Festschrift für Gerhard Otte - Sellier
Festschrift für Gerhard Otte - Sellier
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<strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>Gerhard</strong> <strong>Otte</strong>
Gesetz<br />
Recht<br />
Rechtsgeschichte<br />
<strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>Gerhard</strong> <strong>Otte</strong><br />
zum 70. Geburtstag<br />
herausgegeben von<br />
Wolfgang Baumann<br />
Hans-Jürgen von Dickhuth-Harrach<br />
Wolfgang Marotzke<br />
<strong>Sellier</strong>. European Law Publishers
Der Druck dieser <strong>Festschrift</strong> wurde durch finanzielle Beiträge der Juristischen Gesellschaft<br />
Ostwestfalen-Lippe e.V. und der Westfälisch-Lippischen Universitätsgesellschaft e.V.<br />
gefördert.<br />
ISBN-10 3-935808-52-6<br />
ISBN-13 978-3-935808-52-1<br />
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;<br />
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.<br />
© 2005 by <strong>Sellier</strong>. European Law Publishers GmbH, München.<br />
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb<br />
der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und<br />
strafbar. Das gilt insbesondere <strong>für</strong> Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die<br />
Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />
Gestaltung: Sandra <strong>Sellier</strong>, München. Herstellung: Karina Hack, München. Druck und Bindung:<br />
Pustet, Regensburg. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany
Vorwort<br />
Vorwort<br />
I. Mit der vorliegenden <strong>Festschrift</strong> ehren Autoren und Herausgeber einen beliebten<br />
Hochschullehrer, Praktiker, Weggefährten, Kollegen und Freund aus Anlass seines 70.<br />
Geburtstages. Die Herausgabe erfolgt trotz <strong>Gerhard</strong> <strong>Otte</strong>s mehrfach geäußerter Bitte, ihm<br />
keine <strong>Festschrift</strong> zu widmen. Nachdem die Fakultät <strong>für</strong> Rechtswissenschaft der Universität<br />
Bielefeld, diesem Wunsch folgend, im Jahre 2000 ein Symposium aus Anlass seiner Emeritierung<br />
veranstaltete, in dem er selbst als Hauptreferent zum Thema „'Die schwächere<br />
Sache zur stärkeren machen' – zu einer vergessenen Konzeption der Gerechtigkeit“ sprach,<br />
glaubten sich die Herausgeber über seine – der ihn kennzeichnenden Bescheidenheit entspringende<br />
– Bitte hinwegsetzen zu dürfen. Möge die Lektüre dieses Buches den Jubilar<br />
versöhnen, aber auch diejenigen seiner Freunde und Weggefährten, die von den Herausgebern<br />
aus Unkenntnis ihrer Nähe zum Jubilar nicht als Autoren angesprochen wurden.<br />
II. <strong>Gerhard</strong> <strong>Otte</strong> wurde am 13. April 1935 in Hamm geboren, der Stadt, in der er 38<br />
Jahre später – dem Beispiel seines Vaters, des Oberlandesgerichtsrates Dr. Rudolf <strong>Otte</strong>,<br />
folgend – seine Tätigkeit als Richter am Oberlandesgericht begann. Er übte sie parallel zu<br />
seinem Hauptberuf als Universitätsprofessor 22 Jahre lang (1973-1995) aus und stellte<br />
damit eindrucksvoll unter Beweis, wie sich die Fähigkeit zur rechtstheoretischen Grundlagenforschung<br />
mit praktischer Fertigkeit in einer Person vereinigen kann. Von seinen<br />
hauptamtlichen Richterkollegen ist bezeugt, dass seine Urteilsvorschläge und verfassten<br />
