Monitoring-Rundbrief 2/2010 - Dachverband Deutscher Avifaunisten
Monitoring-Rundbrief 2/2010 - Dachverband Deutscher Avifaunisten
Monitoring-Rundbrief 2/2010 - Dachverband Deutscher Avifaunisten
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Inhalt<br />
Die neue Geschäftsstelle des<br />
DDA in Münster .......... 2<br />
Ornitho.de – mit großen<br />
Schritten voran! ........ 3<br />
ADEBAR zieht den Endspurt<br />
an! ............... 4<br />
Bestand und Verbreitung der<br />
Zaunammer in Rheinland-<br />
Pfalz ................... 8<br />
Ein bemerkenswertes Trio:<br />
Drei Großmöwenarten brüten<br />
in Frankfurt/Main ...... 11<br />
Bundesweite Rotmilan-<br />
Kartierung 2011 ........ 13<br />
Bird Numbers <strong>2010</strong> – „<strong>Monitoring</strong>,<br />
indicators and<br />
targets“ .............. 15<br />
Die IUCN-Rote Liste gefährdeter<br />
Arten <strong>2010</strong> ....... 21<br />
Graureiher in Schleswig-<br />
Holstein: Wie wirkte sich<br />
der strenge Winter 2009/10<br />
auf die Brutbestände aus?<br />
....................... 22<br />
Bruterfolg von Gänsen und<br />
Schwänen 2009 – erste<br />
Ergebnisse ............ 24<br />
Rastbestandsentwicklung der<br />
Weißwangengans in Deutschland<br />
................... 26<br />
Komfortabel und schnell zum Lebenslauf<br />
farbmarkierter Gänse<br />
und Schwäne – geese.org ... 29<br />
Wie streng und schneereich<br />
war der Winter 2009/10? 32<br />
Zähltermine <strong>2010</strong>/11...... 33<br />
<strong>Monitoring</strong>-<strong>Rundbrief</strong> 2/<strong>2010</strong><br />
Liebe Leserin, lieber Leser!<br />
Der Herbstzug ist in vollem Gange und allerorten ziehen Drosseln, Finken,<br />
Pieper und Tauben; die Ankunft der nordischen Schwäne und Gänse ist<br />
nicht zu übersehen bzw. -hören. Doch nicht nur in der Vogelwelt ist derzeit<br />
viel unterwegs, auch in der Avifaunistik hierzulande ist „ordentlich Zug<br />
drin“. Das ADEBAR-Projekt geht in die Abschlussphase: Ende September<br />
endete die internetgestützte Korrekturphase der Verbreitungskarten, im<br />
Rahmen derer über 2.900 Kommentare und Ergänzungen eingingen, die<br />
Verbreitungskarten nähern sich immer mehr dem finalen Zustand an und<br />
lassen teils deutliche Veränderungen seit Mitte der 1980er Jahre erkennen,<br />
mit der Erstellung der Artkapitel wurde inzwischen begonnen und knapp<br />
500 Patenschaften für einzelne Vogelarten wurden bereits vergeben. Es<br />
bleibt allerdings nicht allzu viel Zeit, noch rechtzeitig auf den Zug aufzuspringen.<br />
Ebenso geht es mit dem bundesweiten Internetportal ornitho.de zur<br />
Sammlung avifaunistischer Daten zügig voran: Anfang Oktober konnten<br />
wir eine erste Version auf der DO-G-Tagung auf Helgoland vorstellen,<br />
deren Funktionsfähigkeit von Tag zu Tag wächst. Wir hoffen, dass das<br />
jüngste Mitglied der ornitho-Familie im ersten Quartal 2011 das Licht des<br />
WWW erblicken wird und wir bereits den Frühjahrszug online nachvollziehen<br />
können. Beim Schweizer „Original“ ornitho.ch konnte jüngst der<br />
6.000. Mitarbeiter begrüßt werden; tagtäglich zieht das Portal neue<br />
Vogelbeobachter in seinen Bann. Angesichts dieser rasanten Entwicklung<br />
auch in anderen Ländern Europas verwundert es nicht, dass auf der Konferenz<br />
des European Bird Census Councils im März dieses Jahres über<br />
europaweite Perspektiven diskutiert wurde. Wohin die Reise in den kommenden<br />
Jahren auch in Europa führen könnte, veranschaulichte Wesley M.<br />
Hochachka in einem Vortrag, den er auf der DO-G-Tagung hielt, am Beispiel<br />
der Daten aus dem nordamerikanischen Portal eBird: Das räumliche<br />
und zeitliche Auftreten kann in den USA von immer mehr Vogelarten mittlerweile<br />
kartographisch dargestellt werden, und zwar rund ums Jahr mit<br />
einer zeitlichen Auflösung von einer Woche! Das Kommen und Gehen etwa<br />
von Zugvogelarten kann darüber wunderbar veranschaulicht werden.<br />
Es bewegt sich also in der Avifaunistik hierzulande Einiges. Das zeigt<br />
sich auch im bislang umfangreichsten <strong>Monitoring</strong>-<strong>Rundbrief</strong>, der für jede/<br />
n etwas Interessantes bereithalten sollte. Das wünschen wir Ihnen auch bei<br />
Ihren Beobachtungsrunden in den kommenden Wochen und Monaten. Vielleicht<br />
haben die derzeit in ungewöhnlicher Anzahl auftretenden Eichelhäher<br />
noch andere Arten „im Schlepptau“?<br />
Johannes Wahl, Christoph Grüneberg, Thomas Heinicke, Alexander Mitschke<br />
und Christoph Sudfeldt
Die neue Geschäftsstelle des DDA in Münster<br />
Von der Elbe an die Ems: Mit einem<br />
weinenden und einem lachenden<br />
Auge hat der DDA die Staatliche<br />
Vogelschutzwarte Steckby<br />
verlassen und ist zum 1. Juli <strong>2010</strong><br />
nach Münster gezogen. Weinend,<br />
weil wir in den zurückliegenden Jahren<br />
immer auf die sehr gute und vertrauensvolle<br />
Zusammenarbeit mit unserem<br />
Vermieter, dem Landesamt für<br />
Umweltschutz Sachsen-Anhalt, bauen<br />
konnten, lachend, weil die neuen<br />
Räumlichkeiten endlich die gemeinsame<br />
Zusammenarbeit aller Mitarbeiter<br />
erlauben.<br />
Seine Geschäfte führt der DDA<br />
nun von einem ehemaligen Offizierscasino<br />
in der denkmalgeschützten<br />
„Speicherstadt Münster“ aus (www.<br />
speicherstadt-muenster.de). Die<br />
Speicherstadt Münster ist ein über-<br />
2<br />
zeugendes Beispiel für die Umnutzung<br />
einer ehemaligen 11,5 ha großen<br />
brachliegenden militärischen<br />
Liegenschaft in ein lebendiges, mo-<br />
In der DDA-Geschäftsstelle in Münster arbeiten derzeit (v.l.n.r.) Christoph Grüneberg, Johannes<br />
Wahl, Karsten Berlin, Thomas Thissen und Christoph Sudfeldt. Christopher König stieß im<br />
Oktober dazu (s.u.). Alexander Mitschke sitzt in der „Außenstelle“ in Hamburg. Foto: DDA.<br />
Verstärkung für das DDA-Team<br />
Seit dem 1. Oktober verstärkt Christopher<br />
König das Team in der DDA-<br />
Geschäftsstelle in Münster. Er hat in<br />
Trier „Angewandte Biogeographie“<br />
studiert und sein Studium in diesem<br />
Jahr mit einer Diplomarbeit über<br />
die „Habitatnutzung des Zwergschnäppers<br />
im Bayerischen Wald“<br />
erfolgreich abgeschlossen. Seit<br />
2009 koordiniert er die Kormoran-<br />
Schlafplatzzählungen in Nordrhein-<br />
Westfalen, beteiligt sich an der<br />
Wasservogelzählung, war an den<br />
ADEBAR-Kartierungen in seiner Heimat<br />
im äußersten Nordosten NRWs<br />
intensiv beteiligt und ist auch in der<br />
Das ehemalige Offizierscasino am Eingang zur Speicherstadt. Die DDA-Geschäftsstelle<br />
befindet sich an der Vorderseite des Hauses im Erdgeschoss. Foto: DDA.<br />
„Birder-Szene“ kein Unbekannter.<br />
Der einen oder dem anderen wird er<br />
aus der Reihe „Beobachtungstipps“<br />
in DER FALKE bekannt sein, für die er<br />
regelmäßig über lohnenswerte Beobachtungsziele<br />
hierzulande schreibt.<br />
Kurzum, er ist bestens mit der Vogelwelt<br />
sowie den Arbeiten des DDA<br />
vertraut. Er ist vorerst mit einer halben<br />
Stelle beschäftigt und wird sich<br />
u. a. mit um den Aufbau von ornitho.<br />
de und nach dem Start um die Betreuung<br />
der Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter sowie die Auswertung<br />
der eingehenden Daten kümmern.<br />
DDA-<strong>Monitoring</strong>-<strong>Rundbrief</strong><br />
Herbst <strong>2010</strong><br />
dernes Büro- und Kommunikationszentrum.<br />
In den sanierten ehemaligen<br />
Getreidespeichern haben sich<br />
bereits zahlreiche Unternehmen niedergelassen;<br />
Räumlichkeiten für größere<br />
und kleinere Tagungen finden<br />
sich vor Ort, ebenso eines der attraktivsten<br />
Beobachtungsgebiete im<br />
Münsterland: Das Europäische Vogelschutzgebiet<br />
„Rieselfelder Münster“<br />
liegt nur gut 2 km entfernt.<br />
Die neue Anschrift lautet:<br />
DDA-Geschäftsstelle<br />
An den Speicher 4a<br />
48157 Münster<br />
Tel.: 0251 21 01 40 10<br />
Fax: 0251 21 01 40 29<br />
E-Mail: info@dda-web.de<br />
www.dda-web.de<br />
Eine Anreisenbeschreibung finden<br />
Sie auf der Homepage des DDA.
Ornitho.de – mit großen Schritten voran!<br />
Im <strong>Monitoring</strong>-<strong>Rundbrief</strong> 1/<strong>2010</strong><br />
im Frühjahr dieses Jahres haben wir<br />
ausführlich über die Entscheidung<br />
des DDA und seiner Mitgliedsorganisationen<br />
zum Aufbau der Internetplattform<br />
ornitho.de berichtet. Seither<br />
ging es mit großen Schritten<br />
voran: Im Rahmen des bundesweiten<br />
Birdraces sammelten die Teams<br />
knapp 23.000 Euro an Spenden<br />
für das künftige Internetportal, wodurch<br />
die Finanzierung der Basisversion<br />
sichergestellt wurde. Im Laufe<br />
des Frühsommers wurden die<br />
Grundlagendaten für Deutschland<br />
zusammengestellt und es fanden ein<br />
Workshop zur Ausgestaltung der<br />
„Regeln von ornitho.de“ sowie zahlreiche<br />
Abstimmungsgespräche mit<br />
den Kollegen aus der Vogelwarte in<br />
Sempach, bundes- und landesweiten<br />
Fachbehörden und -verbänden<br />
statt. Gleichzeitig wuchs die ornitho-<br />
Familie weiter (Abb. 1).<br />
Wie geplant wurde zur DO-G-<br />
Tagung auf Helgoland Anfang Oktober<br />
eine erste Version fertiggestellt,<br />
so dass sich die Anwesenden anhand<br />
realer Daten einen Eindruck von<br />
ornitho.de und der Funktionsweise<br />
machen konnten (Abb. 2). „Darauf<br />
haben wir in den letzten Jahren alle<br />
gewartet!“, „Das wird für viel Begeisterung<br />
sorgen!“ – solche und<br />
ähnliche Reaktionen wurden mehr-<br />
Abb. 1: Derzeitige Verbreitung von<br />
ornitho-Systemen in Europa. Als nächste<br />
Schritte sind die vollständige Abdeckung<br />
in Frankreich sowie der französischen<br />
Übersee-Departements geplant.<br />
Quelle: Schweizerische Vogelwarte<br />
Sempach.<br />
fach geäußert. Das motiviert uns für<br />
die kommenden arbeitsreichen Wochen<br />
bis zum Start von ornitho.de und<br />
bestärkt uns gleichzeitig darin, dass<br />
wir die richtige Entscheidung getroffen<br />
haben.<br />
Die nächsten Schritte werden die<br />
textliche und inhaltliche Anpassung<br />
auf Deutschland (z. B. Häufigkeit<br />
und Meldepflicht von Arten), die Einbindung<br />
regionaler Arbeitsgruppen,<br />
der Aufbau eines Koordinatoren-<br />
netzwerks zur Qualitätssicherung,<br />
die Etablierung bundes- und landesweiter<br />
Steuerungsgruppen, die Erstellung<br />
von Anleitungen für Mitarbeiter<br />
und Koordinatoren und Vieles<br />
mehr sein. Ziel ist es, dass der jüngste<br />
Sprössling der ornitho-Familie im 1.<br />
Quartal 2011 das Licht des WWW<br />
erblickt.<br />
[jw]<br />
Abb. 2: Nachweise des Graubruststrandläufers im Herbst <strong>2010</strong> in Deutschland<br />
(Daten bis einschließlich 5. Oktober). Die Größe der Punkte gibt die Anzahl an<br />
Meldungen je Ort an, d. h. ein an zwei Tagen aufeinander gemeldeter Vogel erhält<br />
dieselbe Signatur wie zwei unterschiedliche Individuen. Die Angaben stammen<br />
überwiegend von Mitgliedern des Club300 (www.club300.de), mit dem eine enge<br />
Kooperation beim Austausch von Beobachtungen seltener Vogelarten angestrebt<br />
wird. Eine Prüfung durch die Deutsche Seltenheitenkommission ist bislang nicht erfolgt.<br />
3
ADEBAR zieht den Endspurt an!<br />
Christoph Grüneberg, Karsten Berlin,<br />
Thomas Gottschalk und Christoph Sudfeldt<br />
„Es ist geschafft!“ Das dürfen – zu Recht und mit Stolz – zumindest die vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter<br />
über ihr enormes Engagement im ADEBAR-Projekt von sich behaupten und erst einmal durchatmen. Mit der<br />
Online-Kommentierung der Arbeitskarten zur Verbreitung der Brutvögel Deutschlands ging der Staffelstab Mitte<br />
September dieses Jahres endgültig an die Landes- und Bundeskoordinatoren über, die sich in den kommenden<br />
Monaten der abschließenden Qualitätskontrolle und dem Verfassen der Artkapitel zuwenden werden.<br />
ADEBAR lernt fliegen<br />
Nachdem im Frühjahr alle Rohdaten<br />
aus der ADEBAR-Kartierung (mittelhäufige<br />
und seltene Brutvögel) eingegeben<br />
waren, standen die auf<br />
dieser Grundlage generierten Arbeitskarten<br />
von Ende Juni bis Ende<br />
August (in einigen Bundesländern<br />
auch bis Mitte September) unter<br />
dem Stichwort „ADEBAR lernt fliegen“<br />
auf einer eigens dafür eingerichteten<br />
Webseite für jeden Interessierten<br />
zur Ansicht, um das vorläufige<br />
Zwischenergebnis zu kommentieren<br />
und ggf. durch weitere Datensätze<br />
zu ergänzen. Insgesamt fand die<br />
Online-Kommentierung großen Zuspruch:<br />
Etwa 5.000 Personen griffen<br />
auf die Karten zu, über 2.900<br />
Kommentare gingen bei den Landes-<br />
und Regionalkoordinatoren ein,<br />
die die Ergebnisse derzeit einarbeiten.<br />
Anschließend werden die Datenbanken<br />
noch einmal grundlegend<br />
geprüft, bevor die endgültigen Verbreitungskarten<br />
erstellt werden.<br />
Wandel in der<br />
Avifauna wird sichtbar<br />
Dass ADEBAR einige Überraschungen<br />
bereithalten wird, haben wir bereits<br />
4<br />
im Frühjahrsrundschreiben <strong>2010</strong> gezeigt.<br />
Auch an dieser Stelle möchten<br />
wir aus dem großen Fundus zwei<br />
Beispiele herausgreifen, die nicht nur<br />
Appetit auf das spätere Atlaswerk<br />
machen, sondern auch belegen, wie<br />
stark sich die Vogelwelt in unserem<br />
Land in den vergangenen zwei bis<br />
drei Jahrzehnten verändert hat.<br />
Dramatisch verläuft der Rückzug<br />
der Haubenlerche aus den westdeutschen<br />
Bundesländern: Das Brutareal<br />
der 1980er Jahre wurde bis auf wenige<br />
schrumpfende Restvorkommen<br />
in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg<br />
und Bayern weitestgehend aufgegeben.<br />
Auch in den ostdeutschen<br />
Bundesländern nehmen die Brutbestände<br />
inzwischen ab (Abb. 1).<br />
Ganz anders das Schwarzkehlchen,<br />
das sich seit den 1980er Jahren<br />
ausgebreitet und dessen Brutbestand<br />
deutlich zugenommen hat. Im<br />
Laufe von zwei Jahrzehnten konnte<br />
die Art weite Teile Schleswig-<br />
Holsteins und der ostdeutschen Bundesländer<br />
nahezu flächendeckend<br />
besiedeln. Die Mittelgebirgslagen<br />
über 500 m Höhe werden hingegen<br />
nach wie vor weitgehend gemieden<br />
(Abb. 2).<br />
DDA-<strong>Monitoring</strong>-<strong>Rundbrief</strong><br />
Herbst <strong>2010</strong><br />
Verbreitung häufiger Brutvögel<br />
Inzwischen liegen für alle häufigen<br />
Brutvögel Deutschlands neue Karten<br />
vor, die unter Einbeziehung zusätzlicher<br />
Umweltparameter wie z.B. Alleen,<br />
Obstwiesen oder Kleingewässer<br />
errechnet wurden und die die<br />
Habitateignung präziser beschreiben<br />
als die ersten Entwürfe auf der<br />
Grundlage grober ATKIS-Aggregationen<br />
(ATKIS = Amtliches Topographisches<br />
Karteninformationssystem),<br />
die wir im Frühjahrsrundschreiben<br />
für Haubenmeise, Hausrotschwanz<br />
und Mönchsgrasmücke vorgestellt<br />
haben (Abb. 3). Die differenzierteren<br />
Grundlagendaten wurden dankenswerter<br />
Weise vom Bundesamt<br />
für Naturschutz zur Verfügung gestellt.<br />
Darauf aufbauend werden derzeit<br />
die Abundanzkarten erstellt,<br />
die auf den Kartierergebnissen der<br />
Probeflächen des <strong>Monitoring</strong>s häufiger<br />
Brutvögel basieren. Im Anschluss<br />
an diesen Rechenschritt werden die<br />
Modellrechnungen auf die ADEBAR-<br />
Darstellung in Form von Größenklassen<br />
pro Kartenblatt der Topografischen<br />
Karte 1:25.000 zurückgeführt,<br />
bevor dann eine Überprüfung durch<br />
Foto: Karsten Berlin.
