines inhaltlichen Reframing ergeben.<br />
Im zweiten, praktischen <strong>Teil</strong> soll ein nach 17 Lerneinheiten gegliedertes thematisches<br />
Konzept (Seminarinhalte) entwickelt und die Struktur eines Seminars (Unterweisungsmethoden<br />
und Unterweisungsmittel) vorgestellt werden. Besondere Bedeutung werden dabei<br />
praxisnahe Beispiele einnehmen, an denen der Übende sich erproben kann und mögliche<br />
Lösungen demonstriert werden.<br />
Adressaten dieser Arbeit sind insbesondere NLP-Trainer und NLP-Lehrende, aber auch<br />
sonstige Interessenten, die sich im Selbststudium kundig machen wollen.<br />
3
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
1 Theoretischer <strong>Teil</strong><br />
Die Inhalte des im praktischen <strong>Teil</strong> vorzustellenden Seminarkonzepts sollen in einem vorangehenden<br />
theoretischen <strong>Teil</strong> eingegrenzt und präzisiert werden.<br />
1.1 Relevanz von Reframings<br />
Inwiefern kann Reframing von Nutzen sein? Reframings erweitern unser Handlungsrepertoire<br />
- sowohl das des Coaches als auch das des Gecoachten (Coachee). Eine Vorannahme<br />
des NLP besagt, dass es besser sei, eine Wahl zu haben als keine Wahl zu haben (Grochowiak,<br />
1996). Nach dem Gesetz der erforderlichen Vielfalt ist in einer Interaktion derjenige<br />
mit dem größten Variationsbereich auch der Kontrollierende der Situation (Bandler &<br />
Grinder, 2001; Grochowiak, 1996). Schließlich besagt eine dritte Vorannahme, dass es für<br />
jedes Verhalten einen Kontext gebe, in dem es nützlich und sinnvoll ist. Ferner, dass Neukontextualisierung<br />
des Verhaltens eine der wichtigsten NLP-Interventionen sei (Grochowiak,<br />
ebd.). Sofern wir es in unseren privaten oder beruflichen Rollen als erstrebenswert erachten,<br />
flexibel mit Herausforderungen umzugehen oder Andere in die Lage zu versetzen,<br />
dieses zu tun, gehört Reframing somit in unser Kommunikationsrepertoire.<br />
1.2 Inhalts-Reframing (content reframing) bei Bandler & Grinder<br />
In diesem Abschnitt werden die Grundzüge des inhaltlichen Reframings entwickelt, wie es<br />
sich bei Bandler & Grinder (2000) darstellt.<br />
1.2.1 Reframing als Zusammenhangsstiftung<br />
Bandler & Grinders (1982) grundlegende Untersuchung über das Reframing kann inzwischen<br />
als Klassiker der NLP-Literatur bezeichnet werden. Sie bietet Orientierungshilfe für<br />
jeden NLP-Schüler, der sich tiefer gehend mit dem Thema "Inhalts-Reframing" befassen<br />
will. Das Buch liegt inzwischen als 7. Auflage in deutscher Übersetzung vor (Bandler &<br />
Grinder, 2000) und soll hier der Lesbarkeit der Zitate wegen überwiegend herangezogen<br />
werden. Wo die Übersetzung zu sinnabweichenden Formulierungen führt bzw. Interpretationsspielraum<br />
eröffnet, wird der Originaltext herangezogen.<br />
Steigen wir diskursiv in die Entwicklung des Reframing-Verständnisses ein. Bandler &<br />
Grinder (ebd.) selbst halten sich nicht lange mit Definitionsfragen oder Begriffsklärungen<br />
auf. Es gibt eine von Connirae und Steve Andreas geschriebene Einführung in die Bedeutung<br />
des Begriffes 'Reframing', die man als intuitiv bezeichnen könnte. Sie beginnen mit<br />
einer chinesischen Tao-Geschichte (siehe Abb. 1).<br />
Eine sehr alte chinesische Taogeschichte erzählt von einem Bauern in einer sehr armen<br />
Dorfgemeinschaft. Man hielt ihn für gut gestellt, denn er besaß ein Pferd, mit dem er pflügte<br />
und Lasten beförderte. Eines Tages lief sein Pferd davon. All seine Nachbarn riefen, wie<br />
schrecklich das sei, aber der Bauer meinte nur, "vielleicht". Ein paar Tage später kehrte das<br />
Pferd zurück und brachte zwei Wildpferde mit. Die Nachbarn freuten sich alle über sein<br />
günstiges Geschick, aber der Bauer sagte nur, "vielleicht". Am nächsten Tag versuchte der<br />
Sohn des Bauern, eines der Wildpferde zu reiten; das Pferd warf ihn ab, und er brach sich<br />
ein Bein. Die Nachbarn übermittelten ihm all ihr Mitgefühl für dieses Missgeschick, aber<br />
der Bauer sagte wieder "vielleicht".<br />
4
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
In der nächsten Woche kamen Rekrutierungsoffiziere ins Dorf, um die jungen Männer zur<br />
Armee zu holen. Den Sohn des Bauern wollten sie nicht, weil sein Bein gebrochen war.<br />
Als die Nachbarn ihm sagten, was für ein Glück er hat, antwortete der Bauer, "vielleicht"<br />
…<br />
Abbildung 1: Parabel vom chinesischen Bauern (Bandler & Grinder, 2000, S.13)<br />
Ein Bauer erfährt demnach eine Reihe von Geschicken, die von seinen Nachbarn direkt<br />
einmal als Glück und einmal als Pech interpretiert werden. Der Bauer indessen weist diese<br />
Interpretationsergebnisse zurück bzw. relativiert sie jeweils mit dem Wörtchen „vielleicht“.<br />
Nach dieser Metapher erläutern die Autoren:<br />
Die Bedeutung, die ein Ereignis hat, hängt ab von dem "Rahmen", in dem wir es<br />
wahrnehmen. Verändern wir den Rahmen, so verändern wir die Bedeutung. Zwei<br />
wilde Pferde zu haben, ist eine gute Sache, solange man sie nicht im Zusammenhang<br />
mit dem gebrochenen Bein des Sohnes sieht. Das gebrochene Bein scheint<br />
etwas Schlechtes im Zusammenhang mit dem friedlichen Dorfleben; aber im Zusammenhang<br />
von Rekrutierung und Krieg wird es plötzlich etwas Gutes. Das wird<br />
"Reframing" genannt: man wechselt den Rahmen, in dem ein Mensch Ereignisse<br />
wahrnimmt, um die Bedeutung zu verändern. Wenn sich die Bedeutung verändert,<br />
verändern sich auch die Reaktionen und Verhaltensweisen des Menschen.<br />
Zitat 1: Bandler & Grinder, 2000, S. 13<br />
Die chinesische Geschichte, verbunden mit den Erläuterungen der Autoren, gibt bereits<br />
einigen Aufschluss über das Reframing-Verständnis der Autoren. Zunächst ist zu bemerken,<br />
dass das Wort „Rahmen“ in Anführungszeichen gesetzt ist. Dies scheint darauf hinzuweisen,<br />
dass der Begriff nicht in einem wörtlichen Sinne zu nehmen ist, sondern vielmehr<br />
in einer übertragenen, metaphorischen Bedeutung. Gelegentlich wird das bekannte<br />
Bild mit den drei Fischen herangezogen, um das Konzept „Reframing“ zu erläutern (vgl.<br />
z.B. Dilts 2001, 2003, siehe Abb. 2).<br />
Abbildung 2: Frame-Metapher nach Dilts (2003)<br />
Zum Bild der drei Fische mit unterschiedlichen Rahmen sagt Dilts (2001):<br />
Die hier dargestellte Situation … (ist) eine gute Metapher sowohl für den Prozess<br />
psychologischen Reframings als auch für seinen Zweck. Menschen geraten häufig<br />
in die Situation des kleinen und des mittleren Fischs. Entweder sind sie sich wie der<br />
kleine Fisch einer aktuellen Bedrohung, die in ihrer Umgebung lauert, nicht bewusst,<br />
oder sie sind wie der mittlere Fisch so auf ein bestimmtes Resultat fixiert,<br />
dass sie eine sich nähernde Krise nicht bemerken. Das Paradox der Situation des<br />
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Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Fischs in der Mitte ist, dass er seine Aufmerksamkeit so sehr auf ein bestimmtes,<br />
der Sicherung seines Überlebens dienendes Verhalten konzentriert, dass er eben<br />
dieses Überleben auf andere Weise gefährdet. Reframing ermöglicht uns, das 'größere<br />
Bild' zu sehen, wodurch wir adäquatere Entscheidungen treffen und effizienter<br />
handeln können.<br />
Zitat 2: Dilts, 2001, S. 37<br />
Diese Zeichnung scheint zunächst nahezulegen, dass der Begriff des Rahmens wörtlich zu<br />
nehmen sei in dem Sinne, dass der gewählte Betrachtungsauschnitt aus der Gesamtwirklichkeit<br />
den „Rahmen“ ausmache (Ausschnitts-Theorie). Dilts (2001) erklärt jedoch selbst,<br />
dass dieses Bild lediglich eine "geeignete Metapher" darstelle, um Reframing zu verstehen.<br />
Der Rahmen eines Gemäldes ist eine gute Metapher für das Verständnis des Reframing-Konzepts<br />
und -Prozesses. Je nachdem, wie ein Bild gerahmt wird, verfügen<br />
wir über unterschiedliche Information hinsichtlich seines Inhalts, und somit ist auch<br />
unsere Wahrnehmung dessen, was ein Bild darstellt, eine andere.<br />
Zitat 3: Dilts, 2001, S. 36<br />
Im Zitat 1 scheint „Rahmen“ mit „Zusammenhang“ gleichgesetzt zu werden (Zusammenhangs-Theorie):<br />
(a) Zwei wilde Pferde „im Zusammenhang“ mit dem gebrochenen Bein<br />
(b) Das gebrochene Bein „im Zusammenhang“ mit dem friedlichen Dorfleben<br />
(c) Das gebrochene Bein „im Zusammenhang“ von Rekrutierung und Krieg<br />
Wenn ich demnach den Rahmen wechsle, dann tausche ich den Zusammenhang aus, in<br />
dem ich ein Ereignis wahrnehme bzw. erlebe. Was mit „Zusammenhang“ gemeint sein<br />
kann, soll an späterer Stelle noch erörtert werden.<br />
Noch eine weitere interessante Information steckt im ersten Zitat. Die Bedeutung, die ein<br />
Ereignis verliehen bekommt, soll vom „Rahmen“ bzw. Zusammenhang abhängen, in dem<br />
es wahrgenommen wird. Die Bedeutung aber beeinflusst wiederum die Reaktionen und<br />
Verhaltensweisen des Menschen. Formal lässt sich das so reduzieren:<br />
(1) Verhalten bzw. Erleben = f(Bedeutung(Ereignis))<br />
(2) Bedeutung(Ereignis) = f(Zusammenhang)<br />
mit f = "Funktion von".<br />
Doch wie soll die Bedeutung eines Ereignisses aus seinem Zusammenhang erwachsen? Ist<br />
es denkbar, dass aus Ereignis und Zusammenhang keinerlei Bedeutung entsteht? Wird Bedeutung<br />
nach Abstecken von Ereignis und Zusammenhang zugewiesen oder implizieren<br />
die Zuweisungen „Ereignis“ und „Zusammenhang“ bereits eine Bedeutungsdimension, die<br />
Verhalten und Erleben direkt beeinflusst?<br />
6
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Mit anderen Worten: Ist es so, dass die Bedeutung ein bestimmtes Werturteil nahe legt und<br />
dieses Werturteil wiederum Erlebens- und Verhaltensweisen hervorruft? Oder ist die Bedeutung<br />
selbst das Werturteil? In diesem Falle wäre eine Untersuchung darüber lohnend,<br />
inwieweit das Werturteil durch den Zusammenhang prädestiniert wird und aufgrund welcher<br />
Gesetzmäßigkeiten es zum Motor für Verhalten und Erleben aufsteigen kann. Im<br />
Rahmen dieser Arbeit kann die Beantwortung dieser philosophischen Frage sicherlich<br />
nicht geleistet werden. Die Frage, wo das Werturteil entsteht, soll an späterer Stelle nochmals<br />
aufgegriffen werden.<br />
1.2.2 Rollen im Reframing-Prozess<br />
Hinsichtlich der chinesischen Geschichte wäre noch zu klären, wer den neuen Zusammenhang<br />
(Reframe) herstellt und wer vom Reframing profitiert (Akteur und Rezipient, vgl. ab<br />
hier Abb. 3). Es gibt zumindest zwei Interpretationsmöglichkeiten. Zum einen kann die<br />
„reframende“ Person mit dem Empfänger des Reframing identisch sein. Das würde bedeuten,<br />
dass die Nachbarn durch das faktische Erfahren neuer Zusammenhänge von selbst<br />
darauf kommen, die Situation in einem neuen Rahmen zu betrachten. Der ursprüngliche<br />
Frame – mit günstiger oder ungünstiger Bedeutung – wird unter dem Eindruck des neuen<br />
Frames autonom ausgewechselt (Frame intern, Reframe intern aus Sicht der Nachbarn).<br />
Zum anderen kann der von den Nachbarn vorgegebene Frame ein Reframing erfahren<br />
durch den Vater, der weise die möglichen Implikationen internal vorwegnimmt (ohne sie<br />
zu benennen), nachdem er die Framings vernommen hat. Der Frame käme also von extern,<br />
der Reframe von intern aus Sicht des Vaters.<br />
Allgemein betrachtet kann eine Person im Kontext eines Reframing-Prozesses zumindest<br />
vier bis fünf Rollen einnehmen, je nachdem, wo welcher Prozess abläuft.<br />
(a) Finden beide Framing-Prozesse intern statt, so füllt er zumindest kurzzeitig die Rolle<br />
des „Erleuchteten“ aus, da er einen Framewechsel vorgenommen hat, der ihn irgendwie<br />
weiterbringt.<br />
(b) Wird ein selbst geschaffener Frame durch eine externe Instanz erfolgreich ins Wanken<br />
gebracht, so befindet sich die Person in der Rolle des Coachee, da er gewissermaßen als<br />
Schüler eines diesbezüglich Weiseren (oder Flexibleren) auftritt.<br />
(c) Bringt hingegen er einen Reframe zustande, der den Frame eines anderen zu relativieren<br />
vermag, dann befindet er sich in der Rolle des Coaches, da er diesem erfolgreich eine<br />
neue Sichtweise aufgezeigt hat. Eine kleine Variation dieses letzteren Falls besteht darin,<br />
dass der Reframe lediglich dazu benutzt wird, die eigene Weltsicht fortzuentwickeln, ohne<br />
den Reframe öffentlich kund zu tun. Vielleicht könnte man in diesem Falle auch sagen,<br />
dass er sich selbst coacht. Andernfalls mag die Rolle des Weisen passen, da er seine eigene<br />
Lebensklugheit erweitert.<br />
(d) Schließlich bleibt die Rolle des Beobachters übrig, bei der aus Sicht der Person sowohl<br />
Framing als auch Reframing extern geschehen und öffentlich gemacht werden. Dieser Fall<br />
dürfte eine interessante Variante der Reframing-Unterweisung sein, nimmt sie doch in unserem<br />
alltäglichen Zusammenleben eine bedeutende Stellung ein. Wenn wir Kindern ein<br />
Märchen erzählen, Erwachsenen einen Film zeigen oder generell eine Metapher zum Besten<br />
geben, dann steckt oftmals die Moral darinnen, dass die Dinge vielfach nicht so sind<br />
wie sie scheinen. Der „richtige Zusammenhang" zeigt sich erst bei genauerem Hinsehen.<br />
7
Framing<br />
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Reframing<br />
Intern Extern<br />
Intern Erleuchteter Coachee<br />
Extern Coach / Weiser Beobachter<br />
Abbildung 3: Rollen im Prozess zwischen Framing und Reframing<br />
An dieser Stelle ließe sich die Frage stellen, ob hier tatsächlich ein Alles-oder-Nichts-<br />
Gesetz gelten soll: "Entweder der Reframe überzeugt - dann akzeptiert man ihn und verwirft<br />
die erste Meinung - oder er überzeugt nicht. In letzterem Fall bleibt das Gesagte irrelevant.<br />
Ist es so gedacht?" Definitiv nein. Der Reframe eröffnet lediglich zusätzliche Denk-<br />
bzw. Handlungsspielräume. Die alte Sichtweise bleibt als Ressource erhalten und kann bei<br />
Bedarf erneut verwendet werden. Allerdings wird sie nicht mehr "automatisch" verwendet.<br />
1.2.3 Frame als Kontext<br />
Andreas & Andreas (ebd.) nehmen noch eine Reihe von Ergänzungen vor, die das Reframing-Konzept<br />
griffiger machen sollen. So heißt es in der Einleitung weiter:<br />
In der allgemeinen Kommunikationstheorie gibt es das grundlegende Axiom, dass<br />
ein Signal lediglich in dem Rahmen bzw. Kontext, in dem es auftaucht, Bedeutung<br />
hat. Der Klang knirschender Schuhe auf einem belebten Gehweg ist von geringer<br />
Bedeutung; das gleiche Geräusch vorm Fenster, wenn man allein im Bett liegt, bedeutet<br />
etwas völlig anderes.<br />
Zitat 4: Bandler & Grinder, 2000, S. 14<br />
Zwei Informationen erscheinen hier bemerkenswert. Erstens wird „Rahmen“ (engl.: "frame")<br />
synonym mit „Kontext“ verwendet. Was unter Kontext zu verstehen ist, wird aus den<br />
beiden Beispielen deutlicher. Im ersten Beispiel bildet der belebte Gehweg den Kontext,<br />
im zweiten ein Ort vor dem Fenster meines Schlafzimmers, während ich im Bett liege.<br />
Beide Male sind die knirschenden Schuhe das Ereignis (Signal), das unter Zuhilfenahme<br />
des Kontextes bewertet wird. Dass Frame und Reframe mit Kontext synonym verwendet<br />
wird, zeigt sich auch an späterer Stelle:<br />
Framing ist ein anderes Wort für Kontextualisierung, und Reframing ist Rekontextualisierung.<br />
Zitat 5: Bandler & Grinder, 2000, S. 210<br />
Kritisch zum Sprachgebrauch anzumerken wäre hier die Reservierung desselben Begriffes<br />
"Kontext" für unterschiedliche Inhalte, die den inhaltlichen Zugang erschweren. Einerseits<br />
wird Kontext im Sinne eines Frames im Allgemeinen definiert, andererseits wird an späterer<br />
Stelle das Kontext-Reframing (context reframing) als ein Unterfall des Inhaltlichen<br />
Reframings vorgestellt werden. Offensichtlich ist im letzteren Fall "Kontext" in anderem<br />
Sinne zu verstehen, will man nicht über die tiefere Bedeutung von "Kontext-<br />
Neukontextualisierung" nachdenken.<br />
1.2.4 Ereignis, Kontext, Konstellation<br />
Bedeutet demnach „Kontext“ (i.S.v. "Frame") das Ereignis bzw. Ereignisgeflecht, in das<br />
ein Einzelereignis eingebunden ist bzw. mit dem es gemeinsam zeitnah abläuft? Versuchen<br />
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Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
wir einmal, das Beispiel mit den knirschenden Schuhen anders zu betrachten. Es sei mein<br />
Liegen im Bett das Ereignis, während das Knirschen von Schuhen und das sich Fernhalten<br />
anderer Geräusche den Kontext darstellen. Spüren wir dieser Szene innerlich nach, dann<br />
bemerken wir, dass die Bedeutung für uns nicht ganz dieselbe ist wie vor dem Ereignis-<br />
Kontext-Tausch. Vor dem Tausch wurde das Knirschen der Schuhe bewertet, nach dem<br />
Tausch das Liegen im Bett. Wir fragen uns einmal, was das Schlürfen der Schuhe zu bedeuten<br />
hat, das andere Mal, was das Im-Bett-Liegen zu bedeuten hat. Der Fokus ist ein<br />
anderer, obgleich die Konstellation identisch ist. Mit Konstellation soll hier die Gesamtsituation,<br />
gebildet aus allen stattfindenden Ereignissen (Tatsachen), bezeichnet werden (vgl.<br />
Abb. 4).<br />
Ausgeblendetes (Irrelevante / unbekannte Ereignisse)<br />
Kontext (Relevante Nebenereignisse)<br />
Ereignis (Relevantes Hauptereignis)<br />
Abbildung 4: Ereignis, Kontext und Ausgeblendetes bilden die Konstellation<br />
Übrigens ist bemerkenswert, dass ‚Bedeutung’ im Zitat 4 als quantitative Größe der Intensität<br />
