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»Es war viel Glück dabei«<br />

Auf den ersten Blick könnte man meinen, es war<br />

kein Glück sondern Pech, dass Professor Ingrid<br />

Grummt Biologie studiert hat. Sie wollte eigentlich<br />

Dramaturgin werden und hatte sich für die Theaterwissenschaften<br />

beworben. Aber damals, sie lebte<br />

in der DDR, wollte die Regierung erst einmal keine<br />

weiteren Studenten für dieses Fach zulassen. „Theaterwissenschaftler<br />

waren nicht so systemtreu“,<br />

erklärt Ingrid Grummt. So erfüllte sich ihr zweiter<br />

Studienwunsch, der in Wahrheit keiner war: „Ich<br />

habe ‚Biologie‘ nur angegeben, weil ich dachte, dass<br />

ich dort ohnehin keinen Platz bekomme. Damit<br />

wollte ich meine Chancen bei den Theaterwissenschaften<br />

erhöhen.“<br />

Zunächst ist sie nicht mit Leib und Seele bei der<br />

Biologie. Erst als sie während ihrer Diplomarbeit<br />

im Labor arbeitet, springt der Funke über. Mitten<br />

in ihrer Doktorarbeit wird sie schwanger. „Das war<br />

nicht so ganz geplant, aber im Nachhinein das Beste,<br />

was passieren konnte“, sagt sie. Schon wenige<br />

Wochen nach der Geburt steht sie wieder im Labor.<br />

Ihre Tochter ist tagsüber in der Krippe, gelegentlich<br />

wechseln sie und ihr Mann sich mit der Betreuung<br />

ab. Er ist ebenfalls Wissenschaftler, beide können<br />

sich ihre Arbeitszeit flexibel einteilen.<br />

Egal wie hart der Arbeitstag und wie deprimierend<br />

die Versuchsergebnisse oft sind, sie lässt sich nie<br />

unterkriegen: Nachdem sie ihr Kind abends ins Bett<br />

gebracht hat, setzt sie sich an den Schreibtisch und<br />

plant neue Experimente. Es treibt sie an, dass die<br />

Antwort auf eine Frage fünf neue Fragen aufwirft.<br />

Nie habe sie darüber nachgedacht, ihren Beruf<br />

aufzugeben, denn dafür habe sie ihn immer viel<br />

zu sehr geliebt. „Mein Umfeld hat das auch nicht<br />

erwartet. In der DDR war es üblich, dass die Frau<br />

weiterhin arbeitet.“<br />

1972, als ihre Tochter drei Jahre alt ist, flieht die Familie<br />

in den Westen. „Die Entscheidung fiel mir damals<br />

nicht leicht, und es wäre auch beinahe schiefgegangen“,<br />

erzählt sie. „Aber im Nachhinein war<br />

das unser erfolgreichstes Experiment überhaupt.“<br />

Die Familie zieht nach München. Ingrid Grummt<br />

forscht nun am Max-Planck-Institut für Biochemie.<br />

Ihr Interesse gilt der ribosomalen Ribonukleinsäure<br />

(rRNA). Die rRNA ist ein Baustein der Ribosomen,<br />

auch Proteinfabriken der Zelle genannt. Die junge<br />

Wissenschaftlerin leistet Pionierarbeit, publiziert<br />

<strong>einblick</strong> 01.2012 fl forschung<br />

in renommierten Fachzeitschriften wie „Cell“. Wer<br />

sich heute mit den ribosomalen Genen beschäftigt,<br />

kommt an dem Namen „Grummt“ nicht vorbei.<br />

Ihre Karriere führt sie über Würzburg nach Heidelberg,<br />

wo sie die erste Abteilungsleiterin am Deutschen<br />

Krebsforschungszentrum wird. Ihre Tochter<br />

studiert mittlerweile auch Biologie. „Wir haben<br />

sehr viel Glück gehabt, sie hat uns nie ernstliche<br />

Sorgen bereitet“, sagt Ingrid Grummt. „Wenn es<br />

aber Probleme gegeben hätte, dann hätte natürlich<br />

alle Welt gewusst, woran das liegt.“ Auf die Frage,<br />

ob sie sich wünscht, dass noch mehr Frauen in der<br />

Wissenschaft Karriere machen, antwortet sie: „Ich<br />

wünsche mir, dass das Geschlecht kein Thema<br />

mehr ist.“ Für junge Wissenschaftlerinnen, die<br />

ihren Beruf trotz Familie nicht aufgeben wollen,<br />

hat sie einen einfachen Tipp: „Schau dir an, wer der<br />

Vater deiner Kinder wird. Alleinerziehend oder mit<br />

einem Mann, der sich eine traditionelle Rollenverteilung<br />

wünscht, wird es schwierig.“<br />

Heute ist Ingrid Grummt 68 Jahre alt. Aber ans<br />

Aufhören denkt sie noch lange nicht. Gerade erst<br />

hat sie eine Helmholtz-Senior-Professur bekommen<br />

und kann für drei weitere Jahre forschen. Das freut<br />

sie sehr, denn ihre Arbeitsgruppe hat erst kürzlich<br />

einen völlig neuartigen Mechanismus entdeckt,<br />

der das Ablesen der ribosomalen Gene reguliert.<br />

„Diese Arbeit hat international sehr viel Beachtung<br />

gefunden. Ich würde jetzt gerne noch zeigen, dass<br />

dieser Mechanismus auch für das gezielte An- und<br />

Abschalten der meisten zellulären Gene essenziell<br />

ist. Das wäre ein schöner Abschluss.“<br />

Karriere oder Familie?<br />

Oder beides? Junge Forscherinnen<br />

aus dem DKFZ<br />

sprechen über ihre Zukunft<br />

und über Chancen und<br />

Schwierigkeiten bei der<br />

Familienplanung:<br />

der „<strong>einblick</strong>“-Podcast auf<br />

www.dkfz.de/<strong>einblick</strong> Y<br />

Zusätzliche Informationen<br />

zur aktuellen Ausgabe<br />

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