Urteilstexte wegen ihrer sorgfältig durchdachten Argumentationen auf höchste Akzeptanz<br />
und Wertschätzung stießen. Sein hohes Ansehen bei seinen Richterkollegen spiegelt sich<br />
auch darin, dass sie ihn 1982 zum stellvertretenden Vorsitzenden des Justizprüfungsamtes<br />
beim OLG Hamm wählten. 18 Jahre lang, bis zu seiner Emeritierung, bekleidete er diese<br />
Funktion.<br />
Wie bei dem Symposium im Jahre 2000 bezeugt, haben schon <strong>Gerhard</strong> <strong>Otte</strong>s Mitschüler<br />
am humanistischen Gymnasium ihn wegen seines außergewöhnlichen Talents <strong>für</strong> alte<br />
Sprachen, seiner Fähigkeit zum abstrakten und logischen Denken und seiner ausgeprägten<br />
Gabe, historische Entwicklungen und Zusammenhänge zu analysieren, bewundert. Nach<br />
dem Abitur studierte <strong>Otte</strong> von 1955 bis 1958 in Freiburg (Breisgau), Wien und Münster<br />
Rechtswissenschaften. Seine Ausbildung und sein späteres Berufsleben wurden vor allem<br />
durch seine Lehrer Erik Wolf, Harry Westermann und Rudolf Gmür geprägt. Nachdem<br />
<strong>Gerhard</strong> <strong>Otte</strong> mit einer herausragenden Dissertation über das Privatrecht bei Francisco de<br />
Vitoria 1962 seine wissenschaftliche Begabung unter Beweis gestellt hatte, legte er 1963<br />
das Assessorexamen ab, um sodann bis 1970 als Wissenschaftlicher Assistent am Institut<br />
<strong>für</strong> Kirchenrecht der Universität Münster bei Hans Kiefner tätig zu sein. 1969 habilitierte<br />
sich <strong>Otte</strong> mit der Schrift „Dialektik und Jurisprudenz, Untersuchungen zur Methode der<br />
Glossatoren“. Er erhielt die venia legendi <strong>für</strong> mittelalterliche und neuere Rechtsgeschichte<br />
mit Einschluss der kirchlichen Rechtsgeschichte, dem Bürgerlichen Recht und der juristischen<br />
Methodenlehre. Schon im August 1970, mit knapp 35 Jahren, wurde <strong>Otte</strong> zum<br />
ordentlichen Professor an die neu gegründete Universität Bielefeld auf den Lehrstuhl <strong>für</strong><br />
Deutsche Rechtsgeschichte und Bürgerliches Recht berufen. Dieser Universität blieb er bis<br />
zu seiner Emeritierung im Jahre 2000 treu, trotz ehrenvoller Rufe an die Universitäten<br />
Konstanz (1976) und Frankfurt a.M. (1983).
VI<br />
Vorwort<br />
<strong>Otte</strong>s Treue zur Universität Bielefeld ist <strong>für</strong> seine Schüler gut nachvollziehbar. In Fragen<br />
der Juristenausbildung war er stets engagiert und zu vollem persönlichen Einsatz bereit.<br />
Der Name <strong>Gerhard</strong> <strong>Otte</strong> bleibt verbunden mit dem Bielefelder Modell, jenem juristischen<br />
Ausbildungsgang, der – wie <strong>Otte</strong> selbst in seiner beruflichen Tätigkeit – Theorie und<br />
Praxis in äußerst erfolgreicher Weise miteinander verband. Die Absolventen dieses Studienmodells<br />
waren nicht nur im Durchschnitt zwei Jahre jünger als die Absolventen herkömmlicher<br />
Ausbildungsmodelle, sondern wurden auch – nach anfänglicher Skepsis – in<br />
der Praxis von Arbeitgebern den Absolventen des herkömmlichen Ausbildungsganges oft<br />
vorgezogen. <strong>Gerhard</strong> <strong>Otte</strong> hat sehr viel Idealismus und Energie auf diesen Modellversuch<br />
verwendet, der bundesweit als „einphasige Juristenausbildung“ etikettiert wurde (obwohl<br />