eingeführt wird: es wird die (hohe) Bedeutung der "geringen" Bedeutung (engl.: "little<br />
meaning") gegenübergestellt. Da dies im Kontext weiterer (qualitativer) Bedeutungsverständnisse<br />
zur Verwirrung beitragen könnte - z.B. ist der Begriff "Bedeutungs-Reframing"<br />
(meaning reframing) nicht quantitativ gemeint - wollen wir in dieser Arbeit für diesen<br />
quantitativen Bedeutungsbegriff den Begriff "Relevanz" verwenden und von der hohen<br />
bzw. niedrigen Relevanz eines Ereignisses sprechen.<br />
Doch zurück zur Konstellation. Die allermeisten Ereignisse einer Konstellation werden als<br />
nicht relevant ausgeblendet. So mag das Ticken des Weckers auf dem Nachttisch als irrelevant<br />
ausgeblendet oder erst gar nicht wahrgenommen werden und für die Kontextdefinition<br />
folglich unberücksichtigt bleiben. Akzeptiert man diese Unterscheidungen, dann könnte<br />
Kontext als ein Ereignis oder Ereignisgeflecht aufgefasst werden, das einen als relevant<br />
bewerteten Zusammenhang mit einem Hauptereignis aufweist. Hauptereignis und Kontext<br />
zusammen aber bilden den Stimulus, auf den der Framegebende reagiert.<br />
Die zweite bemerkenswerte Information des obigen Zitates 4 ist die vorgenommene Unterscheidung<br />
zwischen geringer und hoher („ganz anderer“) Bedeutung bzw. Relevanz. Was<br />
kann damit gemeint sein? Es könnte gemeint sein, dass eine hohe Bedeutung vorliegt,<br />
wenn ein möglicher oder tatsächlicher Einfluss auf mein Leben bevorsteht, der ein hohes<br />
Maß an Involvement impliziert. Wenn es uns anrührt, hat es eine hohe Relevanz, weil es<br />
etwas in uns oder in unserem Leben "dramatisch" verändert. Lässt es uns eher indifferent,<br />
hat es eine geringe Relevanz, weil keine erheblichen Umstrukturierungen anstehen.<br />
Damit ist das Problem freilich nur verlagert, denn was ist schließlich das Wesen des Involvements?<br />
Zum einen ist festzustellen, dass es Naturelle gibt, die Veränderungen gegenüber<br />
in bestimmten Bereichen generell eher ablehnend gegenüberstehen (Metaprogramm ‚Sameness’).<br />
Zum anderen können Umstrukturierungen sowohl als erwünscht als auch als<br />
unerwünscht bewertet werden, wodurch Involvement entsteht. Es liegt demnach nahe, dass<br />
letztlich die Stärke des Willensimpulses die Höhe der Ereignisrelevanz in einem spezifizierten<br />
Kontext bestimmt.<br />
9
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
1.2.5 Frame als innerer Kontext<br />
Andreas & Andreas (in Bandler & Grinder, 2000) fahren fort:<br />
Genauso ist es mit dem Lichtsignal im Glockenturm. Für Paul Revere bedeutete es,<br />
dass die Briten kommen, und wie sie kommen: "Eins, wenn zu Land, und zwei,<br />
wenn zur See." Das Lichtsignal hat nur im Sinne vorangegangener Vereinbarungen<br />
Bedeutung, durch die ein Rahmen hergestellt wird – ein innerer Kontext, der Bedeutung<br />
schafft.<br />
Zitat 6: Bandler & Grinder, 2000, S. 14<br />
Es bestätigt sich hier die These, dass ‚Rahmen’ mit ‚Kontext’ gleichzusetzen ist. Allerdings<br />
mit der Einschränkung: „ein innerer Kontext“. Soll damit gesagt werden, dass der<br />
Rahmen etwas ist, das subjektiven Ursprungs ist und somit sich nicht naturgegeben von<br />
selbst aufdrängt? Dies würde die Auffassung von 'Kontext' als 'relevante Nebenereignisse'<br />
insofern stützen, als das Konzept der Relevanz auf psychischen Realitäten zu beruhen<br />
scheint. Wenn wir nach Relevanz fragen, dann stecken stets zwei Fragen mit drin: „Für<br />
wen?“ und „Aufgrund welcher Kriterien?“ Forscht man hier weiter, so zeigen sich irgendwann<br />
Wünsche, Hoffnungen, Überzeugungen oder Werte, die Aspekte einer subjektiven<br />
Realität bilden.<br />
Wir kommen nun nochmals auf die Thematik "Entstehung des Werturteils über Relevanz"<br />
zu sprechen. Wenn Andreas & Andreas sagen, dass der Kontext Bedeutung (bzw. Relevanz)<br />
schafft und nicht etwa, dass der Kontext eine Orientierung gibt, um Bedeutung zu<br />
schaffen, dann könnte dies eine sprachliche Nachlässigkeit sein. Es dürfte aber eher darauf<br />
verweisen, dass das Konzept ‚Kontext’ ein Nominalismus darstellt, dem ein Prozess der<br />
inneren Einbettungsdiagnose entspricht, welcher das Werturteil der Ereignisrelevanz-<br />
Beimessung bereits beinhaltet (Kontext als Relevanzurteil). Der Kontext enthielte bereits<br />
selbst das Werturteil über das Ereignis (relevant vs. irrelevant) und wäre nicht das Resultat<br />
einer bloßen Filtertätigkeit zur Vorbereitung der Relevanzeinschätzung. Müsste andernfalls<br />
(Kontext als Filter zur Vorbereitung eines Relevanzurteils) nicht der Kontext selbst wieder<br />
in einen Kontext eingebettet werden, um hinsichtlich seiner Relevanz eingeschätzt zu werden<br />
und ad infinitum?<br />
1.2.6 Reframing in der Umgangssprache<br />
Andreas & Andreas (ebd.) ergänzen:<br />
Versucht ein Therapeut, seinen Klienten dazu zu bewegen, "die Dinge anders zu<br />
betrachten" oder "unter einem neuen Gesichtspunkt zu sehen" oder "andere Faktoren<br />
in Betracht zu ziehen", sind das Versuche, Ereignisse umzudeuten (zu reframen),<br />
um den Klienten zu einer anderen Reaktion auf sie zu veranlassen.<br />
Zitat 7: Bandler & Grinder, 2000, S. 14<br />
Hier werden noch drei umgangssprachliche Formulierungen mitgegeben, wie das Ermitteln<br />
eines alternativen Kontextes geschehen kann. Naturgemäß bleiben diese an der Oberfläche<br />
und es wird an späterer Stelle einer Klärung bedürfen, was wir genau tun, wenn wir z.B.<br />
"die Dinge anders betrachten".<br />
10
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
1.2.7 Reframe als Antithese des Frame<br />
Andreas & Andreas (ebd.) fahren fort:<br />
Explizite Konzepte des Reframing werden von einer Reihe von Therapeuten verwendet,<br />
die glauben, das "Problemverhalten" ergäbe nur dann einen Sinn, wenn es<br />
in dem Kontext betrachtet wird, in dem es auftaucht.<br />
Zitat 8: Bandler & Grinder, 2000, S. 15<br />
Hier wird noch einmal deutlich: Vor einem Reframing muss zunächst klar sein, welches<br />
der Frame ist. Wir müssen also verstehen, weshalb ein Ereignis zu einer bestimmten Reaktion<br />
führen konnte. Verstehen wir den Frame, dann haben wir eine Grundlage für einen<br />
möglichen Umbau.<br />
1.2.8 Reframing-Modelle<br />
Die Erörterungen von Andreas & Andreas befassen sich mit Reframing im Allgemeinen.<br />
Das dort Erarbeitete gilt jedoch auch für das Inhaltliche Reframing im Besonderen. Bandler<br />
und Grinder (ebd., S. 17) unterscheiden Modelle des Reframing und nennen als Beispiele<br />
das Six-Step Reframing und das inhaltliche Reframing. Beim inhaltlichen Reframing<br />
müsse man den Inhalt kennen, um die Umdeutung vornehmen zu können. Dies sei<br />
bei den anderen Reframing-Modellen (z.B. Verhandeln zwischen den <strong>Teil</strong>en, Einen neuen<br />
<strong>Teil</strong> schaffen, Fortgeschrittenes Six-Step-Reframing) nicht erforderlich. Wie eingangs<br />
vermerkt, soll sich diese Arbeit auf das Inhalts-Reframing konzentrieren.<br />
Beim inhaltlichen Reframing unterscheiden Bandler & Grinder (2000) wiederum zwei Arten<br />
– das Bedeutungs-Reframing und das Kontext-Reframing. Beide Arten führen sie an<br />
jeweils einem Beispiel ein.<br />
1.2.9 Bedeutungs-Reframing (meaning reframing): Abdrücke auf dem<br />
Teppich<br />
Eine Hausfrau ärgert sich über ihre Familie, weil diese Abdrücke auf dem Teppich hinterlässt.<br />
Aufgrund welcher Strategie dieser Ärger entsteht, wird in diesem Beispiel nicht auseinandergesetzt.<br />
Dass sie sich aber einer Strategie bedient, die es ihr ermöglicht zu entscheiden,<br />
wann es an der Zeit ist, sich schlecht zu fühlen, ist klar. Etwas lässt sie den<br />
Schluss ziehen, dass das Gewahrwerden von Fußabdrücken auf dem Teppich als Signal für<br />
das Bestehen eines anderen Sachverhaltes zu verstehen ist - etwa dem, dass die Familie sie<br />
nicht liebt, wertschätzt oder respektiert. Die Abdrücke "bedeuten" gewissermaßen, dass<br />
etwas anderes wahr ist bzw. zutrifft.<br />
Die Therapeutin bietet stattdessen eine alternative Bedeutungsgebung an. Fußabdrücke auf<br />
dem Teppich bedeuten, dass die Menschen, die in der Welt am wichtigsten für mich sind,<br />
in meiner Nähe sind. Ein unberührter Teppich bedeutet dagegen, dass ich allein bin. Für<br />
Bandler & Grinder sind diese alternativen Bedeutungsgebungen Reframings, die man auch<br />
sinnvoll mit „Gefühlstausch“, „Veränderung der Strategie“ oder „Ankern“ benennen könnte.<br />
Der äußere Stimulus bleibt der gleiche, erfährt aber einen Bedeutungswechsel. Dazu die<br />
Autoren:<br />
11
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Diese Form des Reframing verwenden Sie immer dann, wenn Sie entscheiden, dass<br />
der Stimulus eines Problemverhaltens nicht unbedingt verändert werden muss –<br />
dass er an sich nicht schlecht ist.<br />
Zitat 9: Bandler & Grinder, 2000, S. 19<br />
Mit anderen Worten, wird also der Stimulus (= Relevantes Hauptereignis + Relevante Nebenereignisse)<br />
als an sich unproblematisch eingeschätzt - Teppichabdrücke gehören wohl<br />
dazu - dann raten Bandler & Grinder (ebd.) zu einem Bedeutungs-Reframing. Die Autoren<br />
erläutern die Wirkung dieses Bedeutungs-Reframing wie folgt:<br />
Wenn Menschen eine Sinneserfahrung machen, die sie nicht mögen, dann mögen<br />
sie eigentlich ihre Reaktion darauf nicht. Man kann nun diese Reaktion verändern,<br />
indem man verständlich macht, dass die Reaktion selbst nicht auf den Sinneswahrnehmungen<br />
beruht. Wenn es gelingt, die Bedeutung eines Erlebnisses für jemanden<br />
zu verändern, dann wird sich auch seine Reaktion verändern.<br />
Zitat 10: Bandler & Grinder, 2000, S. 19<br />
Das Zuweisen einer neuen Bedeutung beruht daher nicht auf einer Debatte über die Sinneswahrnehmung.<br />
Wir sagen nicht: "Du hast das falsch beobachtet". Die neue Bedeutung<br />
wird vielmehr durch Gedankenarbeit etabliert, die über Beobachtung hinausgeht. Jede<br />
Handlung kann verschiedentlich Bedeutungen zugewiesen werden. Wenn wir beobachten,<br />
wie jemand die Straße fegt, dann können wir sagen: "Das bedeutet, dass er ein ordentlicher<br />
Mensch ist" oder "Das bedeutet, dass er Kontakt sucht" oder "Das bedeutet, dass er diese<br />
Woche Dienst hat" oder "Das bedeutet, dass er Besuch bekommt" etc..<br />
Wie Bandler & Grinder es nennen, wird beim Bedeutungs-Reframing eine problematische<br />
"komplexe Äquivalenz" aufgelöst. Dass Fußabdrücke auf dem Teppich hinreichend sein<br />
sollen, einen anderen Gedanken für wahr zu halten, wird dadurch entkräftet, dass eine alternative<br />
komplexe Äquivalenz mit zumindest gleicher Plausibilität und jedoch nützlichen<br />
Implikationen angeboten wird. Man bindet also eine neue Reaktion an eine sensorische<br />
Erfahrung. Wurde ursprünglich der Stimulus als wichtig genug eingestuft, um sich schlecht<br />
zu fühlen, wird er nun als wichtig genug präsentiert, um sich gut zu fühlen. Dies führt zu<br />
einer Reaktionsveränderung.<br />
1.2.10 Manöver beim Bedeutungs-Reframing<br />
Beim Bedeutungs-Reframing besteht ein mögliches Manöver darin, das Problemverhalten<br />
als nützlich zu beschreiben („Danken Sie Gott!“). Die unerwartete Antwort wirkt musterunterbrechend,<br />
initiiert einen inneren Suchprozess und würdigt die Erfahrung. Ein weiteres<br />
Manöver zielt darauf ab, das symptomatische Problemverhalten zu charakterisieren, als ob<br />
es unter bewusster Kontrolle stünde („Wie lange kriegst du denn schon die Aufmerksamkeit<br />
der Familie auf diese Art?“). Future Pace schließlich (Überbrücken in die Zukunft)<br />
kann dabei helfen, ein Umdenken herbeizuführen, indem ein bislang nicht gezeigtes Verhalten<br />
lediglich vorgestellt wird.<br />
Viele Leute schränken sich selbst ein, weil sie ein bestimmtes Verhalten nicht einmal<br />
in Betracht ziehen. Würden sie es tun, käme es ihnen oft akzeptabler vor.<br />
Zitat 11: Bandler & Grinder, 2000, S. 45<br />
12
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
1.2.11 Kontext-Reframing (context reframing): Die sture Tochter<br />
Kommen wir nun zum Kontext-Reframing als zweite Variante des Inhalts-Reframing. Hier<br />
erläutern die Autoren einen Fall aus der therapeutischen Praxis von Virginia Satir. Ein Vater<br />
beklagt sich über die Sturheit seiner Tochter. Dabei führt Satir einen Kontext ein, der es<br />
dem Vater erlaubt, den Grund der Klage als nicht absolut schlecht zu betrachten. Dieser<br />
sieht kurz gefasst so aus:<br />
Es gibt Umstände, in denen das beklagte Verhalten erfreuliche Auswirkungen zeitigt. Der<br />
Vater selbst gibt zu, dass Beharrlichkeit ihm selbst ermöglicht hat, im Beruf erfolgreich zu<br />
sein. Er selbst war in mancher Hinsicht "stur" genug, um diesen Erfolg sicherzustellen.<br />
Ebenso ist es mit seiner Tochter. Sie habe die Gabe, beharrlich einen Standpunkt zu vertreten,<br />
was für sie unter Umständen lebensrettend sein kann: Bei einer Verabredung mit einem<br />
Mann, der schlechte Absichten hat, kann Sturheit von Vorteil sein.<br />
Ist beim Bedeutungs-Reframing noch der Grundgedanke, dass der Stimulus an sich<br />
(Hauptereignis + Kontext) nicht verkehrt ist, so liegt beim Kontext-Reframing die Annahme<br />
zugrunde, dass das Hauptereignis an sich nicht schlecht ist. Im letzteren Fall wird somit<br />
der Kontext ausgewechselt. Das Hauptereignis "Sturheit" im Kontext "Anwesenheit des<br />
Vaters" wird in einen anderen Kontext "Verabredung mit einem zweifelhaften Mann" verlegt.<br />
Wäre Kontext-Reframing auch im Fall der Fußabdrücke möglich gewesen? Ja, denn es gibt<br />
auch hier ein Hauptereignis "Fußabdrücke auf dem Teppich". Was wäre ein geeigneter<br />
Kontext, um Fußabdrücke auf dem Teppich als etwas Erstrebenswertes ansehen zu können?<br />
Die Mutter könnte sich in einen Kontext assoziieren, in dem sie ein querschnittsgelähmtes<br />
Kind hätte. Dieser Kontext ist zwar nur hypothetisch, doch wird der Mutter dabei<br />
sofort klar, dass sie in Wahrheit zufrieden sein kann, ein gesundes Kind zu haben.<br />
Und wäre Bedeutungs-Reframing auch im Fall der sturen Tochter möglich? Ebenso ja,<br />
denn selbst wenn der Kontext "Anwesenheit des Vaters" beibehalten wird, kann die Bedeutung<br />
ausgewechselt werden. Statt etwa zu sagen "Ihre Sturheit mir gegenüber bedeutet Respektlosigkeit"<br />
können wir umdeuten und sagen "Ihre Sturheit mir gegenüber bedeutet ein<br />
spielerisches Ausprobieren ihres erwachenden Selbstbehauptungsstrebens" oder Ähnliches.<br />
1.2.12 Kontextsuche<br />
Beim Suchen eines Kontextes ist der Coach nicht notwendig auf seine eigene Phantasie<br />
angewiesen. Es ist gemäß Bandler & Grinder (ebd.) sogar besser, die Ressourcen des<br />
Klienten zu berücksichtigen (S. 22f). Will der Klient mit X aufhören, so können wir fragen,<br />
ob es in seinem Leben Momente gibt, in denen das Verhalten X sinnvoll und angemessen<br />
ist. Bejaht er dies, dann ist Kontextualisierung angezeigt und wir setzen überall<br />
dort, wo X störend ist, ein neues Verhaltensmuster ein.<br />
Findet der Klient keinen Kontext, dann können wir ihn mit Instruktionen inspirieren, die<br />
einen Bezug zum Repräsentationssystem haben. Eine Situation wird assoziiert wieder erlebt<br />
und man sagt, dass X in diesem Kontext tatsächlich unangemessen sei. „Lassen Sie<br />
uns einen Ort suchen, an dem ein solches Verhalten sinnvoll wäre. Verändern Sie den Hintergrund<br />
so lange, bis Sie einen gefunden haben, in dem jeder <strong>Teil</strong> in Ihnen und auch die<br />
Menschen um Sie herum X angemessen finden“. Anschließend fragt man denjenigen <strong>Teil</strong>,<br />
13
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
der den Klienten dazu bringt zu Xen, ob er bereit ist, die wichtigste Ressource in genau<br />
diesem Kontext zu sein.<br />
Eine dritte Möglichkeit, einen akzeptablen Kontext zu finden, besteht darin, den Klienten<br />
sich nach innen wenden zu lassen und zu fragen, ob irgendein <strong>Teil</strong> von ihm irgendeine<br />
Situation ausfindig machen kann, in der er fähig sein will, genau dieses Verhalten X hervorzubringen.<br />
Der <strong>Teil</strong> wird danach gefragt, ob er bereit ist, das Verhalten ausschließlich<br />
und kongruent nur in diesem Kontext hervorzubringen.<br />
1.2.13 Vergleich zwischen Bedeutungs- und Inhalts-Reframing<br />
Beim Bedeutungs-Reframing wird der Kontext (die Situation) so belassen wie er ist. Die<br />
Bedeutung des Verhaltens bzw. dasjenige, was es impliziert, verändert sich dagegen. Es<br />
sind immer Umdeutungen möglich, die die Bedeutung des Verhaltens verändern (Bedeutungs-Reframing).<br />
Ebenso ist es immer möglich, eine Veränderung des Kontextes zu finden,<br />
die die Bedeutsamkeit des Verhaltens verändert (Kontext-Reframing).<br />
Streng genommen können wir - hinsichtlich des gleichen Hauptereignisses - nicht zugleich<br />
Bedeutung und Kontext reframen. Denn zum Bedeutungs-Reframing gehört es eben, dass<br />
der Kontext erhalten bleibt, während er beim Kontext-Reframing auszuwechseln ist.<br />
Trotzdem müssen sich die beiden Arten inhaltlichen Reframings nicht gegenseitig ausschließen.<br />
So enthält das Beispiel von der sturen Tochter bei genauer Betrachtung eine<br />
solche Synthese, da an einer Stelle ein Ein-Wort-(Bedeutungs-)Reframing eingebaut wird<br />
("Beharrlichkeit" statt "Sturheit"). Dass sie stur ist, ist also bedeutungsgleich mit der Tatsache,<br />
dass sie beharrlich ist. Wer dem nachspürt, wird bei "Beharrlichkeit" wohl andere<br />
