Dr. Rudolf Kösters: Ärztemangel aus Sicht der DKG
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<strong>Ärztemangel</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>DKG</strong><br />
Symposium <strong>der</strong> Bundesärztekammer am 27.08.2009 in Berlin<br />
Demografischer Wandel und ärztliche Versorgung in Deutschland<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Rudolf</strong> <strong>Kösters</strong><br />
Präsident<br />
<strong>der</strong><br />
Deutschen Krankenh<strong>aus</strong>gesellschaft<br />
DEUTSCHE KRANKENHAUSGESELLSCHAFT e. V.<br />
Wegelystraße 3, 10623 Berlin
Ausgangslage<br />
Krankenhäuser als hochpersonalintensive Betriebe<br />
�Personalkostenanteil Krankenhäuser bei 65 %<br />
�Zum Vergleich:<br />
• Automobilindustrie: 17 %<br />
• Pharmaindustrie: 25 %<br />
2
Ausgangslage<br />
Verweildauer in Tagen<br />
16<br />
15<br />
14<br />
13<br />
12<br />
11<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
Entwicklung <strong>der</strong> Verweildauer im Krankenh<strong>aus</strong><br />
14,7<br />
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007<br />
Quelle: Destatis 2008<br />
Jahr<br />
8,3<br />
3
Ausgangslage<br />
Fallzahlen in Mio.<br />
18<br />
17,5<br />
17<br />
16,5<br />
16<br />
15,5<br />
15<br />
14,5<br />
14<br />
13,5<br />
13<br />
14,34<br />
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007<br />
Quelle: Destatis 2008<br />
Fallzahlentwicklung im Krankenh<strong>aus</strong><br />
Jahr<br />
17,18<br />
4
Ausgangslage<br />
Entwicklung <strong>der</strong> Personalsituation in den Krankenhäusern<br />
Personal in Krankenhäusern (in Vollkräften)<br />
Jahr Gesamt Ärztlicher Dienst Pflegedienst<br />
1995 887.564 101.590 350.571<br />
2000 834.585 108.698 332.269<br />
2001 832.530 110.152 331.472<br />
2002 833.541 112.763 327.384<br />
2003 823.939 114.105 320.158<br />
2004 805.988 117.683 309.405<br />
2005 796.097 121.610 302.346<br />
2006 791.914 123.610 299.328<br />
2007 792.299 126.000 298.325<br />
Quelle: Destatis 2008<br />
5
Ausgangslage<br />
<strong>Ärztemangel</strong> im Krankenh<strong>aus</strong> trotz steigen<strong>der</strong><br />
Arztzahlen?<br />
� Umsetzung EU-Arbeitszeitrichtlinie: nach <strong>DKG</strong>-<br />
Berechnungen zusätzlicher Bedarf + 27.000 Ärzte<br />
� mehr Bürokratieaufwand für Ärzte durch MDK-Anfragen<br />
und Vorgaben des GBA<br />
� Feminisierung <strong>der</strong> Medizin: Ärztinnen bevorzugen i.d.R.<br />
kürzere Arbeitszeiten (Familienorientierung)<br />
Konsequenz:<br />
� Tatsächliches geleistetes Gesamtarbeitsvolumen aller<br />
Krankenh<strong>aus</strong>ärzte ist im Zeitraum 2000 bis 2007 sogar um 0,3<br />
Prozent gesunken!<br />
6
Ausgangslage<br />
Aktueller <strong>Ärztemangel</strong> im Krankenh<strong>aus</strong><br />
(DKI-Krankenh<strong>aus</strong>barometer<br />
2008)<br />
� 67,3 Prozent <strong>der</strong> Krankenhäuser haben Probleme,<br />
offene Arztstellen zu besetzen (2006: 28,4 Prozent)<br />
