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Schreiben an die Abgeordneten.pdf - Bundesärztekammer

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<strong>Bundesärztekammer</strong><br />

Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern<br />

Deutscher Ärztetag<br />

Präsident<br />

<strong>Bundesärztekammer</strong> · Postfach 12 08 64 · 10598 Berlin<br />

Gefährdung der ärztlichen Versorgung in Deutschl<strong>an</strong>d: Die Öffnungsklausel<br />

im Rahmen der Novellierung der Amtlichen Gebührenordnung<br />

für Ärzte (GOÄ)<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

im Zuge der <strong>an</strong>stehenden Novellierungen der Gebührenordnungen für Ärzte<br />

und Zahnärzte fordert der Verb<strong>an</strong>d der Privaten Kr<strong>an</strong>kenversicherung e.<br />

V. (PKV-Verb<strong>an</strong>d) <strong>die</strong> Einführung einer sogen<strong>an</strong>nten Öffnungsklausel. Diese<br />

soll Separatvereinbarungen zwischen Privatversicherern und Ärzten ermöglichen,<br />

über <strong>die</strong> ärztliche Leistungen pauschaliert und außerhalb der<br />

staatlichen Gebührenordnung abgerechnet werden sollen. Die Folgen solcher<br />

Dumpingverträge bekämen nicht nur Ärzte, sondern auch <strong>die</strong> Patientinnen<br />

und Patienten zu spüren. Deren freie Arztwahl würde massiv<br />

eingeschränkt. Ruinöser Preiswettbewerb unter den Ärzten würde <strong>die</strong> Beh<strong>an</strong>dlungsqualität<br />

gefährden und einen Konzentrationsprozess befördern,<br />

der <strong>die</strong> wohnortnahe Versorgung akut bedroht.<br />

Ungeachtet dessen will der PKV-Verb<strong>an</strong>d glauben machen, dass mit einer<br />

Öffnungsklausel mehr Wettbewerb und dadurch Einsparungen realisiert<br />

werden könnten. So begründet der Verb<strong>an</strong>d seine Forderung nach Selektivverträgen<br />

vor allem mit den im Vergleich zur GKV <strong>an</strong>geblich überproportional<br />

gestiegenen Ausgaben für ärztliche Leistungen.<br />

Berlin, 28.01.2011<br />

Fon<br />

+49 30 400 456-350<br />

Fax<br />

+49 30 400 456-380<br />

E-Mail<br />

praesident@baek.de<br />

Diktatzeichen<br />

Kl<br />

Aktenzeichen<br />

572.020<br />

Seite<br />

1 von 5<br />

<strong>Bundesärztekammer</strong><br />

Herbert-Lewin-Platz 1<br />

10623 Berlin<br />

Postfach 12 08 64<br />

10598 Berlin<br />

Fon +49 30 400 456-0<br />

Fax +49 30 400 456-388<br />

info@baek.de<br />

www.baek.de


Hierzu stellen wir klar:<br />

- Der Ausgaben<strong>an</strong>teil für ambul<strong>an</strong>te privatärztliche Leistungen liegt<br />

seit 15 Jahren durchschnittlich bei 24% der Gesamt-Leistungs-<br />

ausgaben der PKV (GKV: durchschnittlich 17%, s. Anlage)<br />

- Die Ausgaben-Dynamik im Jahr 2009 war in der GKV (plus 6,89%<br />

für ambul<strong>an</strong>te Arztbeh<strong>an</strong>dlung bzw. plus 6,54% für stationäre Leistungen<br />

im Vergleich zu 2008) deutlich größer als in der PKV (plus<br />

2,09% bzw. plus 3,37%; Quelle: Zahlenbericht der privaten Kr<strong>an</strong>kenversicherung<br />

2009/2010).<br />

- Auf Basis der Zahlen des ersten Halbjahrs prognostizierte der PKV-<br />

Verb<strong>an</strong>d für 2010, dass <strong>die</strong> Steigerung der Beitragseinnahmen mit<br />

6,0% (Kr<strong>an</strong>kenversicherung plus 6,3% und Pflegeversicherung plus<br />

2,2%) höher sein wird als der Ausgabenzuwachs bei den Versicherungsleistungen<br />

mit 4,5% (Kr<strong>an</strong>kenversicherung plus 4,3% und<br />

Pflegeversicherung plus 10,8%) (Quelle: Zahlenbericht der privaten<br />

Kr<strong>an</strong>kenversicherung 2009/2010).<br />

- Schon im Jahr 2009 haben <strong>die</strong> privaten Kr<strong>an</strong>kenversicherungen<br />

trotz der pessimistischen Prognose deutliche Gewinne erzielt.<br />

Wir weisen darauf hin:<br />

Bei genauer Analyse der internen Strukturen und Arbeitsabläufen der PKV<br />

ist erkennbar, dass ein hoher Anteil <strong>an</strong> Kostensteigerungen durch <strong>die</strong> PKV<br />

selbst generiert wird. Zu nennen sind hier etwa <strong>die</strong> exorbit<strong>an</strong>t hohen Maklerprovisionen<br />

im Versicherungsgeschäft. So wurden mehr als 50% dessen,<br />

was in 2009 für ambul<strong>an</strong>te Arztbeh<strong>an</strong>dlungen <strong>an</strong> Leistungsausgaben<br />