Haubenlerche<br />
Abb. 1: Im Vergleich zu den 1980er Jahren [1]<br />
hat die Haubenlerche das Brutareal in den alten<br />
Bundesländern bis auf wenige Restvorkommen in<br />
Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern<br />
aufgegeben. Die Karte zeigt einen vorläufigen<br />
Stand; die Änderungen und Ergänzungen aus<br />
der Korrekturphase sind noch nicht vollständig berücksichtigt.<br />
Schwarzkehlchen<br />
Abb. 2: Deutliche Ausbreitungs- und Zunahmetendenz:<br />
Im Laufe von zwei Jahrzehnten hat das<br />
Schwarzkehlchen weite Teile Schleswig-Holsteins<br />
und der ostdeutschen Bundesländer nahezu flächendeckend<br />
besiedelt. Die Mittelgebirgslagen<br />
über 500 m Höhe werden hingegen nach wie vor<br />
weitgehend gemieden.<br />
5<br />
Verbreitung um 1985<br />
Verbreitung um 1985
Quantitative Verbreitung der Mönchsgrasmücke, ebenfalls basierend auf den<br />
Kartierergebnissen aus dem neuen <strong>Monitoring</strong> häufiger Brutvögel.<br />
Abb. 3: Modellierte Habitateignung (nicht Verbreitung!) des Buchfinks in Deutschland,<br />
errechnet auf Basis der Daten des <strong>Monitoring</strong>s häufiger Brutvögel. Weiße<br />
Flächen stellen weitgehend ungeeignete Habitate dar, intensiv grün gefärbte Gebiete<br />
bieten einen hohen Anteil geeigneter Lebensräume. Deutlich treten die waldreichen<br />
Regionen des Flachlandes und der Mittelgebirgslagen hervor.<br />
die Landeskoordinatoren erfolgt.<br />
Mithilfe des dort versammelten Expertenwissens<br />
und zusätzlichen Hinweisen<br />
auf weitere Faktoren und<br />
Umweltparameter, die für die großflächige<br />
Verbreitung der einzelnen<br />
Arten maßgeblich sind, sollen<br />
die Modellierungen in einem dritten<br />
Durchlauf verbessert und wiederum<br />
einer dann abschließenden Qualitätskontrolle<br />
unterzogen werden.<br />
Texte für ADEBAR<br />
Begonnen wurde mit der Erstellung<br />
von Texten für die einzelnen Artkapitel.<br />
Dazu hat der DDA als Träger einen<br />
Werkvertrag mit dem Büro BIOS<br />
geschlossen, das vielen Mitarbeitern<br />
sicher noch in guter Erinnerung<br />
ist, koordinierte BIOS doch seinerzeit<br />
auch die Erstellung der artspe-<br />
6<br />
zifischen Erfassungshinweise in den<br />
„Methodenstandards zur Erfassung<br />
der Brutvögel Deutschlands [2] .<br />
BIOS wird unterstützt durch ein<br />
Expertenteam, dem Vertreter aus<br />
allen Regionen Deutschlands angehören.<br />
Zunächst werden Entwürfe<br />
der Arttexte erarbeitet, die ab<br />
Herbst dieses Jahres dann sukzessive<br />
– wie zuvor auch schon die ersten<br />
bundesweiten Verbreitungskarten<br />
– auf der Homepage der Stiftung<br />
Vogelmonitoring Deutschland online<br />
gestellt und damit den vielen interessierten<br />
<strong>Avifaunisten</strong> Deutschlands<br />
zugänglich gemacht werden. Darüber<br />
sollen möglicherweise noch vorhandene<br />
Fehler eliminiert und Ungenauigkeiten<br />
ausgebessert werden.<br />
Wie die sehr erfolgreiche Online-<br />
Kommentierung der Verbreitungs-<br />
DDA-<strong>Monitoring</strong>-<strong>Rundbrief</strong><br />
Herbst <strong>2010</strong><br />
karten gezeigt hat, scheint dieses<br />
Verfahren von vielen Vogelkundlern<br />
gern angenommen zu werden, und<br />
wir hoffen, dass die Arttexte nach<br />
dem „Wikipedia-Prinzip“ an Qualität<br />
gewinnen werden. Wann genau<br />
die Online-Kommentierung der Arttexte<br />
an- und wie das Verfahren ablaufen<br />
wird, darüber werden wir Sie<br />
rechtzeitig informieren.<br />
Mehr als 100<br />
begeisterte Bildpaten<br />
Mit Hochdruck, aber dennoch mit<br />
künstlerischer Präzision, arbeitet Paschalis<br />
Dougalis an den Illustrationen<br />
für ADEBAR. Jedes Aquarell ist Beweis<br />
dafür, dass es ihm nicht nur um<br />
die bloße Abbildung eines Vogels,<br />
sondern auch darum geht, die Art<br />
in ihrer natürlichen Umgebung darzustellen.<br />
Das zeigt sich eindrucksvoll<br />
auch dadurch, dass Arten wie<br />
der Schlangenadler detailgetreu<br />
vor der Kulisse des Estergebirges<br />
posieren oder der Alpensegler vor<br />
dem Freiburger Münster seine Bahnen<br />
zieht. Es verwundert daher nicht,<br />
dass uns immer wieder begeisterte<br />
Reaktionen von Bildpaten erreichen,<br />
wie die von Martin Burscheid<br />
aus Saarbrücken, der über das Bild<br />
der Heidelerche (Abb. 4) schrieb:<br />
„Ich finde dieses Bild […] auf das<br />
Vortrefflichste gelungen!” Inzwischen<br />
sind 117 Illustrationen fertiggestellt<br />
– mehr als ein Drittel der Brutvogelarten<br />
Deutschlands. Diese finden<br />
Sie auf der Homepage der Stiftung<br />
Vogelmonitoring unter www.stiftungvogelmonitoring.de.<br />
Endspurt – auch für<br />
Spendenpatenschaften!<br />
Sehr erfolgreich entwickeln sich auch<br />
die Spendenpatenschaften, mit der<br />
jeder, der als Bildpate nicht zum<br />
Zuge gekommen ist, sein Engagement<br />
für die heimische Vogelwelt im<br />
späteren Atlaswerk sichtbar werden<br />
lassen kann. Unter jedem Artkapitel<br />
werden im späteren Druckwerk neben<br />
dem Bildpaten namentlich bis<br />
zu fünf Spendenpaten pro Art aufgeführt,<br />
sofern diese das Projekt mit<br />
mindestens 100 EUR unterstützen.<br />
Insgesamt 133 Spendenpaten haben<br />
sich inzwischen ihre Lieblingsart<br />
gesichert.<br />
Wie man Spendenpate seiner<br />
Lieblingsart wird, erfahren Sie auf
der Homepage der Stiftung Vogelmonitoring<br />
Deutschland. Oder ganz<br />
unkompliziert: Sie überweisen eine<br />
Spende über 100 EUR mit dem Namen<br />
Ihrer Lieblingsart als Stichwort<br />
auf folgendes Konto: Sparkasse<br />
Chemnitz, BLZ 870 500 00, Kontonr.<br />
3 140 004 400.<br />
Bitte vergessen Sie nicht, Ihre vollständige<br />
Adresse auf der Überweisung<br />
zu vermerken (am besten Sie<br />
verwenden die speziellen bei Banken<br />
oder beim Online-Banking verfügbaren<br />
Formulare für Spenden),<br />
damit wir Ihnen die Zuwendungsbestätigung<br />
umgehend zustellen können.<br />
Allen Paten gilt unser herzlichster<br />
Dank für die großzügige Unterstützung!<br />
Literatur<br />
1 Rheinwald, G. (1993): Atlas der<br />
Verbreitung und Häufigkeit der<br />
Brutvögel Deutschlands – Kartierung<br />
um 1985. Schriftenreihe<br />
des <strong>Dachverband</strong>es <strong>Deutscher</strong><br />
<strong>Avifaunisten</strong> 12, Radolfzell.<br />
2 Südbeck, P., H. Andretzke, S.<br />
Fischer, K. Gedeon, T. Schikore,<br />
K. Schröder & C. Sudfeldt<br />
(2005, Hrsg.): Methodenstandards<br />
zur Erfassung der Brutvögel<br />
Deutschlands. Länderarbeitsgemeinschaft<br />
der<br />
Vogelschutzwarten, <strong>Dachverband</strong><br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Avifaunisten</strong>, Radolfzell.<br />
Abb. 4: Die Bilder von Paschalis Dougalis begeistern durch ihre Detailtreue und<br />
liebevolle Gestaltung, so auch Martin Burscheid aus Saarbrücken, den Bildpaten der<br />
Heidelerche.<br />
Der erste und bislang einzige Brutvogelatlas für ganz Deutschland<br />
erschien bereits 1993, herausgegeben von Götz Rheinwald. Dargestellt<br />
ist die Verbreitung aller Brutvogelarten um das Jahr 1985, basierend auf<br />
verschiedenen regionalen, überregionalen und landesweiten Atlanten aus<br />
allen Teilen Deutschlands. Die Karten bieten<br />
nicht nur einen ersten gesamtdeutschen Überblick,<br />
sie eignen sich auch hervorragend zum<br />
Vergleich mit den Ergebnissen des aktuellen<br />
ADEBAR-Projektes. Preis: 12,80 EUR, zzgl.<br />
Versandkosten.<br />
Die vergriffenen „Methodenstandards zur<br />
Erfassung der Brutvögel Deutschlads“ sind ab<br />
sofort als pdf auf CD-Rom erhältlich. Preis:<br />
9,80 EUR, zzgl. Versandkosten.<br />
Beide Standardwerke sind erhältlich beim<br />
<strong>Dachverband</strong> <strong>Deutscher</strong> <strong>Avifaunisten</strong> e.V., An<br />
den Speichern 4a, 48157 Münster, Tel. 0251<br />
21 01 40 10, schriftenversand@dda-web.de.<br />
7
Bestand und Verbreitung der<br />
Zaunammer in Rheinland-Pfalz<br />
Ulf Janz und Christoph Grüneberg<br />
Seit jeher ist das Vorkommen der Zaunammer in Deutschland auf die südwestlichen Landesteile beschränkt. Während<br />
die Verbreitungsschwerpunkte in Rheinland-Pfalz seit langem bekannt sind, gab es in den letzten zwei Jahrzehnten<br />
zum Bestand selbst und zu dessen Entwicklung in den einzelnen Vorkommensgebieten nur wenige Informationen.<br />
Nach einem seit Mitte der 1990er Jahre angenommenen Bestandsrückgang zeigten die Ergebnisse des<br />
ADEBAR-Projektes überraschenderweise wieder deutlich höhere Bestände. Dies hat Ulf Janz zusammen mit einigen<br />
Kollegen zum Anlass genommen, die Verbreitung in Rheinland-Pfalz umfassend zu untersuchen [1] .<br />
Mit ADEBAR fing alles an<br />
Wie seit langem bekannt, beschränkt<br />
sich die Verbreitung der Zaunammer<br />
in Rheinland-Pfalz auf den Ostabfall<br />
des Pfälzerwaldes, den sogenannten<br />
Haardtrand. Diese Übergangszone<br />
zwischen waldreichem<br />
Mittelgebirge und Oberrheingraben<br />
ist geprägt von sonnenexponierten<br />
Weinbergterrassen und Hanglagen.<br />
Hier wurden 2005 im Rahmen des<br />
ADEBAR-Projektes die Kartenblätter<br />
um Bad Dürkheim untersucht, die mit<br />
ihren hohen Beständen an Zaunammern<br />
die Bearbeiter selbst überraschten.<br />
Schnell war daher die Idee<br />
geboren, Zaunammern gezielt entlang<br />
des gesamten Haardtrandes zu<br />
kartieren. In der Folge wurde zwischen<br />
2006 und 2008 der Bereich<br />
zwischen der französischen Grenze<br />
im Süden und Kindenheim im Norden<br />
auf einer Strecke von etwa 80 km<br />
näher auf aktuelle Vorkommen untersucht.<br />
Zur besseren Bearbeitung wurden<br />
die Topografischen Karten<br />
8<br />
1:25.000 (TK25) in 60 Minutenfelder<br />
(MF) unterteilt (ca. 2 km 2 ). Alle<br />
MF mit bekannten Brutvorkommen<br />
sowie benachbarte MF mit geeigneten<br />
Lebensräumen wurden nach<br />
Möglichkeit zwei Mal im Abstand<br />
von mindestens sieben Tagen begangen.<br />
Für jede TK25 wurden nur Beobachtungen<br />
eines Jahres gewertet,<br />
um Doppelerfassungen zu vermeiden.<br />
Insgesamt wurden so 12 weitere<br />
TK25 mit insgesamt 70 MF untersucht.<br />
Die Auswertung erfolgte nach<br />
den Kriterien der ADEBAR-Kartierung,<br />
wonach als Mindestkriterium<br />
zur Einstufung einer Beobachtung<br />
als Revier die Feststellung eines singenden<br />
oder balzenden Männchens<br />
zwischen dem 1. April und dem 30.<br />
Juni notwendig ist.<br />
Durchgehende Besiedlung<br />
des Haardtrandes<br />
Die aktuellen Ergebnisse zeigen erstmals,<br />
dass der gesamte Haardtrand<br />
fast durchgehend besiedelt ist<br />
(Abb. 1). In den Jahren 2005 bis<br />
DDA-<strong>Monitoring</strong>-<strong>Rundbrief</strong><br />
Herbst <strong>2010</strong><br />
2008 wurden insgesamt 207 Reviere<br />
festgestellt, die sich über 59 MF<br />
auf zehn TK25 verteilen. Ein weiteres,<br />
davon weit abgelegenes Revier<br />
– jedoch ohne Brutverdacht – befand<br />
sich im Rheintal bei Kaub (TK25<br />
5912).<br />
Auffallend hohe Revieranzahlen<br />
finden sich im Raum um Bad Dürkheim.<br />
Auf den dort gelegenen TK25<br />
6514 und 6515 konzentriert sich<br />
mit insgesamt 69 Revieren ein Drittel<br />
des rheinland-pfälzischen Bestandes.<br />
Mit über 30 Revieren sind auch<br />
die TK25 6614 (Neustadt an der<br />
Weinstraße) und 6714 (Edenkoben)<br />
gut besiedelt.<br />
Ein Platz an der Sonne reicht nicht<br />
Wesentlich für das Vorkommen der<br />
mediterranen Art sind klimatische<br />
Faktoren: Die Reviere am Haardtrand<br />
befinden sich überwiegend an sonnenexponierten<br />
Hängen. Daneben<br />
ist ein reich strukturierter Lebensraum<br />
mit lückiger Vegetation zur<br />
Nahrungssuche, dichten Gebüschen<br />
Foto: Clement Heber.