die Absolventen weit mehr als eine Phase zu durchlaufen hatten). Von 1975 bis 1976 war<br />
<strong>Otte</strong> auch als Dekan der Fakultät <strong>für</strong> Rechtswissenschaft <strong>für</strong> das dortige Ausbildungsmodell<br />
verantwortlich. Das Modell wurde zunächst im Bereich der juristischen Fakultäten<br />
und sodann von den politischen Entscheidungsträgern abgelehnt. Sein Scheitern dürfte in<br />
erster Linie mit seiner geringen Attraktivität <strong>für</strong> Professoren zu erklären sein. Im Vergleich<br />
zu überkommenen Ausbildungsgängen hätte ihnen das Bielefelder Modell mit seinen<br />
ganzjährigen Veranstaltungen, kurzen Ferienzeiten und zusätzlichen universitätsinternen<br />
Prüfungen eine wesentlich höhere Arbeitsbelastung auferlegt.<br />
<strong>Otte</strong> war neben seiner zeitaufwendigen Prüfungstätigkeit im Rahmen des Bielefelder<br />
Modells als Prüfer sowohl im Ersten Staatsexamen beim Justizprüfungsamt Hamm als auch,<br />
in seiner Funktion als Richter, im Zweiten Staatsexamen beim Landesjustizministerium in<br />
Düsseldorf tätig.<br />
Von 1995 bis 2000 bekleidete er das Amt des Vorsitzenden der Juristischen Gesellschaft<br />
Ostwestfalen-Lippe.<br />
III. Trotz dieser mit hoher Arbeitsbelastung verbundenen Tätigkeiten hat <strong>Gerhard</strong><br />
<strong>Otte</strong> sich auch durch zahlreiche Publikationen, durch Fachvorträge und als Redaktor des<br />
gesamten Erbrechts im Staudinger verdient gemacht. Seine Publikationen sind durch ihre<br />
systematische und methodenbewusste Durchdringung des Stoffes gekennzeichnet. Seine<br />
Kommentierung des geltenden Erbrechts im Staudinger besticht durch ihre methodische<br />
Kompetenz, die sich aber nie aufdringlich in den Vordergrund schiebt oder gar zum Selbstzweck<br />
wird, und bezieht daraus ihre herausragende Praxisrelevanz. Hier wie sonst spiegelt<br />
sich seine methodische Präzision in der Klarheit seiner Sprache. Sachliche und sprachliche<br />
Prägnanz kennzeichnen ebenso <strong>Otte</strong>s Grundlagenforschung. Seine Lehre von den<br />
komparativen Sätzen im Recht bezieht auch daraus ihre Wirkungsmacht. Allgemein sind<br />
seine Veröffentlichungen durch die Fähigkeit geprägt, die Wissenschaft der Praxis dienstbar<br />
zu machen. Sein Aufsatz in der Festgabe Zivilrechtslehrer 1934/1935 „Ist die Begriffsjurisprudenz<br />
wirklich tot?“ ist ein Beispiel unter vielen da<strong>für</strong> und eine brillante Demonstration<br />
unmittelbar praxisrelevanter Grundlagenforschung. In der Forderung <strong>Otte</strong>s, eine neue<br />
Methodenlehre müsse „griffig“ sein, um in der Praxis zu wirken, manifestiert sich der Realismus<br />
und die Praxisnähe eines Rechtswissenschaftlers, der ebenso wissen wie wirken will.<br />
Die erstaunliche Vielseitigkeit <strong>Otte</strong>s spiegelt sich nicht nur in seinen Publikationen,<br />
sondern gleichermaßen in seinen Lehrveranstaltungen und den Themen der von ihm<br />
betreuten Dissertationen. Sogar eine insolvenzrechtliche Habilitation hat er in souveräner<br />
Selbstverständlichkeit betreut. <strong>Otte</strong> hat in seinen Lehrveranstaltungen sämtliche Bücher<br />
des BGB gelesen. Spezialvorlesungen hat er im Liegenschaftsrecht gehalten. Zu seinem<br />