<strong>an</strong>gefallen ist (5 Milliarden Euro), für Maklerprovisionen in Höhe von<br />

2,6 Milliarden Euro aufgewendet. In Anbetracht <strong>die</strong>ser dramatischen Entwicklung<br />

bei den Abschlussaufwendungen betonte <strong>die</strong> Bundes<strong>an</strong>stalt für<br />

Fin<strong>an</strong>z<strong>die</strong>nstleistungsaufsicht (BaFin) in einer Pressemitteilung vom<br />

9. Dezember 2010, dass <strong>die</strong> Vorstände der Versicherungsunternehmen ihren<br />

Kunden gegenüber in der Ver<strong>an</strong>twortung stünden und dafür Sorge zu<br />

tragen hätten, dass <strong>die</strong> Abschlusskosten einen <strong>an</strong>gemessenen Rahmen<br />

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<strong>Schreiben</strong> der<br />

<strong>Bundesärztekammer</strong><br />

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nicht überschritten – schließlich müssen <strong>die</strong>se aus den Beiträgen der Versicherten<br />

fin<strong>an</strong>ziert werden.<br />

Im Zuge seiner Öffnungsklausel-Kampagne scheut der PKV-Verb<strong>an</strong>d auch<br />

nicht vor fragwürdigen, irreführenden Darstellungen zurück: So wird unter<br />

<strong>an</strong>derem behauptet, <strong>die</strong> Laborausgaben je PKV-Versicherten seien fünfmal<br />

so hoch wie für GKV-Versicherte – Tatsache ist, dass Äpfel (129 Euro Laborausgaben<br />

je PKV-Versicherten auf Basis einer unbek<strong>an</strong>nten PKV-<br />

Stichprobe) mit Birnen (26 Euro je GKV-Versicherten auf Basis des statistischen<br />

Bundesamts) verglichen werden, und dass bei korrekter Vorgehensweise<br />

der Vergleichsfaktor wesentlich niedriger liegt (80 versus<br />

26 Euro). Das Delta würde noch geringer ausfallen, wenn der GKV-<br />

Versicherte denselben Zug<strong>an</strong>g zu laborärztlichen Leistungen wie der PKV-<br />

Versicherte hätte; tatsächlich aber ist das EBM-Laborkapitel nur halb so<br />

umf<strong>an</strong>greich wie das GOÄ-Laborkapitel. Gänzlich verschwiegen wird, dass<br />

das Vergütungsniveau für vergleichbare laborärztliche Leistungen auf Basis<br />

der GOÄ deutlich unter dem z.B. in der Schweiz oder in Österreich liegt.<br />

Wir warnen davor:<br />

Die PKV führt immer wieder das Argument „mehr Wettbewerb“ als <strong>an</strong>geblichen<br />

Vorteil einer Öffnungsklausel <strong>an</strong>. Primäres Ziel der PKV ist jedoch<br />

nicht mehr Wettbewerb, sondern ein wirksames Mittel zur direkten Patientensteuerung.<br />

Patientenrechte wie <strong>die</strong> freie Arztwahl würden ausgehöhlt<br />

und <strong>die</strong> Beh<strong>an</strong>dlungsqualität und Gesundheitsversorgung in Deutschl<strong>an</strong>d<br />

ernsthaft gefährdet werden. Zwar soll das Zust<strong>an</strong>dekommen eines Selektivvertrages<br />

auf Basis der Öffnungsklausel von der Zustimmung des einzelnen<br />

Versicherten bzw. des einzelnen Arztes abhängig gemacht werden,<br />

d. h. Patienten und Ärzte könnten einen solchen Selektivvertrag auch theoretisch<br />

ablehnen. Doch in der Realität werden <strong>die</strong> Patienten <strong>die</strong> Einflüsse,<br />

<strong>die</strong> mit solchen Verträgen verbunden sind (z. B. auf <strong>die</strong> Preise, Mengen<br />

und Qualität der Leistungen) und <strong>die</strong> in der privaten Kr<strong>an</strong>kheitsvollversicherung<br />

letztendlich auf eine Einschränkung des Leistungs<strong>an</strong>spruchs des Versicherungsnehmers<br />

hinführt, nicht einschätzen können. De facto k<strong>an</strong>n <strong>die</strong><br />

Öffnungsklausel als „Selektionsklausel“ für schlechte Risiken unter den privatversicherten<br />

Patientinnen und Patienten genutzt werden. Die (Zahn-)<br />

Ärzteschaft lehnt jedenfalls <strong>die</strong> ihr im Referentenentwurf der GOZ von 2009<br />

zugedachte Versicherungsmakler-ähnliche Rolle desjenigen, der <strong>die</strong> Zustimmung<br />

des Versicherten zu einem Selektivvertrag einholen soll, strikt<br />

ab.<br />

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<strong>Schreiben</strong> der<br />