� Betroffene KH können im Schnitt jeweils 4 ärztliche<br />
Vollkräfte nicht besetzen (2006: 2,5 VK)<br />
� Insgesamt sind damit 4.000 Stellen im ärztlichen Dienst<br />
nicht besetzt (2006: 1.300 Stellen)<br />
�Ost-West-Gefälle schwächt sich ab, auch alte<br />
Bundeslän<strong>der</strong> und städtische Gebiete verstärkt betroffen<br />
�Trend für 2009: Verschärfung des <strong>Ärztemangel</strong>s!<br />
7
Demografischer Wandel<br />
Krankenhäuser im Spannungsfeld <strong>der</strong> Demografie I<br />
Einerseits: Erhöhung <strong>der</strong> Nachfrage nach<br />
medizinischen Leistungen<br />
� Erhöhung <strong>der</strong> Fallzahl und Fallschwere:<br />
• Entwicklung des Case-Mix bei jeweils + 3 bis + 3,6 Prozent in<br />
den Jahren 2004 bis 2006<br />
� große Zahl Chroniker sowie Multimorbidität<br />
� Ambivalenz des medizinisch-technischen Fortschrittes:<br />
• einerseits<br />
Innovationen, die die Verweildauer senken<br />
• an<strong>der</strong>erseits Innovationen, die die Fallzahl erhöhen<br />
8
Demografischer Wandel<br />
Krankenhäuser im Spannungsfeld <strong>der</strong> Demografie II<br />
An<strong>der</strong>erseits: Verknappung des Arbeitskräfteangebots<br />
�Im Zeitraum 2007 bis 2017 laut BÄK altersbedingter<br />
Ersatzbedarf von 18.000 KH-Ärzten und 59.000 Vertragsärzten<br />
Gefahr: massiver Brain-<strong>Dr</strong>ain von Fachärzten vom<br />
stationären in den vertragsärztlichen Bereich!<br />
�Reduzierung <strong>der</strong> Studienkapazitäten im Fach Humanmedizin<br />
mit sinkenden Absolventenzahlen<br />
�Zukünftig aufgrund sinken<strong>der</strong> Geburtenzahlen starker<br />
Wettbewerb um hoch qualifizierte Fachkräfte; Ärzte werden<br />
noch mehr als heute in an<strong>der</strong>en Wirtschaftszweigen (z.B.<br />
Pharmaindustrie) gefragt sein<br />
9
Handlungsbedarf für Krankenhäuser<br />
Akquirierung <strong>aus</strong>ländischer Ärzte<br />
� ca. 21.784 <strong>aus</strong>ländische Ärzte sind Ende 2008 in Deutschland<br />
tätig, davon 13.207 in Krankenhäusern<br />
� Großteil <strong>der</strong> Ärzte kommt <strong>aus</strong> Europa (75 Prozent)<br />
� aber: nur kurz- bis mittelfristige Lösung, zumal Potential<br />
aufgrund von kulturellen und Sprachbarrieren begrenzt<br />
� und: Abwerbung <strong>aus</strong>ländischer Ärzte führt in <strong>der</strong>en<br />
Heimatlän<strong>der</strong>n nicht selten zu Engpässen in <strong>der</strong> medizinischen<br />
Versorgung!<br />
� Zudem: Gleiche Anzahl deutscher Ärzte arbeitet im Ausland!<br />
10
Handlungsbedarf für Krankenhäuser<br />
Vereinbarkeit von Beruf und Familie als Standortvorteil<br />
� Feminisierung <strong>der</strong> Medizin:<br />
•<br />
•<br />
•<br />
Anteil von Ärztinnen im Krankenh<strong>aus</strong> seit 1991 von 30 auf 40<br />
Prozent gestiegen, allerdings nur 8 Prozent Chefärztinnen<br />
Über 60 Prozent <strong>der</strong> Medizinstudierenden sind heute weiblich!<br />
Männer investieren mehr Zeit in Familienarbeit (z.B. Elterngeld)<br />