Fächerkanon gehören weiter die juristische Methodenlehre und die Rechtsphilosophie.<br />
Ein Schwerpunkt liegt im rechtshistorischen Bereich. Wiederholt hat er Deutsche Rechts-
Vorwort<br />
geschichte, Römische Rechtsgeschichte, aber auch Verfassungsgeschichte und Privatrechtsgeschichte<br />
der Neuzeit gelesen.<br />
Darüber hinaus hat sich <strong>Otte</strong> mit besonderer Vorliebe Grenzbereichen der Jurisprudenz<br />
gewidmet. Beleg <strong>für</strong> seine Neigung, auch ungewöhnliche Themen zu behandeln, sind<br />
Veranstaltungen wie<br />
„Das Recht im Spiegel der Literatur“ und<br />
„Der Prozeß gegen Jesus“.<br />
Aus dem Bereich der Methodik veranstaltete <strong>Otte</strong> Seminarreihen zu Fragen der juristischen<br />
Logik, der klassischen Hermeneutik und Ciceros Topik. Andere grundlegende<br />
Themenbereiche waren beispielsweise<br />
Recht und Moral<br />
Gerechtigkeit in Religion, Mythos und Philosophie<br />
Recht und religiöse Toleranz<br />
J. Essers „Vorverständnis und Methodenwahl“.<br />
Aus dem Bereich der alten oder älteren Rechtsgeschichte behandelte <strong>Otte</strong> Themen wie<br />
Platons Rechts- und Staatslehre<br />
Mittelalterliche Rechtsgutachten<br />
Hugo Grotius „de iure belli ac pacis“<br />
Gesetzgebung zur Zeit Friedrichs des Großen<br />
Das Bielefelder Stadtrecht.<br />
Daneben stehen Themen aus der neueren und neuesten Rechtsgeschichte wie<br />
Die Entstehung des BGB<br />
Geschichte der Eheschließung und Ehescheidung<br />
Geschichte des Nichtehelichenrechts<br />
Geschichte des Erbrechts<br />
Geschichte des Handelsrechts<br />
Die Frau in der Rechtsgeschichte<br />
Recht im Nationalsozialismus<br />
Die Rechtsstellung der Juden in der Geschichte<br />
Zivilrecht und Rechtspflege in der SBZ/DDR<br />
Justiz und politische Wenden – 1945 ff. und 1990<br />
Zivilrecht nach 1945<br />
Zivilrechtsprechung und Zeitgeschichte.<br />
Einen Forschungsschwerpunkt <strong>Otte</strong>s auf dem Gebiet der neueren Rechtsgeschichte, der<br />
durch Publikationen, durch Lehrveranstaltungen und die Betreuung einschlägiger Dissertationen<br />
belegt ist, bildet die Rechtsentwicklung im Nationalsozialismus. Er thematisierte<br />
sie bereits in seinen ersten Jahren als Hochschullehrer. Damit ist er zu den Vorreitern der<br />
rechtswissenschaftlichen Aufarbeitung des Nationalsozialismus zu rechnen, die in der<br />
Bundesrepublik im Wesentlichen erst Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre begann.<br />
VII
VIII<br />
Vorwort<br />
Der Rechtshistoriker <strong>Otte</strong> widmete sich aber auch neuesten Grenzbereichen des<br />
Rechts, wie Rechtsproblemen der Gentechnologie und Fortpflanzungsbiologie, letzteres in<br />
Zusammenarbeit mit Backes, van den Daele und Grimm. Darüber hinaus wurden in <strong>Otte</strong>s<br />
Seminaren viele weitere Querschnittsthemen behandelt wie<br />
Leben und Tod als Probleme des Zivil- und des Strafrechts<br />
Familienrecht und kulturelle Vielfalt<br />
Recht und religiöse Toleranz<br />
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Familienrecht<br />
Verfassungsrecht – Zivilrecht – Zivilprozessrecht.<br />
Die Fähigkeit unseres Lehrers zur Kooperation mit anderen Wissenschaftlern wird durch<br />
zahlreiche gemeinsame Seminare mit Professorenkollegen belegt, so mit Hommelhoff, Jost,<br />