Bedeutungs-Assoziationen bemerken als bei "Sturheit". Der wesentliche Bestandteil eines<br />
gelungenen Reframings ist, wie in den genannten Beispielen, ein Wechsel im Erleben.<br />
Beim Bedeutungs-Reframing wird Bandler & Grinder zufolge eine bestehende komplexe<br />
Äquivalenz (die deutsche Übersetzung benutzt übrigens den ungebräuchlichen Ausdruck<br />
"<strong>Teil</strong>-Äquivalenz") durch eine andere ausgetauscht. Man wiederholt die alte (Pacing) und<br />
bietet danach die neue an (Leading). Am Beispiel des Teppichs: „Sie schauen auf den Teppich,<br />
und er ist ohne Flecken. Er ist flauschig, Sie können die weißen Fasern sehen. Und<br />
dann wird Ihnen plötzlich bewusst, dass das bedeutet, Sie sind ganz alleine. Und jetzt setzen<br />
Sie ein paar Fußabdrücke darauf, und Sie machen sich bewusst, dass Ihre Lieben in der<br />
Nähe sind.“<br />
Wann immer wir eine komplexe Äquivalenz heraushören, ist es laut Bandler & Grinder<br />
(2000)direkter, mit einem Bedeutungs-Reframing zu arbeiten. Hingegen ist ein Kontext-<br />
Reframing vorzugsweise dann angezeigt, wenn eine vergleichende Generalisierung über<br />
sich selbst oder einen anderen vorgenommen wird. Erkennbar sind diese Fälle, wenn sie<br />
die Form "Ich bin zu X" oder "Er ist zu Y" haben, z.B. "Sie ist zu stur". Eine vergleichende<br />
Generalisierung abstrahiert von einem Kontext. Diese Form der Klage verallgemeinert<br />
über viele Kontexte, wobei die Hälfte des Vergleichs getilgt ist. Es wird nicht angegeben,<br />
in welchem Kontext die Betreffende zu stur im Vergleich zu wem oder was ist.<br />
Klagen (complaints) sind demnach häufig Generalisierungen. Damit sie mittels Inhalts-<br />
Reframing "entschärft" werden können, muss eine von zwei formalen Bedingungen erfüllt<br />
sein: Entweder liegt eine komplexe Äquivalenz vor, oder der Kontext wird getilgt.<br />
14
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Kein Verhalten ist an sich nützlich oder unnütz. Jedes Verhalten ist irgendwo nützlich;<br />
zu identifizieren, wo es nützlich ist, ist Kontextreframing. Genauso bedeutet<br />
auch kein Verhalten schon an sich etwas, Sie können ihm also jede Bedeutung zuweisen:<br />
das ist Bedeutungsreframing.<br />
Zitat 12: Bandler & Grinder, 2000, S. 26<br />
1.2.14 Weitere Beispiele Bandler & Grinders zum Inhaltlichen Reframing<br />
Nachfolgend noch eine Auswahl von Beispielen, die Bandler & Grinder (2000) in ihrem<br />
Buch behandeln. Wichtig dabei ist, dass zur Sicherstellung der Form der Klage gelegentlich<br />
Metamodell-Fragen nützlich sein können (s. Abb. 5).<br />
Klage Mutmaßliche Form Empfohlenes<br />
Reframing<br />
Ich kann nicht mitschreiben. Ich bin zu dumm Komplexe Äquivalenz<br />
Bedeutung<br />
Byron hat sich niemals wirklich für meine Grup- Komplexe Äquiva- Bedeutung<br />
pen interessiert, er sitzt immer nur in der hinteren<br />
Ecke.<br />
lenz<br />
Ich bin nicht glücklich, wenn ich hier in diesem Komplexe Äquiva- Bedeutung<br />
Raum sitze<br />
lenz<br />
Bin ich zu tyrrannisch? Vergleichende Generalisierung<br />
Kontext<br />
Abends gibt es keinen Kaffee mehr, und das mag Komplexe Äquiva- Bedeutung<br />
ich nicht.<br />
lenz<br />
Auf dem Stundenplan stehen zu viele Sitzungen Komplexe Äquiva- Bedeutung<br />
gleichzeitig. Gehe ich in den einen Workshop,<br />
verpasse ich den anderen.<br />
lenz<br />
Meine Frau braucht ewig, um sich für etwas zu Komplexe Äquiva- Bedeutung<br />
entscheiden<br />
lenz<br />
Meine Kinder schreien dauernd und rennen zu Vergleichende Ge- Kontext<br />
viel herum<br />
neralisierung<br />
Ich nehme alles zu leicht Vergleichende Generalisierung<br />
Kontext<br />
Abbildung 5: Klage, Form und empfohlenes Reframing (Bandler & Grinder, 2000)<br />
1.2.15 Pacing, Leading, Kongruenz<br />
Damit ein Inhaltliches Reframing erfolgreich sein kann, sollte Rapport mit dem Coachee<br />
bestehen. Dazu gehört es, dessen Klage angemessen zu verstehen und zu würdigen (Pacing).<br />
Dazu nochmals das Beispiel Bandler & Grinders (ebd.):<br />
Sie schauen auf den Teppich. Und er ist ohne Flecken! Sie haben ihn tadellos sauber<br />
gemacht. Er ist flauschig. Sie können die weißen Fasern sehen.<br />
Zitat 13: Bandler & Grinder, 2000, S. 25<br />
15
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Erst danach führen wir den Coachee in den neuen Rahmen (Leading):<br />
Und dann wird Ihnen plötzlich bewusst, dass das bedeutet, Sie sind ganz alleine.<br />
Zitat 14: Bandler & Grinder, 2000, S. 25<br />
Bandler & Grinder weisen auf einen weiteren wichtigen Aspekt hin:<br />
Um eine Veränderung zu erreichen, ist es ganz entscheidend, die Umdeutung mit<br />
kongruentem, stützendem, nonverbalem Verhalten zu vermitteln. Ihr Tonfall und<br />
Gesichtsausdruck müssen dabei ernst sein.<br />
Zitat 15: Bandler & Grinder, 2000<br />
1.2.16 Erfolgsindikatoren<br />
Erfolgreiche Reframings können an Indikatoren abgelesen werden. Dazu gehören die<br />
Muskelentspannung, eine stärkere Durchblutung der Haut, Pupillenerweiterungen, Verlangsamung<br />
der Atmung. Allgemein neigen Menschen, die eine Klage vorbringen, zu<br />
sympathischer Aktivierung (Leisstungssteigerung für außergewöhnliche Anstrengung).<br />
Wenn der Reframe funktioniert, wechseln sie in die parasympathische Aktivierung (Ruhe,<br />
Erholung, Schonung).<br />
Augenzugangshinweise können ebenfalls berücksichtigt werden. So kann häufig ein<br />
Wechsel von der kinästhetischen in die visuelle Blickrichtung beobachtet werden. Schließlich<br />
sind vielfach kurze Absenzen bzw. Trance-Zustände zu bemerken, die Ausdruck inneren<br />
Arbeitens sind.<br />
1.2.17 Übung Kontext- und Bedeutungs-Reframing<br />
Zur Einübung des Inhalts-Reframings geben Bandler & Grinder (ebd.) die folgende Aufgabe:<br />
der Coachee bringt eine Klage vor, die eine von zwei möglichen Formen hat. Sie ist<br />
entweder eine "komplexe Äquivalenz", die eine Reaktion mit einer Klasse von Ereignissen<br />
verbindet („Ich fühl mich X, wenn Y passiert“). Oder sie ist eine vergleichende Generalisierung<br />
über sich selbst oder jemand anderen, wobei der Kontext getilgt ist („Ich bin zu Z“<br />
oder „Er ist zu Q“). Der Coach soll für das Problem einen Reframe finden und diesen dann<br />
so präsentieren, dass er eine Wirkung hat.<br />
Dabei kann die folgende Strategie verwendet werden (Prozessmodell nach Bandler &<br />
Grinder, 2000):<br />
a) Identifiziere die Form der Klage<br />
a. Bei komplexer Äquivalenz: Bedeutungs-Reframing<br />
b. Bei vergleichender Generalisierung: Kontext-Reframing<br />
b) Stelle selbst eine internale Repräsentation der Klage her (VAKOG)<br />
c) Suche nach einem Reframe, indem du dich selbst fragst:<br />
a. Kontext-Reframing: „In welchem Kontext hätte dieses spezielle Verhalten,<br />
über das sich der Klient beschwert, einen Wert?“<br />
b. Bedeutungs-Reframing: „Gibt es einen größeren oder anderen Rahmen, in<br />
dem dieses Verhalten einen positiven Wert hätte? Welcher andere Aspekt<br />
dieser gleichen Situation könnte einen anderen Bedeutungsrahmen liefern,<br />
16
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
der der betreffenden Person verborgen ist? Wie sonst könnte ich genau die<br />
gleiche Situation beschreiben? Was sonst noch könnte das Verhalten bedeuten?“<br />
d) Wenn du einen Reframe gefunden hast, denke über mögliche Darbietungsweisen nach<br />
e) Wähle diejenige Darbietungsweise aus, die mutmaßlich die maximale Reaktion bringt<br />
f) Bitte den Coachee, seine Klage zu wiederholen<br />
g) Pacing (Klage wiederholen, Anteilnahme)<br />
h) Leading (Reframe anbieten)<br />
i) Beobachte genau die nonverbalen Veränderungen am Klienten, so dass du in der Lage<br />
bist, diese zu beschreiben<br />
Ergänzend ließe sich noch das Reframing testen (Ausprobieren in der Gegenwart) und mit<br />
einem Future Pace (Ausprobieren in der Zukunft) abschließen.<br />
Klagen, die in anderer Form als den beiden beschriebenen vorgebracht werden, können<br />
Bandler & Grinder (ebd.) zufolge mit diesen zwei Formen des Inhalts-Reframing nicht<br />
bearbeitet werden. Sie empfehlen, das bei jeglicher Intervention so zu machen: die Form<br />
der Klage identifizieren, bei der die Intervention greift und danach fragen, ob eine solche<br />
Form der Klage vorliegt. Möglicherweise ist die Form der Frage mittels Meta-<br />
Modellierung umzuformulieren. Stets sei es wichtig, Formen zu identifizieren bzw. nach<br />
ihnen zu fragen. Es sei entscheidend zu wissen, was unsere Werkzeuge können und was<br />
nicht.<br />
Falls Sie eines dieser beiden Reframingmodelle dort verwenden, wo es nicht geeignet<br />
ist, wird es nicht funktionieren. Das wäre so, wie wenn Sie die Phobietechnik<br />
nähmen und sie für ein anderes Anliegen verwendeten. Es wird einfach keine Wirkung<br />
zeigen, weil es nicht dafür gemacht wurde, etwas anderes zu leisten.<br />
Zitat 16: Bandler & Grinder, 1982, S. 16, übersetzt durch den Autor<br />
1.2.18 Wohlgeformtheit<br />
Reframes sollen wohlgeformt sein im Hinblick auf die Bedürfnisse (und Glaubenssätze)<br />
des Coachees, sollen also problemlos integrierbar sein.<br />
Dass ein Reframe funktioniert, liegt daran, dass er sich mit den Kriterien der Wohlgeformtheit<br />
der Bedürfnisse dieser speziellen Person verbindet. ... Die besten Reframes<br />
sind die, deren Sichtweise der Welt genauso gültig ist wie die bisherige<br />
Sichtweise des Betreffenden.<br />
Zitat 17: Bandler & Grinder, 2000, S. 58<br />
1.2.19 Modell der Welt<br />
Bandler & Grinder weisen schließlich noch auf einen anderen bemerkenswerten Aspekt<br />
des Reframing hin:<br />
Wenn eine Person das Verhalten X benutzt, so ist das ein sehr spezifisches Verhalten.<br />
Es hat jeweils aktuelle sensorische Komponenten: Sehen, Hören und Fühlen.<br />
Wenn Sie versuchen, dieses Stück des Verhaltens direkt zu verändern, wird das<br />
sehr schwierig. Wird jedoch das Stück des Verhaltens mit all seinen Besonderheiten<br />
17
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
plötzlich in einem größeren Kontext, in einem größeren Rahmen gesehen, gefühlt<br />
oder gehört, dann entdecken Sie vielleicht, dass es gar nicht um die spezifische<br />
Verfahrensweise geht, sondern das Ergebnis (bzw. das Ziel), zu dem das Verhalten<br />
in den jeweiligen Modell der Welt führen soll. Dann haben Sie plötzlich viel Raum<br />
zum Manövrieren. Sie halten das Ergebnis – das Ziel, das Sie zu erreichen versuchen<br />
– konstant und erkennen, dass dieses spezifische Verhaltensmuster nur ein<br />
Weg ist, es zu erreichen.<br />
Zitat 18: Bandler & Grinder, 2000, S. 33<br />
Auch darin steckt ein Plädoyer, sich auf das Modell der Welt des anderen einzulassen, um<br />
über dessen Verständnis einen geeigneten Weg aus dem Labyrinth der Denk- und Verhaltensmuster<br />
zu finden. Beim Reframing geht es nicht darum, Fähigkeiten bzw. Reaktionsmöglichkeiten<br />
wegzunehmen – höchstens vorübergehend. Es werden aber zusätzliche Alternativen<br />
bereitgestellt, die „mit dem bewussten Verstehen der Person über das, was sie<br />
erreichen möchte, kongruenter sind“.<br />
1.2.20 Richtung des Reframing<br />
Was aus der Parabel des chinesischen Bauern ebenfalls ersichtlich wird ist, dass der ersetzende<br />
Frame nicht notwendig eine günstigere bzw. wohlwollendere Interpretation der Realität<br />
darstellt. Unvoreingenommen betrachtet bedeutet Reframe lediglich, dass ein Zusammenhang<br />
entdeckt wurde, der die Relevanz des vorigen Zusammenhangs schwinden lässt<br />
und stattdessen einen neuen Rahmen definiert, der mindestens ebenso angemessen erscheint.<br />
Wir reframen so, dass etwas Nützliches daraus entsteht in einem bestimmten Kontext.<br />
Bandler & Grinder (ebd.) raten davon ab, von „Positivem“ statt "Nützlichem" zu sprechen.<br />
Nutzen sei immer positiv [S. 45]. Manchmal sei es aber nützlich, anders herum zu reframen,<br />
etwa bei nachteiliger Selbstüberschätzung (=> Provokation à la Frank Farrelly). Reframing<br />
ist also nicht immer ein Mittel, mit dem man aus etwas Unerfreulichem eine schöne<br />
Sache macht.<br />
Viele Leute brauchen eine genauere Sichtweise ihrer selbst und der Welt, und das<br />
ist nicht immer schön. … Halten Sie also das Reframing nicht nur in Kontexten für<br />
geeignet, in denen Sie aus etwas Negativem etwas Positives machen. Manchmal<br />
kann eine deftige Dosis Furcht oder Inkompetenz, Unsicherheit oder Zweifel sehr<br />
nützlich sein.<br />
Zitat 19: Bandler & Grinder, 2000, S. 46-47<br />
Führt man diesen letzteren Gedanken weiter, dann kann analog zur Klage beim gewöhnlichen<br />
Reframing die unangemessene Glorifikation beim umgekehrten Reframing als Ausgangspunkt<br />
für eine Intervention genommen werden. Besteht beim gewöhnlichen Reframing<br />
der Schaden in einem ressourcearmen kognitiven, emotionalen oder verhaltensbezogenen<br />
Zustand, dann ließe sich beim umgekehrten Reframing ein Schaden unterstellen, der<br />
aus Zuständen des Übermuts, der Selbstüberschätzung, der Unterschätzung einer Herausforderung<br />
u.ä. resultieren mag und den Coachee selbst oder sein Umfeld über kurz oder<br />
lang beeinträchtigen kann.<br />
18
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
In der Politik wird Reframing in beiden Richtungen als rhetorisches Stilmittel weidlich und<br />
in Perfektion betrieben, wobei die Anwender dieser Techniken sich freilich durchaus nicht<br />
in ressourcearmen Zuständen wähnen. Hier zeigt sich, dass die Fähigkeit, Reframings zu<br />
erkennen und ggf. energisch zu disputieren oder selbst einzusetzen, die eigenen Handlungsmöglichkeiten<br />
erweitert. Unter Umständen kann dies das "Überleben" in einem Berufsfeld<br />
erleichtern.<br />
1.2.21 Parallele zum Meta-Modell<br />
Reframing öffnet in ähnlicher Weise Denkräume, wie das mit Hilfe der Metamodell-<br />
Fragen erreicht wird. Allerdings kann beim Inhalts-Reframing die Kreativität des Coaches<br />
bzw. Anwenders in stärkerem Maße gefordert sein.<br />
Reframing ist eine andere Art, das gleiche zu bewerkstelligen wie mit den Meta-<br />
Modell-Fragen. Sie fragen dann nicht "für wen?", sondern ändern es einfach. Wenn<br />
jemand sagt "Dummheit ist an sich schlecht; es ist schlecht, dumm zu sein", dann<br />
sagen Sie: ‚Manche Leute benutzen die Dummheit als Mittel unglaublich viel zu<br />
lernen. Andere Leute benutzen die Dummheit als Mittel, andere etwas für sich tun<br />
zu lassen. Das ist doch ausgesprochen clever.’<br />
Zitat 20: Bandler & Grinder, 2000, S. 48<br />
1.2.22 Funktion der Verwirrung<br />
Reframing schafft Verwirrung. Verwirrung aber ist ein wesentliches musterunterbrechendes<br />
Ereignis, das sich als Auslöser für eine Umstrukturierung des Denkens eignet.<br />
Verwirrung ist das Tor zur Neuorganisation Ihrer Wahrnehmung und zum Lernen<br />
von Neuem.<br />
Zitat 21: Bandler & Grinder, 2000, S. 49<br />
1.2.23 Ökologie<br />
Abschließend betonen Bandler und Grinder (ebd.), dass die Wirkung des Reframing auch<br />
darauf beruht, dass die Neubewertung keine Vorbehalte des Klienten oder seiner Umwelt<br />
erzeugt:<br />
Der andere Aspekt des Reframing, der dazu beiträgt, dass es so leicht funktioniert,<br />
liegt darin, dass es explizit ökologisch ist. Wir stellen sicher, dass die neuen Verhaltensweisen<br />
mit keinem anderen Aspekt des Funktionierens der Person interferieren.<br />
Zitat 22: Bandler & Grinder, 2000, S. 171<br />
1.3 Inhaltliches Reframing bei Robert Dilts<br />
Eine genauere Analyse des Modells ‚Inhalts-Reframing’ verdanken wir Robert Dilts<br />
(2001). Er integriert beide Untermodelle in ein umfassenderes System von 14 Sleight-of-<br />
Mouth-Mustern, die allesamt Reframing-Qualität besitzen. So heißt es:<br />
19
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Die Sleight-of-Mouth-Muster 'Verändern der Rahmengröße' und 'Wechsel zu einem<br />
anderen Ergebnis' sind Beispiel für das, was im NLP als Kontext- und als Inhalts-<br />
Reframing bezeichnet wird.<br />
Zitat 23: Dilts, 2001, S. 40<br />
Dazu muss angemerkt werden, dass Dilts der Definition von Inhalts-Reframing von Bandler<br />
& Grinder nicht folgt. Was er Inhalts-Reframing nennt, kann als Unterkategorie des<br />
Bedeutungs-Reframing bezeichnet werden. Das obige Zitat kann so interpretiert werden,<br />
dass alle Beispiele, bei denen die "Rahmengröße" verändert wird, ebenso gültige Beispiele<br />
für das Kontext-Reframing darstellen. Doch besteht nicht jedes Kontext-Reframing notwendig<br />
aus einer Veränderung der Rahmengröße. Analog sind Reframing-Beispiele, bei<br />
denen zu einem anderen Ergebnis gewechselt wird, eine echte <strong>Teil</strong>menge aller möglichen<br />
Beispiele für Bedeutungs-Reframing.<br />
1.3.1 Frame<br />
Schauen wir zunächst an, was Dilts zum Begriff "Frame" zu sagen hat. Dilts (2001) interpretiert<br />
'Rahmen' als kognitive Ausrichtung subjektiven Erlebens:<br />
Mit einem Rahmen im psychologischen Sinne ist ein genereller Fokus, eine Ausrichtung<br />
von Gedanken und Handlungen während einer Interaktion gemeint. Ein<br />
Rahmen bezieht sich auf den kognitiven Kontext eines Ereignisses oder einer Erfahrung.<br />
Wie der Begriff vermuten lässt, legt ein Rahmen die Grenzen einer Interaktion<br />
fest. Rahmen haben einen sehr starken Einfluss auf die Interpretation spezifischer<br />
Erfahrungen und auf die Art, wie auf sie reagiert wird, und dies leisten sie<br />
aufgrund dessen, wie sie diese Erfahrungen und die direkte Aufmerksamkeit 'interpunktieren'.<br />
