KLINIK REPORT - Fachklinik Lenggries
KLINIK REPORT - Fachklinik Lenggries
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Krankenkassen, die sich gezielt um eine<br />
Verbesserung der Versorgung chronisch<br />
Kranker bemühen, erhalten zukünftig für jeden<br />
eingeschriebenen Versicherten im Rahmen des<br />
Risikostrukturausgleichs zwischen den Kassen<br />
erhöhte standardisierte Ausgleichszahlungen<br />
zugeschrieben. Denn je nach Erkrankung und<br />
Schweregrad betragen die Leistungsausgaben<br />
für chronisch Kranke das 210fache dessen,<br />
was für einen durchschnittlichen Versicherten<br />
erbracht werden muss.<br />
Im Koordinierungsausschuss entscheiden<br />
die Bundesärztekammer (BÄK), die<br />
Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)<br />
sowie die Deutsche Krankenhausgesellschaft<br />
gemeinsam mit den<br />
Krankenkassen darüber,<br />
wie die qualitativen<br />
Anforderungen an die<br />
Durchführung der strukturiertenBehandlungsprogramme<br />
aussehen<br />
sollen. Der sich daraus<br />
ergebende Anforderungskatalog<br />
wird als<br />
Rechtsverordnung des<br />
Bundesgesundheitsministeriums<br />
Messlatte<br />
dafür, ob die Programme<br />
der Krankenkassen trotz<br />
anders gerichteter ökonomischer<br />
Anreize<br />
einem hohen medizinischen<br />
Qualitätsstandard genügen. Dies<br />
bedeutet, dass die für die Qualität des<br />
Behandlungsverlaufs maßgeblichen Eckpunkte<br />
der Diagnostik und Therapie konkret<br />
definiert werden müssen. Aus der Sicht der<br />
Kassen sind solche einheitlichen Empfehlungen<br />
unerlässlich, weil im Risikostrukturausgleich<br />
die Programme die Berechtigung<br />
liefern, auf den gemeinsamen Finanztopf<br />
zuzugreifen. Dies kann, wenn es gerecht<br />
zugehen soll, nur zu gleichen Voraussetzungen<br />
geschehen.<br />
Erste Ergebnisse<br />
Bei verschiedenen Krankenkassen laufen<br />
bereits die ersten Pilotprojekte – und das mit<br />
Erfolg. So hat sich die Lebensqualität der<br />
herzkranken Patienten, die an einem solchen<br />
Programm teilnehmen, nach eigenen Angaben<br />
deutlich verbessert.<br />
Kritische Stimmen<br />
Noch aber sind die Programmanforderungen<br />
umstritten. Nach den ursprünglichen<br />
Plänen des Bundesgesundheitsministeriums<br />
sollten die Krankenkassen eigenständig<br />
<strong>KLINIK</strong><strong>REPORT</strong><br />
Disease-Management-Programme auflegen und<br />
umsetzen dürfen. Dagegen äußerten BÄK und<br />
KBV Bedenken. Ohne die Beteiligung ärztlichen<br />
Sachverstandes sei eine Ausgestaltung<br />
der Behandlungsprogramme nach überwiegend<br />
ökonomischen Gesichtspunkten zu befürchten.<br />
Misslich ist allerdings, dass die gesetzlich<br />
geforderten allgemein anerkannten Leitlinien in<br />
dieser Form noch nicht existieren. Daher<br />
befürchten Ärzte und Krankenhäuser absurde<br />
Zustände, wenn Krankenkassen unterschiedliche<br />
Leitlinien zur Grundlage der DMPs<br />
machen könnten und zum Beispiel für<br />
Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung<br />
mit AOK- und BKK-Mitgliedschaft jeweils<br />
andere Behandlungsmaßstäbe gelten würden.<br />
In der augenblicklichenUnübersichtlichkeit<br />
– in der Gesundheitspolitik<br />
übrigens<br />
seit Jahren ein hinlänglich<br />
bekanntes<br />
Phänomen – von Pro-<br />
Entspannungsübungen<br />
wie Yoga oder Autogenes<br />
Training tragen wesentlich<br />
zur Stabilisierung<br />
des Gesundheitszustandes<br />
von herzkranken<br />
Patienten bei.<br />
grammentwürfen unter Federführung von Ärzteverbänden<br />
und Krankenkassen werden<br />
Befürchtungen laut, die freie Arztwahl könne<br />
