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KLINIK REPORT - Fachklinik Lenggries

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EXPERTENINTERVIEW<br />

<strong>KLINIK</strong><strong>REPORT</strong><br />

Arzt-Patienten-Kommunikation<br />

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen<br />

immer wieder, dass es gerade auf<br />

dem Gebiet der Arzt-Patienten-Kommunikation<br />

viele Defizite gibt. Woran liegt das?<br />

Prof. Paal: Inzwischen überblicke ich fast 50<br />

Jahre Neurologie, erlebte die Fortschritte<br />

durch Elektroenzephalo-, Myo- und Neurographie,<br />

durch Doppler- und Duplexsonographie<br />

der Hirngefäße, durch Neuentwicklungen<br />

bildgebender Verfahren wie Computerund<br />

Kernspintomographie, einschließlich der<br />

verschiedenen Möglichkeiten von Gefäßdarstellungen,<br />

die Weiterentwicklung labortechnischer<br />

Untersuchungen bis hin zur<br />

Gentechnologie. Nicht zu Unrecht spricht man<br />

von einer Apparate- und Labormedizin, neben<br />

der der personale Bezug zwischen Arzt und<br />

Patient immer mehr an Bedeutung verliert.<br />

Hinzu kommen Mehrbelastungen der Ärzte,<br />

besonders im stationären Bereich durch<br />

Arbeitszeitregelungen, Freizeitausgleich und<br />

Verwaltungs- oder Schreibarbeiten. Die Folge:<br />

Ein fragwürdiger Wechsel behandelnder Ärzte<br />

bei den ihnen anvertrauten Kranken während<br />

einer immer kürzer werdenden Liegezeit. Der<br />

Patient sieht nicht mehr konstant und regelmäßig<br />

seinen ihn behandelnden Arzt, wird<br />

immer mehr zum anonymen Objekt, wird<br />

namenlos, degradiert zum Fall. Er verliert<br />

Interview mit Prof. Dr. med. Gerd Paal,<br />

niedergelassener Neurologe und wissenschaftlicher<br />

Beirat in der <strong>Fachklinik</strong> <strong>Lenggries</strong><br />

Bereits während seiner Weiterbildungszeit an der Univ.-Nervenklinik in<br />

Münster unter der Leitung seines Lehrers Prof. Dr. Mauz beschäftigte sich<br />

Prof. Paal intensiv mit den Fragen, den Möglichkeiten und Grenzen des ärztlichen<br />

Gesprächs in Diagnostik und Therapie. Ergebnisse fasste er in seiner<br />

Habilitationsschrift „Psychogen-somatogen, diagnostische Möglichkeiten in<br />

der täglichen Praxis“ zusammen.<br />

zunehmend seine Individualität als<br />

Persönlichkeit: „Die Bandscheibe in Zimmer<br />

x, der Schlaganfall in Zimmer y oder das<br />

Schädelhirntrauma in Zimmer z“.<br />

Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang<br />

die Individualisierung des<br />

Rehabilitationsprozesses?<br />

Prof. Paal: Auch und gerade in der<br />

Rehabilitation ist es unverzichtbar, die Gesamtperson<br />

des Kranken oder Rehabilitanden<br />

zu erfassen, seine Biografie, seine aktuelle<br />

Situation, seine körperliche und geistig-seelische<br />

Verfassung. Wo hinein soll er gesunden?<br />

In Anlehnung an Prof. Mauz habe ich früher<br />

einmal folgende Fragen formuliert, die es in<br />

Diagnostik und Therapie zu beachten gilt:<br />

Wie lautet die Klage des Patienten und was<br />

beinhaltet sie?<br />

Welche Diagnose bietet er an?<br />

Wie ist die innere und äußere Verfassung<br />

eines Kranken zum Zeitpunkt seiner Erkrankung?<br />

Wie hat er frühere Belastungen toleriert?<br />

Wie ist seine Wert- und Umwelt?<br />

Inwieweit ist die Gesamtperson des Kranken<br />

durch seine aktuelle Erkrankung betroffen?<br />

Woran ist er durch seine Erkrankung gehindert?<br />

Wie ist seine biologische und seine geistigseelische<br />

aktuelle Konstitution, wie sein<br />

soziales Umfeld, sein Zuhause?<br />

Noch vor einigen Jahren arbeitete man<br />

in der neurologischen Rehabilitation im<br />

Wesentlichen symptomorientiert. Was hat sich<br />

hier in den letzten Jahren verändert?<br />

Die Beantwortung der formulierten Fragen<br />

lässt deutlich werden, dass es ohne Einbeziehung<br />

der Gesamtperson eines Kranken,<br />

seiner biografischen Anamnese, seiner körperlichen<br />

und geistig-seelischen Verfassung<br />

kaum möglich ist ihn zu heilen oder wenigstens<br />

ihn soweit überhaupt möglich zu rehabilitieren.<br />

Es ist zwar möglich, eine Fraktur zu<br />

nageln, einen Bandscheibenprolaps operativ<br />

auszuräumen oder einen Gefäßverschluss zu<br />

überbrücken, doch wird der Heilungsprozess,<br />

die Rehabilitation und somit der Therapieerfolg,<br />

das Ergebnis des ärztlichen Handelns,<br />

entscheidend durch die Person des Kranken<br />

mitbestimmt, durch seinen Gesundheitswillen<br />

und seine Mitarbeit. Selbst beim Komapatienten<br />

ist man heute bemüht, seine latenten<br />

Kräfte zu wecken, etwa durch seine<br />

Lieblingsmusik, durch gutes Zureden, oder<br />

durch Körperkontakte.<br />

2/2002 FACH<strong>KLINIK</strong> LENGGRIES<br />

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