Zitat 24: Dilts, 2001, S. 30<br />
Hier wird "Rahmen" als psychologische Entität charakterisiert und somit indirekt auf den<br />
metaphorischen Charakter des Begriffes im Verwendungszusammenhang "Reframing"<br />
aufmerksam gemacht. Als Synonym kann "genereller Fokus" eingesetzt werden, bzw.<br />
"Ausrichtung von Gedanken", was ebenso metaphorisch klingt und nicht unbedingt mehr<br />
erklärt. Mit Fokussierung meint Dilts anscheinend das Einschalten eines Wahrnehmungs-<br />
oder Denkfilters bzw. die Aufmerksamkeitslenkung auf bestimmte Aspekte einer Erfahrung.<br />
Dazu beschreibt er beispielhaft einige Typen von Rahmen (Ergebnis-Rahmen bis<br />
Als-ob-Rahmen):<br />
(a) Fokussierung auf ein angestrebtes Ziel bzw. ein gewünschtes Ergebnis und die dafür<br />
erforderlichen Mittel (Ergebnisrahmen): Der Rahmen kann durch das Benennen des gewünschten<br />
Ergebnisses gesteckt werden. Bsp.: Jemand, der mit einer Vorstellung möglicher<br />
Ergebnisse in eine Verhandlung eintritt, wird bestimmte Gedanken und Handlungsmöglichkeiten<br />
"umzäunen".<br />
(b) Fokussierung auf unerwünschte Symptome und deren Ursachen (Problemrahmen): Der<br />
Rahmen kann durch die Konzentration auf ein Problem definiert sein. Bsp.: Jemand, der<br />
mit Vorstellungen darüber beginnt, welche Probleme während einer Verhandlung auftreten<br />
können oder was unter allen Umständen verhindert werden soll.<br />
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Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
(c) Fokussierung auf zeitliche Ressourcen und die Verteilung von Inhalten (Zeitrahmen):<br />
Der Rahmen kann zeitlich gesteckt werden und hat somit Auswirkungen darauf, was wir<br />
von einer Aktion erwarten bzw. wie wir die Aktion angehen. Bsp.: Ein Vortrag, der 10<br />
Minuten dauern soll, impliziert andere Erwartungen und Fokussierungen als ein Vortrag,<br />
der einen 90-minütigen Zeitrahmen eingeräumt bekommt.<br />
(d) Fokussierung auf die Unmöglichkeit, bestimmte Wunschergebnisse zu realisieren und<br />
die Gründe, weshalb diese unmöglich sind (Unmöglichkeitsrahmen): Der Rahmen umspannt<br />
ein Gedankenfeld, das von Überlegungen der Unfähigkeit und den Gründen dafür<br />
besetzt ist. Bsp.: Jemand, der über längere Zeit unzufrieden in finanzieller oder persönlicher<br />
Abhängigkeit lebt, kommt nicht "in die Pötte", weil er sich auf die Unmöglichkeit<br />
fokussiert, etwas an seiner Situation zu ändern.<br />
(e) Fokussierung auf Fehler, Versagen (Misserfolgs-Rahmen): Der Rahmen grenzt Mängeldiagnosen<br />
und die Entsetzlichkeit von Fehlern als geistiges Betätigungsfeld ein. Bsp.:<br />
Perfektionistische Menschen neigen dazu, trotz überdurchschnittlicher Performance betrübt<br />
oder verunsichert zu sein, weil sie bevorzugt einen Misserfolgsrahmen setzen.<br />
(f) Fokussierung auf Verbesserungen, Korrekturen, Optimierungsmöglichkeiten (Feedback-Rahmen):<br />
Der Rahmen definiert ein Feld, bei dem Gedanken eine Rolle spielen wie:<br />
"Was kann ich verbessern?", "Wie gehen Erfolgreiche vor?", "Was sagen Erfolgreiche über<br />
meine Art zu handeln?" etc.. Bsp.: Wer ein Spiel wie Schach oder Poker erlernen und gut<br />
beherrschen will, nimmt gewöhnlich einen Fokus ein, der Lernerfahrungen begierig aufnimmt<br />
und für optimiertes künftiges Handeln nutzt.<br />
Fokussierung auf die Bedingungen und das Erleben, die mit dem Besitz einer Fähigkeit,<br />
Fertigkeit oder Autorität unmittelbar verknüpft sind (Als-ob-Rahmen): Der Rahmen kann<br />
dadurch gesteckt sein, dass wir uns in einen Zustand assoziieren, der in der Gegenwart<br />
lediglich eine Möglichkeit darstellt. Er kann demnach durch das Ausprobieren einer künftigen<br />
Wirklichkeit im Hier und jetzt vorgegeben werden. Bsp.: Jemand der sich zur Wahl<br />
stellt, neigt dazu, sich bereits die Zeit davor so einzustimmen und zu präsentieren, als habe<br />
er die Wahl bereits gewonnen. Kinder nehmen im Spiel gerne Rollen Erwachsener rein und<br />
verhalten sich dann wie ihre "Modelle".<br />
1.3.2 Strategie beim Reframing<br />
Dilts (ebd.) legt sich in der Folge fest und gibt klare Strategietipps, die inhaltliches Reframing<br />
(im Bandler & Grinder-Sinne) erleichtern sollen:<br />
Das grundlegende Ziel … besteht darin, Menschen zu helfen, ihre Perspektive zu<br />
verändern, indem sie 1) von einem Problem- zu einem Ergebnisrahmen, 2) von einem<br />
Versagens- zu einem Feedbackrahmen und 3) von einem Unmöglichkeits- zu<br />
einem Als-ob-Rahmen wechseln.<br />
Zitat 25: Dilts, 2001, S. 32<br />
Dabei ist die Grundmotivation die, den Coachee in eine Denkrichtung zu bewegen, die das<br />
Potenzial hat, nützlich im Hinblick auf eine Weiterentwicklung aus der Klageposition heraus<br />
zu sein.<br />
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Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Die Positionierung von Rahmen hat die Anwendungen von Taktiken zur Folge (Dilts,<br />
2001, S.31). Dilts erläutert dies am Beispiel des Ergebnisrahmens. Der Zweck einer Aktivität<br />
gebe augenblicklich auch eine Richtung vor.<br />
Insofern gibt ein bestimmtes Ergebnis schon von sich aus einen bestimmten Rahmen<br />
vor, der darüber entscheidet, was als relevant, erfolgreich und 'innerhalb des<br />
Rahmens' bzw. als irrelevant, unnütz und 'außerhalb des Rahmens' wahrgenommen<br />
wird.<br />
Zitat 26: Dilts, 2001, S. 32<br />
Dies unterstützt unsere These, dass die Rahmensetzung bereits das Werturteil bezüglich<br />
Relevanz und Willensimpuls integriert.<br />
Während Dilts den Rahmenbegriff in das Feld der Interaktion verlegt (vgl. Zitat 23),<br />
scheint nichts dagegen zu sprechen, Rahmenverwendungen ebenso für Intra-Aktionen bzw.<br />
für Aktionen generell zu unterstellen. So sind interne Monologe ein verbreitetes Mittel,<br />
sich selbst in wahlweise ressourcevolle oder ressourcearme Zustände zu managen.<br />
1.3.3 Die Definition von Reframing bei Dilts<br />
Dilts weist auf die besondere Wichtigkeit der Bedeutungs- bzw. Sinnveränderung beim<br />
Reframing hin. Es werden alternative "Lesevarianten" geschaffen, die das Blickfeld erweitern<br />
und aus einem Problemrahmen herausführen:<br />
Reframing beinhaltet, Menschen zu helfen, ihre Probleme umzudeuten, und Lösungen<br />
zu finden, indem man den Rahmen, in dem die Probleme wahrgenommen werden,<br />
verändert. … Psychologisch beinhaltet Reframing, dass man den Sinn von etwas<br />
verwandelt, indem man es in einen Rahmen oder Kontext befördert, der sich<br />
von demjenigen unterscheidet, mit dem das betreffende Objekt vorher in Verbindung<br />
gebracht wurde.<br />
Zitat 27: Dilts, 2001, S. 35f<br />
Ergänzend heißt es an späterer Stelle (S. 38):<br />
Reframing bedeutet …, dass der Inhalt einer Erfahrung oder einer Situation mit einem<br />
neuen geistigen Rahmen versehen und dadurch unsere Wahrnehmung der Situation<br />
erweitert wird, so dass wir mit ihr klüger und flexibler umgehen können.<br />
Zitat 28: Dilts, 2001, S. 36<br />
1.3.4 Kontext-Reframing bei Dilts<br />
Grundannahme beim Kontext-Reframing ist, dass alle Verhaltensweisen in bestimmten<br />
Kontexten nützlich sind. Beim Kontext-Reframing kommt es darauf an, dem Betreffenden<br />
die Nützlichkeit dieses Verhaltens deutlich zu machen und ihn damit in eine Meta-Position<br />
zu bewegen, die eine hilfreichere Kommunikation über z.B. ein Verhalten und dessen Kontext<br />
ermöglicht. Wie aber kann der Nutzen verdeutlicht werden? Einen ersten Hinweis gibt<br />
Dilts mit seiner Definition von Kontext-Reframing:<br />
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Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Kontext-Reframing bezieht sich auf die Tatsache, dass bestimmte Erfahrungen,<br />
Verhaltensweisen und Ereignisse je nach dem Kontext, in dem sie erscheinen, unterschiedliche<br />
Implikationen und Konsequenzen haben. Regen beispielsweise erscheint<br />
einer Gruppe von Menschen, die unter starker Trockenheit gelitten hat, als<br />
äußerst positives Ereignis, einer anderen Gruppe hingegen, die sich in einem überfluteten<br />
Gebiet befindet oder die ein Fest im Freien feiern will, als sehr negativ. Der<br />
Regen selbst ist weder gut noch schlecht. Welches Urteil mit ihm verbunden wird,<br />
hängt von den Konsequenzen ab, die er in einem bestimmten Kontext hervorruft.<br />
Zitat 29: Dilts, 2001, S. 41<br />
Das hier beworbene Prinzip lässt sich verallgemeinern: Ein Verhalten an sich ist weder gut<br />
noch schlecht. Beurteilt wird es unter anderem anhand der Konsequenzen, die es in einem<br />
definierten Kontext hat. Dies ist insofern ein neuer Aspekt, als Bedeutung nunmehr eine<br />
Konkretisierung erfährt. Die Bedeutung eines Problemverhaltens kann in seinen Wirkungen<br />
bzw. Ergebnissen oder, wie wir noch erörtern werden, in zugrundeliegenden Intentionen<br />
gesucht werden. Dilts (2001) lässt aber keine Zweifel offen, dass beide Wege der Bedeutungssuche<br />
beim Kontext-Reframing gangbar sind, gelte es doch, "gemeinsam (zu)<br />
erforschen, welche positiven Absichten und positiven Auswirkungen mit dem Verhalten ...<br />
verbunden sind" (S. 41). Eine vertiefende Untersuchung, welche positiven Absichten oder<br />
Auswirkungen mit einem problematischen Verhalten verbunden sind, kann demnach<br />
wahlweise erfolgen. Danach können geeignetere Verhaltensweisen gesucht werden, die die<br />
gleiche Absicht, den gleichen Erfolg auf andere Weise bedienen.<br />
1.3.5 Bedeutungs-Reframing bei Dilts<br />
Dilts veranschaulicht Bedeutungs-Reframing (dort mit Inhalts-Reframing bezeichnet) zunächst<br />
allgemein, indem er auf das Potential von Satzbestandteilen verweist, unterschiedliche<br />
mögliche Bedeutungen zu repräsentieren (S. 42):<br />
Beim Inhalts-Reframing wird nicht der Kontext verändert, sondern die Perspektive<br />
oder die Ebene, auf der ein bestimmtes Verhalten oder eine Situation betrachtet<br />
wird. Als Beispiel hierfür soll uns eine Wiese dienen. Ein Bauer denkt beim Anblick<br />
eines solchen Feldes an die Möglichkeit, Getreide anzubauen. Für einen Architekten<br />
ist es ein Grundstück, auf dem er sein Traumhaus bauen kann. Ein junges<br />
Paar sieht darin einen wunderbaren Ort für ein Picknick. Für einen Piloten am Steuer<br />
eines kleinen Flugzeugs, dem das Benzin ausgeht, ist es ein geeigneter Landeplatz.<br />
… Der gleiche Inhalt (das Feld) wird je nach Perspektive und Absicht des<br />
Betrachters unterschiedlich wahrgenommen.<br />
Zitat 30: Dilts, 2001, S. 42<br />
Auch beim Bedeutungs-Reframing besteht die Strategie darin, zunächst zwischen Verhalten<br />
und Absicht bzw. Problem und Intention zu unterscheiden. Dem schließt sich an, die<br />
positive Absicht oder auch das positive Ergebnis herauszuarbeiten, die dem problematischen<br />
Verhalten zugrunde liegen könnten. So interpretiert Dilts an einer Stelle Bedeutungs-<br />
Reframing als Herausarbeiten eines anderen Ergebnisses (S. 33):<br />
Das Sleight-of-Mouth-Muster Ein anderes Ergebnis beinhaltet, die Aufmerksamkeit<br />
der Beteiligten durch eine entsprechende Äußerung auf ein anderes Ziel zu lenken<br />
23
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
und dadurch weg von einem Ziel, das durch ein bestimmtes Urteil oder eine bestimmte<br />
Generalisierung vorgegeben oder impliziert wird.<br />
Zitat 31: Dilts, 2001, S. 33<br />
Wendet man dies am Beispiel der Teppichabdrücke an, dann lässt sich sagen: Das Ergebnis<br />
"Meine Familie liebt mich nicht" wird ausgetauscht durch ein anderes Ergebnis "Die mir<br />
wichtigen Menschen sind in meiner Nähe". Dilts sieht die Wirkung dieses Musters darin<br />
begründet, dass die Relevanz des ursprünglichen Ergebnisses in Frage gestellt wird.<br />
1.3.6 Fünf Sleight-of-Mouth-Muster des Inhaltlichen Reframings<br />
Dilts empfiehlt insgesamt fünf Sleight-of-Mouth-Muster, mit denen inhaltliche Reframings<br />
bewerkstelligt werden können - "Ein anderes Ergebnis", "Absicht", "Verändern der Rahmengröße",<br />
"Umdefinieren" und "Modell der Welt".<br />
Ein anderes Ergebnis.<br />
Der Rahmen verschiebt sich, indem auf ein anderes Ergebnis abgehoben wird. Die Aufmerksamkeit<br />
des Coachee wird auf ein anderes Ziel gelenkt. Das ursprüngliche Ergebnis,<br />
das durch eine Generalisierung (z.B. Fußabdrücke bedeuten fehlende Liebe) oder eine Tilgung<br />
(z.B. Sie ist zu stur) vorgegeben war, rückt aus dem Blickfeld und verliert somit an<br />
Relevanz.<br />
Absicht.<br />
Der Rahmen wird insofern neu gesteckt, als die Aufmerksamkeit des Coachee auf den<br />
Zweck bzw. die Absicht gelenkt wird, die hinter einem Problemverhalten stecken könnte.<br />
Indem auf die Absicht statt dem tatsächlichen Verhalten abgehoben wird, erweitert sich der<br />
Horizont des Coachee, die Relevanz der ursprünglichen Bewertung schwindet.<br />
Verändern der Rahmengröße.<br />
Bei dieser Art der Neukontextualisierung wird eine quantitative Verschiebung (Ausdehnung<br />
oder Einengung, Heraus- vs. Hineinzoomen) des Rahmens bewirkt, indem etwa ein<br />
anderer Zeitrahmen, eine andere Zahl von Menschen oder ein unterschiedlich großes<br />
Blickfeld vorgestellt wird. So relativiert sich der Schmerz eines kurzen Zeitrahmens (z.B.<br />
weil jemand in der Schule nicht versetzt wurde), wenn man ihn in einen großen Zeitraum<br />
einbettet oder aufzeigt, wie vielen erfolgreichen Menschen das auch schon passiert ist.<br />
Umdefinieren.<br />
Hier wird eine andere Formulierung gewählt, ein andes Wort. Wandeln wir eine negativ<br />
formulierte Aussage in eine positive um oder ersetzen ein emotional belastetes Wort durch<br />
ein neutraleres (Ein-Wort-Reframing), dann öffnen wir neue Denkräume und öffnen das<br />
Tor zu mehr Flexibilität.<br />
Modell der Welt.<br />
Diese Form der Rahmenverschiebung kann bspw. bewirkt werden, indem der Coachee<br />
(oder auch der Coach) die zweite Position ("Du") einnimmt. Er versetzt sich also in die<br />
24
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Lage eines anderen Menschen und übernimmt für einen Augenblick dessen Sichtweise<br />
bzw. Wahrnehmungsposition. Indem er sich in die Haut des Anderen hineinassoziiert, dessen<br />
Überzeugungen, Werte, Selbstverständnis, beginnt er Ereignisse aus der Perspektive<br />
eines anderen Weltmodells wahrzunehmen.<br />
1.4 Ergänzungen und Präzisierungen<br />
Ergänzend sollen in diesem Abschnitt zwei Begriffe näher betrachtet werden, die im Vokabular<br />
Bandler & Grinders (2000) häufig auftauchen, ohne dass eine präzise Definition<br />
zur Verfügung gestellt wird. Es geht um den Begriff der "Bedeutung" und den Begriff der<br />
"Komplexen Äquivalenz". Danach sollen Kontext- und Bedeutungs-Reframing nochmals<br />
anhand ihrer logischen Struktur verglichen werden. Anschließend wird der Begriff "Ereignis"<br />
näher beleuchtet werden, ehe abschließend einige Worte zur Möglichkeit nonverbaler<br />
Reframings folgen.<br />
1.4.1 Über den Bedeutungsbegriff bei Bandler und Grinder<br />
Wir haben schon gesehen, dass "Bedeutung" verschiedene Bedeutungen haben kann. Da<br />
existiert etwa der quantitative Bedeutungsbegriff (hohe vs. geringe Bedeutung). Außerdem<br />
gibt es verschiedene qualitative Bedeutungsbegriffe, wie im Folgenden zu zeigen ist.<br />
Bedeutungs-Reframing soll dazu dienen, die Bedeutung eines Stimulus bzw. eines Verhaltens<br />
oder Erlebens zu verändern. Nehmen wir einige prototypische Aussagen, um zu beschreiben,<br />
was mit Bedeutung prinzipiell gemeint sein könnte.<br />
(a) X ≡ Y<br />
Gelegentlich meinen wir "X bedeutet Y", wenn wir sagen: "X ist dasselbe wie y", bzw. X<br />
ist identisch mit Y. Bsp.: Der Mann, der gerade die Treppe hochkommt, ist mein Bruder.<br />
"Der Mann, der gerade die Treppe hochkommt" und "mein Bruder" verweisen im gegebenen<br />
Kontext auf denselben "Gegenstand" und haben somit dieselbe Bedeutung. Dieser Bedeutungsbegriff<br />
wurde vom Sprachphilosophen Gottlob Frege geschaffen.<br />
(b) X = Y<br />
Häufig meinen wir "X bedeutet Y", wenn wir sagen: "X ist das gleiche wie y", bzw. X ist<br />
hinsichtlich der wesentlichen Merkmale das Gleiche wie Y. Bsp.: Ich habe den gleichen<br />
Wagen / die gleichen Interessen wie mein Bruder. Hier sage ich, dass "der Wagen meines<br />
Bruders" und "mein Wagen" auf dasselbe Prinzip verweisen (z.B. das Prinzip, nach dem<br />
man einen BMW X3 mit Serienausstattung erkennt) und somit bedeutungsgleich sind.<br />
(c) X ↔ Y<br />
Drittens meinen wir "X bedeutet Y", bzw. X ist äquivalent mit Y, wenn wir sagen: "X ist<br />
ein hinreichendes Indiz für Y". Bsp.: Wo mein Bruder ist, da bin auch ich. Wo Rauch ist,<br />
da ist auch Feuer.<br />
(d) X → Y<br />
Dieser schwächste vierte Bedeutungsbegriff geht davon aus, dass die Bedeutung eines Ereignisses<br />
in der zeitlichen, logischen oder psychologischen Folge besteht, die dieses Ereig-<br />
25
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
nis impliziert. Wenn ich sage "Zuckerrohranbau zur Gewinnung von Bioethanol bedeutet,<br />
dass Nahrungsmittel noch knapper werden", dann liegt die Bedeutung des Zuckerrohranbaus<br />
(immer) in der knapperen Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln. Wir würden allerdings<br />
nicht umgekehrt schließen wollen, dass die knappere Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln<br />
(immer) bedeutet, dass Bioethanol-Zuckerrohr angebaut wird.<br />
Die Zeichen zwischen X und Y können jeweils durch das Wort "bedeutet" ersetzt werden.<br />