Klippel, Nehlsen, Palm, Schiemann, Schild, Sprenger, Verschraegen, Wadle, Wollschläger<br />
oder den bereits genannten Backes, van den Daele und Grimm.<br />
<strong>Otte</strong>s ausgeprägte pädagogische Neigung und seine Gabe, auch Nichtjuristen über unsere<br />
aktuelle Rechtsordnung hinaus deren ethisches Fundament und die Grundlagen gesellschaftlicher<br />
Konventionen zu vermitteln, manifestiert sich in seiner Tätigkeit als einer<br />
von drei Mitherausgebern und als Mitautor des bundesweit ausgestrahlten und in zahllosen<br />
deutschen Volkshochschulen in Studienkursen begleiteten Funkkollegs Recht.<br />
IV. <strong>Gerhard</strong> <strong>Otte</strong> hat, <strong>für</strong> Studenten spürbar und erfahrbar, stets die wissenschaftliche<br />
Fragestellung und nie als Selbstdarsteller seine Person in den Vordergrund gerückt. Er hat<br />
Studenten an das wissenschaftliche Forschen herangeführt, indem er das Augenmerk nicht<br />
nur auf die geltenden Gesetze, sondern auch auf das „richtige“ Recht und dessen historische<br />
Bezüge richtete. Und dies oft mit unkonventionellen Mitteln, die aber nie zu bloßer<br />
Effekthascherei wurden. Berühmt und berüchtigt waren an der Universität Bielefeld seine<br />
Seminare, die mit Ungewohntem, wie gemeinsamen Theaterbesuchen, verbunden sein<br />
konnten. <strong>Otte</strong> verstand es, in seinen Seminaren die Teilnehmer zu fordern und zugleich<br />
im wissenschaftlichen Denken zusammenzuführen. Seine Seminare wurden sogar von<br />
ehemaligen Schülern besucht, nachdem sie die Universität verlassen hatten. Diese Sitzungen<br />
im größeren Diskussionskreis brachten den Lehrer seinen Schülern näher und verschafften<br />
diesen zugleich ehr<strong>für</strong>chtigen Respekt vor dem Wissen und der hohen Bildung<br />
ihres Lehrers.<br />
<strong>Otte</strong> hat sich nie dem Zeitgeist willfährig gezeigt oder gar opportunistischen Versuchungen<br />
nachgegeben. Deshalb wurde sein Rat gesucht. Für seine Schüler war und ist er<br />
stets ein aufmerksamer und aufgeschlossener Gesprächspartner, wobei die Betonung auf<br />
„Partner“ liegt. <strong>Otte</strong>s Nähe zu seinen Mitarbeitern kommt auch in seinem – zu Beginn<br />
seiner Hochschullehrertätigkeit verfassten – Lehrbuch „Erbrecht programmiert“ zum Ausdruck.<br />
An dem Buch beteiligte er seine studentischen und wissenschaftlichen Mitarbeiter<br />
sowohl schriftstellerisch – als Mitautoren – als auch finanziell. Nachhaltigen Eindruck auf<br />
die beteiligten Mitarbeiter haben die nach dem Erscheinen des Buches jährlich veranstalteten<br />
Treffen hinterlassen, bei denen ein Teil der gemeinsamen Honorare kulinarischen<br />
oder verwandten Zwecken zugeführt wurde.<br />
Das Weltbild <strong>Gerhard</strong> <strong>Otte</strong>s kann auch von seinen Schülern nicht vollständig nachgezeichnet<br />
werden, weil seine komplexe Anschauung mit zunehmender Erkenntnis zu immer<br />
neuen Fragestellungen vordringt und <strong>Otte</strong> sich insoweit wohl mehr als forschend Suchender<br />
denn als Wissender verstehen würde. Feststellen lässt sich immerhin: Für <strong>Gerhard</strong><br />
<strong>Otte</strong> als Rechtshistoriker ist das Recht in seiner historischen Entwicklung der Versuch, das
Vorwort<br />
zivilisierte Zusammenleben der Menschen sinnvoll zu ordnen. Für den Humanisten <strong>Gerhard</strong><br />