<strong>Bundesärztekammer</strong><br />

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Aber auch <strong>die</strong> Vertreter der Beihilfe fordern <strong>die</strong> Einführung freier Preisvereinbarungen<br />

über ärztliche Leistungen oder zum Beispiel <strong>die</strong> Absenkung<br />

des sogen<strong>an</strong>nten Regelhöchstsatzes vom 2,3fachen auf den 1,7fachen<br />

Steigerungsfaktor. Hierzu ist <strong>an</strong>zumerken, dass – aufgrund der höchst unzureichenden<br />

GOÄ-Punktwert<strong>an</strong>hebung seit 1987 – <strong>die</strong> höchstrichterliche<br />

Rechtsprechung das 2,3fache als durchschnittlichen Steigerungssatz <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt<br />

hat [BGH-Urteil Az.: III ZR 54/07 vom 08. November 2007]. Die aktuell<br />

von den Oppositionsparteien des Niedersächsischen L<strong>an</strong>dtags<br />

geforderte Absenkung des Gebührenrahmens soll unterschiedslos für alle<br />

Beamte gelten - d.h. nicht nur für ältere Beamte mit niedrigen Bezügen<br />

oder Versorgungsempfänger mit kleinen Pensionen, für <strong>die</strong> <strong>die</strong> Einrichtung<br />

eines sozialen Schutztarifs nachvollziehbar wäre - sondern auch für gut<br />

ver<strong>die</strong>nende höhere Beamte und Spitzenfunktionäre. Das Problem der Bezahlbarkeit<br />

der Beihilfe würde somit nach dem Rasenmäherprinzip auf <strong>die</strong><br />

Ärzteschaft abgewälzt. Verk<strong>an</strong>nt wird, dass es für Bund und Länder unverändert<br />

günstiger ist, <strong>an</strong> der Beihilferegelung bzw. Kostenerstattung auf Basis<br />

der GOÄ festzuhalten, als wenn sie für alle ihre Beamten<br />

Arbeitgeberbeiträge für <strong>die</strong> GKV zu leisten hätten – denn im Rahmen der<br />

Beihilfe werden nur <strong>die</strong> tatsächlich <strong>an</strong>fallenden Leistungsausgaben erstattet.<br />

Auch der Vorschlag, neu in den Beamtenstatus eintretenden Be<strong>die</strong>nsteten<br />

des L<strong>an</strong>des <strong>die</strong> Wahlmöglichkeit der Mitgliedschaft in der GKV zu<br />

eröffnen, dürfte nicht zu den erhofften Einsparungen führen.<br />

Unser Fazit:<br />

Aus den dargelegten Gründen lehnt <strong>die</strong> <strong>Bundesärztekammer</strong> <strong>die</strong> Einführung<br />

einer Öffnungsklausel, auch in Gestalt einer „kleinen“ Öffnungsklausel<br />

zum Beispiel nur für laborärztliche Leistungen, ab. Auch eine „kleine“ Öffnungsklausel<br />

würde den Einstieg in einen unter Umständen ausufernden<br />

Preiswettbewerb zulasten der Versorgungsqualität bedeuten. Die Öffnungsklausel<br />

nützt wenigen großen Konzernen aus der privatwirtschaftlichen<br />

Versicherungsbr<strong>an</strong>che, nicht aber den Patientinnen und Patienten<br />

oder der Ärzteschaft.<br />

Es wäre fatal, wenn der Verordnungsgeber <strong>die</strong> Öffnungsklausel einführen<br />

würde, ohne sich vorher ein Bild vom Vorschlag der <strong>Bundesärztekammer</strong><br />

für eine neue GOÄ gemacht zu haben. Der Vorschlag der <strong>Bundesärztekammer</strong><br />

berücksichtigt den „state of the art“ moderner Diagnostik und<br />

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<strong>Schreiben</strong> der<br />

<strong>Bundesärztekammer</strong><br />

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Therapie und Innovationen, aber selbstverständlich auch Rationalisierungseffekte<br />

und Einsparpotentiale , <strong>die</strong> seit der letzten umfassenden Novellierung<br />

der GOÄ im Jahre 1987 zwischenzeitlich durch den medizintechnischen<br />

Fortschritt eingetreten sind.<br />

Wir wären Ihnen d<strong>an</strong>kbar, wenn Sie unsere oben aufgeführten Ausführungen<br />

in ihrer politischen Diskussion berücksichtigen würden. Gerne stehen<br />

wir für Gespräche jederzeit mit all unserer Fachkompetenz und unserem<br />

Praxiswissen bereit.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Anlage:<br />

Zahlen-Daten-Fakten<br />

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<strong>Schreiben</strong> der<br />

<strong>Bundesärztekammer</strong><br />

vom 28.01.2011<br />

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