Eine Koinzidenzbehauptung ist in allen vier Fällen gegeben. Allerdings ist der Grund für<br />
die behauptete Koinzidenz unterschiedlich fest. Im ersten Fall der Identität verweisen die<br />
Beschreibungen X und Y auf denselben (einen) Gegenstand. Die Koinzidenz ist eine logische<br />
und damit a priori wahr.<br />
Im zweiten Fall der Gleichheit enthalten die Beschreibungen X und Y, sofern sie überhaupt<br />
auf etwas verweisen, eine Unschärfe, die es nicht erlaubt, die Koinzidenzbehauptung anders<br />
als durch die Kriterien zu charakterisieren, in welcher Hinsicht bzw. aufgrund welcher<br />
<strong>Teil</strong>menge von Merkmalsausprägungen eine Gleichheit eingeräumt werden kann. Auch<br />
hier kann eine a priori-Wahrheit zuerkannt werden, unter der Nebenbedingung, dass bestimmte<br />
Betrachtungsprinzipien ausgeblendet werden.<br />
Im dritten Fall der Äquivalenz begründet sich die Koinzidenz allein auf eine Art "Seil"<br />
zwischen den beiden Bezeichneten, das dazu führt, dass diese stets zusammen oder aber<br />
gar nicht auftreten. Dabei kann es sich um völlig Unterschiedliches handeln. Die angebliche<br />
Koinzidenz lässt sich allenfalls a posteriori begründen - etwa aufgrund der Diagnose<br />
unseres eingebauten "Koinzidenzdetektors" (Thema "Ankern").<br />
Im vierten Fall wird lediglich behauptet, dass das Eine nicht ohne das Andere da sein kann.<br />
Allerdings kann das Andere durchaus auch allein auftreten.<br />
Womit Bandler & Grinder sich ausschließlich befassen, sind angeblich Äquivalenzen, also<br />
die dritte Form der Gleichheitsbeziehung. Wenn sie demnach von Bedeutungs-Reframing<br />
sprechen, dann meinen sie eine Intervention der folgenden Form:<br />
X ↔ Y (Y bedeutet X) wird überführt in Z ↔ Y (Y bedeutet Z)<br />
Statt also Fußabdrücke auf dem Teppich als gleichbedeutend mit mangelnder Liebe anzusehen,<br />
reframen wir und setzen Fußabdrücke auf dem Teppich gleich mit "Meine Lieben<br />
sind in der Nähe". Bedeutungs-Reframing meint demnach, dass eine Äquivalenz durch<br />
eine andere Äquivalenz ersetzt wird. Doch handelt es sich tatsächlich um eine Äquivalenz<br />
und weshalb wird sie "komplex" genannt?<br />
1.4.2 Komplexe Äquivalenz<br />
Bildet eine "komplexe Äquivalenz" die Grundlage für eine Klage, so ist gemäß Bandler &<br />
Grinder (1975) die strukturelle Voraussetzung für ein Bedeutungs-Reframing erfüllt. Dabei<br />
wird die komplexe Äquivalenz jenem Wahrnehmungsfilter zugeordnet, bei dem uns wenige<br />
Beispiele – oder nur eines – dazu veranlassen, induktiv eine umfassendere Gesetzmäßigkeit<br />
zu erschließen: die Generalisation. Bandler und Grinder führen die komplexe<br />
Äquivalenz wie folgt ein:<br />
We want to point out one additional, frequently occurring form of generalisation<br />
which is somewhat more complex than the ones which we have so far considered in<br />
26
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
this section. These complex generalizations involve Surface Structures which are<br />
equivalent in the client's model. Typically, the client says one of these Surface<br />
Structures, pauses, and then says the second.<br />
Zitat 32: Bandler & Grinder, 1975, S. 88<br />
Hierbei ist mit "Oberflächenstruktur" eine Aussage gemeint, die eine zugrunde liegende<br />
Erfahrung sprachlich manifestiert. Es wird das folgende Beispiel gegeben:<br />
My husband never appreciates me … My husband never smiles at me.<br />
Übrigens sind in diesem Beispiel beide Behauptungen für sich genommen bereits Generalisierungen<br />
– wegen der Universalquantifikation "never". Aber auch das Herstellen einer<br />
Äquivalenzbeziehung ist ein Generalisierungsvorgang, da behauptet wird, dass das eine<br />
nicht ohne das andere sein kann. Bandler & Grinder (1975) zufolge kann das Bestehen<br />
einer Äquivalenzbeziehung zwischen beiden Behauptungen leicht mit einer Frage ermittelt<br />
werden:<br />
Does your husband's not smiling at you always mean that he doesn't appreciate you?<br />
Bejahe der Klient diese Frage, dann sei eine Äquivalenzbeziehung verifiziert. Zwei Einwände<br />
scheinen sich bei dieser Art der Diagnostik aufzudrängen. Zum einen unterschlagen<br />
die Autoren einen sprachlichen Trick, da die gestellte Frage ein Chunking-up vornimmt,<br />
indem das Wort "never" durch das Wort "not" ersetzt wird. "Not" kann "never" bedeuten,<br />
kann sich aber auch auf bestimmte Orte, Zeiträume, Gesprächsinhalte und sogar auf einen<br />
hypothetischen Einzelfall beziehen. Frage ich "Wenn Sie jemand nicht anlächelt …", dann<br />
bedeutet das etwas anderes als wenn ich frage: "Wenn Sie jemand nie anlächelt …".<br />
"Nicht" unterschlägt insbesondere die Qualität der Dauer. Dieses Chunking-up könnte,<br />
wenn es entdeckt wird, zu einem Rapportbruch führen, sofern die Frage des Coaches als<br />
sophistisches Bemühen, den Coachee zu überlisten, interpretiert wird.<br />
Der zweite Einwand bezieht sich auf die Verwendung der Begriffe "komplex" und "Äquivalenz".<br />
Beginnen wir mit dem letzteren Begriff. In der Brockhaus Enzyklopädie wird<br />
Äquivalenz in einer allgemeinen Bedeutung den Synonymen "Gleichwertigkeit" bzw.<br />
"Entsprechung" zugewiesen. Nehmen wir an, a und b seien zwei Behauptungen. Was also<br />
bedeutet es, wenn gesagt wird "a ist gleichwertig mit b" bzw. "a entspricht b"? Nimmt man<br />
es wörtlich, dann heißt es, dass a und b austauschbar sind, da sie das gleiche bedeuten. In<br />
der Mathematik wird ein Ausdruck dem anderen äquivalent bezeichnet, wenn er dasselbe<br />
aussagt. In der formalen Logik wurde für Äquivalenz ein weniger strenger Regelbezug<br />
definiert. Danach sind zwei Aussagen äquivalent, wenn sie sich wechselseitig logisch implizieren<br />
– wenn also gilt: Aus a folgt b und aus b folgt a. Dabei kann "↔" als Zeichen für<br />
Äquivalenz und "→" als Zeichen für Implikation verwendet werden. Aus a ↔ b (gelesen: a<br />
genau dann, wenn b) folgt nach diesem logischen Prinzip somit zum einen a→b, zum anderen<br />
b→a.<br />
Wie aber ist nun die logische Implikation zu verstehen? Die Implikation a→b (gelesen:<br />
wenn a, dann b) enthält zwei wesentliche Aussagen. Erstens ist das Zutreffen von a ein<br />
hinreichender Grund für das Zutreffen von b. Mit anderen Worten: Wenn a gilt, dann gilt<br />
auch (immer) b. Diese Gesetzmäßigkeit wird Modus Ponens genannt. Zweitens ist das<br />
Nichtzutreffen von b ein hinreichender Grund für das Nichtzutreffen von a. Wenn also b<br />
nicht zutrifft, dann auch nicht a. Diese Gesetzmäßigkeit wird Modus Tollens genannt. Be-<br />
27
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
trachten wir nun nochmals das von Bandler & Grinder gegebene Beispiel für eine Äquivalenz<br />
und prüfen ihren Äquivalenztest (vgl. Abb 6).<br />
a: My husband never appreciates me<br />
b: My husband never smiles at me<br />
Does your husband's not smiling at you always mean that he<br />
doesn't appreciate you?<br />
Hypothese: a↔b<br />
Prüfung: Gilt b→a ?<br />
Yes Hypothese ist verifiziert<br />
Abbildung 6: Äquivalenztest nach Bandler & Grinder<br />
Schon bei erstem Hinsehen ist zu erkennen, dass da etwas nicht stimmt. Die Prüfung<br />
scheint unvollständig zu sein, da lediglich der Modus Ponens von b→a geprüft wird –<br />
nicht aber der Modus Ponens (MP) von a→b. Alternativ könnte der Modus Tollens (MT)<br />
von a→b gecheckt werden, um die Äquivalenzbeziehung tatsächlich zu ermitteln. Die Untersuchung<br />
von a→b unterbleibt jedoch gänzlich. Eine vollständige Prüfung müsste unseres<br />
Erachtens so aussehen – wobei wir das Chunking-up von "never" zu "not" einmal mitgehen<br />
(vgl. Abb. 7):<br />
a: My husband never appreciates me<br />
Hypothese: a↔b<br />
b: My husband never smiles at me<br />
MP: Does your husband's not smil- MT: Does your husband's ap- Prüfung: Gilt<br />
ing at you always mean that he preciating you always mean that b→a ?<br />
doesn't appreciate you?<br />
he smiles at you?<br />
Yes Es gilt b→a<br />
MP: Does your husband's not ap- MT: Does your husband's smil- Prüfung: Gilt<br />
preciating you always mean that he ing at you always mean that he a→b ?<br />
doesn't smile at you?<br />
appreciates you?<br />
Yes Es gilt auch a→b<br />
und damit a↔b<br />
Abbildung 7: Vollständiger Äquivalenztest<br />
Wie gesagt, der Modus Ponens (MP) und Modus Tollens (MT) sind innerhalb einer Implikation<br />
gleichwertige Prüfverfahren. Die Bestätigung von einem von beiden genügt zur Verifikation<br />
einer Implikationsbeziehung. Spüren wir einmal inhaltlich in die Prüfung von<br />
a→b hinein, dann wird klar, dass die betreffenden Fragen in eine andere Richtung gehen<br />
und von der Klientin nicht so leicht mit "Ja" beantwortet werden können wie die von<br />
Bandler & Grinder gestellte Frage. Warum sollte ich zugeben, dass jemand, der mich nicht<br />
mag, mich niemals anlächelt? Oder weshalb sollte jemand, der mich anlächelt, mich in<br />
jedem Fall mögen? Es scheint ohnehin so zu sein, dass das Urteil "never appreciates me"<br />
erst durch die Beobachtung "never smiles at me" etabliert wird. Aus alledem ist zu schließen,<br />
dass Bandler & Grinder sich zumindest im präsentierten Beispiel im Begriff vertan<br />
haben. Es geht hier nicht um eine Äquivalenzbeziehung zwischen Aussagen, sondern um<br />
eine Implikation, bei der das Zutreffen der einen Aussage b ein hinreichender Anlass für<br />
das Zutreffen der anderen Aussage a bildet. Wir sollten daher in diesem Beispiel und auch<br />
in anderen ähnlich aufgebauten eher von "komplexer Implikation" sprechen als von "komplexer<br />
Äquivalenz".<br />
Was aber soll nun mit "komplex" gemeint sein? Dem obigen Zitat ist keine griffige Begründung<br />
zu entnehmen, weshalb Bandler & Grinder (1975) an späterer Stelle (2000) von<br />
28
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
"komplexer Äquivalenz" sprechen. In der Überschrift des Textes von 1975 steht noch<br />
"Complex Generalisation - Equivalence", später (Reframing, 1982) reduziert sich dies auf<br />
"complex equivalence". Bandler & Grinder (1975) leiten ein, dass es eine weitere, häufig<br />
auftretende Form der Generalisierung gebe, die in gewisser Weise komplexer sei als diejenigen,<br />
die bis dahin in diesem Abschnitt behandelt worden seien. Schauen wir nach, welche<br />
Formen bis dahin behandelt sind, dann notieren wir:<br />
a) 'Fehlender Referenzindex',<br />
b) 'Symmetrische Prädikate',<br />
c) 'Nichtsymmetrische Prädikate' und<br />
d) 'X oder Y'.<br />
Dies liefert indessen keinen klaren Hinweis für die Verwendung des Wortes "komplex". In<br />
einer Fußnote der Generalisierung 'X oder Y' wird obendrein von einer "psychologischen<br />
Äquivalenz" mit dem Ausdruck (nicht X) → Y gesprochen, ohne den Begriff "psychologische<br />
Äquivalenz" zu erläutern. Betrachten wir das Beispiel für 'X oder Y', dann ergibt sich<br />
aber doch eine erhellende Einsicht:<br />
I have to take care of other people or they won't like me.<br />
Da es sich hier um ein exklusives Oder handelt (entweder das eine oder das andere, nicht<br />
aber beides zusammen), ist diese Aussage bedeutungsgleich mit diesen Aussagen:<br />
a) If I take care of other people they will like me.<br />
b) If people don't like me then I'm not taking care of them.<br />
Dies lässt sich auf bekannte Weise so zusammenfassen (vgl. Abb. 8):<br />
a: Other people like me<br />
b: I take care of other people<br />
MP: Does my taking care of other<br />
people always mean that they like<br />
me?<br />
MT: Does other peoples' not liking<br />
me always mean that I don't care of<br />
them?<br />
Hypothese:<br />
b→a<br />
Prüfung: Gilt<br />
b→a ?<br />
Yes Es gilt b→a<br />
Abbildung 8: Implikationstest bei der Generalisierung "X oder Y"<br />
Wir sehen, dass die logische Struktur der Beziehung zwischen 'X oder Y' und der so genannten<br />
"komplexen Äquivalenz" identisch ist. Lediglich in der Sprache ist der Unterschied<br />
erkennbar, da im einen Fall "entweder a oder b" gesagt wird und im anderen Fall<br />
eher "a, weil b". Aus alledem ist zu folgern, dass die Struktur der "komplexen Äquivalenz"<br />
nicht, wie behauptet, komplexer ist als die der Generalisierung 'X oder Y'. Vielleicht sollte<br />
mit "komplex" auf die Tatsache Bezug genommen werden, dass zwei Gedanken miteinander<br />
zu einem übergeordneten (komplexeren) Gedanken verflochten werden. Allerdings<br />
wird dies bereits durch das Wort "Äquivalenz" herausgestellt und gilt ebenso für 'X oder<br />
Y'. Der Begriff "komplex" erscheint damit nicht hinreichend begründet und dürfte eher zur<br />
Verwirrung als zur Klärung beitragen. Um die aufgezeigte Art der Implikation von der<br />
objektiv-logischen abzuheben, könnte hier hilfreicher von "subjektiver Implikation" statt<br />
"komplexer Äquivalenz" gesprochen werden. Alternativ wäre von einer Generalisierung<br />
der Form "X weil Y" zu sprechen. Diese enthielte sowohl die "komplexe Äquivalenz" als<br />
auch das Muster "X oder Y".<br />
29
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Da Bandler & Grinder (2000) das Bedeutungs-Reframing (unwissentlich) erfolgreich bei<br />
Implikationsgeneralisierungen angewandt haben, kann somit gefolgert werden, dass die<br />
Form der Klage nicht nur eine "Komplexe Äquivalenz", sondern auch ein "X oder Y"-<br />
Muster oder - allgemein - ein "X weil Y"-Muster sein darf, um ein Bedeutungs-Reframing<br />
in Betracht ziehen zu können.<br />
1.4.3 Kontext- vs. Bedeutungs-Reframing<br />
Hier wollen wir uns noch ansehen, wie sich der Unterschied zwischen Bedeutungs-<br />
Reframing und Kontext-Reframing formal darstellen lässt. Beim Kontext-Reframing wird<br />
das Problemverhalten X von Kontext A in Kontext B transferiert. Dadurch verändert sich<br />
Bewertung Y in Bewertung Z. Genauer gesagt: ein bisher unbenannter – aber de facto präsenter<br />
– Kontext wird benannt. Ein anderer Kontext mit anderen Implikationen wird geschaffen.<br />
a) X → Y (Kontextfreie Klage)<br />
b) X|A → Y (Spezifizierung des verwendeten Kontextes A; lies: X wenn A)<br />
c) X|B → Z (Spezifizierung eines anderen möglichen Kontextes B)<br />
Person 1 beklagt ein Verhalten von Person 2. Dabei bewertet sie das Verhalten als generell<br />
negativ. Der Coach präzisiert den Kontext. Es wird ferner ein Kontext gesucht, der eine<br />
Ausnahme bildet. Durch Benennen der Ausnahme wird die kategorische Bewertung ins<br />
Wanken gebracht. Der Coach "beweist", dass Person 2 das Verhalten zu Recht zeigt, dass<br />
es eine Ressource darstellt. Zumindest in bestimmten Kontexten. Person 1 muss seine Pauschalverurteilung<br />
fallen lassen. Beispiel:<br />
a) Person 2 ist stur. Ich ärgere mich.<br />
b) Person 2 ist stur mir gegenüber. Das erscheint mir unangemessen. Ich ärgere mich.<br />
c) Person 2 ist stur gegenüber unsittlichen Anträgen. Das erscheint mir angemessen. Ich<br />
freue mich.<br />
Beim Bedeutungs-Reframing hingegen bleibt der Kontext derselbe.<br />
a) Y|(A) → X (Ursprüngliche Klage mit eindeutiger Bedeutung)<br />
b) Y|(A) → Z (Spezifikation einer alternativen, nützlichen Bedeutung)<br />
In unserem Teppich-Beispiel also:<br />
a) Abdrücke auf dem Teppich bedeuten, dass ich nicht geliebt werde. Das erscheint mir<br />
unangemessen. Ich ärgere mich.<br />
b) Abdrücke auf dem Teppich bedeuten, dass meine Lieben in der Nähe sind. Das erscheint<br />
mir angemessen. Ich freue mich.<br />
Hier noch einmal eine Übersicht zur logischen Form beider inhaltlicher Reframings (s.<br />
Abb. 9):<br />
30
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Alt Neu<br />
Y|(A) → X Y|(A) → Z Bedeutungs-Reframing<br />
Y → X Y|(A) → X Kontext-Reframing<br />
Y|(B) → Z<br />
A, B = Kontext, | = wenn, X = Klage und Y, Z = Implikation bzw. Folge oder "Bedeutung"<br />
Abbildung 9: Logische Struktur von Bedeutungs- und Kontext-Reframing<br />
1.4.4 Ereignisse<br />
Bislang unterblieb eine präzisere Beschreibung dessen, was unter einem "Ereignis" zu verstehen<br />
sei (vgl. Abschnitt 1.2.4). Da das Ereignis einen fundamentalen Bestandteil des Reframing-Ansatzes<br />
bildet, wird es lohnend sein, dieses hier nachzuholen. Liest man in den<br />
in dieser Arbeit zitierten Werken, so wird man eine Präzisierung des Ereignisbegriffes<br />
nicht finden. Wir möchten dazu einen Vorschlag machen:<br />
Ereignisse sind Gedanken.<br />
Von Gedanken sprechen wir, wenn wir im Geiste Sätze bilden, die sinnvoll als wahr oder<br />
falsch bezeichnet werden können. Bsp.: "Ich bin zu leichtgläubig", "Sie ist zu stur", "Meine<br />
Familie mag mich nicht". Wir können sagen "Stimmt" oder "Stimmt nicht". Ein Gedanke<br />
wird für uns nur dann zu einem signifikanten Ereignis, wenn wir ihn im Wesentlichen<br />
für wahr halten. Dabei spielt es keine Rolle, ob er auch - objektiv gesehen - wahr ist.<br />
Wir schlagen daher vor: Wann immer jemand eine Klage ausspricht, dann ist der Gegenstand<br />
der Klage ein Gedanke, der aufgrund von Beobachtung oder Überlegung entstanden<br />
ist und im Kontext anderer Gedanken als leidverursachend erlebt wird. Auch wenn wir uns<br />
im alltäglichen Sprachgebrauch auf die Dinge der Welt als leidverursachend beziehen, indem<br />
wir etwa sagen: "Herr X hat mich beleidigt", verhält es sich anders. Die Beleidigung<br />
resultiert aus dem Genuss eines "Cocktails" von Gedanken, den wir selbst zusammen mixen.<br />
Dies entspricht der konstruktivistischen Grundthese, wonach die Welt von uns gezeichnet<br />