<strong>Otte</strong> ist die Pflege des Rechts eine menschliche Aufgabe, die ohne moralisches Fundament<br />
und philosophisch-ethische Grundlagen – durch die historischen Erfahrungen<br />
erweitert – nicht vorstellbar ist. In einer Zeit, in der die Rechtswissenschaft zunehmend an<br />
begrifflicher Schärfe verliert und dem politischen Tagesgeschäft der Vorrang gegenüber<br />
der juristischen Dogmatik eingeräumt wird, bedarf unsere Rechtsordnung fundierter, durch<br />
die Köpfe vieler Generationen entwickelter ethischer Grundwerte und darf nicht auf die<br />
flüchtigen Argumentationsketten heutiger Talkshow-Repräsentanten gestützt werden. Der<br />
Rechtshistoriker weiß den Wert der Gedanken derjenigen zu schätzen, die in einer Zeit<br />
nachdachten, als menschliche Werte noch nicht von technischen Medien bestimmt wurden,<br />
sondern der Mensch selbst im Zentrum der Wertbetrachtung stand. Die Achtung vor<br />
den Gedanken früherer Generationen erwächst aus historischer Betrachtung. <strong>Gerhard</strong><br />
<strong>Otte</strong> hat es vermocht, seinen Schülern den angemessenen Respekt vor den Gedanken<br />
früherer Rechtsdenker zu vermitteln.<br />
V. Wie das wissenschaftliche Werk <strong>Gerhard</strong> <strong>Otte</strong>s sind auch die in dieser <strong>Festschrift</strong><br />
behandelten Themen breit gefächert. Wir haben der <strong>Festschrift</strong> den Sachtitel<br />
Gesetz<br />
Recht<br />
Rechtsgeschichte<br />
gegeben und hoffen, damit sowohl den Inhalt dieses Buches als auch Forschungsinteressen<br />
und Arbeitsweise unseres hochverehrten Lehrers angemessen gekennzeichnet zu haben.<br />
Herausgeber und Autoren wünschen <strong>Gerhard</strong> <strong>Otte</strong> noch viele Jahre des Schaffens. Da<br />
er auch als Emeritus nicht der Versuchung des Untätigseins erlegen ist, sprechen alle Anzeichen<br />
da<strong>für</strong>, dass sich ihr Wunsch erfüllen wird.<br />
Wuppertal, Köln und Tübingen Wolfgang Baumann<br />
im Februar 2005 Hans-Jürgen von Dickhuth-Harrach<br />
Wolfgang Marotzke<br />
IX
Inhalt<br />
Inhalt<br />
Vorwort V<br />
Erste Abteilung<br />
Rechtsdogmatik, Rechtsmethodik, Rechtspolitik<br />
Die Verwechslungsgefahr im Markenrecht als bewegliches System –<br />
Anmerkungen zur Prüfungsmethode der Rechtsprechung 3<br />
Peter Bähr<br />
Mehrfachbeteiligungen an Gesamthandsgemeinschaften oder<br />
Die Eine-Person-Erbengemeinschaft<br />
(im Vergleich zur Einmann-Personengesellschaft) 15<br />
Wolfgang Baumann<br />
Scheingeschäfte und Strohmanngeschäfte, insbesondere im Steuerrecht 39<br />
Georg Crezelius<br />
Gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag? –<br />
Eine kautelarjuristische Gestaltungsalternative im<br />
entstehungsgeschichtlichen Kontext 55<br />
Hans-Jürgen von Dickhuth-Harrach<br />
Aufwendungsersatz und Rentabilitätsvermutung 101<br />
Volker Emmerich<br />
Das Schicksal der Testamentsvollstreckung bei Veräußerung der Erbschaft 113<br />
Wolfgang Grunsky<br />
Zur Umsetzung der Juristenausbildungsreform 2003 auf Länderebene 123<br />
Peter Hommelhoff<br />
Zur Vereinheitlichung des europäischen Privatrechts –<br />
Die Beispiele des Verbraucherschutz- und Kapitalmarkthaftungsrechts 135<br />
Norbert Horn<br />
Zwangskauf als Schadensersatz? 145<br />