Abb. 1: Brutzeitverbreitung der Zaunammer am Haardtrand im südlichen Rheinland-<br />
Pfalz. Links: Nördlicher Abschnitt zwischen Bad-Dürkheim (DÜW) und Neustadt an der<br />
Weinstraße (NW), rechts: südlicher Abschnitt zwischen Landau in der Pfalz (LD) und der<br />
französischen Grenze. Dargestellt ist die Summe der Reviere pro Minutenfeld (ca. 2 km 2 ).<br />
Quelle: Ulf Janz.<br />
als Rückzugsraum und Neststandort<br />
sowie höheren Bäumen o. ä. als<br />
Singwarten entscheidend für das<br />
Vorkommen (Abb. 2). Solche Strukturen<br />
finden sich oft im Bereich von<br />
Siedlungen. Wenn der Haardtrand<br />
auch von Weinbergen geprägt ist, so<br />
lässt sich eine Bindung an Weinberge<br />
nicht feststellen.<br />
„Bestandsexplosion“ seit<br />
Mitte der 1990er Jahre<br />
Nach Angaben von Günter Groh<br />
war der Bestand zwischen Ende<br />
der 1960er Jahre und Anfang der<br />
1990er Jahre in etwa stabil [2, 3] . Auftretende<br />
größere Bestandsschwankungen<br />
von Jahr zu Jahr werden<br />
vor allem mit der Härte der Winter<br />
Abb 2: Blick in einen typischen Zaunammer-Lebensraum am Ortsrand von Weyher in<br />
der Südpfalz. Kennzeichnend ist die Mischung von Weinbergen, Gärten, Sträuchern<br />
und Bäumen. Foto: Ulf Janz.<br />
in Zusammenhang gebracht. In den<br />
letzten anderthalb Jahrzehnten hat<br />
sich die Anzahl der Reviere nahezu<br />
verdreifacht. Dabei haben die milden<br />
Winter seit Ende der 1990er<br />
Jahre die Zunahme und Ausbreitung<br />
wahrscheinlich begünstigt.<br />
Interessant ist auch ein Vergleich<br />
der eigentlichen Revierstandorte,<br />
für die zwischen 1966 und 1975<br />
ausreichend genaue Daten vorliegen.<br />
Von den 113 maximal in diesem<br />
Zeitraum genutzten Standorten<br />
waren 2005–2008 nur noch 51 besetzt;<br />
gleichzeitig kamen jedoch<br />
156 neue Standorte hinzu. In dieser<br />
Zeit erweiterte die Zaunammer<br />
das besiedelte Areal um 70 %. Besonders<br />
stark wuchsen die Bestände<br />
im Norden um Grünstadt und Bad<br />
Dürkheim (TK25 6414, 6515) sowie<br />
im Süden um Landau i. d. Pfalz und<br />
Oberotterbach.<br />
Diese spannenden Erkenntnisse<br />
führten dazu, dass sich im Frühjahr<br />
2009 knapp 20 Ornithologen aus<br />
der Pfalz zu einer Arbeitsgruppe<br />
„Zaunammer-<strong>Monitoring</strong>“ zusammenfanden.<br />
Das Gebiet entlang des<br />
Haardtrandes wurde in kleinere Bereiche<br />
unterteilt und nach derselben<br />
Methode wie zuvor innerhalb eines<br />
Jahres kartiert. Als Ergebnis dieser<br />
Kartierung konnte 2009 mit 272 Revieren<br />
eine weitere Bestandszunahme<br />
festgestellt werden. Wie die Daten<br />
zeigen, erweitert die Zaunammer<br />
ihr Areal weiter nach Osten in die<br />
Rheinebene und in geringerem Ausmaß<br />
nach Norden. Dies bestätigen<br />
auch die aktuellen, jedoch noch nicht<br />
vollständig ausgewerteten Daten für<br />
das Jahr <strong>2010</strong>. Trotz des schneereichen<br />
Winters mit längeren Kälteperioden<br />
blieb der Bestand mit ca.<br />
240 Revieren annähernd stabil.<br />
Verbreitung außerhalb<br />
von Rheinland-Pfalz<br />
Neben den Vorkommen in Rheinland-<br />
Pfalz gibt es in Baden-Württemberg<br />
ein größeres Vorkommen, das<br />
sich in Südbaden über 10 TK25 zwischen<br />
Freiburg und Lörrach sowie<br />
den westlichen Hochrhein erstreckt.<br />
Der Bestand umfasst nach neueren<br />
Ergebnissen 55–60 Brutpaare und<br />
kann als stabil angesehen werden [4] .<br />
In Hessen brüten Zaunammern nicht<br />
mehr alljährlich mit 1–2 Brutpaaren<br />
im Mittelrheintal. Im südlichen Nord-<br />
9
hein-Westfalen treten im Rheintal<br />
bei Bonn seit 2007 nach über 50jähriger<br />
Abwesenheit wieder regelmäßig<br />
1–2 singende Männchen auf<br />
(Abb. 3) [5] .<br />
Literatur:<br />
1 Janz, U., V. Platz & M. Post<br />
(2008): Bestand und Verbreitung<br />
der Zaunammer (Emberiza cirlus)<br />
in Rheinland-Pfalz. Fauna Flora<br />
Rheinland-Pfalz 11(2): 357-375.<br />
2 Groh, G. (1975): Zur Biologie<br />
der Zaunammer (Emberiza cirlus<br />
L.) in der Pfalz. Mitteilungen<br />
der Pollichia 63: 72-139.<br />
3 Groh, G. (1994): Die Zaunammer<br />
(Emberiza cirlus) und der<br />
Schutz ihres Lebensraumes in<br />
der Pfalz. – Mitteilungen der<br />
Pollichia 81: 407-416.<br />
4 Bergmann, F., W. von Eisengrein,<br />
E. Gabler, J. Hüttl & F.<br />
Schneider (2003): Brutzeitverbreitung<br />
und Bestand der Zaunammer<br />
(Emberiza cirlus) in Südbaden.<br />
Naturschutz am südlichen<br />
Oberrhein 4: 1-10.<br />
5 Schidelko, K., A. Schröter &<br />
D. Stiels (2009): Erster Nachweis<br />
der Zaunammer Emberiza<br />
cirlus in Nordrhein-Westfalen<br />
nach fast 50 Jahren. Charadrius<br />
45(1): 20-26.<br />
10<br />
Abb. 3: Brutverbreitung der Zaunammer 2005-2009 in Deutschland nach den vorläufigen<br />
Ergebnissen der ADEBAR-Kartierung (Stand: 15.6.<strong>2010</strong>).<br />
DDA-<strong>Monitoring</strong>-<strong>Rundbrief</strong><br />
Herbst <strong>2010</strong>
Ein bemerkenswertes Trio: Drei<br />
Großmöwenarten brüten in Frankfurt/Main<br />
Ingo Rösler und Stefan Stübing<br />
Dass Brutansiedlungen, gerade von Koloniebrütern, eine große Attraktivität<br />
auf nahe verwandte Arten ausüben, ist immer wieder beobachtet<br />
worden. Regelmäßig bleiben so z.B. einzelne Individuen seltenere Gänsearten<br />
in kopfstarken Ansiedlungen von Graugänsen „hängen“. Dennoch<br />
hätte niemand erwartet, dass die seit einigen Jahren bekannte Kolonie<br />
der Mittelmeermöwe auf dem Kiesdach des stillgelegten Posthofs direkt<br />
neben dem Hauptbahnhof gleich zur Ansiedlung zweier weiterer Möwenarten<br />
führen würde.<br />
Nachdem dort 2007 der erste Brutnachweis<br />
der Mittelmeermöwe gelang<br />
(Brutverdacht bestand seit<br />
etwa 2005), brüteten 2008 schon<br />
fünf, 2009 dann 12 und <strong>2010</strong> etwa<br />
19 Paare in 25 Meter Höhe auf dem<br />
begrünten Hochhausdach. Zur Brut-<br />
zeit 2007 hielt sich erstmals eine<br />
adulte Heringsmöwe in der Kolonie<br />
auf, 2008 erbrütete ein Paar drei<br />
Jungvögel. Ohne dass zuvor immature<br />
Heringsmöwen als Sommergäste<br />
aufgefallen wären, siedelten sich<br />
2009 drei und <strong>2010</strong> sogar sechs<br />
„Not amused“ scheint diese Mittelmeermöwe – wohl weniger über die anderen Großmöwen-Arten<br />
als über die anwesenden Beringer. Foto: Christian Gelpke.<br />
Blick über den Brutplatz der Großmöwen<br />
auf die Frankfurter Skyline.<br />
Foto: Stefan Stübing<br />
Paare der Art hier an. Die Brutvögel<br />
sind relativ einheitlich gefärbt<br />
und entsprechen dem „Typ“ Larus<br />
fuscus intermedius. Im Vergleich zu<br />
den kräftigeren Mittelmeer- brüten<br />
die Heringsmöwen etwa einen Monat<br />
später und vor allem in Bereichen,<br />
die nicht von der anderen Art<br />
genutzt werden.<br />
Ebenfalls im Sommer 2008 wurde<br />
im Juli und August auch eine fast<br />
adulte Mantelmöwe in der Möwenkolonie<br />
beobachtet. Dieser Vogel<br />
– wie sich später herausstellte ein<br />
Männchen – erschien auch 2009<br />
und verpaarte sich mit einer Mittelmeermöwe.<br />
Aus der weltweit wohl<br />
ersten Mischbrut dieser „nördlichen“<br />
und „südlichen“ Möwenarten wurde<br />
einer von zunächst zwei Jungvögeln<br />
flügge. Auch <strong>2010</strong> brütete das Paar<br />
wieder erfolgreich, drei Junge flogen<br />
aus.<br />
Brutansiedlung<br />
„weit ab vom Schuss“<br />
Der Frankfurter Brutplatz liegt bei<br />
beiden Großmöwenarten fernab<br />
ihrer normalen Brutgebiete. Während<br />
die Heringsmöwe mittlerweile<br />
11
an wenigen Stellen im Binnenland<br />
(allerdings nirgends so weit südlich)<br />
auftritt (Abb. 1), brütet die Mantelmöwe<br />
ausschließlich an der mindestens<br />
etwa 400 Kilometer entfernten<br />
Küste von Nord- und Ostsee. Verschiedene<br />
Beobachtungen lassen gespannt<br />
in die Zukunft schauen: 2009<br />
hielt sich z. B. ein Mischpaar zwischen<br />
Mittelmeer- und Heringsmöwe<br />
ohne Brut in der Kolonie auf und<br />
<strong>2010</strong> brütete ein möglicher Hybrid<br />
aus Steppen- und Mittelmeermöwe.<br />
Um die weitere Entwicklung dieser<br />
derzeit bundesweit einzigartigen<br />
Möwenkolonie detailliert verfolgen<br />
zu können, wurde während<br />
der Brutzeit <strong>2010</strong> mit der Farbmarkierung<br />
der Jungmöwen begonnen.<br />
Die Tiere erhalten gelbe Ringe<br />
mit schwarzer Schrift aus dem Heringsmöwen-Projekt<br />
von Sönke Martens<br />
(Abb. 2), die mit Fernglas oder<br />
Spektiv noch aus großer Entfernung<br />
abgelesen werden können. Insgesamt<br />
wurden 23 Mittelmeer- und 13<br />
Heringsmöwen farbig markiert. Beobachtungen<br />
entsprechend gekennzeichneter<br />
Individuen dieser Arten<br />
sollten bitte unbedingt an Sönke<br />
Martens (S.Martens@KH-Itzehoe.<br />
de) weitergeleitet werden. Jeder<br />
Melder erhält selbstverständlich die<br />
Lebensgeschichte „seiner“ Möwe als<br />
Dankeschön. Wer sich über weitere<br />
Farbmarkierungsprojekte bei Großmöwen<br />
oder anderen Vogelarten informieren<br />
will, dem sei der Internetauftritt<br />
von Dirk Raes unter www.<br />
cr-birding.be empfohlen.<br />
Danke!<br />
Ohne die großzügige Genehmigung<br />
zum Betreten des benachbarten<br />
Gebäudes durch G. Reinhardt wären<br />
die hier geschilderten Beobachtungen<br />
in dieser Form nicht möglich<br />
gewesen.<br />
Für die Beringung der Jungvögel<br />
ermöglichte Frau U. Mauel <strong>2010</strong> erstmalig<br />
den Zugang zur Kolonie. Bei<br />
der Beringung der Jungmöwen waren<br />
G. Bauschmann, M. Gottschling,<br />
W. Heuser, F. Hillig, H. Brandt und<br />
E. Barnickel eine unschätzbare Hilfe.<br />
Ihnen allen ein herzliches Dankeschön!<br />
12<br />
Abb. 1: Brutverbreitung der Heringsmöwe 2005-2009 in Deutschland nach den vorläufigen<br />
Ergebnissen der ADEBAR-Kartierung (Stand: 15.6.<strong>2010</strong>). Entlang von Elbe,<br />
Rhein und Weser dringt die Art zunehmend ins Binnenland vor. Der Brutplatz in Frankfurt<br />
am Main ist das bislang am weitesten südlich gelegene Vorkommen.<br />
Abb. 2: Augen auf: 23 der auf dem Frankfurter Posthof geschlüpften Mittelmeer- (im<br />
Bild) und 13 Heringsmöwen erhielten gelbe Farbringe. Foto: Stefan Stübing.<br />
DDA-<strong>Monitoring</strong>-<strong>Rundbrief</strong><br />
Herbst <strong>2010</strong>
Bundesweite<br />
Rotmilan-Kartierung 2011<br />
Christoph Grüneberg<br />
Nachdem die Kartierarbeiten für ADEBAR erfolgreich abgeschlossen sind, plant der DDA gemeinsam mit seinen<br />
Mitgliedsverbänden und den Staatlichen Vogelschutzwarten im kommenden Jahr eine bundesweite Kartierung<br />
des Rotmilans. Für den Erhalt dieser Art trägt Deutschland die weltweit größte Verantwortung. Ein negativer<br />
Trend seit Beginn der 1990er Jahre verdeutlicht den Bedarf nach effektiven Schutzmaßnahmen, für die aktuelle<br />
und möglichst präzise Bestands- und Verbreitungsdaten eine Grundvoraussetzung sind.<br />
Bestandssituation und<br />
Populationsentwicklung<br />
Mit einem Bestand von 10.000–<br />
14.000 Paaren (2005) brüten in<br />
Deutschland über 50 % des auf ein<br />
kleines europäisches Verbreitungsgebiet<br />
beschränkten Weltbestandes.<br />
Die Schwerpunkte der Verbreitung<br />
innerhalb Deutschlands liegen<br />
nach den Ergebnissen des ADEBAR-<br />
Projektes in den östlichen Bundesländern,<br />
wo zwei Drittel des Bestandes<br />
brüten, sowie den waldreichen<br />
Mittelgebirgslagen Mittel- und Südwestdeutschlands<br />
(Abb. 1). Die weltweit<br />
höchsten Dichten werden trotz<br />
erheblicher Rückgänge mit über 20<br />
Brutpaaren / 100 km² immer noch<br />
im nördlichen Harzvorland in Sachsen-Anhalt<br />
erreicht. Im nordwestdeutschen<br />
Flachland und in weiten<br />
Teilen Bayerns brüten keine oder nur<br />
vereinzelt Rotmilane.<br />
Bundesweit hat der Bestand seit<br />
Beginn der 1990er Jahre um über<br />
30 % abgenommen. Der größte<br />
Rückgang fand zwischen 1991 und<br />
1997 statt. Nach einer Phase mit<br />
stabilen Beständen gab es auch zwischen<br />
2003 und 2007 einen Rückgang<br />
um 15 %.<br />
Hohe internationale<br />
Verantwortung und großer<br />
Handlungsbedarf<br />
Während der Brutzeit führt die zunehmende<br />
Intensivierung der Landwirtschaft<br />
wie etwa der großflächige,<br />
monotone Anbau nachwachsender<br />
Rohstoffe, der Verlust an Grünlandflächen<br />
und der Wegfall vieler<br />
Brachen nach dem Ende der<br />
Flächenstilllegungspflicht zu einem<br />
Nahrungsmangel in der Aufzuchtszeit.<br />
An Windenergieanlagen in Rotmilanrevieren<br />
kommt es immer wieder<br />
zu Kollisionen, auch weil die<br />
Brachflächen am Fuß der Anlagen<br />
häufig attraktive Nahrungsflächen<br />
als Ersatz für die intensiv bewirtschafteten<br />
Ackerflächen darstellen.<br />
In den Überwinterungsgebieten in<br />
Spanien und Frankreich, in denen<br />
sich ein großer Teil der mitteleuropäischen<br />
Population aufhält, kam es<br />
in den letzten Jahren vermehrt zu illegalen<br />
Abschüssen und Vergiftungen,<br />
die dort mittlerweile die häufigste<br />
Todesursache darstellen. Eine<br />
Verbesserung der Gefährdungssituation<br />
ist derzeit nicht zu erkennen.<br />
Angesichts der aktuellen Bestandsentwicklung<br />
und Gefährdungssituation<br />
steht Deutschland mehr denn je<br />
in der Verantwortung für den Schutz<br />
dieser Anhang I-Art der EU-VSchRL.<br />
Im novellierten Bundesnaturschutzgesetz<br />
findet die Verantwortlichkeit<br />
Deutschlands für einzelne Arten ausdrücklich<br />
Erwähnung, der Deutschland<br />
auch mit der Aufnahme des<br />
Rotmilans in das ab 2011 startende<br />
bundesweite Förderprogramm „Biologische<br />
Vielfalt“ Rechnung trägt.<br />
Diesem bedeutenden und wichtigen<br />
Schritt müssen konkrete Schutzanstrengungen<br />
folgen, ohne die mit<br />
einer weiteren Bestandsabnahme,<br />
regional sogar mit einem Verschwinden<br />
des eleganten Jägers zu rechnen<br />
ist.<br />
Aufgrund der weiten Verbreitung<br />
besteht die Herausforderung darin,<br />
geeignete Maßnahmen zu entwickeln,<br />
die großflächig in der Landschaft<br />
Anwendung finden können.<br />
Zentrale Bedeutung kommt dabei<br />
neben der Verminderung von Verlusten<br />
in den Überwinterungsgebieten<br />
vor allem der Anhebung des Bruterfolgs<br />
hierzulande zu.<br />
Bundesweite Kartierung als<br />
Grundlage für Schutzmaßnahmen<br />
Grundlage für die Entwicklung und<br />
Umsetzung von Schutzmaßnahmen<br />
ist die Kenntnis der genauen Verbreitungssituation<br />
und Lebensraum-<br />
13<br />
Foto: Ralph Martin.
ansprüche. Zwar ist die Verbreitung<br />
durch das ADEBAR-Projekt bereits relativ<br />
gut bekannt, die Daten reichen<br />
jedoch von ihrer Auflösung nicht für<br />
weitergehende überregionale Analysen<br />
zur Raumnutzung und Habitatausstattung<br />
aus. Eine erneute bundesweite<br />
Kartierung mit einer genauen<br />
Dokumentation der Revierzentren<br />
bietet die Möglichkeit, im Rahmen<br />
des gemeinsam von der Arbeitsgruppe<br />
Tierökologie der Universität<br />
Gießen und dem DDA durchgeführten<br />
Projektes „Nachhaltige Landnutzung“<br />
die genaue Lebensraumzusammensetzung<br />
zu analysieren, um<br />
mit Hilfe von Modellierungen mögliche<br />
Auswirkungen von Schutzmaßnahmen<br />
und Landnutzungsszenarien<br />
prognostizieren zu können.<br />
Damit lassen sich mögliche<br />
Schutzmaßnahmen bereits im Vorfeld<br />
auf ihre prognostizierte Effizienz<br />
prüfen und konkretisieren sowie<br />
die Ergebnisse in geplante oder<br />
bereits in Arbeit befindliche Artenschutzprogramme<br />
in den Bundesländern<br />
integrieren. Eine erneute<br />
bundesweite Kartierung bietet<br />
außerdem die Chance, Veränderungen<br />
von Häufigkeit und Verbreitung<br />
zu verfolgen und in ein bundesweites<br />
<strong>Monitoring</strong> des Rotmilans und anderer<br />
verbreiteter mittelhäufiger Arten<br />
einzusteigen.<br />
Daher plant der DDA gemeinsam<br />
mit seinen Mitgliedsorganisationen<br />
und den Staatlichen Vogelschutzwarten<br />
im kommenden Jahr eine bundesweite<br />
Kartierung des Rotmilans.<br />
Rechtzeitig vor dem Beginn der Kartiersaison<br />
ab Mitte März werden Sie<br />
von den Landeskoordinatoren sowie<br />
über die Internetseite des DDA über<br />
alles rund um die Erfassung infor-<br />
14<br />
miert. Wir hoffen, dass ein Großteil<br />
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
des ADEBAR-Projektes wieder<br />
ihre bereits gut bekannten Quadranten<br />
der Topographischen Karte<br />
1:25.000 aufsuchen und diese wichtige<br />
Kartierung unterstützen wird.<br />
Sonderangebot für ADEBAR- und<br />
<strong>Monitoring</strong>-Mitarbeiter<br />
Mitarbeiter am ADEBAR-Projekt und<br />
am bundesweiten Vogelmonitoring<br />
erhalten „Die Vogelstimmen Europas,<br />
Nordafrikas und Vorderasiens“ der<br />
Edition AMPLE für 49,95 Euro statt<br />
für 69,95 Euro.<br />
Das Standardwerk mit Gesängen,<br />
Rufen und anderen Lautäußerungen<br />
von 819 Vogelarten ist in zwei<br />
Versionen erhältlich: in Form von 17<br />
Audio-CDs mit 64-seitigem Booklet<br />
Abb. 1: Brutverbreitung des Rotmilans 2005-2009 in Deutschland nach den vorläufigen<br />
Ergebnissen der ADEBAR-Kartierung (Stand: 15.6.<strong>2010</strong>).<br />
oder zwei MP3-CDs. Das Aktionsangebot<br />
ist bis 31.12.<strong>2010</strong> gültig.<br />
Bestellanschrift:<br />
Musikverlag Edition AMPLE, Kellerstraße<br />
7a, 83022 Rosenheim. Tel.:<br />
08031.26 94 12, Fax: 08031.46<br />
37 87. E-Mail: vertrieb@ample.de;<br />
Internet: www.tierstimmen.de.<br />
Bitte verwenden Sie das Stichwort<br />
„ADEBAR“.<br />
DDA-<strong>Monitoring</strong>-<strong>Rundbrief</strong><br />
Herbst <strong>2010</strong><br />
Weiterführende Literatur<br />
Krüger, T. &. J. Wübbenhorst<br />
(Hrsg.) (2009): Ökologie, Gefährdung<br />
und Schutz des Rotmilans<br />
Milvus milvus in Europa<br />
– Internationales Artenschutzsymposium<br />
Rotmilan. Inform.d.<br />
Naturschutz Niedersachs 29, Nr.<br />
3 (3/09): 133-212.