wird und wir auf unsere Landkarte der Welt reagieren - nicht auf die Welt selbst.<br />
Wenn wir daher Ereignisse reframen, dann tauschen wir üblicherweise Gedanken aus, um<br />
so zu einer Neubewertung zu gelangen.<br />
1.4.5 Nonverbales Reframing<br />
Ein Reframing muss nicht notwendig sprachlich sein. Wir können durch Gestik und Mimik<br />
gelegentlich mehr aussagen als durch lange Worte. Ein Schüler etwa, der sich gerade einen<br />
schmerzlichen Tadel des Lehrers eingefangen hat, mag die Situation umbewerten, wenn<br />
sein Nachbar heimlich die Augen verdreht und ihn so nonverbal unterstützt. Sprachliche<br />
Reframings können auch durch nichtsprachlige unterstützt werden. Pantomimen sind hilfreiche<br />
Modelle in der Kunst körpersprachlicher Framings und Reframings.<br />
1.5 Systematik des Inhalts-Reframing<br />
An dieser Stelle fassen wir noch einmal knapp die wesentlichen Aspekte zum Inhaltlichen<br />
Reframing zusammen.<br />
31
Relevanz<br />
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Das Inhaltliche Reframing ist das in der Praxis am häufigsten vorkommenden Reframing-<br />
Modell. Es dient meist dazu, aufgrund einseitiger Überlegungen geäußerte Klagen zu relativieren<br />
und dem Urheber der Klage einen für ihn akzeptablen Zustand zu ermöglichen.<br />
Gelegentlich werden Reframings auch für rhetorische Zwecke genutzt, um eine positive<br />
Sichtweise ins negative zu verkehren oder die Reputation eines Kontrahenten in Frage zu<br />
stellen. Es lohnt, sich eingehender mit Inhaltlichen Reframings zu befassen, weil sie uns<br />
helfen, flexibler mit Herausforderungen umzugehen, die sich in einem umbequemen Frame<br />
präsentieren. Und weil sie in allen möglichen privaten und beruflichen Kontexten platziert<br />
werden können.<br />
Ereignis und Frame<br />
Als im Fokus stehendes (Haupt-) Ereignis haben wir ein Verhalten oder Erleben vorliegen<br />
- bzw. genauer: einen Gedanken darüber. Isoliert hat er für uns noch keine Bedeutung. Um<br />
Bedeutung zu erlangen, müssen wir betrachten, welche weiteren Gedanken ihn begleiten.<br />
Diese weiteren Ereignisse liefern uns Informationen und machen den Rahmen des Ereignisses<br />
aus. In der Wahl des Rahmens sind wir - zumindest theoretisch - frei. Je nach<br />
Rahmen können sich für uns verschiedenartige Interpretationen bzw. "Wahrheiten" ergeben.<br />
Einige davon wirken auf uns zustandsstärkend, einige zustandsneutral - und wiederum<br />
andere zustandsverschlechternd.<br />
Klage und Glorifikation<br />
Zustandsverschlechterungen werden üblicherweise durch Klagen bzw. Beschwerden<br />
kommuniziert. Das sind Gedanken über die Welt oder sich selbst, die für wahr gehalten<br />
werden. Wann immer wir jemanden über etwas klagen hören, können wir schlussfolgern,<br />
dass der Betreffende ein Ereignis so gerahmt hat, dass dessen Auftreten Unzufriedenheit<br />
"erzwingt". Sofern Wahrheit sich auf subjektiv definierte - frei wählbare - Rahmen bezieht,<br />
können wir pragmatisch sagen, dass eine Unzufriedenheit "unnötig" unangemessen sein<br />
kann. Bei anderer Rahmensetzung wäre vielleicht sogar Zufriedenheit möglich. Nur hat<br />
man diesen anderen Rahmen nicht berücksichtigt.<br />
Es ist auch der entgegengesetzte Fall möglich, dass wir unangemessen zufrieden sind bzw.<br />
die Dinge beschönigen - und dabei dringend anliegende Handlungen unterlassen. Wir glorifizieren<br />
unsere Situation unangemessen.<br />
Klagen und Glorifikationen sind gelegentlich nur Deckmäntelchen, unter denen sich ein<br />
Augenzwinkern verbirgt: Der andere meint es nicht wirklich so, sondern kokettiert lediglich.<br />
Andererseits können sich Klagen unter der Maske der Schweigsamkeit bzw. <strong>Teil</strong>nahmslosigkeit<br />
verbergen (Unausgesprochene bzw. sprachlich verfremdete Klagen). Genaue<br />
Beobachtung und Kalibrierung auf den Anderen erleichtert die Diagnose. Im Folgenden<br />
soll vom Sonderfall der Glorifikation weitgehend abgesehen werden und Reframing<br />
als Bearbeitung einer Klage angesehen werden.<br />
Reframe<br />
Sofern wir der Ernsthaftigkeit unseres Gegenübers sicher sind, können wir davon ausgehen,<br />
dass er ein Leiden empfindet, das er lieber nicht hätte. Ein Auftrag an uns lässt sich<br />
daraus jedoch noch nicht ableiten. Wir brauchen zunächst Rapport. Haben wir diesen her-<br />
32
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
gestellt, können wir den Frame des Gegenübers elizitieren. Dieser gibt uns einen Anhaltspunkt,<br />
um uns auf die Suche nach einem neuen Frame (Reframe) zu begeben. Wir suchen<br />
nach Ereignissen, die das Ausgangsverhalten so rahmen, dass das Beklagte für den Klagenden<br />
nützlich erscheint. Das Benennen dieser Ereignisse ist ein Angebot, das Hauptereignis<br />
in einen alternativen Frame einzubetten.<br />
Nützlichkeit<br />
Das Entscheidende beim Reframing ist, dass dabei für den Coachee etwas Nützliches entsteht.<br />
Es geht also nicht generell darum, die Dinge zu beschönigen. Nützlichkeit kann darüber<br />
gewährleistet werden, dass Denk- und Handlungsalternativen eröffnet werden, die zu<br />
mehr Flexibilität führen bzw. das Repertoire an Handlungsstrategien erweitern. Von Dilts<br />
stammt die Idee, Nützlichkeit dadurch zu generieren, dass wir (a) von einem Problemrahmen<br />
in einen Ergebnisrahmen, (b) von einem Misserfolgs- in einen Feedbackrahmen oder<br />
(c) von einem Unmöglichkeits- in einen Als-ob-Rahmen zu wechseln.<br />
Inhalts-Reframing<br />
In der überwiegenden Zahl der Fälle werden wir bestrebt sein, inhaltlich zu reframen. Wir<br />
gehen dabei auf konkrete Inhalte der Klage ein - Behauptungen über sich oder die Welt -<br />
und beschränken uns nicht darauf, einen formalen Prozess zu durchlaufen, wie etwa beim<br />
Six-Step-Reframing möglich. Als zwei Untermodelle des Inhalts-Reframing stehen zur<br />
Verfügung: Kontext-Reframing und Bedeutungs-Reframing.<br />
Kontext-Reframing<br />
Ein Kontext-Reframing ist dann anwendbar, wenn etwas beklagt wird, das nicht generell<br />
unerwünscht ist. Positiv ausgedrückt: Der Anlass der Klage ist gelegentlich nützlich. Formal<br />
lassen sich solche Klagen daran erkennen, dass Behauptungen der Art "A ist zu X"<br />
(z.B. "Ich bin zu leichtgläubig") auftreten, wobei vom Kontext bzw. dem Bezugspunkt<br />
abstrahiert wird. Unsere Strategie besteht darin, den Kontext oder Hintergrund der Klage<br />
zu elizitieren, um anschließend alternative Kontexte einzusetzen und den Wahrheitsgehalt<br />
der Klage auf Belastbarkeit zu prüfen.<br />
Bedeutungs-Reframing<br />
Ein Bedeutungs-Reframing ist dann möglich, wenn etwas beklagt wird, weil etwas Anderes<br />
"wahr" ist. Bsp.: Es ist wahr, dass meine Familie Abdrücke auf dem Teppich hinterlässt.<br />
Das bedeutet, dass sie mich nicht liebt. Formal lassen sich diese Klagen am Muster<br />
"X weil Y" erkennen. Es wird unterstellt, dass die Bedeutung des einen Satzes (Y) der<br />
zweite Satz (X) ist. Hier besteht unsere Strategie darin, nach alternativen Bedeutungen zu<br />
suchen, die mindestens ebenso plausibel sind - jedoch andere Schlussfolgerungen nahelegen.<br />
Strategien des Inhaltlichen Reframings<br />
Robert Dilts formulierte Strategien, die die Suche nach inhaltlichen Reframings erleichtern.<br />
Beim "Verändern der Rahmengröße" manipulieren wir den Zoom, mit dem wir auf<br />
eine Situation blicken. "Absicht" unterscheidet das eigentliche Problemverhalten bzw. -<br />
erleben von der dahinter stehenden Absicht, die selbst angemessen sein kann. "Ein anderes<br />
Ergebnis" verschiebt den Betrachtungsfokus von einem Problemergebnis auf ein ebenso<br />
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Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
zutreffendes Wunschergebnis. Beim "Umdefinieren" wechseln wir problematische Formulierungen<br />
durch neutralere oder positivere aus. Beim "Modell der Welt" schließlich ermöglichen<br />
wir dem Coachee eine Betrachtungserweiterung durch Einnehmen der zweiten und<br />
ggf. dritten Position.<br />
Bandler & Grinder empfehlen, den Coachee in das Aufspüren alternativer Frames einzubeziehen.<br />
Wir können ihn fragen, ob er selbst Kontexte kennt oder sich vorstellen kann, in<br />
denen das monierte Verhalten sinnvoll und angemessen ist.<br />
Nonverbales Reframing<br />
Wenngleich Reframing weitgehend sprachlich abläuft, kann unser Vorgehen davon profitieren,<br />
Reframings durch körpersprachliche Möglichkeiten der Rahmenverschiebung zu<br />
ergänzen (vgl. z.B. Psychogeographie).<br />
Rapport<br />
Damit ein Reframing aussichtsreich sein kann, sollte zuvor Rapport zum Coachee bestehen.<br />
Der Coachee soll sich in seinem Anliegen ernst genommen fühlen und die Kommunikation<br />
mit dem Coach als angenehm empfinden. Hierzu dient das Pacing. Der Coach spiegelt<br />
wahlweise Körperhaltung, Bewegungen, sprachliche Eigenarten oder sprachliche Inhalte.<br />
Letzteres kann geschehen, indem das Anliegen bzw. die Klage mit eigenen Worten<br />
wiedergegeben und gewürdigt wird. Besteht Rapport, dann kann der Coach etwas Neues<br />
anbieten, das aus dem bisherigen Rahmen fällt (Leading). Durch das Pacing und ein authentisches<br />
Auftreten des Coaches vorbereitet, wird sich der Coachee bereitwilliger auf das<br />
Angebot des Coaches einlassen.<br />
Beobachtung<br />
Wie können wir wissen, ob unser Reframing eine Wirkung zeigt? Zum einen erfahren wir<br />
einiges über die sprachlichen Äußerungen des Coachee. Zum anderen ist das Kalibrieren<br />
auf die Physiologie des Coachee und die Beobachtung der Veränderungen während des<br />
Reframings eine enorme diagnostische Ressource für den Coach.<br />
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Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
<strong>Praktischer</strong> <strong>Teil</strong><br />
In diesem praktischen <strong>Teil</strong> werden jene Inhalte aufgeführt, die für ein Seminar über Inhaltliches<br />
Reframing nützlich sein dürften. Thematische Vertiefungen können im theoretischen<br />
<strong>Teil</strong> angestellt werden. Anhand von Fallbeispielen wird das Wesen dieses Reframing erschlossen.<br />
Ergänzende theoretische Erläuterungen des Seminarleiters sollen ein Fundamentwissen<br />
aufbauen helfen, bevor anhand praktischer Übungsbeispiele auch ein "Handlungswissen"<br />
erschlossen wird. Die seminareinrahmenden Steps "Begrüßung", "Organisatorische<br />
Hinweise", "Vorstellungsrunde, "Zusammenfassende Worte", "Feedback" und<br />
"Verabschiedung" werden der Vollständigkeit wegen lediglich aufgeführt, da sie keine<br />
inhaltsspezifischen Maßnahmen verlangen und analog zu anderen Seminaren gehandhabt<br />
werden können. Im Abschnitt 2.2 werden Anregungen gegeben, auf welche Weise die Inhalte<br />
transportiert werden können. In Abschnitt 2.3 werden noch einige Unterweisungsmittel<br />
angeführt.<br />
1.6 Seminarinhalte<br />
In diesem Abchnitt werden zentrale Inhalte zur systematischen Vermittlung des Reframing<br />
benannt. Die möglichen Arten der Vermittlung werden im folgenden Abschnitt beschrieben.<br />
Step 0.1: Begrüßung<br />
Step 0.2: Organisatorische Hinweise<br />
Step 0.3: Vorstellungsrunde<br />
Step 1: Fallbeispiel 1 (Kontext-Reframing)<br />
A: Wie läuft es bei dir?<br />
B: Durchwachsen. Bin ein wenig durcheinander. Meine Tochter war heute wieder so anstrengend<br />
…<br />
A: Anstrengend?<br />
B: Na ja, sie redet halt immer so viel und springt von Thema zu Thema. Irgendwann wird<br />
es mir dann zu viel, und dann bin ich richtig ärgerlich. Dann mag ich mich selber nicht<br />
mehr.<br />
A: Aha.<br />
B: Wenn sie nur nicht so viel reden würde.<br />
A: Redet sie immer zu viel?<br />
B: Hm ... . Wenn ich so darüber nachdenke, dann redet sie immer dann zu viel, wenn ich<br />
nach Hause komme. Oder auch, wenn Besuch kommt. Also, wenn eine Person neu anwesend<br />
ist, dann hat sie wohl das Bedürfnis, viel zu erzählen.<br />
A: Und sonst nicht?<br />
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Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
B: Nein, ich glaube nicht.<br />
A: Deine Tochter hat wohl eine gewisse Gabe zum Erzählen, nicht wahr?<br />
B: Allerdings!<br />
A: Und du würdest dir wünschen, dass sie in gewissen Situationen in der Lage ist, das<br />
rechte Maß zu finden?<br />
B: Genau.<br />
A: Zum Beispiel, wenn du von der Arbeit nach Hause kommst?<br />
B: Besonders dann!<br />
A: Und gibt es auch Situationen, in denen du dich über ihre Art zu erzählen freust?<br />
B: Ja, natürlich. Sie hat keine Scheu gegenüber fremden Personen und findet überall rasch<br />
Anschluss. Das finde ich gut.<br />
A: Also geht es darum, deine Tochter wissen zu lassen, worauf sie in bestimmten Situationen<br />
achten kann, damit du ausgeglichen bleiben kannst?<br />
B: Ja, besonders, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme.<br />
A: Verstehe. Vielleicht könntest du mit ihr eine Vereinbarung treffen – für genau diese<br />
Situation?<br />
B: Das ist es! Es würde mir schon reichen, eine halbe Stunde Ruhe zu haben. Danach höre<br />
ich mir ihre Tageserlebnisse sogar gerne an …!<br />
Step 2: Fallbeispiel 2 (Bedeutungs-Reframing).<br />
A: Na, wie siehst du denn aus?<br />
B: Ich bin sauer!<br />
A: Ist etwas passiert?<br />
B: Maria hat mich versetzt. Wir wollten uns treffen, aber sie kam nicht!<br />
A: Oje, wie lange hast du denn gewartet?<br />
B: Bis Zwanzig nach. Um zwei Uhr wollten wir uns treffen!<br />
A: So ein Mist.<br />
B: Allerdings!<br />
A: Hm. Und was, denkst du, hat das zu bedeuten, dass sie nicht erschienen ist?<br />
36
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
B: Na, dass ich ihr egal bin. Dass sie mit mir so etwas machen kann!<br />
A: Verstehe. In diesem Fall wäre ich auch sauer.<br />
B: Eben!<br />
A: Sag mal, gibt es noch eine andere Erklärung, weshalb sie nicht da war?<br />
B: Hm ...<br />
A: Ich meine, vielleicht war es keine Absicht von ihr, dich zu versetzen.<br />
B: Na ja, sie könnte es vergessen haben … oder vielleicht dachte sie, dass das Treffen nicht<br />
stattfindet … oder, warte mal, vielleicht hat sie sich eine andere Uhrzeit gemerkt – wir<br />
haben das Treffen nämlich zwei Mal nach hinten verlegt …<br />
A: Ach so.<br />
B: Hm … vielleicht habe sogar ich mich in der Zeit geirrt – jetzt bin ich völlig verunsichert!<br />
Weißt du was? Ich rufe sie gleich an und frage sie einfach.<br />
A: Gute Idee! Dann weißt du sicher, woran es gelegen hat.<br />
Step 3: Relevanz von Reframings<br />
Die Fähigkeit zum Reframing unterstützt uns dabei, unser Verhalten und Erleben flexibler<br />
zu gestalten, d.h. in einer konkreten Situation über mehrere Verhaltensalternativen zu verfügen.<br />
Im NLP geht man davon aus, dass dies aus zumindest diesen Gründen nützlich ist:<br />
1. Wer in einer bestimmten Situation oder Situationsklasse stets dasselbe Verhalten<br />
oder Erleben zeigt, agiert wie ein Automat. Wer zwischen zwei alternativen Reaktionen<br />
wählen kann, befindet sich im Dilemma. Ab drei möglichen Reaktionsweisen beginnt die<br />
persönliche Freiheit. Letztere wird im NLP als erstrebenswert angesehen.<br />
2. Wer über mehrere alternative Reaktionsweisen verfügt, ist in der Lage, die jeweils<br />
situationsangemessenste auszuwählen. Daher ist es effektiver – und damit besser - eine<br />
Wahl zu haben als keine Wahl zu haben.<br />
3. Das Gesetz der erforderlichen Vielfalt besagt, dass wir Situationen umso mehr kontrollieren,<br />
je höher der Variationsbereich unserer Handlungen ist. Im NLP geht man davon<br />
aus, dass es nützlich ist, die Fähigkeit zu haben, Situationen zu kontrollieren. Wer diese<br />
Fähigkeit nicht hat, wird sich öfter in Situationen finden, denen er sich ausgeliefert fühlt.<br />
4. Eine Vorannahme im NLP besagt, dass es für jedes Verhalten einen Kontext gibt,<br />
in dem es nützlich ist. Die Fähigkeit, für scheinbares Problemverhalten nützliche Kontexte<br />
zu finden (Neukontextualisierung) schützt uns vor Pauschalbewertungen und den diesen<br />
folgenden unangemessenen Reaktionen.<br />
Reframings haben die Eigenart, durch ihren nutzenstiftenden Fokus die Welt ein wenig zu<br />
"verbessern" und erfreuen sich daher meist einer wohlwollenden Haltung der auf diese<br />
Weise Beschenkten.<br />
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Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Step 4: Was ist eine Klage bzw. Beschwerde?<br />
Bei einer Klage haben wir zum einen eine Emotion vorliegen, die als belastend erlebt wird.<br />
Die Emotion wird damit begründet, dass zum zweiten ein Hauptgedanke oder mehre<br />
Hauptgedanken bzw. Fundamentalbehauptungen wahr sind.<br />
Bsp. 1:<br />
Hauptgedanke: "Meine Tochter redet zu viel"<br />
Emotion: "Ich bin ärgerlich"<br />
Bsp. 2:<br />
Hauptgedanke: "Ich bin ihr egal, weil sie mich versetzt hat"<br />
Emotion: "Ich bin sauer"<br />
Step 5: Was ist ein Frame?<br />
Um zu verstehen, wie der Anlass einer Klage entsteht, ist das Konzept des Frame hilfreich.<br />
Damit ist der gedankliche Kontext gemeint, in dem die belastende Emotion hervorgerufen<br />
wird.<br />
Habe ich im Beispiel 1 den Gedanken "C redet zu viel" - sowie weitere (Neben-) Gedanken,<br />
die zu diesem Gedanken führen - dann bilden alle diese Gedanken den Kontext bzw.<br />
Frame, der für die Entstehung meiner Emotion (Ärger) hinreichend ist. Mögliche Nebengedanken<br />
könnten sein: "C lässt mich nicht zu Wort kommen", "C gönnt mir keine Ruhepause",<br />