Fritz Jost
XII<br />
Inhalt<br />
Die entsprechende Anwendung von Vorschriften über den Erbvertrag<br />
auf das gemeinschaftliche Testament 157<br />
Rainer Kanzleiter<br />
Kann das Gesetz klüger sein als der Gesetzgeber? –<br />
Überlegungen zu Gustav Radbruchs Auslegungstheorie 165<br />
Erhard Kausch<br />
Unternehmensleiter als Verbraucher? 185<br />
Detlef Kleindiek<br />
Die „Verfassung <strong>für</strong> Europa“ – ein Etikettenschwindel? 195<br />
Gertrude Lübbe-Wolff<br />
Ursachenmehrheit und Verursacherzweifel in Umweltschadensfällen 207<br />
Wilhelm Lülling<br />
Die Stellung der Nachlassgläubiger in der Eigeninsolvenz des Erben 223<br />
Wolfgang Marotzke<br />
„Zahlungsverzug“ im UN-Kaufrecht und EU-Vertragsrecht 241<br />
Justus Meyer<br />
Der Verzicht auf einen Miteigentumsanteil 265<br />
Ingo Reichard<br />
Kautelarjuristische Maßnahmen zur Absicherung und<br />
Kontrolle der Unternehmensnachfolge 285<br />
Wolfgang Reimann<br />
Kautelarjuristische Überlegungen zur Rolle des<br />
Erbrechts in einer älter werdenden Gesellschaft 313<br />
Gottfried Schiemann<br />
Person als Begriff –<br />
Zur Begriffslehre von Karl Larenz 329<br />
Wolfgang Schild<br />
Der ordre public im Internationalen Erbrecht 351<br />
Günther Schotten<br />
Zur „Rangordnung“ im Scheidungsfolgenrecht unter<br />
besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung zur Wirksamkeit von<br />
Scheidungsfolgenvereinbarungen 363<br />
Silvia Schumacher
Inhalt<br />
Die Vererblichkeit von arbeitsrechtlichen Abfindungsansprüchen<br />
(Aufhebungsvertrag, Sozialplan, § 1 a KSchG) 385<br />
Peter Schwerdtner<br />
Das „Sittengesetz“ als Freiheitsschranke –<br />
Mutmaßungen über ein Phantom 401<br />
<strong>Gerhard</strong> Sprenger<br />
Das ungeborene Kind und sein Recht auf Leben –<br />
Vo gegen Frankreich 417<br />
Bea Verschraegen<br />
Die Einschränkung der Freiheitsrechte der Professoren im neueren Hochschulrecht 427<br />
Hans-Wolfgang Waldeyer<br />
Vorzeitiger Erbausgleich oder Erbverzicht mit Abfindungsvereinbarung? 443<br />
Olaf Werner<br />
Zweite Abteilung<br />
Rechts- und Zeitgeschichte<br />
Die Unklarheitenregel des römischen Rechts –<br />
Rechtsphilosophischer Ursprung und juristische Ausarbeitung<br />
eines erfolgreichen Auslegungsprinzips 457<br />
Okko Behrends<br />
Die „künstliche Verwandtschaft“, eine soziale Erfindung Europas 481<br />
Jürgen Brand<br />
Bemerkungen zum „Dritten Reich“ 495<br />
Ralf Dreier<br />
Die juristische Kontroverse um den Fall des Mancinus 509<br />
Udo Ebert<br />
Das Regierungssystem der Paulskirchenverfassung 533<br />
Christoph Gusy<br />
Vom Recht im Nibelungenlied 551<br />
Heinz Holzhauer<br />
Das Pflichtteilsrecht des BGB im Lichte des<br />
Gleichnisses vom verlorenen Sohn (Lk 15,11-32) 563<br />
Christoph Martin Scheuren-Brandes<br />
XIII
XIV<br />
Inhalt<br />
Gab es im deutschen Kaiserreich einen Gesetzespositivismus? 571<br />
Jan Schröder<br />
Das bischöfliche Sendgericht in Münster –<br />
Ständischer Widerstand gegen die Rezeption des römischen Rechts 587<br />
Hans Schulte-Nölke<br />
Ein Rückerstattungsprozess nach 50 Jahren –<br />
vor einem amerikanischen Gericht 605<br />
Harm Peter Westermann<br />
Verzeichnis der Autoren 617<br />
Verzeichnis der Schriften von <strong>Gerhard</strong> <strong>Otte</strong> 621