Bird Numbers <strong>2010</strong> – „<strong>Monitoring</strong>, indicators and targets“<br />
Bericht von der 18. Konferenz des European Bird Census Council in Cáceres /Estremadura,<br />
22.-26. März <strong>2010</strong><br />
Alexander Mitschke<br />
Man hätte sich kaum einen besser geeigneten Tagungsort wünschen können: Ende März <strong>2010</strong> trafen sich mehr<br />
als 250 Ornithologen aus über 40 Ländern in der Hauptstadt der Extremadura, dem mittelalterlichen Cáceres<br />
mit seiner großen Rötelfalkenkolonie. An der Tagungsstätte, einem ehemaligen Franziskanerkloster, auf dessen<br />
Dächern mehrere Storchenpaare brüteten, schauten regelmäßig Zwergadler und Rotkopfwürger vorbei – man<br />
wähnte sich in der die Stadt umgebenden Steppenlandschaft mit ihren bedeutsamen Vorkommen von Zwerg-<br />
und Großtrappe, Spieß- und Sandflughuhn, Gänse- und Mönchsgeier und verschiedenen Adlerarten. Die Reise<br />
nach Cáceres hätte sich also allein für die wunderbare Landschaft und Vogelwelt der Extremadura gelohnt. Doch<br />
auch die von der Sociedad Española de Ornitología (SEO) hervorragend organisierte Konferenz hinterließ einen<br />
nachhaltigen Eindruck bei allen Teilnehmern, denn die Veranstalter erwiesen sich als außerordentlich zuvorkommende<br />
Gastgeber, die nahezu alle Wünsche ihrer Gäste erfüllten.<br />
Die Schwerpunkte der Tagung waren<br />
u.a. die Konzeption von Indikatoren<br />
bzw. deren Anwendung in der<br />
Naturschutzpolitik, das <strong>Monitoring</strong><br />
häufiger Brutvögel, Naturschutzprobleme<br />
bzw. Bestandsveränderungen<br />
in der Agrarlandschaft, Atlasprojekte,<br />
das <strong>Monitoring</strong> von Gast-<br />
und Zugvögeln, die Modellierung<br />
von Verbreitung und Trends, globale<br />
Habitat- sowie Klimaveränderungen<br />
sowie internetbasierte Eingabesysteme.<br />
Naturschutzindikatoren<br />
Naturschutzindikatoren auf Basis von<br />
Daten aus dem Vogelmonitoring sind<br />
inzwischen in vielen Ländern Europas,<br />
aber auch auf EU-Ebene feste<br />
Größen in der Naturschutzpolitik. Je<br />
nachhaltiger solche Indikatoren politische<br />
Entscheidungen beeinflussen,<br />
desto wichtiger ist es, dass sich die<br />
Fachwelt auf etablierte Erfassungsstandards,<br />
Artenauswahl und Berechnungsverfahren<br />
verständigt, um<br />
methodische Einflüsse auf Ergebnisdarstellungen<br />
und Aussagen auszuschließen.<br />
Greg Butcher warf einen Blick<br />
auf Berechnung und Relevanz von<br />
Naturschutzindikatoren in den USA.<br />
Zur Berechnung der Indikatoren,<br />
welche sich aus jeweils 20 bis 40 Arten<br />
zusammensetzen und verschiedene<br />
Lebensräume abdecken, werden<br />
Daten aus den beiden wichtigsten<br />
nationalen <strong>Monitoring</strong>projekten für<br />
häufige Vogelarten herangezogen<br />
(North American Breeding Bird Count<br />
bzw. Christmas Bird Count, beide mit<br />
jeweils nur einer Zählung pro Jahr).<br />
Im Zusammenhang mit dem während<br />
der Tagung oft diskutierten Thema<br />
„Klimaveränderung“ stieß eine<br />
Analyse der Verbreitungsänderung<br />
in den letzten 40 Jahren auf großes<br />
Interesse: Danach zeigten Siedlungsarten<br />
in den USA die stärkste<br />
Verschiebung ihres Verbreitungsgebietes<br />
nach Norden, gefolgt von<br />
Waldarten, arktischen Vogelarten<br />
und Arten der Trockenlebensräume.<br />
Lediglich die Artengruppe der großen<br />
Grasländereien wies eine leichte<br />
Verschiebung ihrer Verbreitungsareale<br />
in südliche Richtung auf.<br />
Inzwischen existieren auch auf<br />
weltweiter Ebene Ansätze zur Entwicklung<br />
von Indikatoren für die Ar-<br />
15<br />
Foto: Hans Glader.
Auf Türmen und Dächern während der Tagung immer dabei: mehrere Paare Weißstörche<br />
brüteten direkt auf dem Tagungsgebäude und konnten während der Vortragspausen<br />
„hautnah“ beobachtet werden. Foto: Alexander Mitschke.<br />
tenvielfalt. Während sich die Etablierung<br />
für Brutvögel noch schwierig<br />
und lückenhaft darstellt (Daten fehlen<br />
vor allem aus weiten Teilen Afrikas),<br />
sind für rastende Wasservögel<br />
auf Basis des weltweiten International<br />
Waterbird Census entsprechende<br />
Auswertungen bereits möglich (S.<br />
Delany).<br />
Nicht nur für Artengruppen bzw.<br />
Lebensraumtypen existieren Indikatorkonzepte,<br />
sondern auch zur Bewertung<br />
von Einflussfaktoren. Dazu<br />
gehören neue Indikatoren zur Bewertung<br />
des Einflusses von Klimaveränderungen<br />
auf die Vogelwelt.<br />
Richard Gregory stellte dazu den<br />
16<br />
Climatic Impact Indicator (CII) vor,<br />
bei dem zunächst die europaweiten<br />
Bestandstrends häufigerer Brutvögel<br />
mit den Prognosen für die wahrscheinliche<br />
Verbreitung Ende des<br />
21. Jahrhunderts unter Einfluss der<br />
Klimaveränderungen (Huntley et al.<br />
2007: „A Climatic Atlas of European<br />
Breeding Birds“) verglichen wurden.<br />
Dabei ergab sich ein hochsignifikanter<br />
Zusammenhang zwischen den Bestandstrends<br />
während der letzten 20<br />
Jahre und dem prognostizierten Arealverlust<br />
bzw. -zuwachs (ein ausführlicher<br />
Beitrag zum CII findet sich im<br />
<strong>Monitoring</strong>-Rundschreiben 1/2009).<br />
Die alten Kreuzgänge des ehemaligen Franziskanerklosters am Rande von Cáceres<br />
boten einen angemessenen Rahmen für die Posterpräsentationen und fruchtbare<br />
Diskussionen während der Vortragspausen. Foto: Alexander Mitschke.<br />
DDA-<strong>Monitoring</strong>-<strong>Rundbrief</strong><br />
Herbst <strong>2010</strong><br />
Ein alternativer, statistisch einfacherer<br />
Ansatz beruht auf der Berechnung<br />
eines „community temperature<br />
index“ (CTI; Devictor et al.<br />
2008: Proc. Royal Soc. London B<br />
275: 2743–2748). Zunächst wird<br />
für jede Art die mittlere (Sommer)-<br />
Temperatur besetzter Rasterzellen<br />
des gesamten Verbreitungsgebietes<br />
berechnet. Vogelarten mit südlicherer<br />
Verbreitung in Europa haben<br />
naturgemäß einen höheren „Arealtemperatur-Wert“<br />
als nördliche Arten.<br />
Im Rahmen von <strong>Monitoring</strong>projekten<br />
für häufige Brutvögel lässt<br />
sich nun Jahr für Jahr und Probefläche<br />
für Probefläche über alle nachgewiesenen<br />
Arten ein Mittelwert der<br />
artspezifischen „Arealtemperaturen“<br />
als „community temperature index“<br />
berechnen. Am Beispiel Schwedens<br />
konnte Åke Lindström zeigen,<br />
dass zwischen 1996 und 2008 auch<br />
im Norden Europas ein Anstieg des<br />
CTI und damit eine deutliche Veränderung<br />
der Vogelgemeinschaften<br />
hin zu Wärme liebenden Arten<br />
stattfanden.<br />
Spannend war auf Basis des<br />
„community temperature index“ ein<br />
Vergleich der Reaktionen von Brutvögeln<br />
und Schmetterlingen auf die<br />
Klimaerwärmung. Vincent Devictor<br />
stellte hierzu Ergebnisse einer europaweiten<br />
Studie vor und konnte<br />
nachweisen, dass es sowohl bei den<br />
Vögeln als auch den Schmetterlingen<br />
inzwischen eine rasche Verlagerung<br />
der Brutgebiete in nördliche<br />
Richtung gibt. Im Zeitraum von 1990<br />
bis 2008 haben sich die Vogelgemeinschaften<br />
um ca. 35 km und die<br />
der Schmetterlinge um 104 km nordwärts<br />
verlagert. Beide Artengruppen<br />
blieben dabei deutlich hinter<br />
der Temperaturentwicklung zurück,<br />
so dass sich innerhalb des vergleichsweise<br />
kurzen betrachteten Zeitraums<br />
bereits eine deutliche Verzögerung<br />
in der Anpassung der beiden Artengruppen<br />
an die neuen klimatischen<br />
Rahmenbedingungen erkennen lässt:<br />
Vögel „hinken“ mittlerweile 224 km,<br />
Schmetterlinge 155 km hinter den<br />
verschobenen Klimazonen her.<br />
<strong>Monitoring</strong> häufiger Brutvögel<br />
Petr Vorisek von der Zentrale des „Pan<br />
European Common Bird <strong>Monitoring</strong><br />
Scheme“ (PECBMS) in Prag berichtete<br />
über den Stand der Zusammen-
führung der Ergebnisse nationaler<br />
<strong>Monitoring</strong>programme für europaweite<br />
Aussagen und Indikatoren. Inzwischen<br />
existieren statistische Verfahren,<br />
die Ergebnisse mehrerer<br />
parallel oder nacheinander durchgeführter<br />
<strong>Monitoring</strong>programme<br />
auf nationaler Ebene miteinander<br />
zu kombinieren, um für jede Art jeweils<br />
einen möglichst verlässlichen<br />
und lange Zeiträume abdeckenden<br />
Bestandsindex zu berechnen. Neben<br />
der Verbesserung der Organisationsstrukturen<br />
und statistischen Datenauswertung<br />
auf nationaler Ebene werden<br />
in den nächsten Jahren vor allem<br />
die verstärkte Berücksichtigung der<br />
unterschiedlichen Entdeckungswahrscheinlichkeiten<br />
der Arten sowie<br />
die Berechnung habitatspezifischer<br />
Trends einen Schwerpunkt der Arbeit<br />
an einem europaweiten <strong>Monitoring</strong><br />
häufiger Brutvögel bilden.<br />
Ian Burfield unterzog die aktuelle<br />
wissenschaftliche Literatur einer umfassenden<br />
Analyse und stellte fest,<br />
dass aufgrund mangelnder Kapazitäten<br />
von nationalen <strong>Monitoring</strong>programmen<br />
in Europa wohl nie mehr als<br />
180 Vogelarten durch die laufenden<br />
<strong>Monitoring</strong>projekte für häufigere<br />
Brutvögel abgedeckt werden können.<br />
Auch artspezifische Forschungsarbeiten<br />
behandeln oft immer wieder<br />
dieselben Arten, zu denen<br />
Mäusebussard, Graugans, Stockente,<br />
Singschwan, Kohlmeise, Weißstorch<br />
oder Wanderfalke gehören.<br />
Große Wissenslücken bestehen aber<br />
beispielsweise bei den Vogelarten<br />
der Alpen, z.B. für Alpenbraunelle<br />
oder Ringdrossel, über deren Trends<br />
nur sehr wenig bekannt ist.<br />
Auch die in Deutschland in den<br />
letzten Jahren erzielten Fortschritte<br />
im <strong>Monitoring</strong> häufiger Brutvögel<br />
fanden ihren Niederschlag in zwei<br />
Präsentationen. Rainer Dröschmeister<br />
stellte die Ergebnisse erster bundesweiter<br />
Bestandshochrechnungen auf<br />
Basis der Probeflächen-basierten<br />
Linienkartierungen vor. Die Fehlerspannen<br />
der Hochrechnungen sind<br />
bei den meisten Arten äußerst gering<br />
(wenige Prozent), nur einige Koloniebrüter<br />
des Siedlungsbereiches<br />
(z.B. Mehlschwalbe) und schwer zu<br />
ortende Waldarten (wie das Wintergoldhähnchen)<br />
wiesen größere Fehlerspannen<br />
von etwa 10 % auf.<br />
Die durch das Verfahren des Dis-<br />
Die Alpenbraunelle zählt zu den besonders lohnenswerten Untersuchungsobjekten in<br />
Europa. Über ihre Bestandsentwicklung ist nur wenig bekannt. Foto: Hans Glader.<br />
tance Samplings in den Hochrechnungen<br />
enthaltenen Fehlerspannen<br />
sind demgegenüber etwas größer.<br />
Im Vergleich zu den bisherigen Expertenschätzungen<br />
liegen die durch<br />
Hochrechnungen im Statistischen<br />
Bundesamt ermittelten Bestände bei<br />
häufigen Vogelarten mit stabilen<br />
oder zunehmenden Beständen höher<br />
als erwartet, während die berechneten<br />
Bestände rückläufiger Arten<br />
(z.B. Fitis, Bluthänfling, Haussperling)<br />
bereits unter den bisher geschätzten<br />
Häufigkeiten lagen.<br />
Dass man durch die Verschneidung<br />
von punktgenau dokumentierten <strong>Monitoring</strong>daten<br />
und fein skalierten Lebensraum-<br />
und Klimadaten Hochrechnungen<br />
und Modellierungen von<br />
Verbreitungskarten erstellen kann,<br />
demonstrierte Thomas Gottschalk<br />
für das aktuelle <strong>Monitoring</strong> häufiger<br />
Brutvögel in Deutschland. Mehr<br />
als 150.000 Vogelnachweise aus<br />
mehr als 800 Probeflächen waren<br />
in die auf der Tagung vorgestellten,<br />
beispielhaften Modelle für sechs<br />
Brutvogelarten Deutschlands eingegangen.<br />
Dabei wird für Sommergoldhähnchen,<br />
Hausrotschwanz und<br />
Feldlerche eine potenzielle Arealzunahme<br />
prognostiziert (bei konstanter<br />
Landnutzung), während der Flächenanteil<br />
mit geeigneten Bruthabitaten<br />
für Waldbaumläufer, Wintergoldhähnchen,<br />
Rotkehlchen oder Haussperling<br />
abnehmen soll.<br />
Marc Kéry zeigte in einem Beitrag,<br />
wie die Entdeckungswahrschein-<br />
lichkeit in <strong>Monitoring</strong>programmen<br />
berücksichtigt werden kann. Er stellte<br />
dar, dass keine Kartierung die<br />
vorhandene Vogelwelt vollständig<br />
erfassen kann und immer einzelne<br />
Vögel oder Reviere unentdeckt bleiben.<br />
Insbesondere dann, wenn sich<br />
die Entdeckbarkeit von Vogelarten<br />
über die Zeit verändert, z.B. durch<br />
Habitat- oder Verhaltensanpassungen,<br />
ergäben sich fehlerhafte<br />
Trendeinstufungen. Entdeckungswahrscheinlichkeiten<br />
könnten sich auch im<br />
Zusammenhang mit der Klimaerwärmung<br />
verändern. Vögel, die früher<br />
im Brutgebiet eintreffen oder aufgrund<br />
der raschen Vegetationsentwicklung<br />
gezwungen sind, möglichst<br />
rasch mit dem Brutgeschäft zu beginnen,<br />
könnten ihre Gesangsperiode<br />
verkürzen. Bei einem solchen<br />
Verhalten würde voraussichtlich die<br />
Entdeckungswahrscheinlichkeit abnehmen<br />
und es entstünde die Gefahr,<br />
negative Trends zu überschätzen<br />
(A. van Strien et al.).<br />
Die Vogelwelt der<br />
Agrarlandschaft<br />
Katrine Prince zeigte mit ihrer Analyse<br />
der Bestandsentwicklung von<br />
Vogelarten in der Agrarlandschaft<br />
Frankreichs, dass sich die dortigen<br />
Agrarumwelt- und Extensivierungsprogramme<br />
positiv auf die Vogelwelt<br />
auswirken. Dabei profitierten<br />
die Arten mit den stärksten Bestandsrückgängen<br />
am meisten von<br />
einer Extensivierung der Bewirt-<br />
17
Über die Internetseite www.trektellen.nl können die eigenen Ergebnisse von Zugplanbeobachtungen<br />
eingegeben und mit derzeit 574 anderen Zählpunkten in Europa<br />
tagesaktuell verglichen werden.<br />
schaftung und insgesamt 14 Brutvogelarten<br />
zeigten eine positive Reaktion<br />
auf den Vertragsnaturschutz<br />
(davon zwei für den Zeitraum 2000<br />
bis 2008 signifikant). Lediglich der<br />
Jagdfasan nahm unter dem Einfluss<br />
von Extensivierungsmaßnahmen signifikant<br />
im Bestand ab.<br />
Die Bedeutung von „High Nature<br />
Value“ (HNV)-Agrarflächen<br />
zeigte Aggeliki Doxa ebenfalls am<br />
Beispiel Frankreichs auf. Ihre Analysen<br />
auf Basis von mehr als 1.700<br />
zufällig ausgewählten Probeflächen<br />
des <strong>Monitoring</strong>s häufiger Brutvögel<br />
zeigten, dass HNV-Flächen mehr Arten<br />
und diese eher spezialisierte Lebensraumansprüche<br />
aufwiesen. Außerdem<br />
zeigte die Indexkurve von<br />
20 häufigeren Arten der französischen<br />
Agrarlandschaft („farmland<br />
bird index“) für die HNV-Flächen einen<br />
deutlich positiveren Verlauf als<br />
in der Agrarlandschaft insgesamt.<br />
Diesen Ergebnissen kommt auch deshalb<br />
besondere Bedeutung zu, weil<br />
in Frankreich der Anteil wertvoller<br />
(HNV)-Agrarflächen seit 1970 dramatisch<br />
zurückgegangen ist.<br />
Besonders gefährdet sind die Vögel<br />
der Agrarlandschaft in Ländern<br />
des ehemaligen Ostblocks, die jüngst<br />
18<br />
der EU beigetreten sind. Fiona Sanderson<br />