� DKI-Krankenh<strong>aus</strong>barometer 2008:<br />
•<br />
•<br />
•<br />
20 Prozent <strong>der</strong> Krankenhäuser bieten betriebliche Kin<strong>der</strong>betreuung<br />
an, was im Vergleich zur dt. Wirtschaft überdurchschnittlich ist<br />
Nachholbedarf besteht v.a. bei Wie<strong>der</strong>einstiegsprogrammen<br />
Arbeitszeitflexibilisierung weit verbreitet (90 Prozent)<br />
11
Handlungsbedarf für Krankenhäuser<br />
Neuordnung von Aufgaben des Ärztlichen Dienstes<br />
� Effektiver und effizienter Personaleinsatz als zukünftige<br />
Her<strong>aus</strong>for<strong>der</strong>ung für Krankenhäuser – offene Diskussion mit<br />
Augenmaß jenseits standes- und berufspolitischen Denkens<br />
notwendig<br />
� Entlastung <strong>der</strong> Ärzte durch Übertragung von Aufgaben auf<br />
an<strong>der</strong>e Berufsgruppen steigert auch Attraktivität des<br />
Arztberufes<br />
� Aktuelle DKI-Studie hierzu zeigt, dass Krankenhäuser bereits<br />
eine Vielzahl von zielführenden Aktivitäten gestartet haben<br />
� Längst etablierte neue Berufsbil<strong>der</strong> wie OTA müssen jedoch<br />
endlich bundesweit anerkannt werden<br />
12
Handlungsbedarf Politik/ Selbstverwaltung<br />
Bürokratieabbau<br />
� Zunahme des bürokratischen Aufwands für Ärzte durch<br />
vermehrte MDK-Anfragen sowie erhöhter<br />
Dokumentationsaufwand aufgrund von Qualitätsvereinbarungen<br />
des GBA<br />
� Hohe Bürokratiebelastung för<strong>der</strong>t <strong>Ärztemangel</strong> in zweifacher<br />
Hinsicht:<br />
•<br />
•<br />
Ärzte stehen nicht zur Patientenversorgung zur Verfügung<br />
Mediziner kehren dem Arztberuf den Rücken, da dieser unattraktiv<br />
ist<br />
� Begrenzung MDK-Anfragen und Überprüfung GBA-Beschlüsse<br />
unter dem Aspekt <strong>der</strong> Bürokratievermeidung erfor<strong>der</strong>lich<br />
13
Handlungsbedarf Politik/ Selbstverwaltung<br />
Erhöhung <strong>der</strong> Studienkapazitäten im Medizinstudium<br />
� Reduzierung <strong>der</strong> Studienkapazitäten im Zuge <strong>der</strong> Reform <strong>der</strong><br />
Approbationsordnung im Jahre 2002 falsches Signal: damals<br />
befürchtete „Ärzteschwemme“ ist nie eingetreten<br />
� Nachfrage nach Medizinstudium ungebremst: 2007/2008 48.000<br />
Bewerber auf 9.900 Studienplätze (2002/2003: 35.400 zu 10.500)<br />
� Auswahlverfahren nur nach Numerus Cl<strong>aus</strong>us nicht mehr<br />
zeitgemäß: hohe Schwundrate nach dem Medizinstudium lässt<br />
auch auf falsche Berufswahl junger Mediziner schließen<br />
� Paradoxe Folge: trotz hohem Bedarf an Ärzten und hoher<br />
Nachfrage nach Medizinstudium politisch motivierte<br />
Reduzierung <strong>der</strong> Studienplätze!<br />
14
Handlungsbedarf Politik/ Selbstverwaltung<br />
Optimierung <strong>der</strong> Facharztweiterbildung<br />
� Straffung <strong>der</strong> Facharztweiterbildung<br />
•<br />
•<br />
•<br />
Tendenz zur frühen Spezialisierung problematisch (z.B. Chirurgie)<br />