"C springt zwischen den Themen hin und her" etc..<br />
Im zweiten Beispiel bilden die Gedanken "Ich bin ihr egal" und "Sie hat mich versetzt" den<br />
Frame, der ebenfalls ausreicht, um Ärger entstehen zu lassen. Wir haben hier eine "Weil-<br />
Konstruktion" vorliegen, da die erste Behauptung deshalb als wahr angenommen wird,<br />
weil der zweite Gedanke wahr ist. Verändern wir plausibel die "Deshalb"-Aussage, dann<br />
verändert sich der Sinn des kompletten Hauptgedanken mit und ermöglicht eine Neubewertung.<br />
Wir können sagen, dass Gedanken innerhalb eines komplexen Hauptgedankens<br />
der Frame für die anderen Bestandteile des Hauptgedankens sind (Beispiel 2). Der Hauptgedanke<br />
aber bildet in Beispiel 2 den Frame für die Emotion Ärger.<br />
Ebenso sind Nebengedanken der Frame für die Hauptgedanken in Beispiel 1. Haupt- und<br />
Nebengedanken zusammen genommen bilden den Frame für die als unangenehm erlebte<br />
Emotion oder Handlung. Nebengedanken begünstigen Hauptgedanken, diese wiederum<br />
begünstigen die unerwünschte Emotion / Handlung.<br />
Step 6: Was ist ein Reframe?<br />
38
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Vor diesem Hintergrund bedeutet Reframing, dass der Kontext eines kognitiven Ereignisses<br />
(Emotion oder Gedanke) verändert wird, um das kognitive Ereignis ebenfalls zu verändern.<br />
In Beispiel 1 wird der Hauptgedanke neu geframt, indem der Kontext spezifiziert<br />
wird. Damit verliert der ursprüngliche Hauptgedanke an Relevanz und es wird ein neuer<br />
Hauptgedanke möglich.<br />
Bsp. 1:<br />
Hauptgedanken: "Meine Tochter fängt gleich an, ausgiebig zu erzählen, wenn ich nach<br />
Hause komme. Ich will eine Vereinbarung mit ihr treffen, damit ich eine halbe Stunde Pause<br />
habe, bevor sie mir ihre Tageserlebnisse erzählt"<br />
Emotion: "Ich bin erleichtert"<br />
In Beispiel 2 wird die Schlussfolgerung einer Weil-Konstruktion verändert, wodurch sich<br />
der Hauptgedanke insgesamt ebenfalls wandelt.<br />
Bsp. 2:<br />
Hauptgedanken: "Möglicherweise habe ich mich in der Uhrzeit geirrt, weil sie nicht erschienen<br />
ist"<br />
Emotion: "Ich bin unsicher"<br />
Step 7: Was ist Inhalts-Reframing?<br />
Inhaltliche Reframings arbeiten konkret mit den Inhalten bzw. Themen, die der Klagende<br />
preisgibt. Wir nehmen Bezug auf die erzählende Tochter (Beispiel 1) oder die Verabredung<br />
(Beispiel 2). Beim Inhaltlichen Reframing muss man daher den Inhalt kennen, um die<br />
Umdeutung zu bewerkstelligen. Man könnte glauben, dass das immer der Fall sei. Bandler<br />
& Grinder (2000) zeigen jedoch Möglichkeiten auf, wie Reframings auch ohne Kenntnis<br />
der Inhalte im Rahmen von Coaching-Gesprächen bewerkstelligt werden können. Im Alltagsgebrauch<br />
spielen diese jedoch eine untergeordnete Rolle, hier sind Reframings überwiegend<br />
inhaltlich.<br />
Bandler & Grinder (2000) definierten zwei Untermodelle des Inhaltlichen Reframings -<br />
Kontext-Reframing und Bedeutungs-Reframing.<br />
Step 8: Was ist Kontext-Reframing?<br />
Eine Klage wird so formuliert, als gelte sie kontextunabhängig. Im Beispiel 1: "C redet zu<br />
viel". Beim Kontext-Reframing wird a) der Kontext spezifiziert, in dem die Klage berechtigt<br />
ist, b) ein Kontext spezifiziert, in dem die Klage unbegründet ist und c) eine Maßnahme<br />
angeregt, das Verhalten im Problemkontext zu verändern - während es im unproblematischen<br />
Kontext beibehalten werden darf.<br />
Step 9: Was ist Bedeutungs-Reframing?<br />
Beim Bedeutungs-Reframing liegt der Klage ein zusammengesetzter Gedanke der Form<br />
"X weil Y" zugrunde, wobei X und Y für Behauptungen bzw. Gedanken stehen. Im Beispiel<br />
2 ist es der Gedanke "Ich bin ihr egal, weil sie mich versetzt hat". Grundüberlegung<br />
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Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
beim Bedeutungs-Reframing ist es, dass die Behauptung Y ("Sie hat mich versetzt") verschiedenste<br />
Implikationen bzw. Bedeutungen nach sich ziehen kann. Während diejenige,<br />
auf die der Klagende fokussiert, eine mögliche Sicht der Dinge ist, bemüht man sich beim<br />
Bedeutungs-Reframing um das Auffinden von alternativen Bedeutungen des Y-Satzes, die<br />
nützlicher sind im Hinblick auf die Kontrollierbarkeit der Situation und den eigenen Zustand.<br />
Step 10: Fallbeispiel 3 (Glorifikation)<br />
A: Na, du hast ja einen ziemlichen Zahn drauf.<br />
B: Kein Problem, ich kenne die Straße wie meine Westentasche.<br />
A: Schönes Auto. Enorme Beschleunigung und liegt gut in der Kurve. Muss Spaß machen,<br />
so ein Auto zu fahren.<br />
B: Nicht wahr?<br />
A: Man müsste es auf einer Rennstrecke ausprobieren.<br />
B: Genau!<br />
A: Hier sind die Bedingungen leider nicht optimal. Das Laub auf der Straße, unberechenbare<br />
Fußgänger, unübersichtliche Kurven ...<br />
B: Ja, leider!<br />
A: Bist du privat krankenversichert?<br />
B: Nein gesetzlich - wieso?<br />
A: Nur ein Gedanke. Ich habe eine private Zusatzversicherung. Da kann ich bis zu 90 Tage<br />
im Einzelzimmer liegen - bei bester medizinischer Versorgung. Im Todesfall bekommt<br />
meine Frau ein erkleckliches Sümmchen. Sie muss dann nicht mehr arbeiten und kann die<br />
Kinder allein großziehen.<br />
B: Aha.<br />
A: Hast du eine Absicherung deiner Familie?<br />
B: Nein, bin bisher noch nicht dazu gekommen ...<br />
A: Solltest du tun. Es passiert so viel heutzutage.<br />
B: Hmh ...<br />
Step 11: Was ist eine Glorifikation?<br />
Die Glorifikation ist das Gegenstück zur Klage. Im Gegensatz zu dieser wird ein Gefühl<br />
bzw. ein Verhalten übertrieben positiv gesehen. Sofern sich daraus gefährliche Situationen<br />
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Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
für den Betreffenden oder dessen Umwelt ergeben können, kann ein umgekehrtes Reframing<br />
nützlich sein.<br />
Step 12: Einordnung des 3. Fallbeispiels<br />
Im Beispiel 3 wird zum einen mit einem Kontext-Reframing gearbeitet. Das problematische<br />
Verhalten "zu schnelles Fahren" wird als angemessen bezeichnet, sofern man sich auf<br />
den Kontext "Rennstrecke" bezieht. Im tatsächlichen Kontext hingegen wird es aufgrund<br />
diverser Begleitumstände (z.B. Laub auf der Straße) als suboptimal klassifiziert. Implizit<br />
kommt aber auch ein Bedeutungs-Reframing zur Anwendung. An Stelle des Gedankens<br />
"Schnell fahren bedeutet, Spaß zu haben" wird indirekt der Gedanke "Schnell fahren bedeutet,<br />
ins Krankenhaus zu kommen, zu sterben, die Familie im Stich zu lassen" etc. gesetzt.<br />
Step 13: Wann sind Reframings angebracht?<br />
Die Welt, in der wir leben, ist im Wesentlichen konstruiert. Eine Vorannahme im NLP<br />
besagt, dass wir nicht die Welt an sich wahrnehmen, sondern eine selbst gezeichnete<br />
"Landkarte" von ihr. Die Landkarte aber unterscheidet sich vom Gebiet, da sie eine Menge<br />
Vereinfachungen, Kürzungen und Größenverzerrungen enthält. Vor diesem Hintergrund ist<br />
es zu verstehen, dass Klagen, die ein echtes Leiden zum Ausdruck bringen, auf einer Wahl<br />
beruhen, Ereignisse auf bestimmte Weise zu framen. Wir zeichnen uns gewissermaßen ein<br />
dramatisches Bild dieses eingegrenzten Gebietes und verwechseln dann das Gebiet mit<br />
unserer Landkarte davon. Beim Reframing geht es darum, Nutzen dort ersichtlich zu machen,<br />
wo er aufgrund einer "unnötig dramatischen" Zeichnung der Welt ausgeblendet wurde.<br />
Beklagt jemand glaubhaft ein Ereignis bzw. eine Situation und wir haben Rapport zur<br />
betreffenden Person, dann dürfen wir uns herausgefordert fühlen, den Kontext der Klage<br />
zu erfragen und auf dieser Basis Bedeutungen bzw. Kontexte zu ermitteln, die plausible<br />
nützliche Aspekte deutlich machen.<br />
Im Falle der Glorifikation liegt der Fall vor, dass das betrachtete Gebiet "unangemessen<br />
schön" gezeichnet wird, wodurch sich Gefährdungen für den Betreffenden oder dessen<br />
Umfeld ergeben. Da dies Sachlagen widerspiegelt, die sich schädlich auf den erlebten Nutzen<br />
auswirken können, dürfen wir uns hier ebenso - bei bestehendem Rapport - angesprochen<br />
fühlen, Rahmen zu setzen, die ausgeblendete wichtige Informationen benennen und<br />
somit - trotz ihrer "enteuphorisierenden" Tendenz - nützlich sind.<br />
Step 14: Wie finden wir Reframings?<br />
Die folgenden Taktiken bzw. Techniken sind Möglichkeiten nach Reframings zu suchen.<br />
Es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.<br />
a) Indem wir die Rahmengröße modulieren<br />
b) Indem wir nach einer anderen Absicht suchen<br />
c) Indem wir nach einem anderen Ergebnis suchen<br />
d) Indem wir sprachliche Wendungen umdefinieren<br />
e) Indem wir ein anderes Modell der Welt modellieren<br />
f) Indem wir die Ressourcen des Coachee einbeziehen<br />
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Bsp. zu a):<br />
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Bei dieser Frame-Ermittlungstechnik verändern wir den "Zoom" auf den betrachteten Zeitraum,<br />
die betrachtete Anzahl von Menschen oder das Blickfeld. In Beispiel 1 (Tochter)<br />
wird zum einen das Blickfeld eingeengt, indem der beklagte Umstand auf einen engeren<br />
Blickwinkel eingegrenzt wird. Wird vor dem Reframing noch der Eindruck vermittelt, das<br />
beklagte Verhalten zeige sich generell – egal, in welcher Situation – wird der Anlass auf<br />
die Hauptsituation "Heimkehr der Mutter von der Arbeit" eingegrenzt. Bei einer zeitlichen<br />
Eingrenzung könnte etwa ermittelt werden, seit wann sich das Verhalten zeigt bzw. zu<br />
welchen Tageszeiten, bei einer personellen Eingrenzung, mit welchen Personen. Wäre der<br />
Anlass der Klage ein einzelner Vorfall – z.B. ein Trennungsthema – dann wäre das Herauszoomen<br />
eine mögliche Reframing-Intervention: das Einbeziehen von Situationen, in<br />
denen Trennung keine Rolle gespielt hat, das Betrachten des Ereignisses als kleiner Bestandteil<br />
in einem großen Zeitraum unterschiedlichster Erfahrungen, das Berücksichtigen<br />
all der Menschen, denen Ähnliches widerfahren ist und die damit umgehen mussten und<br />
konnten.<br />
Bsp. zu b):<br />
Im Beispiel 1 (Tochter) wäre die Frage nach der positiven Absicht möglich, die die Tochter<br />
bewegt, ihr Verhalten zu zeigen. Wird diese Information einbezogen, dann können sich<br />
für die Mutter neue Aspekte ergeben, die ihr Erleben verändern und die Situation neu bewerten<br />
lassen.<br />
Bsp. zu c):<br />
In Beispiel 2 (Verabredung) wird auf die Möglichkeit eines anderen Ergebnisses hingewiesen.<br />
Das Fernbleiben bedeutet danach, dass der Termin anders besprochen wurde. Oder er<br />
wurde im Kontext mehrfacher Verschiebungen vergessen.<br />
Bsp. zu d):<br />
Beim Umdefinieren suchen wir nach einer Formulierung, die den gleichen Inhalt beschreibt,<br />
jedoch andere Assoziationen und Emotionen hervorruft. Im 1. Beispiel der Tochter,<br />
die "zu viel redet" könnte eine Neudefinition erfahren in eine Tochter, die "einer vertrauenswürdigen<br />
Person mitteilt, was ihr Innerstes bewegt". Das Wort "stur" im Beispiel<br />
Bandler & Grinders (2000) könnte umdefiniert werden in "prinzipientreu".<br />
Bsp. zu e):<br />
Wir können, nachdem wir die Klage vollständig herausgearbeitet und gewürdigt haben,<br />
den Klagenden bitten, sich in die Position der Person zu begeben, die Anlass der Klage ist.<br />
Dies kann räumlich geschehen, indem ein anderer Ort eingenommen wird – z.B. ein anderer<br />
Stuhl – und / oder geistig, wobei die gleiche Situation aus dem Erleben der anderen<br />
Person heraus wahrgenommen und erspürt wird. So könnte die Mutter der zu viel redenden<br />
Tochter deren Wahrnehmungsposition einnehmen und aus dieser Perspektive einen neuen<br />
Kontext eröffnen.<br />
Wollen oder müssen wir als Coach den Reframe selbst finden, dann geht die Forderung an<br />
uns, die Wahrnehmungsposition unseres Gegenübers einzunehmen und aus dieser Fokus<br />
und Ausgeblendetes herauszufinden.<br />
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Bsp. zu f):<br />
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Die Ressourcen des Coachee beziehen wir offenbar immer mit ein – mehr oder minder.<br />
Mit "die Ressourcen des Coachee einbeziehen" im Speziellen meinen wir hier, dass wir<br />
direkt fragen, z.B. in welchem Kontext das gezeigte Verhalten nützlich wäre. Oder wir<br />
fragen direkt, welche Schlussfolgerungen bzw. Bedeutungen aus einer Behauptung ebenso<br />
abzuleiten sind. Wir lassen also das Kontext- oder Bedeutungs-Reframing durch den<br />
Klienten selbst durchführen. So könnten wir die Mutter der "zu viel" redenden Tochter<br />
fragen, welche möglichen Bedeutungen dieses viele Reden wohl haben könnte. Oder in<br />
welchem Kontext das Viel-Reden nützlich wäre.<br />
An dieser Stelle sollen noch einige Übungsbeispiele angeführt werden, an denen der Lernende<br />
die verschiedenen Techniken erproben kann. Weitere hilfreiche Beispiele und Anregungen<br />
lassen sich der politischen Berichterstattung entnehmen. Gerade Politiker setzen<br />
das "entglorifizierende" Reframing im Umgang mit dem politischen Gegner auf instruktive<br />
Weise ein.<br />
a) Früher war alles besser!<br />
b) Fleisch essen bedeutet Hunger für die Welt!<br />
c) Mit meiner Hörschädigung bin ich sozial isoliert!<br />
d) War kürzlich mit der Bahn unterwegs um lästigen Reisestau per Auto zu umgehen.<br />
Dabei hatte der Regionalzug Verspätung und kam genau eine Minute zu spät an, um<br />
den ICE noch zu bekommen. Ich wartete dann 1 Stunde auf den nächsten Zug und kam<br />
zu spät zur Verabredung,logo;-( ärgerlich genug- aber die Reaktion der Bahn- Angestellten,<br />
war nur ein müdes Schulterzucken. Wie kann man sich wirksam über das Verhalten<br />
beschweren?<br />
e) Bei meinen Noten habe ich eh' keine Chance auf einen Job!<br />
f) Auf Erwin ist nun mal kein Verlass. Zehnmal habe ich ihn gebeten, mir das Buch zurück<br />
zu geben - und nichts ist passiert!<br />
g) Meine Tochter ruft mich nicht mehr an. Ich bin ihr egal!<br />
h) Ich hasse es, geprüft zu werden. Es ist so erniedrigend!<br />
i) Ich bin einfach zu schüchtern und bringe kein Wort heraus!<br />
j) Ich soll mich um diese Stelle bewerben? Aber ich habe zu wenig Erfahrung!<br />
k) Warum nur bist du immer so egoistisch?!<br />
l) Papa, wenn du mir dieses Auto kaufst, werde ich die glücklichste Tochter der Welt<br />
sein!<br />
m) Er ist mir nie treu gewesen!<br />
n) Es ist mir schon peinlich. Mein Sohn ist wieder wegen seiner Gewalttätigkeit auffällig<br />
geworden!<br />
o) Erich ist so verbohrt - es ist, als ob ich an eine Wand rede!<br />
p) Wenn Herr Müller weiße Schuhe trägt, sei vorsichtig: er hat dann schlechte Laune!<br />
q) Frau Wanninger hat mich schon das zweite Mal nicht gegrüßt - so etwas Hochnäsiges!<br />
r) Mein Sohn ist mathematisch unbegabt. Ich erkläre ihm alle Aufgaben von A bis Z, und<br />
in der Schule hat er es wieder vergessen!<br />
s) Weißt du, ich bin so sexy, da wäre es doch schade, wenn ich mich nur einem Mann<br />
hingeben würde ...<br />
t) Ich weiß, wie man gegen ihn argumentieren muss. Ich werde ihn vor allen bloß stellen!<br />
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Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
1. Beispiel für ein strategisches Vorgehen für a) "Früher war alles besser!":<br />
a) Erfrage, worauf sich die Aussage genau bezieht. Woran macht der Klagende fest,<br />
dass dieses allgemeine Urteil gilt? Schränke also den Fokus ein.<br />
b) Reduziere die Aussage auf die Form "Heutzutage gibt es zu wenig X"<br />
c) Erfrage, ob es Kontexte gibt, in denen es heutzutage nicht zu wenig X gibt<br />
d) Ist das der Fall, so ist die Ausgangsbehauptung als Übertreibung entlarvt<br />
2. Beispiel für ein strategisches Vorgehen für b) "Fleisch essen bedeutet Hunger für die<br />
Welt!":<br />
a) Erfrage, ob ein Zustand ohne Hunger in der Welt nur möglich ist, wenn niemand<br />
Fleisch isst.<br />
b) Falls dies bejaht wird, dann frage, ob in einer Welt ohne Hunger der Mensch nicht<br />
dazu neigt, sich immer weiter zu vermehren. Im Tierreich ist dieser Effekt weithin<br />
bekannt - gibt es keine Ressourcenprobleme, dann wächst die Nachkommenzahl.<br />
Würde also der Mensch sich nicht immer weiter ausbreiten, bis irgendwann der<br />
Hunger auch durch pflanzliche Nahrung nicht mehr gedeckt werden kann - einfach,<br />
weil die Ressourcen der Erde erschöpft sind? Bedeutet Fleisch essen folglich nicht<br />
vielmehr, die Bevölkerungsexplosion der Menschheit auf ein erträgliches Maß zu<br />
regulieren?<br />
c) Alternativ frage, ob ein Hungernder Fleisch essen darf<br />
Step 15: Was können wir tun, damit ein Reframing angenommen wird?<br />
Grundvoraussetzung ist es, Rapport zum Coachee zu haben. Wir erreichen das durch Pacing<br />
- beim Reframing insbesondere durch das Aufgreifen der Klage und der (impliziten<br />
oder expliziten) Würdigung derselben (kein Humor an dieser Stelle). Unsere Wortwahl<br />
lehnt sich dabei an diejenige unseres Gegenübers an, desgleichen die Sprechgeschwindigkeit,<br />
Atmung, Körperhaltung, signifikante Gesten, Mimiken usw. Durch Nachfragen signalisieren<br />
wir unsere Bereitschaft, uns auf das Thema einzulassen und erfahren gleichzeitig<br />
mehr über Gedanken und Glaubenssätze, die den relevanten Kontext des beklagten Ereignisses<br />
bilden.<br />
Erst, wenn wir Rapport haben und merken, dass hinreichend Vertrauen aufgebaut ist, können<br />