stellte Ergebnisse eines Vergleichs<br />
von 71 jeweils 100 ha großen<br />
Probeflächen in Polen vor, die<br />
2002 und 2009 hinsichtlich ihrer<br />
Nutzung und Vogelwelt untersucht<br />
wurden. Der Anbau von Wintergetreide<br />
und Mais hat dabei zugenommen,<br />
teilweise sind Flächen inzwischen<br />
von Agrar- in Waldflächen<br />
umgewandelt worden. Verluste gab<br />
es vor allem beim Sommergetreide<br />
und bei Brachen. Insbesondere<br />
in den ehemals artenreichsten, östlichen<br />
Teilen Polens fielen die Verluste<br />
in der Artenvielfalt auf. Dabei haben<br />
die landwirtschaftlichen Erträge<br />
im Land seit 2000 zwar um 26 %<br />
zugenommen, erreichen aber lediglich<br />
zwei Drittel des Niveaus Großbritanniens.<br />
<strong>Monitoring</strong> von<br />
Zug- und Wintervögeln<br />
Neben <strong>Monitoring</strong>projekten in den<br />
Brutgebieten der Vögel haben sich<br />
vor allem an besonderen Konzentrationspunkten<br />
des Vogelzugs langjährige<br />
systematische Erfassungen von<br />
ziehenden Vögeln etabliert. Auch<br />
wenn eine differenzierte Zuordnung<br />
der ermittelten Bestände durchzie-<br />
DDA-<strong>Monitoring</strong>-<strong>Rundbrief</strong><br />
Herbst <strong>2010</strong><br />
hender Vögel zu den verschiedenen<br />
Brutpopulationen und -gebieten oft<br />
nicht möglich ist, lassen sich aus den<br />
langjährigen Zugvogelzählungen<br />
überregionale Trends ermitteln, die<br />
insbesondere für Vogelarten mit großen<br />
Revieren und abgelegenen Brutgebieten<br />
die verlässlichste Datenbasis<br />
zur Trendeinschätzung bilden.<br />
Außerdem ergeben sich Analysemöglichkeiten<br />
über zeitliche Veränderungen<br />
des Durchzugs im Zusammenhang<br />
mit klimatischen Faktoren.<br />
Zugplanbeobachtungen bieten daher<br />
neben der Freude am „Erlebnis<br />
Vogelzug“ wichtige Ergänzungen zur<br />
Einschätzung von Trend und Gefährdungsgrad<br />
bestimmter Vogelarten,<br />
wie Zählungen an der Straße von<br />
Gibraltar beispielhaft belegen (G.<br />
M. Arroyo).<br />
Zugzeiten und die Winterverbreitung<br />
werden derzeit offensichtlich<br />
bei vielen Arten durch globale<br />
Klimaveränderungen beeinflusst. Im<br />
Rahmen der EBCC-Tagung wurden<br />
dazu Beispiele aus Finnland präsentiert,<br />
wo seit den 1970er Jahren die<br />
Eisbedeckung der Ostsee zurückgegangen<br />
und sich der Zeitpunkt des<br />
Aufbruchs der Eisdecke verfrüht hat.<br />
In diesem Zusammenhang sind die<br />
Winterbestände von Gänsesäger,<br />
Schellente und Reiherente enorm angestiegen,<br />
während die Trends zur<br />
Brutzeit für diese Arten stabil oder<br />
sogar rückläufig waren (A. Lehikoinen).<br />
In den Niederlanden existiert seit<br />
Ende der 1970er Jahre eine auch<br />
im internationalen Rahmen beispiellose<br />
Bewegung von ehrenamtlichen<br />
Zugvogelbeobachtern, die an mehr<br />
als 120 Zählpunkten teilweise über<br />
Jahrzehnte systematische Erfassungen<br />
des Tageszuges durchgeführt<br />
haben. Eine Analyse der Daten von<br />
1980 bis 2006 ergab nun, dass sich<br />
der Zeitpunkt des Wegzugs über<br />
alle Arten gemittelt und über den<br />
gesamten Zeitraum gerechnet leicht<br />
um etwa drei Tage nach vorne verlagert<br />
hat. Bei den meisten Arten hat<br />
sich allerdings sowohl der Zugbeginn<br />
nach vorne verschoben, als auch das<br />
Ende der Durchzugsperiode nach<br />
hinten verlagert. Inzwischen haben<br />
sich über die Internet-Plattform<br />
www.trektellen.nl auch Zähler<br />
aus anderen europäischen Ländern<br />
angeschlossen. Durch methodische
Standardisierungen sollen die Auswertungsmöglichkeiten<br />
dieses Projektes<br />
weiter verbessert werden (C.<br />
van Turnhout).<br />
Atlasvorhaben<br />
Der europäische Brutvogelatlas von<br />
Hagemeijer & Blair erschien vor mittlerweile<br />
13 Jahren, bildete aber<br />
Daten ab, die weitgehend bereits in<br />
den 1980er Jahren gesammelt wurden.<br />
In Form einer Podiumsdiskussion<br />
wurden daher Möglichkeiten für einen<br />
neuen europaweiten Brutvogelatlas<br />
ausgelotet. Man war sich rasch<br />
einig, dass ein solches Projekt nur auf<br />
Basis der Verwendung existierender,<br />
nationaler Atlanten Erfolgsaussichten<br />
haben kann. Außerdem sollte<br />
eine möglichst gute Vergleichbarkeit<br />
zum ersten EBCC-Atlas gegeben<br />
sein, beispielsweise durch Verwendung<br />
derselben Rastergrößen.<br />
Dennoch muss ein neuer Atlas über<br />
das rein qualitative Niveau hinausgehen<br />
und auch Dichteunterschiede<br />
darstellen. Dazu wäre die Integration<br />
der Informationen aus den nationalen<br />
<strong>Monitoring</strong>programmen für<br />
häufige Brutvögel sehr wichtig. Als<br />
Ergebnis der Diskussionsveranstaltung<br />
bildete sich eine Arbeitsgruppe,<br />
welche die Pläne für den nächsten<br />
europaweiten Brutvogelatlas<br />
fortentwickeln wird.<br />
Neben der Diskussion europaweiter<br />
Atlas-Pläne wurden nationale Atlasprojekte<br />
in Großbritannien (Bird<br />
Atlas 2007–2011 für Brut- und Wintervögel;<br />
D. Balmer) und Katalonien<br />
(Wintervogelatlas; S. Guallar) vorgestellt.<br />
Klimaveränderungen<br />
Das Thema „Klimaveränderungen“<br />
zog sich wie ein roter Faden durch<br />
viele der auf der Konferenz in Cáceres<br />
vorgestellten Vorträge. Christiaan<br />
Both beleuchtete die Situation<br />
in einem Übersichtsvortrag am<br />
Beispiel seiner Untersuchungen am<br />
Trauerschnäpper. Auch wenn viele<br />
Vogelarten auf die globale Erwärmung<br />
mit einer verfrühten Ankunft<br />
in den Brutgebieten und früherem<br />
Brutbeginn reagieren, geraten sie<br />
gegenüber der Verfrühung von Vegetations-<br />
und Insektenentwicklung<br />
teilweise zunehmend „in Rückstand“.<br />
Am Beispiel des Trauerschnäppers<br />
in den Niederlanden besteht inzwi-<br />
schen eine Diskrepanz von etwa einer<br />
Woche zwischen der Zeit der höchsten<br />
Nahrungsverfügbarkeit und dem<br />
Zeitpunkt der Jungenaufzucht. Die<br />
Bestände dieser Art sind rückläufig.<br />
Diese negative Entwicklung betrifft<br />
im Übrigen auch andere Waldvögel<br />
unter den Langstreckenziehern, die<br />
in ihrem Bruterfolg alle von der Raupenentwicklung<br />
nach dem Laubaustrieb<br />
der Bäume abhängig sind. Für<br />
diese Arten ist es besonders wichtig,<br />
den nur kurzfristig verfügbaren<br />
Gipfel des Nahrungsangebotes<br />
mit ihrer Brutzeit in Einklang zu halten.<br />
Im afrikanischen Winterquartier<br />
ist allerdings eine Einschätzung der<br />
Vegetationsentwicklung in den europäischen<br />
Brutgebieten nicht möglich<br />
und die Vögel können auf witterungsbedingte<br />
Schwankungen nicht<br />
reagieren. Zudem mögen Faktoren<br />
auf den Zugwegen eine weitere Verfrühung<br />
des Heimzuges verhindern.<br />
Inzwischen nehmen in den Niederlanden<br />
alle in Wäldern brütenden<br />
Langstreckenzieher im Bestand ab,<br />
was für ebenfalls in Afrika überwinternde<br />
Brutvögel der Feuchtgebiete<br />
nicht gilt. Diese markanten Unterschiede<br />
in den Trends von Waldarten<br />
(kurzer Nahrungsgipfel) und Feuchtgebietsarten<br />
(gleichmäßigere Verteilung<br />
der Nahrungsverfügbarkeit)<br />
existieren nur bei Langstreckenziehern,<br />
nicht aber bei Standvögeln<br />
oder Kurzstreckenziehern. Die Vermutung,<br />
dass die Klimaveränderung<br />
Hauptursache für die Probleme von<br />
Langstreckenziehern in Waldlebensräumen<br />
ist, erfährt weitere Bestätigung<br />
durch die Tatsache, dass die<br />
Bestände z.B. des Trauerschnäppers<br />
nur in Regionen mit markanter Frühjahrserwärmung<br />
(NW-Europa) rückläufig<br />
sind, während sich die Bestände<br />
in Skandinavien, wo die<br />
Frühjahrstemperaturen bisher keine<br />
vergleichbare Zunahme erfahren<br />
haben, stabil blieben.<br />
Auch die Analyse von klimabedingten<br />
Veränderungen in der Ankunftszeit<br />
unserer Brutvögel ist methodisch<br />
nicht unkompliziert. Anhand<br />
von Datensimulationen konnte Jean-<br />
Pierre Moussus zeigen, dass vor allem<br />
eine Analyse lediglich der Erstankunftsdaten<br />
oder des Eintreffens<br />
der ersten 10 bzw. 25 % der Population<br />
die wirklich stattfindenden<br />
phänologischen Veränderungen oft<br />
unterschätzt. Besser geeignet erscheinen<br />
die mittleren Ankunftszeiten<br />
der Population bzw. eine Verwendung<br />
der Ankunftszeiten von 75<br />
oder 90 % der Populationen. Entsprechende<br />
Daten stehen allerdings<br />
nur auf Basis von standardisierten Erfassungsprogrammen<br />
für Brut- oder<br />
Zugvögel bzw. Beringungsprojekten<br />
zur Verfügung.<br />
Online-Angebote<br />
Während in den letzten Jahrzehnten<br />
in weiten Teilen Europas systematische<br />
<strong>Monitoring</strong>programme zur Beobachtung<br />
von Bestandsentwicklungen<br />
bei Brut- und Gastvogelarten<br />
etabliert werden konnten, gehen in<br />
den letzten Jahren in verschiedenen<br />
Ländern zusätzlich internetbasierte<br />
Datensammlungen an den Start, mit<br />
deren Hilfe auch Gelegenheitsbeobachtungen<br />
erfasst werden können.<br />
Beispiele sind www.bto.org/birdtrack<br />
für Großbritannien, www.dofbasen.dk<br />
für Dänemark, www.artportalen.se<br />
für Schweden oder www.<br />
ornitho.ch für die Schweiz. Zu den<br />
größten Vorteilen solcher nach einer<br />
Registrierung für alle Interessierten<br />
offen stehenden Online-Eingabesysteme<br />
gehört die Vervielfachung der<br />
vorher nur auf herkömmlichen Wegen<br />
gesammelten Beobachtungsmeldungen<br />
und die enorme Erweiterung<br />
des Kreises von Meldern.<br />
Online eingegebene Daten stehen<br />
zudem sofort für Auswertungen und<br />
Informationszwecke zur Verfügung.<br />
Allerdings müssen Probleme wie eine<br />
Regelung der „Eigentums- und Urheberrechte“<br />
an den Daten oder eine<br />
regelmäßige Plausibilitätsprüfung<br />
angegangen werden. Außerdem<br />
sollte man darauf vorbereitet sein,<br />
große Datenmengen verarbeiten zu<br />
können. So wurde in den letzten acht<br />
Jahren in Großbritannien im Schnitt<br />
alle 4 Sekunden eine Beobachtung<br />
gemeldet und die Datenbank umfasst<br />
inzwischen 100.000.000 Meldungen!<br />
Insbesondere dort, wo es<br />
aufgrund von weithin fehlenden Vogelkundlern<br />
noch keine etablierten<br />
<strong>Monitoring</strong>projekte gibt, und für Arten,<br />
die sich mit den bisher existierenden<br />
<strong>Monitoring</strong>programmen nicht<br />
verlässlich erfassen lassen, kann<br />
auch die Sammlung von einfachen<br />
Artenlisten einen wichtigen Beitrag<br />
liefern. So lässt sich beispielsweise<br />
19
In immer mehr europäischen Ländern werden Gelegenheitsbeobachtungen über attraktive<br />
Online-Portale systematisch gesammelt. In Deutschland wird ornitho.de 2011<br />
starten. Auf der EBCC-Konferenz wurde nun über internationale Standards diskutiert,<br />
um die Daten länderübergreifend auswerten zu können.<br />
analysieren, wie sich der Anteil von<br />
Listen, die eine bestimmte Art enthalten,<br />
an der Gesamtzahl gemeldeter<br />
Listen verändert. Die weltweite<br />
Sammlung entsprechender Artenlisten<br />
ist Bestandteil der Internetseite<br />
www.worldbirds.org (J. Kamp),<br />
die auch eine Übersicht und Verknüpfungen<br />
zu den auf Länderebene<br />
bestehenden Seiten bietet. In<br />
einer Podiumsdiskussion wurde behandelt,<br />
inwieweit unter dem Dach<br />
des EBCC europäische Standards<br />
für die Sammlung von ornithologischen<br />
Einzelbeobachtungen sinnvoll<br />
und umsetzbar sind. Auf EBCC-Seite<br />
hat man vor allem Interesse an der<br />
Möglichkeit, regelmäßig Artenlisten<br />
für wiederholt untersuchte Gebiete<br />
sammeln zu können und auf dieser<br />
Basis im Zusammenhang mit zukünftigen<br />
Atlasvorhaben ein Instrument zu<br />
entwickeln, dass ständige Aktualisierungen<br />
von europaweiten Atlaskarten<br />
im Internet möglich macht. Der<br />
EBCC wird zur Thematik einer möglichen<br />
Vereinheitlichung von Sammlungen<br />
von Gelegenheitsbeobachtungen<br />
und der Verwendung dieser<br />
Daten im Rahmen neuer Atlasprojekte<br />
einen Workshop ausrichten.<br />
Neben der Erfassung ornithologischer<br />
Einzelmeldungen können Inter-<br />
20<br />
net-Plattformen aber auch im Zuge<br />
systematischer Erfassungsprogramme<br />
eine wichtige Rolle spielen. So<br />
wurden durch die ehrenamtlichen<br />
Kartierer für den aktuellen britischen<br />
Brutvogelatlas bereits 90 % der<br />
mehr als 90 Millionen gemeldeten<br />
Vogelvorkommen „online“ eingegeben,<br />
woraus eine wesentlich zügigere<br />
Weiterverarbeitung der Daten<br />
und eine enorme Ersparnis für<br />
ansonsten fällige zentrale Dateneingaben<br />
resultierten (S. Gillings).<br />
Fazit<br />
Die alle drei Jahre stattfindenden<br />
Tagungen des European Bird Census<br />
Council bieten einen unvergleichlichen<br />
Überblick über die neuesten<br />
Fortschritte beim Vogelmonitoring,<br />
Atlasprojekten und vielen angewandten<br />
Naturschutzaspekten. Nur<br />
hier bietet sich ein Überblick über<br />
den Stand entsprechender Projekte<br />
in Nachbarländern und anderswo,<br />
nur hier lassen sich so viele praxisnahe<br />
Erfahrungen sammeln und Diskussionen<br />
führen. Die nächste EBCC-<br />
Tagung 2013 soll voraussichtlich in<br />
Rumänien stattfinden. Auch diese<br />
Reise wird sich lohnen.<br />
DDA-<strong>Monitoring</strong>-<strong>Rundbrief</strong><br />
Herbst <strong>2010</strong><br />
Conservation Status<br />
of Birds in Spain<br />
Während der Konferenz stellte die<br />
SEO ihren neuen Bericht über den<br />
„Erhaltungszustand der Vögel in<br />
Spanien <strong>2010</strong>“ vor. Dieser detaillierte<br />
und schön bebilderte Bericht<br />
fasst Status und Trends ausgewählter<br />
Vogelarten in den bedeutendsten<br />
spanischen Lebensräumen zusammen.<br />
Er stützt sich dabei auf die<br />
Ergebnisse des spanischen Vogelmonitorings<br />
der letzten zehn Jahre, das<br />
von der SEO und ihren Partnerorganisationen<br />
durchgeführt wird. Der<br />
Bericht wurde von Dr. Eduardo de<br />
Juana, Präsident von SEO/BirdLife,<br />
und Elena Espinosa, Umweltministerin<br />
Spaniens, vorgestellt.<br />
Auch Spanien hat, wie alle anderen<br />
Länder der Europäischen Union,<br />
das Ziel, den Artenverlust bis <strong>2010</strong><br />
zu stoppen, verfehlt. Der Bericht<br />
zeigt, dass 23 % der spanischen<br />
Vogelarten vom Aussterben bedroht<br />
sind. 20 % der häufigen Vogelarten<br />
Spaniens weisen Bestandsrückgänge<br />
auf. Zu den am stärksten gefährdeten<br />
Artengruppen gehören Wasservögel,<br />
Steppenvögel, Seevögel<br />
und Vögel der Agrarlandschaft. Positiv<br />
entwickelt haben sich seit 1990<br />
die Bestände einiger häufiger Waldarten.<br />
Einige seltene Greifvogelarten<br />
wie der Spanische Kaiseradler<br />
haben von speziellen Schutzbemühungen<br />
bzw. Artenhilfsmaßnahmen<br />
profitiert.<br />
Der englischsprachige Bericht<br />
kann unter folgendem Link heruntergeladen<br />
werden: www.seo.org/media/docs/aves_<strong>2010</strong>_english1.pdf.