für chronisch kranke Patienten der Vergangenheit<br />
angehören, die stattdessen in standardisierte,<br />
starre und ökonomisch dominierte<br />
Behandlungskonzepte hineingepresst würden.<br />
Also in ein Versorgungsgeschehen, in<br />
dem ein koordinierender Arzt den Patienten<br />
diktiert, wann sie welchen Leistungserbringer<br />
aufsuchen dürfen. Jörg Hoffmann, Vorsitzender<br />
des Vorstandes des BKK-Landesverbandes<br />
Nordrhein-Westfalen, sieht noch eine andere<br />
Gefahr. Er fürchtet, dass möglicherweise niederschwellige<br />
Programme inflationär wirken<br />
und damit das sicherlich sinnvolle Instrument<br />
nur der reinen ökonomischen Zielsetzung und<br />
nicht den Qualitätsverbesserungen in der<br />
Versorgung der Versicherten dient.<br />
Erhard Hackler<br />
Der Klinik-Report bleibt für Sie am Ball:<br />
Wir berichten zukünftig, wie die<br />
Diskussion um die Disease-Management-<br />
Programme weitergeht und welche konkrete<br />
Ausgestaltung sie erfahren.<br />
KOMMENTAR<br />
Kein Franzose käme<br />
auf den Gedanken, ein<br />
Behandlungsprogramm<br />
für chronisch kranke Patienten<br />
„Disease-Management-Programm“<br />
zu nennen und der verwirrenden Fülle von<br />
Kürzeln in Medizin und Gesundheitspolitik<br />
ein weiteres hinzuzufügen: DMPs. Doch die<br />
Deutschen haben sich mittlerweile an den<br />
neuen Begriff gewöhnt, dank der Kassen,<br />
durch die seit Monaten Disease-Management-<br />
Programme immer wieder in den Blickpunkt<br />
der gesundheitspolitischen Diskussion gerückt<br />
werden. Denn die begehrten Ausgleichszahlungen<br />
aus dem Finanzausgleich zwingen<br />
sie, aus ökonomischen Gründen möglichst<br />
viele ihrer chronisch kranken Versicherten<br />
zur Teilnahme an den Programmen zu bewegen.<br />
Bleibt allerdings zu hoffen, dass die<br />
Qualität indes nicht auf der Strecke bleibt.<br />
Das unter zeitlichen Gesichtspunkten mit<br />
heißer Nadel gestrickte Programm und das<br />
Gerangel und Gezänk um Leitlinien, Dokumentationsformen<br />
sowie regionale oder bundesvertragliche<br />
Lösungen machen jedenfalls<br />
einen Befund sonnenklar: Nach wie vor fehlt<br />
es an konkreten Vorschlägen für eine umfassende<br />
und grundsätzliche Stabilisierung und<br />
Weiterentwicklung unseres Gesundheitssystems.<br />
Mögen sich kurzfristig über das Arzneimittelprogramm<br />
und vielleicht auch über<br />
die strukturierten Behandlungsprogramme<br />
(DMPs) Kosten einsparen lassen, besteht mittel-<br />
und langfristig jedoch weiterhin Handlungsbedarf.<br />
Denn die Bevölkerung in<br />
Deutschland wird immer älter und die Medizin<br />
macht gewaltige Fortschritte in Diagnostik<br />
und Therapie. Demographie und Innovation<br />
stehen auf den Messern einer Schere,<br />
die sich immer weiter öffnet. Die Politik ist<br />
uns eine Antwort auf diese Herausforderungen<br />
bislang schuldig geblieben. Deshalb verlangen<br />
wir von unseren Volksvertretern – und dies<br />
nicht nur in Wahljahren – kein Herumdoktern<br />
an isolierten Krisenherden, sondern eine<br />
Konzeption, die unser Gesundheitswesen<br />
zukunftsfähig macht und der Solidargemeinschaft<br />
der Versicherten eine hoch stehende<br />
qualitative Versorgung nach dem jeweiligen<br />
Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis ermöglicht.<br />
Und sollte unser Vollkasko-Gesundheitsschutz<br />
aus Kostengründen nicht aufrechtzuerhalten<br />
sein, dann sind Wahrheit, Klarheit<br />
und harte Schnitte angesagt.<br />
RA Erhard Hackler<br />
Geschäftsführender Vorstand<br />
der Deutschen Seniorenliga e.V.<br />
2/2002 FACH<strong>KLINIK</strong> LENGGRIES<br />
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