Immer umfangreichere Weiterbildungskataloge auf Bestreben <strong>der</strong><br />
Fachgesellschaften -> Regelweiterbildungszeit nicht mehr einzuhalten<br />
Stärkere Strukturierung <strong>der</strong> Weiterbildung<br />
� Finanzielle Anreize für Facharztweiterbildung<br />
•<br />
•<br />
Krankenhäuser bilden in erheblichem Umfang nicht für eigenen Bedarf<br />
weiter<br />
Weiterbildung bindet personelle Ressourcen, die den Kliniken aufgrund<br />
des neuen Arbeitszeitrechtes kaum mehr zur Verfügung stehen<br />
15
Handlungsbedarf Politik/ Selbstverwaltung<br />
Än<strong>der</strong>ung des Arbeitszeitrechts<br />
� Mehrbedarf von 27.000 zusätzlichen Krankenh<strong>aus</strong>ärzten durch<br />
Einführung des neuen EU-Arbeitszeitrechts<br />
� Seit Einführung des neuen Arbeitszeitzeitrechts haben<br />
Krankenhäuser bereits 12.000 zusätzliche Ärzte eingestellt<br />
� Der ärztliche Arbeitsmarkt ist leergefegt (z.Zt. 3.000 arbeitslose<br />
Ärzte registriert = Arbeitslosenquote < 1 Prozent)<br />
� <strong>Dr</strong>ingend notwendige Novellierung <strong>der</strong> EU-Arbeitszeitrichtlinie<br />
im Juni durch das EU-Parlament gescheitert, obwohl EU-Rat<br />
einen <strong>aus</strong>gewogenen Kompromiss vorgelegt hat<br />
16
Handlungsbedarf Politik/ Selbstverwaltung<br />
Abbau <strong>der</strong> Versorgungsgrenzen ambulant/stationär<br />
� Effektive Nutzung <strong>der</strong> begrenzten Ressourcen vor dem<br />
Hintergrund des demografischen Wandels unumgänglich<br />
� Neue Beschäftigungsformen zwischen Ärzten und<br />
Krankenhäusern als Folge, z.B.<br />
•<br />
•<br />
•<br />
Belegarzt-/Honorararzt-/Konsiliararzt-/Kooperationsarztverträge<br />
Teilzeitanstellung von nie<strong>der</strong>gelassenen Ärzten im KH<br />
MVZ<br />
� Vertragsarztrechtsän<strong>der</strong>ungsgesetz, GKV-WSG (§116b) erste<br />
Schritte – aber in <strong>der</strong> Praxis immer noch erhebliche<br />
Umsetzungshemmnisse<br />
17
Handlungsbedarf Politik/ Selbstverwaltung<br />
Letztendlich das A & O:<br />
Ausreichende Krankenh<strong>aus</strong>finanzierung unerlässlich<br />
� Ohne <strong>aus</strong>reichende Finanz<strong>aus</strong>stattung werden Kliniken den<br />
Kampf gegen den <strong>Ärztemangel</strong> verlieren, da sie gegenüber<br />
an<strong>der</strong>en Wirtschaftszweigen und dem Ausland auf dem<br />
Arbeitsmarkt nicht konkurrenzfähig sind<br />
� <strong>DKG</strong> for<strong>der</strong>t nachhaltige Refinanzierung <strong>der</strong> Personalkosten in<br />
Krankenhäusern, Tarifhilfe 2008/2009 ist nur ein erster Schritt<br />
� Abkehr von <strong>der</strong> Grundlohnratenbindung darf nicht dazu führen,<br />
dass die Gesundheitspolitik den neuen Indikator willkürlich je<br />
nach H<strong>aus</strong>halts- und Kassenlage zulasten <strong>der</strong> Krankenhäuser<br />
nach unten korrigiert!<br />
18
Vielen Dank für Ihre<br />
Aufmerksamkeit!<br />
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