Die IUCN-Rote Liste gefährdeter Arten <strong>2010</strong><br />
Anita Schäffer [1]<br />
Im Sommer <strong>2010</strong> veröffentlichten<br />
die International Union for the Conservation<br />
of Nature (IUCN) und Bird-<br />
Life International die neue Roten Liste<br />
der Vögel der Welt. Von den rund<br />
10.000 Vogelarten sind bereits 132<br />
Arten ausgestorben – zuletzt der im<br />
östlichen Madagaskar lebende Delacour-Zwergtaucher<br />
Tachybaptus rufolavatus.<br />
Durch den Menschen eingeführte<br />
Raubfische, die nicht zur<br />
natürlichen Fischfauna der Seen im<br />
kleinen Verbreitungsgebiet des Delacour-Zwergtauchers<br />
gehören, sowie<br />
der Einsatz neuartiger Nylon-Treibnetze<br />
für den Fischfang haben zum<br />
Aussterben der Art geführt. Dass das<br />
Aussetzen „invasiver gebietsfremder<br />
Art“ irreversible Konsequenzen für<br />
die heimische Tier- und Pflanzenwelt<br />
nach sich ziehen kann, wird inzwischen<br />
auch auf großen Inseln wie<br />
Kuba beobachtet: Die Kubaralle Cyanolimnas<br />
cerverai, eine äußerst geheimnisvolle<br />
in den Sumpfgebieten<br />
der Insel beheimatete Art, deren<br />
einziges bekanntes Nest von James<br />
Bond, dem karibischen Ornithologen<br />
und Namensgeber des weltweit<br />
wohl berühmtesten Geheimdienstlers<br />
des britischen Imperiums gefunden<br />
wurde, musste in die Rote-Liste-Kategorie<br />
„stark gefährdet“ heraufgestuft<br />
werden, nachdem ihre Bestände<br />
massiv durch eingeführte<br />
Mungos und exotische Welse dezimiert<br />
wurden.<br />
Generell ist zu konstatieren:<br />
Feuchtgebiete und die dort lebenden<br />
Arten geraten weltweit wieder<br />
zunehmend unter Druck – nach Jahrzehnten<br />
internationalen Feuchtge-<br />
Weltweite Verbreitung gefährdeter Vogelarten. Die Farbabstufungen geben die Anzahl<br />
marin (blau) und terrestrisch (rot) verbreiteter Arten wider. Die Daten zu den<br />
Vögeln werden von BirdLife International zusammengestellt. Für Deutschland wird _<br />
dabei auf die Daten des DDA zurückgegriffen. Quelle: www.iucnredlist.org.<br />
bietsschutzes: In Asien und Australien<br />
nehmen einst weit verbreitete Watvogelarten<br />
wie der Große Knutt<br />
Calidris tenuirostris oder der Isabellbrachvogel<br />
Numenius madagascariensis<br />
als Folge der Zerstörung an<br />
der Küste gelegener Feuchtgebiete<br />
vor allem in Asien ab. Das markanteste<br />
Beispiel ist das Wattenmeer<br />
von Saemangeum in Südkorea, das<br />
in seiner Bedeutung als Rastgebiet<br />
für Zugvögel mit unserem Wattenmeer<br />
vergleichbar ist und im Frühjahr<br />
2006 zu großen Teilen eingedeicht<br />
wurde.<br />
Die neue internationale Liste gefährdeter<br />
Vogelarten zeigt aber<br />
auch, dass es gelingen kann, vom<br />
Aussterben bedrohte Vogelarten<br />
durch Naturschutzmaßnahmen zu<br />
fördern. So erholten sich die Bestände<br />
des Azorengimpels Pyrrhula<br />
murina durch eine gezielte Renaturierung<br />
seiner Lebensräume. Auch<br />
viele durch die EG-Vogelschutzrichtlinie<br />
geschützte Arten wie Schwarzstorch,<br />
Kranich, Seeadler, Wanderfalke<br />
und Uhu profitierten von<br />
Jagdverboten und/oder die Ausweisung<br />
von europäischen Vogelschutzgebieten.<br />
Diese Beispiele zeigen,<br />
dass Naturschutz erfolgreich<br />
betrieben werden kann, wenn neben<br />
dem Bekenntnis zum Schutz der<br />
biologischen Vielfalt auch konkrete<br />
Maßnahmen unternommen und ausreichende<br />
finanzielle Mittel zu deren<br />
Umsetzung bereit gestellt werden.<br />
Quelle:<br />
1 BirdLife Presseinfo vom 26. Mai<br />
<strong>2010</strong>, www.birdlife.org:80/news/<br />
pr/<strong>2010</strong>/05/red-list-for-birds-<br />
<strong>2010</strong>.html<br />
Der Beitrag ist in einer ausführlichen<br />
Version in DER FALKE, Heft<br />
7/<strong>2010</strong> erschienen. In der Zeitschrift<br />
finden Sie monatlich interessante<br />
Artikel zu Vogelschutz,<br />
Ornithologie, Avifaunistik und lohnenswerten<br />
Beobachtungszielen.<br />
Weitere Informationen erhalten<br />
Sie unter www.falke-journal.<br />
21
Graureiher in Schleswig-Holstein:<br />
Wie wirkte sich der strenge Winter<br />
2009/10 auf die Brutbestände aus?<br />
Wilfried Knief und Christoph Grüneberg<br />
Seit 1973 werden in Schleswig-Holstein alljährlich die Brutplätze des Graureihers kontrolliert. Nach kalten<br />
Wintern waren die Brutbestände stets, teilweise deutlich zurückgegangen, so dass bereits im Vorfeld der<br />
diesjährigen Erfassungen mit einem Rückgang gerechnet worden war ...<br />
Durchgeführt werden die Erfassungen<br />
von der Staatlichen Vogelschutzwarte<br />
im Landesamt für Landwirtschaft,<br />
Umwelt und ländliche Räume<br />
22<br />
(LLUR) in Zusammenarbeit mit der Ornithologischen<br />
Arbeitsgemeinschaft<br />
(OAG). Die Kolonien konzentrieren<br />
sich überwiegend auf die gewässer-<br />
DDA-<strong>Monitoring</strong>-<strong>Rundbrief</strong><br />
Herbst <strong>2010</strong><br />
reiche Jungmoränenlandschaft des<br />
Östlichen Hügellandes und die Marschen<br />
entlang der Nordseeküste und<br />
der Unterelbe. Auf der Geest gibt<br />
es nur relativ wenige, überwiegend<br />
kleine Kolonien (Abb. 1). <strong>2010</strong> wurden<br />
insgesamt 1.383 Brutpaare in<br />
72 Kolonien und Einzelbrutvorkommen<br />
gezählt. An einigen Brutplätzen<br />
schritt zum Teil weniger als die Hälfte<br />
des Vorjahresbestandes zur Brut.<br />
Der Landesbestand ging seit dem<br />
Höchststand von 2.675 Paaren im<br />
Jahr 2002 auf das Niveau zu Beginn<br />
der 1970er Jahre zurück (Abb. 2)<br />
Langfristige Zunahmen<br />
nach intensiver Verfolgung<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts gab es<br />
in Schleswig-Holstein aufgrund intensiver<br />
Verfolgung nur noch etwa 500<br />
Brutpaare des Graureihers. Erst als<br />
1950 das Eiersammeln und regelmäßige<br />
Abschießen von Ästlingen<br />
eingestellt wurde, kam es zu einer<br />
Abb. 1: Brutverbreitung des Graureihers<br />
in Schleswig-Holstein im Jahr<br />
<strong>2010</strong>. Karte: Jan Kieckbusch.<br />
Foto: H.-D. Martens.
aschen Bestandszunahme. In den<br />
1970er Jahren schwankte der landesweite<br />
Bestand zwischen 1.300<br />
und 1.700 Brutpaaren. Seit Beginn<br />
der 1980er Jahre und vor allem ab<br />
Ende der 1980er Jahre bis zur Mitte<br />
der 1990er Jahre nahm der Bestand<br />
kontinuierlich auf über 2.000<br />
Paare zu (Abb. 2), womit in Schleswig-Holstein<br />
die Lebensraumkapazität<br />
erreicht sein dürfte.<br />
Regelmäßige Rückschläge<br />
in strengen Wintern<br />
Im Bestandsverlauf zeigt sich immer<br />
wieder der Einfluss von strengen<br />
Wintern mit lang anhaltenden Frostperioden<br />
und/oder geschlossenen<br />
Schneedecken, bei denen es zu Nahrungsengpässen<br />
und als Folge davon<br />
meist zu starken Verlusten unter den<br />
Nichtziehern innerhalb der Population<br />
kommt (Abb. 3). Sprichwörtlich<br />
besonders „kalt erwischt“ wurden sie<br />
in den Winterhalbjahren 1978/79,<br />
1984/85 bis 1986/87, 1995/96<br />
und 1996/97 sowie im vergangenen<br />
Winter 2009/10.<br />
Solche Winterverluste werden<br />
in der Regel nach wenigen Jahren<br />
wieder ausgeglichen, z. B. zwischen<br />
1987 und 1990 sowie 1997 und<br />
1999. Bedenklich ist jedoch, dass<br />
der Bestand regional auch nach<br />
zahlreichen milden Wintern in Folge<br />
nicht mehr die Höhe früherer Jahre<br />
erreicht. So war der Bestand in den<br />
fünf großen Kolonien auf der Halbinsel<br />
Eiderstedt von mehr als 800<br />
Paaren im Jahr 1975 schon im letzten<br />
Jahr auf 340 zurückgegangen.<br />
Das entspricht einer Abnahme um<br />
60 %. In diesem Jahr waren es sogar<br />
nur noch 266 Paare. Hier haben<br />
offensichtlich zunehmende Entwässerung<br />
und Grünlandumbruch zu<br />
einer dauerhaften Verringerung des<br />
Nahrungsangebots geführt, das die<br />
Bestandsgröße früherer Jahrzehnte<br />
auch in günstigen Jahren nicht mehr<br />
ermöglicht.<br />
Abb. 2: Brutbestandsentwicklung und Anzahl besetzter Brutplätze des Graureihers<br />
in Schleswig-Holstein. Gegenüber dem Vorjahr ist der Bestand um fast 30 % zurückgegangen,<br />
im Vergleich zum Höchstbestand 2002 hat er sich sogar nahezu halbiert.<br />
Abb. 3: Entwicklung des Graureihers-Brutbestandes in Schleswig-Holstein im Vergleich<br />
zur Kältesumme des vorangegangenen Winters (Summe neg. Tagesmitteltemperaturen<br />
1.11. bis 31.3.) der Station Schleswig des Deutschen Wetterdienstes<br />
(www.dwd.de). Dargestellt ist jeweils die Abweichung vom Mittelwert des Zeitraums<br />
1973-<strong>2010</strong>.<br />
Historische Aufnahme von Karl Stülcken aus Hamburg, der sich schon in der ersten<br />
Hälfte des 20. Jahrhunderts für den Schutz des Graureihers eingesetzt hat.<br />
23
Bruterfolg von Schwänen und Gänsen 2009 – erste Ergebnisse<br />
Axel Degen und Kees Koffijberg<br />
Im Winter 2009/10 beteiligten sich wieder zahlreiche Personen an der Erfassung von Jungvogelanteilen bei<br />
Gänsen und Schwänen. Das Erfassungsprogramm liefert uns wichtige Informationen über den Bruterfolg und<br />
gibt uns langfristig einen tiefen Einblick in die Populationsdynamik. Die Daten aus der Wasservogelzählung<br />
sowie der speziellen Erfassung der Schwäne im Januar <strong>2010</strong> liegen allerdings noch nicht vollständig vor, so<br />
dass für die Schwäne überwiegend auf die intensiven Erfassungen in Niedersachsen zurückgegriffen wurde.<br />
Für die Gänse liegen hingegen bereits weitgehend vollständige Zahlen vor, da es sich hierbei um ein spezielles<br />
Netz an Gänseexperten handelt, die die Datenerhebung durchführen.<br />
Bruterfolg bei den Schwänen<br />
Die drei Schwanenarten hatten in<br />
der Brutsaison 2009 einen schlechten<br />
Bruterfolg. Das belegen die in<br />
Niedersachsen ermittelten Jungvogelanteile,<br />
wo die Bestände an der<br />
Mittelelbe und im Emsland wöchentlich<br />
erfasst wurden. Beim Höckerschwan<br />
wurden mit 13 bzw. 16,4 %<br />
deutlich unterdurchschnittliche Jungvogelanteile<br />
festgestellt. Bei dieser<br />
Art variieren die Jungvogelanteile<br />
in den einzelnen Regionen aufgrund<br />
der unterschiedlichen Herkunft allerdings<br />
deutlich, was sich auch bei<br />
der bundesweiten Synchronzählung<br />
im Januar <strong>2010</strong> bestätigte. So wurden<br />
in Mecklenburg-Vorpommern<br />
nur 6,2 % Jungvögel unter knapp<br />
10.000 Höckerschwänen ermittelt,<br />
während in Sachsen immerhin 26 %<br />
Jungvögel waren (W. Nachtigall,<br />
schriftl.). Im Saarland war der Anteil<br />
mit 49,7 % extrem hoch (G. Süßmilch,<br />
schriftl.), während am nördlichen<br />
Oberrhein 10,8 % (G. Müller,<br />
schriftl.) und am Bodensee lediglich<br />
9,2 % im ersten Lebensjahr waren<br />
(H. Jacoby, schriftl.). Die detaillierte<br />
bundesweite Auswertung der Daten<br />
wird also spannende Einblicke in die<br />
regionalen Unterschiede des Bruter-<br />
24<br />
folgs und eventuelle großräumige<br />
Muster liefern.<br />
Beim Singschwan lagen die<br />
Jungvogelanteile an der niedersächsischen<br />
Mittelelbe und im Emsland<br />
über den gesamten Winter<br />
2009/10 mit jeweils 15,7 % nur<br />
knapp unter dem langjährigen Mittel<br />
(Abb. 1). Mit 16,3 % lag der Anteil<br />
der Jungvögel im Januar <strong>2010</strong><br />
in Mecklenburg-Vorpommern in derselben<br />
Größenordnung wie in den<br />
beiden wichtigen niedersächsischen<br />
Überwinterungsgebieten. In Sachsen<br />
wurde im Januar <strong>2010</strong> ein Anteil<br />
von immerhin 22 % ermittelt (W.<br />
Nachtigall, schriftl.), und am Bodensee,<br />
dem südlichsten regelmäßig besetzen<br />
Überwinterungsgebiet in Mitteleuropa,<br />
waren 13,2 % im ersten<br />
Lebensjahr (H. Jacoby, schriftl.).<br />
Unter den Zwergschwänen wurde<br />
im vergangenen Winter an der Mittelelbe<br />
und im Emsland mit jeweils<br />
10,9 % einmal mehr ein deutlich unterdurchschnittlicher<br />
Jungvogelanteil<br />
festgestellt (Abb. 1). Sie bleiben damit<br />
auch weiterhin die Sorgenkinder<br />
unter den hierzulande überwinternden<br />
arktischen Gänsen und Schwänen,<br />
zumal angesichts des geringen<br />
Bruterfolgs davon auszugehen ist,<br />
dass die Größe der in NW-Europa<br />
DDA-<strong>Monitoring</strong>-<strong>Rundbrief</strong><br />
Herbst <strong>2010</strong><br />
überwinternden biogeographischen<br />
Population mittlerweile auf weniger<br />
als 20.000 Ind. zurückgegangen ist.<br />
Langer, schneereicher Winter<br />
fordert seinen Tribut<br />
Der Winter 2009/10 war lang und<br />
schneereich (s. Beitrag S. 32). In dieser<br />
Zeit kam es besonders unter den<br />
Höckerschwänen zu großen Verlusten.<br />
In Mecklenburg-Vorpommern<br />
waren im März unter rund 1.000 Höckerschwänen<br />
gerade einmal 3,3 %<br />
vorjährig. In vielen, auch großen Ansammlungen,<br />
waren keine Jungvögel<br />
enthalten. Im Januar war – bei allerdings<br />
deutlich größerer Stichprobe<br />
– der Anteil noch knapp doppelt so<br />
hoch. Es scheint somit vor allem die<br />
Jungvögel besonders hart getroffen<br />
zu haben. Durch die hohe Schneedecke<br />
war die Nahrung auf den Feldern<br />
kaum noch erreichbar und die<br />
Schwäne wichen in einigen Gebieten<br />
auf die eisfreien Fließgewässer<br />
und Gräben aus, wo sie Unterwasserpflanzen<br />
fraßen oder bei<br />
besonders niedrigen Temperaturen<br />
ganztägig schliefen. In Schleswig-<br />
Holstein, wo die Gewässer zufroren,<br />
fielen auch viele Singschwänen der<br />
Kälte zum Opfer (H. Jeromin mdl.<br />
Mitt.). Dass auch bei diesen offen-<br />
Foto: Axel Degen.
ar vor allem Jungvögel dem langen<br />
und schneereichen Winter Tribut zollen<br />
mussten, zeigte sich an den Jungvogelanteilen<br />
in Mecklenburg-Vorpommern:<br />
Während der Anteil im<br />
Januar noch bei 16,3 % lag, waren<br />
im März <strong>2010</strong> nur noch 11,1 % Vorjährige<br />
in den Trupps zu finden.<br />
Augen auf: Viele beringte<br />
Singschwäne unterwegs<br />
In der Brutsaison <strong>2010</strong> wurden europaweit<br />
so viele Singschwäne wie<br />
noch nie mit Halsringen markiert, so<br />
dass sich ein genaueres betrachten<br />
der Schwanenhälse im kommenden<br />
Winter lohnen wird. In Lettland<br />
wurden 113, in Litauen 91, in Polen<br />
36, in Estland 6, in Russland 1 und<br />
in Deutschland 11 Singschwäne beringt.<br />
Die lettischen Singschwäne, die<br />
blaue Halsbänder tragen, können<br />
mittlerweile über das Online-Portal<br />
geese.org sehr komfortabel übermittelt<br />
werden (s. Beitrag S. 29). Die<br />
Adressen der anderen Farbberingungsprojekte<br />
sind der belgischen<br />
Internetseite www.cr-birding.be zu<br />
entnehmen.<br />
Bruterfolg bei Gänsen<br />
Bei Kontrollen unter mehr als<br />
162.000 Blässgänsen in den Überwinterungsgebieten<br />
in Schweden,<br />
Deutschland und den Niederlanden<br />
wurden 14,3 % Jungvögel festgestellt;<br />
bei der Tundrasaatgans waren<br />
unter 43.000 Ind. 10,8 % im ersten<br />
Lebensjahr. Bei den Blässgänsen<br />
gab es wenig Unterschiede zwischen<br />
Deutschland und den Niederlanden<br />
(14,1 bzw. 14,6 %). Nur im Südwesten<br />
der Niederlande tendierten die<br />
kontrollierten Trupps zu einem höheren<br />
Jungvogelanteil (um die 20 %). In<br />
Großbritannien wurden sogar 26 %<br />
Jungvögel erfasst (GooseNews 9:<br />
14), was erneut darauf hinweist,<br />
dass am westlichsten Rand des Winterquartiers<br />
vor allem erfolgreiche<br />
Familien auftreten. Bei den Tundrasaatgänsen<br />
war der Jungvogelanteil<br />
mit 10,1 % in (Ost-)Deutschland<br />
deutlich geringer als in den Niederlanden<br />
(16,6 %). Auch bei dieser<br />
Art scheinen im Westen des Winterareals<br />
also eher die erfolgreichen<br />
Familien zu überwintern.<br />
Bei Bläss- und Tundrasaatgänsen<br />
bestätigen die Daten aus 2009/10<br />
die seit den 1990er Jahren rückläu-<br />
Die langanhaltende Schneelage in der zweiten Winterhälfte führte zu großen<br />
Verlusten unter Höcker- und Singschwänen (im Bild). Foto: Axel Degen.<br />
figen Reproduktionsraten. Allerdings<br />
gibt es bis jetzt noch keine Hinweise,<br />
dass dies auch zu einer erheblichen<br />
Verringerung der Populationen<br />
der beiden Arten geführt hat.<br />
Es dürfte allerdings besonders bei<br />
der Blässgans den stetigen Anstieg<br />
in den letzten Jahrzehnten ausgebremst<br />
haben.<br />
Aktuelles aus der Brutzeit <strong>2010</strong><br />
Erste Datenerhebungen aus September/Oktober<br />
<strong>2010</strong> deuten an, dass<br />
zumindest die Blässgänse im Sommer<br />
<strong>2010</strong> etwas erfolgreicher gebrütet<br />
haben als 2009. Am Niederrhein<br />
wurden unter 1.000 Vögel bereits<br />
18 % diesjährige Vögel gezählt,<br />
darunter auch einige Familien mit 3–<br />
4 Jungen. Erfreuliches deutet sich bei<br />
den Zwergschwänen an: Nach einer<br />
Expedition ins Petschora-Delta berichteten<br />
russische und lettische Forscher<br />
von vielen Familien. Ob damit<br />
der langfristige Trend von schlech-<br />
ten Brutjahren unterbrochen wird,<br />
werden Erfassungen in den nächsten<br />
Monaten zeigen. Die Zwergschwäne<br />
waren in diesem Herbst<br />
außergewöhnlich früh in den Überwinterungsgebieten<br />
zurück. Im Lauwersmeer,<br />
einem der traditionellen<br />
Herbstrastgebiete in den Niederlanden,<br />
wurden am 1. Oktober bereits<br />
200 Zwergschwäne gesichtet. Üblicherweise<br />
werden solche Trupps erst<br />
ab dem 10. Oktober beobachtet.<br />
Mitarbeiter herzlich willkommen!<br />
Weitere Informationen über die Erfassungen<br />
von Jungvögel erhalten<br />
Sie im Internet unter www.ddaweb.de<br />
→ <strong>Monitoring</strong> → Gänse und<br />
Schwäne sowie bei den Autoren:<br />
Axel Degen, Elsa-Brandström-<br />
Str. 4, 49076 Osnabrück, E-Mail:<br />
axel.degen@t-online.de<br />
Kees Koffijberg, Friedhofstr.<br />
66b, 46562 Voerde, E-Mail: kees.<br />
koffijberg@t-online.de.<br />
Abb. 1: Jungvogelanteile von Zwerg- und Singschwan an der niedersächsischen<br />
Mittelelbe 1998/99 bis 2009/10. Daten: Axel Degen.<br />
25
Rastbestandsentwicklung der<br />
Weißwangengans in Deutschland<br />
Thomas Heinicke<br />
Die Weißwangengans hat wie keine andere natürlicherweise in Europa auftretende Gänseart in den<br />
vergangenen Jahrzehnten im Bestand zugenommen. Im Vorfeld der 12. Tagung der Wetlands International Goose<br />
Specialist Group im Oktober 2009 in Höllviken/Südschweden (siehe <strong>Monitoring</strong>-Rundschreiben 1/<strong>2010</strong>) erfolgte<br />
eine Zusammenstellung aktueller Bestandsangaben für Deutschland, die interessante Einblicke in die Rastbestandsentwicklung<br />
hierzulande gibt.<br />
Die in Deutschland auftretenden<br />
Weißwangengänse werden – abgesehen<br />
von kleinen Beständen in Süddeutschland,<br />
die auf Aussetzungen<br />
zurückzuführen sind – der Nordrussland-Ostsee-Populationzugeordnet.<br />
Die Vorkommen konzentrieren<br />
sich vor allem auf die Nordseeküste<br />
und das angrenzende Hinterland<br />
(Abb. 1). Diese Population hat<br />
sich nach einem Bestandstief mit ca.<br />
10.000 Vögeln Anfang der 1950er<br />
Jahre [1] und Gesamtbeständen von<br />
weniger als 50.000 Vögeln bis Mitte<br />
der 1970er Jahre anschließend sehr<br />
positiv im Bestand entwickelt. Die Population<br />
wuchs bis Mitte der 1990er<br />
Jahre auf 267.000 Vögel an (Bezugsjahr<br />
1996/97 [2] ) und erreichte<br />
Mitte der 2000er Jahre bereits<br />
Bestände von mindestens 420.000<br />
Vögeln [3] . Der Bestandsanstieg ging<br />
mit einer deutlichen Ausweitung des<br />
Brutareals auf Kolonien im Ostseeraum<br />
(Südschweden, Estland, Finnland,<br />
Dänemark, Deutschland) sowie<br />
an der Nordseeküste (Rheindelta in<br />
26<br />
den Niederlanden, deutsche Nordseeküste)<br />
einher, wobei im Jahr 2005<br />
bereits 12.000 Paare außerhalb der<br />
russischen Arktis brüteten [4] .<br />
Kontinuierlicher<br />
Bestandsanstieg im Mittwinter<br />
Die Entwicklung der Zählsummen in<br />
den einzelnen Bundesländern und<br />
Regionen bzw. in Deutschland zeigen<br />
eine deutliche Bestandszunahme im<br />
Betrachtungszeitraum, wobei in milderen<br />
Wintern zwischen Ende der<br />
1980er und Ende der 2000er Jahre<br />
eine Vervierfachung des Überwinterungsbestandes<br />
in Deutschland festzustellen<br />
ist (Abb. 2a).<br />
Interessanterweise nutzt die Art<br />
zunehmend Überwinterungsplätze<br />
auch abseits des klassischen Überwinterungsgebietes<br />
an der Nordseeküste,<br />
mit neuen nennenswerten Rastbeständen<br />
am Unteren Niederrhein,<br />
im Raum Hamburg, an Rastplätzen<br />
an der Ostseeküste Schleswig-Holsteins<br />
und Mecklenburg-Vorpommerns<br />
sowie in Westbrandenburg<br />
DDA-<strong>Monitoring</strong>-<strong>Rundbrief</strong><br />
Herbst <strong>2010</strong><br />
(Brandenburgisches Elbtal, Untere<br />
Havelniederung). Lediglich in Jahren<br />
mit ausgeprägten Kältewintern<br />
(z.B. 1986/87, 1995/96 sowie<br />
2005/06) verlässt ein Großteil der<br />
Weißwangengänse Deutschland und<br />
zieht zur Überwinterung weiter in<br />
die Niederlande.<br />
Über 200.000 Weißwangengänse<br />
im Frühjahr<br />
Ebenfalls deutlich angestiegen ist<br />
der Rastbestand zum Zeitpunkt<br />
der Internationalen Weißwangenganszählung<br />
Mitte März: innerhalb<br />
von zwei Jahrzehnten hat sich<br />
der Rastbestand etwa vervierfacht<br />
(Abb. 2b). Auch im März wird die<br />
Größe der Rastbestände mitunter<br />
vom Witterungsverlauf bestimmt. In<br />
Kältewintern bzw. Jahren mit längeren<br />
Kälteperioden nach Mitte Januar<br />
verzögert sich der Abzug aus den<br />
Niederlanden teilweise erheblich, so<br />
dass im Vergleich zu Jahren mit einem<br />
milden Spätwinter im März<br />
Foto: Hans Glader.