wir in ein Leading übergehen. Das kann durch überraschende Fragen, Humor, neue<br />
Gesten und Mimiken, eine Veränderung der Körperhaltung bzw. Atmung und dergleichen<br />
Musterunterbrechungen mehr geschehen. Beim Leading ist darauf zu achten, ob der Coachee<br />
"mitgeht" – z.B. indem er Neugier zeigt – oder auf Ablehnung schaltet, wonach der<br />
Rapport erneut aufzubauen ist.<br />
In allem, was wir während des Reframing-Prozesses tun, brauchen wir Authentizität. Was<br />
wir sagen, sollten wir mit unserem ganzen Körper auch so zum Ausdruck bringen. Ferner<br />
muss unsere Argumentation sich am Weltmodell des anderen orientieren. Daher ist es<br />
wichtig, während des Pacings möglichst viel davon durch Fragen zu ermitteln.<br />
Step 16: Wie erkennen wir, ob ein Reframing akzeptiert wird?<br />
Bleiben wir beim Standardfall des Reframings einer Klage. Während unser Gegenüber<br />
seine Klage vorträgt, machen wir es uns zur Gewohnheit, seine Problemphysiologie zu<br />
registrieren. Damit ist gemeint, auf äußerlich erkennbare Anzeichen zu achten, die uns<br />
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Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
darauf aufmerksam machen, dass er sich im geschilderten beklagenswerten Zustand befindet.<br />
Dies kann die Art der Körperhaltung sein, die Art der Mimik oder Gestik, die Atmung,<br />
die Hautdurchblutung, die Blickrichtung, Merkmale der Stimme und Ähnliches. Indem wir<br />
nach beobachtbaren Merkmalen bzw. Indikatoren seiner Problemphysiologie Ausschau<br />
halten, "kalibrieren" wir uns auf diesen Problemzustand. Wir erkennen ihn wieder, wenn er<br />
zu einem späteren Zeitpunkt (neu) auftreten sollte. Setzen wir nun unser Reframing ein, so<br />
achten wir darauf, ob sich die Physiologie verändert. Geschieht dies nicht, dann war das<br />
Reframing höchstwahrscheinlich unwirksam. Wirksame Reframings haben in der Regel<br />
eine parasympathische Aktivierung zur Folge, so dass die Veränderungen in der Physiologie<br />
als Ausdruck der Entspannung oder Erleichterung gelesen werden können. Die Veränderungen<br />
können sein: Muskelentspannung, stärkere Hautdurchblutung, Pupillenerweiterungen,<br />
Durchatmen bzw. Verlangsamen der Atmung, Aufrichten des Körpers, Lächeln<br />
und Ähnliches. Aus alledem wird deutlich: Genaue Beobachtung ist eine unschätzbare<br />
Ressource, um die nonverbalen Botschaften unseres Gegenübers zu registrieren. Manchmal<br />
wissen wir dadurch um seinen inneren Zustand, ohne dass (oder bevor) er ihn uns mitteilt.<br />
Step 17: Was tun wir, wenn ein Reframing nicht funktioniert?<br />
Bleibt unser Gegenüber unverändert in seiner Problemphysiologie, so ist dies ein Hinweis,<br />
dass unser Reframing nicht gegriffen hat. Was kann passiert sein? Wir hatten möglicherweise<br />
nicht genügend Rapport. In diesem Falle arbeiten wir abermals daran, den Kontakt<br />
zu unserem Coachee zu vertiefen, wie im vorletzten Abschnitt beschrieben.<br />
Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass unser Reframing nicht in das Modell der Welt<br />
unseres Coachees passt und aus diesem Grunde keine Relevanz für ihn besitzt. In Beispiel<br />
2 (Verabredung) hätten wir als Bedeutungs-Reframing anbieten können: "Dass Maria nicht<br />
erschienen ist bedeutet, dass sie sich auf einem hoffnungsvollen Weg der persönlichen<br />
Emanzipation von gesellschaftlichen Ansprüchen befindet". Dies mag dann wirksam sein,<br />
wenn (a) persönliche Emanzipation von gesellschaftlichen Ansprüchen einen hohen Stellenwert<br />
im Weltmodell des Coachee einnimmt und (b) diese Behauptung für Maria plausibel<br />
in Anspruch genommen werden kann. Wo dies nicht der Fall ist, entfaltet sich die gewünschte<br />
Wirkung nicht bzw. gibt das "Reframing" sogar Anlass, einen weiteren Beweggrund<br />
zur Klage einzuführen. In diesem Falle vergegenwärtigen wir uns noch einmal Werte<br />
und Glaubenssätze, die der Coachee in seiner Klage zum Ausdruck bringt. Aufgabe wäre<br />
es sodann, ein Reframing zu finden, das diese bedient und trotzdem zu anderen Schlüssen<br />
Anlass gibt. Dabei kann auch die "Ressource" Coachee einbezogen werden. Besonders,<br />
wenn man nicht weiterkommt, ist es hilfreich, ihn zu fragen bzw. ihn ums Mitüberlegen zu<br />
bitten.<br />
Step 18.1: Zusammenfassende Worte<br />
Step 18.2: Feedbackrunde<br />
Step 18.3: Verabschiedung<br />
1.7 Unterweisungsmethoden<br />
In diesem Abschnitt soll es darum gehen Anregungen zu geben, wie das in 3.1 zu vermittelnde<br />
Wissen im Rahmen eines Seminars angeeignet und eingeübt werden kann.<br />
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Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Step 1: Fallbeispiel 1 (Kontext-Reframing)<br />
a) Das Fallbeispiel aus Abschnitt 5 wird vorgelesen - am besten von zwei Seminarteilnehmern.<br />
b) Ideensammlung zur Leitfrage: Was passiert in diesem Dialog?<br />
c) Seminarleiter notiert prozessrelevante Beobachtungen der Seminarteilnehmer am Flipchart.<br />
Step 2: Fallbeispiel 2 (Bedeutungs-Reframing)<br />
a) Das Fallbeispiel aus Abschnitt 5 wird als Handout zur Verfügung gestellt.<br />
b) Es werden Kleingruppen gebildet, die die Leitfrage untersuchen: Was passiert in diesem<br />
Dialog - und wie unterscheidet er sich von dem des ersten Fallbeispiels?<br />
c) Kleingruppen fertigen einseitiges Flipchart an und präsentieren ihre Ergebnisse.<br />
d) Seminarleiter ergänzt nötigenfalls die Unterscheidung zwischen Kontextgestaltung<br />
(Step 1) und Bedeutungsgestaltung (Step 2)<br />
Step 3: Relevanz von Reframings<br />
a) Fachreferat durch den Seminarleiter<br />
b) Bei NLP-Hintergrund können NLP-Grundannahmen erfragt werden, die in den Fallbeispielen<br />
eine Rolle spielen<br />
Step 4: Was ist eine Klage bzw. Beschwerde?<br />
a) Fachreferat durch den Seminarleiter<br />
b) Einbeziehung der <strong>Teil</strong>nehmer<br />
c) Flipchart / Pinwand<br />
Step 5: Was ist ein Frame?<br />
a) Fachreferat des Seminarleiters<br />
b) Nutzung optischer Hilfsmittel (z.B. Flipchart)<br />
Step 6: Was ist ein Reframe?<br />
a) Verdeutlichung des Prozesses vom Frame zum Reframe durch den Seminarleiter<br />
b) Zuhilfenahme der Flipchartpräsentationen der Gruppe<br />
c) Fragen an die <strong>Teil</strong>nehmer stellen<br />
d) Flipchart<br />
Step 7: Was ist Inhalts-Reframing?<br />
a) Fachreferat durch Seminarleiter<br />
b) Buch "Reframing" zeigen und verdeutlichen, dass Inhalts-Reframing lediglich ein Kapitel<br />
bildet<br />
c) Flipchart<br />
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Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Step 8: Was ist Kontext-Reframing?<br />
a) Fachreferat durch Seminarleiter<br />
b) Seminarleiter stellt Bezug zwischen Fallbeispiel 1 und Kontext-Reframing her<br />
c) <strong>Teil</strong>nehmer geben Anregungen, was das Wesen des Kontext-Reframings darstellt<br />
d) Flipchart<br />
Step 9: Was ist Bedeutungs-Reframing?<br />
a) Fachreferat durch Seminarleiter<br />
b) Seminarleiter stellt Bezug zwischen Fallbeispiel 2 und Bedeutungs-Reframing her<br />
c) <strong>Teil</strong>nehmer geben Anregungen, was das Wesen des Bedeutungs-Reframings darstellt<br />
d) Flipchart<br />
Step 10: Fallbeispiel 3 (Glorifikation)<br />
a) Das Fallbeispiel aus Abschnitt 5 wird als Handout zur Verfügung gestellt.<br />
b) Es werden Kleingruppen gebildet, die die Leitfrage untersuchen: Was passiert in diesem<br />
Dialog - und wie unterscheidet er sich von denen der ersten beiden Fallbeispiele?<br />
c) Kleingruppen fertigen einseitiges Flipchart an und präsentieren ihre Ergebnisse.<br />
Step 11: Was ist eine Glorifikation?<br />
a) Seminarleiter ergänzt nötigenfalls die Unterscheidung zwischen dem Reframing einer<br />
Klage und dem (umgekehrten) Reframing einer Glorifikation<br />
b) Ferner soll der Nutzen beider Reframings herausgestellt werden<br />
Step 12: Einordnung des 3. Fallbeispiels<br />
a) Sofern noch nicht zur Sprache gekommen: Stilles Brainstorming zur Leitfrage: Welcher<br />
Typ von Reframing kommt im 3. Fallbeispiel zur Anwendung<br />
b) Erfragen der Ergebnisse durch den Seminarleiter<br />
c) Flipchart<br />
Step 13: Wann sind Reframings angebracht?<br />
a) Fachreferat des Seminarleiters<br />
b) Fragen der <strong>Teil</strong>nehmer beantworten<br />
Step 14: Wie finden wir Reframings?<br />
a) Seminarleiter führt in die Technik "die Rahmengröße modulieren" ein<br />
b) Seminarleiter führt in die Technik "nach einer anderen Absicht suchen" ein<br />
c) Seminarleiter führt in die Technik "nach einem anderen Ergebnis suchen" ein<br />
d) Seminarleiter führt in die Technik "sprachliche Wendungen umdefinieren" ein<br />
e) Seminarleiter führt in die Technik "ein anderes Modell der Welt modellieren" ein<br />
f) Seminarleiter führt in die Technik "die Ressourcen des Coachee einbeziehen" ein<br />
g) Demonstration an einem echten praktischen Fall vor der Runde durch den Seminarleiter<br />
h) Handout mit Übungsbeispielen an alle verteilen<br />
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Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
i) Gruppen bilden, die jeweils ein Übungsbeispiel mit einer Technik ihrer Wahl bearbeiten;<br />
Variation: Mehrere Fallbeispiele bearbeiten<br />
j) Gruppen sollen die Form der Klage ermitteln und jeweils sagen, mit welcher Strategie<br />
bzw. Technik sie diese reframen würden<br />
k) Vorstellung der Ergebnisse vor der Gesamtteilnehmerschaft<br />
l) Das Prozessmodell nach Bandler & Grinder im Abschnitt 2.2.17 (Übung Kontext- und<br />
Bedeutungs-Reframing) kann im Anschluss als Handout zur Verfügung gestellt werden<br />
Step 15: Was können wir tun, damit ein Reframing angenommen wird?<br />
a) Fachreferat: Seminarleiter erläutert die Grundlagen von Rapport und Authentizität<br />
b) Partnerübung: A erzählt von einer beklagenswerten Situation. B übt sich in aktivem<br />
Zuhören und baut Rapport auf, während er authentisch bleibt. Rückspiegeln an A, was<br />
B von ihm erfahren hat<br />
c) Feedback von A an B<br />
d) Rollenwechsel<br />
e) Feedback in der großen Runde<br />
Step 16: Wie erkennen wir, ob ein Reframing akzeptiert wird?<br />
a) Fachreferat: Seminarleiter weist in die Relevanz der Beobachtung und die Tatsache<br />
hin, dass es äußere Merkmale / Indikatoren für innere Zustände gibt.<br />
b) Fragerunde: Welche Indikatoren für innere Zustände gibt es?<br />
c) Flipchart<br />
Step 17: Was tun wir, wenn ein Reframing nicht funktioniert?<br />
a) Fragerunde: Seminarleiter fragt nach Ideen<br />
b) Fehlender Rapport und fehlende Eignung des Reframing für den Coachee sollten genannt<br />
werden<br />
1.8 Unterweisungsmittel<br />
Abschließend noch einige Anstöße für Unterweisungsmittel, die genutzt werden können:<br />
a) Kärtchenabfrage mit Pinwand<br />
b) Flipchart<br />
c) Handout Fallbeispiele<br />
d) Handout Übungsaufgaben<br />
e) Handout Prozessmodell nach Bandler & Grinder (aus Abschnitt 2.2.17)<br />
f) Handout Seminarskript oder Agenda<br />
g) Büchertisch<br />
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Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
Abbildungen<br />
Abbildung 1: Parabel vom chinesischen Bauern (Bandler & Grinder, 2000, S.13) ..............5<br />
Abbildung 2: Frame-Metapher nach Dilts (2003) .................................................................5<br />
Abbildung 3: Rollen im Prozess zwischen Framing und Reframing.....................................8<br />
Abbildung 4: Ereignis, Kontext und Ausgeblendetes bilden die Konstellation ....................9<br />
Abbildung 5: Klage, Form und empfohlenes Reframing (Bandler & Grinder, 2000).........15<br />
Abbildung 6: Äquivalenztest nach Bandler & Grinder .......................................................28<br />
Abbildung 7: Vollständiger Äquivalenztest ........................................................................28<br />
Abbildung 8: Implikationstest bei der Generalisierung "X oder Y"....................................29<br />
Abbildung 9: Logische Struktur von Bedeutungs- und Kontext-Reframing.......................31<br />
Zitate<br />
Zitat 1: Bandler & Grinder, 2000, S. 13 ................................................................................5<br />
Zitat 2: Dilts, 2001, S. 37.......................................................................................................6<br />
Zitat 3: Dilts, 2001, S. 36.......................................................................................................6<br />
Zitat 4: Bandler & Grinder, 2000, S. 14 ................................................................................8<br />
Zitat 5: Bandler & Grinder, 2000, S. 210 ..............................................................................8<br />
Zitat 6: Bandler & Grinder, 2000, S. 14 ..............................................................................10<br />
Zitat 7: Bandler & Grinder, 2000, S. 14 ..............................................................................10<br />
Zitat 8: Bandler & Grinder, 2000, S. 15 ..............................................................................11<br />
Zitat 9: Bandler & Grinder, 2000, S. 19 ..............................................................................12<br />
Zitat 10: Bandler & Grinder, 2000, S. 19 ............................................................................12<br />
Zitat 11: Bandler & Grinder, 2000, S. 45 ............................................................................12<br />
Zitat 12: Bandler & Grinder, 2000, S. 26 ............................................................................15<br />
Zitat 13: Bandler & Grinder, 2000, S. 25 ............................................................................15<br />
Zitat 14: Bandler & Grinder, 2000, S. 25 ............................................................................16<br />
Zitat 15: Bandler & Grinder, 2000.......................................................................................16<br />
Zitat 16: Bandler & Grinder, 1982, S. 16, übersetzt durch den Autor.................................17<br />
Zitat 17: Bandler & Grinder, 2000, S. 58 ............................................................................17<br />
Zitat 18: Bandler & Grinder, 2000, S. 33 ............................................................................18<br />
Zitat 19: Bandler & Grinder, 2000, S. 46-47 .......................................................................18<br />
Zitat 20: Bandler & Grinder, 2000, S. 48 ............................................................................19<br />
Zitat 21: Bandler & Grinder, 2000, S. 49 ............................................................................19<br />
Zitat 22: Bandler & Grinder, 2000, S. 171 ..........................................................................19<br />
Zitat 23: Dilts, 2001, S. 40...................................................................................................20<br />
Zitat 24: Dilts, 2001, S. 30...................................................................................................20<br />
Zitat 25: Dilts, 2001, S. 32...................................................................................................21<br />
Zitat 26: Dilts, 2001, S. 32...................................................................................................22<br />
Zitat 27: Dilts, 2001, S. 35f .................................................................................................22<br />
Zitat 28: Dilts, 2001, S. 36...................................................................................................22<br />
Zitat 29: Dilts, 2001, S. 41...................................................................................................23<br />
Zitat 30: Dilts, 2001, S. 42...................................................................................................23<br />
Zitat 31: Dilts, 2001, S. 33...................................................................................................24<br />
Zitat 32: Bandler & Grinder, 1975, S. 88 ............................................................................27<br />
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Literatur<br />
Mario Giesel (2008). Der Umgang mit Klagen: Inhaltliches Reframing. Ein Seminarkonzept<br />
R. Bandler & J. Grinder (1975). The structure of magic I. A book about language and therapy.<br />
Palo Alto, California: Science and Behavior Books.<br />
R. Bandler & J. Grinder (1982): Reframing. Neuro-Linguistic Programming and the Transformation<br />
of Meaning. Moab, Utah: Real People Press.<br />
R. Bandler & J. Grinder (2000): Reframing. Ein ökologischer Ansatz in der Psychotherapie<br />
(NLP). 7. Auflage, Paderborn: Junfermann.<br />
R. Bandler & J. Grinder (2001): Neue Wege der Kurzzeittherapie. 13. Auflage, Paderborn:<br />
Junfermann.<br />
I. Copi & C. Cohen (1998). Introduction to logic. Tenth edition. Upper Saddle River: Prentice<br />
Hall.<br />
R. B. Dilts (2001). Die Magie der Sprache. Sleight of Mouth. Angewandtes NLP. Paderborn:<br />
Junfermann.<br />
K. Grochowiak (1996). Das NLP Practitioner Handbuch. Paderborn: Junfermann.<br />
Kontakt<br />
Mario Giesel<br />
Aachener Straße 165<br />
B-4730 Hauset<br />
mario.giesel@yahoo.de<br />
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