Abb. 1: Gebietsmaxima der Weißwangengans in Deutschland nach Daten der Internationalen Wasservogel- und Gänsezählungen<br />
1990 bis 2005 im Januar (links) und im März (rechts).<br />
deutlich geringere Bestände hierzulande<br />
erfasst werden.<br />
Bemerkenswert sind die mittlerweile<br />
hohen Frühjahrsrastbestände<br />
an der Unteren Mittelelbe, im Elbe-<br />
Havel-Winkel sowie an der Unteren<br />
Havel, die sich seit den 2000er Jahren<br />
neben dem Unteren Niederrhein<br />
als wichtigste binnenländischer Rastplätze<br />
entwickelt haben. Sichtbeobachtungen<br />
abziehender Trupps<br />
deuten an, dass diese Vögel direkt<br />
von hier in Richtung Baltikum starten.<br />
Die Rastbestände im küsten-<br />
fernen Binnenland umfassten in den<br />
letzten Jahren bereits mehrere Tausend<br />
Vögel.<br />
Während sich Mitte März die<br />
meisten Weißwangengänse noch in<br />
den Küstengebieten Niedersachsens<br />
aufhalten (Abb. 1), verlagert sich im<br />
April und Mai der Rastschwerpunkt<br />
deutlich an die Westküste Schleswig-Holsteins,<br />
wo z.B. noch Anfang<br />
Mai 2006 über 120.000 Vögel rasteten<br />
(K. Günther, briefl.). Zudem ist<br />
seit Jahren eine deutliche Tendenz<br />
zu späterem Abzug aus dem deut-<br />
a b<br />
schen Wattenmeer festzustellen, die<br />
mit stark verkürzter Zwischenrast im<br />
Baltikum einhergeht [5] .<br />
Bald schon häufigste<br />
Gänseart in der Westpaläarktis?<br />
Die Zusammenstellung der Zählergebnisse<br />
zeigt sowohl für den Mittwinter<br />
als auch Mitte März eine deutliche<br />
Zunahme der Rastbestände in<br />
Deutschland, die unmittelbar auf die<br />
Zunahme der Gesamtpopulation zurückzuführen<br />
ist. Für den Zeitraum<br />
2000/01 bis 2004/05 wird ein<br />
Abb. 2: Zählsummen der Weißwangengans a) im Januar und b) März von 1987 bis 2008 in Deutschland. Wichtig: Die<br />
angegebenen Rastbestände sind nicht mit dem jeweils bundesweiten Gesamtbestand gleichzusetzen, da keine Korrektur um Zähllücken<br />
erfolgte. Hinweis: Im Rundschreiben 1/<strong>2010</strong>, S. 29, ist die Y-Achse falsch beschriftet. Es wurde aus Versehen der Bestand<br />
verdoppelt. Die tatsächliche Bestandsgröße ist hier wiedergegeben. Rote Pfeile: strenge Winter in Deutschland (s. Beitrag. S. 32).<br />
27
durchschnittlicher maximaler Rastbestand<br />
von 200.000 Ind. geschätzt [6] .<br />
Anschließend nahm der Bestand<br />
in Deutschland weiter zu und lag<br />
bei über 200.000 Ind. (Zählsumme<br />
210.000 Ind. im Frühjahr 2007).<br />
Anhand der Daten auch aus anderen<br />
Rast- und Überwinterungsgebieten<br />
in Mittel- und Westeuropa konnte<br />
für die Saison 2007/08 ein neues<br />
Bestandsmaximum der Russland-Ostsee-Population<br />
von 770.000 Vögeln<br />
ermittelt werden (H. van der Jeugd,<br />
briefl.). Da sich auch die anderen<br />
Weißwangengans-Populationen positiv<br />
entwickelt haben (Spitzbergen-<br />
Population: 30.000 Ind., Ostgrönland-Population:<br />
71.000 Ind.; T. Fox,<br />
schriftl.), gehört die Weißwangengans<br />
neben Bläss- und Graugans<br />
mittlerweile zu den drei häufigsten<br />
Gänsearten in der Westpaläarktis.<br />
Ein Hauptgrund für die starken<br />
Bestandszunahmen ist der seit Jahren<br />
relativ gute Bruterfolg in der<br />
Arktis (im Gegensatz zu den anderen<br />
arktisch brütenden Gänsearten),<br />
die in jährlichen Bestandszunahmen<br />
von etwa 7 % resultieren (H. van der<br />
Jeugd, briefl.). Wahrscheinlich profitiert<br />
die Art aber auch von Beschrän-<br />
28<br />
kungen der Jagd in weiten Teilen<br />
der Durchzugs- und Überwinterungsgebiete.<br />
Derzeit ist kein Ende des Populationswachstums<br />
zu erkennen, so<br />
dass es weiterhin eine spannende<br />
Frage bleibt, auf welchen Bestand<br />
die Weißwangengans in der Westpaläarktis<br />
anwachsen kann. Möglicherweise<br />
kann sie die Blässgans<br />
als bislang häufigste Gänseart<br />
überflügeln.<br />
Danke!<br />
Die Darstellung zur Bestandsentwicklung<br />
der Weißwangengans in<br />
Deutschland wäre undenkbar ohne<br />
den unermüdlichen Einsatz der vielen<br />
Zählerinnen und Zähler, die sich<br />
seit vielen Jahren an den Wasservogel-<br />
und Gänsezählungen aktiv beteiligen<br />
sowie den Koordinatoren,<br />
die die Daten zusammenstellten: Jan<br />
Blew, Daniel Doer, Klaus Günther,<br />
Jan Kiekbusch, Jürgen Ludwig, Detlef<br />
Schlorf und Johannes Wahl. Ihnen<br />
allen danke ich auf das Herzlichste!<br />
Günther Müller – ein halbes<br />
Jahrhundert für die Wasservogelzählung!<br />
Seit dem Winterhalbjahr 1961/62<br />
werden am Nördlichen Oberrhein<br />
systematisch Wasservögel gezählt.<br />
Seither sind die Erfassungen unzertrennlich<br />
mit einem Namen verbunden:<br />
Günther Müller. Von der ersten<br />
Erfassung war er als Zähler mit dabei<br />
und seit 1971 als Koordinator<br />
maßgeblich dafür verantwortlich,<br />
dass für das Gebiet zwischen der<br />
Murgmündung im Süden und zeitweise<br />
Mannheim im Norden eine vorbildliche<br />
Zählintensität von acht Zählungen<br />
pro Winter aufrechterhalten<br />
werden konnte. Neben den rund<br />
100 Kilometern Rhein, der heute für<br />
Wasservögel nur noch eine geringe<br />
Bedeutung besitzt, waren es vor allem<br />
die zahlreichen Altarme sowie<br />
die stetig wachsende Anzahl an Abgrabungsgewässern,<br />
die ihn und<br />
die Mitarbeiter der OAG Karlsruhe<br />
vor immer neue Herausforderungen<br />
stellten. Trotz eines nicht jünger wer-<br />
denden Mitarbeiterstammes gelang<br />
es bislang fast immer, alle der mittlerweile<br />
knapp 100 Zähleinheiten zu<br />
besetzen.<br />
Am 16. März <strong>2010</strong> gab Günther<br />
Müller im Rahmen der Mitgliederversammlung<br />
des Naturwissenschaftlichen<br />
Vereins Karlsruhe, wo die OAG<br />
Karlsruhe angesiedelt ist, seinen Abschied<br />
als Koordinator bekannt. Mit<br />
Beginn der Zählperiode <strong>2010</strong>/11<br />
wird er die Koordination in die Hände<br />
von Jochen Lehmann legen, der<br />
seinerseits seit vielen Jahren an den<br />
Zählungen beteiligt ist. Im Namen<br />
des DDA bedankte sich Johannes<br />
Wahl in diesem Rahmen mit einem<br />
Buch von Ernst Mayr, in dem dieser<br />
mit 100 Jahren seine Erkenntnisse in<br />
biologisch-philosophischer Form zusammenfasst<br />
und auf sein langes<br />
Forscherleben zurückblickt.<br />
Doch mit der Weitergabe des<br />
Koordinatoren-Staffelstabs an sei-<br />
DDA-<strong>Monitoring</strong>-<strong>Rundbrief</strong><br />
Herbst <strong>2010</strong><br />
Literatur<br />
1 Boyd, H. (1961): The number of<br />
Barnacle Geese in Europe in<br />
1959-60. Wildfowl Trust Ann.<br />
Rep. 12: 116–124.<br />
2 Ganter, B., Larsson, K., Syroechkovsky,<br />
E.V., Litvin, K.E.,<br />
Leito, A. & J. Madsen (1999):<br />
Barnacle Goose Branta leucopsis:<br />
Russia/Baltic. – In: Goose<br />
populations of the Western Palearctic.<br />
A review of status and<br />
distribution. Wetlands International<br />
Publ. No. 48: 270–283.<br />
3 Delany, S. & D. Scott (2006):<br />
Waterbird Population Estimates.<br />
Fourth Edition. Wetlands International,<br />
Wageningen, Niederlande.<br />
4 Feige, N., van der Jeugd, H.P.,<br />
van der Graaf, A.J., Larsson,<br />
K., Leito, A. & J. Stahl<br />
(2008): Newly established<br />
breeding sites of the Barnacle<br />
Goose Branta leucopsis in<br />
North-western Europe – an overview<br />
of breeding habitats and<br />
colony development. Vogelwelt<br />
129: 244–252.<br />
5 Eichhorn, G., Afanasyev, V.,<br />
Drent, R.H. & H.P. van der<br />
Jeugd (2006): Spring stopover<br />
routines in Russian Barnacle<br />
Geese Branta leucopsis tracked<br />
by resightings and geolocation.<br />
Ardea 94: 667–678.<br />
6 Wahl, J., J. Bellebaum, J.<br />
Blew, S. Garthe, K. Günther &<br />
T. Heinicke (in Vorb.): Rastende<br />
Wasservögel in Deutschland<br />
2000-2005: Bestandsschätzungen<br />
und Schwellenwerte für Rastgebiete<br />
nationaler Bedeutung.<br />
Vogelwelt.<br />
nen Nachfolger endet keinesfalls<br />
sein Engagement für die Wasservogelzählung<br />
(der er auch als Zähler<br />
weiter eng verbunden bleiben wird):<br />
Gemeinsam mit Klaus Kußmaul, seinem<br />
Weggefährten seit der ersten<br />
Stunde, will er die Zähldaten auswerten<br />
und damit auf fast ein halbes<br />
Jahrhundert mit all seinen gewaltigen<br />
Veränderungen im Auftreten<br />
und in der Häufigkeit der Wasservogelarten<br />
am Nördlichen Oberrhein<br />
zurückblicken.<br />
Lieber Herr Müller, wir danken<br />
Ihnen auf Herzlichste für Ihr außergewöhnliches<br />
Engagement für die<br />
Wasservogelzählung und den Wasservogelschutz<br />
und wünschen Ihnen<br />
viel Kraft und gute Gesundheit bei<br />
der Umsetzung Ihrer vielen Ziele!<br />
[jw, cs]
Komfortabel und schnell zum Lebenslauf farbmarkierter<br />
Gänse und Schwäne – geese.org<br />
Thomas Heinicke<br />
Seit dem Start des Internetportals<br />
geese.org im Jahr 2006 hat<br />
sich dieses Online-Meldesystem zur<br />
zentralen Anlaufstelle für Ringablesungen<br />
von Gänsen in Kontinentaleuropa<br />
entwickelt. Mittlerweile<br />
sind über 7.000 Ableser registriert,<br />
darunter etwa 1.200 Personen aus<br />
Deutschland. Neben neuen Funktionen<br />
wurden jüngst auch mehrere<br />
weitere Farbmarkierungsprojekte<br />
integriert (Tab. 1), u.a. das umfangreiche<br />
dänische Kurzschnabelgans-<br />
Projekt (Leitung: Jesper Madsen),<br />
das tschechische Graugans-Projekt<br />
mit roten Halsbändern (Leitung:<br />
Michal Podhrazsky), das lettische<br />
Singschwan-Projekt mit blauen Halsbändern<br />
(Leitung: Dmitrijs Boiko)<br />
und das niederländische Zwergschwan-Projekt<br />
mit gelben Halsbändern.<br />
Die Integration weiterer Projekte<br />
und Sprachen ist in Arbeit.<br />
Derzeit verfügbar ist das Portal auf<br />
deutsch, englisch, niederländisch und<br />
dänisch.<br />
Eingabe von Truppstärken<br />
sowie Rasthabitaten<br />
Die Eingabemaske zum Eintragen<br />
von Ablesungen markierter Gänse<br />
und Schwäne ermöglicht nicht nur<br />
Angaben zu Ablesern, Datum, Ort<br />
und genauen Koordinaten mittels<br />
Kartenfunktion, sondern auch zusätzliche<br />
Angaben zu Uhrzeit, Truppstärken<br />
und Rasthabitaten. Insbesondere<br />
das Eintragen von Truppstärken<br />
wurde grundlegend verbessert, um<br />
artspezifische Angaben zur Truppzusammensetzung<br />
zu bekommen.<br />
Dabei sind nicht nur Angaben zur<br />
Truppstärke der jeweils abgelesenen<br />
Art von Interesse, sondern auch<br />
Angaben zum gesamten Trupp. In<br />
Verbindung mit den Angaben zum<br />
Rasthabitat lassen sich so wichtige<br />
Zusatzinformationen gewinnen, die<br />
u.a. auch wertvolle Ergänzungen für<br />
das Gänsemonitoring liefern.<br />
Neu: Eingabe von Angaben zum<br />
sozialen Status der Ringvögel<br />
Wer nicht nur die Farbmarkierungen<br />
abliest, sondern auch auf das<br />
Sozialverhalten der Vögel achtet,<br />
wird feststellen, dass regelmäßig<br />
gleich mehrere markierte Vögel<br />
als Familienverband oder als soziale<br />
Gruppe zusammenhalten oder<br />
dass zu einem Ringvogel ein unberingter<br />
Partner und/oder Jungvögel<br />
gehören. Um diese wertvollen Zusatzinformationen<br />
besser zu erfassen,<br />
wurde die Eingabemöglichkeit<br />
für derartige Angaben zum sozialen<br />
Status grundlegend überarbeitet. So<br />
lassen sich mittlerweile Familienbe-<br />
Graugans mit niederländischem Ring.<br />
Foto: Christian Göcking.<br />
ziehungen, Anzahlen von Jungvögeln<br />
pro Familie sowie Gruppen ohne genauen<br />
Familienstatus sehr detailliert<br />
eingeben.<br />
Neu: Eingabe des Fundstatus und<br />
der Datumsgenauigkeit<br />
Obwohl die meisten Meldungen<br />
markierter Vögel in geese.org datumsgenaue<br />
Lebendablesungen betreffen,<br />
werden gelegentlich auch<br />
Totfunde oder Funde von Halsbändern<br />
ohne Vogel gemeldet. Um auch<br />
diese Fundstatusangaben registrieren<br />
zu können, wurde die Eingabemaske<br />
entsprechend den Standards<br />
der Beringungszentralen angepasst<br />
und ermöglicht jetzt verschiedene<br />
Statusangaben. Gleiches gilt für<br />
die Datumsgenauigkeit, da Ringmeldungen<br />
manchmal nicht auf einen<br />
genauen Fundtag („tagesgenau“),<br />
sondern nur auf eine Zeitperiode<br />
zurückverfolgt werden können (z.B.<br />
+/- 3 Tage, +/- 6 Wochen etc.).<br />
29
Mitarbeit lohnt sich!<br />
Alle Farbmarkierungsprojekte sind<br />
entscheidend von der Mitarbeit aller<br />
Ableser/innen abhängig. Deshalb<br />
an dieser Stelle ganz herzlichen<br />
Dank an all jene, die durch<br />
ihre Meldungen dazu beigetragen<br />
haben, dass viele der markierten<br />
Vögel mittlerweile über beachtliche<br />
Lebensläufe verfügen. Alle, die erst<br />
jetzt auf geese.org aufmerksam wurden<br />
oder die schon lange einmal ihre<br />
Ablesungen loswerden wollten, sind<br />
herzlich eingeladen, sich zu registrieren,<br />
nach beringten Vögeln Ausschau<br />
zu halten und ihre Ablesungen<br />
zu melden. Bei Fragen stehen Ihnen<br />
für Deutschland folgende Ansprechpartner<br />
gerne zur Verfügung:<br />
Thomas Heinicke: thomas.<br />
heinicke@gmx.net<br />
Helmut Kruckenberg: helmut.<br />
kruckenberg@blessgans.de<br />
Nicole Feige: feige.<br />
nicole@googlemail.com<br />
30<br />
Tab. 1: Unter der Internetplatform www.geese.org organisierte Beringungsprojekte.<br />
Art Beteiligte Projekte (Markierung + Beringungsländer)<br />
Saatgans Gelbe Halsbänder: Deutschland, Niederlande, Russland,<br />
Norwegen<br />
Blaue Halsbänder: Schweden<br />
Schwarze Halsbänder: Deutschland, Niederlande, Norwegen<br />
Kurzschnabelgans Blaue + weiße Halsbänder: Dänemark<br />
Schwarze Halsbänder: Norwegen<br />
Graugans Blaue Halsbänder: Schweden, Norwegen<br />
Dunkelgrüne Halsbänder: Niederlande<br />
Rote Halsbänder: Tschechische Republik<br />
Gelbe Halsbänder: Deutschland (Rügen+Sachsen), Estland<br />
Blässgans Schwarze, mintgrüne & gelbe Halsbänder: Deutschland,<br />
Niederlande, Russland, Litauen<br />
Ringelgans Farbige Fußringe: Russland, Niederlande<br />
Weißwangengans Farbige Fußringe: Russland, Schweden, Niederlande<br />
Nilgans Gelbe Halsbänder: Ostdeutschland<br />
Kanadagans Dunkelgrüne Halsbänder: Niederlande<br />
Streifengans Farbige Fußringe: Niederlande<br />
Singschwan Blaue Halsbänder: Lettland<br />
Zwergschwan Gelbe Halsbänder: Niederlande<br />
Neues Markierungsprojekt an Zwerggänsen<br />
in Schweden – Bitte um Mitarbeit<br />
Um die Bestände der global vom<br />
Aussterben bedrohten Zwerggans<br />
in Skandinavien zu sichern, läuft seit<br />
den 1970er Jahren ein Wiederansiedlungsprojekt<br />
in Nordschweden,<br />
bei dem die ausgewilderten Vögel<br />
durch Einsatz von Weißwangengänsen<br />
als Leitvögel erfolgreich auf eine<br />
neue, weniger gefährliche Zugroute<br />
zu Wintergebieten in Westeuropa<br />
geprägt wurden.<br />
Dieses Projekt hat sich als sehr<br />
erfolgreich erwiesen, da sich die<br />
schwedischen Zwerggänse mittlerweile<br />
nicht nur selbst reproduzieren,<br />
sondern auch auf einen Bestand von<br />
aktuell 100–120 Vögeln angewachsen<br />
sind. Der Großteil brütet in einem<br />
ehemaligen Zwerggans-Brutgebiet<br />
in Nordschweden und zieht<br />
zu Wintergebieten in die Niederlande<br />
[1] . Als Zwischenrastgebiete<br />
in Schweden werden u.a. Hudiksvall<br />
(Nordschweden) sowie Hjälstaviken<br />
NW Stockholm in Mittelschweden<br />
genutzt. Dazu existieren weitere<br />
Rastgebiete bei Kopenhagen (Dänemark)<br />
sowie an der deutschen Nordseeküste.<br />
Während früher die ausgesetzten<br />
Vögel mit farbigen Fußringen<br />
individuell markiert waren, existieren<br />
von den ehemals ausgewilderten<br />
Vögeln nur noch 2 Individuen mit<br />
derartiger Kennzeichnung, sodass<br />
auch die schwedischen Vögel zurzeit<br />
mehrheitlich unberingt sind.<br />
Um die Populationsentwicklung<br />
weiter im Detail verfolgen zu können,<br />
wurde im Juli <strong>2010</strong> am Mauserplatz<br />
in Hudiksvall begonnen, insgesamt<br />
16 Vögel neu individuell zu<br />
markieren. Die Vögel tragen neben<br />
einem Metallring der schwedischen<br />
Beringungszentrale am anderen Fuß<br />
einen roten Fußring mit weißer Inschrift,<br />
die aus einer Zahl oder einem<br />
Buchstaben besteht.<br />
In Deutschland ist insbesondere<br />
an der Nordseeküste mit dem Auftreten<br />
der schwedischen Vögel zu<br />
rechnen [2] . Wer also nicht nur das<br />
Glück hat, eine Zwerggans zu entdecken,<br />
sondern auch einen roten<br />
Farbring an dieser, melde die Ablesung<br />
bitte an den Projektkoordinator<br />
Bo Fagerström (Dalgatan 10, S-<br />
824 42 Hudiksvall, Sweden, E-Mail:<br />
bofagerstrom@hotmail.com).<br />
DDA-<strong>Monitoring</strong>-<strong>Rundbrief</strong><br />
Herbst <strong>2010</strong><br />
Literatur<br />
1 Koffijberg, K. (2007): Zwerggänse<br />
Anser erythropus in den<br />
Niederlanden. Charadrius 43:<br />
185–188.<br />
2 Mooij, J.H. & T. Heinicke<br />
(2007): Neue Erkenntnisse<br />
zum Auftreten und Schutz der<br />
Zwerggans Anser erythropus in<br />
Deutschland. Charadrius 43:<br />
171-184.<br />
Foto: Bo Fagerström.
11. Jahrestagung der Koordinatoren des<br />
<strong>Monitoring</strong>s rastender Wasservögel<br />
In Delitzsch, wenige Kilometer nördlich<br />
von Leipzig und umgeben von<br />
zahlreichen Tagebaurestgewässern<br />
trafen sich am letzten August-Wochenende<br />
die Koordinatoren des<br />
<strong>Monitoring</strong>s rastender Wasservogelarten<br />
auf Einladung von Winfried<br />
Nachtigall (Sächsische Vogelschutzwarte<br />
Neschwitz) zu ihrer 11.<br />
Jahrestagung. Im Mittelpunkt der<br />
Fachdiskussionen standen die Regeln<br />
von ornitho.de (insbesondere<br />
zur Datennutzung), der Abschluss<br />
der Rastbestandsschätzungen der<br />
Wasservogelarten sowie aktuelle<br />
Bestandsschätzungen von Gänsepopulationen<br />
und deren langfristige<br />
Entwicklungen in Europa, über die<br />
Thomas Heinicke berichtete. Dabei<br />
wurde einmal mehr deutlich,<br />
welch große Bedeutung Deutschland<br />
als Überwinterungsgebiet für<br />
die Waldsaatgans zukommt. Die<br />
bei uns auftretende biogeographische<br />
Population wird auf nur noch<br />
60.000–65.000 Ind. geschätzt, wobei<br />
ganz aktuell in zahlreichen Regionen<br />
deutliche Rückgänge zu verzeichnen<br />
sind. Hier sind dringend<br />
international koordinierte Anstrengungen<br />
notwendig, um zu verhindern,<br />
dass die Waldsaatgans ein<br />
ähnliches Schicksal wie Zwerg- oder<br />
Rothalsgans erleidet.<br />
Winfried Nachtigall gab einen<br />
Einblick in die spannenden Ergebnisse<br />
der Rastvogelerfassungen in<br />
Sachsen. Detlef Schlorf berichtete<br />
über die langfristigen Entwick-<br />
Auch zahlreiche ehemalige Kollegen kommen nach wie vor gerne zur jährlichen<br />
Zusammenkunft der „Koordinatoren-Familie“, die in diesem Jahr zum zweiten Mal in<br />
Sachsen stattfand. Foto: DDA.<br />
lungen der Möwen-Rastbestände in<br />
Hamburg und Umgebung, die einmal<br />
mehr verdeutlichten, dass bei einer<br />
konsequenten Erfassung auch über<br />
die Zählungen während des Tages<br />
wichtige Erkenntnisse über die langfristigen<br />
Entwicklungen gewonnen<br />
werden können. Rainer Steinbach<br />
referierte über die Grenzen von<br />
Bestandserfassungen vor allem bei<br />
Wasservogelarten, die Schlafplätze<br />
aufsuchen. Deutlich wurde, wie wichtig<br />
die Einhaltung der Standards bei<br />
den Erfassungen während des Tages<br />
und ihre deutliche Trennung von Zählungen<br />
an Schlafplätzen ist, die für<br />
Schätzungen des Gesamtbestandes<br />
bei einigen Arten unabdingbar<br />
sind. Am Samstagabend gab Ingolf<br />
Stodian in einem Vortrag mit beein-<br />
8. Deutsches See- und Küstenvogelkolloquium<br />
Vom 26. bis 28. November <strong>2010</strong> findet<br />
das 8. Deutsche See- und Küstenvogelkolloquium<br />
an einem überaus<br />
attraktiven Tagungsort statt:<br />
im Ozeaneum in Stralsund. Die AG<br />
Seevogelschutz setzt mit der Einladung<br />
zu diesem Kolloquium die<br />
1996 begonnene Tradition fort, alle<br />
zwei Jahre insbesondere jungen Referenten<br />
aus der angewandten Feldforschung<br />
ein Forum zu bieten, ihre<br />
Ergebnisse vorzustellen und aktuelle<br />
Erfahrungsberichte aus den Schutzgebieten<br />
auszutauschen. Das inter-<br />
essante Vortragsprogramm des Kolloquiums<br />
widmet sich in diesem Jahr<br />
dem Thema „<strong>2010</strong> – Internationales<br />
Jahr der biologischen Vielfalt“. Folgende<br />
Fragen stehen dabei im Mittelpunkt:<br />
o Was kann die AG Seevogelschutz<br />
zur Biodiversitätsstrategie<br />
in Deutschland beitragen?<br />
o Wie ist der Zustand der Küstenvögel<br />
als typischem und charakteristischem<br />
Bestandteil der<br />
Biodiversität in Deutschland einzustufen?<br />
druckenden Bildern des Fotografen<br />
Jürgen Reich Einblick in die Interaktionen<br />
zwischen Kormoranen und<br />
Seeadlern auf der Insel Heuwiese im<br />
Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft.<br />
Ursache für die sehr<br />
geringen Reproduktionsraten (in diesem<br />
Jahr wurde möglicherweise kein<br />
einziger Jungkormoran flügge!) sind<br />
jedoch nicht nur die nahezu permanenten<br />
Störungen durch die Seeadler,<br />
sondern auch die aggressiven Interaktionen<br />
der auf der Insel Heuwiese<br />
auf dem Boden brütenden Kormorane.<br />
Die Exkursion führte unter fachkundiger<br />
Leitung von Michael Schulz<br />
an den Werbelliner See, einen der<br />
zahlreichen gefluteten und für Wasservögel<br />
bedeutsamen Tagebaue im<br />
Raum Leipzig-Halle-Bitterfeld.<br />
[jw]<br />
o Welche Belastungs- und Gefährdungsfaktoren<br />
wirken derzeit<br />
in besonderem Maße auf<br />
die Küstenvögel an Ost- und<br />
Nordsee?<br />
Alle zur Überzeugung und Anmeldung<br />
(bis 10. Okt.) notwendigen<br />
Unterlagen finden Sie unter http://<br />
seevogelschutz.jimdo.com/aktuell/<br />
veranstaltungen/.<br />
31
Wie streng und schneereich war der Winter 2009/10?<br />
Johannes Wahl<br />
Im <strong>Monitoring</strong>-<strong>Rundbrief</strong> 2/2009 stellten wir die Frage „Wann ist ein Winter eigentlich ‚streng’?“ und beantworteten<br />
diese mit einer vergleichsweise einfachen Klassifikation auf Basis der Summe der negativen Tagesmitteltemperaturen<br />
zwischen dem 1. November und dem 31. März, der so genannten Kältesumme. Der vergangene Winter<br />
war lang und ungewöhnlich schneereich, vor allem im Norden und Osten. Mithilfe der Klassifikation können wir nun<br />
sehr einfach die Frage beantworten, ob er tatsächlich so kalt war, wie wir es gefühlt haben.<br />
Im Gegensatz zum vorangegangenen<br />
Winter, den viele von uns durch<br />
die deutlich zu milden Winter zuvor<br />
als einen der kältesten der letzten<br />
Jahre empfunden hatten (womit<br />
wir jedoch falsch lagen), hat uns unser<br />
Gefühl im Winter 2009/10 nicht<br />
getrogen: Er war bundesweit betrachtet<br />
streng, und sogar der käl-<br />
32<br />
teste seit Mitte der 1990er Jahre<br />
bzw. der zweitkälteste seit Mitte der<br />
1980er Jahre (Abb. 1). Doch das<br />
war nicht überall so: Betrachtet man<br />
die Klassifikation der zugrunde liegenden<br />
Stationen separat, so wurde<br />
der vergangene Winter zwar überall<br />
mindestens als „streng“ klassifiziert,<br />
es wird jedoch deutlich, dass<br />
DDA-<strong>Monitoring</strong>-<strong>Rundbrief</strong><br />
Herbst <strong>2010</strong><br />
Väterchen Frost vor allem den Norden<br />
übermäßig im Griff hatte. Sowohl<br />
auf Berlin als auch auf Bremen<br />
traf das für Deutschland Gesagte<br />
zu. Im Süden (Station Augsburg) gab<br />
es seit Mitte der 1980er Jahre jedoch<br />
mehrere, teils deutlich kältere<br />
Winter.<br />
Abb. 1: Winterklassifikation seit 1948/49 in Deutschland, errechnet aus den Kältesummen der Klimastationen in Berlin-Tempelhof, Bremen<br />
und Augsburg. Die Berechnungsweise ist im <strong>Monitoring</strong>-<strong>Rundbrief</strong> 2/2009 erläutert. Datengrundlage: <strong>Deutscher</strong> Wetterdienst, www.dwd.de.<br />
Straßenszene im Februar <strong>2010</strong> in<br />
Schleswig-Holstein. Foto: Ole Krome.
Ungewöhnlich<br />
schneereicher Winter<br />
Während es in den vergangenen<br />
drei Jahrzehnten immer wieder kältere<br />
Winter auftraten, um einen<br />
schneereicheren Winter als den vergangenen<br />
zu finden, muss man bis<br />
1978/79 zurückgehen. Insgesamt<br />
gab es seit 1948/49 nur drei Winter,<br />
in denen mehr Schnee lag (hinsichtlich<br />
der Dauer der Schneebedeckung<br />
gab es einige weitere, in<br />
denen der Schnee länger lag; Abb.<br />
2). In Bremen war seit 1890/91 sogar<br />
nur der Eiswinter 1962/63<br />
schneereicher als der vergangene,<br />
und in Potsdam traf dies nur auf die<br />
Winter 1969/70 und 1978/79 zu<br />
(seit 1893/94). Es verwundert daher<br />
nicht, dass es vielerorts zu großen<br />
Verlusten z. B. unter den Schwänen<br />
kam (s. Beitrag S. 24). Im Süden<br />
des Landes (Station Augsburg) hingegen<br />
gab es zahlreiche schneereichere<br />
Winter als den vergangenen.<br />
Noch liegen keine Ergebnisse aus<br />
dem <strong>Monitoring</strong> häufiger Brutvögel<br />
vor, an den hierzulande überwinternden<br />
Brutvögeln dürfte der Winter<br />
2009/10 jedoch nicht spurlos vorüber<br />
gegangen sein. Das verdeutlichen<br />
z. B. die großen Rückgänge<br />
beim Brutbestand des Graureihers<br />
in Schleswig-Holstein (s. Beitrag<br />
S. 22).<br />
Zähltermine<br />
<strong>2010</strong>/11<br />
Wasservogelzählung<br />
sowie <strong>Monitoring</strong> „Gänse<br />
und Schwäne *<br />
• 17./18. Juli<br />
• 14./15. August<br />
• 11./12. September<br />
• 16./17. Oktober<br />
• 13./14. November<br />
int. Gänsetermin, v. a. Bläss-/<br />
Saatgans<br />
• 11./12. Dezember<br />
• 15./16. Januar 2011<br />
int. Gänsetermin<br />
• 12./13. Februar<br />
• 12./13. März<br />
int. Gänsetermin, v. a. Weißwangengans<br />
Abb. 2: Kumulative Schneehöhe sowie Schneetage seit 1948/49 in Deutschland,<br />
errechnet aus den Kältesummen der Klimastationen in Potsdam, Bremen und Augsburg<br />
(aus Berlin-Tempelhof lagen in mehreren Jahren keine Angaben zur Schneebedeckung<br />
vor). Datengrundlage: <strong>Deutscher</strong> Wetterdienst, www.dwd.de.<br />
Eisenten gehören zu den wenigen Arten, die – nomen est omen – auch bei Eislagen<br />
sehr lange ausharren, da sie sich größtenteils nicht in küstennahen Gewässern aufhält.<br />
90 % des europäischen Überwinterungsbestandes hält sich in der Ostsee auf. Foto:<br />
Martin Grimm.<br />
• 16./17. April<br />
• 7. Mai<br />
int. Ringelganszählung,<br />
• 14./15. Mai<br />
• 11./12. Juni<br />
* Im Wattenmeer und in Niedersachsen<br />
gelten die auf die<br />
Hochwasserzeiten abgestimmten<br />
Zähltermine. Ebenso finden<br />
im Rahmen des Trilateralen<br />
Wattenmeermonitorings TMAP<br />
an weiteren Terminen Zählungen<br />
statt.<br />
Möwen-<br />
Schlafplatzzählung<br />
4. Dezember <strong>2010</strong> und<br />
22. Januar 2011<br />
Kormoran-<br />
Schlafplatzzählung<br />
In Bundesländern, in denen synchroneKormoran-Schlafplatzzählungen<br />
stattfinden, sollten<br />
diese an den Wochenenden der<br />
Wasservogelzählung durchgeführt<br />
werden.<br />
Hinweis: Wichtig ist, dass so<br />
nah wie möglich am Stichtag erfasst<br />
wird. Die Gewässer können<br />
also selbstverständlich auch unter<br />
der Woche aufgesucht werden,<br />
z.B. wenn durch schlechte<br />
Sicht o.ä. eine Zählung am vorgegebenen<br />
Wochenende nicht<br />
möglich ist.<br />
33